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Der direkte Nachweisdes Reaktionsmechanismussesvon SteinkohlenflugascheEine neue UntersuchungsmethodeVon Roland Hüttl, Berlin

1 EinführungDer Einfluss von Steinkohlenflug-asche als Zusatzstoff auf die Eigen-schaften von Beton, Mörtel oderBindemittelleim war und ist Gegen-stand eingehender Untersuchungenund zahlreicher Veröffentlichungenund Dissertationen [1,2,3,4]. Er lässtsich einteilen in:• Einfluss auf die Rheologie und die

Anfangshydratation (des Ze-ments), hauptsächlich durch diephysikalische Wirkung der Stein-kohlenflugasche, und

• Einfluss auf die Festbetoneigen-schaften, hauptsächlich durch dieUmwandlung von Ca(OH)2 in Cal-ciumsilikathydratphasen durch dieSteinkohlenflugasche.

Bei der Hydratation von Portlandze-ment entstehen rd. 25 M.-% Ca(OH)2und rd. 75 M.-% Calciumsilikat- undCalciumaluminathydratphasen (CSH-Phasen). Bei herkömmlichen Beto-nen mit Portlandzement kristallisiertdas Ca(OH)2 vorzugsweise zwischenden Klinkerkörnern in den Bereichenaus, die zuvor vom Zugabewassereingenommen wurden, sowie aufder Oberfläche der Zuschlagkörner.Dadurch entsteht eine dreidimensio-nal vernetzte Ca(OH)2-Struktur, dieden gesamten Beton durchzieht(Bild 1).Durch den Einsatz von Steinkohlen-flugasche kommt es zur Umwand-lung dieses Ca(OH)2 in zusätzlicheCSH-Phasen. Bild 2 zeigt die da-durch bedingte Abnahme des Ca(OH)2-Gehalts.

schaften herrscht im Prinzip Einig-keit.• Rheologie: Der Austausch von Ze-

ment durch Steinkohlenflugascheführt aufgrund der mehr oder we-niger idealen Kugelform der Flug-aschepartikel und aufgrund ihrerFeinheit zumeist zu einer Verbes-serung der Konsistenz von Betonund Mörtel, wenn die Wassermen-ge, bezogen auf das Bindemittel,konstant gehalten wird (w/(z+f) =konstant).

• Anfangshydratation: Wird beiBeton oder Mörtel Zement gegen

Über den Einfluss der Steinkohlen-flugasche auf Rheologie, Anfangs-hydratation und Festbetoneigen-

Bild 1: Polarisationsmikroskopische Aufnahme des dreidimensional vernetztenCa(OH)2-Gefüges (aus [5]) (hell: Ca(OH)2, dunkel: CSH-Phasen oder Klinkerkörner)

Bild 2: Die Abnahme des Ca(OH)2-Gehalts mit der Zeit bei Einsatz von Steinkoh-lenflugasche in Portlandzementbeton (w/(z+f) = 0,6) (aus [3])

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Feinststoff ausgetauscht bzw.Feinststoff zugegeben, so stelltman eine Erhöhung der Anfangs-festigkeit fest, wenn die Wasser-menge, bezogen auf den Zement,konstant gehalten wird. Dies wirdals Füllereffekt bezeichnet. Für dieSteigerung der Anfangsfestigkeitdurch Feinststoff werden zweiWirkungsmechanismen verant-wortlich gemacht: Die Zwickel-füllung durch die Flugasche unddie Hydratationsbeschleunigungdes Zements in der Anfangsphaseder Hydratation durch die Kristal-lisationskeimbildung der Flug-asche (und eventuell Oberflächen-beläge).

• Festbetoneigenschaften: Durchdie Umwandlung von Ca(OH)2 inCSH-Phasen durch die Steinkoh-lenflugasche wird u.a. das Kapil-larporengefüge unterbrochen undder mittlere Porenradius in denBereich kleinerer Poren verscho-ben, die Feinheit der CSH-Phasenerhöht und die Kontaktzone zwi-schen den Zuschlagkörnern undder Matrix verringert. Makrosko-pisch wird eine Steigerung derFestigkeit beobachtet sowie eineZunahme der Dichtheit der Ze-mentstein-/Flugasche-Matrix ge-genüber Gasen und Flüssigkeiten,eine stark erhöhte Ad- und Ab-sorptionsfähigkeit von Ionendurch die CSH-Phasen und insge-samt eine erhöhte Beständigkeitdes Betons gegenüber betonan-greifenden Prozessen.

Umstritten ist jedoch der Wirkungs-mechanismus, der für die Umwand-lung des Ca(OH)2 in CSH-Phasen ver-antwortlich ist und damit die Ursa-che des hauptsächlichen Einflussesvon Steinkohlenflugasche auf dieEigenschaften des Festbetons [6,7].Die Kenntnis der Reaktions- bzw.Wirkungsmechanismen der Zusatz-stoffe und deren Wechselwirkungenbildet jedoch zusammen mit derKenntnis der Mikrostruktur der Ma-trix die Voraussetzung zum gezielten

„Baustoffdesign“, die Grundlage zumVerständnis und zur Vermeidung vonSchädigungsmechanismen und da-mit einen gesicherten Schritt zur Pla-nung der Dauerhaftigkeit von Beton.Gerade in Hinsicht auf die Planungder Dauerhaftigkeit wird es in Zu-kunft zunehmend nicht mehr ausrei-chen, sich hauptsächlich mit den Ein-flüssen der Zusatzstoffe auf die Ei-genschaften von Beton, Mörtel oderBindemittelleim zu beschäftigen.Die Anzahl und Art der heutigenBauschäden verdeutlichen dies: 1998wurden in Deutschland 15 Milliar-den DM zur Sanierung von Beton-bauten ausgegeben [8]. Selbst wenndiese Summe nur zu einem Teil di-rekten Problemen mit dem BaustoffBeton zuzurechnen ist, zeigt sie doch,wie wichtig nach wie vor praxisori-entierte „Grundlagenforschung“ imBereich der Baustoffe ist.

2 Die Abnahme des Ca(OH)2-Gehalts durch Steinkohlen-flugasche: Chemische Reaktionoder physikalische Wirkung?Als Wirkungsmechanismus der Stein-kohlenflugasche, der für die Um-wandlung von Ca(OH)2 in CSH-Pha-sen verantwortlich ist, wird in derLiteratur zumeist die puzzolanische

Reaktion genannt. Unter dem Be-griff „puzzolanische Reaktion“ ver-steht man die chemische Reaktion,bei der Zusatzstoffe (Puzzolane), dieeinen hohen Glasanteil besitzen,durch den hohen pH-Wert einer ge-sättigten Ca(OH)2-Lösung (pH 12,6)langsam gelöst werden und die Be-standteile (zum größten Teil Siliziumund Aluminium) mit dem Calcium-hydroxid unter Bildung von CSH-Phasen reagieren.Die nachfolgende Formel beschreibtdie puzzolanische Reaktion, darge-stellt anhand der Reaktion des SiO2:x Ca(OH) 2 + y SiO2 + z H2O →

x CaO · y SiO2 · (x + z)H2OWährend jedoch die puzzolanischeReaktion von Mikrosilika und die la-tent-hydraulische Reaktion von Hüt-tensand als Hauptursache für dieUmwandlung des Ca(OH)2 in CSH-Phasen unbestritten sind, ist dies beiSteinkohlenflugasche nicht der Fall.Steinkohlenflugasche wird erst beipH-Werten > etwa 13,1 bis 13,3merklich gelöst (Bild 3), so dass dieBestandteile mit Ca(OH)2 reagierenkönnen. Im Sinne der Definition desBegriffs „Puzzolan“ ist Steinkohlen-flugsche demnach kein „echter“puzzolanischer Zusatzstoff.Ein pH-Wert > 13,1 bis 13,3 wird inder Porenlösung von Beton, Mörtel

Bild 3: Die gelösten Anteile SiO2 dreier Steinkohlenflugaschen nach einem MonatLagerung in NaOH in Abhängigkeit vom pH-Wert(T = Trockenfeuerung, S = Schmelzkammerfeuerung)

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oder Zementleim erst nach etwa ei-nem Tag durch die bei der Hydrata-tion des Zements frei werdendenAlkalien erreicht. Der endgültige pH-Wert von etwa 13,6 wird erst nachmehreren Tagen bis Wochen erreicht.Steinkohlenflugasche wird demnacherst nach einem bis zu mehrerenTagen merklich gelöst, so dass diepuzzolanische Reaktion verstärkteinsetzen kann.Betrachtet man die Mikrostrukturder Matrix um Flugaschekugeln, sozeigen jedoch elektronenmikrosko-pische Aufnahmen schon nach eini-gen Stunden eine rd. 0,5 µm bis 1µmdicke, kompakte und dichte Schichtaus CSH-Phasen (und eventuellCa(OH)2) direkt auf der Oberflächeder Flugaschekugeln. Diese Schichtwird als Kontaktzone [9] bzw. alsDuplex-Film [10] bezeichnet. Auf die-sem Duplex-Film beginnt sich nach10 bis 18 Stunden eine weitereSchicht epitaktisch (gerichtet) auf-gewachsener CSH-Phasen auszubil-den (Übergangszone). Erst nach die-ser Übergangszone bildet sich diefür die ungestörte Matrix typischeungeordnete Struktur der Hydrata-tionsprodukte aus (Bild 4). (Der Du-plex-Film ist aufgrund seiner gerin-gen Dicke nicht zu erkennen.)Die Reaktionssäume aus CSH-Pha-sen, die sich innerhalb des erstenTages bzw. der ersten Tage um dieSteinkohlenflugasche bilden, müs-sen demnach nach der bis jetzt vor-herrschenden Meinung hauptsäch-lich aus der Zementhydratationstammen und für die Bestandteileder Porenlösung bzw. die gelöstenBestandteile der Flugasche durchläs-sig sein, damit die puzzolanischeReaktion stattfinden kann.Nach [5] und [9] sind diese Reak-tionssäume jedoch schon nach kur-zer Zeit so dicht, dass eine späterepuzzolanische Reaktion der Stein-kohlenflugasche verhindert wird.Durch die Kristallisationskeim-wirkung der Flugasche kommt esnach [5] innerhalb der ersten 24

Stunden zur Bildung wesentlich klei-nerer und gleichmäßiger in der Ma-trix verteilter Ca(OH)2-Kristalle alsbei der Hydratation von Portlandze-ment. Dieses mikrofeine Ca(OH)2wird durch das SiO2 in der Poren-lösung je nach Größe oberflächigoder vollständig in CSH umgewan-delt. Die verstärkte Umsetzung desCa(OH)2 ergibt sich demnach alsFolgeprozess der frühen Feinstver-teilung des Ca(OH)2 durch die erhöh-te für die Reaktion zur Verfügungstehende Oberfläche der Kristalle.In [9] wird die verstärkte Umsetzungdes Ca(OH)2 bei Verwendung vonSteinkohlenflugasche damit erklärt,dass die aus einer gesättigtenCa(OH)2-Lösung gefällten frühenCalciumsilikathydrate ein höheresCa/Si-Verhältnis aufweisen als diespäter gebildeten. Je größer die An-zahl der Kristallisationskeime z.B.durch Flugasche, desto größer dieAnzahl der früh gebildeten Calcium-silikathydrate und um so stärker dieAbnahme von Ca(OH)2.Hauptargument für eine physikali-sche Wirkungsweise der Steinkoh-lenflugasche sind nach [5,7,9,11]elektronenmikroskopische Aufnah-men von bis zu 30 Jahre altem Flug-aschebeton, die völlig unbeeinflussterscheinende Flugaschekugeln zei-gen, auf deren nach wie vor glatterrunder Oberfläche weder Ätzreliefenoch aufgewachsene Reaktions-

produkte zu erkennen sind. Chemi-sche Reaktionen scheinen nichtstattgefunden zu haben!

3 Das Problem: Die MethodikZur Untersuchung der Wirkungswei-se von Steinkohlenflugasche werdenhauptsächlich die nachfolgend kurzbeschriebenen Methoden verwendet,wobei unter dem Begriff „Wirkungs-weise“ im Allgemeinen der Einflussder Flugasche auf die Eigenschaftenvon Beton, Mörtel oder Bindemittel-leim verstanden wird, gleichzeitigaber auch der Wirkungsmechanis-mus der Flugasche, der diesen Ein-flüssen zugrunde liegt.• Untersuchung der mechanischen

Kennwerte: Hierbei wird zumeistdie Druckfestigkeit und damit derfestigkeitsbildende Beitrag derZusatzstoffe bestimmt.

• Untersuchung chemischer Para-meter: Man unterscheidet zwi-schen der indirekten chemischenMethode und den direkten chemi-schen Methoden. Bei der indirek-ten chemischen Methode wird dieLöslichkeit des Flugascheglases inalkalischer Lösung untersucht. Diedirekten chemischen Methodenbasieren auf der Messung desCa(OH)2-Verbrauchs durch dieFlugasche, der Bestimmung derreagierten Menge der Flugaschemittels selektivem Lösen, der Be-

Bild 4: Steinkohlen-flugasche mitepitaktisch (gerich-tet) auf dem Duplex-Film aufgewachse-nem Reaktionssaum(aus [5])

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stimmung des chemisch gebunde-nen Wassers und der Bestimmungder Zusammensetzung der Poren-lösung (hauptsächlich des pH-Werts).

• Untersuchung des Porengefüges:Sie umfasst die Bestimmung derPorengrößenverteilung (Quecksil-berdruckporosimetrie) sowie dieErmittlung des Gesamtporenvolu-mens (Quecksilberdruckporosime-trie, Differenz aus Roh- und Rein-dichte).

• Untersuchung der Mikrostruktur:Hier unterscheidet man zwischenden mikroskopischen Methoden(Lichtmikroskopie: Aufsicht-,Durchsicht-, Polarisationsmikros-kopie; Elektronenmikroskopie:Transmissions- und Rasterelektro-nenmikroskopie) und den Unter-suchungsmethoden zur Bestim-mung der Zusammensetzung undStruktur im mikroskopischen Be-reich (Ionensonde, 29Si-Magnet-resonanzspektroskopie, Röntgen-spektrometrie, Röntgenstruktur-analyse).

Eindeutig kann man mit diesen Me-thoden jedoch lediglich den Einflussnachweisen, den die Umwandlungvon Ca(OH)2 in CSH-Phasen auf dieEigenschaften von Beton, Mörteloder Bindemittelleim besitzt. Es kön-nen keine eindeutigen Aussagenüber den Wirkungsmechanismus ge-macht werden, da die Ergebnisseentweder durch beide grundsätzli-chen Theorien zum Wirkungsmecha-nismus der Flugasche erklärt werdenkönnen (puzzolanische Reaktionbzw. Wirkung der Flugasche als Kris-tallisationskeim) oder keine eindeu-tigen Schlüsse bezüglich der Art unddes Verlaufs des Wirkungsmechanis-musses zulassen:1) Der Einfluss der Flugasche auf diemechanischen Kennwerte, denCa(OH)2-Gehalt, das chemisch ge-bundene Wasser, die Porenlösung,das Porengefüge und die Mikro-struktur kommt hauptsächlich durchdie Umwandlung von Ca(OH)2 in

CSH-Phasen zustande. Sowohl dieTheorie der puzzolanischen Reaktionals auch die Theorie der Kristallisa-tionskeimbildung erklären die Um-wandlung von Ca(OH)2 in zusätzlicheCSH-Phasen bei Verwendung vonSteinkohlenflugasche.Der Einfluss der Flugasche auf diegenannten Eigenschaften hängt zu-dem in hohem Maße von der Mi-schungsberechnung ab. Da in derLiteratur häufig sehr unterschiedli-che Formen der Mischungsberech-nung verwendet werden (Austauschvon Zement gegen Flugasche bzw.Zugabe von Flugasche, Anrechnungder Flugasche mit Hilfe eines Ze-mentäquivalentwerts k bzw. unter-schiedlicher k-Werte, Angabe vonvolumenbezogenen bzw. massebe-zogenen Zugabemengen bzw. k-Werten), ist eine zusammenfassendeInterpretation oft schwer möglich.2) Die Untersuchung der Löslichkeitdes Glases in alkalischer Lösunggibt lediglich eine Antwort auf dieFrage, ob das Flugascheglas gene-rell bei den pH-Werten einer Poren-lösung gelöst wird und damit poten-tiell eine puzzolanische Reaktionstattfinden könnte. Zur Beurteilungdes Wirkungsmechanismusses ist je-doch neben der Löslichkeit des Flug-ascheglases die Durchlässigkeit dersich um die Flugaschekugeln bilden-den Hüllen aus Reaktionsproduktenentscheidend. Genau dieser Punkt istjedoch strittig.3) Die mittels selektivem Lösen zu be-stimmende Menge an reagierter (ge-löster) Flugasche wird von den Be-fürwortern der puzzolanischen Re-aktion als „direkter“ Beweis des Wir-kungsmechanismusses angesehen.Die Frage ist jedoch, ob das Flug-ascheglas, wenn es mit den hohenpH-Werten der Porenlösung in Kon-takt steht, auch ohne eine puzzola-nische Reaktion strukturell soweitverändert wird, dass es im Gegensatzzum unbeeinflussten Flugascheglasdurch die eingesetzten Säuren gelöstwerden kann. Auch bei einem kor-

rekt ermittelten Wert für den ge-lösten Anteil der Flugasche liegt zu-dem keine Information darüber vor,ob die gelösten Bestandteile direktum die Flugasche herum oder in tie-feren Bereichen der Matrix vorzufin-den sind. Die entscheidende Fragenach der Durchlässigkeit der sich umdie Flugaschekugeln bildenden Hül-len aus Reaktionsprodukten bleibtauch hier unbeantwortet.4) Die Veränderung der Zusammen-setzung der CSH-Phasen um dieFlugaschekugeln wird sowohl vonden Befürwortern der puzzolanischenReaktion als auch von den Befür-wortern der Kristallisationskeimbil-dung als indirekter Beweis für diejeweilige Theorie gewertet. Die Be-fürworter der puzzolanischen Reak-tion führen an, dass in direkter Um-gebung der Steinkohlenflugaschezumeist ein erhöhtes Silizium/Cal-cium-Verhältnis der CSH-Phasen ge-messen wird. Die Befürworter derTheorie der Kristallisationskeim-keimbildung führen an, dass in di-rekter Umgebung der Steinkohlen-flugasche zumeist kein erhöhter Alu-miniumanteil gegenüber der unbe-einflussten Matrix festzustellen ist.5) Die Ergebnisse der Mikroskopiesind ebenfalls umstritten. Weder dieReaktionssäume um die Steinkohlen-flugasche noch die Struktur derOberfläche der Flugaschekugelnoder der zu beobachtende geringeHaftverbund zwischen Flugascheund Matrix geben eindeutig Auf-schluss über den Reaktionsmecha-nismus und demnach über die Her-kunft der entstehenden zusätzlichenCSH-Phasen um die Flugaschekugelnund in tieferen Bereichen der Ma-trix. Die Interpretation von mikro-skopischen Aufnahmen, in diesemFall besonders des Grades des An-griffs der Flugascheoberflächendurch den hohen pH-Wert der Po-renlösung, kann zudem nur subjektivsein und ist daher meist sehr unter-schiedlich.Das Problem der genannten Unter-suchungsmethoden bzw. der Inter-

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pretation der damit gewonnenenErgebnisse liegt darin, dass mit die-sen Methoden nicht geklärt werdenkann, ob es sich bei den CSH-Phasen,die durch den Einsatz von Flugaschedurch Umwandlung des Ca(OH)2 zu-sätzlich entstehen, um CSH-Phasenaus einer eventuellen puzzolani-schen Reaktion oder einer eventuellverstärkten Zementhydratation han-delt. Bei einer puzzolanischen Reak-tion der Flugasche muss das Silizium(bzw. das Aluminium) der zusätzlichgebildeten CSH-Phasen aus der Flug-asche stammen, bei einer verstärk-ten Zementhydratation aus dem Ze-ment.Wenn man also nachweisen kann,dass die CSH-Phasen der Matrix inweiter von der Flugasche entferntenBereichen Silizium (bzw. Aluminium)aus der Steinkohlenflugasche ent-halten, so ist die puzzolanische Re-aktion nachgewiesen. Ist dies nichtder Fall, würde das bedeuten, dassdie Flugasche lediglich physikalischwirkt.Das Ziel der nachfolgend beschrie-benen Untersuchungen [4] war es,eindeutig den Mechanismus, der dieHauptursache für die Umwandlungvon Ca(OH)2 in CSH-Phasen durchdie Steinkohlenflugasche ist, sowieden (zeitlichen) Ablauf der Vorgängezu klären. Weiterhin sollte der Ein-fluss der reaktionsbestimmendenParameter auf den Wirkungsmecha-nismus der Steinkohlenflugascheuntersucht werden. Dazu wurdeeine neue Untersuchungsmethodikentwickelt.

4 Die Lösung: 29Si-Flugasche4.1 Die 29Si-FlugascheUm die CSH-Phasen, die durch eineeventuelle puzzolanische Reaktionder Steinkohlenflugasche entstehen,von den CSH-Phasen zu unterschei-den, die aus der Zementhydrata-tion stammen, wurde eine künst-liche Flugasche hergestellt (Bild 5),die dieselbe Zusammensetzung wie

„natürliche” Steinkohlenflugaschebesaß. Der Unterschied zu natürlicherSteinkohlenflugasche bestand darin,dass der Siliziumanteil der künstli-chen Flugasche zu 96 M.-% aus demSilizium-Isotop 29Si bestand. Das na-türliche Silizium, also das im Zemententhaltene, besteht demgegenüberzu 92,2 M.-% aus dem Silizium-Iso-top 28Si und lediglich zu 4,7 M.-%aus dem Silizium-Isotop 29Si (neben3,1 M.-% 30Si). (Da Aluminium-Iso-tope extrem teuer sind [1 mg etwa60000 DM], wurde auf die Verwen-dung von Aluminium-Isotopen ver-zichtet. Zum Vergleich: 1 mg 29Si rd.140 DM.)In Vorversuchen wurde nachgewie-sen, dass die künstliche 29Si-Flug-asche dieselben Eigenschaften wienatürliche Steinkohlenflugasche be-saß, also dieselbe Abhängigkeit derLöslichkeit des Flugascheglases inAbhängigkeit vom pH-Wert.Jeweils ein Splitter der künstlichen29Si-Flugasche wurde in unterschied-liche Zement-/Flugasche-Leime ein-gebettet. Nach drei Monaten Reak-tionszeit wurden die Probekörperin dünne Scheiben zersägt und das29Si / 28Si-Verhältnis der CSH-Phasenum die künstliche 29Si-Flugasche un-tersucht.4.2 Das MessprinzipDas Prinzip des generellen Nach-weises des Reaktionsmechanismus-ses der Steinkohlenflugasche (che-misch oder physikalisch) ist einfach:

Wenn man nachweisen kann, dassdie CSH-Phasen der Matrix Siliziumaus der Flugasche enthalten, alsoeinen gegenüber reinem Zement-stein erhöhten 29Si-Gehalt, so stam-men die CSH-Phasen (auch) ausder puzzolanischen Reaktion derFlugasche. Besitzen die CSH-Pha-sen ein natürliches Isotopenver-hältnis, so stammen sie vollständigaus der Zementhydratation unddie Flugasche wirkt lediglich physi-kalisch.

5 Die UntersuchungenAn den aus den Prüfkörpern heraus-geschnittenen Scheiben mit den ein-gebetteten 29Si-Flugaschegassplit-tern wurde der generelle Reaktions-mechanismus sowie der zeitliche Ab-lauf des Reaktionsmechanismussesuntersucht.5.1 Der Nachweis des 28Si / 29Si-Isotopenverhältnis mit Hilfe derSekundärionenmassenspektroskopie(SIMS)Der Nachweis des 28Si / 29Si-Verhält-nisses der CSH-Phasen der Matrixerfolgte mit Hilfe der Sekundärio-nenmassenspektroskopie (SIMS). In-nerhalb der SIMS wird die Oberflä-che der zu untersuchenden Probemit einem hochenergetischem Ionen-strahl abgerastert. Die Fragmentebzw. Isotope der Oberflächenschicht,die durch den Ionenstrahl abgetra-gen werden, werden mit Hilfe einesMassenspektrometers entsprechendihrer Masse aufgeteilt und analy-siert. Damit kann das Siliziumiso-topen-Verhältnis bestimmt werden.Bei der Auswertung der Messungenmit Hilfe der SIMS sind folgendeDinge zu beachten:• Die SIMS misst Intensitäten, keine

absoluten Mengen.• Die SIMS hat eine gewisse Un-

schärfe, die durch die Dicke desPrimärionenstrahls zustandekommt. Eine in der Realität abrup-te Konzentrationsänderung wird

Bild 5: Das künstliche 29Si-Flugasche-glas

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also als mehr oder weniger lang-same Intensitätsänderung gemes-sen. Die Unschärfe wurde jedochfür jede Messung gesondert be-stimmt und bei der Auswertungberücksichtigt.

• Die SIMS besitzt eine geringe Tie-fenschärfe, so dass z.B. Poren undRisse die gemessenen Intensitätenbeeinflussen.

Um dennoch eine Information überabsolute Mengen zu erhalten undden Einfluss der Unregelmäßigkeitder Matrix zu eliminieren, wurde einAnreicherungsfaktor k definiert.Da das gemessene Intensitätsver-hältnis zweier Isotope des gleichenElements dem tatsächlichen Mas-

senverhältnis entspricht, konntedas gemessene Intensitätsverhältnisfür 28Si und 29Si ins Verhältnis ge-setzt werden zur „natürlichen“Isotopenverteilung von 28Si und29Si.Der Anreicherungsfaktor gibt damitan, um wievielmal sich der gemesse-ne 29Si-Gehalt gegenüber dem „na-türlichen“ 29Si-Gehalt erhöht. Beieinem natürlichen Isotopenverhält-nis, also CSH-Phasen aus der Ze-menthydratation mit 4,7 M.-% 29Si,beträgt der Anreicherungsfaktordemnach 1.Für die künstliche Flugasche mit96 M.-% 29Si ergibt sich ein Anrei-cherungsfaktor von etwa 20, also

20 mal der „natürliche“ 29Si-Gehaltvon ca. 4,7 M.-%.Mit Hilfe des Anreicherungsfaktorslässt sich damit direkt ablesen, zuwie viel Massenprozent sich die Cal-ciumsilikathydratphasen der Matrixaus der puzzolanischen Reaktionbzw. aus der Zementhydratation zu-sammensetzen.Durch die Verhältnisbildung der ge-messenen Intensitäten werden zu-dem die Unregelmäßigkeiten derMatrix herausgerechnet, da dieIntensitäten beider Isotope durchRisse oder Poren in gleicher Weisebeeinflusst werden.5.2 Die Untersuchung des gene-rellen ReaktionsmechanismussesZur Untersuchung des generellenReaktionsmechanismusses wurdendie Dünnschnitte poliert und das28Si / 29Si-Verhältnis der CSH-Phasender Matrix um die künstliche 29Si-Flugasche bestimmt. Bild 6 zeigteinen Dünnschnitt mit eingebette-tem Splitter sowie das Messfeld von100µm · 100µm.Anhand dieses Anreicherungsfaktorsund einer zusätzlichen REM-Unter-suchung der Messfläche wurde einerepräsentative Stelle ausgesucht undzusätzlich der Anreicherungsfaktorentlang eines so genannten Line-Scans dargestellt (Bild 6).Mit diesem Versuch lässt sich nach-weisen, bis zu welchem Abstanddie Matrix auch CSH-Phasen ausder puzzolanischen Reaktion ent-hält.Aufgrund des wesentlich höherenAl2O3-Gehalts der künstlichen 29Si-Flugasche (etwa 30 M.-%) im Ver-gleich zu den verwendeten Zemen-ten (etwa 5 M.-%) müssten sich ausden gemessenen Intensitäten für dasAluminium zusätzliche Informatio-nen über den Verbleib des Alumini-ums der 29Si-Flugasche und damitüber den Reaktionsmechanismusder Steinkohlenflugasche gewinnenlassen. Aus diesem Grund wurde

Bild 6: Die Untersuchung des generellen Reaktionsmechanismusses am Dünn-schnitt

Bild 7: Die Untersuchung des zeitlichen Ablaufs des Reaktionsmechanismussesam gebrochenen Dünnschnitt

Mit dem SIMS und dem REM untersuchter BereichZement-/ Flugasche-MatrixEingebetteter Splitter der künstlichen 29Si-Flugasche

Mit dem SIMS und dem REM untersuchter BereichZement-/ Flugasche-MatrixEingebetteter Splitter der künstlichen 29Si-Flugasche

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zusätzlich für jede Matrixzusam-mensetzung das Verhältnis Al / Ge-samt-Si entlang des Line-Scans be-rechnet.5.3 Die Untersuchung des zeitli-chen Ablaufs des Reaktionsme-chanismussesUm den zeitlichen Ablauf des Reak-tionsmechanismusses zu klären,wurden die Bindemittelscheiben ge-brochen und der Anreicherungs-faktor der genannten Reaktions-säume direkt um die Flugasche be-stimmt, indem die Bruchfläche senk-recht von oben untersucht wurde(Bild 7).Durch die Unschärfe der SIMS konn-te dies nicht durch die Untersu-chung der polierten Dünnschnitteerfolgen, da die SIMS die einzelnenSchichten der Reaktionssäume nichtauflöst.Da die Reaktionssäume direkt um dieSteinkohlenflugasche wie erläutertnacheinander entstehen, lässt sichaus der Information der Herkunftder CSH-Phasen der Säume (puzzo-lanische Reaktion bzw. Zement-hydratation) der zeitliche Ablaufdes Reaktionsmechanismusses her-leiten.Durch den Vergleich der REM-Auf-nahmen der Flugascheglasoberflä-che nach drei Monaten Reaktions-zeit mit den Ergebnissen der Iso-topenversuche ließ sich zusätzlichuntersuchen, ob sich die Oberflä-chenstruktur des Flugascheglasesbei einer eventuellen puzzolani-schen Reaktion tatsächlich ändertund damit die chemische Reaktionauch im REM-Bild sichtbar wird.Dass die Oberflächen der Flugasche-kugeln oft unangegriffen erschei-nen, ist, wie erläutert, eines derHauptargumente der Vertreter, dieder Flugasche eine puzzolanischenReaktion absprechen.Mit Hilfe des energiedispersivenRöntgenspektrometers des REM ließsich zudem die Zusammensetzungdes Duplex-Films bestimmen. Mit

Hilfe dieser Untersuchung konntedamit auch auf den Verbleib desAluminiums aus der Flugasche ge-schlossen werden.5.4 Die Untersuchung der physi-kalischen WirkungsweiseUm festzustellen, ob der Wirkungs-mechanismus der Steinkohlenflug-asche, der für die Umsetzung vonCa(OH)2 in CSH-Phasen verantwort-lich ist, eine Kombination aus puz-zolanischer Reaktion und der Wir-kung als Kristallisationskeim ist,wurde an Probekörpern, die die glei-che Zusammensetzung hatten wiedie Probekörper des 29Si-Isotopen-versuchs, zusätzlich die Mikrostruk-tur (besonders das Ca(OH)2-Gefügeder Matrix) mit Hilfe der Polarisa-tionsmikroskopie und der Raster-elektronenmikroskopie untersucht.5.5 Die Untersuchung des Einflus-ses des Zements und weiterer Zu-satzstoffe (Mikrosilika) auf denReaktionsmechanismusDer Einfluss des Zements und vonMikrosilika auf den Reaktionsme-chanismus wurde untersucht, in-dem die Isotopenversuche mit un-terschiedlichen Matrixzusammenset-zungen durchgeführt wurden. MitHilfe der „üblichen“ Untersuchungs-methoden wurde gleichzeitig anProbekörpern, die die gleiche Ma-trixzusammensetzung hatten wiedie Probekörper des 29Si-Isotopen-versuchs, die „äußeren Bedingun-gen“ nachgewiesen, unter denen derReaktionsmechanismus ablief. Dazuwurden die Parameter untersucht,die den Reaktionsmechanismus derSteinkohlenflugasche bestimmenbzw. durch den Alkaligehalt des Ze-ments und den Einsatz von Mikro-silika verändert werden: die Zusam-mensetzung und der pH-Wert derPorenlösung, die Löslichkeit derSteinkohlenflugasche in Abhängig-keit vom pH-Wert sowie derCa(OH)2-Gehalt, das chemisch ge-bundene Wasser, das Porengefügeund die Mikrostruktur der Matrix.

6 Die Untersuchungsergebnisse6.1 Die Ergebnisse der Untersu-chung des generellen Reaktions-mechanismussesDie Ergebnisse der Untersuchung desgenerellen Wirkungsmechanismusesan den polierten Dünnschliffen sollanhand einer Probe mit Zementohne Flugasche erläutert werden.Bild 8 zeigt das REM-Bild der Unter-suchungsfläche. In der REM-Auf-nahme ist das 29Si-Glas zu erkennensowie ein abgebrochener Randbe-reich, wahrscheinlich eine Folge desPolierens. Zwischen dem abgebro-chenem Randbereich und der Matrix

Bild 8: Die REM-Aufnahme der Mess-fläche (UK: unhydratisierter Klinker,R: Riss, SFA: natürliche Flugaschekugel,RS: Reaktionssaum)

Matrix

20µm

Bild 9: Die zweidimensionale Darstel-lung des berechneten 29Si-Anreiche-rungsfaktors k der Messfläche

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sieht man den hauchdünnen Du-plex-Film, hier mit RS für Reak-tionssaum gekennzeichnet. Es folgtdie Matrix, in der unhydratisierteKlinkerkörner, mehrere Risse sowieüberraschend auch eine Flugasche-kugel zu erkennen ist.Bild 9 zeigt den Anreicherungsfak-tor desselben Bereichs, der aus denSIMS-Daten berechnet wurde. DieFarbskala wurde so gewählt, dassdeutlich zwischen drei Bereichenunterschieden werden kann:1. dem 29Si-Glas mit einem Anreiche-

rungsfaktor von ca. 20 (blau),2. der Matrix mit CSH-Phasen auch

aus der puzzolanischen Reaktion(orange oder rot) und

3. der unbeeinflussten Matrix mitCSH-Phasen ausschließlich aus derZementhydratation (mit „natürli-cher“ Isotopenzusammensetzung:k = 1).

Mit Hilfe dieser beiden Abbildungenwurde eine repräsentative Lage fürden Line-Scan zwischen den unhy-dratisierten Klinkerkörnern und derFlugaschekugel ausgewählt. Bild 10zeigt den berechneten Anreiche-rungsfaktor entlang dieses Line-Scans.In dem Bereich, in dem ein Anrei-cherungsfaktor von etwa 20 ermit-telt wurde, trifft der Primärionen-strahl noch vollständig auf das 29Si-Glas. Das Minimum kommt durch

den Spalt zwischen Glas und abge-brochenem Randbereich zustande.An der Stelle, an der der Ionenstrahlzum ersten Mal auf die Matrix trifft,fällt das Messsignal ab. Mit Hilfe derermittelten Unschärfe der SIMS lässtsich die Lage der Grenzfläche zwi-schen dem Flugascheglas und derMatrix lokalisieren, hier durch denFarbwechsel grau / weiß gekenn-zeichnet.Kennt man die Lage der Grenzfläche,kann man aus dem Line-Scan able-sen, dass die Matrix bis zu einemAbstand von 53 µm 29Si aus derFlugasche und damit CSH-Phasenaus der puzzolanischen Reaktionenthält – wodurch die puzzolani-sche Reaktion als Reaktionsmecha-nismus der Steinkohlenflugaschenachgewiesen ist!Es ist zu beachten, dass der Abstandvon 53 µm (von der Kontaktfläche29Si-Glas / Matrix aus gesehen), biszu dem die Matrix CSH-Phasen ausder puzzolanischen Reaktion enthält,an Matrixprobekörpern gemessenwurde, die mit einem NA-Zement(Na2O-Äquivalent ≤ 0,60) und nachnur drei Monaten Reaktionszeit er-mittelt wurde. Bei der Verwendungeines Zements mit höherem Na2O-Äquivalent, bei längerer Versuchs-dauer und bei Probekörpern ausMörtel oder Beton, die eine höherePorosität gegenüber Probekörpern

aus reinem Leim besitzen, ist mitReaktionsprodukten aus derpuzzolanischen Reaktion in Berei-chen zu rechnen, die noch weitervon der Steinkohlenflugasche ent-fernt sind.Bei „natürlichen“ Flugaschekugelnmuss man sich die 53 µm zudem alsRadius eines Kugelvolumens um dieeinzelnen Flugaschekugeln vorstel-len. In der Matrix überschneiden sichdiese Volumina vielfach.Zusammenfassend lässt sich folgern,dass die Matrix bei der Verwendung„natürlicher“ Steinkohlenflugascheinsgesamt in hohem Maße Reak-tionsprodukte aus der puzzolani-schen Reaktion enthält.Die gemessenen Intensitäten entlangdes Line-Scans für das Aluminiumzeigte folgendes Ergebnis: Obwohlfür drei der vier untersuchten Leim-zusammensetzungen eine eindeutigepuzzolanische Reaktion mit Hilfe des29Si nachgewiesen wurde, ergab sichbei den Untersuchungen kein ein-deutig erhöhtes Al / Si-Verhältnisaußerhalb des Unschärfebereichs derSIMS.Dieses Ergebnis kann unterschiedlichinterpretiert werden: Das Aluminiumkönnte vollständig direkt in der Nä-he der Flugascheoberfläche und da-mit im Bereich der Unschärfe derSIMS zu Reaktionsprodukten reagie-ren, so dass außerhalb des Unschär-febereichs kein Abfall der Intensitätmehr gemessen werden kann. In die-sem Fall müsste der Duplex-Film je-doch in hohem Maße aus Calcium-aluminathydraten bestehen. DieEDX-Analyse des Duplex-Films zeigtejedoch, dass dieser fast ausschließ-lich aus Calciumsilikathydrat be-steht.Die zweite, wahrscheinlichere An-nahme ist, dass die hohen Mengenan gelöstem Aluminium umgekehrtsehr tief in die Matrix vordringen,ohne sofort Reaktionsprodukte zubilden. Diese Annahme wird durchUntersuchungen in [13] über dieEigenschaften von Calciumaluminat-Bild 10: Der Anreicherungsfaktor k für 29Si entlang des Line-Scans

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hydraten unterstützt. Damit würdees zu einer hohen Al-Anreicherungbis in weite Bereiche der Matrixkommen, so dass kein entscheiden-der Abfall der Intensität außerhalbdes Unschärfebereichs der SIMS ge-messen werden kann. Diese Annah-me wird durch die Untersuchungenzur Laugenlöslichkeit von Stein-kohlenflugasche unterstützt. Es wur-de nachgewiesen, dass in Abhängig-keit von der Lauge und vom pH-Wert bis zu zweimal mehr Alumini-um im Verhältnis zum Silizium ausder Flugasche gelöst wird, als esdem natürlichen Al / Si-Verhältnisder Steinkohlenflugasche ent-spricht.Aus den Vorgängen der Bildung vonCalciumsilikathydratphasen kanndemnach nicht direkt auf die Vor-gänge bei der Bildung der Calcium-aluminathydratphasen geschlossenwerden. Anders formuliert: Das Feh-len einer erhöhten Al-Konzentrationder Matrix in der Nähe der Stein-kohlenflugasche ist kein Beweis da-für, dass Flugasche nicht puzzola-nisch reagiert.

6.2 Die Ergebnisse der Untersu-chung des zeitlichen Ablaufs desReaktionsmechanismussesDie Ergebnisse der Untersuchung deszeitlichen Ablaufs des Reaktionsme-chanismusses soll anhand derselbenProbe mit reinem Zement erläutertwerden.Bei der Untersuchung des zeitlichenAblaufs des Reaktionsmechanismus-ses wurde entsprechend dem Ab-lauf bei der Untersuchung des gene-rellen Mechanismusses vorgegan-gen: Mit Hilfe des REM wurde einegeeignete Stelle ausgesucht, der Be-reich mit Hilfe der SIMS gescant undanhand des ermittelten Anreiche-rungsfaktors die Si-Isotopen-Zu-sammensetzung und damit die Her-kunft der Reaktionssäume direkt umdie Flugasche bestimmt (puzzola-nische Reaktion bzw. Zementhydra-tation).

Bild 11 zeigt das REM-Bild der Un-tersuchungsfläche. Es ist die Ober-fläche der künstlichen Flugasche zuerkennen, die durch den Bruch frei-gelegt wurde sowie beim Bruch haf-ten gebliebene Bestandteile des Du-plex-Films (hier jeweils mit RP fürReaktionsprodukt gekennzeichnet).Bild 12 zeigt die graphische Darstel-lung des errechneten Anreiche-rungsfaktors der Untersuchungs-fläche. Gegenüber der Untersuchungder polierten Dünnschnitte wurdehier bei der graphischen Darstellungdes Anreicherungsfaktors eine Farb-skala mit feinerer Abstufung ge-wählt.

Innerhalb des untersuchten Bereichswird für die Oberfläche der künstli-chen 29Si-Flugasche ein Anreiche-rungsfaktor von etwa 19 bis 20,3aus den SIMS-Daten berechnet. Diesentspricht einem 29Si-Anteil von rd.90 M.-% bis 96 M.-%, bezogen aufden Gesamt-Silizium-Gehalt (tat-sächlicher 29Si-Anteil der künstlichen29Si-Flugasche, bezogen auf den Ge-samt-Silizium-Gehalt: 96 M.-%).Die der Matrix zugewandte sichtbareSeite der auf der 29Si-Flugasche haf-ten gebliebenen Schicht aus Reak-tionsprodukten besitzt (unter Be-rücksichtigung des Unschärfebe-reichs der SIMS ) einen Anreiche-rungsfaktor von 6 bis 8. Dies ent-spricht einem 29Si-Anteil aus derFlugasche von 24 M.-% bis 33 M.-%.Die Untersuchung weiterer Probenzeigte, dass die Reaktionsschichtzwischen 29Si-Glas und Matrix, alsoder Duplex-Film, ein Mischproduktaus der puzzolanischen Reaktion derFlugasche und der Hydratation desZements ist. Innerhalb der nur0,3 µm bis 1 µm dicken Reaktions-schicht (Duplex-Film) nimmt der An-teil der Reaktionsprodukte aus derpuzzolanischen Reaktion in zuneh-mender Entfernung von der 29Si-Flugascheoberfläche stark ab (vonrd. 70 M.-% direkt an der Kontakt-fläche „29Si-Flugasche / Duplex-Film“bis etwa 30 M.-% bis 40 M.-% ander Kontaktfläche „Duplex-Film /Matrix“).Zusammenfassend ist festzustellen:Der Duplex-Film besteht in hohemMaße aus CSH-Phasen aus derpuzzolanischen Reaktion. Da sich derDuplex-Film schon innerhalb derersten 10 bis 18 Stunden ausbildet,muss damit die puzzolanische Reak-tion der Steinkohlenflugasche schonwesentlich früher beginnen, als bis-her angenommen wurde.Die mikroskopische Untersuchungder Oberfläche des Flugascheglaseszeigte folgendes Ergebnis: Obwohl,wie erläutert, innerhalb der Untersu-chung der polierten Dünnschnitte

Bild 11: Die REM-Aufnahme der Mess-fläche (RP: Reaktionsprodukt)

Bild 12: Die zweidimensionale Darstel-lung des berechneten 29Si-Anreiche-rungsfaktors k der Messfläche

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für drei der vier untersuchten Pro-ben eindeutig eine puzzolanischeReaktion nachgewiesen wurde,konnte keine Veränderung der Ober-flächenstruktur des 29Si-Glases beider Untersuchung der Bruchprobenerkannt werden.Die Ausbildung des bei den Bruch-proben untersuchten direkt an derKontaktfläche 29Si-Glas / Matrix ent-stehenden Duplex-Films korreliertjedoch sehr gut mit den Ergebnissender Untersuchung der poliertenDünnschnitte. Die Ausbildung desDuplex-Films kann daher für die Be-urteilung der Reaktivität derSteinkohlenflugasche bei verschie-denen Leimzusammensetzungenherangezogen werden.Aus diesen Ergebnissen kann gefol-gert werden, dass die mikroskopi-sche Untersuchung der Oberflächen-struktur von Steinkohlenflugaschealleine nur bedingt für die Beurtei-lung des Reaktionsmechanismussesherangezogen werden kann.6.3 Die Ergebnisse der zusätzli-chen Untersuchung der physikali-schen WirkungsweiseDie vergleichende Untersuchung desCa(OH)2-Gefüges von Probekörpernmit und ohne Steinkohlenflugaschebzw. Quarzmehl im Polarisationsmik-roskop zeigte, dass sich der sicht-bare Anteil an Ca(OH)2 bei der Zuga-be von 10 M.-% Quarzmehl bzw.10 M.-% Steinkohlenflugasche nacheinem Tag stark verminderte. DieVerminderung war wesentlich deut-licher als der Verdünnungseffekt desZements um den Faktor 0,9. Zwi-schen dem Quarzmehl und der Flug-asche konnte kein sichtbarer Unter-schied beobachtet werden. Die Pro-ben wurden nach einem Tag unter-sucht, um eine Verfälschung der Un-tersuchung durch eine erhöhte Um-setzung des Ca(OH)2 auf Grund derpuzzolanischen Reaktion der Flug-asche zu verhindern. Die Bestim-mung des Ca(OH)2-Gehalts der Pro-ben zeigte jedoch, dass sich der ab-solute Ca(OH)2-Gehalt der Probe

ohne und der Proben mit Flugaschebzw. Quarzmehl zu diesem frühenZeitpunkt nahezu nicht unterschied.Durch die Wirkung der Flugasche(und des Quarzmehls) als Kristallisa-tionskeim muss demnach das Ca(OH)2entsprechend der Theorie nach [5]gegenüber reinem Portlandzementin feineren, gleichmäßiger in derMatrix verteilten Kristallen auskri-stallisieren, die polarisationsmikros-kopisch zu einem großen Teil nichtmehr sichtbar sind.Die mikroskopischen Untersuchun-gen mit Hilfe des Rasterelektronen-mikroskops zeigten, dass sich nichtnur in der Nähe der Klinkerkörnerund der Steinkohlenflugasche CSH-Phasen bilden, sondern auch auf derOberfläche von Ca(OH)2-Kristallenmikrofeine CSH-Phasen entstehen.Die Bildung von CSH-Phasen aufCa(OH)2-Kristallen ist auf rasterelek-tronenmikroskopischen Aufnahmenals unscharf erscheinende Oberflä-che der Ca(OH)2-Kristalle zu erken-nen (Bild 13). Da das REM eine hoheTiefenschärfe besitzt und demnacheine falsche Scharfeinstellung nahe-zu ausgeschlossen ist, kommt dieUnschärfe durch CSH-Phasen zu-stande, deren Größe unterhalb desAuflösungsvermögens des REM liegt.Der Nachweis, dass sich auf den un-scharf erscheinenden Oberflächentatsächlich CSH-Phasen gebildet

hatten, erfolgte mit Hilfe des ener-giedispersiven Röntgenspektrome-ters (EDX).Zusammenfassend lässt sich folgern:Da das Ca(OH)2 durch die Kristall-keimwirkung der Flugasche zu einemfrühen Zeitpunkt der Hydratation(etwa15 h bis 24 h) in wesentlichfeineren Kristallen ausfällt undnachgewiesen wurde, dass sich auchauf der (insgesamt stark vergrößer-ten) Oberfläche der Ca(OH)2-KristalleCSH-Phasen bilden können, muss dieFeinheit der Ca(OH)2-Kristalle eineentscheidende Rolle bei der Umset-zung von Ca(OH)2 in CSH-Phasenbesitzen. Die Umwandlung desCa(OH)2-Gehalts in CSH-Phasendurch die Steinkohlenflugasche istdamit sowohl eine Folge der chemi-schen puzzolanischen Reaktion derFlugasche als auch der frühen Feinst-verteilung der Ca(OH)2-Kristalledurch die physikalische Kristallkeim-wirkung der Steinkohlenflugasche.6.4 Die Untersuchung des Einflus-ses des Zements und weiterer Zu-satzstoffe (Mikrosilika) auf denReaktionsmechanismusDie Ergebnisse der Isotopenversuche,die mit Zementen mit unterschiedli-chem Na2O-Äquivalent und mit Mik-rosilika ermittelt wurden sowie dieErgebnisse der Untersuchung derZusammensetzung und des pH-Werts der Porenlösung, der Löslich-

Bild 13: Die Ober-fläche einesCa(OH)2-Kristallsmit aufgewach-senen mikrofeinenCSH-Phasen

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keit der Steinkohlenflugasche inAbhängigkeit vom pH-Wert, desCa(OH)2-Gehalts, des chemisch ge-bundenen Wasser und des Poren-gefüges bestätigen die bekannteTatsache, dass der Grad der puzzo-lanischen Reaktion hauptsächlichdurch den pH-Wert der Porenlösung(und die Dichtheit der Matrix) be-stimmt wird.Die Ergebnisse der Versuche zur Lau-genlöslichkeit zeigten, dass Stein-kohlenflugasche bei dem pH-Werteiner gesättigten Ca(OH)2-Lösungvon 12,6 nahezu unlöslich ist, sodass mit einer Ca(OH)2-Lösung allei-ne nahezu keine puzzolanische Re-aktion stattfindet. Im strengen Sinneder Definition des Begriffs „puzzola-nische” Reaktion ist Steinkohlenflug-asche daher kein puzzolanischer Zu-satzstoff. Steinkohlenflugasche wirderst bei pH-Werten > 13,1 bis 13,3nennenswert gelöst und kann mitdem Ca2+ der Porenlösung zu CSH-Phasen reagieren. pH-Werte > 12,6können jedoch nur durch Alkalien(NaOH, KOH) erreicht werden. Ausdiesem Grund sollte bei Steinkohlen-flugasche der Begriff „puzzolanischeReaktion“ durch den Begriff „Alkali-induzierte puzzolanische Reaktion“ersetzt werden.

7 Interpretation der Ergeb-nisse: Der Reaktionsmechanis-mus von SteinkohlenflugascheAuf Grund der Ergebnisse derIsotopenversuche und der „indirek-ten“ Untersuchungsmethoden wirddas folgende in vier Zeitphasen un-terteilte Modell zum Ablauf des Re-aktionsmechanismusses von Stein-kohlenflugasche vorgeschlagen:Phase 1: 0 bis 10 StundenDurch den niedrigen pH-Wert derPorenlösung von etwa 12,6 (gesät-tigte Ca(OH)2-Lösung) findet nahezukeine Alkali-induzierte puzzolani-sche Reaktion statt.Phase 2: 10 bis etwa 18 Stunden:Frühe Alkali-induzierte puzzolani-

sche Reaktion der Steinkohlenflug-asche. Der Duplex-Film wird gebildet.Der pH-Wert der Porenlösung steigtin dieser Zeit auf etwa 13 an. Da dasLöslichkeitsprodukt von Ca(OH)2überschritten wird, beginnt Ca(OH)2auszufallen und die Ca2+-Konzentra-tion sinkt langsam. Gleichzeitig bil-den sich CSH-Phasen aus der Ze-menthydratation, die jedoch auf-grund der noch ausreichend hohenCa2+-Konzentration der Porenlösungbevorzugt in der Nähe der Klinker-körner ausfallen.Durch den steigenden pH-Wert wirddie Steinkohlenflugasche leicht an-gelöst, die frühe Alkali-induziertepuzzolanische Reaktion beginnt.Durch die noch hohe Ca2+-Konzen-tration fallen die gebildeten CSH-Phasen aus der Alkali-induziertenpuzzolanische Reaktion direkt an derFlugaschekugeloberfläche aus. Esbildet sich der Duplex-Films mit ei-nem hohen Anteil an CSH-Phasenaus der frühen Alkali-induziertenpuzzolanischen Reaktion der Stein-kohlenflugasche.Nach etwa 10 bis 12 Stunden be-ginnt gleichzeitig die sekundäre Hy-dratation der C3A-Phase, wodurchauf den Oberflächen der Klinker-körner und in wesentlich feinererForm auch auf den Oberflächen derFlugaschekugeln AFt-Kristalle (Et-tringit) entstehen. Die auf der Flug-ascheoberfläche sitzenden AFt-Pha-sen bzw. die von benachbarten Klin-kerkörnern auf die Flugascheober-fläche stoßenden AFt-Nadeln wer-den von dem Duplex-Film einge-schlossen bzw. in den Duplex-Filmeingebaut.Phase 3: 18 bis etwa 24 Stunden:Beginn der späten Alkali-induzier-ten puzzolanischen Reaktion derSteinkohlenflugasche. Feinstvertei-lung des Ca(OH)2 durch die Wirkungder Flugasche als Kristallisationskeim.Der pH-Wert der Porenlösung steigtin dieser Zeit auf etwa 13,4. Ca(OH)2und CSH aus der Zementhydratationkristallisieren an allen zur Verfügung

stehenden Kristallisationskeimenmassiv aus.Durch die fortschreitende Reaktionder C3A-Phase des Zements und diegeringen Calcium- und Sulfationen-Konzentrationen in der Porenlösungwerden die AFt-Phasen zunehmendinstabil und langsam in AFm-Phasenumgewandelt, wodurch ein Teil derAFt-Phasen unter Zurücklassung vonLöchern und Fehlstellen in demkompakten Duplex-Film verschwin-det. Durch die entstehenden Löcherbzw. Fehlstellen im kompakten Re-aktionssaum kann Porenlösung andie Flugasche und können Bestand-teile der Flugasche in die Porenlö-sung gelangen und die späte Alkali-induzierte puzzolanische Reaktionbeginnt.Das gelöste SiO2 aus der Flugaschesorgt für eine hohe SiO2-Konzentra-tion in der Nähe der Flugasche-oberfläche. Aus diesem Grund ent-stehen direkt auf dem Duplex-Filmum die Flugaschekugeln in dieserPhase hauptsächlich CSH-Phasenund keine massiven Ca(OH)2-Schich-ten wie auf der Oberfläche der iner-ten Zuschlagkörner (Kontaktzone).Die epitaktisch (gerichtet) auf demDuplex-Film aufwachsenden CSH-Säume (gemischt mit Ca(OH)2-Kris-tallen) bilden sich aus CSH-Phasender Zementhydratation und der Al-kali-induzierten puzzolanischen Re-aktion. Die CSH-Säume (Übergangs-zone) bilden einen Kristallisations-keim für das ausfallende Ca(OH)2, sodass sich kleinere und homogener inder Matrix verteilte Ca(OH)2-Kristallemit einer insgesamt wesentlich er-höhten Oberfläche gegenüber rei-nem Portlandzement bilden. Da dasCa(OH)2 nicht mehr hauptsächlichgroße Kristalle in dem Raum bildet,der von der Porenlösung eingenom-men wird, steigt das Gesamtporen-volumen.Phase 4: > 24 Stunden: Späte Alkali-induzierte puzzolanische Reaktion derSteinkohlenflugasche. Langsame Ab-nahme des Ca(OH)2-Gehalts durch die

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späte Alkali-induzierte puzzola-nische Reaktion und die großen Ober-flächen der Ca(OH)2-Kristalle.Der pH-Wert der Porenlösung steigtauf etwa 13,6. Die Porenlösung be-steht von diesem Zeitpunkt an fastausschließlich aus Alkalilauge. DieCSH-Säume um die Flugaschekugelnwachsen durch die fortschreitendeAlkali-induzierte puzzolanische Re-aktion der Flugasche und die Hydra-tation des Zements, so dass die CSH-Säume um benachbarte Flugasche-kugeln oder Klinker zusammen-wachsen. Dadurch werden Poren-räume eingeschlossen. Eine Verrin-gerung der mit Hilfe der Quecksil-berdruckporosimetrie gemessenenmittleren Porengröße ist die Folge(Flaschenhalseffekt).Aufgrund des niedrigen Ca2+-Gehaltsder Porenlösung können sich CSH-Phasen aus der Alkali-induziertenpuzzolanischen Reaktion in tieferenBereichen der Matrix ausbilden.CSH-Phasen fallen aus der Poren-lösung an vorhandenen CSH-Phasenaus oder bilden sich durch Umset-zung der Ca(OH)2-Kristalle auf derenOberfläche. Die wesentlich vergrö-ßerte Oberfläche der Ca(OH)2-Kris-talle und damit der frühe kristall-keimbildende Effekt der Steinkoh-lenflugasche hat damit großen An-teil an der zu beobachtenden spätenAbnahme des Ca(OH)2-Gehalts.

8 Folgerungen für die Theorieund die Praxis8.1 Folgerungen für die TheorieDie Chemie zementgebundener Bin-demittel ist zum Großteil Silikatche-mie. Durch die dargestellte Untersu-chungsmethode (29Si-Anreicherungbzw. –Dotierung und nachfolgendeSIMS-Untersuchung) ist es möglich,CSH-Phasen und andere Silikatpha-sen unterschiedlicher Herkunft von-einander zu unterscheiden und so-mit Reaktionsmechanismen entspre-chend den in der Biologie üblichenTracerversuchen in ihren einzelnen

Stufen aufzuklären. Damit eröffnensich neue Perspektiven bei der Un-tersuchung zementgebundener Bin-demittel.8.2 Folgerungen für die PraxisAuf der Grundlage der Erkenntnisseüber den Wirkungsmechanismus vonSteinkohlenflugasche1) war es mög-lich, die Reaktivität von Steinkoh-lenflugasche in Hinsicht auf einemaximale Säurebeständigkeit desBetons zu optimieren.1. Der Duplex-Film bildet eineSchwachstelle im Haftverbund zwi-schen Steinkohlenflugasche und Ma-trix, so dass Schadstoffe die Flug-aschekugeln umlaufen können.Durch die Kenntnis des Reaktions-mechanismusses und der Parameter,die ihn beeinflussen, konnte die Aus-bildung dieses Duplex-Films gezieltverhindert und damit ein festerHaftverbund zwischen Flugascheund Zementsteinmatrix erreichtwerden.Damit war es gleichzeitig möglich,die dichteste Packung der gegen-über CSH-Phasen wesentlichsäurebeständigeren Bestandteile desBetons bis in den Feinstbereich fort-zusetzen. Den säurebeständigerenBestandteil > 0,63 mm bildet derZuschlag, den gegenüber den CSH-Phasen säurebeständigeren Bestand-teil < 0,63 mm bildet die Steinkoh-lenflugasche.2. Das Ca(OH)2 kristallisiert bevor-zugt in einer dreidimensional ver-netzten Struktur, die den gesamtenBeton durchzieht (siehe Bild 1). Wirddas Calciumhydroxid durch Säuregelöst, so dringt der Angriff entlangdieser Bahnen in die Tiefe der Binde-mittelmatrix vor. Diese Art der Schä-digung ist besonders gefährlich, weilsie eine lange Inkubationszeit besitztund meist erst kurz vor der Total-zerstörung sichtbar wird. Es findet

eine Tiefenschädigung der Matrixstatt, die zu einem „schlagartigen“Versagen des Betons führt. Die Be-ständigkeit von Beton oder Mörtelkann entscheidend erhöht werden,wenn das dreidimensional vernetzteCalciumhydroxidgefüge unterbro-chen und das Ca(OH)2 auf eine sinn-volle Menge beschränkt wird. DieSteuerung des Reaktionsmechanis-musses bildet dabei die Vorausset-zung, um diese Vorgänge gezielt zubeeinflussen und z.B. ein uner-wünschtes Fortschreiten der Um-wandlung von Ca(OH)2 in CSH-Pha-sen auszuschließen.Mit Hilfe einer neuartigen Mi-schungsberechnung, die die Bestän-digkeit des Betons und nicht wieüblich die Konsistenz und die Festig-keit des Betons als Zielgrößen hat[14], der Kenntnis des jeweiligenSchädigungsmechanismusses, derStruktur der Matrix und der Reak-tionsmechanismen der Zusatzstoffeist es möglich, die Eigenschaften vonHochleistungsbeton gezielt den je-weiligen Anforderungen des Bau-projekts anzupassen.Unter Nutzung dieser Erkenntnissewurde 1999 in Niederaußem dermit 200 m derzeit höchste Kühlturmder Welt mit einem hinsichtlich sei-ner Säurebeständigkeit optimiertenHochleistungsbeton ohne zusätzli-che Innenbeschichtung gebaut.

9 AusblickHochleistungsbetone mit sehr hohenFestigkeiten bzw. hohem Widerstandgegen chemischen und physikali-schen Angriff werden zumeist nurmit Mikrosilika als Zusatzstoff her-gestellt, da die Verwendung vonMikrosilika von den genannten Zu-satzstoffen den vermeintlich deut-lichsten Effekt auf die Festigkeit,Dichtheit und damit Dauerhaftigkeitdes Betons besitzt.Die in vorgenanntem Forschungs-vorhaben durchgeführten Untersu-chungen zur Langzeitbeständigkeitvon Betonen mit Mikrosilika und

1) Die Ergebnisse entstammen einem durch dieRWE-Energie AG finanzierten Forschungsvor-haben „Entwicklung eines dauerhaften Betonsfür Kühltürme“ an der TU Berlin.

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von Betonen mit Mikrosilika undFlugasche bzw. Hüttensand zeigtenjedoch, dass besonders die Lang-zeitbeständigkeit gegen physikali-schen und chemischen Angriff derBetone mit Mikrosilika und Flug-asche bzw. Hüttensand deutlich grö-ßer war als die Langzeitbeständig-keit der Mischungen nur mit Mikro-silika.Schwindmessungen sowie mikrosko-pische Untersuchungen der Binde-mittelmatrix der Mischungen legennahe, dass die geringere Langzeit-beständigkeit der Betone nur mit

Mikrosilika eine Folge des erhöhtenchemischen Schwindens der Matrixdurch Mikrosilika ist. Die mikrosko-pische Untersuchung der Mischun-gen mit 10 M.-% Mikrosilika nach70 Tagen zeigte, dass die Matrixin hohem Maße mit Mikrorissendurchsetzt und die meisten Klinker-körner mit Schwindsäumen umge-ben waren. Als Folge dieser Mikro-risse und Schwindsäume zeigtenz.B. Betone mit 10 M.-% Mikrosilikatrotz anfänglich sehr guter Wertenach rd. 250 Frost-Tausalzwechselnschlagartig starke Zerfallserschei-nungen, während die Betone mit

20 M.-% Flugasche und 10 M.-%Mikrosilika nach nunmehr über600 Frost-Tausalzwechseln Masse-verluste von lediglich rd. 4 kg/m2

aufweisen.Untersuchungen deuten darauf hin,dass der positive Effekt von Flug-asche und Hüttensand auf die Lang-zeitbeständigkeit von Mikrosilikabe-tonen eine Folge des Aluminium-und Eisengehalts der Flugasche bzw.des Hüttensands ist. Weitere For-schung in diesem Bereich ist zur ge-nauen Klärung der Ursache aller-dings noch erforderlich.

10 Literatur[1] Fraay, A. L. A.: Fly ash a pozzolan in concrete.Dissertation Technische Universität Delft (NL),1990.[2] Sybertz, F.: Beurteilung der Wirksamkeit vonSteinkohlenflugaschen als Betonzusatzstoff.Deutscher Ausschuß für Stahlbeton, 1993,Heft 434.[3] Härtl, R.: Veränderung des Betongefügesdurch die Wirkung von Steinkohlenflugascheund ihr Einfluß auf die Betoneigenschaften.Deutscher Ausschuß für Stahlbeton, 1995Heft 448.[4] Hüttl, R. Der Reaktionsmechanismus vonSteinkohlenflugasche als Betonzusatzstoff.Dissertation Technische Universität Berlin,2000.

Berichtigungzu Heft 4.2000, Seite 57, Tafel 5

lösend durchAuslaugung

lösend durchSäureangriff

lösend durchAustausch-reaktion

treibend

weiches Wasser

anorganischeund organischeSäurenKalk lösendeKohlensäure(CO2)Magnesium(Mg2+)Ammonium-Stickstoff

Sulfat (SO42-)

nicht gegeben

pH-Wert:6,5 bis 10

< 10 mg/l1)

< 100 mg/l

< 100 mg/l

< 250 mg/l

entfällt

pH-Wert:≥ 6,5

≤ 15 mg/l

≤ 1.000 mg/l

≤ 300 mg/l

≤ 600 mg/l

≤ 3.000 mg/l

w/z ≤ 0,502)

und Wasser-eindringtiefe(DIN 1048)e ≤ 30 cm

w/z ≤ 0,50e ≤ 30 mmohneHS-Zementw/z ≤ 0,50e ≤ 30 mmHS-Zement

ausreichender Betonwiderstandgegeben

Angriffsart Angriffe, z.B.durch

bei einerdauernden

BeanspruchungGrenzwerte im

Abwasser

Beanspruchungs-kennwerte von

üblichemkommunalem

Abwasserbei

EinhaltungfolgenderAnforde-rungen anden Beton

[5] Blaschke, R.: Zur Einbindung der Flugasche inden Bindemittelstein. VGB-Sondertagung Essen,1984, VGB-Bericht TB 203, S. 80-88, 1985.[6] Wiens, U.; Müller, Chr.: Die puzzolanischeReaktion von Steinkohlenflugasche. Beton-Informationen 40 (2000) H. 2/3, S. 27- 35.[7] Wihler, H.-D.: Puzzolanität von Steinkohlen-flugasche. Beton-Informationen, 40 (2000) H. 2/3,S. 36 - 43.[8] Süddeutsche Zeitung: Die Chemie stimmt.22. / 23. / 24. Mai, 1999.[9] Rudert, V.: Wie puzzolanisch ist Steinkohlen-Flugasche? In: Böttger, K. G. (Hrsg.): Bauchemieheute: Fakten, Modelle, Anwendungen. Festschriftzum 60. Geburtstag von Prof. Dr. D. Knöfel.Darmstadt: Dissertationsdruck Darmstadt, 1996,S. 117-120.

[10] Diamond, S.: The microstructures of cementpaste in concrete. In: Proc. 8th Int. Symp. on theChemistry of Cement, Stockholm, 1 (1986), S. 122-147.[11] Rudert, V.; Strunge, J.; Wihler, H.-D.: Betonaus anderer Sicht - filigranes Mikrogefüge. Beton-werk + Fertigteil-Technik 60 (1994) H. 9, S. 86-93.[12] Grasserbauer, M.; Dudek, H. J.; Ebel, M. F.:Angewandte Oberflächenanalyse mit SIMS, AES,XPS. Springer-Verlag, 1985.[13] Goto, S.; Akazawa, K.; Daimon, M.: Solubilityof silica-alumina gels in different pH solutions -discussion on the hydration of slags and fly ashesin cement. Cement and Concrete Research 22(1992) H. 6, S. 1216-1223.[14] Hillemeier, B.; Hüttl, R.: Hochleistungsbeton –Beispiel Säureresistenz. Betonwerk + Fertigteil-Technik 66 (2000) H. 1, S. 52-60.

Tafel 5: Grenzwerte für eine dauernde Beanspruchung von Beton im Kanalnetzdurch kommunales Abwasser