das coase-theorem und politische märkte

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106 JRP I. Einleitung II. Politische Verhandlungen und Politik-Markt Meta- phern A. Kollektive Entscheidungsfindung und das poli- tische Coase- Theorem B. Ein Mann, eine Stimme und die Rolle von Stimmentausch C. Die Grenzen politischer Märkte D. Die Durchsetzung politischer Verhandlungen E. Themenbündelung und die Einschränkung von politischen Verhandlungen F. Kollektive Handlungsprobleme und das Versagen von politischen Verhandlungen G. Agency Probleme und das politische Verantwort- lichkeits-Dilemma III. Schlussbetrachtung Abstract: Basierend auf neuester Literatur auf dem Ge- biet der Public Choice Theorie (Neue Politische Öko- nomie), nimmt dieser Artikel die Diskussion um Politik- Markt Analogien wieder auf. Nach der Identifikation einiger Unterscheidungsmerkmale zwischen Märkten und Politik, beschäftigt sich der Artikel mit der Rolle von Stimmentausch in der politischen Vertretung. Dabei wer- den einige Anforderungen an die Charakteristika eines hypothetischen Marktes für politischen Konsens formu- liert. Diese Überlegungen sollen dazu dienen, die Ein- schätzung der normativen Implikationen der Kommodi- fizierung von politischem Konsens zu vereinfachen. Deskriptoren: Agency Probleme; Coase-Theorem; Mög- lichkeitstheorem von Arrow; Public Choice Theorie; Stimmenhandel; Stimmentausch; Transaktionskosten. I.  Einleitung In Laufe des neunzehnten Jahrhunderts führten die aufgeklärten Ideale von demokratischer Entschei- dungsfindung und die Dynamik der politischen Go- vernance zu einer Veränderung der Konzeption des Gesetzesrechts. Die Ideale der demokratischen Ge- setzgebung ersetzten nach und nach das historische Konzept von Gesetzesrecht als die Niederschrift von Gesetzen mit höherem oder älterem Ursprung. Ge- setze wurden nicht länger als Ausdruck von bereits vorhandenen natürlichen oder fundamentalen Rechten gesehen, sondern wurden eher die primäre, wenn nicht sogar einzige Quelle individueller Rech- te. Gesetze wurden nicht mehr vom Schutz indivi- dueller Rechte abgeleitet, vielmehr wurden Rechte von Gesetzen abgeleitet. Gesetzgebende Körper- schaften schufen Gesetze, anstatt bereits vorhande- ne Werte oder rechtliche Normen anzuerkennen. Dieser Paradigmenwechsel gab dem „Prozess“ der kollektiven Entscheidungsfindung insoweit ein hö- heres Gewicht, als das Ergebnis in den gesetzge- benden Körperschaften streng von den gewählten Verfahrensregeln bestimmt war. Abgesehen von einigen minimalen konstitutionellen Einschrän- kungen der Gesetzgebung, handelt die nationale Legislative als souveräne gesetzgebende Gewalt, die ihre eigenen Verfahrensregeln festsetzt. Solch un- eingeschränkte gesetzgebende Macht wird konstitu- tionell und politisch durch die vermeintliche Funk- tion der gesetzgebenden Organe als gewissenhafte Sachwalter und politische Vertreter des Volkes ge- rechtfertigt. Diese Ideale bestehen trotz der zu be- obachteten Schwächen der demokratischen Ent- scheidungsfindung und der politischen Vertretung in der Gesetzgebung fort. II.  Politische Verhandlungen und Politik-Markt  Metaphern Durch die Brille der Public Choice Theorie betrach- tet gelang es Wissenschaftlern, Aufmerksamkeit auf die Grenzen der Vertretungsmechanismen im poli- tischen Prozess zu lenken. Zwei spezifische Ein- schränkungen traten in der Literatur der Public Choice Theorie sowie der Social Choice Theorie (Theorie der sozialen Wahlhandlungen) zutage. ) Zunächst zeigt sich in der Public Choice Theorie, dass politische Vertreter die Sachwalter ihrer Wäh- ler sind. Bei politischer Vertretung treten jedoch oft durchdringende Agency Probleme auf. Die Korrek- tur dieser Probleme bedarf der Wahl kollektiver Ent- scheidungsfindungsprozesse, welche die Abglei- chung der Anreize von politischen Vertretern mit jenen der repräsentierten Staatsbürger fördern, oder aber der effektiven Überwachung politischer Sachwalter und der Zurechenbarkeit von Hand- lungen. Agency Probleme dieser Art treten bei poli- tischer Vertretung nicht auf, wenn die Anreize ef- fektiv abgeglichen sind. Ein großer Teil der Public Choice und der Constitutional Design (Verfassungs- design) Literatur beschäftigt sich mit der Abglei- chung von Anreizen und Agency Problemen. ) Riker, Liberalism against populism: a confrontation between the theory of democracy and the theory of social choice (982). Journal für Rechtspolitik 5, 06–3 (2007) DOI 0.007/s00730-007-073-4 Printed in Austria, © Springer-Verlag 2007 Francesco Parisi Das  Coase- Theorem und politische Märkte

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JRP

I. Einleitung II. Politische Verhandlungen und Politik-Markt Meta-

phernA. Kollektive Entscheidungsfindung und das poli-

tischeCoase-TheoremB. Ein Mann, eine Stimme und die Rolle von

StimmentauschC.DieGrenzenpolitischerMärkteD. DieDurchsetzungpolitischerVerhandlungenE. Themenbündelung und die Einschränkung von

politischenVerhandlungenF. KollektiveHandlungsproblemeunddasVersagen

vonpolitischenVerhandlungenG.AgencyProblemeunddaspolitischeVerantwort-

lichkeits-DilemmaIII. Schlussbetrachtung

Abstract: BasierendaufneuesterLiteraturaufdemGe-biet der Public Choice Theorie (Neue Politische Öko-nomie),nimmtdieserArtikeldieDiskussionumPolitik-Markt Analogien wieder auf. Nach der Identifikationeiniger Unterscheidungsmerkmale zwischen MärktenundPolitik,beschäftigtsichderArtikelmitderRollevonStimmentauschinderpolitischenVertretung.Dabeiwer-deneinigeAnforderungenandieCharakteristikaeineshypothetischenMarktesfürpolitischenKonsensformu-liert. Diese Überlegungen sollen dazu dienen, die Ein-schätzungdernormativenImplikationenderKommodi-fizierungvonpolitischemKonsenszuvereinfachen.

Deskriptoren: Agency Probleme; Coase-Theorem; Mög-lichkeitstheorem von Arrow; Public Choice Theorie;Stimmenhandel;Stimmentausch;Transaktionskosten.

I.  Einleitung

InLaufedesneunzehntenJahrhundertsführtendieaufgeklärten Ideale von demokratischer Entschei-dungsfindungunddieDynamikderpolitischenGo-vernancezueinerVeränderungderKonzeptiondesGesetzesrechts.DieIdealederdemokratischenGe-setzgebungersetztennachundnachdashistorischeKonzeptvonGesetzesrechtalsdieNiederschriftvonGesetzenmithöheremoderälteremUrsprung.Ge-setzewurdennichtlängeralsAusdruckvonbereitsvorhandenen natürlichen oder fundamentalenRechtengesehen,sondernwurdeneherdieprimäre,wennnichtsogareinzigeQuelleindividuellerRech-te.GesetzewurdennichtmehrvomSchutzindivi-duellerRechteabgeleitet,vielmehrwurdenRechtevon Gesetzen abgeleitet. Gesetzgebende Körper-schaftenschufenGesetze,anstattbereitsvorhande-

ne Werte oder rechtliche Normen anzuerkennen.Dieser Paradigmenwechsel gab dem „Prozess“ derkollektivenEntscheidungsfindunginsoweiteinhö-heres Gewicht, als das Ergebnis in den gesetzge-benden Körperschaften streng von den gewähltenVerfahrensregeln bestimmt war. Abgesehen voneinigen minimalen konstitutionellen Einschrän-kungen der Gesetzgebung, handelt die nationaleLegislativealssouveränegesetzgebendeGewalt,dieihreeigenenVerfahrensregeln festsetzt.Solchun-eingeschränktegesetzgebendeMachtwirdkonstitu-tionellundpolitischdurchdievermeintlicheFunk-tiondergesetzgebendenOrganealsgewissenhafteSachwalterundpolitischeVertreterdesVolkesge-rechtfertigt.DieseIdealebestehentrotzderzube-obachteten Schwächen der demokratischen Ent-scheidungsfindung undderpolitischenVertretunginderGesetzgebungfort.

II.  Politische Verhandlungen und Politik-Markt Metaphern

DurchdieBrillederPublicChoiceTheoriebetrach-tetgelangesWissenschaftlern,AufmerksamkeitaufdieGrenzenderVertretungsmechanismenimpoli-tischen Prozess zu lenken. Zwei spezifische Ein-schränkungen traten in der Literatur der PublicChoice Theorie sowie der Social Choice Theorie(Theorie der sozialen Wahlhandlungen) zutage.�)Zunächst zeigt sich inderPublicChoiceTheorie,dasspolitischeVertreterdieSachwalterihrerWäh-lersind.BeipolitischerVertretungtretenjedochoftdurchdringendeAgencyProblemeauf.DieKorrek-turdieserProblemebedarfderWahlkollektiverEnt-scheidungsfindungsprozesse, welche die Abglei-chung der Anreize von politischen Vertretern mitjenen der repräsentierten Staatsbürger fördern,oder aber der effektiven Überwachung politischerSachwalter und der Zurechenbarkeit von Hand-lungen.AgencyProblemedieserArttretenbeipoli-tischerVertretungnichtauf,wenndieAnreizeef-fektivabgeglichensind.EingroßerTeilderPublicChoiceundderConstitutionalDesign(Verfassungs-design) Literatur beschäftigt sich mit der Abglei-chungvonAnreizenundAgencyProblemen.

�) Riker, Liberalismagainstpopulism:aconfrontationbetweenthetheoryofdemocracyandthetheoryofsocialchoice(�982).

JournalfürRechtspolitik�5,�06–��3(2007)DOI�0.�007/s00730-007-0�73-4PrintedinAustria,©Springer-Verlag2007

Francesco Parisi

Das Coase-Theorem und politische Märkte

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Zweitens kann Politik auch ohne Agency Pro-blemealsderRahmenfürVerhandlungenzwischenverschiedenenpolitischenSachwaltern inderGe-sellschaft gesehen werden. Dieser Sicht der poli-tischenMärkte liegtdieAuswahladäquaterKrite-rien zur Aggregierung individueller Präferenzenzugrunde.DieFrageindiesemKontextist,obpoli-tischeVerhandlungenzueinemerfolgreichenKon-senszwischendenverschiedenenpolitischenGrup-pen führenkönnen, sodassdiepolitischenErgeb-nisse legitimer Weise und unzweideutig als der„WilledesVolkes“bezeichnetwerdenkönnen.WiedieSocialChoiceLiteraturoftbetont,gibteskeineGewissheit, dass die Mechanismen der Gesetzge-bung auf die zugrunde liegenden Präferenzen derIndividuenderGesellschafteingehen.Diesistsogardann der Fall, wenn wir eine Welt mit perfekterAnreiz-Abgleichung zwischen politischen Vertre-ternundvertretenenStaatsbürgernbetrachten(dhsogardannwennwirdavonausgehen,dasseskeineAgency Probleme in der politischen Vertretunggibt).

A. Kollektive Entscheidungsfindung und das politische Coase-Theorem

Andere Grenzen freier politischer Märkte werdenbeiderBetrachtungderPublicundSocialChoiceTheorien sichtbar. Eine der wichtigsten Erkennt-nisse aus der Social Choice Theorie ist, dass dieKorrelationzwischendenPräferenzenundderletzt-endlichenAuswahlfürGruppengeringeristalsfürEinzelne.2) Gemäß dem Möglichkeitstheorem vonArrow�)mageswirklichzuvielverlangtsein,dassMethodenderkollektivenEntscheidungsfindungzu-gleichrationalundegalitärsind.Arrows Theoremzeigt,dass gesellschaftlicheEntscheidungen–dasheißt politische Entscheidungen und Praktiken,welchevoneinerbestimmtenGesellschaftgetroffenbzwangewandtwerden–perdefinitionemwenigs-tenseinesvonsechsoffensichtlichenAxiomendernormativenpolitischenTheorie verletzenmüssen.DiesesechsAxiomewerdenallgemeinbeschriebenals:Wahl,Universalität,Einstimmigkeit,Ausschlussder Diktatur, Unabhängigkeit von irrelevanten Al-ternativenundRationalität.ArrowsFolgerungstellteine dramatische Bedrohung für die Legitimitätpolitischer Entscheidungen dar. Die Beobachtung,dassdieWahrscheinlichkeitzyklischerMehrheitenabnimmt, wenn die Anzahl der mit der Entschei-dungsfindung betrauten Personen die Anzahl derWahlmöglichkeiten übersteigt, beeinträchtigt diepraktische Relevanz von Arrows Analyse nicht.DiesistzumindestdannderFall,wenndieAnwen-dungaufpolitischeProzessemiteinergroßenAn-

2) Shubik, Game theory in the social sciences: con-ceptsandsolutions(�982)�24.

3) Arrow, Socialchoiceandindividualvalues(�95�).

zahlvonEntscheidungsfindern,welchesichinner-halb einer beschränkten Anzahl von Interessens-gruppen mit Gruppenabstimmung befinden, er-folgt.

DasKernstückvonArrowsTheorembesagt,dasseskeinenicht-diktatorischenRegelnoderVerfah-renfürkollektiveEntscheidungsfindungengibt,wel-chedieaggregiertenPräferenzenderWählerwider-spiegelnundwelchezueinemkonsistentenGesamt-ergebnis führen.DieausdemTheoremgezogenenSchlussfolgerungen lassen auf die Existenz zykli-scher Mehrheiten schließen, welche einen belie-bigenschongefasstenBeschlussaufhebenkönnen.WennesallenWählererlaubtist,inbindendeAb-machungen über das von der MehrheitskoalitionfestgesetztepolitischeErgebniszutreten,sinddiekollektivenPräferenzenlautParisi4)ineinemein-dimensionalenpolitischenRaumtransitiv,solangedieindividuellenPräferenzeneingipfeligsind.DieseEinsicht steht imGegensatzzur traditionellenEr-kenntnisderPublicundSocialChoiceTheorie.5)

DerGroßteilderLiteraturüberdieAuswirkungenvon Stimmentausch und Stimmenhandel auf dieStabilitätpolitischerProzessebeschäftigt sichmitKoalitionsverhandlungen, im Zuge welcher Aus-gleichszahlungen nur gemacht werden, um in dieMehrheitskoalition eintreten zu können (und vonjenen außerhalb der Mehrheit keine Ausgleichs-zahlungen vorgenommen werden). Die politischeRealitätunterscheidetsichjedochoftvondervonWissenschafternbetrachteten.Verhandlungensindjedenfalls auch zwischen Mitgliedern von Minder-heits- undMehrheitsparteien erlaubt,wobei es zuAbtäuschen zwischen allen Koalitionen kommt.WennwirVerhandlungenundAusgleichszahlungenmehrPlatzeinräumenundwennwirbindendeunddurchsetzbarepolitischeÜbereinkünftequerdurchKoalitionenbetrachten,kämenwir zuResultaten,welchesichrelativstarkunterscheidenwürden.6)

B. Ein Mann, eine Stimme und die Rolle von Stimmentausch

IntransitivitätkannzuSituationenführen,inwel-chenkeinstarkerpolitischerKonsensübereinbe-stimmtesThemaerreichtwird.Intransivitätimpli-ziert, dass eine andere Reihenfolge im Entschei-dungsfindungsprozess das Ergebnis beeinflussen

4) Parisi, Themarketforvotes:Coasianbargaininginan Arrovian setting, George Mason University Law Re-view6(�998),745.

5) Bernholz, Logrolling, Arrow-paradox and cyclicalmajorities, Public Choice �5 (�973), 87ff; Miller, Log-rolling, vote tradingand theparadoxof voting: a gametheoretical overview, Public Choice 30 (�977) 5�;Schwartz, Collective choice, separation of issues andvote trading, American Political Science Review 72(�977).

6) Parisi,PoliticalCoasetheorem,PublicChoice ��5(2003),�ff.

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kann. Jede siegreiche Koalition kann durch dieWiedereinführung einer Alternative untergrabenwerden, welche zuvor schon abgelehnt wurde. DadieStrukturdesWahlprozessesdieUntersuchungderIntensitätderWählerpräferenzennichtvorsieht,können die Zyklen im Abstimmungsprozess nichtdurchbrochenwerden.DasErgebniswirdwillkür-lich von der Reihenfolge der Anträge bestimmt,ohneGarantie,dassdasschlussendlicheResultatzueinemhöherenNiveauansozialerWohlfahrtführtalsjenerLevel,welcherpotentielldurchirgendeineandereabgelehnteStrategieerreichtwordenwäre.DasUnvermögendesdemokratischenProzesses,dieIntensität der Wählerpräferenzen zu erfassen, isteinNebenproduktdesallgemeinanerkanntenPrin-zips,dassjedesIndividuumimBesitzvonnureinerWahlstimmeist.DieeinMann–eineStimmeRegelwird dadurch erklärt, dass die einzelnen Wählernicht mit den Opportunitätskosten ihrer Stimm-abgabe konfrontiert sind. Egal ob ihre Präferenzstark oder schwach ist, werden die Wähler ihreStimmezugunstenihrerbevorzugtenOptionabge-ben. Sogar wenn die Wahl speziell gestaltet wäre,sodassesdenWählernmöglichwäredieIntensitätihrerPräferenzenzuerkennenzugeben,könntedieWahl unmöglich diese Intensität erfassen. Ohneeinen Mechanismus, welcher die wahre IntensitätihrerPräferenzenherausfiltert,würdendieeinzel-nenWählerdazuneigen,ihrePräferenzenzuüber-schätzen,umdieWirkung ihrerStimmezumaxi-mieren.

DieDemokratieverleihtjederStimmedasgleicheGewicht, unabhängig davon, wie stark die Emoti-onen eines Wählers zu einem bestimmten Themasind.DaherhabennumerischgleicheGruppendiegleichepolitischeStimmkraft.IstdieVerteilungvonEmotionen zu einem bestimmten Thema jedochasymmetrischundhatdieMinderheitstarkePräfe-renzen, wird das Ergebnis ineffizient sein. Indemdie Möglichkeit zu Verhandlungen und Stimmen-handelgebotenwird,findetdieIntensitätderPräfe-renzenimProzessderEntscheidungsfindungihrenNiederschlag.UnterBerücksichtigungvonVerhand-lungen und Ausgleichszahlungen würde die einMann-eineStimmeRegeldasRechtaufStimmen-tausch begründen. Der Austauschmechanismuswürde dann die relative Stärke der individuellenPräferenzen preisgeben. Politische Verhandlungenkönnen eine Lösung für das IntensitätsproblembietenundgleichzeitigdasProblemderZyklizitätlösen.

Stimmentausch und politische VerhandlungenerhöhenaufvieleArtendie interneVorhersagbar-keit des Ergebnisses für jene, die in den Prozessinvolviert sindundvollständigdarüber informiertsind.StimmentauschgewährleistetVerhandlungenund politischen Austausch, um stabile politischeVereinbarungenzufördern.IndemAusmaß,inwel-chempolitischerAustauschdurchDurchsetzungs-

mechanismen (zB das Ansehen eines politischenAkteurs) unterstützt wird, haben die Mitgliedereiner gesetzgebenden Körperschaft mit ähnlichenInformationen über ihre jeweiligen Chancen dieMöglichkeitunterBedingungensymmetrischerIn-formationzuverhandeln.DabeitauschensieStim-men zu Themen, zu welchen sie schwache Präfe-renzenhaben,gegenStimmenzuThemen,zuwel-chensiestarkePräferenzenhaben.DieökonomischeTheorie lehrt, dass die Verhandlungen zwischenPolitikernsolangeandauernwerden,bisdermargi-naleNutzeneineweitereStimmezueinembestim-men Thema zu gewinnen gleich den marginalenKostenderAufgabeeinerStimmezueinemanderenThemaist.

DasErgebnis,welchesvonMehrheitenuntersol-chenBedingungenkostenloserunddurchsetzbarerpolitischer Verhandlungen erzielt wird, verbessertdieaggregierteWohlfahrtderParteien.DieseErgeb-nisse bestätigen die wichtige Beobachtung vonBuchananundTullock,7)dassbeieinemVerbotvonAusgleichszahlungen nicht sichergestellt werdenkann,dassdaskollektiveHandelnaufdieproduk-tivsteWeiseerfolgt.SolangederTauschdurchsetz-bar und relativ kostenlos ist, werden durch Ver-handlungen sowohl Stabilität wie auch Effizienzerreicht.DieseSchlüssebietenaucheinemutmaß-licheLösungzuTullocks8)Rätsel,warumpolitischeProzessesostabilsind.

DieImplikationendiesesGedankenstrangessindweitreichend und können in den folgenden zweiBehauptungen ausgedrückt werden: (�) Wenn dieBedingungendesCoase-Theorems9)füralleWählererfülltsind(dhwenndiepolitischenSachwalterindurchsetzungsfähige Koalitionsverträge mit ande-renSachwalterneintretenkönnen),istdieZusam-mensetzungderursprünglichenMehrheitskoalitionfür das Ergebnis der politischen Entscheidungenirrelevant; und (2) wenn das Coase-Theorem gilt,sinddiePräferenzenderWählerstrengkonkav,undwennStimmentauschvereinbarungendurchsetzbarsind, ist Zyklizität in einem multidimensionalenRaum politischer Entscheidungen ausgeschlos-sen.�0)WenndaherpolitischeVerhandlungenkos-tenlosundpolitischeVereinbarungendurchsetzbarsind, wird das resultierende politische Gleichge-wichtdaseinzigmöglicheseinundwirdaneinemPunkt liegen, welcher ein soziales Maximum dar-stellt.JederanderePunktalsdasglobaleMaximumwird instabil sein, da es immer eine Rente gebenwird, die groß genug ist, umAusgleichszahlungenanWähler imGegenzug fürpolitischeZugeständ-

7) Buchanan/Tullock,Thecalculusofconsent.Logi-calfoundationsofconstitutionaldemocracy(�962)�53.

8) Tullock, Why so much stability?, Public Choice37(2)(�98�),�89ff.

9) Coase,Theproblemofsocialcost,JournalofLawandEconomics3(�960),�ff.

�0) Parisi (FN4).

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nissezuermöglichen.IstdersozialoptimalePunkteinmalerreicht,gibteskeineMöglichkeit,diepoli-tischeVereinbarungzudestabilisieren.

C. Die Grenzen politischer Märkte

Politik-MarktMetaphern legendasFundament fürdie Forschung in Public Choice und politischerÖkonomie.Stigler, Becker,Peltzman��)undandereAutorenlegenbahnbrechendeFormulierungenderEffizienzhypothesefürdiePolitikvor.Diesefunda-mentaleHypothesegehtdavonaus,dasssichpoli-tischeMärktegenerell leeren–wenigstensindemSinn,dassimGleichgewichtkeinIndividuumseinVermögen(seinenNutzen)erhöhenkannohnedasVermögen(denNutzen)vonwenigstenseinemIndi-viduumzuverringern.EinkritischerBerichteinesAußenstehendenüberdieChicago-Perspektivepo-litischerMärktefindetsichbeiRowley.�2)

InderrealenPolitikfunktionierengesetzgebendeund politische Organe jedoch selten wie Märkte.Eine vollständige Analyse der Politik-Markt Ana-logie kann nicht in einem Vakuum durchgeführtwerden,sondernmussderRealitätdemokratischerPolitik ausgesetzt werden. Cooter�3) identifiziertmehrere Schwächen der Politik-Markt Analogie.Erstens sind politische Sachwalter eingeschränktdurchdasAusmaß,inwelchemsieindurchsetzbarepolitische Verträge eintreten können. Zweitenshängt der Wert der Stimme eines Mitglieds einergesetzgebendenKörperschaftoftdavonab,wiean-dereMitgliederabstimmen.Esgibttiefgreifendeex-terneEffekteunddarausresultierendeFreeriding-AnreizebeipolitischenAktivitäten.DrittensgibtesinderrealenPolitikzuvielepolitischeHandlungs-träger, als dass jeder mit jedem in Verhandlungtreten könnte. Im Gegensatz zum atomistischenMarktdertraditionellenWirtschaftswissenschaftenwärenbilateraleVerhandlungeninderrealenPolitikunerschwinglich teuer. Viertens gibt es eine weit-schweifige Abneigung gegen eine Rationalisierungder Politik als ein Markt für Übereinkünfte. Ge-wöhnlicheStaatsbürgermitnurwenigInformationüber Verhandlungen im Zuge der Gesetzgebungwürden jede Institutionalisierung politischer Ver-handlungenablehnenundEinspruchdagegenerhe-ben, dass ihre Vertreter offenen Stimmentauschbetreiben.

Parisi�4) führt in vier Folgesätzen weiter aus,warum Politik-Markt Analogien unpräzise sind:

��) Stigler,Economiccompetitionandpoliticalcom-petition,PublicChoice�3(�97�),9�ff;Becker,Atheoryofcompetitionamongpressuregroupsforpoliticalinflu-ence,QuarterlyJournalofEconomics98(�983), 37�ff;Pelzman,Howefficientisthevotingmarket?,JournalofLawandEconomics33(�990),27ff.

�2) Rowley,Publicchoice(3Volumes)(�993)��ff.�3) Cooter,Thestrategicconstitution(2000).�4) Parisi (FN6).

(�)beschränkte Durchsetzbarkeit politischer Ver-träge;(2)Themenbündelung;(3)VersagenaufgrundvonFreeridingundVerhandlungsversagen;(4)Agen-cyProblemeunddaspolitischeDilemma.

D. Die Durchsetzung politischer Verhandlungen

Die Brauchbarkeit politischer Märkte mit Coase-StrukturenwieStimmentauschoderStimmenhan-delberuhtaufderBedingung,dassallepolitischenÜbereinkünftedurcheffektiveMechanismendurch-gesetzt werden können. Zum Zweck unserer Ana-lyse kann der Durchsetzungsmechanismus recht-licher, institutionelleroder informellerNatursein.InderTathabendieCoase-VerhandlungsresultateinderPolitikwieinMärktenihreGültigkeit,egalobdieStabilitätpolitischerÜbereinkünftendurchju-ristischeInstitutionen,wiebeiderständigenJudi-katurzumVertragsrecht,oderspontanaufandereWeise,wiedurchinformelleDurchsetzungsmecha-nismenwiejenevonKronman,�5)erreichtwird.

Die Durchsetzbarkeitsbedingung verlangt auch,dassjeglicherVersuch,dievoneinerKoalitionvonWählernausverhandeltepolitischeEntscheidungzumodifizieren,vonallenVertragsparteienakzeptiertwerden müsste – Verträge können nur mit Zu-stimmungderVertragsparteienaufgelöstwerden.Indiesem Szenario können Mitglieder der Minder-heitsparteien indieKoalitioneintretenundeinenkleinenEffektaufdasErgebnisderpolitischenEnt-scheidungenhaben,indemsiealleMitgliederderimVorhinein bestehenden Mehrheit überbieten oder„bestechen“.BeidurchsetzbarenVerträgenkönnendie Mitglieder einer Mehrheitskoalition sich nichteinseitig loslösen indem sie sich einer Minderheitanschließen.SiewerdenvielmehrgemeinsamAn-gebotevonMinderheiteninErwägungziehen,wel-che den Status Quo durch Ausgleichszahlungenbeeinflussen. Sie können jedoch nicht aus einerbestehendenKoalitionausbrechen,dasolcheKoali-tionsvereinbarungennurmitZustimmungallerPar-teienmodifiziertwerdenkönnen.

Diese idealen Rahmenbedingungen sind in derrealenPolitikjedochnurseltengegeben.WieauchCooter�6) feststellt, sind politische Verhandlungeninder realenPolitikdurchein speziellesProblembeeinträchtigt, welches in privaten Verträgen nor-malerweisenichtvorkommt.PolitischeHandlungs-träger können nur beschränkt in durchsetzbarepolitische Tauschprozesse eintreten. So sind zumBeispielKoalitionsübereinkünftenurso langegül-tig, bis eineneueKoalition geformtwird.ÄhnlichgibteskeinenWeg,zukünftigeWahlentscheidungenineinemStimmentausch-Kontextbindendzuma-

�5) Kronman,Contractlawandstateofnature,Jour-nalofLaw,Economics&Organization�(�985),5.

�6) Cooter (FN�3).

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chen,oderdieWahlmöglichkeitenvonzukünftigenAmtsinhaberneinzuschränken.

In einem traditionellen Vertragsszenario kanneinevertraglicheÜbereinkunftnurdurchZustim-mung aller ursprünglichen Vertragsparteien rück-gängiggemachtwerden.BeiinformellenpolitischenÜbereinkünftenjedochkannjederpolitischeSach-walterdieursprünglicheÜbereinkunftbrechenunddieursprünglicheKoalitiondestabilisieren.EsgibtkeinedirektenrechtlichenMittel,umsolcheÜber-einkünftedurchsetzbarzumachen.

GenerellistkeineÜbereinkunftzwischenderzei-tigen Mitgliedern einer gesetzgebenden Körper-schaft über deren zukünftiges Wahlverhalten ge-richtlich durchsetzbar. Mehrheitsbeschlüsse kön-nen zum Beispiel zukünftige Gesetzesänderungennichtgänzlichverhindernoderbedingen,dasssol-che Gesetzesänderungen nur mit einer qualifi-zierten Mehrheit durchgeführt werden. MitgliedereinergesetzgebendenKörperschaftmüssenmanch-malkreativsein,umVerträgeinderPraxisaufdemMarkt für Stimmen durchsetzbar zu machen. Beiverschiedenen Gelegenheiten versuchen die poli-tischen Akteure die Durchsetzbarkeit ihrer Über-einkünfteineinemzukünftigenWahlgangzusigna-lisieren(undderenEinflussgegendenStatusQuosicherzustellen),indemsieöffentlichbekanntgeben,dasssieihreeingegangenenVerpflichtungeneinhal-tenwerden. InanderenSituationenkanndiewie-derholte Interaktion zwischen Politikern zur Ein-haltung einiger politischer Übereinkünfte führenundaufdieseWeisepolitischeKooperationverein-fachen.Schließlich,wieausderLiteraturüberkol-lektives Handeln�7) hinlänglich bekannt, könnenGruppenmit einemgeringerenNiveaudeskollek-tiven Handelns effektiver bei der Erreichung vonZielen mit geringsten Durchsetzungskosten sein,wiediePublicChoiceTheorieineinerVielfaltvonKontexten von politischer Rente auf ausführlicheWeisegezeigthat.�8)Dennochbeschränktdiegene-relleNicht-DurchsetzbarkeitvonpolitischenÜber-einkünftendieVereinbarungen,die zwischenver-schiedenen politischen Repräsentanten und zwi-schendenverschiedenenRegierungskörperschaftengetroffenwerdenkönnen.

E. Themenbündelung und die Einschränkung von politischen Verhandlungen

InderrealenWeltderPolitikexistierenTransakti-onskosten.UmdenEffektvonTransaktionskosten

�7) Olson,Thelogicofcollectiveaction(�965).�8) Kahn,Thepoliticsofunregulation:publicchoice

andlimitsongovernment,CornellLawReview75(�990),280,3�2,Fn�0�;Dixit/Olson M. jr,Doesvoluntarypar-ticipationundermine theCoase theorem?,unpublishedmanscript on file with the George Mason Law Review,August6,�997.

zu minimieren, wird üblicherweise über „Pakete“verhandeltundabgestimmt.

SosindpolitischeÜbereinkünfteinderTatdurchdie Bündelung verschiedener Themen charakteri-siert. Die Abstimmungen über Gesetze bedürfennormalerweiseeinerbinomischenWahl,welcheeinBündel von ausverhandelten Bestimmungen bein-haltet. Die meisten gesetzgebenden Organe erlau-benAbänderungen,welchemitdemInhaltdeszurDebattestehendenGesetzesinkeinemZusammen-hangstehen.�9)

Von der Effizienzperspektive aus gesehen kannBündelung,wieauchKopplunginRohstoffmärkten,zu suboptimalen Resultaten führen. Damit einStimmentauschprozessoptimalfunktionierenkann,solltenalleDimensionendesRaumesfürpolitischeEntscheidungen potentielle Objekte von Verhand-lungenundAustauschsein.BündelungreduziertdieDimensionendesVerhandlungsraumes.Imäußers-ten Fall können alle Dimensionen der politischenEntscheidung auf einen zweidimensionalen Ent-scheidungsraumzusammenschrumpfenundsomitdenVerhandlungsprozesseseinschränken.

IneineridealtypischenWeltohneTransaktions-kosten sollten Bündelungen nicht existieren, umdas vorteilhafte Funktionieren des politischenMarkteszumaximieren.InderrealenWeltmitpo-sitivenTransaktionskostenisteinpositiverUmfangvonBündelungzuerwartenundTeildesglobalenOptimierungsprozesses.Elhauge20)merktan,dassThemenbündelungzueinersystematischenUnter-repräsentierung von weitschweifenden Interessenführenkann,sogarwenndieWählerkeinemkollek-tiven Handlungsproblem gegenüberstehen. DerMarktwird sich jedoch so anpassen,dassderop-timale Tradeoff zwischen Transaktionskostener-sparnissen einerseits und Kopplungsineffizienzenandererseitserreichtwird.

F. Kollektive Handlungsprobleme und das Versagen von politischen Verhandlungen

Zum Thema Transaktionskosten soll eine weitereÜberlegunggetätigtwerden.EinekostenloseTrans-aktionbedarfdesFehlensvonstrategischemVerhal-ten im Verhandlungsprozess. Diese Bedingung istim Kontext von Mehrparteienabstimmungen sehrproblematisch.DieTendenzzuindividuellemstra-tegischem Verhalten wird erhöht, wenn zwei ent-gegengesetzte Gruppen nach einem Kompromissstreben. IneinemrealenMarkt fürStimmenwirdderBegriff„Triangulation“verwendet,umdasRe-

�9) Dixon,Line-itemvetocontroversy,CongressionalDigest64(�985),259,282;Riggs,Separationofpowers:congressional riders and the veto power, University ofMichiganJournalofLawReform6(�973),735(743)ff.

20) Elhauge,Doesinterestgrouptheoryjustifymoreintrusive judicialreview?,YaleLawJournal�0�(�99�),3�.

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sultatderBemühungumdasErlassenvonGesetzeninderMittezwischenideologischenExtremen–wodie Transaktionskosten für Stimmenhandel hochsind–zubeschreiben.Broder2�)schreibtdasKon-zeptder„Triangulation“demfrüherenClinton-Be-raterDick Morriszu).

AlleZyklizitäts-ProblemebedürfeneinerAnzahlvonmindestensdreiWählern.Verhandlungenzwi-schen drei Wählern in einem zweidimensionalenRaumreagierensehrstarkaufFreeridingundande-reFormenderstrategischenOffenlegungvonPräfe-renzen.StelltmansichdieseDreiecks-Konstellationin einem räumlichen Wahlsetting vor, wird klar,dassjedeBewegungimRaumderpolitischenEnt-scheidungenVorteileoderNachteilefürwenigstenszweiGruppenmitsichbringenwird.IndergroßenMehrheit der Fälle werden alle drei Gruppen voneiner potentiellen Änderung der politischen Ent-scheidungbetroffensein.UntersolchenUmständenhatjedeVerhandlung,dievoneinemWählergeführtwird,dasPotentialpositiveNebeneffektefürandereWählerauszulösen.JedeÄnderungderpolitischenEntscheidungen, welche von einem Wähler „ge-kauft“ wird, ist potentiell ein freies Gut, also einkostenloserVorteiloderNachteilfüreinenanderenWähler.IneinerVerhandlungmitdreiParteiensinddieWählerdahermiteinemkollektivenHandlungs-problemkonfrontiert.DasProblemwirdverschärftdurcheinenAnstieginderZahlderWähler.IneinerKonstellationmitvielenWählernkannstrategischesVerhalten den Verhandlungsprozess in der Taternsthaftbeeinträchtigen.

Das oben beschriebene kollektive Handlungs-problemunterscheidetsichnichtvonjedemande-ren Freeriding Problem in einem Coase-Setting.Olson22) diskutiert das kollektive Handlungspro-blemimKontextvonCoase-Verhandlungen,wobeier die praktische Gültigkeit des Coase-TheoremsfüreineMehrparteien-KonstellationinFragestellt.WennderGegenstandderVerhandlungeneinesIn-dividuumseinenVorteil fürandereIndividuenge-neriert, welche in die Verhandlungen nicht invol-viert sind, schafft das Resultat dieser Verhand-lungeneinenpositivenexternenEffekt fürandereIndividuen. Daher können die Anreize die Ver-handlungzuführenernsthaftuntergrabenwerden.Jedes Individuum möchte ein Freerider sein, in-demjemandandererfürdasallgemeineGutzahlt.DaherwirdderLevelderVerhandlungsuboptimalfür das Gemeinwohl sein, ähnlich wie bei einemöffentlichenGut.

2�) Broder, Catatonic politics, Wash Post, Nov ��,�997,atA�9.

22) Olson, The Coase theorem is false?, Paper pre-sentedatthe�997AmericanLawandEconomicsAsso-ciationannualconferenceheldinToronto,Canada.

G. Agency Probleme und das politische Verantwortlichkeits-Dilemma

Wissenschafter auf dem Gebiet des öffentlichenRechts meinen, dass Stimmentausch und andereimplizite oder explizite politische Tauschprozesseverhindertwerdensollten,weildiesediepolitischeVerantwortlichkeitschwächenundweildieUnvoll-kommenheitendesMarketsfürStimmenmitgroßerWahrscheinlichkeit Kosten verursachen, welchehöheralsdieVorteile sind.23)DiehierdiskutierteAnalysedeshypothetischenMarktes fürStimmennimmtdenWillenderWähleralsgegebenan.WennVerhandlungenohneAgencyProblemegeführtwer-den,maximiertdasVerhandlungsergebnisdenNut-zenderWähler.WennaberdieVerhandlungenvondurch bestimmte Interessen geleiteten Repräsen-tantengeführtwerden,bestehtdieMöglichkeitvomobenbeschriebenenoptimalenErgebnisabzukom-men.DieweitereAnalysesolltedenEffektvonAgen-cy Problemen auf den Verhandlungsmechanismusberücksichtigen.InderrealenWeltderPolitikwer-den die meisten kollektiven Entscheidungen vonpolitischen Repräsentanten gefällt,welche inEnt-scheidungsprozessen als Sachwalter der repräsen-tiertenIndividuenauftreten.DiePublicChoiceThe-oriebeschäftigtsichinausführlicherWeisemitderAnalysevonFaktorensolcherfehlerhafterAusrich-tungenvonAnreizen,wie (a) rationaleStimment-haltung;(b)rationaleIgnoranz;und(c)RegulatoryCapture(VereinnahmungdesRegulierungsakteursdurchdiezuregulierendeBranche)unddiedarausresultierendeGefälligkeitsgesetzgebung.SolcheUn-stimmigkeitenwerdenamoffensichtlichsten,wenneinAgencyProblem inderpolitischenVertretungamRandeeinerKampfabstimmungauftritt.

Allgemeinkanngesagtwerden,dassderkollek-tive Entscheidungsfindungsprozess beschleunigtunderleichtertwird,wennesMarktmechanismenermöglichtwirdimpolitischenKontextwirksamzuwerden.OhneVertretungsversagenwirddaskollek-tive Ergebnis ähnlich dem allokativen Ergebniseines Wettbewerbsmarktes sein. Wenn Verhand-lungenvonSachwalternausgeführtwerden,derenzugrunde liegenden Anreize sich von jenen ihrerPrincipals unterscheiden, kann der Marktmecha-nismusgrößereUnterschiedezwischendemidealenund dem tatsächlichen politischen Ergebnis her-vorrufen, wobei die Vertreter sogar versucht seinkönnendiezentralenWertederIndividuen,diesievertreten(dhihrerPrincipals),zuverraten.

III. Schlussbetrachtung

Das Fehlen rechtlicher Durchsetzungsmechanis-men inpolitischen Verträgen erhöhtdieTransak-tionskostenundstellteinoftunüberwindlichesHin-

23) Karlan,Symposiumcommentary:politicsbyothermeans,VirginiaLawReview85(�999),�697.

112 JRPAbhandlungen

©Springer-Verlag2007 Heft2

dernisfürpolitischeKooperationdar.IndieserHin-sicht zeigt die moderne Theorie des öffentlichenRechts ein auffallendes Paradoxon auf, indem siezwarfeststellt,dassvieleöffentlicheRechtssystemeStimmenfang durch Wahlversprechen an ganzeWählergruppeforcieren,jedochStimmentauschaufindividuellerEbeneverbieten.24)DerAustauschvonZuwendungen für Wahlkampagnen gegen vorteil-hafte regierungspolitische Ergebnisse durch poli-tische Amtsträger ist eine unbestrittene RealitätpolitischerMärkte.DennochgibteseinenstarkenintellektuellenWiderstandgegendieAnerkennung–ganzzuschweigenvonderDurchsetzung–expli-ziterTransaktionenzurErreichungvonpolitischemKonsens.DieserWiderstandistoftdasResultatderÜberzeugung,dassStimmentauschfürorganisierteInteressensgruppenvonVorteilist.InderjüngstenForschunghatKarlan25)eineErklärungfürdiesesallgemein beobachtbare Dogma des öffentlichenRechts gefunden. Demnach macht das Rechtssys-temdierechtlicheDurchsetzungpolitischerÜber-einkünfteunmöglichumdieAnreizefürpolitischeÜbereinkünftezu schwächen.DerKaufvonStim-menwirdverhindertundgleichzeitigwirdimplizi-ter Stimmenkauf durch Wahlversprechen erlaubt,weildieWahlversprecheninKampagneneineInfor-mationsfunktionhaben,welcheesWählerngenerellermöglicht, informierter zwischen Kandidaten zuwählen.

AusderPerspektivederRechts-undWirtschafts-wissenschaftenspiegeltderMangelanInstitutionenzurFörderungpolitischerVerhandlungeninnerhalbderProzessepolitischerdemokratischerOrganedieÜberzeugungwider,dassStimmentauschordnungs-gemäßedemokratischeVertretungbehindernwür-de.DieÜberzeugung,dassdieDurchsetzungpoli-tischer Verhandlungen nachteilig für die Gesell-schaftinsgesamtwäre–welchesichoftinDogmendes öffentlichen Rechts herauskristallisiert – hateineklareundverständlichetheoretischeBehand-lungdiesesrechtlichenundpolitischenThemasver-hindert.

IndemAusmaß,indempolitischeVerhandlungenbeim Ausmerzen der Schwächen der Mehrheits-demokratie behilflich sind, soll das institutionelleDesignderGesetzgebungVereinbarungenfördern,welchedieTransaktionskostenpolitischerVerhand-lungenminimieren.

DieskannindemvollenBewusstseingeschehen,dassdieExistenzeffektiverTauschmechanismeninderPolitikdieBesonderheitendeszugrundeliegen-den politischen Systems verstärkt. In einer Welt„guter“ Politik gestatten Austauschmechanismenbessere Ergebnisse. Im Gegensatz dazu können

24) Levinson,SymposiumCommentary:MarketFailu-res and Failures of Markets, Virginia Law Review 85(�999),�745.

25) Karlan (FN23)�7��

diese in einer Welt von politischem Versagen dieexistierendenProblemenochverschärfen.

IneinerpolitischenRealität,welcheschondurchimplizite Verhandlungen in Form von Stimmen-tauschgekennzeichnetist,würdedieExistenzvonDurchsetzungsmechanismeninderPolitikStabili-tätfördernundteureIntransitivitätenimVerhand-lungsprozess oder –noch schlimmer – in den Er-gebnissen politischer Entscheidungen reduzieren.DierechtlicheundinstitutionelleAnerkennungdie-serpraktischenRealität,welcheAgencyProblemeinderpolitischenVertretungkeineswegsnochver-schlimmert,würdedieZurechenbarkeitderHand-lungen zu den politischen Akteuren erhöhen. EintransparenterundlenkbarerMarkt fürpolitischenKonsens,wieschriftlichbelegteSystemevonStim-menhandel,unterstütztdurchinstitutionelleDurch-setzung, würde das undurchsichtige System desimplizitenStimmentauschesvölligdurchsichtigma-chen.DieswürdeohneFragediepolitischeVerant-wortlichkeitpolitischerAkteureinrepräsentativenDemokratienerhöhen.WeiterswürdeschondieAn-wendung der einfachsten Prinzipien des Vertrags-rechts bei der Durchsetzung politischer VerträgealleinedienotwendigenSchutzmaßnahmensichern,umdieStabilitätpolitischerKoalitionenzugewähr-leisten,ohnedabeidieMöglichkeitenvonMinder-heitsgruppenzuschmälern,welchemitMehrheits-koalitionenverhandeln,umdasgewähltepolitischeProgrammzuändern.

Die Durchsetzbarkeit politischer ÜbereinkünfteliefertmehralsbloßeStabilität.Institutionenkön-nengestaltetwerden,umpolitischenAkteurendieMöglichkeitzugeben,ihrenWählerndiewahreIn-tensitätihrerPräferenzenoffenzulegen(oderdereneigenePräferenzen,imFalleeinerdirektenDemo-kratie),indemsieinbindendeStimmentauschüber-einkünfteeintretenundmitdenwahrenOpportu-nitätskosten ihrer Stimmabgabe konfrontiert wer-denanstattdieseanjemandenweiterzugeben,dersiehöherbewertet.

Die Unterstützung solcher Tauschprozesse mitinstitutionellerDurchsetzungwürdeeinenzweifa-chen Nutzen bringen: die Minimierung der Wohl-fahrtskostenvonWahlintransivitätenundgleichzei-tigdieMöglichkeitderWiderspiegelungderkardi-nalenPräferenzenderWählerimpolitischenErgeb-nis. Die Existenz von Institutionen zur Vereinfa-chung von politischen Tauschprozessen kann einwertvollesInstrumentzurStabilitätundpolitischenEffizienzsein.

Der wahre Nutzen durchsetzbarerer politsicherÜbereinkünftesolltejedochnichtnurinFormderStabilitätderpolitischenErgebnissegemessenwer-den. Stabilität kann nicht als Proxy für Effizienzverwendetwerden.InderSocialundPublicChoiceTheoriewirdpostuliert,dassmaninFällen,inde-nen ein „Condorcet Sieger“ zeitweise ineffizientseinkann,zumindestimmerdaraufvertrauenkann,

113F.Parisi·DasCoase-TheoremundpolitischeMärkte

©Springer-Verlag2007

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Heft2

denPräferenzenderMehrheitderwählendenIndi-viduengerechtzuwerden.OhneMechanismen,wel-che die Wähler veranlassen, die wahre Intensitätihrer Präferenzen offenzulegen, können demokra-tische gesetzgebende Systeme Condorcet SiegernnichtüberlegenseinundsolltenRegelnaufstellen,welche es ermöglichen, dass solche Alternativensiegenwennsieexistieren.WennCondorcetSiegernichtexistieren,bestimmendieMethodenunddieAbfolge der Abstimmungen (zB Festsetzung derTagesordnung)daspolitischeErgebnis.IndieseFäl-len,wieCooter26)treffendbeobachtet,wirddiePo-

26) Cooter (FN�3).

litikzueinemWettkampfzwischenverschiedenenrivalisierendenKoalitionen,inwelchemRegelndesProzederesunddieFestsetzungderTagesordnungbeeinflussen,welcheMehrheitihrePräferenzenbe-friedigen kann, anstatt die Präferenzen einer ein-deutigenMehrheitzubefriedigen.

Korrespondenz:  Francesco Parisi, LL.M., J.S.D.,M.A., University ofCalifornia atBerkeley;D. Jur.,University of Rome; Ph.D., George Mason Univer-sity;GeorgeMasonUniversity,SchoolofLaw,330�Fair-faxDrive,Arlington,VA2220�;E-Mail:[email protected].