besonderheiten bei entwurf und bemessung integraler betonbrücken

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D. Berger, C.-A. Graubner, E. Pelke, M. Zink · Besonderheiten bei Entwurf und Bemessung integraler Betonbrücken © 2004 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Beton- und Stahlbetonbau 99, Heft 4 295 1 Veranlassung und Einleitung Die Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung (HSVV) als Auftragsverwaltung der Bauherrn Bund, Land Hessen und der Hessischen Kreise trägt die Verantwortung für eine Straßeninfrastruktur von rund 15 300 km Straßen, in deren Zuge ca. 7 000 Brücken liegen. Oberstes Leitziel der HSVV ist die Sicherstellung der Mobilität der Bürger bei effizien- tem Mitteleinsatz, ohne dabei die erreichte Baukultur im deutschen Straßenverkehrswegebau zu vernachlässigen. Aus Sicht des Bauherrn ist eine neue Bauweise dann erfolg- reich, wenn sie bei definierter Produktqualität und modera- ten Baukosten einen minimalen Er- und Unterhaltungsauf- wand in der Betriebsphase bietet [1]. Integrale Brücken kommen gänzlich ohne Lager und Dehnfugen aus. Der Überbau ist monolithisch mit den Wi- derlagern und Mittelstützungen verbunden. Das gesamte Bauwerk ist in Baugrund und Hinterfüllung eingebettet. Die integrale Bauweise bietet Einsparungen bei Wartung und Unterhaltung. Sorgfältig geplant, führt die einfache Kon- struktion der integralen Brücken zu reduzierten Baumassen und verkürzten Bauzeiten. Die monolithische Verbindung von Überbau und Widerlager erlaubt ästhetisch sehr an- sprechende Lösungen, die auch aus statischer Sicht, z. B. durch Nutzung der Rahmenwirkung, überzeugen. Die Rah- menwirkung erschließt Systemreserven durch mögliche Schnittgrößenumlagerungen und führt zu einem robusten Tragverhalten. Die Besonderheiten von integralen Brücken wurden ausführlich in [2] – [5] u. a. von Schlaich et al. erläu- tert. Zusammenfassend können folgende Vorteile aufge- führt werden [6]: Verminderung der Herstellkosten • Verminderung der Instandsetzungskosten durch Wegfall wartungsintensiver Bauteile • vereinfachter und schnellerer Bauablauf durch den Weg- fall von Lagern und Dehnfugen mit ihren geringen Tole- ranzen und ihrer Einbauabfolge höherer Fahrkomfort • dauerhafte und wartungsunabhängige Vermeidung von direktem Taumittelzutritt zu Konstruktionsteilen unterhalb der Fahrbahn Verringerung der Gefahr von ungleichmäßigen Setzungen und Pfeilerschiefstellung • Ausgleich möglicher abhebender Kräfte aus dem Über- bau durch das Eigengewicht der Widerlager • kürzere Endfelder erlauben bei 3-feldrigen Überbauten eine größere Mittelöffnung größere Traglastreserven durch Umlagerungsmöglichkeiten für die Schnittgrößen im Grenzzustand der Tragfähigkeit Die genannten technischen Vorteile verknüpfen sich mit den oben aufgeführten Leitzielen der Hessischen Straßen- und Verkehrsverwaltung und werden zu einem verstärkten Einsatz der integralen Bauweise für Brücken mit kleinen und mittleren Gesamtlängen führen. Einzelne ausgeführte Bau- werke erreichen Längen über 100 m (Bild 1). Integrale Brücken zur Überführung von Wirtschaftswegen waren vom BMVBW bis zur Einführung der DIN-Fachberichte in Muster- entwürfen aufbereitet [7]. Bei der statischen Berechnung in- tegraler Brücken sind einige Besonderheiten zu beachten, die insbesondere das Zusammenwirken von Baugrund und Bauwerk betreffen. Besonderheiten bei Entwurf und Bemessung integraler Betonbrücken Dieter Berger, Wiesbaden Carl-Alexander Graubner, Darmstadt Eberhard Pelke, Wiesbaden Martin Zink, Frankfurt am Main In der Praxis kommen vermehrt integrale Straßenbrücken zur Ausführung, bei denen auf Lager und Übergangs- konstruktionen gänzlich verzichtet wird. Die zyklisch auftretenden Verformungen der Tragwerksenden infolge Temperatureinwirkung beanspruchen bei integralen Tragwerken die Hinterfüllung und die Gründung der Wider- lager. Die so entstehende Wechselwirkung zwischen Bauwerk, Baugrund und Hinterfüllung muß bei der Bemes- sung und konstruktiven Durchbildung des Übergangs vom Bauwerk auf die Hinterfüllung berücksichtigt werden. Design Details of Integral Bridges An increasing number of integral bridges without expansion joints and bridge bearings have recently been con- structed. Cyclic thermal displacements at the end of the structures impose strain on backfill and the foundations of the abutments. The interaction among structure, backfill and foundation must be considered during analysis and design.

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Page 1: Besonderheiten bei Entwurf und Bemessung integraler Betonbrücken

D. Berger, C.-A. Graubner, E. Pelke, M. Zink · Besonderheiten bei Entwurf und Bemessung integraler Betonbrücken

© 2004 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Beton- und Stahlbetonbau 99, Heft 4 295

1 Veranlassung und Einleitung

Die Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung (HSVV) alsAuftragsverwaltung der Bauherrn Bund, Land Hessen undder Hessischen Kreise trägt die Verantwortung für eineStraßeninfrastruktur von rund 15300 km Straßen, in derenZuge ca. 7000 Brücken liegen. Oberstes Leitziel der HSVVist die Sicherstellung der Mobilität der Bürger bei effizien-tem Mitteleinsatz, ohne dabei die erreichte Baukultur imdeutschen Straßenverkehrswegebau zu vernachlässigen.Aus Sicht des Bauherrn ist eine neue Bauweise dann erfolg-reich, wenn sie bei definierter Produktqualität und modera-ten Baukosten einen minimalen Er- und Unterhaltungsauf-wand in der Betriebsphase bietet [1].

Integrale Brücken kommen gänzlich ohne Lager undDehnfugen aus. Der Überbau ist monolithisch mit den Wi-derlagern und Mittelstützungen verbunden. Das gesamteBauwerk ist in Baugrund und Hinterfüllung eingebettet. Dieintegrale Bauweise bietet Einsparungen bei Wartung undUnterhaltung. Sorgfältig geplant, führt die einfache Kon-struktion der integralen Brücken zu reduzierten Baumassenund verkürzten Bauzeiten. Die monolithische Verbindungvon Überbau und Widerlager erlaubt ästhetisch sehr an-sprechende Lösungen, die auch aus statischer Sicht, z. B.durch Nutzung der Rahmenwirkung, überzeugen. Die Rah-menwirkung erschließt Systemreserven durch möglicheSchnittgrößenumlagerungen und führt zu einem robustenTragverhalten. Die Besonderheiten von integralen Brückenwurden ausführlich in [2]– [5] u. a. von Schlaich et al. erläu-tert. Zusammenfassend können folgende Vorteile aufge-führt werden [6]:

• Verminderung der Herstellkosten• Verminderung der Instandsetzungskosten durch Wegfall

wartungsintensiver Bauteile• vereinfachter und schnellerer Bauablauf durch den Weg-

fall von Lagern und Dehnfugen mit ihren geringen Tole-ranzen und ihrer Einbauabfolge

• höherer Fahrkomfort• dauerhafte und wartungsunabhängige Vermeidung von

direktem Taumittelzutritt zu Konstruktionsteilen unterhalbder Fahrbahn

• Verringerung der Gefahr von ungleichmäßigen Setzungenund Pfeilerschiefstellung

• Ausgleich möglicher abhebender Kräfte aus dem Über-bau durch das Eigengewicht der Widerlager

• kürzere Endfelder erlauben bei 3-feldrigen Überbauteneine größere Mittelöffnung

• größere Traglastreserven durch Umlagerungsmöglichkeitenfür die Schnittgrößen im Grenzzustand der Tragfähigkeit

Die genannten technischen Vorteile verknüpfen sich mitden oben aufgeführten Leitzielen der Hessischen Straßen-und Verkehrsverwaltung und werden zu einem verstärktenEinsatz der integralen Bauweise für Brücken mit kleinen undmittleren Gesamtlängen führen. Einzelne ausgeführte Bau-werke erreichen Längen über 100 m (Bild 1). IntegraleBrücken zur Überführung von Wirtschaftswegen waren vomBMVBW bis zur Einführung der DIN-Fachberichte in Muster-entwürfen aufbereitet [7]. Bei der statischen Berechnung in-tegraler Brücken sind einige Besonderheiten zu beachten,die insbesondere das Zusammenwirken von Baugrund undBauwerk betreffen.

Besonderheiten bei Entwurf undBemessung integraler BetonbrückenDieter Berger, WiesbadenCarl-Alexander Graubner, DarmstadtEberhard Pelke, WiesbadenMartin Zink, Frankfurt am Main

In der Praxis kommen vermehrt integrale Straßenbrücken zur Ausführung, bei denen auf Lager und Übergangs-konstruktionen gänzlich verzichtet wird. Die zyklisch auftretenden Verformungen der Tragwerksenden infolgeTemperatureinwirkung beanspruchen bei integralen Tragwerken die Hinterfüllung und die Gründung der Wider-lager. Die so entstehende Wechselwirkung zwischen Bauwerk, Baugrund und Hinterfüllung muß bei der Bemes-sung und konstruktiven Durchbildung des Übergangs vom Bauwerk auf die Hinterfüllung berücksichtigt werden.

Design Details of Integral BridgesAn increasing number of integral bridges without expansion joints and bridge bearings have recently been con-structed. Cyclic thermal displacements at the end of the structures impose strain on backfill and the foundationsof the abutments. The interaction among structure, backfill and foundation must be considered during analysisand design.

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296 Beton- und Stahlbetonbau 99, 2004, Heft 4

2 Tragverhalten

Integrale Brücken sind den gleichen klimatischen Tempera-tureinwirkungen unterworfen wie herkömmliche Brücken(Bild 2). Bei üblichen Abmessungen werden nur geringe An-teile der freien Überbauverformung durch Zwang behin-dert. Vereinfachend kann i. d. R. angenommen werden, daßdie Längenänderungen des Überbaus infolge Temperatur-schwankung �TN (Bild 3) weitgehend unbehindert auftretenkönnen. Die Verschiebungen und Verdrehungen infolgeTemperaturschwankung wirken dann auf Baugrund und Hin-terfüllung, in welche die Brücke eingebettet ist (Bild 4). ImJahreszyklus mit seinen Extremwerten treten zahlreiche Zy-klen mit kleineren Temperaturschwankungen auf.

Infolge der behinderten Verformung entstehen unterTemperaturbeanspruchung oder ungleichmäßiger Stützen-senkung Zwangbeanspruchungen, die das Verhalten desGesamttragwerks insbesondere im Grenzzustand der Ge-

brauchstauglichkeit (GZG) beeinflussen. In der je-weils maßgebenden Einwirkungskombinationsind die Zwangschnittgrößen nach DIN-Fachbe-richt 102 zu berücksichtigen.

Die Anforderungen an den Baugrund sind beiintegralen Brücken dabei zunächst gegensätzlich.Wie bei herkömmlichen Brücken sollte die Grün-dung einerseits setzungsarm, also steif ausgebil-det werden. Zur Beherrschung der Zwangschnitt-größen im Bauwerk ist jedoch eine gewisseNachgiebigkeit von Gründung, Hinterfüllung und

Unterbauten erforderlich. Wegen dieser beiden konkurrie-renden Anforderungen ist beim Entwurf von integralenBrücken eine Optimierungsaufgabe zu lösen. Die Größe derauftretenden Zwangbeanspruchungen hängt deutlich vonder Bauwerksgeometrie, den Steifigkeitsverhältnissen zwi-schen Überbau und Unterbauten sowie von der Steifigkeitdes Baugrundes ab. Die wirklichkeitsnahe Modellierung derBauwerks- und Baugrundsteifigkeiten ist von entscheiden-der Bedeutung, um mit dem Rechenmodell die tatsächli-chen Beanspruchungen erfassen zu können. Bei der Abbil-dung des Baugrundes liegt der Ansatz „ungünstiger“ Bo-denkennwerte – wie sie vom Bodengutachter üblicherweiseangegeben werden – nicht auf der sicheren Seite. Wird dieBaugrundsteifigkeit zu niedrig angesetzt, so werden die in-folge Temperatureinwirkung und Vorspannung entstehen-den Zwangschnittgrößen unterschätzt. Bei integralenBrücken ist es deshalb i. d. R. notwendig, getrennte Berech-nungen der auftretenden Zwangschnittgrößen unterBerücksichtigung von oberen und unteren Grenzen derBodenkennwerte durchzuführen.

Im Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) werden die ausZwang entstehenden Schnittgrößen in Betonbauteilen we-gen des Steifigkeitsabfalls infolge Rißbildung deutlich ver-mindert. Bislang durften die Zwangschnittkräfte deshalbnach DIN 1075, Abschnitt 7.1.2 bei monolithischen Straßen-brücken bis 20 m Länge vernachlässigt werden. Das neueBemessungskonzept der DIN-Fachberichte läßt diese Ver-einfachung nicht mehr zu. Der Abbau der Zwangschnittkräf-te darf gemäß ARS 11/2003 durch die pauschale Abminde-rung der Steifigkeit auf 60 % des Zustandes I berücksichtigt

Bild 1 Südbrücke Berching – Integrales Tragwerk mit ca. 107 m LängeFig. 1 Berching south bridge – integral structure with a total length of 107 m

Bild 2 Integrale Brücke ohne Lager und DehnfugenFig. 2 Integral bridge without bridge bearings and expansion joints

Bild 3 Jahresverlauf der Temperatureinwirkungen für Frankfurt am Mainnach Daten aus [8]Fig. 3 Temperature effect for one year at the city of Frankfurt/Main

Bild 4 Zyklische und monotone Wandverschiebungen sh bei integralenBrückenFig. 4 Cyclic and long-term abutment movements for integral bridges

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Beton- und Stahlbetonbau 99, 2004, Heft 4 297

werden. Auch für eine genauere Berechnung, bei welcherder Steifigkeitsabfall mit Hilfe nichtlinearer Verfahren ermit-telt wird, müssen mindestens 40 % der Steifigkeiten des Zu-standes I angesetzt werden.

Ausführliche Empfehlungen für den Entwurf und die Be-messung integraler Brücken haben Schlaich et al. in [2] zu-sammengestellt. Weitere Hinweise und Beispiele sind in [6]enthalten. Wesentlich sind die wirklichkeitsnahe Ermittlungund Beherrschung der Zwangschnittgrößen im Tragwerk so-wie die konstruktive Gestaltung des Übergangs zwischenBauwerk und Hinterfüllung (siehe Abschn. 4). Durch sorgfäl-tige Wahl der Geometrie und der Werkstoffe sind dieZwangschnittgrößen so zu begrenzen, daß sie nicht bestim-mend für die Bemessung werden [6]. Bei vorgespanntenTragwerken ist zu beachten, daß ein Teil der Vorspannkraftnicht im Überbau wirksam wird, sondern über die Unterbau-ten direkt in den Baugrund abfließt.

Die Zwangschnittgrößen unter einer gegebenen Einwir-kung hängen von der Steifigkeit des Bauwerks und des Bau-grundes ab. Auf die Berücksichtigung von Baugrund undHinterfüllung wird im folgenden noch genauer eingegan-gen. Die Steifigkeit des Bauwerks wird neben der Geo-metrie vor allem durch den Elastizitätsmodul des Betonsbestimmt. Da der E-Modul erheblich von den tabelliertenErwartungswerten Ec0m der Norm abweichen kann, ist dieBerechnung mit einem durch Werkstoffprüfungen abge-sicherten E-Modul durchzuführen. Das Ergebnis der E-Mo-dulprüfungen entspricht dabei dem Tangentenmodul Ec0

nach DIN-Fachbericht 102 [6], [9]. Schlaich et al. empfehlenzusätzlich die Ermittlung der Wärmedehnzahl �T [2].

3 Boden-Bauwerk-Interaktion

3.1 Erddruck aus der Hinterfüllung

Der im ungestörten Zustand theoretisch vorhandene Erdru-hedruck E0 wird schon bei kleinen positiven Wandverschie-bungen sh auf den aktiven Erddruck abgebaut. Bei integra-len Brücken werden infolge Temperaturänderung �TN,pos

negative Wandverschiebungen sh < 0 erzwungen. Über denErdruhedruck E0 hinaus werden deshalb insbesondere inden oberen Bodenschichten Teile des passiven Erddrucksgeweckt (Bild 5). In DIN 4085 sind nur für den Grenzfall desvollen passiven Erddrucks Spannungsverteilungen angege-ben (Bild 5). Die Größe des geweckten Erdwiderstandeshängt von der aufgezwungen, horizontalen Widerlagerver-schiebung sh ab. Für hohe Widerlager kann i. d. R. eine Fuß-punktverdrehung angenommen werden. Die Größe desErddrucks kann dabei entsprechend dem Merkblatt überden Einfluß der Hinterfüllung auf Bauwerke [10] abgeschätztwerden. Im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (GZG)sollte dabei der Wendepunkt im Erddruckbeiwert-Wegdia-

Die zyklisch auftretenden Verformungen infolge Temperatureinwirkung

beanspruchen die Hinterfüllung und die Gründung der Widerlager.

gramm (Bild 6) nicht überschritten werden. Dies wird er-reicht, wenn die maximale Kopfverschiebung der Widerla-gerwand erdseitig den Betrag von ca. 5 · sh,a bzw. 1 % derWandhöhe h nicht überschreitet.

Durch die zyklische Wiederholung der Bewegung infolgeTemperaturschwankung �TN (vgl. Bild 3) wird eine fort-schreitende Verdichtung der Hinterfüllung ausgelöst, wie sievon Schleusenwänden bekannt ist [11], [12]. Diese Verdich-tungswirkung muß nach den derzeit gültigen Regelungenberücksichtigt werden [10]. Neben einer Erhöhung des Erd-drucks in den unteren Schichten hat diese Verdichtung Set-zungen im Hinterfüllbereich zur Folge. Weitere Setzungenwerden durch die monotone positive Wandbewegung sh

aus Kriechen und Schwinden verursacht. Sofern die Setzun-gen eine für den Fahrkomfort kritische Größenordnung er-reicht, müssen Gegenmaßnahmen z. B. durch die Anord-nung einer Schleppplatte vorgesehen werden.

Die wirklichkeitsnahe Ermittlung und Beherrschung der Zwangschnittgrößen ist das Wichtigste bei der Bemessung.

Bild 5 Passiver Erddruck aus Bodeneigenlast bei verschiedenen negativenWandbewegungen [DIN 4085, Beiblatt 1, Auszug Bild 4]Fig. 5 Maximum passive lateral stress distribution for different passive mo-vements

Bild 6 Erddruckbeiwert-Wegdiagramm nach [10]Fig. 6 Displacements and according lateral stresses [10]

Page 4: Besonderheiten bei Entwurf und Bemessung integraler Betonbrücken

Als Ergebnis der Auswertung von großmaßstäblichenModellversuchen hat Vogt [12] eine empirische Beziehungaufgestellt, welche die Abhängigkeit zwischen dem mobili-sierten Erddruckbeiwert Kmob und den Verschiebungen sh(z)für jede Stelle einer Wand mit der Tiefe z beschreibt [10].Für die aktive Mobilisierung gilt ausgehend vom Erdruhe-druck:

(1)

Für die passive Mobilisierung gilt entsprechend:

(2)

Nach [10] liegt der Parameter a der passiven Mobilisie-rung für dichten bis lockeren Sand zwischen 0,01 ≤ a ≤ 0,1.Für den Hinterfüllbereich kann demnach a = 0,01 angesetztwerden. Der Beiwert b liegt bei b = a/10 [10]. Für die nähe-rungsweise unbehinderte Verschiebung des Überbaus ausder Temperaturschwankung �TN,pos kann die Verteilung desmobilisierten passiven Erddrucks über die Wandhöhe nachGl. (3) berechnet werden. Die Wandverschiebung sh hängtdabei von der Tiefe z ab.

eph,mob(z) = Kph,mob(sh/z) · � · z (3)

Die Bodenkennwerte sind für jedes Bauwerk im Einzelfallzu bestimmen. Die Hinterfüllung der Widerlager wird beiStraßen- und Wegebrücken jedoch einheitlich nach Richt-zeichnung WAS 7 des Bundes ausge-bildet. Im Grenzzustand der Tragfähig-keit (GZT) wird horizontaler Erddruckmit dem Teilsicherheitsbeiwert �Ginf =1,0 bzw. �Gsup = 1,5 belegt (DIN-Fach-bericht 101, Tabelle C.1). Unter diesenVoraussetzungen können für die Er-mittlung des Erddrucks aus der Hin-terfüllung die Baugrundannahmengemäß Tabelle 1 verwendet werden.Wegen der hohen Druckspannungenbei negativen Wandverschiebungenwird für die passive Mobilisierung einWandreibungswinkel �a = 2/3·�’ ange-nommen. Sofern der mobilisierte Erd-druck ungünstig wirkt, darf er auch für�’ = 35° unter Annahme einer ebenenGleitfläche nach Culmann berechnetwerden. Für eine kohäsionslose Hin-terfüllung nach Richtzeichnung WAS 7mit einem inneren Reibungswinkel von�’ = 35° ergeben sich die Grenzwertedes Erddrucks nach Tabelle 2.

In den meisten Anwendungsfällengenügen einfache Flachgründungen,für die Gleitungen in der Sohlfugenicht zulässig sind. Es ergeben sich da-mit Drehungen der Widerlagerwand

K z K K K s za s zph mob ph

h

h, ( ) = + −( ) ⋅

+0 0

K z K K K s zb s za mob ah

h

h, ( ) = − −( ) ⋅

+0 0

um einen Pol in der Aufstandsfläche. Normiert man für die-sen Fall die Erddruckverteilung eph,mob(z) auf die Wand-höhe h des Widerlagers, so kann die Verteilung der Erdruck-beiwerte Kph,mob über die Wandhöhe in Abhängigkeit vonder Wandkopfverschiebung anschaulich dargestellt werden.Die Bilder 7 bis 9 zeigen solche Verteilungen für verschie-den große Drehungen sh/h der Wand um den Fußpunkt.

Bei einer Abkühlung des Überbaus kann i. d. R. auch beiunsymmetrischen Bauwerken der aktive Erddruck als Unter-grenze für die Reaktion der Hinterfüllung angesetzt werden.Die dafür erforderliche Verschiebung der Widerlager solltezumindest überschlägig kontrolliert werden.

3.2 Erddruck aus Hinterfüllung bei symmetrischenTragwerken

Bei symmetrischen Tragwerken ist die Lage des Verschie-bungsruhepunktes bekannt. Damit können die Verschie-bung der Widerlagerwände und der horizontale Erddruckfür die Sommer- und Winterstellung direkt ermittelt werden.Der Erdruhedruck E0 aus der Hinterfüllung kann als Aus-gangswert mit den ständigen Einwirkungen kombiniert wer-den. Die Temperaturlastfälle �TN,neg und �TN,pos mobilisie-ren den Erddruck Eah,mob bzw. Eph,mob. Die voneinander ab-hängigen Lastfälle können in der Berechnung als gemeinsa-mer Lastfall berücksichtigt werden. Zusammen mit �TN,pos

wirkt also (Eph,mob – E0), während �TN,neg mit (Eah,mob – E0)überlagert wird. Im GZT ist der Sicherheitsbeiwert für denErddruck gemäß DIN-Fachbericht 101, Anhang IV-C, TabelleC.1 mit den Grenzen �G,inf = 1,0 bzw. �G,sup = 1,5 anzuset-zen.

D. Berger, C.-A. Graubner, E. Pelke, M. Zink · Besonderheiten bei Entwurf und Bemessung integraler Betonbrücken

298 Beton- und Stahlbetonbau 99, 2004, Heft 4

� �’ �a tan �S,k Ea, E0, Ep �zul c’[kN/m2] [ ° ] [ ° ] [ – ] [ – ] [kN/m2] [kN/m2]

Hinterfüllung 19 35 0

0 Emob(sh)– 0

nach WAS 7 –0,43 kh(sh)

Tabelle 1 Baugrundannahmen nach DIN 1054 [01.2003]Table 1 Subsoil parameters according to DIN 1054 (January 2003)

�’ = 35° �a tan �S,k K Gleitfläche[ ° ] [ – ] [ – ]

Aktiver Erddruck Ka 0 0 0,27 eben nach Culmann

Erdruhedruck K0 0 0 0,43 eben nach Culmann

gekrümmt nach 7,59 Caquot/Kérisel

Passiver Erddruck Kph –2/3 · �’ –0,43 9,15 eben nach Blum9,23 eben nach Culmann

Tabelle 2 Grenzwerte des Erddruckbeiwertes für drainierte Hinterfüllung mit �’ = 35°Table 2 Limits for the lateral soil pressure in a drained backfill with �’ = 35°

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D. Berger, C.-A. Graubner, E. Pelke, M. Zink · Besonderheiten bei Entwurf und Bemessung integraler Betonbrücken

Beton- und Stahlbetonbau 99, 2004, Heft 4 299

3.3 Erddruck aus Hinterfüllung bei unsymmetrischenTragwerken

Bei unsymmetrischen Tragwerken hat die Steifigkeit desTragwerks, der Gründung und der Hinterfüllungen Einflußauf die Lage des Verschiebungsruhepunktes. Die Verfor-mungen der Widerlager bei Erwärmung �TN,pos des Über-baus können deshalb nur im Rahmen einer genauen Berech-

nung mit horizontaler Bettung ermittelt werden. Die hori-zontale Bettung kh der Widerlagerwände kann dabei ausder Verteilung des mobilisierten Erddrucks über die Höhenach Gl. (4) ermittelt werden. Die Größe der Wandverschie-bung muß zunächst abgeschätzt und nachträglich verifiziertwerden.

(4)

Insgesamt kann die horizontale Bettung also in folgendenSchritten bestimmt werden:• Ermittlung bzw. Abschätzung der Verschiebewege sh an

den Überbauenden aus der positiven Temperaturschwan-kung �TN,pos

• Abschätzung der Verformungsfigur für das Widerlagersh(z) in der Sommerstellung

• Ermittlung der Beiwerte Kph,mob nach Gl. (2) über dieWandhöhe

• Ermittlung des wirksamen Erddrucks für die Sommerstel-lung Gl. (3)

• Ermittlung der horizontalen Bettung nach Gl. (4)

Bei der Berechnung ist zu beachten, daß die horizontaleBettung in der Winterstellung keine Zugkräfte bekommt.Für die Bestimmung der Verschiebungen in der Winterstel-lung sollte die Bettung im statischen System so abgebildetwerden, daß der aktive Erddruck als Mindestwert über eineFließbedingung garantiert wird (vgl. Bild 6).

Die Berechnung mit Bettung liefert die Verschiebungenund damit auch den Verschiebungsruhepunkt. Mit den be-kannten Verschiebungen kann der Erddruck zu den Tempe-raturschwankungen �TN,pos und �TN,neg wieder direkt er-mittelt werden. Werden diese Erddruckkräfte als äußere La-sten zusammen mit den zugehörigen Temperaturlastfällenerfaßt, so kann für die weitere Berechnung des Gesamtsy-stems auf die Berücksichtung der Bettung der Widerlager-wände verzichtet werden.

3.4 Gründung

Wegen der beschriebenen Wechselwirkung muß die Nach-giebigkeit der Gründungssohle in der Berechnung realitäts-nah abgebildet werden. Ausgehend von den unter ständi-gen Einwirkungen vorhandenen Spannungen ist die Set-zung für ein gegebenes Fundament in Abhängigkeit vomSteifemodul Es des Untergrundes zu ermitteln. Neben denvertikalen Verschiebungen sind insbesondere die Verdre-hungen der Gründung zu erfassen. Auch die horizontaleBettung von Pfählen ist in Abhängigkeit vom Steifemodul zuermitteln. Die zyklische Horizontalbewegung kann am be-sten von vertikalen Pfählen aufgenommen werden. DieMantelreibung wird in den verformten Bereichen nachteiligbeeinflußt.

Der Steifemodul Es des Baugrundes kann sehr stark streu-en. Da die Zwangschnittgrößen maßgeblich vom Wider-stand der Gründungssohle gegen Verdrehen oder von derhorizontalen Bettung einer Tiefgründung abhängen, ist beiintegralen Bauwerken i. d. R. mit einer oberen und einer un-

ke z

s zhph mob

h= , ( )

( )

Bild 7 Verteilung des normierten Erddrucks eh/� h = Kph,mob·z/h über dieWandhöhe für eine relative Kopfverschiebung von sh/h = 0,001Fig. 7 Stress ratio and pressure distribution eh/� h = Kph,mob·z/h for a rela-tive thermal deck movement sh/h = 0,001

Bild 8 Verteilung des normierten Erddrucks eh/� h = Kph,mob·z/h über dieWandhöhe für eine relative Kopfverschiebung von sh/h = 0,002Fig. 8 Stress ratio and pressure distribution eh/� h = Kph,mob·z/h for a rela-tive thermal deck movement sh/h = 0,002

Bild 9 Verteilung des normierten Erddrucks eh/� h = Kph,mob·z/h über dieWandhöhe für eine relative Kopfverschiebung von sh/h = 0,004Fig. 9 Stress ratio and pressure distribution eh/� h = Kph,mob·z/h for a rela-tive thermal deck movement sh/h = 0,004

Page 6: Besonderheiten bei Entwurf und Bemessung integraler Betonbrücken

teren Grenze für den Steifemodul Es zu rechnen. Sofern dieGründungsverhältnisse im Bauwerksbereich weitgehendeinheitlich sind, kann für das gesamte Bauwerk jeweils mitder oberen oder unteren Grenze der Verformungsfähigkeitdes Baugrundes gerechnet werden. Die oberen und unterenGrenzwerte für die Setzung und den Steifemodul sind vomBaugrundgutachter zu bestätigen. Da die erforderlichenNachweise am Bauwerk für beide Grenzfälle geführt werdenmüssen, sollte der obere charakteristische Wert für den Stei-femodul höchstens das 5-fache des unteren charakteristi-schen Wertes betragen. Bei der Festlegung der Werte ist zubeachten, daß die maßgebenden Verformungen nur lang-sam über mehrere Stunden oder Tage bzw. bei Kriech- undSchwindverformungen über mehrere Jahre entstehen (Ta-belle 3).

4 Übergang Brücke – Hinterfüllung

Bei den meisten integralen Brücken wird die freie Bewe-gung der Überbauenden unter den klimatischen Tempera-tureinwirkungen und den zeitabhängigen Überbauverkür-zungen nur zu einem geringen Teil behindert. Die verblei-benden Verformungen beanspruchen nicht nur die Hinter-füllung und die Gründung der Widerlager, sie müssen auchin der Fahrbahn aufgenommen bzw. ausgeglichen werden.Neuere Konzepte sehen hier den Einsatz von bewehrtenFahrbahnbelägen oder von Geotextilien im Bereich der Hin-terfüllung vor, die eine gleichmäßige Verformung des Hin-terfüllbereiches sicherstellen sollen. Esgibt jedoch auch eine Reihe von be-währten Lösungen für den ÜbergangBrücke – Hinterfüllung, die bei zahlrei-chen Bauwerken mit Erfolg eingesetztwurden.

Für Gesamtlängen bis 15 m ist nachRichtzeichnung (RIZ) Abs 1 stets einAnschluß an die Hinterfüllung ohnebesondere Fugenausbildung möglich(Tabelle 4). Anstelle der in RIZ Abs 1dargestellten Verbindung zwischenÜberbau und Widerlager mittels Be-tongelenk wird bei integralen Brückenein vollständiger, z. B. rahmenartigerAnschluß vorgesehen. Ein einfacherÜberbauabschluß nach RIZ Abs 3 istbis zu einem Abstand von 15 m zwi-schen Verschiebungsruhepunkt undHinterkante Widerlager zulässig.

Das BMVBW hat in ARS 23/1999 be-reits Musterentwürfe für einfeldrige,integrale Verbundüberbauten zur An-wendung empfohlen. Bei einer Ge-samtlänge von bis zu 44 m werden dieVerformungen zum Damm dort mit

Es ist der obere und untere charakteristische Wert für den Steifemodul

des Baugrundes zu berücksichtigen.

einem Fahrbahnübergang aus Asphalt nach ZTV-ING, Ab-schnitt 8.2 ausgeglichen (Tabelle 4). Mit diesen Übergängenist ein Dehnweg von 25 mm sowie ein Stauchweg von12,5 mm möglich. Die Übergänge nach ZTV-ING, Abschnitt8.2 ruhen im Bereich der Hinterfüllung auf einem Auflager-balken. Bewegungen, die nicht gleichmäßig über den Hin-terfüllbereich auftreten, sollen damit auf den geschütztenFugenspalt unter dem Fahrbahnübergang konzentriert wer-den. Damit gelingt es, das geringe vertikale Verformungs-vermögen der Fahrbahnübergänge aus Asphalt einzuhalten.Der Auflagerbalken sollte mindestens eine Breite von0,80 m haben. Die Unterkante des Auflagerbalkens ruht ineiner Tiefe von ca. 1,10 m vor Frost geschützt auf der Hin-terfüllung.

Bei Gesamtverformungen über 20 mm ist möglichen Set-zungen im Bereich der Hinterfüllung durch die Anordnungeiner Schleppplatte zu begegnen. Ihre Länge sollte gleichder Höhe der setzungsfähigen Hinterfüllung sein (Gl. (5)).Hinweise zur Durchbildung der Schleppplatten und zurGröße des setzungsfähigen Bereichs sind u. a. in [4], [11]und [12] zu finden. Weiterhin liegen im Bereich der Straßen-bauverwaltung langjährige Erfahrungen mit der Anwendungvon Schleppplatten vor. In der Hinterfüllung von flachge-gründeten Widerlagern treten die größten Setzungen, ins-besondere diejenigen aus zyklischer Bewegung, in den obe-ren 70 % der Wandhöhe auf. Pfahlkopfbalken können dage-gen insgesamt vorschoben werden, so daß dort mindestensdie Bauhöhe als setzungsfähige Höhe der Hinterfüllung an-zusetzen ist. Eine Mindestlänge von 3,6 m sollte nicht unter-schritten werden (Tabelle 4). Die Schleppplatte ist als Ein-feldsystem ohne Bettung durch die Hinterfüllung zu bemes-sen. Der Abtrag der Verkehrslasten in Hinterfüllung undBauwerk ist nachzuweisen [4].

D. Berger, C.-A. Graubner, E. Pelke, M. Zink · Besonderheiten bei Entwurf und Bemessung integraler Betonbrücken

300 Beton- und Stahlbetonbau 99, 2004, Heft 4

Einwirkung char. Wege Anteil für char. WegeTragwerk Übergang Übergang

[ ‰ ] relativ [ ‰ ]

Abfließende Hydratationswärme 0,10 0 0

Autogenes Schwinden �cas 0,08 0 0

Trocknungsschwinden �cds 0,30 1,60 · 0,97 0,47

Vorspannen mit �cp0 = –4,0 N/mm2 0,11 0 0

Kriechen Spannbeton 0,24 1,35 · 0,65 0,21

Bremsen ≈ 0 1 ≈ 0

Temperaturschwankung �TN,neg 0,27 37 K/27 K 0,37

Temperaturschwankung �TN,pos –0,27 37 K/27 K –0,37

Summe Längung –0,27 –0,37

Spannbeton Summe Verkürzung 1,10 1,05

Gesamtdehnung 1,37 1,42

Stahlbeton Summe Verkürzung 0,75 0,84

Gesamtdehnung 1,02 1,21

Tabelle 3 Freie Dehnung für Betonüberbauten in C35/45 bei üblichen VerhältnissenTable 3 Non restrained relative deck movements for typical concrete bridges in C35

Page 7: Besonderheiten bei Entwurf und Bemessung integraler Betonbrücken

lSchleppplatte ≥ hw + erf lAuflager ≥ 3,60 m (5)

mit hw Höhe der setzungswirksamen Hinterfüllunghw ≥ hWiderlager bei verschieblichen Widerlagern,

z. B. Pfahlkopfbalken

hw ≈ 0,6·hWiderlager bei näherungsweise unver-schieblicher Flachgründung

erf lAuflager erforderliche Auflagerlänge der Schleppplatte≈ 0,2·hw

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Beton- und Stahlbetonbau 99, 2004, Heft 4 301

Bauart Übergang Bauwerk – Hinterfüllung Bauwerkslänge

Dehnweg Spannbeton Stahlbeton[mm] [m] [m]

nach RIZ Abs 4 ohne bes. Maßnahmen

≤ 10 ≤ 15 ≤ 18

Übergang aus Asphalt nach ZTV-ING, 8.2

≤ 20 ≤ 30 ≤ 35

Übergang aus Asphalt mit Schleppplatte

–12,5 ≤ sh ≤ 50 ≤ 60≤ 25

Dehnfuge nach RIZ Übe 1, Schleppplatte

65 ≤ 90 ≤ 105

Dehnfuge nach RIZ Übe 1 (semi-integral)

65 ≤ 90 ≤ 105

Tabelle 4 Anwendungsbereiche für verschiedene Übergänge Bauwerk – HinterfüllungTable 4 Different conventional solutions for the deck – backfill transition of integral bridges

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302 Beton- und Stahlbetonbau 99, 2004, Heft 4

Sofern die zulässigen Verformungen für Übergänge nachZTV-ING, Abschnitt 8.2 überschritten werden, sollte dieFahrbahn im Übergangsbereich Brücke – Damm eine Dehn-fuge nach RIZ Übe 1 erhalten. Risse im Fahrbahnbelag aufder Hinterfüllung werden wieder durch die Anordnung einerSchleppplatte vermieden. Sie gleicht die Setzungen derHinterfüllung aus und konzentriert die Bewegungen auf denÜbergang (Tabelle 4). Die Länge der Schleppplatte kann wiezuvor nach Gl. (5) ermittelt werden. Als Alternative zu einermonolithischen Verbindung zwischen Überbau und Pfeilerist auch die herkömmliche Ausbildung mit Fuge und Lagernmöglich (Tabelle 4). Ein Verzicht auf die monolithische Ver-bindung zwischen Überbau und Widerlager bietet sich an,wenn die Zwangschnittkräfte infolge des mobilisierten Erd-drucks und einer sehr steifen Gründung schwer zu beherr-schen sind. Werden nur die Mittelstützungen monolithischmit dem Überbau verbunden, so spricht man auch von einersemi-integralen Brücke. Schlaich et al. ordnen auch solcheBauwerke den lager- und fugenlosen Bauwerken zu [4].

Für übliche Verhältnisse können überschlägig die Ver-schiebungen nach Tabelle 3 angesetzt werden. Dabei sinddie Vorzeichen auf die rechnerische Änderung der Fugen-breite bezogen. Bremskräfte werden bei integralen Bauwer-ken i. d. R. ohne nennenswerte Verschiebungen abgetra-gen. Die Werte der Tabelle 3 gelten als Anhaltswerte, dieRechnung für jeden Einzelfall unter den zutreffenden Rand-bedingungen zu führen. Hinweise zur Ermittlung der Kriech-und Schwindverformungen können bei Müller und Kvitselentnommen werden [9], [13].

Aus den Dehnwegen der Tabelle 3 können die Anwen-dungsgrenzen für die verschiedenen Übergänge entspre-chend Tabelle 4 ermittelt werden. Dabei wird angenommen,daß beide Widerlager etwa gleich ausgebildet und die Mit-telstützungen symmetrisch zur Bauwerksmitte angeordnetsind. Der Verschiebungsruhepunkt liegt damit in Bauwerks-mitte. Die Fuge zwischen Bauwerk und Hinterfüllung wirdrechtwinklig zur Brückenachse angenommen, so daß keineGleitung in Fugenrichtung auftritt. Für den Bauwerksab-schluß gemäß RiZ Abs 4 wird dabei ein Gesamtdehnwegvon ca. 10 mm zugelassen. Größere Dehnwege könnenauch bei sehr geringen Setzungen im Hinterfüllbereich mit-telfristig zu einem unplanmäßigen Öffnen einer Fuge im Be-lag zwischen Bauwerk und Hinterfüllung führen. Die Anord-nung einer Schleppplatte wird deshalb ab einem Gesamt-dehnweg von ca. 20 mm empfohlen. Wie bereits bei Tabel-le 3 angemerkt, so sind auch die Grenzlängen der Tabelle 4als Richtwerte zu verstehen. Die Einhaltung der zulässigenDehnwege ist für jedes Bauwerk im Einzelfall nachzuweisen.Insbesondere der nach Fertigstellung der Übergänge zu er-wartende Anteil der zeitabhängigen Verformungen ist in Ta-belle 3 nur grob abgeschätzt.

5 Zusammenfassung

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß die integrale Bau-weise für Brücken kleiner und mittlerer Bauwerkslängen invielen Fällen die optimale Lösung bietet. Die wirtschaft-lichen und konstruktiven Vorteile der Bauweise können dortam besten genutzt werden und ermöglichen wartungsarme,

robuste und ästhetisch ansprechende Bauwerke. Die Beson-derheiten, die sich aus der Behinderung von zyklischen Tem-peraturdehnungen und zeitabhängigen Verkürzungen desBauwerks ergeben, müssen bei der Bemessung berücksich-tigt werden. Die statischen Nachweise sind für jedes Bau-werk am Gesamtsystem einschließlich einer realistischenAbbildung des Baugrundes zu führen. Für den entwerfen-den Ingenieur ergibt sich dabei eine spannende Optimie-rungsaufgabe, die zu einer Vielzahl neuer Formen imBrückenbau führen kann.

Literatur

[1] Pelke, E.: Neue Bauweisen im Ingenieurbau aus Sichtder Hessischen Straßen- und Verkehrsverwaltung.Universität Kassel, Fachbereich Bauingenieurwesen(Hrsg.): Schriftenreihe Baustoffe und Massivbau, Heft2, Kassel University Press GmbH, 2003, S. 69–78.

[2] Engelsmann, S., Schlaich, J. und Schäfer, K.: Entwer-fen und Bemessen von Betonbrücken ohne Fugenund Lager. DAfStb (Hrsg.), Heft 496 der Schriftenrei-he, Beuth, Berlin 1999.

[3] Graubner, C.-A. und Six, M.: Fugenlose Betonbrücken– Besonderheiten bei Bemessung und Ausführung.Beitrag XXIX zum Symposium: Kreative Ingenieurlei-stungen, innovative Bauwerke – zukunftsweisendeBewehrungs- und Verstärkungsmöglichkeiten. Institutfür Massivbau der TU Darmstadt und Institut für Kon-struktiven Ingenieurbau der Universität für Bodenkul-tur Wien, 1998.

[4] Pötzl, M., Schlaich, J. und Schäfer, K.: Grundlagen fürden Entwurf, die Berechnung und konstruktive Durch-bildung lager- und fugenloser Brücken. DAfStb(Hrsg.), Heft 461 der Schriftenreihe, Beuth, Berlin1996.

[5] Graubner, C.-A. und Wettmann, V.: Schlitzwände imBrückenbau – ein neuartiges Gründungselement. Be-ton- und Stahlbetonbau 88 (1993), Heft 12, S.323–328. Ernst & Sohn, Berlin 1993.

[6] Hessisches Landesamt für Straßen- und Verkehrswe-sen (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit König, Heunischund Partner: Entwurfshilfen für integrale Straßen-brücken. Schriftenreihe der hessischen Straßen- undVerkehrsverwaltung, Wiesbaden 2003.

[7] BMVBW, Abteilung Straßenbau, Straßenverkehr: Mu-sterentwürfe für einfeldrige Verbundüberbauten zurÜberführung eines Wirtschaftsweges (WW) und einesRQ 10,5 (Ausgabe 1999). Schüßler-Plan. Potsdam1999.

[8] www.wetteronline.de.[9] DAfStb, Heft 525 der Schriftenreihe: Erläuterungen

zu DIN 1045-1. Beuth, Berlin 2003.

Für Brücken kleiner und mittlerer Bauwerkslänge bietet die integrale

Bauweise häufig die optimale Lösung.

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Beton- und Stahlbetonbau 99, 2004, Heft 4 303

Dr.-Ing. Martin ZinkKönig, Heunisch und PartnerBeratende Ingenieure für BauwesenOskar-Sommer-Straße 15–1760596 Frankfurt am [email protected]

Dipl.-Ing. Eberhard PelkeHessisches Landesamt für Straßen- und VerkehrswesenWilhelmstraße 1065185 [email protected]

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Carl-Alexander GraubnerTechnische Universität DarmstadtFachgebiet MassivbauAlexanderstraße 564283 [email protected]

[10] Forschungsgruppe für Straßen- und Verkehrswesen,Arbeitsgruppe Erd- und Grundbau: Merkblatt überden Einfluß der Hinterfüllung auf Bauwerke. Ausgabe1994. FGSV Heft 525, Juli 1994.

[11] England, G. L. and Tsang, N. C. M: Towards the De-sign of Soil Loading for Integral Bridges – Experimen-tal Evaluation. Department of Civil and EnvironmentalEngineering, Imperial College, London 2001.

[12] Vogt, N.: Erdwiderstandsermittlung bei monotonenund wiederholten Wandbewegungen in Sand. Mittei-lungen des Baugrundinstitutes Stuttgart, Nr. 22,1984.

[13] Müller, H. S. und Kvitsel, V.: Kriechen und Schwindenvon Beton. Beton- und Stahlbetonbau 97, Heft1/2002, S. 8–19. Ernst & Sohn. Berlin 2002.

Dipl.-Ing. Dieter BergerHessisches Landesamt für Straßen- und VerkehrswesenWilhelmstraße 1065185 [email protected]

Schlüsselwörter:Integrale Brücke – fugenlose Brücke – mobilisierter Erddruck – Hinterfüllung

Im Juni 2005 soll bereits der Verkehr überdie neue Krka-Bogenbrücke im Streckenab-schnitt Skradin – Sibenik der neuen Auto-bahn Zagreb – Split rollen. Das neue Bau-werk besticht sowohl durch seine Dimen-sion als auch durch seine gefällige Form, diesich harmonisch in die Landschaft einfügt.

Im Oktober 2002 wurde der Bau der390 m langen Brücke mit einer Bogen-spannweite von 204 m begonnen. Der rund22,0 m breite Überbau ist als Stahl-Verbund-tragwerk mit Fahrbahnplatten aus Fertigtei-len geplant. Pfeiler und Brückenbogen wer-den in Ortbeton erstellt.

Für die Doppelpfeiler im Vorlandbereichsetzte das Bauunternehmen vier Sätze derKletterschalung MF 240 ein, ein Baukasten-system, das sich bereits bei anderen Projek-ten bewährt hat. Wichtig für die Entschei-dung war nicht nur ausreichender Arbeits-raum für Schalungs- und Bewehrungsarbei-ten, sondern auch die Sicherheit des Bau-stellenpersonals in jeder Arbeitsphase.Jeweils zwei Pfeilerpaare (mit Höhen bis zu

Krka-Bogenbrücke in Kroatien setzt optische Akzente

56 m) werden in Höhenabschnitten von5,0 m gleichzeitig geklettert. Einmal mehrüberzeugt die Trägerschalung Top 50 durchihre hohe Anpassungsfähigkeit an dreiunterschiedliche Pfeilerquerschnitte.

Top 50-Elemente – kombiniert mit demTraggerüst d2 für die Innenschalung – sor-gen auch beim Brückenbogen für einen

schnellen Baufortschritt. Der Bogen mit sei-nem Querschnitt von 10,0 m x 3,0 m ent-steht in Abschnitten von jeweils 5,20 m imFreivorbau. Die wachsenden Bogenhälftenwerden dabei abschnittsweise über dieuferseitigen Pfeiler aufgehängt. In der End-phase sollen zwei uferseitige Hilfspfeilerdiese Aufgabe übernehmen.

Krka-Bogenbrücke inKroatien: Der Bogenentsteht im Freivor-bau (Photo: Doka).