bemerkungen zu o. schultze's arbeit Über die nothwendigkeit der »freien entwickelung« des...

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Bemerkungen zu O. Schultze's Arbeit Uber die Nothwen- digkeit der >>freien Entwickelung<< des Embryo sowie der >>normalen Gravitationswirkung<< zur Entwickelung'l. Von W. Roux. Der Autor glaubt bewiesen zu haben, ,dass bei allen Eiern die F~higkeit des Eies, im Laufe der Entwickelung innerhalb seiner Htillen frei beweglich zu sein, ein unbedingtes Er- fordernis fur normale Entwickelung bildet~<. Er bebauptet, >>dass diese Fi~higkeit des Eies, ebenso wie eine gewisse Temperatur, Sauerstoffaufnahme, normale Gravitationswirkung u. A., unbe- ding't ein nothwendiger Faktor ftir die Entwickelung ist<<. Die-Nothwendigkeit der normalen Gravitationswirkung glaubt der Autor durch seine jetzt mitgetheilten Versuche auch aufs Neue bewiesen zu haben. Im Speeiellen glaubt er nachgewiesen zu haben, >>dass dutch die vollkommene Aufhebung der Drehungsfiihigkeit, d. h. der Fahigkeit des Eies, den normalen Verlauf der dureh seinen ,Gestaltungstrieb' bedingten inneren Substanzumlagerungen durch entsprechende Totalrotationen naeh dem Gesetz der Schwere zu ermiigliehen -- das Ei frUher oder spiiter unter typischen Erscheinungen abstirbt<<. Ferner: ~)Da die Aufhebung der stabilen Gleiehgewiehtslage das Ei t(idtet, so ist die stabile Gleichgewichtslage fur die Entwickelung des Froscheies unbedingt n(ithig~, under nennt dies den ersten Hauptsatz der Entwickelung'smeehanik. (Das Beiwort >~stabil~ bliebe besser weg', denn es ist Uberfltissig, da das Wort >Gleichgewichtslage des Eies oder Embryo~ vollkommen 1) Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 55. 1S99. na-~. 202--230.

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Page 1: Bemerkungen zu O. Schultze's Arbeit Über die Nothwendigkeit der »freien Entwickelung« des Embryo sowie der »normalen Gravitationswirkung« zur Entwickelung

Bemerkungen zu O. Schultze's Arbeit Uber die Nothwen- digkeit der >>freien Entwickelung<< des Embryo sowie der

>>normalen Gravitationswirkung<< zur Entwickelung'l.

Von

W. Roux.

Der Autor glaubt bewiesen zu haben, ,dass bei allen Eiern die F ~ h i g k e i t des Eies , im Laufe der Entwickelung i n n e r h a l b se iner Ht i l len f re i b e w e g l i c h zu sein, e in u n b e d i n g t e s Er - fo rde rn i s fur normale Entwickelung bildet~<. Er bebauptet, >>dass diese Fi~higkeit des Eies, ebenso wie eine gewisse Temperatur, Sauerstoffaufnahme, no rma le G r a v i t a t i o n s w i r k u n g u. A., unbe- ding't ein n o t h w e n d i g e r F a k t o r ftir die E n t w i c k e l u n g ist<<.

Die-Nothwendigkeit der normalen Gravitationswirkung glaubt der Autor durch seine jetzt mitgetheilten Versuche auch aufs Neue bewiesen zu haben.

Im Speeiellen glaubt er nachgewiesen zu haben, >>dass d u t c h die v o l l k o m m e n e A u f h e b u n g der D r e h u n g s f i i h i g k e i t , d. h. der Fahigkeit des Eies, den n o r m a l e n V e r l a u f der dureh seinen ,Gestaltungstrieb' bedingten inneren S u b s t a n z u m l a g e r u n g e n durch e n t s p r e c h e n d e T o t a l r o t a t i o n e n naeh dem Gesetz der Schwere zu e rmi ig l i ehen - - das Ei frUher oder spi i ter unter typischen Erscheinungen abstirbt<<. Ferner:

~)Da die Aufhebung der stabilen Gleiehgewiehtslage das Ei t(idtet, so ist die s t ab i l e G l e i c h g e w i c h t s l a g e fur die E n t w i c k e l u n g des F r o s c h e i e s u n b e d i n g t n(i thig~, u n d e r nennt dies den e r s t en Haup t sa t z der E n t w i c k e l u n g ' s m e e h a n i k .

(Das Beiwort >~stabil~ bliebe besser weg', denn es ist Uberfltissig, da das Wort >Gleichgewichtslage des Eies oder Embryo~ vollkommen

1) Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 55. 1S99. na-~. 202--230.

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bezeichnend ist; und auBerdem ist es unzutreffend, da die Gleich- g'ewichtslage der Eier and Embryonen oft sehr >,labil<< ist.)

Wie sich SCIIULTZE die nach ihm nSthig'e Wirkung" der Sch~vcr- kraft auf dic Eier and Embryonen denkt, sag't er nicht; ob sic dic specifisch ungleich schucrcn Substanzen typisch ordnen muss, well sic sich nicht selber ordnen kSnnen (was sie nach mcincr Erfahrung' aber thun), oder ob sie, uie es PFLUGER fi'iihcr ciumal dachte, Ge- staltung', Differenzirung auslSsen oder gar dirckt bewirken soll. Bl~pB dass sie >>unbeding't nSthig'<< ist, erfahren wir vorlSufig'.

SCItULTZE iibertr[igt zugleich dcn Geotropismus yon den Pfianzen auf den thierischen Embryo and glaubt damit eiu universelles bio- logisches Gesetz erkannt zu haben, ~ihnlich wie fi'Uher PFLC'GEIt. El" sag't: *Sowohl die P f l anze als das T h i e f sind w'~illrcnd der Ent- wickelung and im ausgcbildeten Zustand - - wenn .tuch nicht fort- w:~ihrend - - an c incn t y p i s c h g e r i c h t e t c n , n o r m a l c n ' Ein- f luss der S c h w e r k r a f t g'ebun(!en, and bei eine gcwisse Dauer iibers(~hreitender Aufhebun$ dieser normalen Gravitationswirkmlg geht de r0 rgan i smus zn Grunde.<: (Die vorstehend gesperrt resl). fett g'edruckten Stellen sind zumeist yon mir hcrvorgehoben.)

Wie vielleicht den Lesern bekannt ist~ habe ich zum Beg'inn mciner causalen embryologischeu Bestrebung'en in den Jahreu IS83 und 18S-1 Zun:,icbst O r i e n t i r u u g ' s v e r s u c h e tiber die allg'emeine Natur der vorlicgenden Probleme g'emacht and dabei auch geprUft, ob allc die typische G e s t : d t u n g bewirkenden Kr:,tftc odcr Ursachcn i n n c r h a l b dcs befruchteten Eies resp. Embryo licgcn (Selbstdiffe- renzirung des Eies), odor ob yon aul3en her auch noch g e s t a l t e n d c Einwirkungeu zum Ablauf der Entuickelung nSthig sind (abh~ngigc Diffcrenzirung des Eies). Die Entscheidung fiel zu Gunsten des crsteren Princips au, J).

Auch wurde zug'leich ein wenig nach den danach zwar nicht die typische Gestaltung bewirkenden, abet doch zur Tll:~itigkeit der Gestaltungsmechanismen nSth igen ~tuBeren Agentien als Bedin- g u n g e n der E n t w i c k e l u n g geforscht.

Dass ein g'ewisses MaB yon W~trme nSthig ist, war bekannt; und Prof. BORN und ich haben mehrfach Eier in den Eierschrank g'ethan, um die Entwickelung aufzuhalten, was die Sp:,iteren neu ent- deckt zu haben glauben. Ebenso habe ich an in engen GlasrShreu befindlichen Eiera erkannt, dass zur F u r c h u n g sehr wenig, zur

t) Ges. Abhandl. II. oa~. 256 u. t.

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Bemerkungen zu O. Schultze's Arbeit etc. 481

G a s t r u l a t i o n und der we i t e r en E n t w i c k e l u n g viel mehr L u f t nSthig ist; dass aber die S te l le des Luftzutritts zum Ei ke inen E in f lus s au f die Lage der Org'ane im Ei hat~), was O. SCHULTZE, welcher vor Kurzem eine Publikation dartiber gemaeht hat, unbe- kannt int.

Um zu priifen, ob die richtende W i r k u n g der S c h w e r k r a f t :~nSthig,, set zum Ablauf der Entwickelungsvorg~inge~ lieB ich Eier laug'sam in einer Vertikalebene rotiren2). Sie entwickelten sieh normal; es war daher zu sehlieBen, dass die riehtende und ordnende Wirkung" der Sehwerkraft und damit auch (entgegen O. SCHULTZE) die ~ormalstellung oder die Gleichgewichtslage der Eier sowie die normale Gravitationswirkung auf dieselben zur Entwiekelung n ieh t nS th ig sind.

Seine frtiheren vergebliehen Bem~hlgelung'en dieser Versuche hat SCHULTZn jetzt darauf eingesehr:~tnkt, d~lss meine Eier, weft sie (NB. :~ber nicht alle!) sieh innerhalb tier Gallerthiille mehr oder weniger lang'sam drehen konnten, und weil andererseits zu ver- sehiedenen Pha~en der Entwiekelung" die Drehungsfahig'keit der Eier eine etwas versehiedene set, nut zeitweise, wi~hrend der einen oder anderen Entwiekelung'sphase, der Rotation des Rades g'efolg't und so aueh nut zeitweise tier richtenden Wirkung tier Sehwerkraft ent- zogen worden seien. Dass solehes unsch:~idlieh sein kSnne, giebt er jetzt zu und schr:~tnkt damit sein eigenes Princi 1) tiberaus ein, denn wenn die Sehwerkraft wirklieb ein wiehtiges ordnend oder gestaltend an den Entwickelungsvorg:~tng'en betheiligtes, also nSthig'es Princip darstellte, kiinnte es nieht in jedem Stadium also zeitweilig 10--15 Stunden entbehrt werden, ohne dass die Entwickelung mindestens stehen bliebe.

Abet aueh in dieser Einsehr:,inkun~, ist O. "SCHULTZE'S Einwen- dung" g'eg'en meinen Ve:sueh immer noeh unberechtig't. Denn wenn aueh in einigen meiner K~istehen die Eier so feueht waren, dass sieh die Eier in der Htflle drehen konnten, so h:~itten sie bet der Richtig- keit seiner Annahme alle mit den braunen Polen nach d e r s e l b e n Seite (naeh oben und reehts bet Reehtsdrehung' des Rades) stehen lntissen; das war aber, wit ieh beriehtet babe, nicht tier Fall.

Zweitens befanden sieh, wie g'leichfalls mitgetheilt wnrde, die Eier einig'er K:,tstehen wahrend tier ersten zwei Tag'e in gu te r

1 Ges. Abhand]. II. pag. 322. Jahr 1SS5. ~) Ges. Abhandl. II. pag. 256--276. Jahr 18S4. Ferner dies Archiv. Bd. V.

pag. 3SS. Archly f. Entwickelungsmechanik. IX. 31

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Z w a n g s l a g e in ihren HUllen. Da die Htillen auf~en an der Watte und letztere an der Wand der Kitstehen fixirt war, so mussten diesc Eier also die Umdrehungen des Rades durchaus mitmaehen und ent- wickelten sieh trotzdem gut.

Aber selbst wenn diese Vcrsuehe nicht gemaeht worden w:~iren, so w~ire die Nichtnothwendigkeit der richtenden Wirkung" der Schwer- kraft dutch meine ~,lJberschlagseier,~ bewiescn, dutch Eier, welche mit etwas Wasser lose in eiuem ~yeiten ProbirrShrehen sigh befanden, das in radi~rer Richtung gleiehfalls an das rotirende Rad befestig~ war. Daher tibersttirzten sich die Eier bet jeder Umdrehung des Rades und rutschten fortwiihrend durch einander. Wie bet diesel ganz atypischen Richtungsanderungen der Eier die konstant gerichtete Sehwerkraft h:~itte ordnend wirken kSnnen, scheint O. SCItULTZE aueh nicht klar zu sein, denn er s ehwe ig t , wie tiber die f ix i r t en E i e r auch, k o n s t a n t tiber d i e sen Versuch , obschon ieh-ihm denselben bet jeder Behandlung der Sache dutch ihn in Erinnerung gebraeht habe.

Der Autor hat das W e s e n me ine r d-~maligen V c r s u c h s a n o r d - hung noch n ieh t e r fass t , das da r in b e s t a n d , dass ich zug le ieh auf d e m s e l b e n Rade Eie r mit s t a r k , w e n i g e r und sehr wen ig g e q u o l l e n e n Ga l l e r th i i l l en ha t t e , aueh noch v e r s c h i e d e n l ange B e f e s t i g u n g s r a d i e n anwandte und dazu noch die l~bersch lags - e ier ftigte. D a d u r e h w a r a l l e n E v e n t u a l i t ~ t t e n z u g l e i e h R e c h - hung g e t r a g e n ; und welm man vcrmuthen mSchte, der Versuch w:,tre bezUglieh der eineu Gruppe yon Eiern wegen zu geringer Fixation oder zu geringer Gesehwindigkeit etc. insufficient, so war er fur die anderen Eier zureichend. Und in allen Abtheilungen entwickelten sich f-tst alle Eier; es blieben nicht mehr aus als bet den nicht rotirten Probeeiern.

Da die Eier nun fortw:,ihrend ihre Richtung zur Schwerkraft Knderten, so konnte dicse Kr:aft unmSglieh typiseh o~'dnend oder typisehe Gestaltung auslSsend an oder in den Eiern und Embryonen wirken. Wit durften also mit Sieherheit sehlieBen - - was manche Kollegen zudem durch die Entwiekelung yon Eiern in bewegten Stellen der B~iehe, Fltisse und des Meeres schon ohne Experiment fiir gentigend bewiesen eraehten - - , dass eine r i eh tende oder o r d n e n d e W i r k u n g der S c h w e r k r a f t zur E n t w i e k e l u n g der F r o s e h e i e r n ich t nSth ig ist.

Ebenso folgt aus diesen Versuehen, dass" auch die normaler Weise dutch die Schwerkraft bewirkte ~ N o r m a l e i n s t e l l u n g , oder

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~ G l e i c h g e w i c h t s l a g e ~ der Eier resp. E m b r y o n e n zu ih re r E n t w i c k e l u n g n ich t nSth ig ist, denn aueh diesc fehlte meinen Eiern.

Damit ist wohl diese Frage fiir den logisch Denkenden erledigt, und O. SCItULTZE'S ~ers te r H a u p t s a t z der E n t w i c k e l u n g s - mecbanik,~, dass ~die stabile Gleichgewichtslage fUr die Entwieke- lung des Froseheies unbedingt nSthig ist(~ eliminirt. Es ware aueh kein Hauptsatz, wenn es rieh.tig ware.

Es ist ferner 0. SCHULTZE nieht bekannt, dass auch fib P f l a n z e n durch die Untersuchung yon BERNHARD SCttMIDT 1) naehgewiesen worden'ist, dass , d i e E n t w i e k e l u n g und G e s t a l t u n g des pha - n e r o g a m e n E m b r y o yon der S e h w e r k r a f t unabh~tngig ist~,.

O. SCHULTZE hat gleicbwohl geglaubt, direkt die N o t h w e n - d i g k e i t der Schwerkraftwirkung auf die Eier durch eine Beobach- tung erwiesen zu haben; n:~tmlich dutch die Wahrnehmung, dass Eier, die er sehr langsam, in 1--2 Stundeu einmal, sich nmdrehen licit, sich grau verfiirbten und abstarben. Ich hielt ihm nach seinem beztiglichen Vpl~rag (in StraBburg 1894) indess sogleich entgegen, dass daraus nut wieder zu folgern sei~ dass die S c h w e r k r a f t un te r g e e i g n e t e n U m s t S n d e n nattirlieh auch s tSrend auf die Anordnung der (wie ich experimentell direkt erwiesen hatte2)) spe- eifiseh ung le i eh s e h w e r e n E i b e s t a n d t h e i l e wirkenkSnne. Dies war bereits, wie ich ausftibrte3), aus den frtiheren Beobachtungen yon PFL~GER und Bv~N zu folgern, welehe fanden, dass frisch be- fruehtete Froseheier absterben ohne sieh zu furehen, wend sie genau umgekehrt, also mit s e n k r e c h t e r E iaehse , den weil]en Pol nach oben, aufgesetzt werden. BoRN zeigte an Schnitten, dass bei d i e se r Aufstellung der ~qabrungsdotter auf a l len Seiten absinkt und dabei sich mit dem Bildung'sdotter vermischt; wahrend dagegen bei sehiefer Stcllung der Eiaehse des umgekehrten Eies der Nahrungsdotter auf der einen Seite absinkt und der Bildungsdotter- auf der entgeg'en- gesetzten Seite aufsteigt, wodurch allmiihlich in der Hauptsaehe die normale Anordnung wieder bergestellt wird, so dass das Ei sich unter einigen Regulationen normal entwickelt.

Ferner babe ich gelegentlich der ltedaktion meiner Gesammelten Abhandlungen (1895) in ihnen (Bd. II. pag. 936) mitg'ctheilt, dass ieh

1) S. dies Archiv. Bd. I. pag. 160. 2) Ges. Abhaudl. II. pag. 262. 3) Verhandl. d. anatom. Ges. 1894. pag. 146 u.f. Roux's Ges. Abhandl.

II. pag. 274. 31"

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im Jahre 1894 an nach O. SCH~:LTZ~ zwischen wagrechte Platteu gepressten Eiern, welche nach tier e rs ten Fu rehe u m g e d r e h t worden waren, vide Eier ganz oder in einer H:,tlfte absterben sah (und NB. statt der Doppelbildungeu SCIIULTZE'S nur Halb-und Drei- viertelbildungen erhielt !j.

Diese beiderlei Beobachtungen seheint SCHULTZE nieht zu kennen, da er ihrer nieht erw~ihnt. D a g e g e n g l ' tubt er nuamehr ent- d e c k t zu haben , dass die S c h w e r k r a f t bei abnormer Wir- kung sehr sehSdl ich w i r k e n kann.

Da raus , dass die Schwerkr - t f t , also die no rmale Anord- hung, un te r Umst~inden :~stSrenr k a n n , da r f man abe t n ieh t f o l g e r n , dass sic zur tterst, e l lung oder E r h a l t u n g der nor- malen A n o r d n u n g ;>nSthig',< ist.

Die ftinf Jahre, die seit dieser meiner Erwiderung in Str't[~burg vergangen sind, haben nieht gcniigt, den Autor das Unriehtige seiner Argumentationen erkennen zu b~ssen. Er vermeint vielmehr in seiner neuesten Arbeit. zu dem frtiheren noch einen direkten Be- weis you der Nothwendigkeit dcr Wirkung der Schwerkraft erbr.teht zu haben.

SCHULTZE hatte die Absicht , e ineu Versueh yon mir ganz g'enau n~chzumachen , um die Richtigkeit meiner Angabe zu prtifen.

Ich hatte 1) Eier yon l, ana mit ft~r den Anfang no rma le r Ste l - lung der E iachse aufgesetzt und dana in d i e se r S t e l l ung dutch ctwas Eintrockncnlassen der Gallerthi~lle e rh al t e n, um die wShrend und naeh der Gastrulation auftretenden "Drehungen zu vcrhindern. Dabei sah man denn, wie die sehwarze dorsale Urmundslit)pe iiber die weil~e Unterseite des ~ies mn etwa 170 ~ in eaudaler ltiehtung verschoben wurde, wShrend gleiehzeitig aueh yon den seitlichen Aquatorgegenden her im Ansehluss an die dorsale Unnundsliplm eine schwarze Uberwaehsung der weil-$en Unterseite stattfand, so dass der in einem mittleren Stadium dieser U~berwaehsung gebildete weite Ring des Urmundes dann in den gleiehen Riehtungen verengt wurde und schliefllieh nur noeh auf der e a u d a l e u Seite des Eies als kleiner Rest often war. Der eauda le schwarzweil~e (4renzrand des Eies bl ieb, d e u t l i c h e r k e n n b a r , fes t s t ehen , so langc his die Bildung der kleinen eaudalen Urmundslippe an ibm erfolg'te und ihn veriinderte. Die so auf der Unterseite des Eies gel)ildete schwarzc Lage erhob sieh dann in zwei Faltcn, den Medullarfalten. 1)er

1, (aes. Abhandl, II. pap'. :~47.

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Belnerkungen zu O. Schultze's Arbeit etc. 485

Embryo wurde also .in d i e se r Lag'e g e b i l d e t und gerieth nicht etwa erst dutch eine nachtriigqiche AbwSrtsdrehung des ganzen Eies in diese horizontale und mit dem RUeken abwiirts gekehrte Lage.

0. SCHL'LTZE hat nun statt dieses Versuehs, ohne es zu be- merken, einen wesentlich anderen Versuch angestellt und daher aueh ein wesentlich anderes Resultat erhalten; seine Eier b l i e b e n a u f der G a s t r u l a s t u f e s t ehen , und erst wenn sic sp~tter in Wasser g'ethan wurden, ging die Entwiekelung wetter und es entstanden neben normalen Quappen verschiedenartige Missbildung'en.

SCItULTZE hat n~tmlich die richtig aufgesetzten E ie r in der 19. Stunde umgedreht nnd sie bis zur 29. Stunde, vom Ende der M o r u l a t i o n bis zum Beg'inne der U r m u n d b i l d u n g in der um- g e k e h r t e n Lage e r h a l t e n (das Zimmer war also ziemlieh warm, da sehon in 10 Stunden dieses Stadium durchlaufen wurde); dann erst wurden die Eier wieder in die normale Lag'e versetzt.

AuBerdem w:~ire noeh'daran zu denken, dass seine Eier aueh (lurch zu starke Troekenhaltung" nnd dadurch vielleicht zugleieh be- cling'ten I,uftmang'el, sowie dutch zu starke Pressung in der Ent- wickelung" zurtiekgehalten worden seien; denn auch in meinen Ver- suchen sind, zumal gegen Ende der Laichperiode, wo Schiidig'ungen wenig'er g'nt ertragen werden, die trockensten Eier auf der Gastru- lationsstufe stehen geblieben. Da SCIIULTZE aber gegen die Trocken- heir besondere Vorkehrungen getroffen hatte und andererseits, wie wir sehen werden, durch die Umkehrung der Eier zur Zeit des Blastulastadiums auch bet weniger trocken gehaltenen Eiern schon schwere Alterationen der Entwickelnng bewirkt worden sind, so kann dieser Eingriff der 10 Stunden w~threnden Umkehr auch hier als Ursache der Abwcichung herangezogen werden.

SCHULTZI~ beobaehtete an diesen Eiern noeh eine wichtige Ab- weichung yon meinen Befunden: Bet seinen am besten fixirten Eiern f.md die auf der vorigen Seite g'eschilderte, yon mir etwa 60- oder 101)fach beobachtete W a n d e r u n g der d o r s a l e n U r m u n d s l i p p e tiber die ue i l l e U n t e r s e i t e etc. n ieht s tat t . Daraus schliel.~t er, dass sic bet meinen entsprechenden Eiern auch nicht stattge- fnnden babe. ,,Sic existirt einf,'tch nicht bet wirklichen Zwangslage- eiern..:

Weiterhin folgert SCHur;rzE arts diesem Versnche, dass seine Eier desshalb ant der Gastrulastufe stehen g'eblieben seien, weil sic in der nur flit den Anfang" (Morulation und Blastulation) uormalen Stellung auch sp:~tterhin f i x i r t g 'ehal ten, also ihrer Drehungsfiihig-

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keit beraubt worden sind und so gehindert waren, zur Zeit der Gastrulation die neue Gleichg.ewichtslag'e einzunehmcn.

Da Letzteres aber bei meinen Vcrsuchen auch verhindcrt war, ohne jedoch diese Folge zu haben, so folg'ere ieh, dams seine E i e r in der Entwieke lungg g.ehemmt w o r d e n sind, weil er sic unde r s b e h a n d e l t hat , we i l er sie nach der Morula t ion zehn S t u n d e n lung. umggekehrt uufggesetzt g.ehulten hat.

Ein Autor, der so sieher yon der ,JNothwendig.keit der normulen (~ruvitationswirkung.,, Uberzeugt ist, h~ttte vielleicht daran denken kSnnen, dass eine Umkehr der Eier yon zehn Stunden Duuer nicht ohne besondere Folg.en bleiben wird. Und wir frag.en uns: Was mug. ein Autor , dem ein derur t ig 'e r s c h w e r e r Eing.riff nicht be i tier D e u t u n g des R e s u l t a t s be r t i eks i eh t ig . enswer th er- sehe in t , sons t noch fur F e h l e r bei se inen V e r s u e h e n muehen, an die h i n t e r h e r :Niemand d e n k e n kunn und die se ine Er- g e b n i s s e b e e i n f l u s s t hubert? Das mSehte bei der Wiirdiggung. seiner frUheren wie seiner zuktinftig'en Versuehe zu berUeksiehtiggen sein.

Aber selbst wenn die Eier bei meiner Yersuehsanordnung. in Folg.e der u der Drehungg wirklieh an tier Weiterentwiekelung. g'ehindert worden w:,iren, so butte dies n ieht die ~,~Nothwendigg- keit,, der ~normalen Wirkung.<< tier Schwerkraft zur Entwiekelung. bewiesen, sondern es ware nut daraus zu folgern, dass sehon sehr g.ering.e ,, abnorme~, Wi rkung ' en der Sehwerkraft sehr nuehtheilig.e Folg.en fttr die Entwiekelung. haben kSnnen. Das ist aber g'anz etwas Anderes. Dass die normale Wirkung. der Schwerkraft bei der Ent- wiekelung" ohne ~Naehtheil e n t b e h r t w e r d e n kann , also zur Ent- wiekelung, nieht nSthigg ist, war bereits dutch meine Rotationsver- suehe bewiesen.

Du O. SCHULTZE diesen Untersehied in der Reihe yon Jahren, w~ihrend der er sieh mit dem Problem der Sehwerwirkung auf die Eier beseh:,tftig.t, night erfasst hat, so ist kaum zu erwarten, dass as noah Jemund ggelinggen wird," ihn davon zu ttberzeug.en.

SCHULTZE butte ferner zwei Jahre frtiher sehon Eier aueh in normaler Riehtungg bei starker Zwang'slagge uufg'esetzt und gesehen, dass bereits die Furehung. unter Aufplatzen der Zellen in den Furehen g.estSrt wurde und die Eier frUher pder spiiter w:~thrend der Morn- lation und Blastulation absturben, letzteren Falles sog.ar unter nach- trag'liehem g~tnzliehem Sehwund friiher wohl vorhanden gewesener Zenggrenzen an den Zellen der Oberfiaehensehieht der Blastula.

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Bemerkungen zu O. Sehultze's Arbeit etc. 487

Diesen Befund letter er gleichfalls wieder yon der ) ,Aufhebung tier t i e f in tier ganzen E n t w i e k e l u n g b e g r U n d e t e n ,Dreh - f~thigkeitq< ab. Ieh le i te ihn yon der zu s t a r k e n ) ,P ressung an sich< ~, und besonders davon ab, dass S. am Ende der Laich- periode (24. Marz) experimentirte, wo die Eier gegen Sehadigungen sellr empfindlich sind. Desshalb jedenfalls hat er im vorigen Jahre, in welchem er 10 Tage frUher experimentirte, d i e sen Befund n ieh t w i e d e r e r h a l t e n , wortiber er sich keine Gedanken gemaeht hat.

Dass man Lebewesen todt drtieken kann, ist nieht ganz neu; und dass dabei die oberfii~ehlich gelegenen Zellen am st~trksten ge- seh~tdigt werden, selbst bet r u h e n d e m Druek, ist aueh klar, da die i n n e r e n Zellen dureh den in allen Riehtungen gleiehm~tBig erh(ihten Druek in der halbfitissigen Masse nieht in ihrer Gestalt passiv ge- audert werden, was abet bet den ~tuBeren Zellen gesehieht. Es ist aueh daran zu denken, dass vielleicht noch andere, yon O. SCnULTZE iibersehene oder nieht angeg'ebene sehiidliche Einwirkungen stattge- fuuden haben; so z. B. vielleieht auch bier wieder liinffere Umkehr der Eier nach tier Morulatiou, die in seiner Abhandlung vorn ein- mal erw~thnt abet sp~tter bet den speciellen Berichten tiber die ein- zelnen Eier nicht angegeben ist.

Ftir diese Vermuthung ki)nnte auch sprechen, class der Autor behauptet: ~,Dieser Zerfall der Zellstruktur wird, wie die experimen- telle Prtifung lehrt (yon weleher er leider niehts beriehtet), einzig und allein dureh die kiinstlich erzeugte h o e h g r a d i g e R e i b u n g bez. F i x i r u n g der Rindenpartikel des Eies an der Innenfi~tehe der lttillen verursacht.~ Sonst h~ttte diese Behauptung des Autors ftir die Blastula gar keinen Sinn, denn diese hat bet normaler Aufsetzung des Eies kein Drehungsbestreben.

Sieheres wissen wit darttbm" nieht; wie denn iiberhaupt die Dar- stellung des Autors im Nebens~tchlichen beli~stig'end ausfiihrlich, im W e s e u t l i e h e n aber unvollstiindig und zum Theil unklar ist.

O. SCU(:LTZt~ hat nun mit dem vorletzt erw~thnten gleiehzeitig einen etwas anderen Versueh gemaeht und ebenfalls gegen frUhere Angaben yon mir verwerthet.

Er hat hierbei die Eier im Allgemeinen ebenso behandelt, wie die vorletzt erwi~hnten, sie abet etwas w e n i g e r fixirt, derart, dass sie bet der u m g e k e h r t e n A u f s t e l l u n g naeh der M o r u l a t i o n wi thrend 1 0 - - 1 4 S tunden s ich i n n e r h a l b ih re r HUllen mit dem (lurch die Umkehr naeh oben gebrachten weif~en Pol w i e d e r naeh un t en d reh ten .

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488 W. Roux

Dicse Eier waren nach seiner Meinung, wie er wiederholt aus- drUcklieh sagt, ~nieht in Z w a n g s l a g e , . N-tch meiner Meiuung waren sie in reeht s t a rke r , wenn auch nicht absoluter Zwangs - lage. Wean ihn, SCHULTZE~ Jemand auf den Kopf stellen und erst im Laufe yon 10 his 14 Stunden allm;,ihlich sich wieder aufrichten lassen wtirde, statt in etwa 20 Sekunden wie die Froscheier und ein Mensch, wiirde er sich wohl iiber einen sehr erhcbliehen, ihm ange- thanen Zwang beklagen.

An diesen~ also wiederum eine gauze Reihe yon Stunden w:,ih- rend der Blastulation u m g e k e h rt gehaltenen Eiern - - dcren schwarzc Pole dabei doch wohl fast die halbe Zeitdauer der Umkehrung noeh stark nach unten uud spiiter noch lauge seitw:drts statt nach oben gewendet waren - - hat cr nun etwas gesehcn, wqs er (NB. irrthiim- lich) als meinen oben (pag'. 484) gesehilderten Befund yon der Wan- derung des Urmundes tiber die Unterseite des Eies ansieht. Und da ich angel)e, dass ich ihn bei gu te r Z w a n g s l a g e erhalten babe, bc- zeichnct SCHULTZE dig cbcn charakterisirte starkc Z~tang'sh~ge seincr Eier als kc ine Zwangs lage .

Skin Befllnd ist aus seinen defekten Angaben allerdings etwas schwer zu cntnehmen:

Er laud viele Embryonen mit den Medu l l a rw i i l s t en un ten l i egen , ganz so wie ieh es far gute Zwang'slage angegeben habe. Da er dabei aber triumphirend ausruft: ,Das war also die an- geb l i eh auf der he l l en Hemisph~ire g e b i l d e t e M e d u l l a r p l a t t e und zwar bei Eiern, bei denen das Fehlen der Zwangsl'/ge sieher war,.., so mUssen wir sehliegen, dass er, yon der Differenz in der Auffassung der Zwangslage abgesehen, aueh einen ande ren Befnnd als ieh gemaeht habe (den er aber leider nieht sehildert). Anderen Falls h~itte er sieh lebhaft zustimmend dazu auBern miissen, dass er nun endlieh die yon ihm so lange nieht geglaubten, a u f dem Riieken l i e g e n d e n F r o s e h e m b r y o n e n , gesehen hat.

Ieh vermuthe daher, dass er trotz dieser ~lbereinstimmung des Endergebnisses einen wesentlieh anderen BeNnd gemaeht hat, niim- lieh dass se ine E ie r sieh erst, und zwar im Ganzen, abw~trts g e d r e h t haben , naehdem der Urmund sehon sehr eng" geworden war. In diesem Sinne deute ieh den ganzen Zusammenhang und seine ebenfalls nieht genUgend klare Zusammenfassung.

Wenn diese Deutung riehtig ist, und sie ist es wohl, denn er nimmt als sieher an, dass seine Eier sieh ged reh t haben, da die ~,Zwangslage fehlte,~ dana hat er zum zwei ten Male, ohne zu

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Bemerkungen zu O. Schultze's Arbcit etc. -189

wissen: wie? und warum? , einen neuen Befund gemacht; denn in meinen Fallen drehte sieh n icht das Ei im Ganzen, der h i n t e r e P i g m e n t r a n d bl ieb s tehen , und es wanderte die dorsale Urmuuds- lippe nebst ihren seitlichen Riindern etc., wie auf pug. 484 geschildert, in cephalocaudaler Richtung tiber die wei[3e Unterseite des Eies um etwa 170 ~

Bet SC~IULTZE'S Eiern dagegen h~itte eine Drehung des ffanzcn Eies um eine wagrechte Achse und zwar mit der Urmnndanlag'eseite start wie normal nach aufw~rts, nach abwErts stattg'efunden. Der Autor nimmt dabei wieder als selbstverstiindlieh an, dass meinc An- gaben, so weit sie mit den seinen nicht tibereinstimmen, falsch sind.

O. SCHULTZE hat also einen neuen Befund gemacht, ohne sich der besonderen Bedingun~en, die er ang'ewandt hat, bewusst zu sein.

Ebenso war es fi't|her bet seineu zufiillig" durch U m k e h r u n g yon Eiern naeh der e r s ten F u r c h e e r h a l t e n e n Doppe lb i l - dung'en. Er g'laubte~ dass die Umkehrung nach der ersten Furche die gcnilgendc Ur,sae.he der Doppelbildung set. Solcheu Versuch hatte ich aber bereits 10 Jahre vor ihm 1) gemacht ohne ein cntspreehendes Ergebnis. Sein I~esultat dagegen war, wie ieh zeigte, dutch dic yon ihm angewandte Kombina t iou yon D e f o r m a t i o n (dutch wagrechtc Plattcnpressung') mit der U m k e h r u u g der Eier naeh der ersten Fro'the bcdingt. Die Ursaehe der Entstehung yon Doppelbildung'en dabei war auch nicht, wie SCHULTZE in StraBburg ~tui~erte: eine .>Theilung' des Schwerpunktes<, , sondern die Zwischenlag'crung yon sehr viel ~:ahrungsdotter zwischen die yon Bildungsdotter um- gebenen Kerne beider Zellen sowie dic damit in jeder Zelle einem ganzen Ei [thnliche Anordnung der Dottertheile2).

Er selber ahnt nieht, dass er auch diesmal einen wesentlich andercn Versuch gemacht hat als ieh, indem er, um die Zwangslage zu pritfen, dic in schr starker Zwangslage befindlichen Eier nach der Morulation u m g c k e h r t au f s t e l l t e , bis sie sich in 10 bis 14 Stun- den innerhalb der H|tllen ganz herumgedreht batten. Ob er dic Eier dann nochmals herumgedreht hat~ um der Platte die frUhere ~tellung zu geben oder ob sonst noch etwas g'eschehen ist, wird nicht berichtet 3).

1) Ges. Abhandl. II. pug. 330. 2) Gcs. Abhandl. II. pag. 932, 935 u. fi 3) Um die Zwangslage zu priifen, braucht man natiirlich nicht, wie

~CttULTZE e$ that, nach der Umkehrung zu warten, bis die Eier sich ganz

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490 W. Roux

W e n n O. SClfULTZE sich aus se inen frUhcren ~thnlichcn Er-

f ah rungen eine Lehre gezogcn h~tttc und daher nicht mchr die bci dcr

heu t igen morphologisch expc r imen t i r enden J u g e n d noch so*vcrbreitete

Eigenschaf t bestride, als selbstverst~ndlich a nz une hme n , dass j e d e r

yon dem e igenen abweichende Befund auf e inem F e h l e r des A nde r e n

beruhe, so wtirde es ihm nicht wohl haben entgchen kSnnen, dass

scin Befund yon dem me inen wesent l ich verschieden ist. Er wUrde

daher nach der Ursache dieser Verschiedenhei t gesucht und sie dana

doch viel leicht in der Abwe ichung seiner Versuchsanordnung yon der

me in igcn e r k a n n t habenl ) .

mit der braunen Seite nach obeu gedreht haben; sondcrn, sofern man sie ab- zeichnet, kann bei ungeniigend fixirten Eiern bald schon eine Stellungsiinderung konstatirt wcrden. Danach wird die ganze Schale mit den Eiern wieder in die normale Stellung gebracht und noch einige Zeit often stehen gelassen, um den Htillen etwas Wasser zu entziehen. []brigens werden die Eier spiiter auch ohne dies immer trockener, auch wenn man die Schale gut mit einer Glasscheibe zudeckt und auch noch feuchtes FlieBpapier hiueinlegt. ~Noch besser ist es, wie ich gleichfalls angegeben habe (Ges. Abhandl. II. pag. 247), nur in gleicher Weise behandelte Probeschalen mit Eiern umzudrehen.

Wer indess schon durch Erfahrung weii3, wie dick die Hiille in guter Zwangslage befindlicher Eier aussieht, kann auch dieser Probe entbehren; er wird anniihernd das Richtige treffen und glcich mir sehen, dass nu r die , E m - b r y o n e n ~ mi t den am w e n i g s t e n g e q u o l l e n e n t t t i l l e n ganz wagrecht auf dem Riicken liegen. Zu sehr eingetrocknete Eier, die daher absterben, oder zu wenig feste, welche sich aufw~irts drehen, scheiden fiir diesen Versuch yon selber aus; es bleiben bei einiger Erfahrung immer noch viele Eier iibrig, die unserem Bedarfe entsprechen. Die Fixation prtift man wiihrend der ersten H~ilfte der Gastrulation an dem S t e h e n b l e i b e n des h i n t e r e n (also dem Anfang des Urmundes gegeniiberliegenden) Pigmentrandes. Wenn man die Be- obachtung zur kritischen Zeit nicht unterbricht (wie es O. SCHULTZE gleich O. HERTWIG gethan zu haben scheint, da er gerade davon nichts berichtet), muss man an den wirklich nach me in e r Weise behandelten Eiern die schwarze 1~" be r- w a c h s u n g der unteren Eih~lfte sehr woh lvon einer eventuellen D r e h u n g des ganzen Eies mit der schwarzen Seite nac'h abwiirts ~'t la SCHULTZE unter- scheiden kiinnen.

l) Falls ich ebenso wie diese Autoren h~itte vorgehen wollen, so h';itte ich 0. SCHULTZE'S oben ~pag. 489) erw~hnte, dutch Umkehr der Eier in Kombination mit Plattenpressung erhaltene D o p p e l b i l d u n g e n als n i c h t e x i s t i r e n d er- kliiren miissen; denn ich babe bei der von d i e s e m A u t o r . t n g e w a n d t e n V e r s u c h s a n o r d n u n g k e i n e e i n z i g e D o p p e l b i l d u n g , s o n d e r n nu r T h e i l b i l d u n g e n : s e i t l i c h e und v o r d e r e H a I b b i l d u n g e n und D r e i - v i e r t e l b i l d u n g e n erhalten (Ges. Abhandl. II.-pag. 936). SCHULTZE hat zwar seine Doppelbildungen einem Kongress von Fachgenossen demonstrirt; doch ich babe meine Halbbildungen drei solchen Kongressen demonstrirt, und 0. HERTWlG, der auf keinem derselben war, hatte gleichwohl das geniigende Selbstvertrauen, diose Halbbildungen als nicht existirend zu bezeichnen so lange, bis er sie

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Bemerkungen zu O. Schultze's Arbeit etc. 49]

Da ihm ferner nach seinem Berimht die gleiche Behandlung dmr Eier auch bei Fixation durch Plattenpressung dasselbe Rmsultat gm- liefmrt hat, so kann ich O. SCHULTZE unter dem obi~ien, auf seiner ungenauen Schilderung des Wesentlichen beruhenden Vorbehalt mit- theilen, da s s mr o h n e ms zu w i s s e n d ie n e u e B e o b a c h t u n g g 'emacht ha t : da s s E i e r , w e l c h e mit starkem, aber nicht voll- kommmnen Zwang in fiir den Anfang normaler Lage aufgesetzt, dann nach der Morulation eine gro~e Anzahl Stunden umgckehrt auf~estellt werden, bis sie im Laufe yon 10--14 Stunden sich in der Hiille mit der braunen Seite wieder nach oben g'edreht haben (und dann vielleicht nochmals umgedreht werden?) E m b r y o n e n l i e f e r n , d ie (wie ich sagen will) e ine > ,pa radoxe Drmhung(, a u s f t i h r e n , in - d e m s ie s i ch mi t der M e d u l l a r s e i t e s t a t t aufw: , i r ts n a c h a b - w ~ r t s ~ drehcn<<.

Ich denke mir, dass durch die h u g dauernde al)norme Stellung derartigm passive, vielleicht sogar aumh aktive Umlagerungen des u n g l e i e h specifisch schweren Zellmaterials veranlasst worden sind, dass bei der Bildung der Medullarplatte dann die ))paradoxe Drehung<'. des Embryo die Folge ist.

Zum Schluss der Arbeit macht der Autor noch einm weitere Ver- wirrung', indem er wieder wesentliche Versmhiedenheiten nicht er- kennend die Asyntaxia medullaris mit einer ~ihnlich aussehenden Missbildung nicht passend zusammenstellt und einen entsprechend unzutreffenden Schluss zieht.

nach meiner ihm besouders gegebenen detaillirten Anweisung (Anatom. Anzeiger. 1894. pag. 24S--282 oder Ges. Abhaudl. II. pag. 940--986) auch in unverkenn- barer Weise erhalten hatte.

Statt es SCHULTZE und ~ERT~V1G gleichzuthun, habe ich gefolgert, dass das Ende d e r L a i c h p e r i o d e , indemicharbeitete, d i e U r s a c h e des cnt- g e g e n g e s e t z t e n Resu l t a t s bei g l e i c h e r V e r s u c h s a n o r d n u n g war; denn es ist mir seit lange bekannt, dass zu dieser Zeit die regulatorischen F~ihigkeiten sehr herabgesetzt sind uud St(irungen nicht gut ausgeglichen werden.

Daher erhiilt man auch am Ende der Laichperiode ke ine P o s t g e n e - r a t i o n mit Verwendung der o p e r i r t e n , sich jetzt zersetzenden EihiHfte; w~ihrend am Anfange der Laichperiode diese Art der Postgeneration so bald erfolgt, dass man die geringe Vdrspiitung der Entwickelung der auderen Ei- h~ilfte sehr leicht iibersieht. Am besten macht man daher solche Versuche die ganze L a i c h p e r i o d e h i n d u r c h , um alle Arten des Verhaltens kennen zu lernen. Die achiinste, d. h. sp~te Postgeneration, erst nach Ausbildun~ des e inen M e d u l l a r w u l s t e s erhiilt man kurz vor dem Ende der Laich- periode.

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492 W. Roux

Zusammenfassung, O. SCHULTZE hat nuch in der vorliegenden Arbeit dieselben

Fehler im Sehliel~en gemaeht, die wir ibm seit seehs Jahren ver- geblieh vorgehalten haben. Er hat sodann angeblieh einige Versuehe yon mir genau naehgemaeht und g,~nz andere Resultate erhalten als ieh. Dabei hat er nieht bemerkt, dass seine Versuehe wesentlieh andere dadureh wurden, dass er die in hoehg'radiger oder vollkom- mener Zwangslage befindliehen Eier naeh der Morulation 10 bis 14 Stunden lang u m g e k e h r t aufstellte, was bei meinen Eiern nicht ge- sehehen war, wodureh aber hoehgradige abnorme Wirkung'en dcr Sehwerkraft eintraten, die als die Ursaehe seiner abweicbenden Resultate anzusehen sind.

SchlieBlieh wollen wir den Sgtzen O. SCIlULTZE'S noeb die be- ztiglichen unseren geg'ennberstellen:

1. Die normale S e h w e r k r a f t s w i r k n n g ist zur Entwiekclung der Eier und Embryonen n ieh t nSthig. Die Entwickelung kann aueb bei Aufhebung dieser Wirkung" stattfinden (normale, typisebe Entwiekelung) ').

2. Abnorme S e h w e r k r a f t s w i r k u n g kann (lurch abnorme Umordnung der ungleich specifiseh sehweren Bestandtheile des Eies sch:adlieh event, tSdlich werden.

Doeh werden geringe Grade soleher stSrenden Wirkungen durch h'egulationsvorg~inge, zmnal am Anfange der Laichperiode, wieder

regular r,sehe Entwiekelung). ausgeg'liehen (atypisehe, ,, o" 3. Die ,,normale<: B e w e g l i e h k e i t (DrehfSh igke i t ) des

Eies und Embryo in den Eihtillen ist an sieh zur Entwiekelung" n ieh t nSthig. Die Entwiekelung" vermag aneh bei erheblieher Be- sehrSnkung dieser Bewegliehkeit vor sieh zu gehen.

Doeh kann die Besehr:ankung der normalen Bewegliehkeit unter Umst~nden zu stSrenden abnormen Sehwerkraftswirkungen Veran- lassnng geben nnd dadureh seh:~tdlieh wirken. Dessgleiehen kann aueh die Ursaehe der Bewegliehkeit~besehrfinkung direkt, z. B. dureh

1~ lm Jahre 1884 babe ieh bereits den viel weitergehenden Naehweis er- braeht: ,Die , formalc ' Entwiekelung des Froseheies bedar fke iner r i eh tenden und ges t a l t enden Einwirkung yon auflen; das befrueh- tete Ei tr~igt und produeirt alle zur norm,flen Entwiekelung niJthigen ,gestalten- den' Kriffte in sieh selber: Die ,formale' Entwiekelun~ des befruehtetcn Eies ist ein Process vollkommener Selbstdifferenzirung, (Ges. Abhandl. II. pag. 276, siehe aueh pag. 422).

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Bemerkungen zu O. Sehultze's Arbeit etc. 493

zu s t a r k e Pressung', zu starke Deformation, Luftmangel, schadlich wirken.

Indess findct auch bei hochgradiger abnormer erzwun~'ener Form noch die Entwickelung" statt, und zwar in ihren fiuBeren and inneren Resultaten der Hauptsache nach so wenig yon der ~orm abweichend, als wenn bei g'enUgend el~stischer Beschaffenheit erst die bereits c n t w i e k e l t e n E m b r y o n e n nach t r : , t g l i ch zu d i e s e r G e s t a l t d e f o r m i r t w o r d e n w:,iren /'Ges. Abhandl. II. pag'. 926).

Diese Entwickelung geschieht abcr wohl gleiehfalls wie bei jeder StSrung unter Aktivirung" yon Selbstregulationsmechanismen (Ges. Abhandl. ]I. pag. 915, 911~ ~47)~!.

4. Die Einrichtungen, welche die B e w e g l i c h k e i t d e r E ie r u nd E m b r y o n e n in i h r e n H t i l l e n ermSg'lichen, sind nicht vor- handen, weft die n o r m a l e n S c h w e r k r a f t s w i r k u n g e n an sich zur Entuickelung niithig' w:~h'en, sondern: erstens haupts~tchlich, weft d~'durch a b n o r m c n W i r k u n g ' e n de r ewig vorhandenen und daher a u c h w i r k e n d c n S e h w e r k r a f t m S g l i c h s t v o r g e b e u g t w i r d . Dies geschieht, indem sie die Herstcllung der (der normalen Anordnung der ungleich speeifisch schweren Substanzen im Ei am meisten ent- sprechenden) G l e i c h g ' e w i c h t s l a ~ e des g a n z e n Eies d u r e h d ie S e h w c r k r a f t s e l b e r g'egentiber den in der freien Natur vorkom- mendcn, :,iuBeren dreheuden Eiawirkung'en in geniigendem MaBe er- mSglichen. Zweitens sorgen sic zugleich ftir relativ ruhige Lagerung des Eies und Embryo bei mannigfachen ~tuBeren Einwirkungen und wirken so wie die doppelte lfingaufh:tngung des Kompasses (der au('h die Schuerkraf t zu seiner Funktion nicht nSthig hat).

SehlieBlich wirken sie entsprechend w 3 (Schluss) begtinstigend flit den t y p i s eh e n Verlauf der Entwickelung., indem sie ann:~thernd den fUr die normalcn Gcstalt:,inderungen angemessenen freien Raum g'cw:,ihren.

1) Vielleicht nimmt nunmehr O. SCIIULTZE, "liE von seinen S:,itzen noch ctwas zu retten, meine bisher yon ibm ignorirte Unterscheidung t y p i s c h e r und a typ i sche r En twicke lung an.

Bisher verstand er, wie meine anderen Gegner, unter , no rma le r Ent- wickelung% yon de r e r in seinen S~itzen spricht, diejenige Entwickelung, welche normal g e s t a l t e t e P r o d u k t e liefert, einerlei ob die Vorg'~nge dabei die typischen oder atypische, unter Aktivirung von Regulationsmech'~nis- men sich vollziehende sind. Wenn er erklSrt~ er meine fernerhin nur, dass bei Pressung und abnormer Schwerkraftswirkling die Entwickelung oft nicht ganz typisch verlaufe and ev. ganz gestiirt werde, so stimmt er zwar den yon mir scit lange vertretcnen Auffassungen zu, annullirt '~ber seine jetzige, temperament- voile Opposition.