das nichtnöthigsein der schwerkraft für die entwickelung des froscheies

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Das NichtnOthigsein der Schwerkraft for die Ent- wickelung des Froscheies. Von W. Roux. Zn der frt0terenl) und der vorstehenden~) Mittheilung des Herrn Prof" KATHABINmL wie besonders zu tier yon ihm in letzterer berich- tigten Publikation des Sehtilers yon Prof. KEIJSEL,Herrn Dr. M. Mosz- l<ows~<i3), mbehte ieh noeh ein Paar Bemerkungen maehen. Einmal beruhen Einwendung'en des letzteren Herrn gegen die Suftieienz meiner im 5I~trz 1884 angestellten reinen Klinostaten- versuche im Ansehluss an O. SClICTLTZE auf der willktirliehen Annalim% ieh h~tte die Gallerthtillen meiner Eier mSg'liehst stark quellen lassen, also so stark, dass die Eier bei Umdrehungen des Apparates yon 1---2 Minuten Dauer die Drehungcn ihrer Htillen nieht mit- maehten und dadureh den Zweek meines Versuehs vereitelten. Das war, wie aus der weiteren Ang'abe tiber die Stellung der Eiaehsen beim Anhalten des Apparates hervorging, nattirlieh nicht g'esehehen. Wir kSnnen bekanntlieh die Eier aueh weniger quelten lassen, so wenig" sogar, dass sie in drei Tagen naeh einer Umkehrung noeh nicht wieder sieh zuriiekdrehen kSnnen. Die Eier wurden gem:J3 meinem ausgesproehenen Zweek~ mbg'liehst verschiedene F~lle in meinem Versueh zugleieh zu umfassen, vorbereitet. Sie wurden yon den sogen. Probeeiern anderer Versuehe entnommen; und diese Eier I) fCber die bedingte Unabh~ngigkeit der Entwiekelung des polar differen- zirten Eies yon der Schwerkraft. Arch. s Entwickelungsmeeh. XII. pag. 597--609. e) Weitere Versuche tiber die Selbstdifferenzirungdes Froscheies. Loc. eit. XIV. pag. 290--299. 3~ Uber den Einfluss der Schwerkraft auf die Entstehung and Erhaltuug der bilateralen Symmetrie des Froseheies. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 60. pag. 17 --65. 1902.

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Page 1: Das Nichtnöthigsein der Schwerkraft für die Entwickelung des Froscheies

Das NichtnOthigsein der Schwerkraft for die Ent- wickelung des Froscheies.

Von

W. Roux.

Zn der frt0terenl) und der vorstehenden~) Mittheilung des Herrn Prof" KATHABINmL wie besonders zu tier yon ihm in letzterer berich- tigten Publikation des Sehtilers yon Prof. KEIJSEL, Herrn Dr. M. Mosz- l<ows~<i3), mbehte ieh noeh ein Paar Bemerkungen maehen.

Einmal beruhen Einwendung'en des letzteren Herrn gegen die Suftieienz meiner im 5I~trz 1884 angestellten r e inen Klinostaten- versuche im Ansehluss an O. SClICTLTZE auf der willktirliehen Annalim% ieh h~tte die Gallerthtillen meiner Eier mSg ' l iehs t s t a rk quellen lassen, also so stark, dass die Eier bei Umdrehungen des Apparates yon 1---2 Minuten Dauer die Drehungcn ihrer Htillen nieht mit- maehten und dadureh den Zweek meines Versuehs vereitelten. Das war, wie aus der weiteren Ang'abe tiber die Stellung der Eiaehsen beim Anhalten des Apparates hervorging, nattirlieh nicht g'esehehen. Wir kSnnen bekanntlieh die Eier aueh weniger quelten lassen, so wenig" sogar, dass sie in drei Tagen naeh einer Umkehrung noeh nicht wieder sieh zuriiekdrehen kSnnen. Die Eier wurden gem:J3 meinem ausgesproehenen Zweek~ mbg'liehst verschiedene F~lle in meinem Versueh zugleieh zu umfassen, vorbereitet. Sie wurden yon den sogen. Probeeiern anderer Versuehe entnommen; und diese Eier

I) fCber die bedingte Unabh~ngigkeit der Entwiekelung des polar differen- zirten Eies yon der Schwerkraft. Arch. s Entwickelungsmeeh. XII. pag. 597--609.

e) Weitere Versuche tiber die Selbstdifferenzirung des Froscheies. Loc. eit. XIV. pag. 290--299.

3~ Uber den Einfluss der Schwerkraft auf die Entstehung and Erhaltuug der bilateralen Symmetrie des Froseheies. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 60. pag. 17 --65. 1902.

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Das ~qichtnSthigsein der Schwerkraft ftir die Entwickehlng des Froscheies. 301

waren, wie gew~ihnlieh die Probeeier, aus dem Uterus mit dem Spatel in Klumpen ausgehoben und in r e i c h l i c h e SamenflUssigkeit g'ethan; sic lagen daher in mehrere , n S c h i e h t e n in der Fltissigkeit tiber eiuander, und in Folge dessert quollen die Gallerthtillen der oberfiaeh- liehsten Schicht in der ersten halben Stunde am st~trksten. Ieh arbeitete somit mit Eiern yon sehr versehiedener Quellung nnd entspreehend versehiedener Drehbarkeit in den ttUllen. Diese Versuehsanordnung war der Grund, dass ieh naeh dem Anhalten des Rades und rasehen (~)fthen des Deekels der K~tstchen gewShnlieh eines oder einige der Eier mit dem b r a u n e n 1)ol naeh oben g'erichtet land, w~thrend die Mehrzahl mit dem braunen Pol seitw~trts oder abw~trts geriehtet start- den. Die K~tstehen wurden ferner bei dieser Besiehtigung nieht ~)ab- g'enommen oder gesehUttelt,,, wie MOSZKOWSK~ wiederum willktirlich annimmt, um diese versehiedenen Riehtung'en der Eiaehsen auf andere Weise abzuleiten, l)brigens m(~ge er einmal eine Sehale mit fest- klebenden Eiern sehtitteln, bis ihre Eiaebsen so.dutch einander stehen; da wtirde er mindestens g'anz absid~tlieh lange und stark sehUtteln mtissen, wenn es Uberhaupt gelingt.

MoszxowsxI giebt fernerhin irrthUmlieh an, dass KATHARINER im Ge~,ensatz zu mir racine Rotationsversuehe als unzureiehend dar- gethan habe. Dem g'eg'eniiber weise ich darauf hin, dass ieh die yon K~:rHARISEI~ gcgen die r e i n e n K l i n o s t a t e n v e r s u c h e erhobenen Einwendungen mir im Wesentliehen bereits damals selber gemaeht babe (s. Ges. Abh. II. pag. 272, Originalarbeit pag. 14) und dass ieh eben desshalb zur Erganznng zugleieh noeh den Versueh mit den U b e r s c h l a g ' s e i e r n hinzug'eftigt babe. KATHARISE~ erwi~hnt in seinen beiden Arbeiten zutreffender Weise, dass dieser Versueh, bei dem sieh die in einer nieht init Wasser roll gef~tillten Glasr(ihre be- wegliehen Eier beim Ubersehlage stoBen, drangen und aueh seit li eh d r e h e n , den seinigen an Beweiskraft ftir die Unabh~tngigkeit der Entwickelung yon ~tuBeren g'estaltenden Einwirkungen: der Sehwer- kraft und Centrifugalkraft entspreehen. Er war aber, wohl weil er weder die 0riginalarbeit noch maine Ges. Abh. besitzt, sondern sich auf die Beriehte anderer Autoren verlassen hat, in dam Irrthum, dass ieh aueh sehon die reinen Klinostatenversuehe zu diesem Sehlusse ftir zureiehend gehalten h~ttte; dann hittte ieh die Ubersehlagseier nieht hinzugefUgt.

Maine b e i d e r l e i V e r s u e h e z u s a m m e n g e n o m m e n waren also vo l l kommen suf f i c i en t ftir die E n t w i c k e l u n g s p e r i o d e n , in denen sic anges t e l l t wurden .

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Die Eier zu diesen Rotationsversuehen wurden yon mir und ebenso yon KA'rI~ArtI~ER, weleher die atypischen Bewegungen yon Eiballen du.reh einen starken, in das Wasser getriebenen Luftstrom hervorbringen lie[t, erst etwa eine ha lbe S tunde naeh' der Besa- mung~ naehdem sie sieh in ihren HUllen g'edreht und dadureh ihre EntwiekelungsfShigkeit bekundet hatten~ in Bewegung versetzt.

MOSZKOWSK[ erhebt n u n den Einwand~ dass vo rhe r schon die Schwerkraft auf das~ wie ieh selber angegeben habe: his damn inner- halb seiner Htille in Zwangslage befindliehe Ei umordnend wirke, in ~thnlieher Weise, wie es Bol~N bei Zwangslage (aber erst erheblieh spSter) naehgewiesen hat. (M. berichtet hierbei irrthtimlieh~ dass ieh die Rotationsversuche erst angestellt h~tte, naehdem dureh BoRe's Versuehe PFL~GER'S ttypothese der Boden entzogen war, und zwar sei dies yon mir g'esehehen, ~um aueh meinerseits die Unriehtigkeit der Auffassung' P~L~C~ER'S zu beweisen<<. Aus unseren beiderseitigen Publikationen ist zu ersehen, dass dig entspreehenden Versuehe gleiehzeitig angestellt wurden.)

MOSZKOWSKI und KATItARINEI~ ist es nieht bekannt, dass ieh bereits im Frtihjahr 1885 Versuehe gemaeht und wiederholt betont habe, welehe bewei sen , dass aueh in d iese r e r s t en l~eriode naeh der B e s a m u n g bis zum D r e h b a r w e r d e n der E ie r die S e h w e r k r a f t zur Erzeugung" e iner s y m m e t r i s c h e n Anordnung' n ieh t nSth ig ist. Ieh setzte n~mlieh die Eier 2--+L Minuten naeh der Befeuchtung mit Samen~ also nach der B e s a m u n g , und somit 15--30 Minuten vor der beginnenden Be f rueh tun~ , in dieke LSsung yon Gummi arabieum, worin sie in toto sehwammen und sieh daher sofort der Wirkung" der Sehwerkraft entspreehend einstellten; das gesehah bei den versehiedenen Eiern mit sehr versehiedenen N e i - g'ungswinkeln ihrer Eiaehse zur Horizontalen.

Damit war tier ordnenden Wirkung der Sehwerkraft auf das Ei im Ganzen sofort naehgegeben. Diese Stellung wurde bei nicht be- samten Eiern mehrere oder viele Stunden lang beibehalten; b e s a m t e Eier dagegen blieben nu r 15 - -30 Minuten in d i e s e r Ste l lung. Dann erfolgte A n d e r u n g der Neig 'ung der E i a e h s e , fast immer verbunden mit s t a r k e r U m d r e h u n g (bis zu 100 ~ um dig Ei- achse. DiG Neigungs~nderung' der Eiaehse h~tte, wo sie gering" blieb, noeh yon einer o r d n e n d e n W i r k u n g de r S e h w e r k r a f t au f d ie u n g l e i e h spec i f i s eh s e h w e r e n ,,Theile~< des E ies dutch Auf- steigen der speeifiseh leichteren, Absinken speeifiseh schwererer Theile abgeleitet werden kSnnen. Solehe Wirkungen habe ieh bereits vom Jahre

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Das Nichtn~ithig'sein der Schwerkraft fiir die Entwickelung des Froscheies. 303

1883, vielleieht als Erster vertreten und mehrfaeh verwendet (s. Ges. Abh. II. pug. 113, 1207 260, 262, 3377 3387 343 u. A.), was MoszI(.OWSKI wieder nicht bekannt ist7 sondern rnir yon ihm direkt abgesprochen, aber zur Belehrung rnitgetheilt Wird.

Bei der Zahigkeit der Eisubstanzen hatteu vielleieht auch, wenn auf- und absteiffende Massen sich bege~neten, dureh se i t l i ehes Ver- dran~en k l e ine S e i t w a r t s b e w e g ' u n g e n solcher Massen und damit g 'eringe D r e h u n ~ e n des Eies urn die E iaehse bewirkt werden kiinnen 7 niernals abet Drehun~en "con 90~ da dabei das seitliehe Auswelcheu in grai~ter Ausdehnung" und rnindestens in wagereehter Richtung erfolgen rntisste, richtiger sogar rnit abwar t s g ' e r i eh te te r Bewegung" speeifiseh leiehterer Massen verbunden sein muss. Diese neue innere Anordnun~ erfolgte also nicht du reh die Sehwerkraft, sondern mindestens ohne sie, theilweise sogar ihr eutg 'egen; und die Sehwerkraft drehte das E i d e r neueu inneren Anordnung ent- sprechend so, dass die G e w i e h t s s y m m e t r i e e b e n e der entstandenen Anordnung senkreeht und mit den leiehteren Substanzen naeh oben stand. Diese neue Einstellung" erfolgt abet zu tier Zeit, in der der Samenkarper die Gallerthtille durchsetzt hat and die Befruchtung" beginnt; sie ist also die e r s te Wirkung" der B e f r u e h t n n g (s. Ges. Abh. II. pug. 289--298) und bleibt danaeh daaernd erhalten.

Diese Auffassung yon der Wirkung der Befruchtung bestatigend, haben irn g'leiehen FrUhjahre yon mir angestellte Versuehe rnit kUnst- licher lokalisirter Befruehtung nicht in toto sehwirnrnender Eier in 50--60 Fallen er~eben (Ges: Abh. II. pug. 295), dass die neue, am diese Zeit erfolgende Einstellung der Eier bei rnagliehst fehlendem aul~eren ordnenden Zwang dureh die Kopulationsriehtung des El- nnd S1)ermakerns bedingt wird. DarUber sind 3{OSZKOWSKI-KEmEL wieder nieht gentigend unterriehtet7 sowohl tiber die Zahlen, die ~fOSZKOWSKI, ohne sie anzugeben7 als >,dtirftlg<< bezeiehl~et, wie tiber den t y p i s e h e n Verlauf des Sarnenk5rpers im El, yon dem ~'[. fNsehlieh heriehtet, die zweite, g'egen die erste gewahnlieh abgekniekte Streeke: die Kopulationsbahn, trete seitw:~rts aus der dureh die erste Streeke markirten senkreehten Meridianebene heraus, wahrend dieses letztere g'erade ein seltener Ausnahmefall ist, und es im Gegentheil das we- seutliehe Ergebnis rneiner Versuehe darstellt, dass fast imrner beide Streeken in die Riehtung'en dieser ersteren ?/Iedianebene fallen.

Ieh halte diese beiden Versuehe zusamrnen ft~r zureiehend, sowohl nm das N i e h t n a t h i g s e i n der S e h w e r k r a f t in d iese r e r s t en Phase der Entwiekelung '7 wie zugleieh urn die B e s t i m m u n g der

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304 W. Roux, Das NichtnSthigsein der Sehwerkraft fiir die Eatwickelung etc.

b i l~ te ra len S y m m o t r i e e b e n e (bTB. bei Fernhaltung ~uBerer um- ordnender Einwirkungen) du tch die B e f r u c h t u n g s r i c h t u n g zu e rwcisen .

Immerbin m~lssen im Ganzcn drei verschicden~rtig% und zum einen TheiI zugleich anderem Zwecke dienende, nicht ganz leieht verst:~ndtiche sowie auch nicht leicht mit Erfolg anzustellende Ver- suche zusammengenommen Werden, um den Schluss tiber das :Nicht- nSthigsein der Schwerkraft sicher abzuleiten, was fur manche Autoren ihre Beweiskraft absehwachen kann. Daher ist es zu begraBen, dass dutch den einen neuen Versuch ]~ATHARINER'S~ iD_ welehem er die Eier ba ld igs t nach der Besamung und dann tagelang fortgesetzt dutch aufsteigende Luftblasen bewirkten atypischen Wirbelbewegungen aussetzte, wobei die Eier sieh zu wohlgebildeten Embryonen und Quappen entwickelten, dasselbe Resultat bezUglich des :NichtnSthig- seins tier Schwerkraft noeh auf einfachere Weise gewonnen worden ist.

Danaeh wird nunmehr wohl, trotz der apodiktisch sicheren Ver- kUndigung des Gegentheils yon MOSZKOWSKI-KEIBEL, selbst fur die meisten bisher anders Denkenden die a n g e b l i c h e ~o thwen 'd ig - ke i t tier S c h w e r e w i r k u n f f fur die Ausb i l dung der b i l a t e r a l en S y m m e t r i e und fur die E n t w i e k e l u n g des F r o s c h e i e s Uber- h a u p t aus i h r e m l e t z t en S c h l u p f w i n k e l ver~r ieben sein.