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SidlerCharlotte RundbRief 2018/nR.5
cochabamba | bolivien
cuentos del bosque
Cuentos del bosque RundbRief 2018/nR.5 0302 Cuentos del bosque RundbRief 2018/nR.5
Feuer, Wasser, luFt und erdeNach mehreren Jahren Dürre reicht ein Funken um grossen Schaden anzurichten. Mehrere grosse Brände zerstörten zwischen Juli und Oktober viele Hektaren Wald und Landwirtschaftsland in Bolivien.
Allein in einem Brand im August 2017 wurden 11´000 ha
(entspricht einer Fläche des Vierwaldstättersees) in Tarija
zerstört. 9´000 ha davon befinden sich in einem Naturreser-
vat. In Cochabamba haben im Jahr 2017 ca. 50 Brände rund
5´700 ha Land geschädigt, davon befanden sich ca. 600 ha
im Nationalpark Tunari. Im Vorjahr 2016 waren es in Cocha-
bamba gar 24´000 ha, eineinhalb Mal die Fläche des Schwei-
zer Nationalparks, die durch Feuer geschädigt wurden.
KlimaWandel - lebensWandelVon den 600 ha Brandfläche im Nationalpark Tunari be-
finden sich 14 ha in Mollesnejta, dem Zentrum für Andine
Agroforstwirtschaft, wo ein Feuer 90% der 42 verschiedenen
Agroforstmodelle verwüstet hat. Für Noemi Stadler-Kaulich,
Leiterin des Zentrums und Mitgründerin meiner INTERTE-
AM-Partnerorganisation ECO-SAF, bedeutet der Brand der
Verlust von 20 Jahren intensiver Aufforstungsarbeit auf dem
16 Hektaren grossen Grundstück. Verloren gingen auch un-
zählige wissenschaftliche Daten und Versuchsflächen auf der
Suche nach möglichen Modellen der Pflanzenvergesellschaf-
tung für die Aufforstung und nachhaltige Bewirtschaftung
des Nationalparks Tunari, der sich nördlich von Cochabamba
erhebt und eine wichtige Funktion für die Trinkwasserver-
sorgung der Stadt erfüllt. Für die Natur ist es der Verlust von
hunderten verschiedener Pflanzenarten. Selbst Pflanzen,
die weder internationale Experten noch lokale Pflanzenken-
ner identifizieren konnten, waren in der artenreichen Insel
gewachsen. Der Zufluchtsort für unzählige Vögel, Reptilien-
und Insektenarten wurde in einen grauschwarzen Asche-
fleck verwandelt.
Ich war an jenem Tag nicht in Mollesnejta. Erst am Abend,
als der Spuk vorbei war, habe ich erste Bilder und Videos des
Unglückes erhalten, das sich am Nachmittag des 15. Augusts
in Combuyo, ca. 30 km nordwestlich von Cochabamba, ereig-
net hatte. Immer wieder betrachtete ich ungläubig die Bilder,
die das kleine Paradies inmitten der kargen Hänge des Tunari
mit Staub und Asche überdeckt zeigten.
In Mollesnejta wurden viele Landwirte sowie technisches
Personal aus ganz Bolivien aber auch aus dem Ausland aus-
gebildet. Delegationen aus Peru, Chile, Kolumbien, Deutsch-
land oder der Schweiz haben Mollesnejta besucht. Sogar aus
Madagaskar waren Leute gekommen, um Agroforstwirt-
schaft zu lernen. Nationale und internationale Studierende
und Forschende haben auf dem Grundstück verschiedens-
te Themen untersucht. Auch ich hatte damals meine ersten
praktischen Erfahrungen in Agroforstwirtschaft in Mollesne-
jta gemacht. Die Eigeninitiative war in den letzten fünf Jah-
ren zu einem immer bekannter werdenden internationalen
Forschungsinstitut gewachsen.
“Trotz dieses großen Verlustes haben wir uns nicht ergeben,
sondern sogar beschlossen mit noch mehr Kraft voranzu-
schreiten und das Zentrum für Andine Agroforstwirtschaft
auszubauen“, meint Noemi Stadler-Kaulich. „Wir planen
derzeit eine interdisziplinäre Studie über die spontane Rege-
neration der verschiedenen Pflanzenkombinationen in den
Agroforstmodellen und deren Ökosysteme nach einem Brand“,
gibt Stadler-Kaulich Auskunft über die ersten Schritte für die
Zukunft und lädt interessierte Personen ein, sich mit einem
Motivationsschreiben für eine Mitarbeit an dieser Forschung
zu bewerben.
Mit viel Kraft und Unterstützung ihrer Familie, Freunde
und ehemaligen Mitarbeitenden erreicht Noemi die Neu-
gründung von Mollesnejta. Aus ihrem privaten Versuchsbe-
trieb gründet sie ein offizielles Kleinunternehmen, ein For-
schungs- und Bildungszentrum für Agroforstwirtschaft.
vom regen in die trauFeUnd dann endlich setzt der Regen ein. Lang ersehnt und
wohltuend erfrischend. Doch für viele verwandelt sich die
lang ersehnte Erfrischung und Erlösung in den nächsten Alb-
traum. Nachdem viele Menschen bald nicht mehr wussten,
woher sie Wasser zum trinken erhalten sollen, geschweige
denn zum kochen, waschen und die persönliche Hygiene,
sind bald darauf viele auf der suche nach einem trockenen
zu Hause. Im Februar fallen die Niederschläge, die seit Mitte
Oktober hätten fallen sollen. Die ausgetrockneten und degra-
dierten Böden können die grossen Wassermassen nicht genü-
gend schnell aufnehmen. Ausgetrocknete Bachbecken ver-
wandeln sich in reissende Flüsse, einige treten gar über ihre
Ufer und verursachen Überschwemmungen in mehreren De-
partementen Boliviens. Insgesamt sind ca. 15’500 Familien in
den Departementen Tarija, Potosí, Beni und Cochabamba be-
troffen. Strassen verwandeln sich in nur wenigen Minuten in
reissende Bäche wegen schlecht unterhaltenen, verstopften
oder fehlenden Abwassersystemen. Schlammlawinen zerstö-
ren Häuser und verwüsten ganze Quartiere. Weil die Regen-
fälle nicht nachlassen, können viele wochenlang nicht in ihre
Häuser zurückkehren. Die Gefahr für weitere Erdrutsche hält
an. Allein in Cochabamba sind gut 3000 Familien betroffen.
So auch das Quartier eines Arbeitskollegen meiner Partner-
organisation AGRECOL Andes: „Molle Molle“ im Westen von
Cochabamba. Auch wenn sich die Zone nicht im Kernbereich
der Schlammlawine befand und an seinem Grundstück nur
leichte Schäden angerichtet wurden, möchte seine Frau auch
nachdem sich der Regen verzogen hat noch nicht ins Haus zu-
rück. Die Angst ist zu gross.
Selbst der Fastnachtsumzug wurde bis Mitte März verscho-
ben, weil Gemeindepersonal, Feuerwehr und Sicherheits-
dienst mit den Aufräum- und Sicherungsarbeiten in den be-
troffenen Dörfern beschäftigt waren.
Einmal mehr wird uns klar, wie wichtig die Aufforstung
und die Erhaltung und Verbesserung der Böden an den
Hängen des Tunari für die Bevölkerung in der Stadt
Cochabamba ist.
loKale und nationa-le ausWirKungen des agroForstKongressesSeit dem letzten Rundbrief konnten einige Projekte abgeschlossen werden. Zum nationalen Agroforstkon-gress zum Beispiel zieht ECO-SAF eine positive Bilanz.
Am 17./18. November 2017 habe ich gemeinsam mit meiner
INTERTEAM-Partnerorganisation ECO-SAF den 5. Nationalen
Agroforstkongress in Bolivien organisiert. Rund 200 Perso-
nen aus dem ganzen Land kamen nach Arani. ECO-SAF legt
beim Agroforstkongress den Schwerpunkt nicht auf luxuriö-
se Einrichtungen oder viel Prestige. Hemd und Krawatte sind
zwar nicht fehl am Platz aber auch kein Muss für die Teil-
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01 Verbrannte Pflanze der Kaktusfeige in Mollesnejta. 02 Das Zentrum Mollesnejta kurz nach dem Brand. 03 Aufräumarbeiten in der Nachbarschaft in Molle Molle. 04 Überschwemmte Strasse in Cochabamba.
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01 Feldbesuch am Agroforstkongress Kongress. 02 In der Parzelle von Serafin Vidal. 03 Jugendlicher des Cometa kontrolliert das Feuer um Biokohle zu produzieren. 04 Theorielektion bei Noemi Stadler-Kaulich.
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nehmenden. Die Idee des Kongresses ist die neusten akade-
mischen Kenntnisse in Agroforstwirtschaft den Landwirten
zu vermitteln und deren Umsetzung in der Praxis anzuregen.
Gleichzeitig soll der Austausch von Schwierigkeiten und Be-
obachtungen der Landwirte im Feld neue Forschungen an-
regen. Somit wird die Zusammenarbeit von Universitäten,
Landwirten und weiteren involvierten Institutionen geför-
dert.
Kongress auF dem gelände der PFadFinderAuf dem Gelände der Pfadfinder in Arani fühlt sich Nora
„wohler“ als in formellen Universitätsgebäuden. „Dies hilft
mir aktiv mitzuarbeiten und meine Ideen und Gedanken aus-
zudrücken“, meint die junge Praktikantin aus La Paz, die ihre
Erfahrungen aus einem Projekt in Aramasi, Tapacari präsen-
tiert. Das Projekt wird von vielen Landwirten besucht, die
neu auf Agroforstwirtschaft umstellen möchten und ist sehr
reich an praktischen Erfahrungen mit Bauernfamilien. Ein
wichtiger Beitrag für den Kongress.
Am ersten Tag werden verschiedene wissenschaftliche Ar-
beiten und praktische Erfahrungen aus Bolivien präsentiert.
Sowohl neuste ökonomische Erfolge mit Kakao oder Baum-
nuss, als auch Arbeiten zur Anpassung an die Klimaverände-
rungen, zur Nahrungsmittelsicherheit, Bodenfruchtbarkeit
und ökologischer Schädlingsbekämpfung werden in Grup-
pen diskutiert und inspirieren zur Entwicklung neuer Ideen,
Projekte und Lösungsvorschläge. Der zweite Tag startet mit
einem Einblick in aktuelle Forschungsthemen aus Costa Rica.
Im Anschluss besuchen die Teilnehmenden Agroforstparzel-
len in Arani.
hohe artenvielFalt trotz extremer Klimati-scher bedingungenArani ist bisher nicht bekannt für grosse oder erfolgrei-
che Projekte in Agroforstwirtschaft. Da die Teilnehmenden
aber am Vortag die lokalen klimatischen Bedingungen erle-
ben konnten, sind sie beeindruckt von den Resultaten. Star-
ke Winde setzten kurz vor dem Mittag ein und liessen nicht
nach bis spät abends. Zusammen mit der starken Son-
neneinstrahlung, der Hitze am Nachmittag, der nächtli-
chen Kälte und der aktuellen Dürreperiode sind das äus-
serst schwierige Konditionen für die Landwirtschaft.
Kein Wunder erhält Serafin Vidal bereits wenige Tage nach
dem Kongress mehrere Anfragen für weitere Besuche auf
seiner knapp 500 m2 grossen Parzelle, wo er 71 verschiede-
ne Arten Gemüse, Früchte, Getreide, Gewürzpflanzen, medi-
zinale Kräuter, Blumen und forstliche Bäume anbaut.
gelungener austausch motiviert Für die zuKunFtZusammenfassend ist uns am 5. Nationalen Agroforstkon-
gress in Bolivien der Austausch zwischen Landwirten und
angesehenen Akademikern auf gleicher Augenhöhe gelun-
gen. Wissenschaftliche und praktische Erkenntnisse, die sich
gegenseitig ergänzen, wurden eingebracht. Viele Teilneh-
mende sind motiviert und mit neuen Ideen an ihre Arbeits-
plätze zurückgekehrt; sie wollen die Agroforstwirtschaft mit
ihren vielseitigen Aspekten weiterentwickeln und die nach-
haltige Produktionsweise weiterverbreiten.
Der Kongress ist zwar vorbei, ganz abgeschlossen ist er aber
noch nicht. ECO-SAF wird die Schlussfolgerungen und Erfah-
rungen des Anlasses mit der Regionalvertreterin aus Tarija
auswerten, denn dort wird in zwei Jahren der nächste Kon-
gress stattfinden.
öKologische landWirtschaFt mit sozialem schWerPunKtDie Gartenarbeiten mit den Kindern im Zentrum Q’anchay der Departamentsregierung soll nach dem Einstellen der direkten Intervention durch Fachperso-nen von INTERTEAM nicht enden. Der Q’anchay Wald soll kein einmaliges Ereignis bleiben.
Das Pilotprojekt für soziale Arbeit mittels partizipativer Pla-
nung und Umsetzung umweltfreundlicher Gärten und Auf-
forstungen mit sozial benachteiligten Personen weist nun
zwei Jahre Erfahrungen auf und soll nachhaltig etabliert
werden. Lokale Fachkräfte werden in die Organisation der
Aktivitäten eingeführt, um das Projekt in Zukunft anzulei-
ten. Dazu werden wir die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt
in Abschlussklassen von Landwirtschaftlichen Berufsschu-
len und Technischen Hochschulen präsentieren. Die Idee ist,
ein Abkommen zwischen den Bildungsinstitutionen und den
Zentren der Departamentsregierung vereinbaren zu können.
Win-Win situation Für bildungsinstitutionen und zentren der dePartamentsregierungDie Berufs- und Hochschulen bieten dann den Studierenden
an, ihre Praktika und Abschlussarbeiten in einem partizipa-
tiven Projekt mit sozialem Schwerpunkt umsetzen zu kön-
nen. Dadurch erlangen Personal und Bewohner der Zentren
welche sozial benachteiligte Personen beherbergen, land-
wirtschaftliche Kenntnisse und können die Produktion für
die eigene Küche verbessern. Die Zentren stellen Land und
Anlagen zur Verfügung für die landwirtschaftliche Produk-
tion, bieten den Studierenden Kost und Logis und unterstüt-
zen sie in sozialen und psychologischen Aspekten. Sozial in-
teressierte Studierende an Landwirtschaftlichen Berufs- und
Hochschulen können somit erste Erfahrungen in einem bis-
her nicht bekannten Arbeitsfeld machen und gleichzeitig das
Interesse an ökologischer Produktion verbreiten.
Durch den partizipativen Ansatz der Projekte, erlangen
Personal und Bewohner der Zentren nicht nur technische
Kenntnisse in Landwirtschaft, sondern auch Kenntnisse in
Entwicklung und Durchführung von Projekten. Kann das Ab-
kommen zwischen den Bildungsinstitutionen und den Zent-
ren der Departamentsregierung periodisch erneuert werden,
sind Folgeeinsätze in den verschiedenen Zentren gewährleis-
tet. Fachleute von INTERTEAM treten somit betreffend der
direkten Arbeit mit der Zielbevölkerung etwas in den Hin-
tergrund und erhalten eine Unterstützungs- und Beratungs-
funktion, während die Organisation und Durchführung weit-
gehend von lokalem Personal übernommen wird.
Als erste Technische Hochschule hat sich das Technologische
Landwirtschaftliche Institut von Tarata sehr interessiert ge-
zeigt. Sie hatten bereits mit dem Aufbau einer Vermikompos-
tierung (Kompost mit Regenwürmern) in einem Zentrum für
drogenabhängige Jugendliche geholfen.
diPlom in agroForst-WirtschaFt Für straFtätige jugendlicheHolzkohle, Aufforstung, Botanik, Eselreiten und Zitro-nenlimonade – mit diesen Stichwörtern könnten die acht Jugendlichen, die an der Ausbildung in Agroforst-systemen teilnehmen, ihre bisherigen Erfahrungen
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zusammenfassen.Gemeinsam mit INTERTEAM-Kollegin Héloïse Calame und
dem Zentrum für andine Agroforstwirtschaft „Mollesnejta“
haben wir zu Beginn dieses Jahres eine Agroforstausbildung
für straftätige Jugendliche des Zentrums “Cometa“ der Depar-
tamentsregierung begonnen. Die deutsche Stiftung „Jugend,
Bildung, Hilfe“ unterstützt das Projekt mit Einschreibege-
bühr und Transport der Jugendlichen. Ziel ist, die Jugendli-
chen in einer zwei Jährigen Ausbildung so weit in Agroforst-
wirtschaft und ökologischem Landbau auszubilden, dass sie
sich beim Verlassen des Cometa als Arbeitskräfte in Projekten
oder Betrieben im gartenbaulichen, landwirtschaftlichen
oder agroforstwirtschaftlichen Sektor auf eine Anstellung be-
werben oder gar empfohlen werden können. Die Ausbildung
wird mit einem Diplom ausgezeichnet, welches die Teilnah-
me und die erlangten Kenntnisse bestätigt.
Acht Jugendliche haben sich für die Ausbildung interessiert
gezeigt. Durch ihre Teilnahme haben sie einmal pro Monat
die Erlaubnis einen Tag mit uns und einer Aufsichtsperson
nach Mollesnejta zu fahren.
arbeit statt langeWeileLangweilig ist das Lernen bei Noemi Stadler-Kaulich keines-
falls. Die Pädagogin und Expertin in Agroforstwirtschaft hat
auf ihrem 16 ha grossen Betrieb mehr als genug zu tun. So ler-
nen die Teilnehmenden beim praktischen Arbeiten die ver-
schiedenen Tätigkeiten, die in Agroforstparzellen und ökolo-
gischem Landbau je nach Jahreszeit anstehen. Natürlich sind
aber auch Pflanzenkunde und Theorielektionen zur jewei-
ligen Aktivität Teil des Kursprogrammes. Da jeweils nur ein
Kurstag pro Monat absolviert wird, sind Hausaufgaben zur
Repetition des neu gelernten sehr wichtig. Die Ausbilder des
Zentrums helfen mit, die Jugendlichen an ihre Hausaufgaben
zu erinnern und unterstützen sie bei Fragen zu Orthografie
und Grammatik. Für die Klärung inhaltlicher Fragen besu-
chen wir die Jugendlichen jeweils einen Halbtag im Cometa.
genau beobachten um von der natur zu lernenAm ersten Kurstag führt uns Noemi durch das Gelände. Sie
zeigt uns, wie auch sie immer wieder von der Natur lernt. Ein
Quilquiña-Kraut wächst auf dem Weg zwischen den Steinen.
Quilquiña ist ein sehr begehrtes Gewürzkraut in Bolivien. Zu
sehen, dass es wild in ungeschützten Bedingungen mit sehr
viel Sonne wächst, lehrt uns, wie wir es kultivieren können.
Die Ideen der Jugendlichen, wie sie Quilquiña anbauen und
verkaufen könnten, lassen nicht lange auf sich warten. Einige
der Jugendlichen geniessen es sehr, den Rundgang auf dem
Rücken von Noemis Eseln machen zu können.
Genau beobachten soll gelernt sein. Die Aufgabe ist eine
Pflanze auszusuchen und abzuzeichnen, zuerst einen ganzen
Zweig bis hin zum kleinsten Detail, das auf dem Blattrücken
erkennbar ist. Mehrere reagieren erstaunt über die kom-
plexen Strukturen, die sie an ihrer Pflanze entdecken.
bioKohle Für die bodenFruchtbarKeitIn einer weiteren Gelegenheit werden die Jugendlichen dann
schon richtig gefordert. Nach dem Brand in Mollesnejta im
August letzten Jahres hat Noemi viel Holz der toten Bäume.
Dieses verarbeitet sie zu Biokohle, um die Bodenfruchtbar-
keit zu verbessern. Zuerst muss das Holz und die Äste ver-
kleinert und nach Grösse sortiert werden. Danach werden sie
in einem konisch geformten Feuerloch verkohlt. Dicke Stäm-
me werden zuunterst ins Feuerloch gelegt, darauf kommen
dünnere Äste und zuoberst schliesslich das feine Astmaterial.
Alles wird sorgfältig angeordnet damit möglichst wenig Hohl-
räume zwischen den Holzstücken bleiben. Ist das Feuerloch
bis oben gefüllt, wird die Holzbeige von oben her angezündet
bis das Feuer genügend heiss ist. Mit Wasser und durch Klop-
fen mit einem Holzstamm kontrollieren die Jugendlichen
anschliessend das Feuer. Das Holz soll nicht zu Asche ver-
brennen, sondern Kohle bilden. Die Kohle wird später in den
Boden eingearbeitet. Sie verbessert mit ihrer porösen Struk-
tur den Bodenwasserhaushalt, vermindert die Nährstoffaus-
waschung und ist zudem eine sehr effiziente und lang wäh-
rende Kohlenstoffsenke.
Für den nächsten Arbeitstag kündigt uns Noemi die Pflan-
zung einer Agroforstparzelle mit Feigenkaktus an, in der die
Trockenheitsresistenz erforscht werden soll.
gutes essen erleichtert harte arbeitImprägniert mit dem Geruch vom Rauch, als hätten wir einen
gemütlichen Grillnachmittag verbracht, aber müde von der
Arbeit und der Sonne, steigen wir in den Kleinbus, der uns
zurück ins Cometa fährt. Die Jungs geniessen die Arbeitsta-
ge. Obwohl sie müde und schmutzig werden, freuen sie sich
jedes mal darauf «mal rauszukommen». Sie geniessen das
leckere Mittagessen, das Noemis Mitarbeiterin jeweils kocht.
Suppe und Hauptspeise und dazu selbst gepresste Zitronen-
limonade aus selbst gepflückten Zitronen, die es im Zentrum
Cometa nicht gibt. Und wenn die Jugendlichen ganz gut gear-
beitet haben, wissen sie, dass es auf der Rückfahrt zur Beloh-
nung einen kurzen «Coca-Cola-Stopp» gibt. Das vermutlich
beliebteste Süssgetränk Boliviens kann sich die Heimküche
nicht leisten.
Wo die tomate Wie unKraut WächstKleingärten in der Stadt verbessern die Lebensqualität und können die Wertschätzung für frische und gesunde Lebensmittel erhöhen.
Ich neige nicht nur aus Sicherheitsgründen dazu auf der
Strasse nicht ständig aufs Handy zu schauen. Kürzlich habe
ich aber auf meinem Weg innegehalten, mein Handy aus der
Tasche gekramt und ein Bild gemacht. Es sind tatsächlich To-
maten. Die rot leuchtenden Cherry Tomaten am Fusse eines
Baumes sind nicht zu verwechseln. Es scheint, als hätte der
Baum sogar mehr Mühe mit dem Wachstum als die Tomate,
die ihrerseits keinesfalls den Eindruck macht, als würde sie
gepflegt. Wenn sogar Tomaten wie Unkraut auf dem Gehsteig
wachsen, wieso beträgt dann die Mangelernährung in Boli-
vien dennoch knapp 16 %? Und wie trägt mein Einsatz bei IN-
TERTEAM dazu bei, diese Situation zu verbessern?
verbindung zWischen stadt und landDie neuen Aufgabenbereiche in meinem Einsatz sollen Stadt
und Land näher zusammenbringen. Zum einen ermögli-
chen Kleingärten in Bildungs- und Erziehungsinstituti-
onen neue Wege in der Gewaltprävention. Andererseits
kann man mit urbanen Gärten und der Ausbildung von
Kindern und Jugendlichen in ökologischem Landbau er-
reichen, dass die Leute die Arbeit der Bauern auf dem
Feld kennenlernen und frische Nahrungsmittel vermehrt
schätzen. Man kann kleine Flächen in der Stadt nutzen um
Nahrungsmittel zu produzieren. Ein Beispiel dafür ist die
Tomate auf dem Gehsteig. Auf kleinen Flächen produziert
man zwar wenig und ökonomisch trägt es nur einen kleinen
Beitrag zum Familienbudget bei. Es ist dennoch schön, wenn
man das Menü ab und zu mit frischem eigenem Gemüse er-
gänzen kann. Wenn man die Schwierigkeiten und den Auf-
wand der Produktion kennt, schätzt man frische und gesunde
Lebensmittel mehr.
Ziel der Sensibilisierung und Ausbildung im urbanen Raum
ist, die Nachfrage für nachhaltig produzierte Nahrungsmit-
tel zu steigern und auch die Bereitschaft dafür, einen etwas
höheren Preis zu bezahlen. Der Bauer ist folglich nicht mehr
nur Bauer, er wird zum Nahrungsmittelproduzent. Diese
Wertschätzung kann Landwirte motivieren, ihre Felder nicht
zu verlassen, sie nahhaltiger zu bewirtschaften und even-
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01 Jugendlicher des Cometa lernt Bäume pflanzen. 02 Cherrytomaten wach-sen sogar auf dem Gehsteig. 03 Mein Versuchsgarten auf der Terrasse. 04 Oder Tomaten spriessen am Strassenrand.
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ganz herzliches «danKeschön»Ich möchte mich herzlich bei all jenen bedanken, die INTERTEAM eine Spende zukommen liessen. Mit meinem Einsatz kann ich einen konkreten und wertvollen Beitrag leisten, um armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen in meinem Einsatzland ein besseres Leben zu ermöglichen. Jedoch ist dies nur durch die Mitfinanzierung von privaten Spenden möglich. Ich und INTERTEAM freuen uns daher über jede finanzielle Unterstützung.
PC-Konto 60-22054-2 INTERTEAM Luzern ; Vermerk: Charlotte Sidler, Bolivien
INTERTEAM setzt sich für Kinder und Jugendliche in Afrika und Lateinamerika ein, damit diese ihre Po-tentiale entfalten und als Hoffnungsträger die Zukunft ihrer Gesellschaft selbstbestimmt mitgestalten können. Die Hilfe erfolgt durch mehrmonatige bis mehrjährige professionelle Einsätze von Fachleuten, kombiniert mit gezielten Projektfinanzierungen.
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USD Raiffeisenbank, 6003 Luzern IBAN: CH71 8120 3000 0074 2392 3 Swift: RAIFCH22
tuell animiert es gar Leute dazu, Landwirte zu werden. Mit
höherem Einkommen könnte sich letztlich auch die ländliche
Bevölkerung eine vielseitige und ausreichende Ernährung
leisten.
ein Wohltuender grüner FlecK in der stadtIn Blumentöpfen und PET Flaschen habe ich selber einen
kleinen Garten auf meiner Terrasse aufgebaut. Auch wenn
ich damit keinesfalls selbstversorgend bin – das könnte ich
nur im Falle von grünem Salat behaupten – ist das Gefühl
produktiv zu sein irgendwie befriedigend. Es schmeckt bes-
ser, wenn man das Menü ab und zu mit frischem Salat, Ra-
dieschen, Bohnen, Karotten, Fenchel oder Tomaten ergänzen
und zum würzen zwischen Petersilie, Basilikum, Minze, Quil-
quiña, Huacatay und Chili auswählen kann. Selber erfahre
ich, wie mir mein kleiner grüner Fleck auf der Terrasse das
Leben in der Stadt erleichtert. Obwohl ich mich sehr gut in
Cochabamba eingelebt habe, vermisse ich manchmal die grü-
nen Felder aus dem Luzerner Seetal und es tut mir gut, ab
und zu in der Erde wühlen zu können.
mein labor Für miniatur agroForstWirt-schaFtMehr als nur zur Freizeitbeschäftigung dient mein Garten als
Labor. Wenn ich den Jugendlichen in den Zentren der Depar-
tementsregierung die Gartenarbeiten richtig erklären will,
brauche ich eigene Erfahrungen. Ich habe in meinem Studi-
um nur wenig zu Agronomie absolviert und habe auch sonst
nur wenig praktische Erfahrung in diesem Bereich. Daher
wende ich die Prinzipien der Agroforstwirtschaft: Bodenbe-
deckung, Artenvielfalt, Begleitfunktionen der Pflanzen usw.
in meinen Blumentöpfen an. In meinem Labor wachsen
19 verschiedene Früchte, Gemüse und Gewürzpflanzen.
Bohnen und Klee verbessern den Stickstoffgehalt der Erde.
Gewürzpflanzen sollen Insekten abschrecken und Unkräuter
lasse ich wachsen bis sie gross sind, reisse sie aus und lege sie
auf die Erde, wo sie wieder zu Humus werden. Auf engstem
Raum beobachte ich, welche Pflanzen sich gegenseitig helfen
und welche sich nicht gut vertragen. Zusätzlich habe ich ei-
nen Onlinekurs zu urbaner Landwirtschaft absolviert. Tau-
chen dennoch Fragen oder Schwierigkeiten auf in der Praxis,
erhalte ich Unterstützung von Arbeitskollegen bei AGRECOL
Andes, die lange Zeit im Bereich urbaner Landwirtschaft ge-
arbeitet haben.
So erarbeiten wir die Prinzipien der Agroforstwirtschaft zu-
sammen mit den Jugendlichen in ihren ökologischen Gemü-
segärten und können einen kleinen Schritt zur Verbreitung
der Agroforstwirtschaft im urbanen Raum beitragen.