der fiskus im dienste der kapitalbildung

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Der Fiskus im Dienste der Kapitalbildung Author(s): Otto Kraus Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 10, H. 3 (1945), pp. 653-676 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40908544 . Accessed: 12/06/2014 19:19 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.78.109.162 on Thu, 12 Jun 2014 19:19:30 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Der Fiskus im Dienste der KapitalbildungAuthor(s): Otto KrausSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 10, H. 3 (1945), pp. 653-676Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40908544 .

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Der Fiskus im Dienste der Kapitalbildung von

Otto Kraus

In der Wirtschaftsentwicklung aller Kulturstaaten ist, zwar in ver- schiedenem Maße, aber mit derselben Zielsetzung, seit dem Ende des ersten Weltkrieges ein gemeinsamer Zug feststellbar: das Vordringen der staat- lichen Initiative im Bereiche der Kapital Verwendung. Diese Ent- wicklung, die von der Diskontpolitik bis zur totalen Investitionsplanung führt, ist wohl zu unterscheiden von der des Kapital Verbrauches durch den Staat, obwohl der Verbrauch natürlich eine bestimmte Ver- wendungsart des Kapitals bedeutet. Die steigende Inanspruchnahme der Kreditmärkte durch den Staat hat häufig die Kolle eines Geburtshelfers bei der Entstehung neuer Methoden der Lenkung des Geldkapitals gespielt - während die unmittelbare Inanspruchnahme von Produktivgütern auf Grund der Ausübung staatlicher Hoheitsbefugnisse als unmittelbare Len- kung und Verbrauch zugleich von freiem Kapital betrachtet werden muß.

In einer totalen Planwirtschaft wäre der Staat nicht nur der einzige Verbraucher und Verwender von Kapital, sondern er müßte, da andere Wirtschaftssubjekte fehlen, alles von ihm benötigte Kapital auch selbst bilden. In der freien Verkehrs Wirtschaft ist der Staat auf die Rolle eines Kapitalverbrauchers beschränkt - er stellt die größte Verbrauchswirtschaft des Landes dar. Die Betrachtung der gelenkten Wirtschaft muß den poli- tisch bedingten Kapitalverbrauch vom historisch feststellbaren Wesensbild abstrahieren. Wenn man von dieser durch besondere Verhältnisse bedingten Übersteigerung des Kapitalverbrauches absieht, bleiben als spezifische Er- gebnisse der gelenkten Wirtschaft Maßnahmen auf dem Gebiete der Kapital- verwendung, die eine weitgehende Lenkung des Sachkapitalzuwachses, der Neubildung von Realkapital zur Folge haben:

1 . mittelbar durch Einflußnahme auf die Verteilung des frei disponiblen Geldkapitals (der Kapitaldisposition);

2. unmittelbar durch Einflußnahme auf die Investierung desselben, also bei der Verwendung von freiem, volkswirtschaftlichem Kapital.

Die im einzelnen dabei zur Anwendung kommenden Maßnahmen sollen hier nicht besprochen werden. Von grundsätzlicher Bedeutung ist jedoch der hierin sich ausdrückende Wandel wirtschaftspolitischer Zielsetzung.

Die Notwendigkeit einer staatlichen Wirtschaftslenkung ergab sich aus der Unfähigkeit der freien Marktwirtschaft, aus sich selbst heraus die Krise

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und das große soziale Übel der Arbeitslosigkeit zu überwinden. Obwohl die gelenkte Wirtschaft als ein Kind der Not entstanden ist, haben sich die Mittel und Wege der staatlichen Wirtschaftslenkung doch im wesentlichen nach dem Grundsatz entwickelt, daß Vorbeugen besser als Heilen ist. Trotz der zweifellos erheblichen Erfolge dieser Wirtschaftspolitik auch im Kriege wird die Lage der deutschen Volkswirtschaft zumindest in der Übergangs- zeit derjenigen eines auf ärztliche Hilfe angewiesenen Patienten in mancher Hinsicht sehr ähnlich sein. Die Krankheit, die der Nachkriegswirtschaft aller Voraussicht nach drohen wird, läßt sich mit einem allerdings viel- deutigen Wort als ,, Kapitalarmut" bezeichnen.

Wie das Eingreifen des Staates zur Überwindung der Arbeitslosigkeit sich nicht auf die in der freien Verkehrswirtschaft übliche Methode der An- wendung von Belebungsmitteln beschränkte - wobei auch die mehr und mehr gesteigerte Dosierung derselben nichts mehr half - , sondern zur positiven Arbeitsbeschaffung überging, wird die Bekämpfung der Kapital- armut nicht durch Maßnahmen der Kapitalverteilung und der Kapital- verwendung allein zum Erfolg führen können. Der Staat wird sich mit anderen Worten nicht mit der Rolle eines Polizisten begnügen, der über die sehr knapp und kostbar gewordene Kapitalmenge wacht und den An- sturm der Kapitalverbraucher regelt, sondern selbst die verfügbare Kapital- menge zu vermehren trachten. Damit tritt der Staat unmittelbar in den Dienst der Kapitalbildung.

Staatskapitalbildung, d. h. Bildung von Kapital durch fiskalische Or- gane zum Zwecke der Verwendung und des Verbrauches in der staatlichen Finanzwirtschaft, hat es schon immer gegeben. Wilhelm Röpke1) führt unter den Hauptarten der Kapitalbildung die ,, Finanz wirtschaftliche Kapitalbildung" an. Diese Art der Kapitalbildung ist so alt wie der Fiskus selbst. Aber sie erfolgte ausschließlich für den Eigenbedarf des Staates, den sie nur zum geringsten Teil befriedigen konnte. Steuereinnahmen und Schuldenaufnahmen sind immer die Hauptdeckungsquellen des öffentlichen Finanzbedarfes geblieben. Kapitalbildung durch den Fiskus für die Zwecke des privaten Sektors hat es noch nie gegeben, man rechne denn die Fälle von staatlichen Subventionen an notleidende Betriebe der Privatwirtschaft unter diese Rubrik. Aber auch das kann in der Nachkriegszeit nicht Ziel der fiskalischen Kapitalbildung sein. Es handelt sich ja um die Bekämpfung eines Notstandes, der ebenso wie seinerzeit die Arbeitslosigkeit eine all- gemeine Belastung der Volkswirtschaft bildet.

Durch diese Zielsetzung wird auch die Art, das Wesen der volkswirt- schaftlichen Kapitalbildung eindeutig bestimmt. Der in der Nachkriegszeit zu bekämpfende Kapitalmangel wird ein solcher an freiem, volkswirtschaft- lichem Kapital sein. Dieses freie Kapital kann immer nur aus dem Ein- kommen, niemals aus dem Vermögen entstehen und am wenigsten aus dem Teil des Vermögens, der aus gehortetem Bargeld oder aus gehorteten Depositen (Giralgeldhortung) besteht. Enthortung hat grundsätzlich die- selben Wirkungen wie Vermehrung des Geldumlaufes; daher sind auch

*) Die Theorie der Kapitalbildung, Tübingen 1929, S. 17.

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Der Fiskus im Dienste der Kapitalbildung. 655

zwangsgehortete Geldbestände alles andere als ein „Geldkapitalblock" 1), sondern eine gewaltsame Aufstauung von liquidem Vermögen, das nach dem freien Willen seiner Besitzer dem sofortigen Verbrauch zugeführt würde. So wünschenswert und notwendig die Beseitigung des Geldüberhanges in der Nachkriegszeit ist, von Kapital bildung kann dabei keine Rede sein. Auch wenn in den bekannten Sammelbecken des Geldkapitals - Kredit- märkten und Banken - flüssige Mittel zusammenströmen, kann dieser Vorgang nur dann als Vorstufe des Kapitalbildungsprozesses betrachtet werden, wenn diese liquiden Mittel echte Einkommensersparnisse sind. Denn die Investierung von enthorteten Beträgen wirkt wie eine Vermehrung des Geldumlaufes und ist der Finanzierung von Investitionen durch zusätz- lichen Kredit völlig gleichzustellen. Will man den Geldüberhang beseitigen, so darf man ihn nicht investieren und damit von neuem in Umlauf bringen. Die Abnahme der „Vorliebe für Liquidität" 2) muß jedoch zu einer Sen- kung des Zinsfußes führen, wenn die enthorteten Gelder auf den Kredit- markt strömen. Dieser Senkung des Zinsfußes auf dem Geldmarkt muß durch entsprechende Abschöpfungsmaßnahmen entgegengewirkt und da- durch die Investierung solcher Enthortungen von vornherein verhindert werden.

Nur echte Einkommensersparnisse, die ihren Weg in der ersten Etappe oder Vorstufe der Kapitalbildung beginnen, sind imstande und geeignet, die Kapitalarmut, den Kapitalmangel der Nachkriegszeit zu lindern. Wenn Mittel, die aus der Auflösung von Horten stammen, dem Fiskus als Steuer- eingänge zufließen, so muß der Staat in Höhe dieser Beträge eine Schulden- tilgung, eine Kreditrückzahlung an die Notenbank leisten. Tut er das nicht, sondern beläßt er diese Mittel im Umlauf, indem er sie in irgendeiner Form wieder ausgibt, so kommt dies in der Wirkung einer entsprechenden Ver- mehrung des Geldumlaufes gleich. „Kapitalbildung" durch Enthortung ist also dasselbe, wie durch zusätzlichen Kredit.

Wir unterscheiden zwei Hauptstadien der Kapitalbildung: I. Das Stadium der Geldkapitalbildung mit den drei Etap-

pen (Vorstufen) der Entstehung von freiem Kapital : 1. das Sparen, d. h. Zurückhalten von Einkommensteilen an den Kon-

sumgütermärkten, sog. Sparkapitalbildung; 2. die Aufnahme der Ersparnisse von den Kreditinstituten, sog. No-

minalkapitalbildung; 3. die Übertragung von frei disponiblem Geldkapital (Kapitaldispo-

sition) an die Investoren (Bildung von „kumulativem" Kapital). II. Das Stadium der Sachkapitalbildung, der Vermehrung

des Realkapitalbestandes durch Verlängerung der Umschlagsperiode mit dem Ziele einer Steigerung der Produktivität. Auch dieses Stadium weist zwei Phasen auf:

x) „Kapital in der gelenkten Wirtschaft", Frankfurter Zeitung vom 1. Au- gust 1943.

2) John Maynard Keynes, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, München-Leipzig 1936, S. 141: „Die Vorliebe für Liquidität ist eine Potentialität oder funktioneile Neigung, die die Geldmenge festlegt, die die Bevölkerung bei einem gegebenen Zinsfuß halten will."

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1. Die Phase der Investierung. Sie besteht in der „Umwand- lung von Geldkapital in elementare Produktionsfaktoren (Arbeit und Boden- leistungen) und in Sachkapital". Nur bei der Neuinvestition wird freies Kapital investiert, bei Ersatzinvestitionen wird allein Amortisationskapital und Betriebskapital ausgegeben. In dieser Phase wird also das freie, liquide, volkswirtschaftliche oder kumulative Kapital verwendet und verbraucht.

2. Die Phase der Produktion. Zu unterscheiden ist a) die Erzeugung von Zwischenprodukten, Investitionsgütern, Kapital-

gütern oder Produktionsmitteln und b) die Herstellung von konsumreifen Gütern und Leistungen. Von besonderer Bedeutung ist die Kapitalumschlagsperiode in den

b-Industrien. Wenn der ,,Hang zum Verbrauch" x) abnimmt (die Spar- kapitalströme also zunehmen), vermindern sich die Ansprüche an die Er- zeugung der Konsumgüterindustrien. Die Menge von konsumreifen Gütern und Leistungen, welche an die Absatzmärkte geliefert werden muß 2), nimmt von einem bestimmten Zeitpunkt an ab. Das bedeutet auch einen ent- sprechenden Minderbedarf an Erzeugungsmitteln für die Konsumgüterindu- strien. Da jedoch die Erzeugung von Konsumgütern Zeit beansprucht, ent- steht der jeder Abnahme der Nachfrage nach fertigen Verbrauchsgütern ent- sprechende Minderbedarf an Produktionselementen und Zwischenprodukten in einem zeitlich früheren Stadium, nämlich bei der Aufwendung der Kosten für die Produktion jener Güter, die zur Zeit der Abnahme des Hanges zum Verbrauch auf den Markt kommen.

Dagegen entsteht das freie Kapital erst nach der Nachfrageverminde- rung auf den Konsumgütermärkten, weil erst die Abnahme der in der Zeit- einheit erzielten Verkaufserlöse die Verbrauchsgüterindustrien zur Frei- setzung einer entsprechenden Menge von Erzeugungsmitteln zwingt. Da die Ersparnisse als Geldkapital den Produktionsmittelproduzenten zufließen und von diesen zur selben Zeit als zusätzliche Nachfrage an den Märkten der Produktionsmittel und -elemente (Arbeitsmarkt) geltend gemacht wer- den, finden die von den Konsumgüterindustrien freigesetzten Erzeugungs- mittel ziemlich reibungslos und ohne Preisschwankungen bei den Investi- tionsgüterindustrien Aufnahme - falls keine Hortungen stattfinden.

Das freie Kapital könnte aber schon früher entstehen, nämlich dann, wenn die Konsumgütermenge, die zur Zeit der Abnahme des Hanges zum Verbrauch auf die Märkte kommt, erst erzeugt wird. Denn die Güter und Leistungen, auf welche die Verbraucher später durch erhöhte Sparsamkeit verzichten, brauchen doch gar nicht erst hergestellt und angeboten zu werden. Wie kann nun eine rechtzeitige Einschränkung der Konsumgüter- produktion und Freisetzung einer entsprechenden Menge von Erzeugungs- mitteln durch die Konsumgüterindustrie erreicht werden ?

Die rechtzeitige Vorwegnahme (Antizipation) dieser Produktionsein- schränkung setzt zweierlei voraus:

M John Maynard Keynes, a. a. O., drittes Buch. 2) Wenn das Preisniveau nicht steigen und auch kein Geldüberhang entstehen

soll.

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Der Fiskus im Dienste der Kapitalbildung. 657

1. die Kenntnis des Zeitpunktes, 2. des Ausmaßes der bevorstehenden Kaufkraftabnahme an den Kon-

sumgütermärkten. Diese beiden Voraussetzungen sind dann erfüllt, wenn die Kaufkraftabnahme keine freiwillige ist, sondern vom Fiskus erzwungen wird durch - Wegsteuerung von Kaufkraft. Denn den genauen Zeitpunkt und den ungefähren Umfang der Steuereingänge hat der Fiskus ja selbst in der Hand.

Natürlich dürfen diese der Kapitalbildung gewidmeten Mittel nicht dem allgemeinen Staatshaushalt zugeführt werden. Sie müssen vielmehr den Zugriff des Fiskus und jeder unproduktiven Verwendung absolut ent- zogen werden, denn das würde ja eine entsprechende Zunahme des Stromes konsumgüterkaufender Zahlungsmittel bedeuten. Zweckmäßig erscheint die „Schaffung eines Erneuerungsfonds, der unter Ausschaltung der Finanz- verwaltung und unter Führung der Reichsbank bzw. der Golddiskontbank bei der Verwendung der überschüssigen Steuereinnahmen dazu dient, diese in möglichst großem Umfang in den Dienst der Produktivitätssteigerung zu stellen" 1).

Die Antizipation erfolgt dann in der Weise, daß jeweils in einem be- stimmten Zeitabstand vor der bevorstehenden Überweisung von eingehen- den Steuergeldern an den Erneuerungsfonds in dem Umfange der für Über- weisungszwecke erwarteten Steuereingänge Produktivkredite an die In- vestitionsgüterindustrie gewährt werden. Das heißt also, die Verwaltung des Erneuerungsfonds kann nach Belieben Produktivkredite für die not- wendigen Investitionen geben, wenn sie nur dafür sorgt, daß nach einer bestimmten Zeit diese Kredite aus Steuereingängen an den Erneuerungs- fonds zurückfließen. Es sind keine zusätzlichen Kredite, da eine Vermehrung des Geldumlaufes nicht erfolgt. Die Ansammlung des Erneuerungsfonds vor der ersten Kreditgewährung müßte vielmehr durch steuerliche Ab- schöpfung des Geldüberhanges aus der Kriegszeit erfolgen, erst nach Be- endigung dieser Aktion (der Abschöpfung des Geldüberhanges) dürfte der Kreislauf : Produktivkreditgewährung - Rückfluß aus Steuerüberweisungen - neue Produktivgewährung usw. einsetzen.

Die dem Erneuerungsfonds zuzuführenden Mittel könnten vor allem eingeholt werden

1. durch steuerliche Abschöpfung von Betriebsgewinnen2) - die ja in

M Adolf Weber, Leitsätze, Nr. 10 (b). 2) Die Neuregelung der Gewinnabführung durch die Verordnung vom 15. Mai

1944 (RGB1. I Nr. 23 vom 31. Mai 1944) hat im „steuerlichen Mindestgewinn4 ' des § 1 zum erstenmal die Konstruktion eines Normalgewinnes geschaffen, der sich aus dem Kapitalzins (5% mit, 6% ohne Berücksichtigung des Fremd- kapitals), dem Umschlagsgewinn (zwecks Berücksichtigung der geringeren Um- schlagshäufigkeit bei arbeitsintensiven Betrieben; bei einmaligem Umschlag des Einheitswertes im Jahr beträgt der Umschlagsgewinn 4%) und dem Ausgleichs- betrag für Personenunternehmen (als Anerkennung eines Unternehmerlohnes) zusammensetzt. Von dem Betrag, um den die gewerblichen Einkünfte (die nur mit 90% angesetzt werden) den steuerlichen Mindestgewinn (Kapitalzins -f- Umschlagsgewinn) übersteigen, müssen Körperschaften 35%, natürliche Per- sonen und Personengesellschaften 30% abführen.

Damit wurde die Gewinnabführung von der alten Mehrgewinnsteuer zu

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besonderem Maße der Gefahr der Vergeudung durch Selbstfinanzierung ausgesetzt sind - ;

2. durch „Einführung einer Zinsanfall- und Investitionsabgabe, die An- passung der Zinshöhe an die Knappheit des Kapitals und damit das rich- tige volkswirtschaftliche Kechnen ermöglicht, aber den privatwirtschaft- lichen Bezug des reinen Zinses auf 4% beschränkt" 1).

Dadurch wird es möglich, das „arbeits- und mühelose" Einkommen auf ein staatspolitisch erträgliches Maß zu beschränken und zudem die Ver-

einer Abgabe entwickelt, die sich von der hier vorgeschlagenen Kapitalerneue- rungsabgabs nur durch die Höhe des Abführungsbetrages (bei letzterer nämlich 100%) unterscheidet sowie dadurch, daß gewerbliche Einkünfte unter 12 000 RM. im Jahr (Mindestgrenze) nicht erfaßt werden.

Sozialisierung des Zinses Daß der Zins bereits eine weitgehende Sozialisierung erfahren hat, ist den

wenigsten bewußt. Dabei ist unter ,, Sozialisierung" verstanden, daß der ver- hältnismäßige Zinsnutzen bei kleinen Einkommen am größten, bei größten Ein- kommen am kleinsten ist.

Diese Tatsache folgert einmal aus der Besteuerung. Die nachfolgende Tabelle zeigt, was von einem vereinnahmten Zinsbetrag nach Abzug der Steuern und Abgaben unter bestimmten Voraussetzungen bleibt.

I II III IV V Rpf. Rpf. Rpf. Rpf. Rpf.

1. Betrag der Jahreszinsen ... 400 400 400 400 400 2. Abzüglich Gewerbesteuer (hier m.

rund 20% des Gewerbegewinns angenommen) 80 80 80 - -

3. Verbleibt als einkommen- bzw. körperschaftssteuerlicher Gewinn 320 320 320 400 400

4. Abzüglich Körperschaftssteuer .160 - - - - 5. Abzüglich Vermögenssteuer der

Kapitalgesellschaft (Steuerkurs- wert der Aktien des Aktionärs . 50 - - - -

6. Abzüglich Einkommensteuer zu- züglich Kriegszuschlag .... 61 208 176 220 260

7. Abzüglich auf dem Einkommen aufgebauter sonstiger Steuern, Beiträge usw. (Zuschlag für auf- gehobene Bürgersteuer, Kirchen- steuer usw . 11 32 32 40 40

8. Vermögenssteuer ( y2% des Kapi- tals) 50 50 50 50 50 Verbleiben zum Verbrauch oder zum Sparen - 12 30 62 90 50 In % bezogen auf das Kapital - 0,12% 0,3% 0,62% 0,9% 0,5%

Zugrunde gelegt ist eine jeweilige Kapitaleinheit von 100 RM. mit 4 RM. = 400 Rpf. Zinsertrag in Vermögen von 100 000 bis 500 000 RM.:

I. Kapitalgesellschafts- Aktionäre, verheiratet mit zwei Kindern, II. Einzelunternehmer, unverheiratet,

III. Einzelunternehmer, verheiratet mit zwei Kindern, IV. Privatmann, verheiratet mit zwei Kindern, V. Privatmann, unverheiratet.

Persönlich Steuerpflichtiger steht in der höchsten Einkommensteuerstaffel, die Kapitalgesellschaft hat zwischen 100 000 und 500 000 RM. Gewinn.

*) Adolf Weber, Leitsätze, Nr. 9 (a).

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Der Fiskus im Dienste der Kapitalbildung. 659

mehrung des Kapitalangebotes und damit die Zinssenkung aus der Über- höhung des Zinses selbst zu finanzieren. Durch den Erfolg der Zinssenkungs- aktion würde sich diese Quelle der fiskalischen Kapitalbildung von selbst automatisch abdrosseln und den Erneuerungsfonds auf die Zuflüsse aus steuerlich abgeschöpften Betriebsgewinnen beschränken. Eine radikale Weg- steuerung jeder Zinseinnahme, die auf Grund einer Zinshöhe von über 4% entstanden ist, würde auch den einer starken Zinserhöhung entsprechenden Kursfall aller Eentenwerte mit niedrigerer Nominal Verzinsung verhindern. Ein solcher Kursfall würde ja eine starke Vermögenseinbuße und außer- ordentlich ungerechte Benachteiligung der Gläubiger des Reiches mit der Folge einer Vertrauensminderung für den öffentlichen Kredit bedeuten.

Während die Zinsanfallsteuer als eine zusätzliche Kapitalertragsteuer auf das Leihkapital anzusehen ist, die den ein bestimmtes Verhältnis zu demselben überschreitenden Mehrertrag zu 100% abschöpft, stellt die In- vestitionsabgabe eine Verteuerung aller Investitionen dar mit dem Ziele, die durch den hohen Kapitalzins erzwungene Auslese der Verwendungs- möglichkeiten am Kapitalmarkt auch für die Selbstfinanzierung zu er- zwingen x). Damit erfüllt die Investitionsabgabe unmittelbar die sozial- ökonomische Funktion, jede Investition unter die volkswirtschaftlich ge- botene Kalkulationsnorm zu zwingen. Der Zins vermag diesen Zwang nur auf jene Investitionen auszuüben, für welche die zu ihrer Durchführung erforderlichen Mittel am Kapitalmarkt beschafft werden müssen. Doch ist für diese Funktion die Bildung des Zinses unentbehrliche Voraussetzung, weil der Kapitalzins erst die volkswirtschaftliche Kalkulationsnorm gibt. Und zwar ist, um die Findung der volkswirtschaftlich richtigen Kalku- lationsnorm zu ermöglichen, eine freie Preisbildung am Kapitalmarkt not- wendig. Es mag dem Staat unbenommen bleiben, aus politischen Gründen vordringliche Investitionen entweder selbst vorzunehmen oder durch finan- zielle Zuschüsse zu ermöglichen. Die freie Preisbildung am Kapitalmarkt gibt dann erst die Möglichkeit, die Größe des wirtschaftlichen Opfers zu berechnen, das für die Erfüllung politischer Aufgaben gebracht werden muß.

Um eine Doppelbelastung ein und derselben Investition zu vermeiden, muß natürlich die Investitionsabgabe vom Betriebsgewinn in Abzug ge- bracht werden können. Das ist ohne weiteres möglich, weil ja der Betriebs- gewinn bei demselben Investor-Unternehmer besteuert wird, der die In- vestitionsabgabe bezahlte. Dagegen tritt die Zinsanfallsteuer in der Erfolgs-

*) Würde man durch die Erhebung der Kapitalerneuerungsabgabe nur als Zinsanfallsteuer die Erträge aus leihweiser Vergebung von Kapitaldisposition einseitig belasten, so müßte das die Tendenz zur Selbstfinanzierung außerordent- lich verschärfen. Alexander Mahr (S. 391) weist hin auf die „Gefahr einer volkswirtschaftlich unzweckmäßigen Kapital- lenkung, die sich aus einem völligen Vorherrschen der Selbstfinanzierung ergeben würde". Da nach der Auffassung mancher Autoren (vgl. besonders Günter Schmölders, Das Sparkapital in der gelenkten Volkswirtschaft, Stuttgart und Berlin 1940, S. 9 f.) der Selbstfinanzierung schon heute größen- mäßig entschieden der Vorrang vor der Fremdfinanzierung aus Kapitalmarkt- mitteln zukommt, käme die letztere Finanzierungsform (durch eine weitere Verstärkung der Tendenz zur Selbstfinanzierung) möglicherweise fast ganz zum Erliegen.

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rechnung des die Investitionsabgabe leistenden Unternehmens gar nicht in Erscheinung. Sie ist jedoch in den Zinsaufwendungen desselben mit ent- halten, wodurch ein, wenn auch mittelbarer, Steuerabzug bewirkt wird.

Die sozialpolitische Funktion einer Beschränkung des arbeits- und mühelosen Einkommens wird durch die Investitionsabgabe auch auf die Einkommen aus Selbstfinanzierung ausgedehnt. Unter der Voraussetzung, daß die Investitionsabgabe ebenso wie die Zinsanfallsteuer dem Erneuerungs- fonds zugeführt wird, tritt dazu noch die wichtige sozialökonomische Funk- tion, durch Vermehrung des Kapitalangebotes eine natürliche Zinssenkung herbeizuführen. Man kann bei dieser Handhabung beide Steuern als Kapital- erneuerungsabgabe bezeichnen.

Ebenso wie am Kreditmarkt eine Unterscheidung der zur Finanzierung von Neu- und Ersatzinvestitionen aufgenommenen Kredite nicht möglich ist, muß auch die Kapitalerneuerungsabgabe für alle Investitionen einheit- lich erhoben werden. Wollte man die Ersatzinvestitionen davon ausnehmen, so würde dadurch eine Monopolstellung der bestehenden Kapitalanlagen geschaffen, um die Erhaltung solcher Anlagen 1) auf Kosten von ertrag- reicheren Neuanlagen - deren Durchführung aus diesem Grunde unter- bleiben müßte - durch den Bezug billigen Kapitals zu subventionieren. Es ist klar, daß eine kapitalarme Volkswirtschaft sich solche Subventionen unkontrollierbaren Ausmaßes keineswegs leisten kann.

Im allgemeinen wird durch Ersatzinvestitionen kein freies Kapital verbraucht, es sei denn bei Vornahme derselben aus kreditär beschafften Zahlungsmitteln. Doch setzt die Unterlassung von Ersatzinvestitionen Ar- beitsleistungen und flüssiges Sachkapital frei, läßt also freies Kapital ent- stehen. Insoweit die Kapitalerneuerungsabgabe zur Unterlassung von Ersatz- investitionen zwingt, bringt sie ein Angebot von Kapitaldisposition bzw. freiem Kapital hervor, deren bzw. dessen Menge ein Vielfaches vom Be- trage der dem Erneuerungsfonds zugeführten Abgabe ausmacht. In diesem Falle führt die Selektionsfunktion der Investitionssteuer unmittelbar auch zur Entstehung von freiem Kapital und dadurch zu einem Druck auf die Zinssätze.

Letztes und eigentliches Ziel der staatlichen Zinspolitik kann natürlich immer nur sein: natürliche Senkung der Zinssätze am Geld- und Kapital- markt nicht als Ergebnis geldpolitischer Maßnahmen (zusätzlicher Geld- schöpfung), sondern einer Zunahme des Angebotes von freiem Kapital. Ein hoher Zinssatz ist ja nicht nur deshalb von Übel, weil er als Bestandteil der Produktionskosten die Preise erhöht, weil er die Erzeugung um so mehr verteuert, je kapitalintensiver sie ist. Er ist ja das unmittelbare Ergebnis einer Kapitalarmut, die zur Beschränkung der Erzeugung von Gütern

*) „Die Aufwendungen zur Erhaltung dieser Kapitalanlage in demselben Umfange würden mindestens teilweise eine Fehlinvestition von im Wirtschafts- betrieb sowohl als im Rahmen der Gesamtwirtschaft knappen Mittel bedeuten." Aus: Otto Kraus, Materielle oder wertmäßige Kapitalerhaltung, Schmol- lers Jahrbuch. 1943. 67. Jahrg. S. 83 (659): „Die volkswirtschaftliche Funktion der Ertragsminderung als Folge einer Zinsfußerhöhung besteht darin, die einzel- nen Unternehmungen zu einer wirtschaftlicheren, d. h. gewinnbringenderen An- lage ihrer disponiblen Mittel zu veranlassen."

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Der Fiskus im Dienste der Kapitalbildung. 661

zwingt, die wir gerade nach dem Kriege dringend benötigen. Je höher der Zinsfuß, um so teurer wird nicht nur die Erzeugung, sondern vor allem die Verwendung dauerhafter Güter, seien es nun Produktionsmittel oder Gebrauchsgüter. Gerade nach solchen Gütern besteht ein außerordentlich gesteigerter Bedarf, und zwar nicht nur aufgestauter Nachholungsbedarf nach den in den Kriegsjahren unterlassenen Ersatz- und Neuinvestitionen; denken wir etwa an den Wohnungsbau: der Krieg hat unmittelbar solche Güter in einem Ausmaß zerstört, das durch die normale Produktion vieler Friedensjahre nicht aufgefüllt werden kann. Zweifellos handelt es sich hier um dringenden Existenzbedarf, für den die erforderlichen Mittel unter allen Umständen bereitgestellt werden müssen. Die Befriedigung des existenznotwendigen Bedarfes an Wohnungen erfordert viel Kapital, mehr als die Eigenkräfte der Nachkriegswirtschaft ohne staatliche Hilfe zu bilden in der Lage sein werden. Grundsätzlich sind zwei Wege möglich, um den Fiskus in den Dienst dieser Sachkapitalbildung zu stellen, nämlich

1. Wohnungsbau in eigener Kegie und 2. „Einführung einer Mobiliar- und Immobiliarausgleichsabgabe, die der

Entschädigung der Bombengeschädigten im Sinne ausgleichender Gerechtig- keit dient" i).

Im zweiten Fall würde der Fiskus sich auf die Zuteilung einer ent- sprechenden Menge von frei disponiblem Geldkapital (Kapitaldisposition) an die Bombengeschädigten beschränken, was natürlich zu einer entsprechen- den Nachfragesteigerung an den Märkten für Baumaterialien, gelernter und ungelernter Bauarbeit sowie Baumaschinen und Ergänzungsgütern der Bau- industrie durch die bombengeschädigten Hausbesitzer führen muß. Diese Mehrnachfrage kann nur dadurch befriedigt werden, daß die kaufkräftige Nachfrage der übrigen Bauinteressenten entsprechend eingeschränkt wird. Wie groß diese Nachfrage ohne Zwangsbewirtschaftung der Produktions- mittel sein würde, wissen wir nicht. Ebensowenig läßt sich übersehen, in welchem Verhältnis das bei freier, d. h. nur durch den Marktpreis geregelter Verwendung der Produktionsmittel verfügbare Angebot zu dieser Nach- frage stünde.

Nehmen wir an, daß bei Einstellung der Rüstungsproduktion eine völlige Erschöpfung aller Lagervorräte eingetreten sei. Es sind nirgendwo Bestände an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen vorhanden, ebenso ist die Wirtschaft von Halbfabrikaten und Fertigwaren nahezu vollständig ent- blößt. Der Gesamtwert der volkswirtschaftlichen Lagerbestände wurde nach dem Stande von 1928 schätzungsweise auf 25 bis 30 Mrd. RM. beziffert 2) bei einem Wert der gesamten Gütererzeugung in demselben Jahre von 80 Mrd. RM.3). Aus den Schätzungen geht weiterhin hervor, ,,daß die ge- samten Vorräte in allen Teilen der deutschen Volkswirtschaft in den Jahren 1924 - 28 um 13,8 Mrd. RM. zugenommen haben, während sie sich in den Krisen] ahren 1930 - 32 um insgesamt 10,8 Mrd. RM. verminderten" 2).

Es handelt sich hier um den beweglichsten Teil des Volksvermögens, M Adolf Weber, Leitsätze Nr. 9 (b). 2) Nach Otto Neubaur und Bernhard Benning, S. 70. 3) Vgl. Ernst Wagemann, S. 111.

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662 Otto Kraus

der größtenteils dazu bestimmt ist, Realeinkommen zu werden - soweit er nicht zur Substanzerhaltung des Anlagevermögens benötigt wird. Das Um- laufsvermögen oder Betriebskapital unterliegt einem raschen Verbrauch und muß laufend ersetzt werden. Wenn dieser laufende Nachersatz eingestellt oder auch nur eingeschränkt wird, so tritt eine verhältnismäßig rasche Ab- nahme des Volumens in diesem Sektor des Sachkapitalbestandes der Volks- wirtschaft ein. Der Schwund der volkswirtschaftlichen Vorratsbestände im Verlaufe von zwei Jahren der Wirtschaftskrise um nahezu die Hälfte des Normalbestandes läßt sich nur dadurch erklären, daß die Erzeugung noch stärker zurückgegangen ist als der Verbrauch. Das Gesamtvolumen der Neuinvestitionen im Jahre 1928 betrug 9,8% des Volkseinkommens x). Da- gegen wären 10% der Gütererzeugung desselben Jahres notwendig gewesen, um den Lagerschwund der Krisen] ahre 1930 - 32 wieder aufzufüllen. Als vordringlichster Kapitalbedarf wird sich nach dem Kriege der Ergänzungs- bedarf des volkswirtschaftlichen Bestandes an Wirtschaftsgütern des Um- laufvermögens herausstellen. Vordringlich ist dieser Kapitalbedarf vor allem deshalb, weil er das gesamte Produktionsvolumen bestimmt und im Falle der Nichtbefriedigung Arbeitslosigkeit zur Folge hätte.

Erst in zweiter Linie kommt der Bedarf für langfristige Investitionen in Betracht, wobei wieder zwischen Ersatzbedarf und Erweiterungsbedarf unterschieden werden muß. Die Befriedigung dieses Bedarfes hängt näm- lich gerade davon ab, wie viel freies Kapital in der Volkswirtschaft jeweils zur Verfügung gestellt werden kann. An diesem freien Kapital haben näm- lich außer der Arbeitskraft die vielseitig verwendbaren Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, vor allem Eoh-, Hilfs- und Betriebsstoffe ungleich größeren Anteil als die sehr viel mehr spezialisierten Anlagegüter, von denen im wesentlichen nur die einfachsten Werkzeuge wie Hammer, Zangen u. dgl. völlig frei, d. h. beliebig verwendbar sind.

Der Umkreis von Gütern, aus denen das freie Kapital geschöpft werden kann, ist in jedem Augenblick als begrenzte Menge fest gegeben. Wir wollen diese Menge von Gütern, die rein technisch zu freiem Kapital werden können, als „flüssige s" oder „liquides" Kapital bezeichnen. Es handelt sich um Möglichkeiten der technischen Disposition, nämlich um alle Mittel, die in einem gegebenen Zeitpunkt technisch universal dispo- niert werden können. Dazu gehören in erster Linie natürlich die Arbeits- kräfte, soweit sie beliebig verwendbar sind: gelernte Arbeitskräfte und Spezialberufe demzufolge nicht als solche, sondern nur als Träger körper- licher Kraft und geistiger Energie. Auch bei den Sachgütern bestimmt ihre allgemeine Einsatzfähigkeit den Wert, den sie als flüssiges Kapital haben. Dieser Wert schwankt mit den Zwecken, für die freies Kapital nachgefragt wird, sowie mit der Kenntnis ihrer Brauchbarkeit für verschiedene Ver- wendungszwecke durch ihren Besitzer oder, falls ein anderer ihren Einsatz bestimmt, durch diesen Disponenten.

Mit der technischen Universalverwendbarkeit ist aber noch nicht die ökonomische Verfügbarkeit gegeben. „Bei jedem Gleichgewichtszustand

!) Nach Margarete Bosch, S. 136.

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Der Fiskus im Dienste der Kapitalbildung. 663

zwischen Erzeugung und Verbrauch sind alle Erzeugungsmittel von der Nachfrage für den Verbrauch absorbiert" x). Von den Konsumgütermärkten fließt ein dauernder Zahlungsmittelstrom in die Produktion, der als Geld- kapital (G) jeweils die Erzeugnisse der nächsthöheren Produktionsstufe, die Arbeitslöhne und Kapitalzinsen sowie zu gegebener Zeit die Ersatzbeschaf- fungen für die abgenützten Kapitalgüter des Anlagevermögens bezahlt, also zum Ankauf von Realkapital und Arbeitsleistungen sowie für die Verzinsung des Fremdkapitals (P I, P II, P 01, P 02) ausgegeben wird, während der Rest den Unternehmungen als Verzinsung des Eigenkapitals, Rente und reiner Unternehmerlohn verbleibt. Die Arbeitslöhne, Kapitalzinsen, Renten und Unternehmerlöhne 2) sind Reineinkommen, das bei Erhaltung des Gleichgewichtsystems im Kreislauf vollständig zur Bezahlung von konsum- reifen Gütern und Leistungen ausgegeben wird.

Die gesamte Preissumme der in jedem Zeitraum erzeugten und ab- gesetzten Güter des flüssigen oder liquiden Kapitals ist im Gleichgewicht immer gleich ihrer Kostensumme plus der dabei entstehenden Renten. Freies Kapital kann demgemäß nur entstehen, wenn entweder - durch organisatorische oder technische Verbesserungen ohne Mehraufwand -

1. die Menge der in der Zeiteinheit erzeugten Güter des flüssigen Kapi- tals zunimmt oder ihre Qualität verbessert wird, ohne daß ihre Kosten- summe sich erhöht oder

2. die von dem aus Konsumgüter verkauf en stammendem Geldkapital- strom G bezahlte Preissumme für Güter des flüssigen Kapitals in der Zeit- einheit abnimmt.

Es muß also eine Kluft zwischen der Erzeugung von Gütern des flüssi- gen Kapitals und der Nachfrage nach solchen für den Kreislauf (Kapital- erhaltung und Verbrauch) sich auf tun, und das freie Kapital entsteht als Überschuß der in der Zeiteinheit erzeugten Güter des flüssigen Kapitals über den gleichzeitigen Bedarf nach solchen Gütern für Kapitalerhaltung und Verbrauch. Diese Differenz kann verursacht werden:

1. Durch Vermehrung der verfügbaren Menge von Gütern des flüssigen Kapitals (ohne gleichzeitige Verminderung der Erzeugung von anderen Gütern) bei gleichbleibendem Bedarf. In der freien Verkehrswirtschaft be- steht das flüssige Kapital - mit Ausnahme der Arbeitsleistungen - aus beliebig vermehr baren Gütern. Hier kann bei gleichbleibender Menge der elementaren Produktionsfaktoren - also der Arbeitsleistungen - eine Ver- mehrung des flüssigen Kapitals nur durch sog. produktive Ersparung erfolgen. In der gelenkten Marktwirtschaft mit Außenhandelskontrolle schwankt die Menge des flüssigen Kapitals mit einem systemexternen Datum, nämlich der zugelassenen Einfuhr von Rohstoffen und Halbfabrikaten; sogar die Einfuhr von Fertigwaren zur Lagerauffüllung vermehrt die Menge des flüssigen Kapitals. Vor allem muß die Einwanderung ausländischer Ar- beiter das flüssige Kapital vermehren; denn die von denselben geleistete Arbeit ist ja ein Produktionselement, dessen Menge im Inlande jeweils fest- gegeben ist.

M Otto Kraus, Kapitalbildune und Kapitalerhaltuner, a. a. O. S. 215. 2) OttoKraus, Zins und Produktion, München 1936 S. 29-32, 97 u. 98. Finanzarchiv. N. F. 10. Heft 3. 44

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664 Otto Kraus

a) Daß die Einfuhr von Kohstoffen, die überhaupt nicht oder nur mit höheren volkswirtschaftlichen Produktionskosten im Inlande hergestellt werden können, die Menge des flüssigen Kapitals vermehrt, dürfte außer Zweifel stehen. Die Aufwendungen für den Bezug dieser Rohstoffe müssen natürlich von der Kapitalvermehrung in Abzug gebracht werden. Diese tritt nur ein in Höhe der Differenz zwischen den inländischen Produktions- kosten derselben Stoffe oder von gleichwertigen Ersatzstoffen mit den Ein- fuhrpreisen.

Aber auch die Arbeit von Einwanderern muß bezahlt werden. Die volkswirtschaftlichen Kosten der Kapital Vermehrung durch frei disponible Arbeit sind letzten Endes die Menge von Gütern und Leistungen, die zur Bezahlung der Arbeitsleistungen aufgewendet werden muß 1). Daher kann durch Vermehrung der frei disponiblen Arbeit (also des Arbeitsangebotes) eine Vermehrung des freien Kapitals nur dann erfolgen, wenn die Arbeiter mehr Güter erzeugen, als sie selbst als Lohn beanspruchen - gemessen in Kaufkrafteinheiten. Sobald die Grenzproduktivität der Arbeit unter die gegebene Lohnhöhe sinkt, muß es entweder zu Lohnsenkungen oder - bei starren Löhnen - zu Arbeitslosigkeit kommen.

b) Die Mobilisierung unausgenützter Produktionsreserven durch Ver- mehrung der ,,zur Nachfrage nach Produktionsgütern bestimmter Kauf- kraft" 2) - also der Kapitaldisposition - im Wege der Bereitstellung von zusätzlichem Kredit. Die moderne Kredittheorie3) behauptet einen „Zu- sammenhang zwischen Ausdehnung des Kreditvolumens und Verbreiterung des Güterstromes"4) namentlich in der ersten Phase der Konjunktur5). Otto Donner6) wirft der orthodoxen Nationalökonomie vor, sie habe

x) Aus diesem Grunde wird der sog. Subsistenzmittelfonds vielfach als das freie, volkswirtschaftliche Kapital bezeichnet. Dagegen steht folgendes Bedenken : wenn die Nominallöhne steigen, so kann bei zunächst gleichbleibenden Preisen nur eine geringere Arbeitsmenge aus dem Subsistenzmittelfonds bezahlt werden. Die Menge der geleisteten Arbeit vermindert sich also, während der Subsistenz- mittelfonds gleich geblieben ist. Der gleichgebliebene Subsistenzmittelfonds hat in diesem Fall keine Bedeutung, während die Verminderung der frei disponiblen Arbeitsmenge, die zum Einsatz kommt, eine tatsächliche Produktionseinschrän- kung bedeutet. Diesem Sachverhalt trägt offenbar der Subsistenzmittelfonds- begriff des Kapitals keine Rechnung, während der hier vertretene Begriff des freien Kapitals seine Berücksichtigung möglich und notwendig macht.

2) Ragnar Nurske, Internationale Kapitalbewegungen, Wien 1935, S. 15.

3) Vgl. Hans Gestrich, Kredittheorie und Wirklichkeit, S. 277. 4) Hans Gestrich, Neue Kreditpolitik, a. a. O. S. 39. 6) „Am Ende einer Depression sind immer große unausgenützte Produktiv-

kräfte vorhanden, was in Arbeitslosigkeit und stillgelegten Betrieben deutlich sichtbar ist. Die Kreditausdehnung der ersten Aufschwungsphase mobilisiert diese Produktionsreserven und verbreitert auf diese Weise den Güter- strom. Daraus erklärt sich, daß in dieser Phase regelmäßig zwar der Mengen- umsatz, aber nicht das Preisniveau steigt. Diese Periode dauert natürlich um so länger, je größer die unausgenützten Produktivkräfte sind." Hans Ge- strich, ebenda S. 39.

6) Otto Donner, S. 14: sie leugnete deshalb während der zwölf De- kaden ihrer Herrschaft beharrlich, daß die Kaufkraftvermehrung zum Anlaß einer Produktionssteigerung werden könnte. Es bedurfte der großen Arbeits- losigkeit der dreißiger Jahre und der Erfolge der Arbeitsbeschaffung, um die

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Der Fiskus im Dienste der Kapitalbildung. 665

„trotz handgreiflicher Krisentragödien und langanhaltender Wirtschafts- depressionen im ganzen 19. Jahrhundert stets die optimale Ausnutzung der Produktionsfaktoren" für ihre Deduktionen unterstellt. Die optimale Aus- nutzung der Produktionsfaktoren ist nicht gleichbedeutend mit ihrer maxi- malen Ausnützung. Letztere dürfte in der deutschen Volkswirtschaft schon um die Jahreswende 1937/38 erreicht worden sein, und unausgenützte Pro- duktionsreserven sind derzeit und erst recht in der Nachkriegswirtschaft kaum verfügbar. Daß es sich beim Vorhandensein unausgenutzter Pro- duktionsreserven zumeist um solche handelt, deren produktive Verwendung infolge des Mangels an Ergänzungsgütern vorerst unmöglich ist, wurde vom Verfasser an anderer Stelle eingehend dargelegt 1).

2. Durch Verminderung des Bedarfes bei gleichbleibender Erzeugung. Im Gleichgewicht besteht ein konstanter Bedarf an flüssigem Kapital für die laufende Substanzerhaltung des Sach- oder Kealkapitals. Eine Abnahme dieses Bedarfes ist möglich :

a) Durch Verminderung^des von den Konsumgütermärkten in die Pro- duktion fließenden Geldkapitalstromes G infolge einer Verbrauchseinschrän- kung. Bleibt diese Verminderung des konsumgüterkaufenden Zahlungs- mittelstromes bestehen - wird ein konstanter Spargrad beibehalten - , so erhält sich ebenso lange der Überschuß zwischen der verfügbaren Menge und dem Bedarf an flüssigem Kapital. Von den produzierten Produktionsmitteln fließt dauernd ein größerer Teil in die Neuinvestitionen wie vor der Ver- brauchseinschränkung, und ebenso ist es mit den Arbeitsleistungen jener Arbeitskräfte, die infolge der Verbrauchseinschränkung von der Konsum- güterindustrie freigesetzt und in die Investitionsgüterindustrie aufgenommen wurden.

b) Durch Unterlassung von Ersatzinvestitionen infolge einer Zinsfuß - erhöhung bei gleichbleibenden Einnahmen. Es handelt sich um die Ent- wicklung einer Art von Selbstheilungskraft der Wirtschaft bei Kapital- armut, durch die ähnlich wie bei Blutarmut des animalischen Körpers die Versorgung lebenswichtiger Organe gefährdet wird. Bei einer durch abnorm hohe Zinssätze angezeigten Unterversorgung mit freiem Kapital muß die Erhaltung von Kapitalanlagen, die einen unter der Kalkulationsnorm liegen- den Ertrag abwerfen als Verschwendung des knappen Blutstromes der Volkswirtschaft - die einem Aderlaß bei Blutarmut gleichkäme - unter- bleiben. Diese Notwendigkeit ist dringend genug, um vom Fiskus durch Erhebung einer Kapitalerneuerungsabgabe auch von Ersatzinvestitionen erzwungen zu werden. Denn der Kapitalmangel besteht ja nicht nur darin, daß das freie Kapital für Neuinvestitionen, also Ermöglichung von Produk-

8o ganz andere Wirklichkeit ins allgemeine Blickfeld der Theorie zu rücken. Inzwischen ist über diese Dinge viel diskutiert worden, und es darf heute als ernsthaft nicht mehr bestritten gelten, daß eine unterbeschäftigte Wirtschaft in der Tat sehr elastisch und ohne Geldwertminderung auf zusätzliche nomi- nelle Kaufkraft reagieren kann. Damit ist für die Nationalökonomie eine wich- tige Wendung vollzogen. All die großen Probleme der Wirtschaftserkenntnis und der Wirtschaf tslenkune erscheinen ietzt in einem ganz anderen Licht."

*) Vgl. Otto Kraus, Kapitalbildung und Kapitalerhaltung, a. a. O. S. 216 I (a) und (b) sowie S. 225 (a) und (b).

44*

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666 Otto Kraus

tivitätssteigerungen, knapp ist. Vielleicht ist die Kapitalknappheit nach dem Kriege so groß, daß Neuinvestitionen in der Übergangswirtschaft in nennenswertem Umfange überhaupt nicht durchgeführt werden können. Die dringendste Kapitalnachfrage ist wohl für die Nachholung aufgestauten Ersatzbedarfes zu erwarten, so daß die Unterlassung von minder rentablen Ersatzinvestitionen gar keine Neuinvestitionen, sondern nur die Über- lassung von Kapitaldisposition und freiem Kapital für die Durchführung von rentableren Ersatzinvestitionen am Kreditmarkt ermöglicht.

Das Zinsphänomen bietet sich zwei verschiedenen Betrachtungsweisen oder scheinbaren Aspekten dar

1. als Kompaß, Kalkulationsnorm und Wegweiser *) der Wirtschaft, als Kegulator und Manometer oder Blutdruckmesser für die Kapitalverteilung ;

2. als volkswirtschaftliches Fieberthermometer in der Zeit des Kapital- mangels, der Kapitalarmut. Die Normalversorgung mit freiem Kapital ist für die verschiedenen Wirtschaftsgebiete ebensowenig als einheitliche Ziffer feststellbar, wie die Normaltemperatur bei allen Menschen eine gewisse Schwankungsbreite aufweist. Aber hier wie dort gibt es eine Grenze, jen- seits deren - um im Bilde zu bleiben - die Fieberkurve der Kapitalver- sorgung beginnt. Und wie der Arzt dem Kranken bei steigendem Fieber besondere Aufmerksamkeit zuwendet und hohes Fieber durch ein System von Maßnahmen bekämpft, so werden auch die Ärzte der Wirtschaft - wenn der Vergleich statthaft ist - durch ein Ansteigen des Zinsniveaus über die „Fiebergrenze" zum Eingreifen veranlaßt und eine ungesunde Zinshöhe mit allen geeigneten Mitteln auf ein niedrigeres Niveau zu bringen suchen. Auch hier ist ein System von Maßnahmen entwickelt worden.

Das primitivste und ungeeignetste Mittel wäre ein Zinsverbot2) - etwa mit der Handlung eines Kranken vergleichbar, der einfach das Fieber- thermometer zerschlägt. Daß diese Handlung nicht die Wirkung haben kann, Fieber zum Verschwinden zu bringen, leuchtet jedem ein - dagegen wird die Ansicht, daß eine Abschaffung des Zinses möglich und wünschens- wert wäre, noch heute nicht nur in Laienkreisen, sondern sogar von Ver- tretern der Wissenschaft (Nöll von der Nahmer) gehegt.

I. Es gibt kein besseres Mittel, um die optimale Verteilung und Ver- wendung des freien Kapitals sicherzustellen, als die Wiederherstellung der freien Preisbildung an den Kreditmärkten. Dieses Mittel der freien Bildung des Zinses nach dem Verhältnisse von Angebot und Nachfrage am Kapitalmarkt kann noch ergänzt werden durch einen Druck auf die nicht aus Kapitalmarktmitteln finanzierten Investitionen, die sog. Selbstfinanzie- rung. Eine allgemeine Investitionsabgabe ist ein vollkommen neues Mittel zur Durchsetzung des Kapitalzinses als volkswirtschaftlicher Kalkulations- norm auch für die Selbstfinanzierung durch Verteuerung der Kapital- inanspruchnahme.

x) Vgl. Otto Kraus, Zins und Produktion, München, Max Hueber, 1936, III. Teil.

2) Neuerdings hat der verdienstvolle Zinstheoretiker Alexander Mahr (a. a. O. S. 387 - 93) zur Frage eines Zinsverbotes in der gelenkten Wirtschaft Stellung genommen.

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Der Fiskus im Dienste der Kapitalbildung. 667

II. Neben der Aufgabe einer Regulierung der Kapitalnachfrage, um möglichst sparsame Verwendung des knappen Gutes „freies Kapital" zu erreichen, steht jedoch die nicht minder wichtige Aufgabe einer direkten Bekämpfung der Kapitalknappheit durch Anregung und Förderung der Kapital b i 1 d u n g. Diese Aufgabe sieht ihre Erfüllung darin, durch Meh- rung des Angebotes von freiem Kapital den Mangel, die Knappheit des- selben zu überwinden.

1. Das Mittel der Kapitalerneuerungsabgabe benützt die Abschöpfung der überhöhten Kapitale] nkommen selbst als Quelle der Kapitalbildung.

2. Sollte diese Quelle nicht genügen, um eine ausreichende Mehrung des Angebotes am Kapitalmarkt zu ermöglichen, so käme eine zusätzliche Speisung des Kapitalerneuerungsfonds aus allgemeinen Steuermitteln in Betracht, deren Höhe notfalls auf diesen zusätzlichen Kapitalbildungs- bedarf abgestellt werden müßte. ,,Nach den Berechnungen der Reichs- Kredit- Gesellschaft *) hat bereits im Jahre 1938 die öffentliche Hand 47,1% des Volkseinkommens durch Steuern, öffentliche Beiträge und Verschul- dung in Anspruch genommen" 2). Die von Otto Donner mitgeteilten Ziffern über den Gesamtaufwand der öffentlichen Verwaltungen Deutsch- lands 1938 - 41 3) sowie die Nettoeinkommen und Ausgaben von Privaten in Deutschland 1938 - 41 4) läßt die gewaltige Zusatzbeanspruchung für den Kriegsbedarf deutlich erkennen5). Selbst wenn der öffentliche Bedarf in der Nachkriegszeit nicht unter den Durchschnittssatz der letzten Vorkriegs- jahre von 50% des Volkseinkommens gesenkt werden könnte, so würde allein die Abschöpfung des Volkseinkommens zur Speisung des Kapital- erneuerungsfonds in Höhe der Zusatzbeanspruchung für den Kriegsbedarf in kurzer Zeit eine gewaltige Neubildung von Kapital ermöglichen.

3. Als besonders wichtig erweist sich auch die Anregung und Förderung der freiwilligen Spartätigkeit. Sie kann auf zwei Wegen erfolgen :

a) ,, Ermöglichung der Spartätigkeit durch Schaffung von Ein- komm en' ' 6), Hebung der Sparfähigkeit. ,,Das deutsche National- vermögen (Privatvermögen, Allgemeinbesitz) wurde für 1907 auf 281 Mrd.

l) Deutschlands wirtschaftliche Läse an der Jahreswende 1938/39. S. 104. 2) Otto Neubaur und Bernhard Benning, a. a. OS. 69;

auch E. Wage mann (a. a. O. S. 171) stellt (i. J. 1940) fest: „Ganz grob und rund gerechnet, arbeitet die deutsche Volkswirtschaft seit Jahren etwa zur Hälfte für den öffentlichen Bedarf."

3) Otto Donner, a. a. O. S. 23 Tabelle 2. 4 j Otto Donner, a. a. O. S. 26 Tabelle 4. 6) Es betrugen in Mrd. RM. in den Jahren

1938 1939 1940 1941 Der öffentliche Nettoaufwand .... 36 48 59 70 Der Überschuß der Nettoeinkommen ( = die

durch Kaufkraftverdrängung bewirkte Einschränkung der privaten Ausgaben, 7 14 23 31

43 62 81 ÎÏÏT Demgegenüber das Nettoeinkommen der

Privaten 66 81 95 102 Beanspruchung durch die öffentliche Hand

in v. H 65 77 85 99 6) Otto Kraus, Zins ̂ ind Produktion, a. a. O. S. 151.

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668 Otto Kraus

M. geschätzt, wovon 240 MVd. Privatvermögen sind. Im Jahre 1907 be- trug die Zunahme des Volksvermögens rund 11% Mrd. M., wovon ca. 9 Mrd. M. auf die Zunahme der Privatvermögen entfallen" 1). Helffe- r i c h schätzte das jährliche Volkseinkommen für die Vor Weltkriegszeit auf etwa 42 Mrd. M. ,,Davon wurden etwa 33% Mrd. M. ausgegeben und Sy2 Mrd. gespart"2). „Für 1927 beziffert die Frankfurter Zeitung3) das Volkseinkommen auf 60 Mrd. KM. und die Kapitalbildung auf wieder 8% Mrd. RM., also in der gleichen Höhe wie 1913" *). Doch ist ,,zu berück- sichtigen, daß die 8% Mrd. RM. von 1927 dem Goldwerte nach nur etwa 5% Mrd. RM. darstellen" *). Entsprechend sind die von Jens Jessen4) und Alexander Mahr5) mitgeteilten Ziffern über die Entwicklung des Volkseinkommens im Deutschen Reich von 1932 bis 1938 zu beurteilen. Dem Ansteigen des Volkseinkommens von 45 auf 80 Mrd. steht die Tat- sache gegenüber, „daß die Versorgung der Volkswirtschaft mit Geld (Bar- geld und Buchgeld) durch die Notenbank sich in dem Zeitraum von Mitte 1932 bis Mitte 1938 etwa verdoppelt hat" 4). Eine Gegenüberstellung der Entwicklung des Volkseinkommens 4) mit der Geldkapitalbildung ergibt

(Geldkapitalbildung) folgende Sparquote ,_y „ - =r-z - fur die Jahre (Volkseinkommen) ,_y „

1936: ||

= 8o/o

1937: 7-g= 8,54o/o 10 9

1938: ^

= 13,68% Diese starke Steigerung der Sparquote dürfte allerdings z. T. nicht frei- willig, sondern durch güterwirtschaftlich bedingtes Zwangssparen zustande gekommen sein. Otto Donner6) berechnet den „Überschuß der Netto- einkommen" (Kaufkraftüberhang) im Jahre 1938 auf 7 Mrd. RM. Immer-

hin betrug die Sparquote des Jahres 1927 auch schon -^- = 14%, während ÖO

für die Zeit vor dem ersten Weltkriege (1913) sich sogar eine Sparquote von 18% 7) bis 20% 6) berechnen läßt.

In diese Berechnung muß jedoch die durch Selbstfinanzierung hervor-

x) Arthur Salz, Vermögen und Vermögensbildung in der vorkapita- listischen und in der modernen kapitalistischen Wirtschaft. Grundriß der Sozial- ökonomik, IV. Abteilung, I. Teil, Tübingen 1925, S. 197.

2) W. Prion, S. 44. 3i Nr. 1 vom 1. Januar 1028. 4) „Währungspolitik und Preispolitik" in: Deutsche Geldpolitik, S. 285. 6) A. a. O. S. 372. 6) A. a. O. S. 26 Tabelle 4. 7) Unter Zugrundelegung der Angaben von E. W a g e m a n n (a. a. O.

S. 115): ,,Die Gesamtersparnisse betrugen bei einem Volkseinkommen von 48 Milliarden Mark allenfalls 8 Milliarden."

8) Unter Zugrundelegung der durch W. Prion (a. a. O. S. 44) mitgeteil- ten Schätzungen von Helfferich.

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Der Fiskus im Dienste der Kapitalbildung. 669

gebrachte Kapitalbildung einbezogen werden, um die tatsächliche Spar- leistung zu erkennen. Betrachten wir als Selbstfinanzierung die Differenz zwischen Neuinvestition und Geldkapitalbildung, so ergibt sich für die Jahre

1936 Neuanlagen *) 7,6 - 5,2 = 2,4 Mrd. RM. 1937 „ 9,5- 6,2-3,3 „ „ 2) 1938 „ 12,0 - 10,9= 1,1 „ „

Bei Einrechnung dieser Ziffern ergeben sich folgende Quoten der Gesamt- ersparung für die Jahre

1934: A* = 4,56%,

1935: m = 9>57%' 1936:

^| = 11,71% 3)

9 5 1937:^= 13,09%*),

1938: ^

= 15,06%. Es bedarf keines besonderen Scharfsinnes, um die anormal niedrige Spar- und Investitionsquote der Nachkrisen jähre auf die noch immer recht er- hebliche Arbeitslosigkeit 5) jener Jahre zurückzuführen. „Das Angebot von zu Investitionszwecken verfügbaren Mitteln, also die Kapitaldisposition im Sinne der neueren Theorie schlechthin wächst bzw. fällt stark progressiv mit den Realeinkommen und damit mit dem Beschäftigungsgrad" G).

Auf die Sparquote sind hauptsächlich von Einfluß 1. das durchschnittliche Volkseinkommen pro Kopf der Bevölkerung; 2. die Kaufkraft des Geldes. Beide Faktoren ergeben zusammen das durchschnittliche Realeinkom-

men. Die ziffernmäßige Zunahme des Volkseinkommens bedeutet keine Vermehrung des Sozialprodukts, sondern lediglich eine entsprechende Steige- rung des Geldumlaufes. Umgekehrt kann sich eine Vermehrung des Sozial- produkts ohne Zunahme des Geldumlaufes ziffernmäßig im Volkseinkommen gar rieht auswirken.

1) Otto Neubaur und Bernhard Benning, Kapitalbildung und Kredit, a. a. O. S. 69, Tabelle.

2) Diese Ziffer dürfte mit der bekannten Schätzung von Heinrich S t r a t h u s (a. a. O. S. 36) mit 3 bis 4 Mrd. RM. ungefähr übereinstimmen.

3) Margarete Bosch, S. 136: ,,Das Gesamtvolumen der Neuinvesti- tion berechnet auf das Volkseinkommen zeigt 1928 - 1936 eine Steigerung der Investitionsrate von rund 9,8% auf 12,5% (Neuinvestitionen in Preisen von 1928 nach Wochenbericht. 11. Jer.. Nr. 4. S. 22: 1928 7.1 Mrdn.. 193fi 9A Mrdn.i.

, ^ ^ j

j j - - - -

j -

j - - - - -

7 -

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4) Margarete Bosch, a. a. O. S. 150: „Es stieg die auf das Volks- einkommen berechnete Quote der Investitionen im Jahre 1937 auf 13,8%/'

5) Nach Margarete Bosch (a. a. O. S. 151, Tabelle) betrug die Ar- beitslosenzahl im Durchschnitt der Jahre 1934: 2,718 Millionen, 1935: 2,151 Mil- lionen, 1936: 0,592 Millionen und 1937: 0,502 Millionen.

6)Hans Beinhorn, Beitrag zum Kredit problem, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 1933, S. 755.

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670 Otto Kraus

Bei Vollbeschäftigung dürfte die Sparquote der Jahre 1927 und 1937 mit rund 14% als repräsentativ für die freiwillige Sparleistung anzusehen sein - wenngleich die letztere zum Teil vielleicht auch durch Zwangssparen entstanden ist 1).

b) „Anregung der Spartätigkeit durch Einflußnahme auf den Spa- rer" 2), Förderung der Sparwilligkeit. Bemerkenswerte Vorbilder in dieser Richtung sind die sog. Eisernen Sparguthaben, die durch steuerliche Begünstigung und bequemere Handhabung (Lohnabzug) psycho- logisch bevorzugt sind.

4. Unter den Methoden des Zwangssparens konnte man bisher die sog. finanz wirtschaftliche und die sog. geldpolitische Kapitalbildung unterscheiden. Die Kriegsfinanzierung erfolgte zu einem guten Teil durch zusätzliche Kaufkraft, ,,die über die schwebende Schuld in den Verkehr eindrang" 3). Wenn an Stelle des Staates die Investitions- oder Kapital- güterproduzenten durch Einschiebung dieser Kaufkraft Nachfrage an den Märkten der Güter des flüssigen Kapitals - Arbeit, Bodenprodukten (Roh- stoffen) und fungiblen Produktionsmitteln - entfalten, so ist eine Kapital- bildung durch diesen Vorgang nur in dem Ausmaße möglich, als die gleich- zeitige Nachfrage der Konsumgüterindustrie vom Markte der flüssigen Kapitalgüter zurückgedrängt wird.

Die Nachfrage der Konsumgüterindustrien stellt einen Teil des be- stehenden Geldumlaufes dar und wird aus den laufenden Einkommen ge- speist. Eine Zurückdrängung dieser Nachfrage ist somit nur dadurch mög- lich, daß der bestehende Geldumlauf und damit die laufenden Einkommen in ihrer Kaufkraft beschnitten werden. Diese Kaufkraftminderung der Geld- kapitalströme G, die den Konsumgüterindustrien von den Absatzmärkten zufließen und zum Kaufe der von ihnen benötigten Produktivgüter ver- wendet werden, kann erfolgen:

a) Durch Erhöhung der Preise für Güter des flüssigen Kapitals; der Preise also für Arbeitsleistungen, Rohstoffe (== Bodenprodukten!) und fungible Produktionsmittel (elementare Werkzeuge und Halbfabrikate). Es steigen also die Arbeitslöhne, die Grundrente und die Unternehmergewinne in den Industrien der fungiblen Produktionsmittel. Alle diese Preiserhöhungen sind demnach unmittelbar Nominaleinkommenssteigerungen (wie Lohn- erhöhung und Steigen der Bodenrente) oder lösen sich in kurzer Zeit in Einkommenssteigerungen auf (wie die Erhöhung der fungiblen Produktions- mittelpreise).

Was geschieht mit diesen Mehreinkommen ? Es gibt drei Möglichkeiten: oc. Sie strömen als Mehrnachfrage auf die Märkte der Verbraucbsgüter4).

x) Margarete Bosch, a. a. 0. S. 150: „Dieser Erhöhung der In- vestitionsrate entsprach naturgemäß eine gewisse Drosselung der Verbrauchs- steigerung, derzufolge der pro Kopf verbrauch im Jahre 1937 noch etwas unter dem Stande des Jahres 1928 gelegen war. Heinrich Strathus, a. a. O. S. 60.

2) Otto Kraus. Zins und Produktion, a. a. O. S. 152. 3) Ernst W a e e m a n n , a. a. O. S. 132. 4) Deren Preise dadurch entsprechend erhöht werden. Die Inflation wird

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Der Fiskus im Dienste der Kapitalbildung. 671

Dadurch wächst den Konsumgüterindustriell der volle Betrag der ein- geschobenen (zusätzlichen) Kaufkraft zu. Die zur Bezahlung von Produktiv- gütern für die Verbrauchsgüterindustrien verfügbaren Geldkapitalströme G sind also genau um den Betrag der in der Zeiteinheit eingeschobenen zusätz- lichen Kaufkraft GO vermehrt und damit ausreichend geworden, um die alte, vor der zusätzlichen Kreditschöpfung bezogene Menge von Produk- tionselementen und Zwischenprodukten zu den erhöhten Preisen zu kaufen.

Da jedoch den Investitionsgüterindustrien der zusätzliche Geldkapital- strom GO zur Bezahlung dieser Menge von flüssigen Kapitalgütern weiter- hin zufließt, muß die Kaufkraftzunahme der Konsumgüterindustrien, so- bald sie auf die Produktivgütermärkte trifft, von sich aus preiserhöhend, d. h. inflatorisch wirken. Der Rückstrom altgeschöpften Geldkapitals auf die Produktivgütermärkte bringt durch seine Vereinigung mit dem erst- mals dort eingeschobenen Strom neugeschöpften Geldkapitals die potenziert inflationistische Wirkung zustande.

Die Zurückdrängung der Produktivgüternachfrage durch die Konsum- güterindustrien kann nur dann im bisherigen Umfange aufrechterhalten werden, wenn der von den Produktionsmittelproduzenten eingeschobene Kaufkraftstrom mindestens auf das Doppelte vermehrt wird. Diese Zu- nahme des Stromes der zusätzlichen Geldschöpfung hat jedoch eine gleich große Zunahme des Rückstromes zur Folge, und so wirkt die erste Welle und jede weitere Steigerung der zusätzlichen Kreditinjektionen wie ein Bumerang: es stellt sich der jeder Inflation eigentümliche circulus vitiosus ein, der entweder zur Aufgabe des Zwangssparens oder zu einer potenzierten Steigerung der zusätzlichen Geldschöpfung bis zur uferlosen Geldentwer- tung zwingen muß.

ß. Dieser Rückstrom der investierten Geldschöpfung vermindert sich allerdings um jenen Teil, welcher von den Zuwachsbeträgen der Nominal- einkommen freiwillig gespart wird. Nun tritt jedoch infolge des Produktiv- güterentzuges von den Konsumgüterindustrien alsbald jene Wirkung ein, um derentwillen der ganze Komplex von Vorgängen als „Zwangssparen" bezeichnet wird : die Schrumpfung der Verbrauchsgüterproduktion bedeutet automatisch eine entsprechende Minderung der Realeinkommen. Sobald die Konsumenten in den Besitz höherer Nominaleinkommen gelangen, werden sie daher ihren Verbrauch nicht etwa einschränken, sondern ihn auf das alte, unfreiwillig herabgedrückte Niveau wieder emporzuheben suchen.

y. Es gibt nur ein Mittel, um in der freien Verkehrswirtschaft nach der einmaligen Preissteigerung an den Produktivgütermärkten das lawinen- artige Anwachsen der Inflation zu verhindern: totale Abschöpfung der unmittelbar durch die Geldschöpfung geschaffenen Mehreinkommen durch Steuern und Abgaben.

Kann durch diese Maßnahme die Beibehaltung der angestrebten Zwangssparquote im Gleichgewicht erreicht werden ?

Zunächst wird der Rückstrom zusätzlicher Kaufkraft durch die Konsum- güterindustrien an die Märkte der Produktionselemente und Zwischen- hier erstmals den Verbrauchern fühlbar in Form einer Erhöhung der Lebens- haltungskosten .

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produkte ausgeschaltet und dadurch die potenziert-inflationistische Preis- steigerung an diesen Märkten vermieden. Auch an den Verbrauchsgüter- märkten kann eine Preissteigerung von der Geldseite her nicht hervor- gerufen werden, dagegen tritt nach einiger Zeit (nämlich nach Ablauf der Kapitalumschlagsperioden in der Konsum güterindustrie) eine Verminde- rung des Angebotes an Konsumgütern als Folge einer Produktionseinschrän- kung der Verbrauchsgüterindustrien ein. Diese Verknappung des Angebotes verursacht vorübergehende Preiserhöhungen bis zum Eintreffen der durch die Produktivitätssteigerung (infolge Vermehrung des Sachkapitals) be- wirkten Zunahme des Warenstromes an den Konsumgütermärkten.

Die Herstellung dieses zusätzlichen Warenstromes hat jedoch erhöhte Kosten verursacht, die zur Bezahlung der gestiegenen Produktivgüterpreise verausgabt wurden. Wenn die Produktionsausdehnung der Investitions- güterindustrien sich rentieren soll, muß der gesamte von diesen Industrien zusätzlich aufgenommene und ausgegebene Geldkapitalstrom in den Ver- kaufspreisen der zusätzlich erzeugten Güter ersetzt werden. Das ist wiederum nur dann möglich, wenn die Konsumgüterindustrien als Abnehmer dieser Erzeugnisse eine um den Betrag der ursprünglich eingeschobenen Kaufkraft vermehrte Nachfrage nach Investitionsgütern entfalten können. Die zusätz- lich eingeschobene Kaufkraft muß also den Verbrauchsgüterindustrien wohl zuströmen, aber erst in einem Zeitpunkt, der um die Dauer der Kapitals- umschlagsperioden in der Investitionsgüterindustrie nach später verschoben ist, gegenüber der durch den zusätzlichen Kaufkraftstrom hervorgerufenen Nominaleinkommenssteigerung.

Diese zeitliche Verschiebung herbeizuführen, ist die Aufgabe des Fiskus im Dienste der Kapitalbildung durch Zwangssparen. Es ist jedoch eine unlösbare Aufgabe. Ganz abgesehen davon, daß der Fiskus nach Ablauf dieser Frist die abgeschöpfte Mehreinkommensteuer den Zensiten zurück- vergüten müßte - diese Besteuerung also nur eine Kosten ohne Einnahmen verursachende Mehrbelastung der fiskalischen Verwaltung bedeuten würde - lassen sich die in Betracht kommenden Kapitalumschlagsperioden praktisch aus dem Grunde nicht bestimmen, weil sie durch die Investierung der zusätzlichen Kaufkraft selbst geändert, nämlich verlängert werden. Vor allem aber läßt sich nicht bestimmen, wie die Konsumgüterindustrien den zuwachsenden Kaufkraftstrom verwenden würden, ob als Mehrnachfrage nach Investitionsgütern oder nach Gütern des flüssigen Kapitals, um welche diese wiederum mit den Investitionsgüterindustrien in Konkurrenz treten müßten. Damit wäre aber der circulus vitiosus einer potenzierten Inflation von neuem begonnen. Praktisch ist auch dieser Weg niemals beschritten und die 1939 in Deutschland eingeführte Mehreinkommensteuer nach ganz anderer Richtung hin entwickelt worden.

b) Durch Investitionsbeschränkung und Investitionsverbote für die Konsumgüterindustrien sowie das Kennziffernsystem wird das freie Kapital unmittelbar den Investitionsgüterindustrien zugeleitet. Die höchste Voll- endung dieses Systems, die totale Investitionsplanung, erweist sich bei freier Konsumwahl von vornherein als undurchführbar. Die Zuweisung von Produktionselementen und Zwischenprodukten an die Investitionsgüter-

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Der Fiskus im Dienste der Kapitalbildung. 673

^dustrie führt jedenfalls zur Entstehung eines Kaufkraftüberschusses bei den Konsumgüterindustrien, die bei gleichbleibenden Preisen zur Bezahlung einer geringeren Menge von Erzeugungsmitteln natürlich weniger Geldkapital aufwenden. Entsprechend dem Entzug von Produktivgütern aus der Ver- brauchsgüterindustrie werden nun weniger Konsumgüter erzeugt. Bei gleich- bleibenden Preisen dieser Güter wird der Kaufkraftüberschuß zu den Ein- kommensbeziehern vorgeschoben, deren Verbrauch durch Rationierung ge- regelt werden muß.

Sobald der Kaufkraftüberschuß in vollem Umfange gespart wird, ist eine weitere Kreditschöpfung gar nicht nötig, um das „Zwangssparen" im erreichten Umfange beizubehalten. Die zur Bezahlung des erhöhten Auf- wandes von Arbeitsleistungen, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie fun- giblen Produktionsmitteln in der Investitionsgüterindustrie benötigten Geld- kapitalströme fließen derselben aus dem Kaufkraftüberschuß der Nominal- einkommensbezieher zu. Nur jede weitere Ausdehnung der Investitions- gütererzeugung macht eine einmalige zusätzliche Kreditinjektion erforder- lich. Es ist darauf zu achten, daß darüber hinaus keine zusätzliche Geld- schöpfung stattfindet, daß also die Zunahme des Geldumlaufes und die Vermehrung der Neuinvestitionen im gleichen Ausmaß vor sich gehen. Denn jede überproportionale Geld Vermehrung kann nur zur Finanzierung von Horten dienen. Nach Margarete Bosch1) ,, hatte sich noch 1936 auf 1937 das Produktionsvolumen der Industrie um 9,2%, der Zahlungs- mittelumlauf um 8,1%, also durchaus proportional vermehrt". Es betrugen :

a) die Neuinvestitionen 2) b) der gesamte Bargeldumlauf in den Jahren am Jahresende 3)

in Mrd. RM. 1934: 2,4 5,9836 1935: 5,6 6,3709 1936: 7,6 6,9450 1937: 9,5 7,4784 1938: 12,0 10,3878

Daraus errechnet sich als jährliche Zunahme der Neuinvestitionen (a), des Bargeldumlaufes (b) sowie als Überschuß der Neuanlagen über die Geld- kapitalbildung (c) für:

1935: (a) 3,2 (b) 0,4 (c) - Mrd. RM. 1936: (a) 2,0 (b) 0,6 (c) 2,4 „ „ 1937: (a) 1,9 (b) 0,5 (c) 3,3 „ „ 1938: (a) 2,5 (b) 2,9 (c) 1,1 „ „

Nehmen wir an, daß die Neuanlagen in erster Linie durch Vermehrung des Bargeldumlaufes finanziert wurden, so ergibt sich der Rest aus (c) - (b) als Selbstfinanzierung in den Jahren 1936 mit 1,8 und 1937 mit 2,8 Mrd. RM. Im Jahre 1938 dagegen überstieg die Zunahme des Bargeldumlaufes allein die Vermehrung der Neuinvestitionen um 0,4 Mrd. RM. Dazu kommt noch

M A. a. O. S. 160. 2) Nach Otto Neubaur und Bernhard Benning, a. a. O.

S. 69, Tabelle. 3) Nach den Verwaltungsberichten der Reichsbank.

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die Zunahme der Girokonten bei der Reichsbank mit 0,5 Mrd. RM.1). In diesem Jahre „entstand erstmals eine Disproportionalität zwischen Güter- und Geldumlauf" 2). Otto Donner3) beziffert den „Umfang der überschüssigen Kaufkraft" für 1938 auf 7 Mrd. RM.

Und der Erfolg: „Die Investitionsrate . . . erhöht sich 1937 auf 1938 von 13,5 auf 15% des Volkseinkommens" 4).

Frage: Kann die bei Kriegsende erreichte Sparquote durch Beibehal- tung des produktionspolitischen Zwangssparens für die private Kapital - bildung, die produktive Investition nach dem Kriege gehalten werden oder muß sich die Kapitalbildung auf das durch die freiwillige Sparquote ge- gebene Volumen beschränken ?

Jede Neuinvestition, ob sie nun durch zusätzlichen oder durch Spar- kredit erfolgt, vermehrt den Strom der abfließenden Produktionskosten über die im gleichen Zeitraum zufließenden Erträge. Zur Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Gleichgewichtes und der Rentabilität der Unterneh- mungen muß diese Differenz spätestens aufgeholt werden von dem Zeit- punkt an, da die durch die Neuinvestitionen hervorgerufene Vermehrung der erzeugten Güter auf den Markt kommt. Jetzt muß die Kostenmehrung auch durch Ertragssteigerung voll gedeckt werden.

Es ist dafür nicht nötig, daß die Preise steigen; denn die Neuinvesti- tionen sind ja auch nicht bei erhöhten Produktivgüterpreisen vorgenommen worden. Aber eine dem vermehrten Güterangebot entsprechende Ausweitung des Geldumlaufes muß unter allen Umständen vorgenommen werden, da sonst die Preise sinken und deflatorische Wirkungen eintreten müßten. Doch kommt diese Geld Vermehrung erst von dem Zeitpunkt an in Betracht, da die durch das Zwangssparen vermehrten Produkte bereits auf den Markt strömen - das Ziel dieses Sparprozesses also erreicht ist - und unter der Voraussetzung, daß der während des Zwangssparens laufend entstehende Kaufkraftüberschuß ebenso laufend gespart wurde, also kein Kauf kraft- überhang sich als Hortung niederschlug. Die Vermehrung des Geld- umlaufes zeigt dann den Weg an, auf dem ein Teil des Zwangsgesparten Leih- oder Forderungskapitals sich wieder in verbrauchbares Geldeinkommen verwandeln kann.

Weshalb sollte es auch nicht möglich sein, diese Methode des Zwangs- sparens, die seit fünf Jahren zur Aufrechterhaltung des Volumens der Rüstungsproduktion mit Erfolg angewendet wird, für die Beibehaltung der- selben Investitionsrate in der zivilen Erzeugung anzuwenden ? Selbst wenn durch diese Methode die Investitionsrate nur um wenige Prozente über die freiwillige Sparquote gesteigert werden könnte, so wäre damit angesichts des ungeheuren Kapitalbedarfes nach dem Kriege und dem aller Voraus- sicht nach ziemlich schwachen Spar willen außerordentlich viel gewonnen.

Gegenüber der unter Punkt 2 in Erwägung gezogenen Abschöpfung

*) Verwaltungsbericht der Deutschen Reichsbank für 1937 und 1938, An- läse 6.

3) Margarete Bosch, a. a. O. S. 160. 2) A. a. O. S. 26, Tabelle 4. 4) Margarete Bosch, a. a. O. S. 161.

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Der Fiskus im Dienste der Kapitalbildupg. 675

des nicht für den Existenzbedarf benötigten Teiles der Geldeinkommen durch Steuern und Abgaben zur Speisung des Kapitalerneuerungsfonds bietet diese Methode dieselben Vorteile, die schon zu ihrer vorzugsweisen Anwendung gegenüber der Kriegsfinanzieiung allein durch Steuern x) Anlaß gegeben haben.

Allerdings läßt das produktionspolitische Zwangssparen nicht immer freies Kapital entstehen. Von freiem Kapital kann nämlich dort nicht ge- sprochen werden, wo die Investitionen durch totale Planung des Staates ohne Kücksicht auf die Preisbildung am Kapitalmarkt erfolgen. Auch die Bezeichnung ,, Kapitaldisposition" soll für jenes Geldkapital vorbehalten bleiben, das frei disponibel und daher imstande ist, in seiner Anlage der volkswirtschaftlichen Kalkulationsnorm zu folgen.

Wo jedoch der Staat die Verteilung des flüssigen Kapitals vornimmt, muß er unter den Bewerbern um flüssige Kapitalgüter eine Auswahl treffen, die nicht an den (künstlich niedrig gehaltenen) Preisen dieser Güter orientiert sein kann. Vielmehr tritt hier die unmittelbare Zuweisung von Gütern des flüssigen Kapitals an die Stelle des zusätzlichen Kredites.

Diese Zuweisung wird dort, wo der Staat selbst Investor ist, die Form der Investitionsplanung annehmen; in der Rüstungsproduktion, wenn also die Investitionen unmittelbar staatlichen Verbrauchsplänen dienen sollen, ist dies sogar die einzige Möglichkeit. Dagegen wird die Zuweisung von Produktionselementen (Arbeitskräften) und Zwischenprodukten an private Investoren wohl auch die privatwirtschaftliche Rentabilität der beabsichtig- ten Investitionen berücksichtigen können und müssen. Die Sichtung der privatwirtschaftlichen Produktionsvorhaben wird außer dem Gesichtspunkt der Staats- und sozialpolitischen Dringlichkeit nur nach dem Rentabilitäts- prinzip verfahren können. Dieser Grundsatz wird - da ja keine weitere Ausdehnung, sondern nur eine Beibehaltung der im Kriege erreichten Zwangssparquoten das Ziel der produktionspolitischen Kapitalbildung dar- stellt - schon dadurch eingehalten werden, daß die zugewiesenen Güter des flüssigen Kapitals (Arbeitsleistungen und Zwischenprodukte) kein Ge- schenk des Staates an die privaten Investoren sind, sondern von diesen aus kapitalmarktmäßig beschafften Mitteln gekauft werden müssen. Dadurch wird auch die Investition der zwangsgesparten Güter des flüssigen Kapitals der volkswirtschaftlichen Kalkulationsnorm unterworfen und dieses flüssige Kapital zu freiem Kapital im Sinne des oben entwickelten Begriffes.

Das Problem der Antizipation einer Kaufkraftabnahme an den Konsum- gütermärkten kann bei einer Beibehaltung des erreichten Spargrades über- haupt nicht entstehen - zudem ist im Falle des produktionspolitischen Zwangssparens die Einschränkung der Verbrauchsgüter produktion das Primäre, während die Konsumeinschränkung erst als dessen zwangs- läufige Folge eintritt.

Ob man für die Beibehaltung der Zwangssparquote die Form der ,,finanz wirtschaftlichen" 2) oder der „produktionspolitischen" Kapitalbil-

x) Vgl. Otto Donner, a. a. O. S. 29 f. Bernhard Benning, Krieeskosten und Grenzen der Staatsverschuldung, a. a. O. S. 55 - 56.

2) Wilhelm R ö p k e , a. a. O. S. 17.

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676 Otto Kraus, Der Fiskus im Dienste der Kapitalbildung.

dung wählen oder eine Kombination von beiden zur Anwendung bringen wird, ist eine wirtschaftspolitische Frage, deren Lösung von besonderen, derzeit im einzelnen nicht vorauszusehenden Verhältnissen der Nachkriegs- wirtschaft abhängig sein wird. Von den vier möglichen Formen des Zwangs- sparens :

I. Finanz wirtschaftliche Kapitalbildung 1), II. Geldpolitische Kapitalbildung 1),

III. Gesetzlich bedungene Kapitalbildung 2), IV. Produktionspolitische Kapitalbildung

dürfte sich jedenfalls die geldpolitische Form aus den unter Punkt 4 a) ausgeführten Gründen als unanwendbar erwiesen haben.

M Wilhelm Röpke. a. a. 0. S. 17. 2) Otto Kraus, Zins und Produktion, a. a. 0. S. 154.

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