bilaterale projektion der netzhaut auf die sehrinde des kaninchens

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684 Br~ves communications - Kurze Mitteilungen Exr~m~tCrZA XX/I$ Bilaterale Projektion der Netzhaut auf die Sehrinde des Kaninchens Das quantitative Verh~Utnis der ungekreuzt und ge- kreuzt verlaufenden Fasern in der Sehbahn ist yon ]3edeu- tung f/Jr die ]3eurteilung des binokularen Sehens beirn S~iugetier. Am Kaninchen wurden frfiher diese Verh~lt- nisse mit morphologischen Methoden untersueht. LoEPP fiihrte Enukleations- und Faserdegenerationsversuche aus, anhand welcher er feststellen konnte, dass die Kreu- zung der Sehnerven nicht vollst~tndig ist; ein kleineres ungekreuztes Biindel sol1 fiber den ganzen Traetus opticus verteilt zurn Gehirn ziehen. Unsere elektrophysiologische Analyse tier durch photische Reizung der Retina ausge- 10sten Potentiale in der Sehrinde sol1 diese morphologi- schen Befunde erg~nzen. Methodik. Die Versuche wurden an 11 Kaninchen yon durchschnittlich 2,5 kg K6rpergewieht ausgefiihrt. Die photische Reizung der Netzh~ut erfolgte monokular am linken Auge. Als Lichtquetle diente eine Xenon-Hoch- drucklampe. Die Lichtenergie betrug an tier Netzhaut 101,64 × 10-a W/cm ~ und die Reizfrequenz 1 Hz, bei einer I31itzdauer yon 2O msec. Die Versuche wurden am helladaptierten Auge ausgeffihrt. Das Elektroretino- gramm (ERG) 1less sich yore belichteten Auge mit einer Elektrode ira Limbus der aniisthesierten Hornhaut ab- leiten. Die indifferente Elektrode befand sich in der Muskulatur des Ohres. Die photisch ausgel6sten Potentiale der Sehrinde wur- den nach der stereotaktischen Methode yon MONNZERund GANGLOFF ~ mit Platinnadeln (~ 0,3 ram) abgeleitet. ~ber die kontralaterale Sehrinde wurden 24 und fiber die ipsilaterale 18 Elektroden plaziert, entsprechend dem Koordinatensystem yon MONNmR und GANGLOFF. Der Abstand der Elektroden betrug 3 ram. Die elektrischen Antworten wurden monopolar abgeleitet. Als Verst~rker diente ein 6 kan~tliger Wechselstrom-gekoppelter OsciIlo- graph yon T6nnies. An der letzten Verst~rkerstuie wurde ein elektroniseher Computer (CAT-400A Mnernotron Corp. N.Y,) angeschlossen. Zur Analyse des ERG- und der ausgelbsten corticalen Antworten w/ihlten wir eine (,analysis-time, yon 250 msec. Jeder Kurve, die mit dem Computer errnittelt wurde, lagen 100 Einzelreize zu- grunde. Ergebnisse. Die photisch ausgel6ste corticale Antwort stellt einen Potentialkomplex dar, der sich bei monoku- later Reizung tier Retina am besten yon der kontra- i W. H. LO~:PP, Anatom. Anz. 40, 309 (1912). M. MONNII~R und H, GANOLOF~, Atlas for Stereotaxic Brain Re- search on the Conscious Rabbit (Rabbit Brain Res., Vol, I) (ElsevierPubl., Amsterdam 1961). E A B d C b a i [2oo~v IpsilateraJ I 2sores \ II \\ o,, I ' ' I ? Y ,,, ? I / I t - i 1 11 ~o 9 I \ \ a b c d e Kontralafeca! 0,3 0,4 ~- / - ~ --.~__~ ..~...~.~ 7" 0,8 ~ ,: -"% Fig, 1, Superposition der photisch ausgel6sten Antworten der Sehrinde von 6 Kaninchen. Die Antworten sind auf einem topographischen Diagramm des stcreotaktiseheu Arias yon MONmERund GAr~GLOFF (1961} eingetragen.

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Page 1: Bilaterale Projektion der Netzhaut auf die Sehrinde des Kaninchens

684 Br~ves communications - Kurze Mitteilungen Exr~m~tCrZA XX/I$

Bilatera le Projekt ion der N e t z h a u t auf die Sehr inde des K a n i n c h e n s

Das quanti tat ive Verh~Utnis der ungekreuzt und ge- kreuzt verlaufenden Fasern in der Sehbahn ist yon ]3edeu- tung f/Jr die ]3eurteilung des binokularen Sehens beirn S~iugetier. Am Kaninchen wurden frfiher diese Verh~lt- nisse mit morphologischen Methoden untersueht. LoEPP fiihrte Enukleations- und Faserdegenerationsversuche aus, anhand welcher er feststellen konnte, dass die Kreu- zung der Sehnerven nicht vollst~tndig ist; ein kleineres ungekreuztes Biindel sol1 fiber den ganzen Traetus opticus verteilt zurn Gehirn ziehen. Unsere elektrophysiologische Analyse tier durch photische Reizung der Retina ausge- 10sten Potentiale in der Sehrinde sol1 diese morphologi- schen Befunde erg~nzen.

Methodik. Die Versuche wurden an 11 Kaninchen yon durchschnittlich 2,5 kg K6rpergewieht ausgefiihrt. Die photische Reizung der Netzh~ut erfolgte monokular am linken Auge. Als Lichtquetle diente eine Xenon-Hoch- drucklampe. Die Lichtenergie betrug an tier Netzhaut 101,64 × 10 -a W/cm ~ und die Reizfrequenz 1 Hz, bei einer I31itzdauer yon 2O msec. Die Versuche wurden am helladaptierten Auge ausgeffihrt. Das Elektroretino- gramm (ERG) 1less sich yore belichteten Auge mit einer Elektrode ira Limbus der aniisthesierten Hornhaut ab-

leiten. Die indifferente Elektrode befand sich in der Muskulatur des Ohres.

Die photisch ausgel6sten Potentiale der Sehrinde wur- den nach der stereotaktischen Methode yon MONNZER und GANGLOFF ~ mit Plat innadeln ( ~ 0,3 ram) abgeleitet. ~ber die kontralaterale Sehrinde wurden 24 und fiber die ipsilaterale 18 Elektroden plaziert, entsprechend dem Koordinatensystem yon MONNmR und GANGLOFF. Der Abstand der Elektroden betrug 3 ram. Die elektrischen Antworten wurden monopolar abgeleitet. Als Verst~rker diente ein 6 kan~tliger Wechselstrom-gekoppelter OsciIlo- graph yon T6nnies. An der letzten Verst~rkerstuie wurde ein elektroniseher Computer (CAT-400A Mnernotron Corp. N.Y,) angeschlossen. Zur Analyse des ERG- und der ausgelbsten corticalen Antworten w/ihlten wir eine (,analysis-time, yon 250 msec. Jeder Kurve, die mit dem Computer errnittelt wurde, lagen 100 Einzelreize zu- grunde.

Ergebnisse. Die photisch ausgel6ste corticale Antwort stellt einen Potentialkomplex dar, der sich bei monoku- later Reizung tier Retina am besten yon der kontra-

i W. H. LO~:PP, Anatom. Anz. 40, 309 (1912). M. MONNII~R und H, GANOLOF~, Atlas for Stereotaxic Brain Re- search on the Conscious Rabbit (Rabbit Brain Res., Vol, I) (Elsevier Publ., Amsterdam 1961).

E

A

B d C b a

i [2oo~v IpsilateraJ I

2sores \ II \ \ o,, I

' ' I

? Y ,,, ? I / I

t - i

1

11 ~o 9 I \

\

a b c d e

Kontralafeca!

0,3 0,4 ~- • /

- ~ - - . ~ _ _ ~ . . ~ . . . ~ . ~

7" 0,8

~ , : -"%

Fig, 1, Superposition der photisch ausgel6sten Antworten der Sehrinde von 6 Kaninchen. Die Antworten sind auf einem topographischen Diagramm des stcreotaktiseheu Arias yon MONmER und GAr~GLOFF (1961} eingetragen.

Page 2: Bilaterale Projektion der Netzhaut auf die Sehrinde des Kaninchens

15. Xli. 1964 Brevi eomunicazioni - Brief Reports 685

lateralen Sehrinde ableiten llisst. In diesem Antwort- erzeugenden Areal lokalisierten wir eine 0optimale Stelle ,~, an welcher die Antwort mit h6chster Amplitude und kiirzester Latenz auftri t t . Mit zunehmender Entfernung yon dieser ~optimalen Stelle, n immt die Amplitude der ersten positiven Komponente des Antwortkomplexes ab und ihre Latenz zu. Die <~optimale Stelle,> liegt in der kontralateralen Sehrinde bei dem Koordinatenpunkt cd]E = 7, an der ipsilateralen (linken) Sehrinde bei dem IZoordinatenpunkt cd/D = 3 (Figur 1).

Tier Nr. Amplitude (/zV) Amplitude (ktV) % ipsilateral kontralateral (Punkt 3) (Punkt 7)

1078 55 219 25 1128 49 ~25 29 1130 6t 213 22 114~ 55 219 25

Mittelwert 55 '~19 ~5

Sufura ~gittalis I

a I a b c

Su~ura noronaria

Fig. ~2. Topographisehe Darstellung der ipsi- und kentralateralen reaktiven Folder der Area str iata (reehts) auf monokulare photische Reizung der Netzhaut. GrSberer Ras te r - -kon t ra la te ra l . Feinerer

Raster = ipsilateral (binokulares Feld).

Bei der Analyse der auf monokulare Reizung der Retina beidseitig auftretenden corticalen Antworten konnten wir folgende Unterschiede feststellen.

(1) Die Ampli tude der ersten positiven Komponente der Antwort ist an allen Ableitstellen geringer an der ipsilateralen Rinde als an der kontralateralen. Ein quan- t i ta t iver Vergleich der Amplituden an der <~optimalen Stelle~> der beiden Sehrinden ergibt das Verh~iltnis 1:4 (Figur 1 und Tabelle).

(2) Die Latenzen der Antworten sind an den beiden Sehrinden verschieden, wobei an der ipsilateralen Seh- rinde die Antwort etwa 3 msec sparer einsetzt als an der kontralateralen.

(3) Die topische Ausbreitung der reakt iven Zone ist etwas unterschiedlich an den beiden Hemisph~iren. Dies kommt deutlich zum Ausdruck in der leicht asymmetri- schen Lage der <,optimalen Stellen,b wobei die an der ipsilateralen Sehrinde gefundene <~optimale Stelle~ fronto- lateral gegentiber derjenigen der kontralateralen Sehrinde verschoben ist.

(4) Durch die beidseitige corticale Ableitung bei mon- okularer Reizung der Retina lgsst sich eine kleine Zone ab- grenzen, die man als ~binokulares Feld~ bezeichnen kann (Figur 2). Die Lokalisation dieses Feldes im fronto- lateralen Anteil der Area str iata s t immt ungef~hr mit den Lokalisationen yon THOMPSON, WOOLSEY und TAL- BOT 3 einerseits und mit denjenigen yon NAKAGAWA 4 an- derseits tiberein.

Ein Vergleich der photisch ausgel6sten cortiealen Ant- worten beider Sehrinden bei der Katze ergibt Amplituden und Latenzwerte derselben Gr6ssenordnung wie beim K a n i n c h e n ( D o T Y s ; BURNS, HERON u n d GRAFsTEIN6; AUERBACH, BELLER, HENKES und GOLDHABERT). Daher ist der Unterschied zwischen den Amplituden der elek- trischen Antworten beider Sehrinden beim Kaninchen scheinbar etwas gr6sser als b e i d e r Katze, bei welcher entsprechend mehr Fasern ungekreuzt vertaufen s.

Summary. The bilateral representation of the retina on the visual cortex was investigated by analysing the am- plitude, latency and topic distribution of the potentials evoked in the visual cortex by monocular photic stimula- tion of the retirta in the conscious rabbit. The amplitudes of the potentials evoked on both ipsi- and contralateral hemispheres, show a relation 1:4. A small field for bi- lateral retinal projection of the retina was mapped in the anterolateral part of the visual cortex..These differences in amplitude, latency and topic distribution may be sig- nificant for stereoscopic vision.

J. STEINER und M. MONNIER

Physiologisches Institut der Universittit Basel (Schweiz), l l , August 1964.

8 j . M. THOMPSON, C. N. WOOLSEY und S. A. TALBOT, J. Neuro- physiol, la, ~76 (1950). K. NAKAGAWA, Folia psychiat, neur. jap. 11, 229 (1957). R. W. DOTY, J. Neurophysiol. 91, 437 (1958). B. D. BURNS, W. HERON und B. GRAFSTEIN, Am. J. Physiol. 198, "20o (1960). E. AUERBACH, A. J. BELLER, H. E. HENKES und G. GOLDHABER, Vision Res. 1, 166 (1961).

8 Diese Arbeit wurde in verdankenswerter Weise v0n cler * Roch0 Studium-Stiftung* untersttitzt.