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Ingrid Schröder „… den sprachlichen Beobachtungen geschichtliche Darstellung geben“ – die Germanistikprofessorin Agathe Lasch aus: Rainer Nicolaysen (Hg.) Das Hauptgebäude der Universität Hamburg als Gedächtnisort Mit sieben Porträts in der NS-Zeit vertriebener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler S. 81–111 Hamburg University Press Verlag der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky

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Page 1: Das Hauptgebäude der Universität Hamburg als Gedächtnisort€¦ · Das Hauptgebäude der Universität Hamburg als Gedächtnisort Mit sieben Porträts in der NS-Zeit vertriebener

Ingrid Schröder

„… den sprachlichen Beobachtungen geschichtliche Darstellung

geben“ – die Germanistikprofessorin Agathe Lasch

aus:

Rainer Nicolaysen (Hg.)

Das Hauptgebäude der Universität Hamburg

als Gedächtnisort

Mit sieben Porträts in der NS-Zeit vertriebener Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftler

S. 81–111

Hamburg University Press

Verlag der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg

Carl von Ossietzky

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I m p r e s s u m

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-

bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de

abrufbar.

Die Online-Version dieser Publikation ist auf den Verlagswebseiten frei verfügbar (open access).

Die Deutsche Nationalbibliothek hat die Netzpublikation archiviert. Diese ist dauerhaft auf

dem Archivserver der Deutschen Nationalbibliothek verfügbar.

Open access über die folgenden Webseiten:

Hamburg University Press –

http://hup.sub.uni-hamburg.de/purl/HamburgUP_Nicolaysen_Hauptgebaeude

Archivserver der Deutschen Nationalbibliothek – http://deposit.d-nb.de

ISBN 978-3-937816-84-5 (Printversion)

© 2011 Hamburg University Press, Verlag der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg

Carl von Ossietzky, Deutschland

Produktion: Elbe-Werkstätten GmbH, Hamburg, Deutschland

http://www.ew-gmbh.de

[Covergestaltung: Benjamin Guzinski, Hamburg

Abbildung auf dem Cover: UHH/Schell]

Abbildungsnachweis:

Abb. 1 Universität Hamburg

Abb. 2 Wachholtz-Verlag, Neumünster

Gedruckt mit Unterstützung der Universität Hamburg und der Hamburgischen Wissenschaft-

lichen Stiftung

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Inhalt

Dieter Lenzen

Vorwort ............................................................................................................................. 7

Rainer Nicolaysen

Einleitung ......................................................................................................................... 9

Eckart Krause

Der Forschung, der Lehre, der Bildung .....................................................................25

Facetten eines Jubiläums: Hundert Jahre Hauptgebäude der Universität

Hamburg

Birgit Recki

Eine Philosophie der Freiheit – Ernst Cassirer in Hamburg ............................... 57

Ingrid Schröder

„… den sprachlichen Beobachtungen geschichtliche Darstellung geben“ – die Germanistikprofessorin Agathe Lasch ........................................... 81

Rainer Donandt

Erwin Panofsky – Ikonologe und Anwalt der Vernunft .................................... 113

Karin Reich

Emil Artin – Mathematiker von Weltruf .............................................................. 141

Rainer Nicolaysen

Konsequent widerstanden – die Juristin Magdalene Schoch ........................ 171

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Inhalt

Rainer Nicolaysen

Verfechter der Verständigung – der Jurist und Friedensforscher AlbrechtMendelssohn Bartholdy ........................................................................................... 199

Heinz Rieter

Eduard Heimann – Sozialökonom und religiöser Sozialist ............................. 229

Autorinnen und Autoren 261

Abbildungsnachweis 263

Personenregister 265

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„… den sprachlichen Beobachtungen geschichtliche

Darstellung geben“ –

die Germanistikprofessorin Agathe Lasch

Ingr i d Schröd e r

Als Agathe Lasch zum 1. Januar 1917 am Deutschen Seminar in Hamburgals „Wissenschaftliche Hilfsarbeiterin“ eingestellt wurde, hatten ihre wis-senschaftlichen Schriften längst große Anerkennung in der akademischenÖffentlichkeit gefunden. Sie galt als Expertin für Sprachgeschichte, insbe-sondere des Niederdeutschen, und konnte reiche akademische Lehrerfah-rung nachweisen.

Die akademische Tätigkeit in Hamburg war vor allem auf zwei Wörter-buchunternehmungen ausgerichtet, auf das „Hamburgische Wörterbuch“,das im Jahr 2006 vollendet werden konnte, und das bis heute nicht abge-schlossene „Mittelniederdeutsche Wörterbuch“, das den niederdeutschenWortschatz vom 13. bis ins 17. Jahrhundert im gesamten Hanseraum doku-mentiert. Gemeinsam mit der „Mittelniederdeutschen Grammatik“, dieAgathe Lasch 1914 veröffentlichte, bilden diese Wörterbücher zentrale Re-ferenzwerke für eine historische Sprachwissenschaft des Niederdeutschen.

Conrad Borchling, damaliger Professor für deutsche Sprachforschungam Deutschen Seminar, hat es zu Recht als Glücksfall angesehen, dass ermit Agathe Lasch eine in der Sprachgeschichte und in der Stadtsprachen-forschung bestens ausgewiesene Wissenschaftlerin gewinnen konnte. Seitihrer Dissertation zur „Geschichte der Schriftsprache in Berlin“ (1910) be-schäftigte sie sich immer wieder mit der sprachlichen Vielfalt in Städten,insbesondere in Berlin und Hamburg. Diese Arbeiten zu den Stadtsprachensind frühe Zeugnisse einer soziolinguistischen Betrachtungsweise, wie siesich erst fünfzig Jahre später, seit den 1960er Jahren, vollends etablierensollte. Zur Sprachgeschichte Hamburgs sind vor allem die „Beiträge zurGeschichte des Neuniederdeutschen in Hamburg“ (1918) und „Die literari-

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sche Entwicklung des Niederdeutschen in Hamburg im 17. und 18. Jahr-hundert“ (1926) zu nennen. Im Jahr 1928 erschien schließlich die nach wievor sehr lesenswerte Monographie „Berlinisch. Eine berlinische Sprachge-schichte“. Das überzeugend Neue an diesen Arbeiten war die Kombinationsorgfältigster Quellenerschließung mit einer kultur- und sozialhistorischenPerspektive. Agathe Lasch wurde damit nicht nur zu einer Pionierin dermodernen Stadtsprachenforschung, sondern nahm die aktuelle linguistischeDiskussion über städtische Mehrsprachigkeit vorweg, indem sie Sprachge-schichte immer auch als sprachliche Kontaktgeschichte interpretierte.

„… als Frau nicht und als Jüdin schon gar nicht“ –

akademische Ausbi ldung im wilhelminischen Zeitalter

Agathe Lasch wurde am 4. Juli 1879 in Berlin geboren.1 Ihr schulischer undakademischer Ausbildungsweg ist von den Rahmenbedingungen des preu-ßischen Bildungswesens im ausgehenden 19. Jahrhundert gekennzeichnet,gegen dessen Beschränkungen und Beschränktheiten sich Agathe Laschnachdrücklich zur Wehr setzte. Nachdem sie die höhere Mädchenschuleabgeschlossen hatte, besuchte sie das Lehrerinnenseminar und wurde dort1898 examiniert. Zunächst plante sie, im Anschluss daran ein Oberlehrerin-nenseminar zu absolvieren, um für den Unterricht in höheren Klassen qua-lifiziert zu sein, entschloss sich dann aber, neben ihrer Lehrerinnentätigkeitdas Abitur nachzuholen. Sie erhoffte sich, ein Universitätsstudium in Berlinbeginnen zu können, und legte im Jahr 1906 ihre Abiturprüfung extern amKöniglichen Kaiserin Augusta-Gymnasium in Charlottenburg ab. Bereitsim selben Jahr begann sie, neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin an der Univer-sität Halle zu hospitieren. Der Wunsch, an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität zu studieren, scheiterte daran, dass an preußischen UniversitätenFrauen erst ab dem Wintersemester 1908/09 regulär zum Studium zugelas-sen wurden, davor nur nach Vorlage einer ministeriellen Genehmigungund einer Einverständniserklärung der jeweiligen Dozenten an den Veran-staltungen teilnehmen durften. Der Germanist Gustav Roethe, an den sichAgathe Lasch mit einer entsprechenden Bitte gewandt hatte, lehnte das Frau-enstudium vehement ab und ließ daher auch Agathe Lasch nicht zu seinenLehrveranstaltungen zu, sodass sie sich genötigt sah, Berlin zu verlassen.

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Die Germanistikprofessorin Agathe Lasch 83

Abb. 1: Agathe Lasch (1879–1942) in jungen Jahren

Zum Sommersemester 1907 nahm Agathe Lasch ihr Studium an der Uni-versität Heidelberg auf, wo die Immatrikulation von Frauen bereits seitdem Wintersemester 1899/1900 möglich war. Als akademische Lehrer sindinsbesondere der Germanist Wilhelm Braune (1850–1926), bei dem AgatheLasch 1909 promoviert wurde, weiterhin der Sprachwissenschaftler Her-mann Osthoff (1847–1909), der Indogermanist Christian Bartholomae(1855–1925) und der Nordist Bernhard Kahle (1861–1910) zu nennen, deren

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Lehrveranstaltungen Agathe Lasch besuchte. Im Jahr 1909 reichte sie ihreDissertation über die „Geschichte der Schriftsprache in Berlin bis zur Mittedes 16. Jahrhunderts“ ein und legte am 7. Juli desselben Jahres ihre mündli-che Doktorprüfung in den Fächern Deutsche Philologie, Altfranzösisch undAltnordisch ab. Das Staatsexamen folgte im März 1910 in Karlsruhe.

Trotz der äußerst positiven Aufnahme, die ihre Dissertation in der Fach-welt erfuhr, musste Agathe Lasch feststellen, dass an eine akademischeLaufbahn in Deutschland nicht zu denken war, „für mich als Frau nichtund als Jüdin schon gar nicht“, wie Claudine de l’Aigles in ihren Erinne-rungen Agathe Lasch zitiert.2

„… die Sprachgeschichte aufs engste mit der Kultur-

geschichte und der politischen Geschichte zu verknüpfen“ –

Forschungen zur Berl iner Stadtsprache

Ausgangspunkt für die Forschungstätigkeit Agathe Laschs war das jung-grammatische Paradigma, wie sie es während ihres Studiums in Heidel-berg kennengelernt hatte. Ziel dieser Forschungsrichtung war die Beschrei-bung des geschichtlichen Wandels der Sprache, insbesondere auf derLautebene. Man ging von der Existenz ausnahmsloser Lautgesetze aus, diees ermöglichten, die historischen Zusammenhänge „verwandter“ Sprachenzu erhellen. Ergebnis solcher Untersuchungen war eine Reihe historischvergleichender Studien mit einer Fülle von Fakten und exakten Rekon-struktionen, auf denen wiederum Grammatiken fußten, wie die von Wil-helm Braune verfassten Grammatiken zum Gotischen (1880) und zum Alt-hochdeutschen (1886).

Auf diesem Fundament historischer Sprachforschung aufbauend, erwei-terte Agathe Lasch die junggrammatische Perspektive in ihrer Dissertationum eine kulturwissenschaftliche Komponente, wie sie es selbst rückbli-ckend formulierte: „In dieser ersten Arbeit konnte ich auch sogleich dieNeigung zeigen, die meine Gesamtarbeit durchzieht und beherrscht, densprachlichen Beobachtungen geschichtliche Darstellung zu geben, dieSprachgeschichte aufs engste mit der Kulturgeschichte und der politischenGeschichte zu verknüpfen.“3 Auf diese Weise entstand mit der „Geschichteder Schriftsprache in Berlin bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts“ eine Unter-

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suchung des sprachlichen Varietätenaufkommens in den Berliner landes-herrschaftlichen und städtischen Kanzleien, das durch das komplizierteNeben- und Nacheinander von niederdeutschen und hochdeutschen Ur-kunden in Abhängigkeit von Aussteller, Adressat und Prozess des Sprach-wechsels Niederdeutsch-Hochdeutsch geprägt wurde.4 In einem zweitenTeil umriss Agathe Lasch die „Laut- und Formenlehre der mittelnieder-deutschen Schriftsprache in Berlin“ und legte damit einen ersten Grund-stein für die später folgende „Mittelniederdeutsche Grammatik“ (1914).

Wilhelm Braune attestierte in seinem Gutachten die hervorragende Qua-lität der Arbeit: „Das Ganze ist als eine besonders treffliche Leistung zu be-grüßen und ragt über die gewöhnlichen Dissertationen um ein merklicheshervor.“5 Dass die Dissertation große Beachtung und hohe fachliche Aner-kennung gefunden hat, belegt auch die Rezension von Edward Schröder, inder er resümiert:

„die Arbeit fusst hier auf umfassender Vorbereitung und zeigt Schrittfür Schritt umsichtige Erwägung aller Faktoren und sauberes Detail;das Problem selbst aber erweist sich als ein historisch kompliziertesund überraschend interessantes, der Leser wird durch den absolutsachlichen Vortrag der wohl geordneten Tatsachen unwillkürlich ge-fesselt“.6

Dies bestätigte auch Virgil Moser: „Das umfangreiche Buch […] zeugt nichtnur von ganz erstaunlichem Fleiss und bewundernswerter Ausdauer, son-dern auch von sehr gediegenen Kenntnissen der Verf.“ und gehöre „zumbesten, was in den letzten beiden Jahrzehnten zur Geschichte des Nhd. ge-schrieben worden“ sei.7

In ihrem Aufsatz „Die Berliner Volkssprache“ (1911), in dem sie auf popu-lärwissenschaftliche Weise die Merkmale des Berliner Dialekts sprachhisto-risch erläuterte,8 schloss Agathe Lasch einerseits an den Themenbereich ih-rer Dissertation an, erweiterte diesen aber um eine gegenwartssprachlicheKomponente und nahm so einzelne Aspekte ihrer Monographie „‚Berli-nisch‘. Eine berlinische Sprachgeschichte“ von 1928 vorweg, in der sie,ebenfalls an ein breites Lesepublikum gerichtet, die Sprachgeschichte Ber-lins von den Anfängen bis zum 20. Jahrhundert darstellte. Hier ist bereitsdie These formuliert, die in den 1960er Jahren William Labov zum Aus-gangspunkt seiner berühmten Studie „The Social Stratification of English in

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New York“ (1966) machte und die den Beginn der modernen Soziolinguis-tik respektive der Variationslinguistik markierte, dass eine Stadtsprache„nicht, wie man immer wieder lesen kann, ein regelloses Gemisch in ver-wahrloster Form“ sei.9 Gemeinsam ist den Ansätzen von Lasch und Labov,dass die Stadt als linguistischer Untersuchungsraum erschlossen wird undsprachliche Änderungen als Indikatoren sozialen Wandels angesehen wer-den. Ein Unterschied besteht jedoch darin, dass die scheinbaren Unregel-mäßigkeiten von Lasch nicht (wie später von Labov) synchron als sprachli-che Differenzen einzelner sozialer Schichten erklärt wurden, sonderndiachron als Ergebnis historischer Sprachkontakt- und -wandelprozesse, diegleichzeitig in einzelnen Bevölkerungsgruppen sozial verortet werden. Dieswar das zentrale Anliegen Agathe Laschs, das sie in der Einleitung deutlichin Abgrenzung von solchen sprachlichen Urteilen formulierte, die das Berli-nische als „ein buntes, lautgesetzlich nicht zu durchdringendes Gemisch“ an-sehen, als „eine Form, die geschichtlich nicht gefaßt werden könne“.10

Hierin liegt zugleich deutliche Kritik an einem allzu engen junggram-matischen Ansatz, der jeglichen sprachlichen Wandel einzig durch Lautge-setze erklärt, ohne historische und somit soziale Faktoren in Anschlag zubringen. Agathe Lasch setzt dem entgegen:

„Denn wer eine Sprachform in ihrem Werden erkennt, wird ihre Berechti-gung verstehen. Eine wissenschaftlich aufgebaute Betrachtung wird da-her zunächst darangehen müssen, gegenüber den eben gekennzeich-neten verworrenen Auffassungen, das Berlinische sprachhistorischherzuleiten, das Werden der Sprachform zu untersuchen. Und es wirdsich dann seine geschichtliche Bedingtheit zeigen, das Zusammen-wirken historischer, sozialer, psychischer Kräfte, die an seiner Aus-bildung teilhaben, zugleich auch, daß es lautgeschichtlich nichtetwa ein grobes Gemisch, sondern durchaus klar ist, ja, es ist so ge-setzmäßig geworden, daß die lautliche Beobachtung der älteren,reineren Form (die wir zugrunde legen müssen) uns gerade denSchlüssel zu der nicht so einfach wie in den meisten ländlichenDialekten, aber umso interessanter verlaufenen Geschichte an dieHand gibt.“11

In der solcherart aufgebauten Geschichte des Berlinischen konnte AgatheLasch den spezifischen Charakter der Stadtsprache durch das Zusammen-

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spiel von hochdeutschen (obersächsischen) und niederdeutschen (märki-schen) Elementen erklären und zusätzliche jiddische, slavische, niederlän-dische, französische und englische Anteile des Wortschatzes beschreiben.Für andere Merkmale wurden gruppenspezifische Sprachformen als Ein-flussfaktoren herausgestellt wie die Geheimsprache der Fahrenden (vor al-lem Rotwelsch) oder die Studenten- und Schülersprache, schließlich spezi-fische berlinische Wortschöpfungen und Wortbildungen.12 Im Versuch,insbesondere die lexikalischen Erscheinungen auf der Basis einer Kollektiv-psychologie der Berliner Stadtbevölkerung einem „Berliner Typ“ mit einemspezifischen Humor zuzuschreiben, klingt freilich auch ein zeitgenössi-sches stammesideologisches Theorem an, das Lokalstereotypen zu Wesens-zügen der Einwohner Berlins verallgemeinert.13

„Associate Professor of Teutonic Phi lolog y“ –

Beginn der wissenschaftlichen Laufbahn am Bryn Mawr College,

Pennsylvania

Die Chance, an einer Hochschule zu lehren, bot sich durch die Offerte derDirektorin des Frauencolleges Bryn Mawr (Pennsylvania), Martha CareyThomas, eine Stelle als Associate Teacher anzutreten. Agathe Lasch verließEuropa im September 1910. In Bryn Mawr war sie verantwortlich für dieLehre im Department für Allgemeine Germanische Philologie, ab 1913 inder Position eines „Associate Professor of Teutonic Philology“. Damit hattesie ein umfangreiches Lehrprogramm zu bewältigen, das Kurse zum Goti-schen, Altnordischen, Altsächsischen, Altfriesischen, Mittelhochdeutschen,Mittelniederdeutschen und Neuniederdeutschen sowie zur Entwicklungder neuhochdeutschen Schriftsprache umfasste. Trotz der hohen Lehrbelas-tung gelang es Agathe Lasch, 1914 in der von Wilhelm Braune begründetenReihe „Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte“ die „Mit-telniederdeutsche Grammatik“ zu veröffentlichen, für die sie das Archiv-material in den knapp bemessenen Sommermonaten in deutschen Biblio-theken zusammengetragen hatte.

Im Jahr 1916 entschloss sich Agathe Lasch, ihren Vertrag am Bryn MawrCollege nicht zu verlängern. Sie begründete ihren Schritt mit den kriegsbe-dingten Ressentiments der USA gegenüber Deutschland: „Die amerikani-

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sche Kriegseinstellung, die sich gerade im Osten des Landes geltend mach-te, veranlaßte mich, nach Deutschland zurückzukehren, auch wenn ich per-sönlich drüben nur Freundlichkeit empfing.“14 Bestätigt wird ihre patrioti-sche Einstellung durch das Zeugnis Claudine de l’Aigles, der Agathe Laschsagte: „Die zwei Abstrakta, die ich mit höchster Leidenschaft liebe, sind:Germanistik und Deutschland.“15

„Alle meine Arbeiten, von der ersten an, hatten dem Aufbau

der niederdeutschen Philologie gegolten“ –

Geschichte und Grammatik des Mittelniederdeutschen

Wenn Agathe Lasch 1927 rückblickend schrieb: „Alle meine Arbeiten, vonder ersten an, hatten dem Aufbau der niederdeutschen Philologie gegol-ten“,16 so dürfte dies insbesondere auf die grammatischen und später auchauf die lexikographischen Untersuchungen zutreffen. Welche Schwierigkei-ten allein die Materialerschließung ihrer mittelniederdeutschen Grammatikmit sich brachte, schilderte Lasch im Vorwort zur ersten Auflage:

„Wer heute eine mittelniederdeutsche grammatik zu schreiben unter-nimmt, sieht sich prinzipiell z.t. vor andere aufgaben gestellt, als dieabfassung etwa einer mittelhochdeutschen grammatik fordernwürde. Für das hochdeutsche stehen zahlreiche monographien zurverfügung, in denen einzelfragen ausreichend erörtert sind: eine mit-telhochdeutsche grammatik kann daher in vielen punkten zusam-menfassendes und abschließendes bringen; eine mittelniederdeut-sche grammatik hingegen muss vielfach erst einen anfang bieten.Gemessen an der menge der hochdeutschen, ist die zahl der vorar-beiten gering. Sonderuntersuchungen einzelner grammatischer er-scheinungen stehen nur in begrenztem umfange zur verfügung. Diefür die erkenntnis der mittelniederdeutschen schrift- und volksspra-che sehr wichtigen darstellungen einzelner kanzleien, namentlich derbedeutenderen wie Lübeck, Hamburg, Braunschweig, Magdeburg,Dortmund, Soest u. a., während der gesamten periode, ihrer bezie-hungen zu anderen kanzleien, ihrer entwicklung, ihres personals,sind recht selten, und erst in allerjüngster zeit scheint man ihnen et-

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was mehr aufmerksamkeit zuwenden zu wollen. Und nicht sehrgross ist die zahl der dialektbeschreibungen, die die mundart vommittelalter bis in die gegenwart mit berücksichtigung der zwischen-zeit beobachten.“17

Dass es Agathe Lasch damit gelungen war, ein Grundlagenwerk zur Erfor-schung des Mittelniederdeutschen zu verfassen, stellte der Göttinger Ger-manist Edward Schröder in einem Brief an seinen Schwager Gustav Roethefest: „Ich kann mich vor der Tatsache nicht verschließen, dass Frl. AgatheLasch eine Mittelniederdeutsche Grammatik geschrieben hat, die Borchlingz. B. nie hätte schreiben können.“18 Zugleich war dies ein kleiner Seitenhiebauf Roethe, der Agathe Lasch nicht in sein Seminar hatte aufnehmen wol-len, dann Conrad Borchlings Berufung nach Hamburg aber maßgeblich un-terstützt hatte.

Mit der Darstellung der mittelniederdeutschen Grammatik hatte AgatheLasch vielfach Neuland betreten. Zum einen war die Beschreibung auf einesystematische theoretische Grundlage zu stellen, zum anderen waren strit-tige und offene Fragen zu klären wie die verbreitete Ansicht vom feh-lenden Umlaut im Mittelniederdeutschen oder von der Entstehung der Vo-kallängen. Während die Frage der Existenz von Umlauten in der Grammatiksouverän und überzeugend beantwortet werden konnte, wurde das zweitegrammatische Spezialproblem, die Entwicklung der Langvokale im Mittel-niederdeutschen, flankierend zur Grammatik in zwei Aufsätzen behandelt:„‚Tonlange‘ Vocale im Mittelniederdeutschen“ (1914) und „Die mittel-niederdeutsche Zerdehnung“ (1915). An der These Laschs, dass ehemalskurze Vokale „zerdehnt“ und erst nach diphthongischer Zwischenstufe inweiten Teilen des mittelniederdeutschen Sprachgebiets wieder monoph-thongiert wurden, entzündete sich eine Kontroverse, die letztlich nicht ent-schieden werden konnte.19

Inhaltlich in enger Verbindung zur „Mittelniederdeutschen Gramma-tik“, erschien 1925 die Textsammlung „Aus mittelniederdeutschen Stadt-büchern“. Die hier publizierten mittelniederdeutschen Texte sind zugleichrelevante Wörterbuchquellen wie auch Grundlagen für eine diatopisch dif-ferenzierte historische Stadtsprachenforschung und verweisen somit aufdie fruchtbringende Verknüpfung der einzelnen Arbeitsgebiete. In derSammlung werden Textproben in mittelniederdeutscher Sprache aus zwölfstädtischen Kanzleien mitgeteilt und mit historischen, juristischen und vor

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allem sprachwissenschaftlichen Kommentaren versehen. Die Wahl vonKanzleitexten wird mit ausdrücklicher Berufung auf Jacob Grimm dadurchbegründet, dass dieses Material räumlich und zeitlich bestimmbar ist unddaher besonders geeignet zur Ermittlung regionaler Varianten erscheint.Zudem sollte durch die Gegenüberstellung älterer und jüngerer Texte einerKanzlei die zunehmende Normierung und Entregionalisierung des Mittel-niederdeutschen sichtbar gemacht werden, denn „in das Sein wird nur ein-dringen, wer das Werden kennt. Daher ist die Auswahl der Stücke auf dasWerden der Schriftsprache aus den mehr lokalen Formen der älteren Zeiteingestellt.“20

Auch in diesem Zusammenhang wies Agathe Lasch auf die Einbettungder Sprachgeschichte in eine allgemeine Geschichte hin:

„Weiter wünschte ich auch durch die […] Hinweise historischer undjuristischer Art, den studierenden Germanisten auf die unlösbareVerbindung der Sprachgeschichte mit der Geschichte zu weisen unddie Beschäftigung mit ihr anzuregen. Gerade in einer Zeit von derphilologischen Einstellung der unsern halte ich es für wichtig, immerwieder zu betonen, daß die Sprachgeschichte hervorwächst aus dergroßen Einheit aller historischen Betrachtung, daß sie ein Teil derallgemeinen Menschheitsgeschichte ist, in ihrem Zusammenhang zuverstehen, von den verschwisterten Ausdrucksformen der Geistesge-schichte nicht zu trennen.“21

Weiterhin hob Lasch hervor, wie wichtig es ihr war, die Handschriften di-plomatisch genau wiederzugeben, nicht nur um die Schreibung genaueranzugeben, als es vor allem in den zur Normalisierung neigenden zeitge-nössischen historischen Editionen in der Regel der Fall war, wodurch bei-spielsweise Hinweise auf umgelautete Formen überdeckt wurden, sondernauch um die Schreiberusancen der einzelnen Kanzleien verdeutlichen zukönnen und Aufschlüsse über die gesprochene Sprache zu ermöglichen.Damit sind die Grundsätze der variablenlinguistischen Analysen, wie sieseit Mitte der 1980er Jahre ausformuliert wurden, und ebenso die aktuellenDiskussionen um die adäquate Aufbereitung sprachhistorischer Korporavorweggenommen.

Besonderes Augenmerk galt der überregionalen mittelniederdeutschenSchriftsprache lübischer Prägung, die ihre Bedeutung aus den Bedarfen des

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hansischen Handels gewann. In ihrem Aufsatz „Vom Werden und Wesendes Mittelniederdeutschen“ (1925) verfolgte Agathe Lasch deren Entwick-lung und beschrieb ihre Bedeutung als den zentralen Gegenstand einer nie-derdeutschen Philologie, die ihr sprachliches Material aus den Schriftendes Rechts, der Verwaltung und des Handels schöpfte. Darin lag auch derGrund, weshalb die an der mittelhochdeutschen Dichtung entwickeltenAnalysemethoden nicht auf das Mittelniederdeutsche übertragbar warenund somit eine eigene Theoriebildung erforderlich wurde. Dies machte inder Konsequenz die Etablierung einer eigenständigen wissenschaftlichenDisziplin notwendig:

„So wird die Betrachtung des Mittelniederdeutschen als Sprache vonvornherein aus zeitlichen und inneren Gründen auf ganz andereBahnen geführt, als sie die hochdeutsche Philologie eingeschlagenhat, ihrer ganzen Geschichte nach einschlagen musste. Die Literatur,dort Grundlage, ist hier mehr Ergänzung des Materials. Die Sprachedes Rechts, der Verwaltung, der öffentlichen Betätigung tritt hervor.Die Fragen auf beiden Gebieten weisen also in verschiedene Rich-tung. Dass dies so lange verkannt ist, dass man bis in die Gegenwarthinein meint, das Niederdeutsche sei Anhängsel der hochdeutschenPhilologie, ohne eigene Probleme und eigene Ausdrucksformen, dasist das grosse Hemmnis, das die niederdeutsche Philologie noch zuüberwinden hat, ehe sie frei arbeiten kann.“22

Zugleich betonte Lasch die Notwendigkeit einer historischen Sprachbe-trachtung auf gesicherter Materialgrundlage, indem sie die Arbeitsweisedes Sprachhistorikers beschrieb:

„Im Gegensatz zum Mundartenforscher wird er, den überall das Wer-dende anzieht, in der Beobachtung der heutigen Form nur ein Gliedeiner historischen Reihe sehen, gewiss ein ausserordentlich wert-volles, als Kontrolle niemals zu ersetzendes Glied, aber er wird esauch für die historische Betrachtung nicht überschätzen dürfen, eskann für ihn nie die Warte sein, von der aus der ältere Sprachzustandetwa durch Konstruktion erraten werden kann. Davon müssen ihnschon die prinzipiellen Ergebnisse zurückhalten, die er gewinnt: eingleiches Endresultat zeigt sich ihm oft aus verschiedenen Ausgangs-

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punkten entwickelt, zu verschiedenen Zeiten, unter verschiedenenBedingungen auf verschiedene Weise entstanden.“23

In dieser Gegenüberstellung von Sprachhistoriker und Mundartenforscheräußerte sich nicht nur eine Kritik der pauschalisierten Anwendung derjunggrammatischen Theorien durch lautliche Rekonstruktionen, sondernauch an der Arbeitsweise der Marburger Schule und an den im Umkreisdes „Deutschen Sprachatlasses“ entstandenen Dissertationen. Gegenüberder ahistorischen Betrachtung forderte Lasch auch für die Beschreibungder rezenten Mundarten die Beiziehung von entsprechenden Texten des 17.und 18. Jahrhunderts, einer Zeit nur spärlicher Überlieferung von Dialekt-texten, um ein empirisches Fundament für die Analyse zu gewinnen. Die-ses Programm setzte sie selbst in ihren Untersuchungen zum Hamburgi-schen um.

„Mit souveräner Sachkenntnis und ausführlicher Gründlichkeit“ –

Forschung und Lehre am Deutschen Seminar und an der

Hamburgischen Universität

„Ein gutes Geschick führte mich nach meiner Rückkehr aus Amerika nachHamburg zu Professor Borchling, der hier […] den heute wohl allgemeinanerkannten Mittelpunkt der niederdeutschen Philologie schuf“,24 be-schrieb Agathe Lasch wenige Jahre später ihren Einstand am HamburgerDeutschen Seminar im Jahr 1917. Im Zuge der Konsolidierung des deut-schen Seminars, das als wissenschaftliche Institution 1910 gegründet wor-den war, und im Rahmen seiner Bemühungen zur Etablierung der nieder-deutschen Philologie als einer akademischen Disziplin hatte ConradBorchling Agathe Lasch als wissenschaftliche Mitarbeiterin – in der damali-gen Terminologie: „Wissenschaftliche Hilfsarbeiterin“ – gewinnen können.Ihr wurde die Leitung des neu gegründeten Wörterbucharchivs übertragenund damit die Verantwortung für das „Hamburgische Wörterbuch“ wiespäter auch für das „Mittelniederdeutsche Wörterbuch“, dessen Publika-tion sie ab 1923 vorzubereiten begann.25 Für beide Wörterbücher entwarfAgathe Lasch die Konzepte, erschloss die notwendige Materialgrundlageund begann mit der Artikelproduktion.

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Die Germanistikprofessorin Agathe Lasch 93

Im November 1919 habilitierte sich Agathe Lasch an der neu gegründe-ten Hamburgischen Universität, 1923 wurde ihr – als erster Frau dort – derProfessorentitel verliehen, am 17. Dezember 1926 folgte der Ruf auf dasneu geschaffene Extraordinariat für Niederdeutsche Philologie. Noch im-mer wurden Frauen im universitären Betrieb diskriminiert, aber AgatheLasch konnte sich aufgrund ihrer außerordentlichen Qualifikation durch-setzen. Wie dem Protokoll der Sitzung der Hochschulbehörde vom 14. De-zember 1926 zu entnehmen ist, hatte aufgrund ihrer Erfahrungen in Lehreund Forschung die Philosophische Fakultät „nicht umhin [gekonnt], fürdiese Stelle ausnahmsweise eine weibliche Kraft vorzuschlagen“.26 DieHoffnung, nach der Übernahme des Extraordinariats für NiederdeutschePhilologie eine freiere, von den lexikographischen Pflichten entbundeneakademische Tätigkeit auszuüben und mehr Zeit für selbstbestimmte For-schungen zu haben, wurde enttäuscht, da auch weiterhin nicht nur die Ver-antwortung für die Wörterbücher, sondern auch die Hauptarbeitslast aufihren Schultern lag.

Dass lexikographische Arbeit und sprachgeschichtliche Forschung je-doch Hand in Hand gingen, belegen die umfänglichen Aufsätze zur Ham-burger Sprachgeschichte „Beiträge zur Geschichte des Neuniederdeutschenin Hamburg“ (1918) und „Die literarische Entwicklung des Plattdeutschenin Hamburg im 17. und 18. Jahrhundert“ (1926), in denen die für das„Hamburgische Wörterbuch“ herangezogenen Quellen systematisch aus-gewertet wurden.27 Sie zeugen von einer profunden Materialkenntnis, diezugleich notwendige Grundlage für die Wörterbucharbeit war. Auf dieseWeise sind historische Stadtsprachenforschung und Lexikographie auf dasEngste verknüpft. Zugleich belegen diese Publikationen das Interesse ander Sprachentwicklung vom Mittelniederdeutschen zum Neuniederdeut-schen mit dem Ziel, „eine fortlaufende Sprachgeschichte aus überliefertemMaterial aufzustellen“, ohne auf Konstruktionen angewiesen zu sein.28 Indiesen Kontext gehört auch ein Aufsatz über „Die Mundart in den nordnie-dersächsischen Zwischenspielen des 17. Jahrhunderts“ (1920), den AgatheLasch in der Festschrift zum 70. Geburtstag von Wilhelm Braune, die sieselbst redigierte, beisteuerte.29 Mit diesen Arbeiten legte Agathe Lasch einwesentliches Fundament für eine Hamburger Sprachgeschichte. Von ihrangeregte und betreute Dissertationen wie Annemarie Hübners „Studienzur Sprachform des frühen Hamburger Hochdeutsch“ (Doktorexamen1938; Dissertation nicht publiziert) oder Artur Gabrielssons „Das Eindrin-

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gen der hochdeutschen Sprache in die Schulen Niederdeutschlands des 16.und 17. Jahrhunderts“ (1932/33) ergänzten diese Bemühungen.

Anfang der 1930er Jahre wandte sich Agathe Lasch den ältesten nieder-deutschen Sprachzeugnissen zu, wie sie es bereits in ihrem Lebenslauf von1921, der ihren Personalakten beiliegt, in Aussicht gestellt hatte:

„Wenn ich so meine Tätigkeit bisher dem grammatischen Aufbau desMittelniederdeutschen, der Übergangszeit, und, soweit der geschicht-liche Zusammenhang und die Kontrolle der älteren Sprachüberlie-ferungen es erforderten, dem Neuniederdeutschen zugewandt habe,so soll meine spätere Tätigkeit sich mehr den Fragen der ältestensächsischen Sprachstufe widmen (den Anfang habe ich mit einerArbeit über den ‚Konjunktiv als Futurum im Mnd. und Altsächsi-schen‘ gemacht) und damit gedenke ich den Kreis zu schließen undin meiner Lebensarbeit die gesamte Geschichte des niederdeutschenSprachzweiges zu umfassen.“30

Spektakuläre Funde voraltsächsischer Runeninschriften in der Weser zogenihr Interesse auf sich, die sie ausführlich anlässlich der Tagung des Vereinsfür niederdeutsche Sprachforschung 1931 kommentierte. Aufgrund dessprachhistorischen Befunds sprach sie sich vorsichtig für die Echtheit derRuneninschriften aus, was in den 1980er Jahren durch kriminaltechnischeAnalysen bestätigt werden konnte.31 Zudem beschäftigte sie sich mit derSprache altsächsischer Texte wie der Psalmenfragmente (1932) und desTaufgelöbnisses (1935). Ebenso wie der Aufsatz über das Taufgelöbnis er-schien der letzte von Agathe Lasch publizierte Text über „Palatales k imAltniederdeutschen“ 1939 in der finnischen Zeitschrift „NeuphilologischeMitteilungen“, da es ihr nach der Entlassung aus dem Staatsdienst im Jahr1934 nicht mehr möglich war, in Deutschland zu publizieren.32

Eine Episode blieb Agathe Laschs Mitarbeit im Sachverständigenaus-schuss für die Neuordnung der deutschen Rechtschreibung 1920/21, dessen„Leitsätze über die Vereinfachung der Rechtschreibung“ aufgrund allfälli-ger Proteste nicht umgesetzt wurden.33

Wie in der Forschung lag der Schwerpunkt auch in der Lehre in derSprach- und Literaturgeschichte des Niederdeutschen. Das Programm um-fasste ebenso die altsächsischen wie die mittelniederdeutschen Denkmäler,mittelniederdeutsche Grammatik, niederdeutsche Sprachgeschichte sowie

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die Rezeption der hochdeutschen Schriftsprache und die damit einherge-hende Entwicklung der niederdeutschen Dialekte vom 16. bis zum 18. Jahr-hundert, wobei insbesondere die Sprache des Hamburger Raums ins Blick-feld rückte. Daneben standen Lehrveranstaltungen zu den germanischenSprachen und zur hochdeutschen Sprachgeschichte bis in die Gegenwart.34

Martta Jaatinen, die bei Agathe Lasch in Hamburg studiert hatte, schil-derte in ihrer Gedenkansprache 1947 in Helsinki den akademischen Unter-richt:

„Die akademische Lehrertätigkeit in Hamburg bildet den Höhepunktihres praktischen Lebenswerkes. Hier hatte sie die Gelegenheit, ihrereichen Kenntnisse praktisch zu verwerten und auf ihre lebendigeArt den Schülern zu übermitteln. In ihren Vorlesungen und Übungenbildete die nd. Sprachgeschichte immer die Grundlage, von der siegeschickt die Fäden einerseits rückwärts zum Altsächsischen, an-dererseits vorwärts zum Neuhochdeutschen lenken konnte und aufdiese Weise das Nd. in die Gesamtentwicklung des Deutschen stellte,was schon von Anfang an in allen ihren Arbeiten das Thema bildete.Mit souveräner Sachkenntnis und ausführlicher Gründlichkeit hat sieimmer in ihren Vorlesungen nach ihren eigenen Methoden diesprachgeschichtlichen Erscheinungen erklärt. Daneben hielt sie stetsVorlesungen, in denen die literargeschichtliche Seite der Denkmälerbesprochen wurde. Die Studentengenerationen, die während derzirka anderthalb Jahrzehnte unter Leitung von Prof. Lasch an derHamburgischen Universität studierten, haben besonders gute philo-logische Schulung erhalten.“35

Aus ihren Briefen an die Doktorandin Annemarie Hübner geht die intensiveAnteilnahme am Voranschreiten der Dissertation hervor sowie die wieder-holt zum Ausdruck gebrachte Zusicherung der Unterstützung im Promo-tionsverfahren.36 Zur fachlichen Betreuung kam persönliche Zugewandt-heit. Martta Jaatinen schildert in ihren Erinnerungen, dass sie oft beiAgathe Lasch zu Gast gewesen sei und einmal sogar den Weihnachtsabendbei ihr verbracht habe.37 Dass Agathe Lasch sich um die Sorgen und Nöteinsbesondere ihrer Studentinnen kümmerte, sich um Stipendien für sie be-mühte oder sie auch aus eigener Tasche finanziell unterstützte, wenn esnotwendig war, ist mehrfach beschrieben worden.38

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„… das Verlangen der Bürgerschaft erstens nach Zusammen-

arbeit mit der Bevölkerung , zweitens nach Pflege der Aus-

landsbeziehungen“ – Hamburger Wörterbuchprojekte

Über den lexikographischen Alltag sind wir durch Arbeitsberichte undKorrespondenzen vergleichsweise gut unterrichtet. In einer an die Hoch-schulbehörde gerichteten Mitteilung vom 20. Februar 1929 beschrieb Aga-the Lasch den Umfang und die Bedeutung der Hamburger Wörterbuchun-ternehmen. Das Besondere der Arbeitsstelle lag darin begründet, dass essich um zwei aufeinander bezogene Projekte handelte. Neben der Material-aufarbeitung und Artikelerstellung bestimmte zusätzlich eine breite Aus-kunftstätigkeit den Arbeitsalltag. Insbesondere hob Lasch den hohen wis-senschaftlichen Wert des Zettelmaterials hervor: „ein bleibender Besitz vonwissenschaftlich größter Bedeutung, der den Besitzer, d.i. das Hamburgi-sche Wörterbucharchiv, für alle Zeiten zum Mittelpunkt für alle macht, diesich mit einschlägigen Studien befassen“.39 Dadurch unterstützte sie nach-drücklich die Bestrebungen Borchlings, durch den Ausbau der Bibliothekund durch die Locierung des Vereins für niederdeutsche SprachforschungHamburg zum Zentrum der niederdeutschen Philologie zu machen.40 Wäh-rend Borchling dabei eher den Aspekt des Wissenschaftsmanagements imBlick hatte, war für Agathe Lasch das Ziel prioritär, eine niederdeutsche Phi-lologie als selbstständige akademische Disziplin mit eigenen Theorien undMethoden zu etablieren.

Ein weiterer Aspekt galt der gesellschaftlichen Relevanz der lexikographi-schen Unternehmen:

„Ich darf wohl zuletzt noch darauf hinweisen, daß wenige Abteilungender Universitätsseminare das Verlangen der Bürgerschaft erstens nachZusammenarbeit mit der Bevölkerung, zweitens nach Pflege der Aus-landsbeziehungen in gleichem Maße wie das Wörterbucharchiv erfül-len werden, denn es gibt wohl kein germanisches Sprachgebiet, ausdem man sich nicht in Auskünften über das Niederdeutsche, spezielldas Mittelniederdeutsche, an uns wendet.“41

Durch die wissenschaftliche Reputation, die sich insbesondere in der hohenZahl von Anfragen manifestierte, und durch die Verankerung im lokalenSprachraum waren zwei wesentliche Vorzüge für die noch junge Universität

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gegeben: die gesellschaftliche Akzeptanz der wissenschaftlichen Arbeit inner-halb der Stadt und die internationale Ausstrahlung der Forschungseinrichtung.

Mit der Bearbeitung des „Hamburgischen Wörterbuchs“ konnte sich dieHamburgische Universität von Anfang an in einen damals hochaktuellendialektlexikographischen Forschungszusammenhang einreihen. Auf Initiati-ve der Berliner Akademie der Wissenschaften waren 1913 in Marburg Vertre-ter der bis dahin existierenden Wörterbuchunternehmungen zum sogenann-ten Wörterbuchkartell zusammengekommen, um ihre einzelnen Projekte zukoordinieren und vor allem um die Bearbeitungsgebiete aufeinander abzu-stimmen. Ergebnis war der Plan zur flächendeckenden Erhebung desmundartlichen Wortschatzes. In dieses ehrgeizige Vorhaben fügte sich das„Hamburgische Wörterbuch“ hervorragend ein. Im Vergleich mit anderenregionalsprachlichen Wörterbüchern wie dem „Schleswig-HolsteinischenWörterbuch“ (erschienen 1927 bis 1935), dem „Mecklenburgischen Wörter-buch“ (erschienen 1937 bis 1997) oder dem „Niedersächsischen Wörterbuch“(erschienen ab 1953) nahm das „Hamburgische Wörterbuch“ allerdings eineSonderstellung ein. Als Wörterbuch einer Stadtsprache hatte es die Aufgabe,die genuin städtische Heterogenität der Lebensbereiche und die damit ver-bundene sprachliche Vielfalt abzubilden, die sich im Laufe der Zeit entwi-ckelt hatte. Die historische Ausrichtung stellte das „Hamburgische Wörter-buch“ in einen engen Zusammenhang mit dem „MittelniederdeutschenWörterbuch“, das insbesondere die spezifisch hansestädtische Sprachwirk-lichkeit dokumentiert, sodass beide Wörterbuchprojekte in gegenseitigerBezugnahme entstanden.

Trotz des wissenschaftlichen wie des institutionellen Stellenwertes hat-ten die Wörterbuchunternehmen unter einer unzureichenden finanziellenAusstattung zu leiden. Bereits am 27. Juni 1921 schilderte Conrad Borchlingals Direktor des Germanischen Seminars die prekäre Situation in der „Sam-melstelle für das hamburgische Wörterbuch“. Er wies darauf hin, dassmanche Ausgaben von Agathe Lasch, der Leiterin der Arbeitsstelle, privatübernommen oder aus einem Spendenfonds finanziert wurden. Personellfehle vor allem eine Schreibkraft: „Jetzt liegen die Dinge so, daß oft genugFrl. Dr. Lasch ihre wertvolle Zeit mit einfachen mechanischen Schreibarbei-ten vertun muß […].“42 Die finanzielle Ausstattung verbesserte sich erstnach wiederholten Eingaben an die Behörde. Erst 1927 wurde ein entspre-chendes Gesuch Agathe Laschs positiv beschieden. Daraufhin konnten ein„Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“ und eine Schreibkraft eingestellt werden.

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Im Verhältnis zu anderen Wörterbucharbeitsstellen war dies eine minimaleAusstattung, um die zudem immer wieder gerungen werden musste. Be-reits 1931 wurde die Stelle des „Wissenschaftlichen Hilfsarbeiters“ wiedervakant.

Wie aufwendig sich das lexikographische Tagesgeschäft u.  a. durch aus-führliche Feldstudien gestaltete, geht aus einem Brief an ihren NachfolgerHans Teske von 1934 hervor, in dem Agathe Lasch ihre Materialerhebun-gen in den Vierlanden schildert:

„Ich habe mir früher bei meinen Besuchen immer je nach Notwen-digkeit einen Plan gemacht und abgefragt, so z.  B. in der Gegend vonAllermöhe, wo bes. Gemüsebau betrieben wird, über die Bereitungdes Landes (dort wurde der Boden erst mit Saat gemischt, der vonbestimmten Stellen geholt wurde usw.), die Geräte, den Anbau, oderich sah an 2 aufeinander folgenden Tagen ein vierländisches und einFinkenwärderer Bauernhaus vom Keller bis zum Boden, oder ichkam etwa in Neuengamme zu einer Frau, die ich beim Plätten traf inGegenwart ihrer alten Mutter, und fragte diesen Frauen nun dieneuen und älteren häuslichen Verrichtungen ab usw.“43

Ein letzter Bericht Agathe Laschs über das Voranschreiten der Wörterbuch-arbeit erschien im Dezember 1933, in dem sie den Stand der Arbeiten erläu-tert: Für das „Hamburgische Wörterbuch“ konnten durch die Auswertungentsprechender Literatur, durch Fragebogenerhebungen und teilnehmendeBeobachtungen ca. 180.000 Belege gesammelt werden, für das „Mittelnie-derdeutsche Handwörterbuch“ waren bis Ende 1933 bereits sechs Lieferun-gen veröffentlicht worden – eine weitere Lieferung aus der Feder AgatheLaschs sollte 1934 folgen. Das mittelniederdeutsche Archiv war auf ca. eineViertelmillion Zettel angewachsen.44

„… das Wort in das Leben einstel len“ – Prinzipien der

Lexikographie

Im „Hamburgischen Wörterbuch“ sollte der niederdeutsche Wortschatzdes gesamten Hamburger Staatsgebietes von seinen Anfängen im 13. Jahr-

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hundert bis zur Gegenwart in seiner funktionalen Vielfalt und seiner räum-lichen und zeitlichen Differenzierung dokumentiert werden. Ausgangs-punkt der lexikographischen Arbeiten war eine Zusammenstellung deshamburgischen Wortschatzes, die der Bibliothekar Christoph Walther zu-sammengetragen hatte. Dieser lexikographische Grundstock war jedochnicht geeignet, den selbst gesetzten Anspruch zu erfüllen, ein modernesstadtsprachliches Wörterbuch zu schaffen, das die Entwicklung der städti-schen Sprachgeschichte zu erhellen vermochte. Die Belege mussten syste-matisch durch Exzerpte aus historischen Quellen und insbesondere ausdem gesprochenen Gegenwartsniederdeutsch ergänzt, in ihrem Kontextdargestellt und in ihrem Gebrauch erläutert werden:

„Es gilt, das Hamburger Plattdeutsch aus der letzten Hälfte des 19.Jahrhunderts bis zur Gegenwart festzuhalten, das Wort nicht nur zubuchen, sondern in vollem Gebrauch zu zeigen, wo es nötig ist, inBeispielen, wo es möglich ist, in Anführungen von Redensarten,Sprichwörtern, Reimen, Spielen, Scherzen, in Hinweisen auf die bez.Sitten und Gebräuche im beruflichen oder privaten Leben undTreiben. Zugleich aber soll das Wörterbuch als ein historisches Wör-terbuch der Hamburger niederdeutschen Sprache auch die älterenFormen oder Bedeutungen eines Wortes in den vergangenen Jahr-hunderten zeigen. Zu diesem Zwecke sind auch ältere Überliefer-ungen von der mittelniederdeutschen Zeit (Zunfturkunden, Burspra-ken u. a. innerhamburgische Texte) bis zur Neuzeit auszuschöpfen. Sowird im Augenblick die reiche Sammlung hamburgischer Gelegen-heitsgedichte aus dem 17. und 18. Jahrhundert im Besitze der Ham-burger Stadtbibliothek zu diesem Zweck ausgezogen.“45

Das geplante Wörterbuch sollte keine „einfache Wortzusammenstellungsein […], sondern die einzelnen Artikel werden zugleich auch den volks-kundlichen, geschichtlichen usw. Zusammenhang geben, das Wort in dasLeben einstellen“.46

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Abb. 2: „Hamburgisches Wörterbuch“, Bd. 1, Sp. 1–4

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Mit der Forderung, „das Wort in das Leben einzustellen“, wird der in ihrenstadtsprachlichen Studien ebenfalls bevorzugte sprachhistorische Ansatzeiner Verbindung von externer und interner Sprachgeschichte treffend for-muliert. Ein Beispiel für die Einbettung in kulturhistorische Zusammen-hänge liefert die Artikelstrecke „Aal“ ‒ „Aalweber“, die Agathe Lasch alsProbeartikel selbst verfasst hatte. Neben der Semantik der Lexeme werdenauch volkskundliche Aspekte wie Aalfang und der Handel mit Aalen oderdie abergläubische Verwendung u. a. durch ergänzende Abbildungen er-läutert. Komposita und Kollokationen sind ebenso angeführt wie Ausrufeauf dem Markt, Redensarten und Sprichwörter, gereimte Strophen oderauch Lieder. Sprachgeschichte wird auf diese Weise als Teil der Kulturge-schichte erfahrbar gemacht.47

Als Basis für die Ausarbeitung des „Mittelniederdeutschen Wörter-buchs“ konnte Agathe Lasch Exzerpte nutzen, die Christoph Walther beider Überarbeitung des „Mittelniederdeutschen Wörterbuchs“ von KarlSchiller und August Lübben (6 Bde. 1875 bis 1881) aus den Quellen ausge-zogen und in sein Handexemplar eingetragen hatte. Dieses Material wurdekritisch überprüft und aus weiteren Quellen wesentlich ergänzt.

Im Vorwort zur ersten Lieferung 1928 wird die Bedeutung des „Mittel-niederdeutschen Wörterbuchs“ hervorgehoben:

„Durch die enge Verknüpfung der niederdeutschen Sprachgeschichtemit der Zeitgeschichte, der politischen und der Geistesgeschichte, diedie moderne niederdeutsche Philologie energisch unterstrich, die Be-tonung der wirtschaftlichen Bedeutung des Niederdeutschen alsHansesprache, die Bewertung und sprachliche Verwertung der Stadt-bücher und verwandter Aufzeichnungen ist eine ungeheuer reicheQuelle für den Wortschatz erschlossen, die noch lange nicht ausge-schöpft ist, und der in jeder neuen Veröffentlichung aus den noch inihrer Mehrzahl ungehobenen Schätzen der norddeutschen Stadt-archive immer neues Material zufließen wird.“48

Ein wesentlicher Anstoß für eine Neuerarbeitung des Wörterbuchs war ne-ben der zwischenzeitlichen Veröffentlichung von Quellen, die maßgeblichzu einer Aktualisierung der semantischen Beschreibungen beitrugen, derFortschritt in der Grammatikforschung, insbesondere durch die „Mittelnie-derdeutsche Grammatik“ Agathe Laschs. Das Wörterbuch nahm diese neu-

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en grammatischen Erkenntnisse auf, indem erstmals konsequent der Um-laut bezeichnet wurde und alte Vokallängen von gedehnten Tonlängen un-terschieden wurden.

Als äußerst bedauerlich empfand es Agathe Lasch, dass die komprimier-te Form des Handwörterbuchs es nicht erlaubte, die Wörter im Kontextdarzustellen:

„Daß das Material nicht in einem großen Wörterbuch mit den ent-sprechenden Belegen dargeboten werden durfte, bedeutete für dieHerausgeber eine sehr beklagenswerte Entsagung. Die Sammlungensind vorhanden; die geistige Tätigkeit war bei einem Handwörter-buch, das ohne Belege erläutern soll, sogar noch schärfer, intensiverals in einem Werke, das die Möglichkeit bietet, sich in schwierigenFällen durch Abdruck des Zitats zu helfen.“49

Als ein weiteres Desiderat wurde im Vorwort beklagt, dass es ebenfalls ausäußeren Gründen nicht möglich war, Hinweise auf die regionale und tem-porale Verortung des Wortschatzes aufzunehmen. Als die Neufassung ei-nes mittelniederdeutschen Belegwörterbuchs im Laufe der Jahre immer un-wahrscheinlicher wurde, nahm Gerhard Cordes, der spätere Herausgeberdes „Mittelniederdeutschen Handwörterbuchs“, ab dem Buchstaben L ver-mehrt Belege auf. Eine konsequente Belegwiedergabe ist aber erst ab demStichwort „opperschöler“ durchgeführt worden, nachdem Dieter Möhn dieVerantwortung für das Wörterbuch übernommen hatte.

„Aber ich wil l immer noch nicht verzagen“ –

Ausschluss aus der Hamburger Universität und vergebl iche

Emigrationsbemühungen

Am 30. Juni 1934 wurde Agathe Lasch als „Nichtarierin“ auf Grundlagedes „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom Dienstsuspendiert und in den Ruhestand versetzt.50 Initiativen von HamburgerStudierenden und von skandinavischen Kollegen – unter der Federführungvon Erik Rooth – hatten diese Zwangsmaßnahme zwar verzögern können,aber nicht endgültig verhindert. Bereits 1933 war Agathe Lasch von ihrem

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Amt als Vorstandsmitglied im Verein für niederdeutsche Sprachforschung,wie sie an den Vorsitzenden Borchling schrieb, im „Interesse des Vereins“zurückgetreten.51

Agathe Lasch blieb zunächst in Hamburg, zunehmend isoliert von derUniversität und ausgeschlossen vom akademischen Leben, bis zu ihremUmzug 1937 nach Berlin in die Nähe ihrer beiden Schwestern, mit denensie dann ab 1939 ihre Wohnung teilen musste. Mit der Entlassung aus derHochschule gestaltete sich das wissenschaftliche Arbeiten zunehmendschwieriger und wurde ihr schließlich unmöglich gemacht. DeutlichsterAusdruck dessen ist, dass Agathe Lasch neben den beiden bereits genann-ten Aufsätzen zum Altniederdeutschen, die in Finnland erschienen, ledig-lich noch Rezensionen veröffentlichen konnte.

Unter dem Eindruck zunehmender Bedrohung ihrer Existenz bemühtesich Agathe Lasch ab 1935 wiederholt um eine wissenschaftliche Anstel-lung im Ausland.52 Nachdem die Bitte an die Notgemeinschaft deutscherWissenschaftler im Ausland 1935 um Vermittlung einer Stelle an einer aus-ländischen Universität zu keinem Ergebnis geführt hatte, wandte sich Aga-the Lasch 1938 an das Bryn Mawr College und bewarb sich im selben Jahrum eine Lektoratsstelle an der schwedischen Universität Göteborg, beidesebenfalls ohne den erhofften Erfolg. In einem Brief an den Lunder Profes-sor Erik Rooth, mit dem sie bis 1942 kontinuierlich korrespondierte undder sie mehrfach nach Schweden eingeladen hatte, bat sie ebenfalls im Jahr1938 noch einmal dringlich um Unterstützung bei der Suche nach einer ge-eigneten Stelle und zeigte sich über die neuerlichen politischen Entwick-lungen äußerst beunruhigt.53

Im Jahr 1939 schließlich schien sich das Blatt zu wenden. Agathe Laschhatte sich nach persönlicher Kontaktaufnahme auf die vakante Professurfür germanische Philologie in Tartu (Estland) beworben, auf die Rooth sieaufmerksam gemacht hatte.54 Unterstützt wurde die Bewerbung durch einGutachten des Göttinger Germanisten Edward Schröder.55 Während Fakul-tätsrat und Universitätsrat das Bewerbungsverfahren damit abschlossen,Agathe Lasch für einen Ruf auf die Stelle vorzuschlagen, war das deutscheAuswärtige Amt auf das Besetzungsverfahren aufmerksam geworden undforderte von der Hamburger Universität Informationen „über die Persön-lichkeit von Frau Lasch, vor allem über ihre wissenschaftliche und politi-sche Eignung für die Auslandstätigkeit“.56 Der zuständige FachvertreterConrad Borchling, mit dem Agathe Lasch mehr als anderthalb Jahrzehnte

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eng zusammengearbeitet hatte, verfasste ein sachliches und knappes, in-haltlich sehr positives Gutachten. Er hob darin die wissenschaftlichen Leis-tungen hervor, äußerte sich anerkennend über die Lehre und verwies dar-auf, dass Agathe Lasch im Ersten Weltkrieg aus den USA nach Deutschlandzurückgekehrt war, weil sie die deutsch-feindlichen Tendenzen nicht mehrertragen wollte.57 Dennoch scheiterte das Besetzungsverfahren, wahr-scheinlich aufgrund der deutschen Intervention.

Im Dezember 1938 war es „jüdischen“ Wissenschaftlern vollständig ver-boten worden, in Hochschulinstituten ihren Forschungen nachzugehen.Damit war kaum noch an eine wissenschaftliche Arbeit zu denken, wieAgathe Lasch in einem Brief an Erich Nörrenberg konstatierte, in dem sieauch auf ihre Bemühungen anspielte, einen Ruf nach Tartu zu erhalten:

„Bleibe ich hier, so ist natürlich meine Arbeit ohne den Gebrauch öf-fentlicher Bibliotheken ziemlich unterbunden. Aber ich will noch im-mer nicht verzagen und hoffen, daß auch ich noch einmal wieder derdeutschen Philologie dienen darf.“58

Hilfreich war in dieser Situation, dass ihre ehemalige Studentin Martta Jaa-tinen 1938 zum Studium nach Berlin kam, die Agathe Lasch bis zu ihrerRückkehr nach Finnland 1939 regelmäßig besuchte und mit wissenschaftli-cher Literatur versorgte. In der Korrespondenz mit Erik Rooth berichteteLasch noch von mehreren wissenschaftlichen Arbeiten, die sie bis 1942 fer-tigstellte, darunter eine Monographie über die Lübecker Stadtschreiber,eine Abhandlung über die Werdener Prudentiusglossen sowie eine Darstel-lung der norddeutschen Sprachgeschichte, die jedoch nicht mehr veröffent-licht wurden und heute als verloren gelten.59

Nachdem im Oktober 1941 die Deportationen begonnen hatten, wandtesich im Dezember Claudine de l’Aigles an die Landesunterrichtsbehörde inHamburg mit der Bitte, ein Bleiberecht für Agathe Lasch zu erwirken.Nachdem Behörde und Universität abgelehnt hatten, sich dafür einzuset-zen, wurde eine entsprechende Anfrage an Conrad Borchling gerichtet, derdaraufhin recht knapp erklärte:

„Wie die Dinge nun einmal liegen, bin ich ausserstande, von mir per-sönlich aus Schritte in der Angelegenheit von Frl. Prof. Agathe Laschzu unternehmen, so sehr ich auch ihre wissenschaftlichen Arbeitenhochschätzen und ihr charakterliches Verhalten anerkennen muss.“60

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Wie isoliert von anderen Wissenschaftlern Agathe Lasch war und wie sehrihr am wissenschaftlichen Austausch lag, geht aus ihrem Brief vom15. April 1942, dem letzten an Rooth gerichteten Schreiben, hervor:

„Was Sie mir von den eigenen Arbeitsplänen und denen Ihrer Schülerberichteten, war mir äusserst interessant. Ich höre so selten mehr et-was von diesen Dingen, und daher ist mir auch die kleinste Mit-teilung von diesen Lunder philologischen Bestrebungen lieb und an-regend und beschäftigt mich innerlich.“61

Aufgrund einer Verfügung vom 9. Juli 1942 wurde Agathe Laschs Biblio-thek beschlagnahmt, Vorbote der folgenden Deportation. Ein Teil der Bü-cher gelangte in den Besitz des Germanischen Seminars der Berliner Fried-rich-Wilhelms-Universität, nachdem dessen Direktor Hans Kuhn dieBücher für den Handapparat des neu berufenen Professors Gerhard Cor-des, eines Hamburger Schülers Agathe Laschs, reklamiert hatte. Dass Uni-versitätsbibliotheken ohne Skrupel die Bücher jüdischer Gelehrter als will-kommene Ergänzung ihrer Bestände auffassten und sich gezielt darumbemühten, geht auch aus der Anfrage der Universität Kiel hervor, die eben-falls ihr Interesse an der Bibliothek zur Restitution des durch einen Bom-benangriff verlorenen niederdeutschen Bestandes signalisiert hatte.62 Solltenicht eine Verwechslung mit den Anfragen aus Berlin und Kiel vorliegen,so scheute man auch in Hamburg nicht davor zurück, sich Gedanken überden Verbleib der Bibliothek nach einer möglichen Deportation zu machen.Nach dem Zeugnis Martta Jaatinens hatte Agathe Lasch Anfang 1942 da-von Kenntnis erhalten, „dass aus Hamburg jemand beantragt hatte, falls siefortkäme, möchte ihre Bibliothek nicht zerstreut werden, sondern für einwissenschaftliches Institut erhalten bleiben“.63

Am 15. August 1942 wurde Agathe Lasch nach Riga deportiert und dortam 18. August ermordet.

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„Die Selbstverständl ichkeit des Erinnerns“ –

Gedenken an Agathe Lasch

„Die Selbstverständlichkeit des Erinnerns aber, durch Anknüpfen,Weiterführen und Vollenden muss und wird sich vor allem in derZukunft jener Wissenschaft bewähren, zu der Agathe Lasch so vielbeigetragen hat, welche ihre Lebensmitte war, in der Wissenschaftvon der Sprache und ihren historischen Bedingungen.“64

So formulierte Dieter Möhn in seinem Vortrag anlässlich der Benennungdes Agathe-Lasch-Hörsaals im Hauptgebäude der Universität Hamburgnicht nur den Auftrag, der sich einer Wissenschaft von der niederdeutschenSprache und Literatur stellt, wie Agathe Lasch sie nachdrücklich als eigen-ständige Disziplin forderte und förderte, sondern auch die Verpflichtungder Universität und der Stadt Hamburg dieser Wissenschaft gegenüber.

Als ein Zeichen des Gedenkens wurde von der Stadt Hamburg 1991 derAgathe-Lasch-Preis65 ins Leben gerufen, der an Nachwuchswissenschaftle-rinnen und Nachwuchswissenschaftler für hervorragende Arbeiten ausdem Forschungsgebiet Agathe Laschs vergeben wird. Die Universität Ham-burg ehrte sie 1999 durch die Benennung des Agathe-Lasch-Hörsaals. Ne-ben einer 1971 nach der Germanistin benannten Straße66 erinnern in Ham-burg zwei Stolpersteine an Agathe Lasch, seit 2007 ein Stein vor dem Hausin der Gustav-Leo-Straße Nr. 9, in dem sie bis 1937 wohnte, und ein Steinvor dem Hauptgebäude der Universität, der im April 2010 verlegt wurde.

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Anmerkungen

1 Zur Biographie Agathe Laschs vgl. Christine M. Kaiser: Agathe Lasch (1879–1942). Erste Ger-manistikprofessorin Deutschlands (Jüdische Miniaturen, Bd. 63). Teetz/Berlin 2007; dies.: „Ichhabe Deutschland immer geliebt …“. Agathe Lasch (1879–1942) – Deutschlands erste Germa-nistikprofessorin an der Hamburgischen Universität. In: Joist Grolle/Matthias Schmoock (Hg.):Spätes Gedenken. Ein Geschichtsverein erinnert sich seiner ausgeschlossenen jüdischen Mit-glieder (Hamburgische Lebensbilder in Darstellungen und Selbstzeugnissen, Bd. 21). Bremen2009, S. 65–97; dies.: „… ausnahmsweise eine weibliche Kraft“. Agathe Lasch – die erste Ger-manistikprofessorin Deutschlands am Germanischen Seminar der Hamburger Universität. In:100 Jahre Germanistik in Hamburg. Traditionen und Perspektiven. Hg. von Myriam Richterund Mirko Nottscheid in Zusammenarbeit mit Hans-Harald Müller und Ingrid Schröder(Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte, Bd. 19). Berlin/Hamburg 2011, S. 81–105;Die Germanistin Agathe Lasch (1879–1942). Aufsätze zu Leben, Werk und Wirkung. Hg. vonMirko Nottscheid, Christine M. Kaiser und Andreas Stuhlmann. [Themenheft der] Auskunft,Zeitschrift für Bibliothek, Archiv und Information in Norddeutschland 29 (2009), H. 1/2 [unterdemselben Titel erschienen als Bd. 22 der Reihe bibliothemata. Nordhausen 2009].2 Claudine de l’Aigle[s]: Agathe Lasch. Aus ihrem Leben. In: Niederdeutsches Jahrbuch 82(1959), S. 1–5, hier S. 2.3 Staatsarchiv Hamburg (künftig: StA HH), 361–6 HW-DPA, I 96, Agathe Lasch: Lebenslauf1921, S. 2.4 Agathe Lasch: Geschichte der Schriftsprache in Berlin bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts.Dortmund 1910.5 Vgl. Kaiser: Lasch (wie Anm. 1), S. 17.6 Rezension von Edward Schröder. In: Niederdeutsches Jahrbuch 36 (1910), S. 151–154, hierS. 151.7 Rezension von Virgil Moser. In: Literaturblatt für germanische und romanische Philologie 33(1912), Sp. 8–13, hier Sp. 8 und 12f.; vgl. Kaiser: Lasch (wie Anm. 1), S. 18.8 Agathe Lasch: Die Berliner Volkssprache. In: Brandenburgia 20 (1911/12), S. 127–142.9 Agathe Lasch: „Berlinisch“. Eine berlinische Sprachgeschichte (Berlinische Forschungen,Bd. 2). Berlin 1927, S. 139. Vgl. auch Georg Butz: Grundriß der Sprachgeschichte Berlins. In:Wandlungen einer Stadtsprache. Berlinisch in Vergangenheit und Gegenwart. Hg. von Nor-bert Dittmar und Peter Schlobinski (Wissenschaft und Stadt, Bd. 5). Berlin 1988, S. 1–40, mitBezug auf Lasch, sowie: Berlinisch. Geschichtliche Einführung in die Sprache einer Stadt. Hg.von Joachim Schildt und Hartmut Schmidt. Berlin 1986.10 Lasch: Berlinisch (wie Anm. 9), S. 1.11 Ebd., S. 1f.12 Kontrovers dazu die Rezension von Wilhelm Seelmann. In: Zeitschrift für Volkskunde 39 =N.F. 1 (1930), S. 88–95. Vgl. auch Norbert Dittmar: In memoriam Agathe Lasch. Botschaften ei-ner außergewöhnlichen Frau, Jüdin und Soziolinguistin. In: Dittmar/Schlobinski: Wandlungen(wie Anm. 9), S. XII-XX, hier S. XII.13 Zum „typischen Humor“ und damit verbundenen Eigentümlichkeitsdiskurs vgl. Martin Schrö-der: Humor und Dialekt. Untersuchungen zur Genese sprachlicher Konnotationen am Beispiel derniederdeutschen Folklore und Literatur (Name und Wort, Bd. 14). Neumünster 1995, S. 92–105.

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14 Agathe Lasch: Mein Weg. In: Hamburger Nachrichten vom 4.1.1927.15 de l’Aigles (wie Anm. 2), S. 3.16 Lasch: Weg (wie Anm. 14).17 Agathe Lasch: Mittelniederdeutsche Grammatik (Sammlung kurzer Grammatiken germani-scher Dialekte, Bd. 9). Tübingen 1914, S. VI.18 Edward Schröder an Gustav Roethe, 25.6.1914, zitiert nach Kaiser: Kraft (wie Anm. 1), S. 89.19 Vgl. auch Dieter Möhn: Die Geschichte in der Sprache. Die Philologin Agathe Lasch. Vortraganlässlich der Benennung des Hörsaals B im Hauptgebäude der Universität Hamburg in Aga-the-Lasch-Hörsaal am 4. November 1999. In: Zum Gedenken an Agathe Lasch (1879–1942?).Reden aus Anlass der Benennung des Hörsaals B im Hauptgebäude der Universität Hamburgin Agathe-Lasch-Hörsaal am 4. November 1999 (Hamburger Universitätsreden N.F., Bd. 2).Hamburg 2002, S. 14–27, hier S. 22f.; Robert Peters/Timothy Sodmann: Agathe Lasch. Lebenund Werk. In: Dies. (Hg.): Agathe Lasch. Ausgewählte Schriften zur niederdeutschen Philolo-gie. Neumünster 1979, S. IX–XXI, hier S. XV.20 Agathe Lasch: Aus alten mittelniederdeutschen Stadtbüchern. Ein mittelniederdeutsches Le-sebuch. Dortmund 1925 (2., um eine Bibliographie erweiterte Aufl. hg. von Dieter Möhn undRobert Peters. Neumünster 1987), S. XVI.21 Ebd., S. XVIIf.22 Agathe Lasch: Vom Werden und Wesen des Mittelniederdeutschen. In: NiederdeutschesJahrbuch 51 (1925), S. 55–76, hier S. 57 (wiederabgedruckt in Peters/Sodmann [wie Anm. 19], S.232–253); vgl. auch Ulrike Hass-Zumkehr: Agathe Lasch (1879–1942?). In: Jüdische Intellektu-elle und die Philologien in Deutschland 1871–1933. Hg. von Wilfried Barner und ChristophKönig (Marbacher Wissenschaftsgeschichte, Bd. 3). Göttingen 2001, S. 203–211, hier S. 207f.23 Lasch: Werden (wie Anm. 22), S. 68.24 Lasch: Weg (wie Anm. 14).25 Zur lexikographischen Tätigkeit Agathe Laschs vgl. auch Ingrid Schröder: Agathe Lasch unddie Hamburger Lexikographie. In: Nottscheid/Kaiser/Stuhlmann (wie Anm. 1), S. 47–62.26 Vgl. Kaiser: Kraft (wie Anm. 1), S. 82.27 Agathe Lasch: Beiträge zur Geschichte des Neuniederdeutschen in Hamburg. In: Nieder-deutsches Jahrbuch 44 (1918), S. 1–50 (wieder abgedruckt in Peters/Sodmann [wie Anm. 19],S. 413–462); Agathe Lasch: Die literarische Entwicklung des Plattdeutschen in Hamburg im17. und 18. Jahrhundert. In: Nordelbingen 5 (1926), S. 422–449.28 Lasch: Lebenslauf (wie Anm. 3), S. 2.29 Agathe Lasch: Die Mundart in den nordniedersächsischen Zwischenspielen des 17. Jahrhun-derts. In: Aufsätze zur Sprach- und Literatur-Geschichte. Wilhelm Braune zum 20. Februar1920 dargebracht von Freunden und Schülern. Dortmund 1920, S. 299–351.30 Lasch: Lebenslauf (wie Anm. 3), S. 2.31 Agathe Lasch: Voraltsächsische Runenschriften aus der Unterweser. In: NiederdeutschesJahrbuch 56/57 (1930/31), S. 163–179. Vgl. Peter Pieper: Die Weserrunen im Lichte neuer Unter-suchungen. Dem Andenken an Agathe Lasch gewidmet. In: Niederdeutsches Jahrbuch 111(1988), S. 9–30.32 Agathe Lasch: Die altsächsischen Psalmenfragmente. In: Niederdeutsche Studien. Festschriftfür Conrad Borchling. Zum 20. März 1932 dargebracht von Freunden und Mitarbeitern und

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dem Verleger. Neumünster 1932, S. 229–272; dies.: Das altsächsische Taufgelöbnis. In: Neuphi-lologische Mitteilungen 36 (1935), S. 92–133; dies.: Palatales k im Altniederdeutschen. In: Neu-philologische Mitteilungen 40 (1939), S. 241–318 und 387–423.33 Vgl. Kaiser: Kraft (wie Anm. 1), S. 95.34 Vgl. Peters/Sodmann (wie Anm. 19), S. X–XII, mit Aufzählung der einzelnen Lehrveranstal-tungen.35 Martta Jaatinen: Professor Dr. Agathe Lasch zum Gedächtnis. In: Neuphilologische Mittei-lungen 48 (1947), S. 130–141, hier S. 132.36 Vgl. dazu auch Mirko Nottscheid: Die Germanistin und Niederlandistin Annemarie Hübner(1908–1996). In: Nottscheid/Kaiser/Stuhlmann (wie Anm. 1), S. 109–168.37 Jaatinen (wie Anm. 35), S. 132f.38 Vgl. Conrad Borchling: Agathe Lasch zum Gedächtnis. In: Niederdeutsche Mitteilungen 2(1946), S. 7–20, hier S. 8, und Kaiser: Kraft (wie Anm. 1), S. 94.39 Universität Hamburg, Institut für Germanistik I, Hamburgisches Wörterbucharchiv, AgatheLasch an die Hochschulbehörde Hamburg, 20.2.1929, S. 4.40 Vgl. dazu Ingrid Schröder: „Mit besonderer Rücksicht des Niederdeutschen und des Nieder-ländischen“. Conrad Borchling und der Ausbau des Deutschen Seminars. In: Richter/Nott-scheid (wie Anm. 1), S. 65–80, bes. S. 70.41 Agathe Lasch an die Hochschulbehörde Hamburg, 20.2.1929 (wie Anm. 39), S. 9f.42 Universität Hamburg, Institut für Germanistik I, Hamburgisches Wörterbucharchiv, ConradBorchling an die Hochschulbehörde, 27.6.1921.43 Universität Hamburg, Institut für Germanistik I, Hamburgisches Wörterbucharchiv, AgatheLasch an Hans Teske, 19.10.1934.44 Agathe Lasch: Unser Hamburger Wörterbuch. In: Mitteilungen aus dem Quickborn 27(1933/34), S. 15–17. 45 Agathe Lasch: Das Wörterbuch der Hamburger niederdeutschen Sprache. In: Korrespon-denzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 36 (1917), S. 33f., hier S. 34. ZumWörterbuchprojekt allgemein vgl. auch Agathe Lasch: Das Hamburger Wörterbuch. In: Quick-born 11 (1917), S. 46–49.46 Lasch: Wörterbuch (wie Anm. 44), S. 16.47 Hamburgisches Wörterbuch. Auf Grund der Vorarbeiten von Christoph Walther und AgatheLasch hg. von Hans Kuhn und Ulrich Pretzel, fortgeführt von Jürgen Meier und Dieter Möhn.Bd. 1–5. Neumünster 1985–2006. Die erste Lieferung erschien 1956.48 Conrad Borchling/Agathe Lasch: Vorwort. In: Mittelniederdeutsches Handwörterbuch. Begrün-det von Agathe Lasch und Conrad Borchling, fortgeführt von Gerhard Cordes. Hg. von DieterMöhn. Bd. 1ff. Neumünster 1956ff. Agathe Lasch verfasste die Artikelstrecken a-extract; ga-heger.49 Borchling/Lasch (wie Anm. 48).50 Vgl. Kaiser: Lasch (wie Anm. 1), S. 52; zur Geschichte des Germanischen Seminars im Natio-nalsozialismus vgl. v.a. Wolfgang Bachofer/Wolfgang Beck: Deutsche und NiederdeutschePhilologie. Das Germanische Seminar zwischen 1933 und 1945. In: Hochschulalltag im „Drit-ten Reich“. Die Hamburger Universität 1933–1945. 3 Teile. Hg. von Eckart Krause, LudwigHuber und Holger Fischer (Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte, Bd. 3). Berlin/Hamburg 1991, Teil 2, S. 641–703.

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51 Vgl. Kaiser: Kraft (wie Anm. 1), S. 100. 52 Vgl. dazu insbesondere Christine M. Kaiser: Zwischen „Hoffen“ und „Verzagen“. Die Emi-grationsbemühungen Agathe Laschs. Ein Werkstattbericht. In: Nottscheid/Kaiser/Stuhlmann(wie Anm. 1), S. 11–46, die detailliert die archivalischen Zeugnisse zusammengestellt und aus-gewertet hat.53 Vgl. Kaiser: Kraft (wie Anm. 1), S. 102f.54 Vgl. Lund University Library, Saml. Rooth, Erik G. T., Agathe Lasch an Erik Rooth, undatiert[1938].55 Die Gutachten der Universität Tartu sind in Übersetzung publiziert von Sabine Jordan: Aga-the Lasch und der Lehrstuhl für Germanistik an der Universität Dorpat. Ein biographischerMosaikstein. In: westfeles vnde sassesch. Festgabe für Robert Peters zum 60. Geburtstag. Hg. vonRobert Damme und Norbert Nagel. Bielefeld 2004, S. 415–428.56 StA HH, 361–6 HW-DPA, IV 596, Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbil-dung an den Rektor der Universität in Hamburg, 21.2.1939. 57 StA HH, 361–6 HW-DPA, IV 596, Conrad Borchling an den Dekan der Philosophischen Fa-kultät, Fritz Jäger, 24.2.1939 (Abschrift).58 Agathe Lasch an Erich Nörrenberg, 21.4.1939, abgedruckt in: Korrespondenzblatt des Ver-eins für niederdeutsche Sprachforschung 75 (1968), S. 52f., hier S. 53.59 Vgl. Kaiser: Lasch (wie Anm. 1), S. 74; dies.: Kraft (wie Anm. 1), S. 104.60 StA HH, 361–6 HW-DPA, I 96, Conrad Borchling an die Staatsverwaltung, Hochschulwesen,12.1.1942 (Abschrift).61 Lund University Library, Saml. Rooth, Erik G. T., Agathe Lasch an Erik Rooth, 15.4.1942.62 Vgl. Matthias Harbeck/Sonja Kobold: Die Rekonstruktion einer Forscherbibliothek. Resteder Privatbibliothek Agathe Laschs an der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universitätzu Berlin: In: Nottscheid/Kaiser/Stuhlmann (wie Anm. 1), S. 89–108, bes. S. 97f.63 Jaatinen (wie Anm. 35), S. 136.64 Möhn: Geschichte (wie Anm. 19), S. 25.65 Dieter Möhn: Der Agathe-Lasch-Preis. Memorial und Verpflichtung. In: Nottscheid/Kaiser/Stuhlmann (wie Anm. 1), S. 189–203.66 Vgl. dazu Moritz Terfloth: „Wer oder was ist bzw. war ‚Lasch‘?“ Zur Benennung des Agathe-Lasch-Wegs in Hamburg. In: Nottscheid/Kaiser/Stuhlmann (wie Anm. 1), S. 169–188.