belarus: präsident lukaschenko vor seiner fünften amtszeit?
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Am 11. Oktober findet in Belarus wieder eine Präsidentschaftswahl statt. Und obwohl die belarussische Opposition nach wie vor schwach und zerrissen ist, bereitet der Ausgang der Wahl der politischen Spitze des Landes Sorge – wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage und Herausforderungen in Außen- und Innenpolitik gleichermaßen. Entsprechend ist die Vorwahlrhetorik Präsident Lukaschenkos, seit 1994 im Amt, ganz anders als sonst. Im Vordergrund stehen ausnahmsweise nicht höhere Löhne und Wachstum, sondern Beschäftigungssicherung und Stabilität. In jedem Fall sucht Minsk die bisherige Schaukelpolitik gegenüber der EU und den USA auf der einen und Russland auf der anderen Seite fortzusetzen – erstmalig aber mit dem noch anspruchsvolleren Ziel, gute Beziehungen zum Westen auch nach der Wahl zu bewahren. So glaubt Minsk gegenüber eventuellen russischen Druck-Szenarien besser bestehen zu können. Letztendlich wird aber die wirtschaftliche Lage der Faktor sein, der den außenpolitischen Kurs bestimmt: Sollte sich die Krise verschlimmern, dürfte sich die belarussische Regierung doch wieder stärker Moskau zuwenden – weil sie ohne finanzielle Unterstützung des Kremls nicht mehr überlebensfähig ist.TRANSCRIPT
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Hintergrund: Belarus Nr. 44 / Juli 2015 | 1
Prsident Lukaschenko vor seiner fnften Amtszeit?
Mikita Bialiayeu
Hintergrund:
Belarus
Nr. 43 / 27. Juli 2015
Zusammenfassung
Am 11. Oktober findet in Belarus wieder eine Prsidentschaftswahl statt. Und
obwohl die belarussische Opposition nach wie vor schwach und zerrissen ist, be-
reitet der Ausgang der Wahl der politischen Spitze des Landes Sorge wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage und Herausforderungen in Auen- und Innen-
politik gleichermaen. Entsprechend ist die Vorwahlrhetorik Prsident Luka-
schenkos, seit 1994 im Amt, ganz anders als sonst. Im Vordergrund stehen aus-
nahmsweise nicht hhere Lhne und Wachstum, sondern Beschftigungssiche-
rung und Stabilitt. In jedem Fall sucht Minsk die bisherige Schaukelpolitik ge-
genber der EU und den USA auf der einen und Russland auf der anderen Seite
fortzusetzen erstmalig aber mit dem noch anspruchsvolleren Ziel, gute Bezie-hungen zum Westen auch nach der Wahl zu bewahren. So glaubt Minsk gegen-
ber eventuellen russischen Druck-Szenarien besser bestehen zu knnen. Letzt-
endlich wird aber die wirtschaftliche Lage der Faktor sein, der den auenpoliti-
schen Kurs bestimmt: Sollte sich die Krise verschlimmern, drfte sich die bela-
russische Regierung doch wieder strker Moskau zuwenden weil sie ohne fi-nanzielle Untersttzung des Kremls nicht mehr berlebensfhig ist.
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Das System Lukaschenko
Prsident Lukaschenko ist seit 1994 im Amt. Bei der letzten Wahl 2010 erhielt er nach offiziellen Aus-
zhlungen fast 80 Prozent der Stimmen. Es folgten Proteste und Repressionen und eine im Resultat noch einmal wesentlich geschwchte Opposition.
1 Dabei ist die Popularittsrate der Oppositionsfhrer
niedrig. Der beliebteste war nach Umfragen vor zwei Jahren der Leiter der oppositionellen Bewegung
Sag die Wahrheit Wladimir Nekliajew, aber auch er wre auf keine zehn Prozent gekommen.2 So
drfte auch in dieser Wahl Prsident Lukaschenko die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten,
schlimmstenfalls erst im zweiten Wahlgang. Unsicher ist eher, ob sich die Hlfte aller Wahlberechtig-
ten beteiligt, was die Voraussetzung dafr ist, dass die Wahl auch Gltigkeit hat. Die Kommunalwah-
len, die im Mrz 2014 stattfanden, erhielten die wichtigsten Trends der vorherigen Wahlen zu den
Organen der lokalen Selbstverwaltung aufrecht: niedrige Wahlbeteiligung und der Mangel an Wett-
bewerb unter den Kandidaten. Etwa 88% der Sitze wurden alternativlos besetzt.
Fr die Prsidentschaftswahl sind seit dem 20. Juli acht Kandidaten zugelassen darunter zum ersten
Mal zwei Frauen. Die eine, Tatiana Korotkewitsch, ist von Sag die Wahrheit, also der Opposition, die 2010 neben Europisches Belarus den einzigen halbwegs populren Kandidaten stellte. Sie steht nun dem Wahlblock Volksreferendum vor. Die andere ist eine selbstaufgestellte Unbekannte, die ihr
Wahlprogramm erst im Herbst verffentlichen will. Um offiziell antreten zu drfen, mssen alle Kan-
didaten zwischen dem 23. Juli und dem 21. August 100.000 Whlerunterschriften sammeln. Das drf-
te neben Lukaschenko und Korotkewitsch zumindest noch Anatoli Lebedko von der Vereinigten Br-gerpartei gelingen, einer der ltesten Oppositionsparteien, sowie Sergej Gaidukewitsch und Sergei
Kaljakin. Ersterer war 2001 und 2006 schon einmal Kandidat. Er vertritt die sog. Liberal-
Demokratische Partei Belarus. Sergej Kaliakin kandidiert fr die belarussische Partei der Linken Ge-
rechte Welt. Aber auch wenn die Macht die Kandidaten nun nicht aktiv in ihren Kampagnen behin-dert und ihnen die Mglichkeit einrumt, ffentlichkeitsarbeit zu betreiben und sich registrieren zu
lassen, sind sie kaum tatschliche Herausforderer fr den Amtsinhaber. 2010 erhielt der erfolgreichste
Oppositionskandidat, Andrei Sannikow von Europisches Belarus, 2,56% der Stimmen, der Vorgn-
ger Korotkewitschs Wladimir Nekliaew 1,78% und Gaidukewitsch 2006 3,5%. Es sind also andere Fak-
toren, die den Wahlkampf von frheren Kampagnen unterscheiden.
Der Wirtschaftsfaktor Anlass fr Vernderungen?
Die schlechte wirtschaftliche Lage ist fr die belarussische Fhrung eines der Kernprobleme. In der
Regel war es ihr in Vorwahlzeiten immer gelungen, wirtschaftliches Wachstum zu sichern sowie, als Folge dessen, den verhltnismigen Wohlstand ihrer Brger. Heute sieht das anders aus. Viele Bela-
russen mssen mit geringerem Lohn auskommen. Auerdem sieht sich die Regierung mit fr sie neuen
wirtschaftlichen Erscheinungen konfrontiert. Im Vergleich zu den Krisen von 2009 und 2011 ist auf-
fllig, dass die Perspektiven fr zuknftigen Aufschwung fehlen. 2011 gelang es der belarussischen
Fhrung noch relativ schnell, Krisenfolgen wie niedrigere Lhne und BIP-Verfall abzuwenden. Auch
1 Oppositionspolitiker leben noch immer im Ausland oder sind inhaftiert.
2 S. http://iiseps.org/analitica/550. Das belarussische Meinungsforschungsinstitut Independent Institute for Socio-Economic
and Political Studies ist eines der wenigen verbliebenen unabhngigen Institute fr soziokonomische und politische Stu-
dien; es ist inzwischen in Litauen ansssig.
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wenn das Wachstum geringer ausfiel als in den Vorjahren, die Einknfte der Bevlkerung wuchsen
jedenfalls. Der durchschnittliche Nominallohn, der zum Ende des Krisenjahres 2011 nach Angaben des
belarussischen Statistikamtes BELSTAT etwa 362 $ betrug, lag Ende 2012 bereits wieder bei 448 $.3
Heute dagegen gehen die meisten Experten davon aus, dass (im Gegensatz zu 2011) die Vorausset-
zungen fr eine schnelle wirtschaftliche Erholung nicht gegeben sind. Eher lsst sich das Gegenteil
beobachten; die wirtschaftliche Lage des Landes verschlechtert sich von Monat zu Monat. Die Welt-
bank rechnet fr 2015 mit einem BIP-Rckgang von 3,5% und fr 2016 mit einem Rckgang von 1%.4
hnlich sehen das die Experten der Osteuropabank: 2,5% BIP-Verlust fr 2015 und Nullwachstum fr
2016.5 So sieht es heute zum ersten Mal seit der Jahrtausendwende nach einer Trendnderung in Sa-
chen Dynamik des realen BIP-Wachstums aus, die die wirtschaftliche und soziale Stabilitt des Landes
langfristig negativ beeintrchtigen knnte.
Quelle: Weltbank
Hauptgrund fr die aktuell so schlechte Lage der belarussischen Wirtschaft ist die russische Wirt-
schaftskrise, weil Russland einer der wichtigen belarussischen Handelspartner und Absatzmarkt fr die
meisten belarussischen Unternehmen ist. Dazu kommen Probleme der heimischen Wirtschaft, denn es
mangelt an strukturellen Reformen. Am meisten betroffen von der Krise ist die Industrie. Im ersten
Quartal 2015 ging die Industrieproduktion um 7,3% zurck, und dieser Rckgang wirkte sich praktisch
3 S. http://www.belstat.gov.by/ofitsialnaya-statistika/otrasli-statistiki/naselenie/trud/godovye-dannye/nominalnaya-
nachislennaya-srednyaya-zarabotnaya-plata-rabotnikov-respubliki-belarus-s-1991-po-2013-gg/. Das ist allerdings immer
noch weniger als der 2010 in den USA erreichte Durchschnittslohn von 500 $. 4 http://www.worldbank.org/en/country/belarus/publication/belarus-economic-update-april-2015.
5 http://www.ebrd.com/where-we-are/belarus/overview.html.
12,74 12,35 14,59
17,83
23,14
30,21
36,96
45,28
60,76
49,21
55,22 59,73
63,62
71,71
0
10
20
30
40
50
60
70
80
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
BIP in Belarus 2000 - 2013 (Mrd. US-Dollar)
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auf alle Wirtschaftszweige aus. Zudem nahmen die Lagerbestnde von Fertigprodukten von Januar bis
April d.J. um 20% zu, und fllige Forderungen wuchsen im ersten Quartal 2015 um 53,6% an.6
Infolge der schwierigen Finanzlage kam es in den meisten Industriebetrieben zu massiven Stellenkr-
zungen. Die offizielle Arbeitslosenquote, am 1. Januar 2015 noch bei 0,5%, war Anfang April auf das
Zweifache gewachsen (1%). Auerdem kam es in den ersten Monaten des Jahres 2015 vermehrt zu
Teilzeitbeschftigungen, weil Industriebetriebe ihre Produktionsvolumen zurckfuhren. Von Januar bis
Mrz 2015 waren 99,1 Tausend Belarussen in Teilzeitjobs beschftigt, das sind mehr als dreimal so
viele wie im 1. Quartal 2014.7
Ein weiterer Negativfaktor ergibt sich aus dem Verhltnis von Lohnkrzungen zu auslndischen Leit-
whrungen. Infolge der Abwertung des Belarussischen Rubels Ende 2014 sank das durchschnittliche
Realeinkommen um mehr als 30%.8 Das ist fr politische Prozesse in Belarus vllig untypisch. Lohn-
steigerungen waren immer eines der Basisinstrumente der Regierung in Vorwahlzeiten, um zu sichern,
dass die Bevlkerung die Fhrung weiter untersttzt. Anscheinend lassen ihr die existierenden wirt-
schaftlichen Risiken keine Wahl, so dass sie gezwungen ist, auf landesweite Lohnsteigerungen zu ver-
zichten.
Quelle: Belarussisches Statistikamt BELSTAT
6 http://belstat.gov.by/ofitsialnaya-statistika/otrasli-statistiki/promyshlennost/operativnaya-informatsiya_12/o-
proizvodstve-promyshlennoi-produktsii/o-proizvodstve-promyshlennoi-produktsii-za-yanvar-aprel-2015-goda/. 7 http://belstat.gov.by/ofitsialnaya-statistika/otrasli-statistiki/naselenie/trud/operativnaya-informatsiya_8/o-zanyatosti-
naseleniya/o-zanyatosti-naseleniya-v-aprele-2015-g/. 8 http://belstat.gov.by/ofitsialnaya-statistika/otrasli-statistiki/naselenie/trud/operativnaya-informatsiya_8/o-nachislennoi-
srednei-zarabotnoi-plate-rabotnikov/o-nachislennoi-srednei-zarabotnoi-plate-rabotnikov-respubliki-belarus-v-mae-2015-
g/.
123,8 162,3
218
275 327,2
415,8
355,2
413 361,9
448
577,9 591,2
466
0
100
200
300
400
500
600
700
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015(Mai)
Der Durchschnittslohn in Belarus ($)
Der Durchschnittslohn
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Neu: Beschftigungssicherheit statt Lohnwachstum
Die Rhetorik der Vorwahlzeit ist so wegen der aktuellen wirtschaftlichen Lage eine ganz andere als
sonst. Im Unterschied zu frheren Wahlkampagnen geht es in den heutigen Reden Prsident Luka-
schenkos nicht um hhere Einkommen fr die Belarussen, sondern um Beschftigungssicherung.
Zeugnis dafr sind auch neu eingefhrte Regeln fr die offiziellen Gewerkschaften, deren Zustndig-
keit auf private Unternehmen ausgeweitet wurde. Damit sollen Massenkndigungen nicht nur bei
staatlichen, sondern auch bei privaten Unternehmen ausgeschlossen werden.
Die weitere wirtschaftliche Entwicklung liegt in der Hand der Regierung. Deren Wirtschaftsblock
macht seine Sache verhltnismig gut. Einige Signale in den Aussagen hoher Beamter knnten gar
ein Hinweis darauf sein, dass es nach der Prsidentschaftswahl zu Reformen in einzelnen Wirtschafts-
zweigen kommt. Wenn aber die Regierung nach alter Manier zu unbegrndeten Lohn- und Staatsaus-
gabenerhhungen greifen sollte und diese Mglichkeit ist ebenso realistisch wird es mit der bela-
russischen Wirtschaft weiter abwrts gehen.
Protestpotential?
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die wirtschaftliche Situation kurzfristig zu sozialen Protesten fhrt.
Vor dem Hintergrund der Krise in der Ukraine nimmt die belarussische Gesellschaft jeglichen Straen-
protest erst einmal sehr negativ wahr. Laut Umfragen des Meinungsforschungsinstitutes IISEPS vom
Mrz d.J. wren nur 15% der Befragten bereit, sich an Protestaktionen gegen schlechtere wirtschaftli-
cher Zustnde in ihrer Stadt bzw. ihrem Bezirk zu beteiligen. 72,6% beantworteten die Frage nach
ihrer Protestbereitschaft negativ im Vergleich zu 22,9% Protestwilligen und 68,3% Protestunwilli-
gen im Mrz 2014.9
Dafr beeinflusst die aktuelle Wirtschaftslage die Ratings des Staatsprsidenten durchaus. Laut IISEPS
sanken die Zustimmungswerte der Belarussen fr ihren Prsidenten von September 2014 also vor
der Dezember-Abwertung des Belarussischen Rubels bis Juni 2015 von 45,2% auf 38,6%.10
Innen- und Auenpolitik Wahlkampfthemen angesichts des Ukraine-Konflikts
Die Ukraine-Krise ist zu einem der bestimmenden Aspekte der belarussischen Innen- und Auenpolitik
geworden. Das spiegelt sich auch in der Prsidentschaftswahlkampagne wider. Der (unbeabsichtigte)
Einfluss der Ukraine auf die belarussische Innenpolitik zeigt sich in dreifacher Hinsicht: Erstens, Kor-
ruptionsbekmpfung wird betont; zweitens, der Sicherheitsaspekt, also das Ausbleiben von Krieg im
eigenen Land, wird herausgestellt; und, drittens, die belarussische Kultur wird vorsichtig akzentuiert
und verbreitet.
9 Die Unzufriedenheit der Belarussen mit der wirtschaftlichen Lage wchst, die Bereitschaft zu protestieren fllt,
http://news.tut.by/society/442051.html. 10
http://iiseps.org/old/press3.html.
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Die drei Themen Korruptionsbekmpfung, politische Stabilitt und, angesichts der schlechten wirt-
schaftlichen Lage, Beschftigungssicherung, drften ebenso Prsident Lukaschenkos Wahlkampagne
dominieren.
Als Antwort auf den Sturz des Janukowytsch-Regimes und soziale Unruhen in der Ukraine im Winter
2013-2014 bedient die Rhetorik der belarussischen Regierung bereits seit dem letzten Jahr das Kor-
ruptionsthema, nachdem das hohe Niveau der Korruption in der Ukraine als einer der wesentlichen
Grnde fr die Proteste dort verstanden wird. Im Rahmen der aktivierten Antikorruptionskampagne
wurde in Belarus ein neues Gesetz zur Korruptionsbekmpfung verabschiedet, zur Vervollstndigung
der Antikorruptionspolitik. Tatschlich fhrte es dazu, dass die Zahl der wegen Korruptionsverdachts
Verhafteten stieg. Insgesamt widmet der Staat diesem Thema deutlich mehr Aufmerksamkeit als zu-
vor. Dennoch nennen Befragte soziologischer Umfragen Korruption nach wie vor als eines der gravie-
rendsten Probleme. In einer IISEPS-Studie von Mrz 2015 landete die Korruption mit 23,1% auf Platz 5 auf der Liste der drngendsten Probleme des Landes. Einer massiven Anti-Korruptions- und
einer begleitenden Medienkampagne zum Trotz verbesserte sich dieser Faktor im Verlauf eines Jahres
nur um 0,7% (das Resultat 2014 war 23,8%).11
Der ausbleibende Erfolg drfte der Grund dafr sein,
dass das Korruptionsthema in der politischen Rhetorik nun seltener vorkommt und den Platz an das
Thema Beschftigungssicherung abgegeben zu haben scheint.
Bezogen auf die Aufwertung belarussischer Kultur und Identitt sind belarussische Politiker uerst
vorsichtig und beschrnken sich auf minimale nderungen. Erstens frchten sie die negative Reaktion
seitens Russlands. Tatschlich haben manche russische Medien bereits auf kleine Vernderungen in
diesem Bereich mit Artikeln ber die Unterdrckung russischsprachiger Brger in Belarus reagiert.
Zweitens werden belarussische Kultur und Sprache gar nicht von vielen Belarussen nachgefragt und
aktive Manahmen seitens des Staates in dieser Hinsicht knnten auch negativ wahrgenommen wer-
den. Laut IISEPS-Umfragen von Mrz d.J. sind 14,5% der Befragten fr das Belarussische als einzige
Staatssprache. 13,1% der Befragten stimmten fr Russisch, 48,3% fr beide Sprachen nebeneinan-
der.12
Drittens ist die belarussische Regierung in der Durchfhrung hnlicher Kampagnen nicht sehr
erfahren, denn in den vergangenen Jahren war eher der gegenteilige Prozess zu beobachten.
Belarus auf der Suche nach dem eigenen Vorteil
Im Hinblick auf Vernderungen in der belarussischen Auenpolitik spielte die Krise in der Ukraine eine
groe Rolle. Frher prgten sich wiederholende Trends jeden Wahlprozess: in dem Mae, in dem die
Wahlen nher kamen, bemhte sich das offizielle Minsk, die Beziehungen zu Europa und den USA zu
pflegen. Nach den Wahlen aber gingen alle Seiten zurck auf ihre Ausgangsdistanz. Diese spezielle Art
der belarussischen Auenpolitik erhielt die Bezeichnung Pendelpolitik.
Die aktuelle Situation unterscheidet sich dadurch, dass es fr die belarussische Fhrung nun wichtig
zu sein scheint, sich die guten Beziehungen zum westlichen Ausland auch nach den Wahlen zu be-
wahren. Natrlich bekommt die Wahlkampagne dadurch keinen komplett demokratischen Charakter,
aber zumindest einige Bereiche erfahren eine Aufweichung etwa im Hinblick darauf, dass durch die
11
http://www.iiseps.org/analitica/824. 12
http://iiseps.org/old/03-15-08.html.
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Unterschriftensammlungen der o.g. zahlreichen Kandidaten und deren Wahlwerbung zumindest der
Anschein von mehr Vielfalt hergestellt wird.
In Anbetracht der aggressiven Auenpolitik Russlands ist das offizielle Minsk einerseits bemht, die
Situation fr sich zu nutzen und in den Augen Brssels und Washingtons maximal legitimiert zu er-
scheinen. Auf der anderen Seite verbirgt sich in den Absichten der belarussischen Fhrung, die Bezie-
hungen zu EU und den USA zu verbessern, das heimliche Bemhen, das eigene Land EU und USA als
vollwertigen Partner in der Region schmackhaft zu machen um damit das Risiko hypothetisch mg-
licher Manipulationen seitens des Kremls zu mindern.
Um diese Ziele zu erreichen bemht sich die belarussische Fhrung, einige grundlegende Instrumente
zu nutzen. Erstens sind das die im Rahmen der stlichen Partnerschaft mglichen Mechanismen und
die Bemhung, die Beziehungen neu zu starten und pragmatischer auszurichten etwa unter Zu-rckweisung der politischen Forderungen der EU.
13 Zweitens versucht man sich in einem Dialog dort,
wo es Berhrungspunkte gibt, etwa in Sachen Bologna-Prozess, Visa-Liberalisierung und grenzber-
schreitender Zusammenarbeit.
Fazit
Das offizielle Minsk steht momentan vor schwierigen Herausforderungen, sowohl im wirtschaftlichen
als auch im politischen Bereich. Diese Schwierigkeiten werden die belarussische Regierung dahin
drngen, die Beziehungen mit dem Westen schrittweise zu normalisieren und gleichzeitig den Status
quo in der Beziehung zu Russland aufrechtzuerhalten. Bemhungen der belarussischen Fhrung, sich
aus dem Spannungsfeld Russland-EU zu lsen, sind bislang gescheitert. Zahlreiche Versuche von Prsident Lukaschenko, neue auenpolitische Partner zu gewinnen, blieben bislang ohne Resultat.
Infolgedessen wird die auenpolitische Schaukelpolitik zwischen dem Kreml und der EU noch mehr an
Bedeutung gewinnen. Aber die ungnstige wirtschaftliche Lage kann noch viel an diesen Bestrebun-
gen ndern. Sollte sie sich weiter verschlechtern, drfte die belarussische Regierung ihre Auenpolitik
wieder deutlicher prorussisch ausrichten, denn ohne die finanzielle Untersttzung Russlands ist das
Land nicht lebensfhig.
Mikita Bialiayeu ist Administrativdirektor und Experte der Minsker Nichtregierungs-
organisation Liberaler Klub (www.liberalclub.biz).
bersetzung: Miriam Kosmehl, Projektleiterin Ukraine und Belarus.
13
http://www.interfax.by/news/belarus/1182134.
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