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0 BACHELORARBEIT Keith Johnstones Statuslehre und ihr Potential für den Unterricht in der Schule. Verfasserin Silvia Hagler in den Fächern Humanwissenschaften Fachwissenschaften angestrebter akademischer Grad Bachelor of Education (BEd) Betreuer/in 1: Dr. Markus Vorauer Betreuer/in 2: Maximilian Egger, MA Studienkennzahl: e121333594 Studienrichtung: BachStud LA Neue Mittelschulen; Deutsch; Technisches und textiles Werken Matrikelnummer: 1287342 Linz, am 24. Juni 2015

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BACHELORARBEIT+von+Silvia+Hagler+ + 0+

BACHELORARBEIT

Keith Johnstones Statuslehre und ihr Potential für den Unterricht in der Schule.

Verfasserin

Silvia Hagler

in den Fächern

Humanwissenschaften Fachwissenschaften

angestrebter akademischer Grad

Bachelor of Education (BEd)

Betreuer/in 1: Dr. Markus Vorauer

Betreuer/in 2: Maximilian Egger, MA

Studienkennzahl: e121333594

Studienrichtung: BachStud LA Neue Mittelschulen;

Deutsch; Technisches und textiles Werken

Matrikelnummer: 1287342

Linz, am 24. Juni 2015

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Eidesstattliche Erklärung

„Ich%erkläre,%dass%ich%die%vorliegende%Bachelorarbeit%selbst%verfasst%habe%und%dass%ich%

dazu%keine%anderen%als%die%angeführten%Behelfe%verwendet%habe.%Ich%bin%darüber%

informiert,%dass%seitens%der%Pädagogischen%Hochschule%Plagiats@Prüfungen%durchgeführt%

werden.%Außerdem%habe%ich%die%Reinschrift%der%Bachelorarbeit%einer%Korrektur%

unterzogen%und%ein%Belegexemplar%verwahrt.“%

%

Linz,%am%24.%Juni%2015,%%%%%%%………………………………………%

% Unterschrift% %

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Silvia Hagler
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Abstract

Obwohl viele Lehrkräfte intensiv um gelingende Beziehungen zu ihren

Schülerinnen und Schülern bemüht sind, gestaltet sich der Aufbau ebendieser in

Verbindung mit der Vermittlung von Lehrinhalten zunehmend schwieriger.

Da die Jugendlichen den früher geltenden gesellschaftlichen Hochstatus von

Lehrkräften nicht mehr akzeptieren, stellt sich die Frage, wie Lehrerinnen und

Lehrer im gegenwärtigen, hochkomplexen Berufsalltag einerseits vertrauensvolle

Beziehungen zu den Schülerinnen und Schülern aufbauen und trotzdem das

Unterrichtsgeschehen professionell leiten können.

Diese Arbeit versucht einen neuen Weg hinsichtlich dieser Fragestellung zu finden

und beschäftigt sich daher intensiv mit Keith Johnstone, dem Begründer des

Theatersports, der in seinem Buch „Improvisation und Theater“ beschreibt, wie wir

mittels verbaler und nonverbaler Signale permanent unseren Status an unserem

Gegenüber ausrichtend zu scheinbar instinktiven Reaktionen gezwungen werden,

aus denen wir uns allerdings befreien können, um folglich Kommunikation bewusst

zu steuern.

Maike Plath, Expertin für Status im Unterricht, zeigt, wie die Regeln der

Statuslehre auf Unterricht und Schule zu übertragen sind und damit einhergehend

eine neue Kultur des Unterrichtens etabliert werden kann: die Kommunikation der

Begegnung.

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Abstract

Despite the fact that many teachers are intensely trying to build and maintain

successful relationships with their students and pupils, keeping up and

establishing a stable rapport and at the same time conveying learning content

seems increasingly challenging.

As adolescents do not accept teachers’ high status in society any more, the

question arises, how teachers can on the one hand establish trust-based

relationships with students and at the other hand guide and teach classes

professionally. This is specifically relevant against the background of the current

highly complex daily working life situation.

This paper suggests a new way of answering this question and consequently

intensely deals with Keith Johnstone, the founder of theatre sports. In his book

‘Impro – Improvisation and the Theatre’ he describes how we are forced into

instinctive reactions via verbal and non-verbal signals, permanently adjusting our

status to our counterparts. However, we can free ourselves and thus consciously

regulate communication.

Maike Plath, expert on ‘status’ in the classroom, shows how rules from

‘Statuslehre’ (status teachings) can be implemented in schools and teaching.

Hence, a new culture of teaching can be created: ‘The Communication of

Encounter’.

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Inhaltsverzeichnis

+Was beabsichtige ich mit dieser Arbeit? ...................................................................... 1 Forschungsfrage .......................................................................................................... 2 Einleitung ..................................................................................................................... 3 1 Keith Johnstone ..................................................................................................... 5

1.1 Biographie ....................................................................................................... 5 1.2 Johnstones Statuslehre ................................................................................. 15

1.2.1 Definition .................................................................................................. 16 1.2.2 Die Statuslehre und ihre Regeln .............................................................. 19

2 Maike Plath .......................................................................................................... 40 2.1 Ihr Weg .......................................................................................................... 40 2.2 Status im Unterricht ....................................................................................... 43

2.2.1 Die Wippe im Unterricht ............................................................................. 43 2.2.2 Lehrer-Statustypologie ............................................................................... 49 2.2.3 Statuskomfortzone ..................................................................................... 52 2.2.4 Statusexperte ............................................................................................. 54 2.2.5 Status und das Klassenzimmer .................................................................. 60

2.3 Status lehren .................................................................................................... 63 2.3.1 Statusseminare .......................................................................................... 63 2.3.2 Feedback .................................................................................................... 65

3 Die Statuslehre im Deutschunterricht ................................................................... 66 3.1 Missbräuchliche Anwendung ......................................................................... 66 3.2 Statusübung mit Spielfeld .............................................................................. 68 3.3 Statusübungen ohne Spielfeld ....................................................................... 71 3.4 Lehrplanbezug ............................................................................................... 77

4 Ausblick ................................................................................................................ 80 4.1 Teamteaching ................................................................................................ 80 4.2 Resümee ....................................................................................................... 84

5 Literaturverzeichnis .............................................................................................. 85 6 Abbildungsverzeichnis ......................................................................................... 87 7 Tabellenverzeichnis ............................................................................................. 87 8 Anhang ................................................................................................................. 87 +++++++++++++++

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Was beabsichtige ich mit dieser Arbeit?

Die Gesellschaft fordert Veränderungen im Schulsystem, die Politik kürzt

beständig die Ausgaben für Bildung, die Medien übertreffen sich gegenseitig im

Lehrer-Bashing. Scheinbar wissen alle, worum und wie es geht. Nur die Gruppe

der Lehrkräfte wird kaum zu Rate gezogen.

Die vorliegende Arbeit soll allerdings nicht die aktuelle Bildungsdebatte mit ihren

Kern- und Randthemen erörtern, vielmehr habe ich nach einem Konzept gesucht,

welches die heutige Lehrkraft im Schulalltag in der Kommunikation mit den

Schülerinnen und Schülern unterstützt und ihr dadurch zu Beziehungen, deren

Basis Kooperation ist, verhilft. Denn letztlich, so konnte auch John Hattie (2015)1

in seiner aktuellen Studie nachweisen, ist erfolgreicher Unterricht nicht so sehr

abhängig von der Größe der Schülerzahl, auch nicht, ob Schülerinnen und Schüler

eine Reformschule besuchen oder nicht, wohl aber von der Lehrkraft, die nach wie

vor die zentrale Figur des Unterrichts ist. Erfolgreicher Unterricht steht und fällt mit

den Lehrerinnen und Lehrern.

Viele Lehrkräfte fühlen sich aufgrund unzähliger neuer Aufgabenfelder auf

verlorenem Posten. Dazu gehören unter anderem wesentliche erzieherische und

psychologische Aufgaben zu leisten, jedes einzelne Kind individuell zu fördern und

viele Kinder und Jugendliche mit größeren Verhaltensauffälligkeiten als noch vor

einigen Jahrzehnten zu unterrichten.

Burn-out ist kein Modewort im Leben vieler Lehrerinnen und Lehrer, sondern

bittere Realität.

Diese Arbeit soll einen konstruktiven Beitrag für Lehrerinnen und Lehrer in der

Kommunikation mit Schülerinnen und Schülern darstellen und in weiterer Folge

den Aufbau gelingender Beziehungen zu diesen unterstützen, um letztendlich

fernab von Sparprogrammen und politischen Machterhaltungskämpfen innerhalb

eines undurchsichtigen Proporzsystems den „Pessimismus-Modus“ zu

durchbrechen und weiterführend die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern

wieder als bereichernd empfinden zu können.

++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++1 Hattie hat in 15-jähriger Forschungsarbeit Untersuchungen von mehr als 80 Millionen Menschen zusammengetragen, ausgewertet und basierend auf diesen Ergebnissen 138 Einflussfaktoren für den schulischen Lernerfolg bestimmt. Die Studie wurde 2009 unter dem Titel „Visible Learning“ veröffentlicht.

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Forschungsfrage

Kann die nach Keith Johnstone entwickelte Statuslehre Lehrerinnen und Lehrer in

der Kommunikation mit Schülerinnen und Schülern befähigen, gelingende

Beziehungen zu diesen aufzubauen?

Ist dies auch Lehrerinnen und Lehrern möglich, die bisher noch keine

Theatererfahrungen gemacht haben?

Wenn dieses Konzept der Statuslehre die kommunikativen Fähigkeiten von

Lehrerinnen und Lehrern in großem Maß erweitern würde, inwieweit wäre dieses

Konzept, außer im Sinne einer guten Beziehung zwischen Lehrkraft und

Lernendem, für die Schülerinnen und Schüler im Deutschunterricht profitabel?

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Einleitung

„Die Bühne ist ein Ort äußerster verbaler Präsenz

und äußerster körperlich-realer Präsenz.“

(Beckett in einem Brief an Keith Johnstone)

(Johnstone, 1998, S. 33)

Beckett sprach in seinem Schreiben natürlich von der Theaterbühne, das

Klassenzimmer als Bühne des Lehrers ist dieser aber nicht unähnlich:

Sie ist der Raum, wo Lehrkräfte in Erscheinung treten, unter Beobachtung stehen,

verbal mehr oder weniger wahrgenommen werden und sich körperlich nicht

verstecken können. Alles ist vorhanden: Requisiten, Bühnenbild, Publikum. Nur

eines fällt bei näherer Betrachtung ins Auge: Das Publikum ist nicht freiwillig in der

Vorstellung und muss dieser auch bei Nichtgefallen beiwohnen. Applaus für

gelungene Aufführungen gibt es nicht, wohl aber bösartige Einfälle, wie die fünfzig

Minuten etwas vergnüglicher gestaltet werden können.

Warum einige Lehrkräfte absolute Disziplin und Respekt erhalten, einige wenige

wirkliche Sympathie gekoppelt mit Lernmotivation ernten und viele Tag für Tag

scheitern, soll im ersten Kapitel beleuchtet werden. Hierfür richten wir unseren

Blick auf Keith Johnstone, der nicht nur am Theater arbeitete, sondern zuvor auch

Erfahrungen als Lehrer gesammelt hatte und im Laufe seiner Karriere seine in

Theaterkreisen weithin bekannte Statuslehre entwickelte.

Schauspielstudentinnen und Schauspielstudenten lernen während ihrer

Ausbildung, wie Status sowohl verbal als auch körperlich signalisiert und

ausgedrückt und in Folge dessen das Verhalten des Gegenübers beeinflusst wird.

Lehrerinnen und Lehrer erhalten dieses Wissen nicht.

Vor einigen Jahrzehnten wurde der von der Gesellschaft breit akzeptierte

Hochstatus der Lehrkraft nicht in Frage gestellt, heute werden starke

Veränderungen in der Gesellschaft vor allem in Hinblick auf tradierte Rollenbilder

sichtbar. Dadurch wird es für Lehrkräfte zunehmends schwieriger, tatsächliche

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Unterrichtsarbeit zu leisten. Es ist die Frage zu stellen, ob und inwieweit Keith

Johnstones Statuslehre Bedeutung für angehende Lehrerinnen und Lehrer haben

könnte.

Das zweite Kapitel widmet sich der Erkundung bezüglich der Auswirkungen der

Konzeption von Johnstone. Gibt es bereits Umsetzungen, die uns auf der Suche

nach einem neuen Konzept für Lehrerinnen und Lehrer von gelungenen

Erfahrungen berichten können?

Maike Plath wird uns auf diesem Weg begegnen und mit ihr die schwierige

Situation an einer Schule in Berlin/Neukölln. Ihr Wille, nicht nur den schulischen

Alltag zu „überleben“, sondern konstruktiv mit den Schülerinnen und Schülern zu

arbeiten, lässt sie ihre alten Systeme über Bord werfen und Ausschau halten nach

Neuem: der Statuslehre von Johnstone, von ihr übertragen auf die Situation von

Lehrerinnen und Lehrern. Ihre Erfahrungen und Einsichten sollen dem bis dato

noch unerforschten Raum Rechnung tragen. Dabei zeigt sie auch auf, wie sich

durch die Anwendung der Statuslehre die Beziehungsebene zwischen Lehrkräften

und Lernenden verbessern kann.

Die Vermittlung von Johnstones Statuslehre im Deutschunterricht wird in Kapitel

drei erläutert, wobei neben dem möglichen missbräuchlichen Umgang auch auf

die vielen positiven Einsatzmöglichkeiten hingewiesen wird. Aufbauend auf vier

Schulstufen wird gezeigt, wie vielfältig und kreativ sich unzählige Lehrplaninhalte

mittels der Statuslehre umsetzen lassen.

Der Schluss wird von einem persönlichen Resümee gekennzeichnet sein, welches

rückblickend zusammenfasst, Erkenntnisse sowie Erfahrungen einfließen lässt

und vorausschauend auf die neue Bühne des Lehrers blickt: Teamteaching. Ein

neues Kapitel des heutigen Lehrers, das letzte dieser Arbeit.

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1 Keith Johnstone

+„Ich haue die Knoten durch.“

(Johnstone, 1998, S. 42)

Betrachtet man Ereignisse aus Keith Johnstones Leben und seine Reaktionen

darauf, so erscheint seine Konzeption der Statuslehre als natürliche Folge. In

Keith Johnstone begegnet uns ein Mensch, der seine Erziehung und die Rolle

seiner Lehrer darin kritisch hinterfragt, ein Mensch auf der Suche nach seiner

verloren gegangenen Phantasie und dem Erforschen von Spontanität und echter

Autorität. Johnstone befreite sich selbst, indem er andere befreite (vgl. Wardle in

Johnstone, 1998, S. 8).

1.1 Biographie

„I was a misfit.“

(Johnstone, 1979, zit. n. Dudeck, 2013, p. 512)

Daten

Donald Keith Johnstone wird am 21. Februar 1933 in Brixham, einer kleinen

Fischerstadt im Südwesten von England, geboren. Die Johnstones gehören zur

unteren Mittelklasse. Sein Vater, Richard Donald Johnstone, ist Pharmazeut und

Sohn eines Regimentsfeldwebels, seine Mutter Linda Georgina Carter kümmert

sich um die Kinder und den Haushalt (vgl. Dudeck, 2013, p. 538).

Schulzeit

Im Vorschulalter, Keith besucht die Miss Veyey´s School, bringt er sich selbst das

Lesen bei, um die Comics „The Dandy“ lesen zu können (vgl. Dudeck, 2013, p.

555). Als Keith aufgrund des Zweiten Weltkrieges zu seinen Großeltern nach

Glastonbury gebracht wird, besucht er dort die St. John´s Church School, einen

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Ort des Horrors, wo Kinder verprügelt werden. Keith erinnert sich auch daran, wie

ein Junge, nachdem dieser ein Comicbuch gelesen hatte, nach draußen gebracht

wurde. Keith denkt: „That´s how I learned to read. There´s something wrong here“

(Dudeck, 2013, p. 580).

Im Alter von 9 Jahren entwickelt er eine sehr spezielle Methode die Welt zu

betrachten: „[...] niemals etwas zu glauben, nur weil es bequem war. Ich begann,

jede Behauptung umzukehren, um zu sehen, ob auch das Gegenteil wahr war“

(Johnstone, 1998, S. 16).

Diese Art des Denkens behält sich Johnstone auch später beim Unterrichten

sowohl in der Schule als auch im Theater bei (vgl. Johnstone, 1998, S. 16).

Bis zum Alter von 11 Jahren scheint Keith außerordentlich intelligent zu sein, dies

zeigt sich unter anderem auch in den unzähligen Preisen, die er bis dahin

gewonnen hat (vgl. Johnstone, 1998, S. 29).

Alle Schülerinnen und Schüler mussten nach der Grundschule, um zu sehen,

welche Schule die geeignetste für sie war, die 11+ Prüfung, (basierend auf einem

IQ-Test) absolvieren. Keith gelingt nicht nur dies mit Auszeichnung, sondern er

besteht auch einen von der Grammar School Totnes ausgehenden zweiten Test

mit Bravour. Er wird dort in den A-Zug zu den sogenannten „future scholar“

aufgenommen. Aber bereits am Ende des ersten Schuljahres, Keith weiß nicht,

was mit ihm passiert ist, fallen seine Leistungen ab und er kann sich gerade noch

im B-Zug halten (vgl. Dudeck, 2013, p. 593). Sein Direktor bezeichnet Keith als

„Teil des Bodensatzes“ (vgl. Johnstone, 1998, S. 29).

Keith wird zunehmend gehemmter. Er entwickelt einige schwere Sprachfehler,

derentwegen er auch in Behandlung kommt. Seine Lehrer scheinen sich für die

immer stärker auftretenden Beschwerden nicht zu interessieren, nur ob jemand

ein „Gewinner“ ist oder eben nicht. Dabei leidet Keith unter seiner zunehmend

gehemmten Atmung, seiner schlechten Stimme, seiner inkorrekten Körperhaltung

und seiner nicht mehr funktionierenden Phantasie (vgl. Johnstone, 1998, S. 19).

Keith schreibt über sich: „[...] ich begann zu erkennen, dass ich verkrüppelt war im

Gebrauch meiner selbst“ (Johnstone, 1998, S. 19). Aber er gab nicht auf und

kämpfte gegen seine Erziehung an. Wo die Interessen von Schule und

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Persönlichkeit sich am meisten deckten, sieht Keith rückblickend den größten

angerichteten Schaden. Als Beispiel erwähnt er das Schreiben und seine

Versuche, alles aufs Neue zu überarbeiten. Er will es richtig machen. Doch je

mehr er dieses Ziel anstrebt, umso frustrierter und unproduktiver wird er, bis er

sich weigert, überhaupt noch etwas zu versuchen, aus Angst zu versagen. Mit

dem Wunsch, es richtig zu tun, untergräbt er jede Inspiration (vgl. Johnstone,

1998, S. 21).

Auch im bildnerischen Bereich blockiert ihn zusätzliches Wissen. Wissen über

Perspektive, Ausgewogenheit und Komposition eines Bildes bringt ihn nicht weiter.

Im Gegenteil, er fühlt sich durch diese Informationen aufgefordert, seine Bilder

noch einmal zu entwerfen (vgl. Johnstone, 1998, S. 15), „damit ich das sah, was

da sein sollte, und das ist natürlich dem, was da ist, weit unterlegen“ (Johnstone,

1998, S. 15).

Keith reflektiert seine Bildungskarriere: Obwohl der Staat sehr viel Geld in seine

Erziehung investiert hat, verschlechtert sich seine physische wie auch psychische

Konstitution zunehmends (vgl. Johnstone, 1998, S. 19f.).

„[...] ich glaubte, das Abstumpfen der Wahrnehmung sei eine unvermeidliche

Folge des Älterwerdens – so wie das Sehvermögen auch immer schwächer wird“

(Johnstone, 1998, S. 13).

Nur manchmal gewinnt er noch den einen oder anderen Preis. Der Direktor von

Totnes, der zu Beginn große Erwartungen in Keith gesetzt hat und ihm nun seine

jahrelange Position als Klassenletzter nicht verzeiht, begleitet diese

Auszeichnungen mit den Worten: „Johnstone nimmt diesen Preis den Jungen

weg, die ihn verdienen“ (Johnstone, 1998, S. 29).

Im Alter von 18 Jahren erlebt Johnstone die emotionale Kraft eines Buches. Er

beginnt, da es ihn so sehr berührt, zu weinen. Über den tiefen Eindruck von

Literatur war er überrascht, hat er dies bis dato noch nie erlebt und in selbigem

Moment wird ihm bewusst, dass dies das Ergebnis seiner Erziehung war: nicht zu

reagieren (vgl. Johnstone, 1998, S. 20).

Johnstone konstituiert: „Die Stumpfheit war nicht eine unvermeidliche Folge des

Älterwerdens, sondern die Folge der Erziehung“ (Johnstone, 1998, S. 15).

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Studium

Im Alter von 18 Jahren, im Jahr 1951, beginnt Keith, nachdem er die

Aufnahmeprüfung für die Hauptuniversität in Englisch nicht geschafft hat, eine 2-

jährige Lehrerausbildung am St. Luke´s College in Exeter (vgl. Dudeck, 2013, p.

621).

Johnstone schreibt: „Weil ich mich verkrüppelt fühlte und >lebensuntauglich<,

beschloß ich, Lehrer zu werden“ (Johnstone, 1998, S. 22).

Einerseits braucht er Zeit, um zu reflektieren und andererseits hofft er in Bezug auf

die Ausbildung zum Lehrer, die Genesung seines untergrabenen

Selbstwertgefühls sowie Verbesserungen hinsichtlich seiner körperlichen Defizite

zu erfahren.

Allerdings war die Lehrerausbildung daraufhin nicht ausgerichtet.

Nichtsdestotrotz öffnet sich für Johnstone in seinem Studium eine Tür. Ein einziger

Pädagoge wird für ihn zum Vorbild für all seine weiteren Entdeckungen und

Entwicklungen. Der Kunsterzieher Anthony Stirling zieht ihn in seinen Bann (vgl.

Johnstone, 1998, S. 22f.). „Es war nicht so sehr das, was er lehrte, sondern das,

was er tat“, schildert Johnstone seine Erfahrungen (Johnstone, 1998, S. 23).

Stirlings erste Unterrichtsstunde ist für Johnstone unvergesslich. Auf mehreren

Seiten seines Buches „Improvisation und Theater“ schildert er, wie Stirlings erste

Aufgabe, die Spuren eines Fahrrad fahrenden Clowns zu malen, ihn verwirrt.

Johnstone will es richtig machen, aber er scheitert an den Reifenspuren. Stirling

fordert die Studenten auf, den Clown auch Kunststücke ausführen zu lassen,

obwohl der Clown weiterhin nur durch die Reifenspuren sichtbar wird. Danach will

Stirling, dass seine Studierenden die entstandenen Formen mit Farben ausmalen.

Keith möchte wissen, welche Stirling wünscht. Aber der Pädagoge antwortet, er

solle irgendwelche nehmen, schöne, scheußliche Farben, was er wolle. Später

verlangt der Pädagoge, Muster auf die Farbflächen zu malen. Keith will wiederum

genauere Vorgaben, denn wie solle er diese Aufgabe im besten Sinne erfüllen,

wenn er nicht genau wisse, wie der Lehrer es haben wolle. Stirling verweigert

nähere Angaben, er weist die Studenten an, eigene Entscheidungen zu treffen.

Nachdem die Gruppe auf die schwarz-durchweichten Blätter gesehen hat, holt

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Stirling gemalte Bilder zu diesem Thema hervor. Johnstone staunt über die

Schönheit jener Blätter, aber er staunt noch mehr, als er die krakeligen Schriften

darunter erkennt und feststellt, dass Kinder die Künstler dieser Bilder waren.

Johnstone ist überzeugt, seine Erziehung ist Ursache seiner fehlgeschlagenen

Entwicklung.

Umso mehr ist er nun bereit, alles von Stirling zu lernen. Stirling vertritt die

Ansicht, dass Kunst einem Kind nicht aufgedrängt werden könne, da die Kunst

bereits im Kind sei. Dadurch sei die Lehrkraft dem Kind nicht überlegen und solle

keine Urteile wie zum Beispiel „Das ist schlecht! Das ist gelungen!“, abgeben.

Weiters erörtert Stirling seine Ansichten darüber, dass ein Kind niemals die

Erfahrung des Scheiterns machen solle - darin würde die Begabung einer

Lehrkraft liegen, Wissen so darzubieten, dass Schüler erfolgreich sein müssen. In

weiterer Folge legt Stirling Keith das Tao-te-king ans Herz (vgl. Johnstone, 1998,

S 23ff.).

„Ich pflege das Nicht-Tun,/ und die Menschen wandeln sich von selbst;/ ich gebe

der Stille den Vorzug,/ und die Menschen kommen von selbst in Ordnung; [...]“

(Laotse, 1990, zit. n. Johnstone, 1998, S. 26).

Die Suche nach Spontanität wird zu Keith Johnstones Leitmotiv (vgl. Johnstone,

1998, S. 16).

Lehrer

Keith schafft die Abschlussprüfung seiner 2-jährigen Lehrerausbildung im Fach

Wirtschaft nicht. Der für Keith verantwortliche Lehrer will jedoch unbedingt, dass

Keith als Lehrer arbeiten kann, da dieser vom Direktor jener Grundschule, wo

Keith sein dreiwöchiges Praktikum absolviert hat, eine exzellente Evaluierung

erhalten hat. Daher darf Keith seine letzte Prüfung anstatt im Fach Wirtschaft nun

in Englisch absolvieren (vgl. Dudeck, 2013, p. 651).

1953 geht Keith nach Battersea, einem Arbeiterstadtteil, den viele meiden. Seine

neuen Kolleginnen und Kollegen warnen ihn, jemandem mitzuteilen, er sei Lehrer.

Damals in den 1950ern wird Bildung der Mittelschicht zugeordnet und das

Verhältnis der Arbeiterklasse zu Schule wird als etwas gewaltsam

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Aufgezwungenes empfunden. Sein Kollegium unterrichtet sehr autoritär, sie

bezeichnen die Kinder als „schlechtes Material“. Dass ein schöpferisches Kind

schwieriger zu beaufsichtigen sei als ein unterdrücktes, war Keith verständlich,

aber deswegen ein Kind nicht zu mögen, kam ihm nicht in den Sinn.

Keith sieht sich damals einer Klasse gegenüber, deren Größe bei weitem unsere

heutigen gesetzlichen Vorgaben übersteigt. Er bekommt die Klasse, die keiner

will. 26 „durchschnittlich begabte“ Achtjährige und 20 „zurückgebliebene“

Zehnjährige, die das Schulsystem bereits als nicht erziehbar abgestempelt hat.

Johnstone akzeptiert die negative Bewertung seiner Kollegenschaft nicht, vielmehr

glaubt er, es sei Widerstand, den diese Kinder leisten, denn er sieht rückblickend

in der Reflexion über den dramatischen Rückgang seiner eigenen Leistungen die

Ursache dafür begründet. Nur in Ausnahmefällen - wenn er in Totnes einen Lehrer

gern gehabt hat - hat er sich angestrengt und wieder einen Preis gewonnen. Die

restliche Zeit hat er sich widersetzt.

Keith kann so gut mit diesen Kindern mitfühlen, da er weiß, wie es gewesen ist,

abgestempelt zu werden. Als „Teil des Bodensatzes“ ist Johnstone damals mit

Jugendlichen befreundet gewesen, die ebenso wie er als Versager bezeichnet

worden sind; seine Freunde als „nutzlos“ oder „nicht erziehbar“ abzuschreiben, ist

ihm nicht in den Sinn gekommen.

Keith darf Recht behalten, denn sobald er den Kindern seiner Klasse Aufgaben

überträgt, die nichts mit Lernen im herkömmlichen Sinn zu tun haben, erstrahlen

die Gesichter jener Kinder, die kurz davor noch stumpfsinnig und eingeschüchtert

gewirkt haben (vgl. Johnstone, 1998, S. 28).

Johnstone (ebd., S. 28) schreibt hierzu: „Wenn sie das Aquarium säuberten,

sahen sie großartig aus. Wenn sie einen Satz schrieben, sahen sie betäubt und

besiegt aus.“

Für Keith ist es wichtig, kein langweiliger Lehrer zu sein. Daher versucht er alles,

um Bewegung in die ganze Angelegenheit zu bringen. Das ist einerseits

aufregend für die Kinder, andererseits der Disziplin nicht zuträglich. Keith weiß,

will er diese Situation in den Griff bekommen, kann er entweder autoritär

unterrichten oder er muss eine ganz andere Beziehung zu den Kindern aufbauen,

„denn erst dann konnte ich hoffen, ihre Kreativität zu befreien, die immer dann

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offenbar wurde, wenn sie glaubten, sie würden jetzt nicht >erzogen<“ (Johnstone,

1998, S. 30).

Johnstone begreift schon damals, was erst in den letzten Jahren wissenschaftlich

nachgewiesen werden konnte, nämlich die Bedeutung sozialer Anerkennung und

persönlicher Wertschätzung, wodurch das Gehirn die seelischen Empfindungen in

biologische Signale umwandelt. Es hat sich gezeigt, dass Isolation und soziale

Ausgrenzung die menschlichen Motivationssysteme inaktiviert, umgekehrt regt

alleine die Aussicht auf Anerkennung und Wertschätzung diese Systeme an (vgl.

Bauer, 2008, S21f.).

„Um Bedeutsamkeit zu erleben, Motivation aufzubauen und die dazu notwendigen

neurobiologischen Prozesse in Gang zu bringen, brauchen Kinder gute,

verbindliche Beziehungen“ (Bauer 2008, S 22).

Keith arbeitet mit den Kindern nach Stirlings Methode des „Nicht-Einmischens“. Er

überlegt sich für jeden Gegenstand prozessorientierte Aufgaben und ermutigt die

Kinder spielerisch die Dinge selbst zu lösen (vgl. Johnstone, 1998, S. 33).

Am 21. Februar 1954 wird Johnstones Kurzgeschichte „The Monastery“ auf BBC`s

Third Programme, einem führenden Kulturrradiosender, gelesen (vgl. Dudeck,

2013, p. 654).

Er beendet seine Lehrertätigkeit nach nur drei Jahren und strebt Ende 1954 eine

Karriere als Maler an. Bis dahin hat Keith kein gutes Verhältnis zum Theater. Das

ändert sich schlagartig, als seine Freunde ihn zu einer Aufführung von Becketts

„Warten auf Godot“ mitnehmen.

Erste Theatererfahrungen

„Waiting for Godot connected to Keith on another level, too. He had been waiting

for 11 years, half of his life, to outgrow his awkwardness and to figure out what he

was waiting for. [...] Moreover, he was part of a generation who grew up during

World War II but never fought; a generation who were promised (but didn´t get) a

future with no slums, no social problems [...]“ (Dudeck, 2013, p. 699).

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1956 kann Johnstone für das Royal Court Theatre (RCT) ein Stück schreiben.

Durch glückliche Umstände wird damals auf einen noch unbekannten Autor

gesetzt: Keith Johnstone.

Auch am Theater vertritt Johnstone Stirlings Methode des Nicht-Einmischens.

Viele Menschen meinten, Johnstone wäre ein schweigsamer Mensch, aber sie

verstanden nicht, dass er der Überzeugung war, ein Regisseur dürfe einem

Schauspieler niemals etwas zeigen, da dieser seine eigenen Entdeckungen

machen müsse und letztendlich solle der Schauspieler glauben, er habe die ganze

Arbeit geleistet.

Johnstone hält auch nichts von Gängen und Positionen auf der Bühne, er erklärt,

dass Hamlet auf russisch bestimmt so beachtenswert sein könne wie in Englisch.

Daraus folgert er, dass die Bedeutung von Worten zu hinterfragen sei. Genauso

denkt er auch über das Bühnenbild. Er ordnet dessen Bedeutung nicht höher als

Geräte im Zirkus ein.

Johnstone avanciert zum besten Stückeleser des RCT. Dabei hat Johnstone mit

großen Schwierigkeiten bei der Auswahl gerechnet, aber dem ist nicht so

gewesen. Johnstone erkennt, dass er 99 von 100 eingereichten Stücken als

Pseudo-Pinter, nachgeahmten Osborne oder gefälschten Beckett klassifizieren

kann. Die Stücke sind laut Johnstone unaufführbar. Die Ursache findet er aber

nicht in fehlendem Talent, sondern er ortet sie in falscher Erziehung, denn die

Autoren der Pseudo-Stücke meinten, die Basis für ihr Geschriebenes sei von

anderen Geschriebenes und nicht das Leben selbst.

Erste Regieerfahrungen

Da es auch Stücke gibt, die Johnstone als aufführenswert erachtet, niemand diese

aber inszenieren will, erhält er von seinem Vorgesetzten die Möglichkeit diese

Stücke selbst zu inszenieren (vgl. Johnstone, 1998, S. 34ff.).

Nun fühlt er sich verpflichtet dieses Handwerk zu lernen, aber schon wie damals in

Totnes, ergeht es ihm auch diesmal: „[...] aber je besser ich verstand, wie man es

machen sollte, desto langweiliger wurden meine Inszenierungen. Damals galt, was

heute gilt: Bin ich inspiriert, geht alles gut, doch versuche ich, es richtig zu

machen, gibt es ein Desaster“ (Johnstone, 1998, S. 36).

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Die Autorengruppe

Da das RCT zu dem damaligen Zeitpunkt ein Theater der Autoren sein will, diese

aber kaum Mitbestimmungsrecht haben, wird eine Autorengruppe einberufen.

Hierzu wird Johnstone befragt, wie er diese Gruppe leiten würde. Er äußert seine

Bedenken über die viel zu langen Diskussionen. In unzähligen Gesprächen

würden die Mitwirkenden ohnehin hauptsächlich die meiste Zeit damit zubringen,

Status-Kämpfe auszufechten. Daraufhin wurde vereinbart, dass über nichts

diskutiert werden dürfe, was nicht auch dargestellt werden könne (vgl. Johnstone,

1998, S. 37f.).

Edward Bond (zit. n. Johnstone, 1998) sagt: „In der Autorengruppe habe ich

gelernt, dass es in einem Drama nicht um Charaktere, sondern um Beziehungen

geht“ (S. 37).

„The Theatre Machine“

George Devine, der künstlerische Leiter des Royal Court Theatre, richtet nach der

Einberufung der Autorengruppe auch ein zum Theater gehörendes

Schauspielstudio ein. Da Johnstone zum Personal des RCT gehört, wird er

gefragt, ob er nicht auch dort lehren wolle. Johnstone hat keine Ahnung von

Schauspielunterricht und befürchtet, dass die Profis, viele sind von der Royal

Shakespeare Company und einige andere, die kurze Zeit darauf zum Ensemble

des National Theatre gehören, weit mehr wissen als er. Daher beginnt Johnstone

über Erzähltechniken, hier fühlt er sich sicher, zu sprechen. Seine Abneigung

gegenüber Diskussionen findet auch hier Ausdruck und es muss wie in der

Autorengruppe alles dargestellt werden. Die Schauspielerinnen und Schauspieler

fordern genaue Anweisungen zu ihrem Spiel. Die detaillierte Beschreibung der

Umstände (Wer? Was? Wo?) auf die Stanislawski größten Wert gelegt hat, hält

Johnstone für eine dramatische Beschränkung. Allerdings braucht er eine Lösung,

um mit den Schauspielerinnen und Schauspielern kreativ und produktiv arbeiten

zu können (vgl. Johnstone, 1998, S. 38f.).

Johnstone schreibt darüber in seinem Buch „Improvisation und Theater“:

Was habe ich gemacht? Ich konzentrierte mich auf Beziehungen zwischen

Fremden und darauf, die Vorstellungskraft zweier Menschen so zu

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verbinden, dass sie gesteigert und nicht geschmälert wird. Ich entwickelte

Status-Spiele und Spiele, bei denen immer nur ein Wort gesagt werden darf

[...] (Johnstone, 1998, S. 39).

Die Schauspielerinnen und Schauspieler meinten, Sprechszenen seien langweilig.

Johnstone nahm das als Anlass, dieses Metier genauer zu ergründen. Bei einer

Produktion des Moskauer Künstlertheaters fällt bei Johnstone der sprichwörtliche

Groschen. Er hält bei der theatralisch wirkenden Aufführung nicht wie die

beteiligten Schauspielerinnen und Schauspieler Ausschau nach dem stärksten

Motiv des Einzelnen, sondern forscht zum ersten Mal nach dem denkbar

schwächsten. Zurück in seinem Studio formuliert er seine erste Status-Aufgabe

(vgl. Johnstone, 1998, S. 51):

„Versucht, euren Status nur ein wenig über oder ein wenig unter den eures

Partners zu bringen“ (Johnstone, 1998, S. 52).

Sind die Schauspielerinnen und Schauspieler zuvor unfähig gewesen zu

improvisieren, da sie nicht wussten, wie sie Menschen verkörpern sollten, die

nichts Bestimmtes zu tun haben, so scheint nun jede und jeder Einzelne seine

Aufgabe zu kennen. Keith erkennt, dass Menschen im echten Leben – sei die

Situation auch noch so unspektakulär wie zum Beispiel an einer Bushaltestelle zu

warten - permanent und unbewusst ständig um Positionen ringen. Dieses

bewusste Erkennen verändert die improvisierten Szenen sofort. Sie werden

authentisch und wirken dem wirklichen Leben entnommen. Johnstone hat auf

seiner Suche nach Spontanität und Kreativität seine Lösung im Status gefunden.

Jede Bewegung und jeder Tonfall vermittelt Status. Handlungen sind niemals

zufällig oder grundlos (vgl. Johnstone, 1998, S. 52).

„Chaplin and Keaton had a very good understanding of it. Shakespeare

understood it. Everybody understands it. It´s intuitive. I don´t know why anyone

didn´t put it into practice before“ (Johnstone, 1979, zit. n. Dudeck, 2013, p. 1455).

Die Arbeit wird nun aber nicht nur authentischer, sondern die Spontanität reißt alle

mit sich. Die für langweilig erklärten Sprechszenen weichen unglaublich

authentischen und lustigen. Um einerseits zu erfahren, ob die einfallsreichen und

witzigen Stunden nur für die Gruppe, da sie sich kennen, erheiternd sind oder ob

die Übungen auch deren Reiz vor fremdem Publikum entfalten können, und

andererseits, weil Johnstone sich an Stirlings Ablehnung gegenüber Künstlern, die

gerne „Selbstbeweihräucherungsgruppen“ bilden, erinnert, arbeitet er mit seiner

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Theaterklasse am Morley College an seiner ersten öffentlichen Aufführung. Die

Schauspielerinnen und Schauspieler sind extrem nervös, denn es gibt in dieser

Form der Arbeit kein festes Gerüst wie einen auswendig gelernten Text, an dem

sie sich festhalten können. Schon nach der ersten aufgeführten Übung lacht das

Publikum mehr, als seine Gruppe zuvor im Studio. Daraufhin schreibt Johnstone

an mehrere Londoner Colleges und bietet diesen seine Lehrübungen kostenlos

an. In weiterer Folge verkleinert Johnstone die Gruppe auf vier bis fünf

Darstellerinnen und Darsteller, wodurch sie Unterstützung von Seiten des

Unterrichtsministeriums für zahlreiche weitere Auftritte an Schulen und

Universitäten erhalten. Sie nennen sich „The Theatre Machine“ (vgl. Johnstone,

1998, S. 39f.). Damit ist der uns heute weltweit bekannte Theatersport begründet.

Nach vielen Aufführungen beginnt Johnstone die Techniken zu verstehen, die

beim improvisierenden Spiel Kreativität freisetzen. Er überträgt diese auf seine

eigenen schriftstellerischen Arbeiten und erkennt, dass seine unter Zeitdruck

entstandenen Arbeiten um nichts schlechter sind als jene, die jahrelang in ihm

gewachsen sind.

„Ich haue die Knoten durch, statt mühsam zu versuchen, sie aufzuknüpfen – so

sehen mich andere Menschen; doch sie haben keine Ahnung davon, in was für

einem verworrenen Zustand ich mich früher befand und aus welchem Morast ich

mich immer noch befreie“ (Johnstone, 1998, S. 42f.).

1.2 Johnstones Statuslehre

„Wie an den Früchten den Baum,

so erkennt man eine Lehre an der Wirkung.“

(Herder, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Als Johnstone 1963 seine schauspielerische Lehrtätigkeit am Royal Court Theatre

begonnen hat, kann er noch nicht ahnen, welche Wellen seine Theaterarbeit

schlagen wird. Nicht nur das Theater im Allgemeinen und das

Improvisationstheater im Besonderen bedienen sich der erforschten und von ihm

sowohl schriftlich als auch bis heute in Kursen von ihm weitergegebenen Status-

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Methode, sondern Menschen aus dem Theater- und Filmbereich geben ihr

erlangtes Wissen über Status-Spiele unter anderem auch in

Managementseminaren weiter.

„Ohne die Status-Arbeit hätte meine Improvisationsgruppe „The Theatre Machine“

nie erfolgreich in Europa Tourneen machen können“ (Johnstone, 1998, S. 76).

Was ist Status? Und warum scheint er so wichtig zu sein?

1.2.1 Definition

„Der Beginn der Weisheit ist die Definition der Begriffe.“

(Sokrates, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Allgemein

Im Duden (Bibliografisches Institut GmbH, 2013) werden dem Wort mehrere

unterschiedliche Bedeutungen zugesprochen:

1. Lage, Situation

Gebrauch bildungssprachlich Beispiel der wirtschaftliche Status eines Landes

2. a. Stand, Stellung in der Gesellschaft, innerhalb einer Gruppe Beispiel der gesellschaftliche Status

b. Rechtsstellung

Beispiel Rechtssprache 3. Zustand, Befinden

Gebrauch Medizin 4. durch die Anlage bedingte Neigung zu einer bestimmten Krankheit

Gebrauch Medizin

Im digitalen Online-Wörterbuch der Berlin-Brandenburgischen Akademie der

Wissenschaften findet sich zu Status folgender Eintrag:

Status m. ‘(Familien)stand, Stellung, Zustand, Vermögensstand,

Rechtslage’, Entlehnung von lat. status ‘das Stehen, Stand, Wuchs,

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Zustand, Umstände, Lage, (durch die Geburt bedingte) Stellung, fester

Bestand, Wohlstand’, zu lat. stāre (statum) ‘stehen’. Anfangs (1. Hälfte 16.

Jh.) in einem dem frühen Gebrauch des (daraus entlehnten) Wortes Staat

(s. d.) entsprechenden Sinne (vgl. auch die lat. Fügung status in statu ‘Staat

im Staate’, 18. Jh.), seit Mitte des 16. Jhs. vornehmlich in der oben

angegebenen Bedeutung; dann (18. Jh.) auch als medizinischer Terminus

für ‘Gesundheits- oder Krankheitszustand, Untersuchungsergebnis,

klinischer Befund’, vgl. Blutstatus. – Statussymbol n. ‘Besitz oder

Verhalten, die das soziale Prestige eines Menschen in den Augen seiner

Umwelt ausmachen’ (Mitte 20. Jh.), nach amerik.-engl. status symbol; vgl.

auch sozialer Status (Ende 19. Jh.) Status quo m. ‘der gegenwärtige

(rechtliche) Zustand’ (Anfang 19. Jh.), Schlagwort im Völkerrecht, wörtlich

‘Zustand, in dem’ (ergänze: ‘sich etw. befindet’); nach lat. in statu quo (ante)

‘im früheren, bisherigen Zustand’ (18. Jh.) (DWDS, o.E.).

Sozialer Status

In unserem täglichen Sprachgebrauch verbinden Menschen mit dem Begriff Status

meist „die Stellung eines (Berufs-)Positionsinhabers auf den Abstufungen von

Qualifikationen, Erwerbstätigkeit, Einkommen, Prestige oder Macht [...]“ (Hradil,

2008, S. 216). Die Soziologie spricht hier auch vom sozialen Status, den Bock-

Rosenthal folgendermaßen definiert:

Wird eine Position, die jemand im jeweils betrachteten Zusammenhang

(oder System) inne hat, mit der anderer Gesellschaftsmitglieder verglichen

und vor dem Hintergrund von Hierarchien und sozialer Wertschätzung

verortet, so spricht man von Status. Dabei wird dem Berufsstatus in unserer

Gesellschaft besondere Bedeutung beigemessen, er fungiert als eine Art

„Leitstatus“. In bezug auf Einkommen, Ansehen und Qualifikation können

jedoch auch sehr unterschiedliche Status (lat.: Mehrzahl statūs)

eingenommen werden (Bock-Rosenthal, 1996, S. 175).

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Persönlicher Status

Der persönliche Status ist nicht der soziale Status. Während der soziale Status

etwas ist, das wir haben, ist der persönliche Status eine Frage des Verhaltens

(vgl. Posner, 2013, S. 17).

„Status als interaktives Verhältnis, als Spiel“ (Posner, 2013, S. 16) zu betrachten,

beschreibt das Statuskonzept von Keith Johnstone sehr treffend.

In der Begegnung mit anderen Menschen drücken wir durch jede Bewegung,

jeden Tonfall, jedes Gespräch, jede scheinbar noch so zufällige Handlung unsere

Position im Verhältnis zu unserem Gegenüber aus. Diese Position kann höher

oder tiefer sein, folglich ist unser Status flexibel und kann in jeder neuen

Lebenssituation neu verhandelt werden (vgl. Posner, 2013, S. 16f.), sofern wir uns

der Gesetzmäßigkeiten von Status bewusst sind. Denn unbewusst senden wir

permanent Statussignale an unsere Umwelt, die ihrerseits Reaktionen bei

unserem Gegenüber auslösen. Aber solange wir uns dessen nicht bewusst sind

und die Funktionsweise von Status nicht kennen, können wir dieses

Kommunikationsmittel für uns nicht nutzen (vgl. Plath, 2010, S. 52).

! Der natürliche Status

+Plath (2010) definiert folgendermaßen: „Der natürliche Status ist nach Johnstone

also der Status, den wir meistens einnehmen, ohne darüber nachzudenken“ (S.

56).

Johnstone schreibt hierzu (1998):

Heute bin ich sicher, dass jeder Mensch einen bevorzugten Status hat; der

eine will tief sein, der andere hoch. Jeder versucht, sich in die bevorzugte

Position zu bringen. Ein Mensch, der Hochstatus spielt, signalisiert: „Komm

mir nicht näher, ich beiße.“ Jemand, der Tiefstatus spielt, signalisiert: „Beiß

mich nicht, ich bin der Mühe nicht wert“ (S. 71).

Der Status fungiert in beiden Fällen als Abwehr, die für gewöhnlich gelingen wird.

Johnstone zieht in Betracht, dass wir möglicherweise im Laufe unseres Lebens

auf jenen Status konditioniert werden, der sich für uns als effiziente Abwehr

erwiesen hat (vgl Johnstone, 1998, S. 71).

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! Der gespielte Status

Der gespielte Status ist nach Plath die hohe Kunst, unabhängig von

gesellschaftlichem oder natürlichem Status in allen Situationen bewusst den

Status auszuwählen und zu verkörpern, der die Situation zu den eigenen Gunsten

verändern kann (vgl. Plath, 2010, S. 40).

1.2.2 Die Statuslehre und ihre Regeln

„Alles, was die Natur selbst anordnet, ist zu irgendeiner Absicht gut.

Die ganze Natur überhaupt ist eigentlich nichts anderes, als ein Zusammenhang

von Erscheinungen nach Regeln; und es gibt überall keine Regellosigkeit.“

(Kant, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Niemand ist ohne Status

Es gibt keinen Zustand ohne Status (vgl. Schmitt & Esser, 2014, S. 11).

Als Johnstone und seine Schauspielgruppe entdecken, dass jede kleinste

Bewegung und jeder Tonfall Status vermittelt und dass es keine Handlung gibt, die

zufällig oder unbegründet ist, erforschen sie jedes Gespräch, indem sie zum

Beispiel eine Frage nicht mehr beantworten, sondern nach dem eigentlichen

Grund für diese Frage suchen. Sie nehmen in allem Status-Handlungen wahr.

Selbst beobachtete Enten im Park halten, wenn diese sich gerade nicht streiten,

sehr sorgfältig den Abstand zu den übrigen Enten aufrecht (vgl. Johnstone, 1998,

S. 52). Posner (2013) beschreibt dies so: „Wir können dem Statusspiel ebenso

wenig entkommen, wie wir es verhindern können, denn wir stellen immer ein

Verhältnis zu allem her, was uns umgibt“ (S. 17).

Der äußere Status

Unser äußerer Status drückt sich durch unsere Mimik, Gestik, unsere Stimme und

unsere Körperhaltung aus. Nachfolgende Tabelle zeigt, woran wir unseren

äußeren Hoch- oder Tiefstatus erkennen können.

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Äußerer Status

AUSSEN HOCH AUSSEN TIEF

kreiert Distanz durch Körpersprache und

grenzt sich häufiger durch

Körpersprache ab

sucht Nähe durch Körpersprache

beansprucht mehr Raum überlässt dem anderen mehr Raum

sucht Mittelpunktspositionen und setzt

sich beispielsweise an den

prominentesten Platz am Tisch

fühlt sich in Randpositionen wohler

sucht und hält Blickkontakt bzw.

verweigert ihn bewusst und demonstrativ

vermeidet zu viel und zu langen

Blickkontakt, empfindet zu langen

Blickkontakt als taxieren und als

unangenehm

aufrechte Körperhaltung, gerade

Kopfhaltung

asymmetrische oder leicht gekrümmte

Körperhaltung, seitlich geneigte

Kopfhaltung

sicherer, hüftbreiter Stand, entspannter

Schultergürtel, geschmeidige Bewegung

unruhigere, ruckartigere

Körperbewegung, z.B. bewegtes Hin-

und-Herpendeln, hochgezogene

Schultern

offensive, Raum greifende Gestik, keine

selbstberührenden Gesten

zurückhaltendere, andere einbeziehende

Gestik, selbstberührende Gesten: z.B.

Kneten der Hände, Berühren des

Gesichts, Spiel mit den Haaren

bestimmt Thema und Timing in einer

Situation

folgt Thema und Timing in einer

Situation

unterbricht andere lässt andere aussprechen

reichlich bewusste Sprechpausen, um

den eigenen Worten Gewicht zu geben

weniger bewusste Sprechpausen, um

nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu

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ziehen

setzt sich durch, unter Zuhilfenahme der

eigenen Körpersprache

passt sich eher an und rechtfertigt sich

häufiger in Mimik, Gestik und Stimme

klare, feste Stimme, häufig auch lauter,

viel Stimmmodulation

weniger Stimmmodulation, leises,

zurückgenommenes Sprechen

spricht und wendet sich vorwiegend zur

wichtigsten Person im Raum

spricht und wendet sich vorwiegend zur

Gruppe

ignoriert Menschen, Situationen und

Inhalte, wenn es ihm nutzt

bezieht Menschen, Situationen und

Inhalte ein, auch zu den eigenen

Ungunsten

Distanz durch Anrede mit Sie Nähe durch Anrede mit Du

Distanz durch den Gebrauch von

Fremdwörtern

Nähe durch das Einlassen auf die

Sprachebene des Gegenüber

übertritt Grenzen respektiert Grenzen

erzählt Gutes von sich, macht sich

wichtig

gibt Persönliches oder Missgeschicke

preis

Tabelle 1: Kennzeichen von äußerem höheren und tieferen Status (Posner, 2013, S. 22ff.)

Weder bedeutet Hochstatus „gut“, noch Tiefstatus „schlecht“. Status drückt immer

ein Verhältnis zu unserem Gegenüber aus (vgl. Posner, 2013, S. 24).

Sehr deutlich offenbart sich die Körperhaltung bei der Beobachtung einer Szene

zwischen einem König und seinen Dienern. Selbst wenn auf der Bühne keine

Kostüme getragen werden würden, würden wir trotzdem erkennen, welche der

Figuren sich im Hoch- und welche sich im Tiefstatus befänden. Ohne langes

Zuschauen würden wir Diener und König ausmachen können. Wir sehen den

König mit seinen wenigen, langsamen Bewegungen, den Raum beherrschend und

die Diener im Vergleich dazu mit ihren unzähligen kleinen und unauffälligen

Bewegungen, immer körperlich sich so verhaltend, als dürften sie nicht in diesem

Raum sein (vgl. Plath, 2010, S. 37).

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Johnstone erforscht mit seinen Schülerinnen und Schülern intensiv die

Auswirkungen des Körpers auf den Status (vgl. Johnstone, 1998, S. 69):

An anderer Stelle bemerkt Johnstone, wie sehr sich die Körper der

Schauspielerinnen und Schauspieler vor allem in den Pausen fortlaufend

aneinander ausrichten. Verändert nur einer seine Haltung, so ändern auch alle

anderen Personen ihre Körper. Im Spiel auf der Bühne scheint es zwar oft so, als

gingen die einzelnen Schauspielerinnen und Schauspieler aufeinander ein, doch

ihre Bewegungen beziehen sich nur auf sich selbst (vgl. Johnstone, 1998, S. 95f.).

Übung: Er fordert die Gruppe auf, während sie im Kreis herumgehen, sich mit

„Hallo“ zu begrüßen. Die einzelnen Mitglieder fühlen sich unwohl, da die

Situation nicht wirklich ist. Sie haben keine Ahnung, welchen Status sie

einnehmen sollen. Danach bestimmt Johnstone einen Teil der Gruppe dazu,

alle Blickkontakte zu halten, während der Rest der Gruppe den Blickkontakt

herstellen, unterbrechen und kurz darauf zurückschielen solle.

Ergebnis: Die Gruppe wirkt plötzlich mehr wie eine „echte“ Gruppe. Ein Teil

erscheint dominant, der andere unterwürfig. Die Erfahrungen der einzelnen

Schüler spiegeln diese Bilder sehr genau wider: Die Schüler, die den

Blickkontakt halten sollen, erzählen davon, dass sie sich stark gefühlt haben –

sie haben auch so gewirkt. Die anderen, deren Aufgabe vor allem im

Unterbrechen und Zurückschielen liegt, sprechen davon, wie schwach sie sich

erlebt haben. Ihre Erscheinung habe dies widergespiegelt.

Übung (vgl. Johnstone, 1998, S. 105): Die Schülerinnen und Schüler werden

aufgefordert, Menschen in einem Café zu beobachten und dabei die

Veränderung in deren Haltung wahrzunehmen, wenn zum Beispiel eine Person

weggeht oder jemand neu dazukommt.

Ergebnis: Beobachtet man zwei Personen während einer Unterredung so

lange, bis einer weggeht, so kann man an der zurückbleibenden Person

erkennen, wie sie ihren Körper neu ausrichtet, denn die Bewegungen des einen

haben sich auf die Bewegungen des anderen bezogen.

Fazit: Bleibt einer alleine zurück, kann er nicht umhin, seine Haltung zu

verändern, um nun eine Beziehung zu den anderen Personen im Café

auszudrücken.

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Auch in Bezug zu verschiedensten Sprechvarianten erlebt Johnstone, wie sehr

sich diese auf den gesamten Körper auswirken und den Status einer Person

verändern (vgl. Johnstone, 1998, S. 71).

Übung (vgl. Johnstone, 1998, S. 69): Johnstone beginnt jeden seiner Sätze mit

einem sehr zögerlichen „Äh“. Seine Schülerinnen und Schüler erfahren dazu

am Anfang nichts. Nachdem Johnstone gesprochen hat, befragt er die Gruppe,

ob sie eine Veränderung an ihm wahrnehmen konnten. Die Antwort: Er wirke

hilflos und schwach. Allerdings können die Schülerinnen und Schüler nicht

feststellen, warum sie ihn so erlebt haben.

Danach verlegt er das „Äh“ in die Mitte der Sätze. Nun lautet die Antwort, er

wirke etwas stärker. Danach dehnt er das „Äh“ und stellt es an den Anfang

zurück.

Darauf antworten sie, er erscheine wichtiger und selbstsicherer.++Johnstone erklärt, dass ein kurzes „Äh“ zu Beginn eine Art Einladung für andere

Menschen sei, einen zu unterbrechen, hingegen das gedehnte „Äh“ bedeute,

dass, auch wenn jemand noch nicht wüsste, was er sagen wolle, darauf

hinwies, ihn nicht zu unterbrechen. Danach verändert Johnstone wieder sein

Verhalten. Er wird gebieterisch. Auf die Frage nach dem Grund hierfür suchen

die Schülerinnen und Schüler nach einer sichtbaren Veränderung und sagen, er

halte einen festen Blickkontakt und er sitze aufrechter.

Johnstone zeigt den Schülerinnen und Schülern, dass es nicht am Blickkontakt

und an der aufrechten Haltung läge, daher gibt er beides bewusst auf. Die

wahrgenommene Veränderung bleibt trotzdem bestehen.

Das Einzige, das Johnstone tat, war, seinen Kopf während er sprach,

stillzuhalten.

Fazit: Hält man beim Sprechen den Kopf still, ergeben sich wie von selbst viele

andere Dinge, die ebenso zum Hochstatus gehören. Man beginnt in ganzen

Sätzen zu sprechen, den Blickkontakt zu halten, die Bewegungen werden

gleichmäßiger, und man nimmt mehr Raum ein. Wird mit nach innen

gewendeten Füßen gesprochen, so ist es sehr wahrscheinlich, dass jeder Satz

mit einem zögerlichen und kurzen „Äh“ begonnen wird (vgl. Johnstone 1998, S

71f.).

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Die Veränderung des Körpers bewirkt unweigerlich eine starke Veränderung des

Status (vgl. Johnstone, 1998, S. 71).

! Status gegenüber Gegenständen

+

Der Mensch nimmt aber nicht nur beständig eine bestimmte Position anderen

Menschen gegenüber ein, sondern genauso positioniert er sich auch gegenüber

Gegenständen. Johnstone arbeitete auch zu diesem Thema mit seinen

Schülerinnen und Schülern.

Übung (vgl. Johnstone, 1998, S. 83): Eine Schülerin oder ein Schüler soll

gegenüber einer im Raum befindlichen Bank Tiefstatus spielen.

Ergebnis: Sofort begann der Schüler verängstigt um sich zu blicken. Er

erweckte den Eindruck, sich in einem privaten Park aufzuhalten. Danach sah

der Schüler eine Taube.

Weitere Anweisung (vgl. Johnstone, 1998, S. 83f.): Johnstone forderte den

Schüler auf, auch der Taube gegenüber Tiefstatus zu spielen.

Ergebnis: Immer mehr Tauben flogen herbei und fingen an, am Brot des

Schülers zu picken. Eine Taube setzte sich auf seinen Arm und beschmutzte

ihn. Sehr diskret säuberte der Schüler seine Jacke.

Fazit: „Status wird allem gegenüber gespielt, gegenüber Gegenständen wie

gegenüber Menschen“ (Johnstone, 1998, S. 83).

„Es ist erstaunlich, daß scheinbar unzusammenhängende Dinge einen so

starken Einfluß aufeinander haben; es scheint unsinnig, daß die Fußstellung

einen Einfluß haben sollte auf den Satzbau und den Blickkontakt; doch so ist

es (Johnstone, 1998, S. 72).

Weitere Übungen (vgl. Johnstone, 1998, S. 71): Die Schülerinnen und

Schüler werden aufgefordert, Gespräche miteinander zu führen und hierbei

unterschiedlichste Methoden, die ihren Status heben oder senken,

auszuprobieren. Immer zwei Jugendliche arbeiten zusammen. Zum Beispiel:

• Person A bewegt sich geschmeidig (Hochstatus), Person B ruckartig

(Tiefstatus).

• Person A hält sich die Hände vor das Gesicht, während sie spricht

(Tiefstatus), Person B bemüht sich, die Hände vom Gesicht

fernzuhalten (Hochstatus).

• Person A dreht die Füße nach innen (Tiefstatus), während Person B

sich zurücklehnt und auf dem Sessel breitmacht (Hochstatus).

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Dabei darf ein weiterer Faktor nicht unbeachtet bleiben: Maßgeblich wird Status

auch vom Raum selbst bestimmt (vgl. Johnstone, 1998, S.95).

! Status gegenüber Raum

Wie Raum auf Menschen wirkt, ist sehr gut in folgendem Beispiel ersichtlich:

Johnstone berichtet von den vielen kleinen Stränden in seiner Heimat England.

Eine erste Familie kommt an einen dieser Strände und kann sich den Platz frei

wählen. Sie wird sich wahrscheinlich eine Stelle vor eventuellen Felsen

aussuchen, falls es keine geben sollte, wird sie sich im ersten Drittel des Strands

hinlegen. Kommt eine zweite Familie zu einem solchen kleinen Strand hinzu, wird

sie vermutlich weiterziehen, da dieser als „besetzt“ eingestuft wird. Bleibt die

Familie aber doch, wird sie sehr wahrscheinlich ihren Bereich abstecken und in

einem einigermaßen großen Abstand zur ersten Familie bleiben. Würde die

Familie sich in der Nähe der ersten Familie ansiedeln, müssten diese sich

„anfreunden“, da ansonsten die erste Familie in Unruhe versetzt werden würde.

Die „Nähe“ wird von dem Raum, der gerade zur Verfügung steht, bestimmt. Je

voller ein Strand ist, umso näher kann man sich setzen, denn der Raum wird für

den Einzelnen umso kleiner, je mehr Menschen anwesend sind. Ist der Strand

überfüllt, liegen die Menschen wie Sardinen nebeneinander und starren in den

Himmel oder bedecken ihr Gesicht mit einem Hut.

Klettern wir auf Berge, genießen wir die Aussicht und die Ausweitung unseres

Raumes (vgl. Johnstone, 1998, S.101).

Übung (vgl. Johnstone, 1998, S. 98): Zwei Schülerinnen oder Schüler stehen

im Abstand von dreißig Zentimeter einander gegenüber.

Ergebnis: Sofort werden sie ihre Position verändern wollen. Dürfen sie sich

nicht von der Stelle rühren, beginnen sie entweder sich zu lieben oder zu

hassen, denn der Raum des einen strömt in den Raum des anderen und

umgekehrt.

Dürfen sie ihre Stellung verändern, werden sie dies solange tun, bis ihr Raum

sie wieder relativ ungehindert umfließen kann. Oder sie weichen zurück, um

weniger dem Einfluss des anderen ausgesetzt zu sein.

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Hochstatus-Spieler lassen ihren Raum in andere hineinfließen, Tiefstatus-Spieler

hingegen vermeiden dies. Es gibt ritualisierte Tiefstatus-Methoden, um zumindest

den eigenen Raum abzugrenzen. Dazu gehören unter anderem das Hinknien, die

Verbeugung und der Fußfall. Hat ein Hochstatus-Spieler die Absicht einen

Tiefstatus-Spieler zu demütigen, so muss er dem Tiefstatus-Spieler nur seiner

Möglichkeit berauben, seinen Raum abzusichern (vgl. Johnstone, 1998, S. 98).

Herr-und Knecht-Szenen zeigen sehr gut, welchen Status Menschen gegenüber

einem bestimmten Raum einnehmen.

Der gesamte Raum gehört dem Herrn und somit muss der Knecht dem Raum

gegenüber Tiefstatus spielen. Haben Schauspielerinnen und Schauspieler dieses

Gesetz verinnerlicht, so kann ein Diener sogar seinen Herrn erwürgen und

trotzdem bleibt der Diener als solcher sichtbar.

Wie wird Tiefstatus dem Raum gegenüber sichtbar? Zum Beispiel darf ein Diener

sich nicht an die Wand lehnen, da diese dem Herrn gehört. Er darf keine

überflüssigen Geräusche von sich geben, denn auch die Luft, die dabei verbraucht

wird, gehört dem Herrn (vgl. Johnstone, 1998, S. 105ff.). „Der beste Platz für einen

Diener ist am Rand des den Herrn parabelförmig umgebenden Raums, so daß der

Herr jederzeit sich ihm gegenüberstellen und ihn dominieren kann“ (Johnstone,

1998, S. 107).

Eine interessante Situation ergibt sich immer, wenn der Herr seinen Diener aus

der Rolle locken möchte. In nachfolgendem Beispiel möchte der Herr seinen

Diener aus der Reserve locken, indem er ihn auffordert, mehr Raum einzunehmen

(Johnstone, 1998, S. 108):

„Ach, Perkins, setzen Sie sich doch.“

„In ... in Ihren Sessel, Sir?

„Gewiss doch, was wollen Sie trinken?“

„Äh ... äh ...“

„Whisky? Soda?“

„Was Sie wollen, Sir.“

„Ach Mann, kommen Sie, irgendwas mögen Sie doch besonders gern.

Sitzen Sie doch nicht auf dem äußersten Stuhlrand, Perkins, machen Sie

sich`s bequem. Ich brauche Ihren Rat, ja wirklich.“

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Der innere Status

Der innere Status wird von den Gedanken, Gefühlen und Einstellungen eines

Menschen, sowohl ihm selbst als auch anderen gegenüber, bestimmt.

Der innere Status kann mit Gedanken wie zum Beispiel „Das ist ja kinderleicht“

gehoben oder „Das schaffe ich bestimmt nie“ auch gesenkt werden.

Aber unsere Gedanken können den eigenen Status ebenso in Bezug zu anderen

Menschen heben beziehungsweise senken.

Ein Beispiel: Eine Schülerin oder ein Schüler hält gerade ein Referat. Die Person

kann nun denken: „Wie mich die anderen schon wieder anschauen.

Wahrscheinlich langweile ich sie. Es ist ja wirklich schlecht, was ich da mache.“

Oder sie denkt sich: „Langweilige Gesichter. Wie immer. Mit mir hat das sicher

nichts zu tun. Ich weiß, dass mein Referat hervorragend ist.“

Im zweiten Gedankengang schafft die Person eine innere Distanz zu den anderen.

Innere Distanz ist abhängig von zwei Faktoren:

• Beziehe ich eine Einschätzung oder einen Gedanken auf mich selbst?

• Wie viel Wert gebe ich der Einschätzung oder dem Gedanken? (vgl.

Posner, 2013, S. 26f.).

Nachfolgende Tabelle zeigt, welche Gedanken, Gefühle und Einstellungen eher

einen höheren oder tieferen, inneren Status kennzeichnen.

Innerer Status

INNEN HOCH INNEN TIEF

Ich-bezogen

Eigene Perspektive hat am meisten

Gewicht

Du- oder Wir-bezogen

Perspektive des Gegenüber oder

gemeinsame Perspektive hat am

meisten Gewicht

Starker Wunsch nach Respekt und

Anerkennung

Starker Wunsch nach Zugehörigkeit

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Innere selbstbestärkende Gedanken

wie: Ich bin wichtig, ich kann das, ich

bin es mir wert, ich werde gesehen

Innere selbstrelativierende Gedanken

wie: Andere sind genauso wichtig oder

wichtiger, können genauso viel oder

sogar mehr, sind genauso viel wert,

wenn nicht gar mehr wert als ich

Gedanken, die den Status des anderen

in Bezug zum eigenen senken: Die

anderen haben weniger Ahnung. Die

anderen sollen erst einmal meinen

Erfahrungsschatz aufweisen. Die

anderen sollen funktionieren, und zwar

in meinem Sinne.

Gedanken, die den Status des anderen

über den eigenen heben: Der andere ist

mir wahrscheinlich überlegen, der

andere bewertet mich, er weiß genau,

wo meine Achillesferse ist, er/sie ist

besser ausgebildet, er/ sie respektiert

meine Grenzen sowieso nicht.

Setzt sich durch Lässt sich ein

Regeln gelten für andere, nicht für mich Grenzen/Regeln anderer sollte ich

respektieren

Hauptaugenmerk liegt auf der eigenen

Sichtbarkeit: Vielleicht wurde schon

alles gesagt, aber noch nicht von mir.

Hauptaugenmerk liegt auf

Zugehörigkeit und damit auf dem Du

oder Wir: Es muss nicht alles von

jedem gesagt werden.

Tabelle 2: Kennzeichen von innerem höheren und tieferen Status (Posner, 2013, S. 29)

Sowohl der äußere als auch der innere Status handelt immer von einem Verhältnis

zu unserem Gegenüber. Dabei gibt es, wie schon erwähnt, keine Wertung in gut

oder schlecht (vgl. Posner, 2013, S. 30).

Übung (vgl. Posner, 2013, S. 30): Die Augen schließen und bewusst ein- und

ausatmen. Dabei an das eigene Leben denken und etwas finden, wofür man

dankbar ist: die Gesundheit, bestimmte Chancen im Leben, erfüllende

Begegnungen und Ähnliches. Ziel ist es, das Gefühl von Dankbarkeit so tief wie

möglich im Körper zu empfinden.

Ergebnis: Der Status wurde dem eigenen Leben gegenüber gesenkt.

Fazit: Auch ein innerer Tiefstatus kann sich sehr gut anfühlen.

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Das Zusammenwirken von Innen und Außen

„An Freiheit des Menschen im philosophischen Sinne glaube ich keineswegs.

Jeder handelt nicht nur unter äußerem Zwang,

sondern auch gemäß innerer Notwendigkeit.“

(Einstein, o.E., zit. n. Posner, 2013, S. 31)

Wir unterscheiden zwischen äußerem und innerem, höherem und tieferem Status.

Daraus ergeben sich 4 unterschiedliche Möglichkeiten:

Abbildung 1: Die vier möglichen Statusfelder (Posner, 2013, S. 42)

Was meinen die vier Felder?

Jedes Feld stellt einen bestimmten Statustyp dar. Dabei gilt für jeden Typ, dass er

nicht „ein bisschen“ hoch oder tief ist, sondern immer im Verhältnis zur jeweils

anderen Person steht. Den gleichen Status, die sogenannte Kommunikation auf

Augenhöhe, gibt es nicht, denn immer besteht ein mehr oder weniger großes

Gefälle.

Welche vier Typen ergeben sich nun?

Jeder Statustyp wird über den inneren und äußeren Status definiert: Wie fühle ich

innen und wie zeige ich das im Außen? Jedes dieser Felder hat eine

unterschiedliche Wirkung auf das Gegenüber.

• Der Macher oder das Alpha-Verhalten: o Ich fühle innen hoch und stelle mich außen ebenso hoch dar.

Dieser Typ distanziert sich innerlich und äußerlich. Er bestimmt jede

+ Der Macher Innerer Status: höher

Äußerer Status: höher

Der Charismatiker Innerer Status: höher

Äußerer Status: tiefer

Der Arrogante Innerer Status: tiefer

Äußerer Status: höher

Der Teamplayer Innerer Status: tiefer

Äußerer Status: tiefer

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Situation. Seine Ansichten und Meinungen sind die einzig wichtigen. Das

Gegenüber mit seinen Bedürfnissen, Meinungen, und Einstellungen wird im

besten Fall nur am Rande wahrgenommen. Durchsetzung und die eigene

Sichtbarkeit sind typische Kennzeichen.

o Zwar erzielt dieser Statustyp auf jeden Fall Respekt, wirkt dabei aber

nicht sympathisch.

• Der Charismatiker oder das diplomatische Verhalten: o Ich fühle innen hoch und zeige mich außen tief.

Innerlich wird Distanz zum Geschehen gehalten, im Außen wird

Kooperationsbereitschaft gezeigt und somit immer eine Lösung angestrebt,

ohne sich dabei dominant zu verhalten.

o Dies ist jene Form, mit der es gelingt, respektiert zu werden und

dabei sympathisch zu wirken.

• Der Arrogante, der Kläffer oder das trotzige Zicken- oder Machoverhalten:

o Ich fühle innen tief und präsentiere mich außen hoch.

Dieser Statustyp fühlt sich innerlich machtlos und ist der Situation erlegen,

allerdings will die Person durch ihr Verhalten doch noch die Oberhand

gewinnen. Es wird mittels Körpersprache, Mimik, Gestik und Stimme alles

unternommen um die Situation für sich zu entscheiden.

o Weder Respekt noch Sympathie ist mit dieser Form zu erzielen.

• Der Teamplayer oder das empathische Verhalten: o Ich fühle innen und außen tief.

Zugehörigkeit, Nähe und Harmonie stehen hier im Mittelpunkt. Dieser

Statustyp lässt sich von den Meinungen und dem Verhalten seines

Gegenübers sehr stark beeinflussen und wird als Teamplayer gerne im

eigenen Team gesehen, da von diesem Typ Unterstützung ohne Widerrede

zu erwarten ist. Ein wirksames Verhalten, wenn es nicht die einzige

Variante im Statusspiel ist, die eingenommen wird.

o Dieser Typ bringt hohe Sympathiewerte, jedoch keinerlei Respekt

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Jede Situation kann in uns einen anderen Status hervorrufen, im Kern allerdings

hat jeder eine Präferenz für einen bestimmten Status und tendiert auch dazu,

diesen immer wieder hervorzurufen. Solange wir uns dieses Statuskonzept nicht

bewusst machen, sind wir an den einen wiederkehrenden, unbewussten Typ

gebunden, der in schwierigen Situationen permanent das Steuer an sich reißt (vgl.

Posner, 2013, S. 43; Schmitt & Esser, 2014, S. 23f.).

Bei den einzelnen Feldern ist außerdem zu bedenken, dass nicht was wir sagen,

sondern wie wir es sagen, darüber bestimmt, in welchem der vier Felder wir

wahrgenommen werden.

Um das Ganze besser zu verdeutlichen, soll folgendes Beispiel dienen:

Tabea und Jan möchten sich einen angenehmen Abend machen, sie kochen

Gemüse im Wok mit Hühnchen. Jan schneidet das Geflügel klein, Tabea das

Gemüse (vgl. Posner, 2013, S. 44).

• Statuskombination 1: Innen höher – außen höher JAN (genervt, legt das Messer zur Seite): „Du weißt doch, ich mag das

Gemüse lieber fein geschnitten, das schmeckt einfach besser.“

TABEA (provokant, den Blickkontakt haltend): „Du, dann schneide es doch

einfach selbst!“

JAN (erwidert die Provokation, fühlt sich im Recht und wird lauter): „Ist das

dein Ernst?“

TABEA (fühlt sich ebenfalls im Recht und ist um keinen Preis bereit,

nachzugeben, mit fester Stimme): „Ja!“

(Posner, 2013, S. 44)

Jan begegnet Tabea innerlich und äußerlich distanziert, er ist genervt, denn aus

seiner Sicht meint er, Tabea wolle ihn mit dem Gemüse provozieren. Wie oft habe

er ihr schon gesagt, dass er das Gemüse fein geschnitten haben möchte?

Tabea wiederum mag nach einem anstrengenden Arbeitstag privat keine

Anweisungen mehr entgegennehmen. Auch Tabea gibt sich innerlich und

äußerlich distanziert.

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Hier zeigt sich:

Der doppelte Hochstatus (innen und außen höher) tritt immer für die eigenen

Belange ein. Wenn zwei Menschen auf ihren doppelten Hochstatus bestehen

bleiben, kommt es unweigerlich zu Machtkämpfen, denn es wird permanent eine

Botschaft gesendet: „Ich bin richtig, und du bist falsch“.

Wird der Hochstatus nur ab und zu eingesetzt, um etwa eine Grenze zu ziehen,

kann dies durchaus eine günstige Variante sein. Ist dies allerdings der bevorzugte

und ständig eingesetzte Status eines Menschen, so wird dieser über kurz oder

lang permanent anecken. Zwar wird dieser Mensch Respekt erhalten, aber immer

auf Kosten der Sympathie (vgl. Posner, 2013, S. 45).

• Statuskombination 2: Innen höher – außen tiefer

JAN (gelassen, ohne Vorwurf oder Angriff): „Du weißt doch, ich mag das

Gemüse lieber fein geschnitten ... (geht auf sie zu und umarmt sie von

hinten), das schmeckt einfach besser.“

TABEA (wechselt den Platz und fängt an, das Hühnchen zu schneiden,

verschmitzt): „Du, dann schneide es doch einfach selbst!“ (zwinkert ihm zu

und signalisiert damit, die Nachricht ist angekommen)

JAN (kippt das bereits geschnittene Gemüse aus der Schüssel auf das

Schneidebrett, spielerisch verzweifelt): „Ist das (zeigt aufs Gemüse) dein

Ernst?“

TABEA (lacht ebenfalls und geht mit zwei Gläsern Wein auf ihn zu): „Ja!“

(gibt ihm ein Glas und einen liebevollen Klaps)

(Posner, 2013, S. 46)

In diesem Fall bleibt Jan innerlich ebenso distanziert wie zuvor, allerdings versucht

er, über seinen äußeren Status Nähe herzustellen. Dadurch ist sein äußerer

Status tiefer. Tabea fühlt sich innerlich nicht angegriffen, auch sie bleibt bei sich

und distanziert sich mit ihrem inneren höheren Status vom Geschehen. Zudem

offeriert auch sie Nähe-Angebote, die dem äußeren Tiefstatus entsprechen.

Dadurch kann es zu einem echten Kontakt kommen. Im diplomatischen Feld

betrachtet man sich niemals als Opfer der Umstände, viele Sätze beginnen mit:

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„Ich entscheide mich für“. Einerseits wird dem Gegenüber Raum gegeben,

andererseits fühlen sie sich nicht unter Druck gesetzt, sollte das Gegenüber

anderer Meinung sein. Wer es schafft auch in unangenehmen Situationen seinen

inneren Status hoch zu halten und ihn unabhängig von seinem äußeren Status

verhandeln kann, wirkt selbstbewusst und souverän.

Charismatische Menschen sind in diesem Statusfeld zu finden: Innerlich

erscheinen sie in ihrer Haltung stark, wirken im Umgang mit anderen aber als sehr

angenehm, da sie ihre Haltung dem anderen nicht aufzwingen. Persönlichkeiten

wie zum Beispiel Nelson Mandela oder Mutter Teresa sind hier zu nennen (vgl.

Posner, 2013, S. 46f.).

• Statuskombination 3: Innen tiefer – außen höher

JAN (getroffen, Tabea zur Rede stellend): „Du weißt doch, ich mag das

Gemüse lieber fein geschnitten, das schmeckt einfach besser!“

TABEA (fühlt sich missverstanden und angegriffen, mit angespannt

erhöhtem Tonfall): „Du, dann schneide es doch einfach selbst!“ (hackt wie

wild auf das Gemüse ein: Schmeckt doch eh alles gleich!)

JAN (enttäuscht, erhöht den Druck, das Gemüse wird zum

Entscheidungsfall über die Beziehung): „Ist das (zeigt aufs Gemüse) dein

Ernst?“ (reißt sich die Schürze unbeholfen runter)

TABEA (ebenso hilflos, mit fester Stimme die Oberhand behalten wollend):

„Ja!“

(Posner, 2013, S. 48)

In dieser Situation geschieht Folgendes: Jan erlebt sich als vollkommen

ohnmächtig, dadurch ist sein innerer Status tief. Er kann sich innerlich vom

Geschehen nicht distanzieren, sondern er bezieht Tabeas Verhalten auf sich und

fühlt sich von ihr schlecht behandelt. Er sieht sich als Opfer und empfindet Tabeas

Verhalten ihm gegenüber als achtlos. Wie kann er wieder mehr Raum

einnehmen? Jan versucht über einen äußeren Hochstatus diese Situation zu

klären. Tabea allerdings kann nicht verstehen, was Jan von ihr möchte. Nicht

absichtlich, sondern in Gedanken versunken, passiert es ihr, dass sie das

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Gemüse zu grob geschnitten hat. Tabea bezieht Jans Verhalten ebenso auf sich,

daher kann sie keine innere Distanz zu dem Geschehen wahren (innerer

Tiefstatus). Aufgrund des plötzlich dominanten Auftretens von Jan, entscheidet

auch sie sich für einen äußeren Hochstatus und versucht, sich diese

Zurechtweisung nicht gefallen zu lassen.

Obwohl diese Statusvariante einen meist trotzig oder zickig wirken lässt und man

zudem Gefahr läuft, unterlegen zu wirken, kann diese Variante zum Beispiel in der

Verhandlung mit einer Versicherung den nötigen Druck aufbauen, um damit die

eigenen Interessen durchzusetzen: „Haben Sie eine Ahnung, was Sie mir damit

antun? So wollen Sie mich hängenlassen? Jahrelang habe ich eingezahlt und

dann brauche ich einmal etwas von Ihnen! Wissen Sie was: Wenn Sie mir jetzt

nicht weiterhelfen, dann kündige ich noch heute!“ (vgl. Posner, 2013, S. 49f.).

Statuskombination 4

Innen tiefer – außen tiefer

Jan (skeptisch, mit weicher Stimme): „Hm, ... du weißt doch ... (stellt sich

neben sie und hilft ihr, das Gemüse zu schneiden), ich mag das Gemüse

lieber fein geschnitten ... (schneidet konzentriert), das schmeckt einfach

besser.“

TABEA (mit schlechtem Gewissen, irgendwie gelingt ihr grad aber auch gar

nichts): „Du, dann ... (resigniert) schneide es doch einfach selbst.“

JAN (ungläubig aufmunternd): „Hey ... ist das dein Ernst?“

TABEA (signalisiert: Heute habe ich keine Kraft mehr für Perfektionismus):

„Ja!“ (setzt sich, nimmt sich ein Glas Wein und schaut ihm beim Zerkleinern

zu, während sie ihm ihr Glas Wein reicht)

(Posner, 2013, S. 50)

Hier steht die Nähe und Harmonie über allem. Kein Streit soll diesen Abend

trüben, daher hilft er Tabea, das Gemüse zu schneiden (außen tieferer Status).

Innerlich ist er ebenso an dem Geschehen beteiligt (innen tieferer Status). Tabea

räumt das Feld und lässt Jan das Gemüseschneiden über (außen Tiefstatus).

Dabei distanziert sie sich innerlich nicht von Jan, sie ist nicht eingeschnappt und

macht zudem ein weiteres Nähe-Angebot.

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Der doppelte Tiefstatus ist für das Gegenüber sehr angenehm. Harmonie und

Nähe sind die zentralen Themen. Eine unendliche Kompromissbereitschaft wird

hier signalisiert, was dazu führt, dass diese Menschen einerseits als wahre

Teamplayer gelten, aber andererseits, sofern dieser Statustyp der einzige ist, der

bedient wird, als nicht durchsetzungsfähig wahrgenommen werden. Dadurch läuft

man hier Gefahr, unterschätzt zu werden (vgl. Posner, 2013, S. 50f.).

Dieses Beispiel verdeutlicht die einzelnen Statusmodi:

Der Tiefstatus mit Blick auf die anderen, der Hochstatus, der die eigenen

Interessen verfolgt. Zunächst ist weder das eine gut, noch das andere schlecht.

Anzustreben ist, je nach Situation individuell seinen Status verändern zu können.

Um diesem Ziel einen Schritt näherzukommen, muss nicht nur der eigene Status

entziffert und bewusst variiert werden können, sondern es muss auch die Dynamik

des Statusmodells verstanden werden (vgl. Posner, 2013, S. 51).

Das Prinzip der Wippe

„Das Leben gleicht einer Achterbahn

wenn es bergab geht

fangen wir an zu schreien

wenn es hinauf geht

bewundern wir die Aussicht.“

(Maggauer-Kirsche, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Johnstone spricht in diesem Zusammenhang vom „Prinzip der Wippe“, welches

besagt: Wenn ich raufgehe, gehst du runter - und umgekehrt (vgl. Johnstone,

1998, S. 60).

Plath erläutert:

Das Prinzip der Statuswippe geht davon aus, dass Hochstatus automatisch

Tiefstatus beim Gegenüber erzeugt: Ich gehe rauf, du gehst runter.

Umgekehrt gilt natürlich dasselbe: Setze ich meinen Status selbst herab,

fühlt sich mein Gegenüber nach oben in den Hochstatus „verfrachtet“: Ich

gehe runter, du gehst rauf. Wer unfreiwillig im Status herabgesetzt wird, will

wieder noch [sic!] oben. Also wird er sofort etwas tun, um den Hochstatus

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seines Gegenübers zu senken. So geht es hin und her – wie auf einer

Wippe (Plath, 2010, S. 117).

Folgendes Beispiel von Johnstone soll dieses Gesetz veranschaulichen:

Einige Schauspielstudenten befinden sich gerade bei einem Casting. Einer, der

gerade das Casting absolviert hat, kommt in die Garderobe zu den anderen und

sagt: „Hey, ich hab die Rolle bekommen!“ Daraufhin gratulieren ihm zwar seine

Kollegen, allerdings fühlen sich diese im Status herabgesetzt. Kommt dieser

Student aber in die Garderobe und spricht: „Sie meinen, ich sei zu alt für diese

Rolle“, bemitleiden ihn seine Kollegen, sind aber insgeheim erfreut und in ihrem

Status gehoben (vgl. Johnstone, 1998, S. 60).

In diesem Beispiel agiert der Schauspielstudent unbewusst, je nachdem, ob er die

Rolle erhalten hat oder nicht. Er könnte allerdings auch dann, wenn er die Rolle

ergattert hat, die Sympathie auf seiner Seite haben. Dazu müsste er es schaffen,

den Status seiner Kollegen zu heben. Dies gelingt ihm durch das Senken seines

eigenen.

Er sagt: „Ich hab´ die Rolle bekommen, aber ich weiß gar nicht, ob ich das alles

umsetzen kann, was die da fordern.“

Der Schauspielstudent senkt nun ganz bewusst seinen Status. Er nimmt im Außen

einen tieferen Status als seine Kollegen ein und katapultiert damit diese auf der

Wippe nach oben. Wahrscheinlich werden sie antworten: „Du schaffst das

bestimmt. Die haben doch gesehen, was du kannst, sonst hätten sie dich doch gar

nicht ausgewählt.“

Umgekehrt funktioniert dies ebenso:

Der Schauspielstudent erhält die Rolle nicht, will sich aber nicht als Verlierer

geschlagen geben. Somit entscheidet er sich, nicht in den Tiefstatus zu gehen. Er

hebt seinen eigenen Status und befördert damit seine Kollegen auf der Wippe

nach unten. Er sagt: „Sie meinen, ich sei zu alt für diese Rolle. Bin ich froh, dass

ich mich nicht mit diesem arroganten Regisseur herumschlagen muss. Viel Spaß

mit ihm.“

Versucht man vergeblich, seine Seite der Wippe nach unten zu bekommen, da

einem nichts einfällt, wie sie zu senken wäre, kann man dieselbe Wirkung

erzielen, indem man die andere Seite der Wippe nach oben bringt. Johnstone führt

hierzu folgendes Beispiel an: „Ich rieche gut“ (hebt den eigenen Status) oder „Du

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stinkst“ (senkt den Status des anderen) erzielt in beiden Fällen die gleiche

Wirkung (vgl. Johnstone, 1998, S. 61).

Gute Theaterstücke basieren auf demselben Modell. Johnstone verdeutlicht dies

anhand einer Szene von Molières Stück „Der Arzt wider Willen“ indem er diese mit

Status-Anmerkungen ergänzt:

SGANARELL: (Hebt sich selbst.) Nein, sag´ ich dir, nein, ich will nicht! Ich

bin der Herr, und ich tu´, was mir paßt.

MARTINE: (Senkt Sganarell, hebt sich selbst.) Und ich sag´ dir, daß du

nach meinem Willen zu leben hast, weil ich dich nicht geheiratet hab´, um

deine Narreteien zu ertragen.

SGANARELL: (Senkt Martine.) Ach, es ist bitter, ein Weib zu haben! Der

alte Aristoteles hat schon ganz recht, wenn er sagt, daß die Frauen

schlimmer sind als die Dämonen.

MARTINE: (Senkt Sganarell und Aristoteles.) Seht doch diesen klugen

Mann – jetzt kommt er mit seinem blöden Aristoteles daher!

SGANARELL: (Hebt sich.) Ja, ja, kluger Mann. – Das stimmt schon. Zeig

mir doch einen anderen Holzhacker, der so bewandert ist wie ich – der

sechs Jahre bei einem berühmten Arzt im Dienst war und der schon als

Kind die Lateinfibel seitenweise auswendig gekonnt hat!

MARTINE: (Senkt Sganarell.) Der Teufel soll dich holen, närrischer Tropf!

SGANARELL: (Senkt Martine.) Dich soll er holen, du Hexe!

MARTINE: (Senkt den Hochzeitstag.) Der Tag soll verflucht sein, an dem

ich so wahnsinnig war, dir jazusagen!

SGANARELL: (Senkt den Notar.) Verflucht soll der alte Schwachkopf von

einem Notar sein, der mir mein Todesurteil zur Unterschrift hingehalten hat!

MARTINE: (Hebt sich.) Du willst dich beklagen, du? Jeden Augenblick, den

Gott gibt, solltest du auf den Knien danken, daß du mich zur Frau hast.

Verdienst du denn so etwas wie mich? (Molière, zit. nach Johnstone, 1998,

S. 62).

Sowohl Komödien als auch Tragödien arbeiten mit dem Prinzip der Wippe.

In der Komödie ist es die Aufgabe des Komikers, den eigenen oder den Status der

anderen zu senken (vgl. Johnstone, 1998, S. 62).

In der Tragödie geht es darum, ein sogenanntes Hochstatus-Tier aus dem Rudel

zu verdrängen (vgl. Johnstone, 1998, S. 64).

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Johnstone erläutert: „Wird ein Mensch mit sehr hohem Status abgesetzt, freuen

sich alle, weil sie das Gefühl haben, selbst eine Stufe höher zu steigen“

(Johnstone, 1998, S. 65).

War es in vergangener Zeit die Freude des Volkes, einen König fallen zu sehen,

zumindest in einem Theaterstück, so verhält sich die Situation heute ähnlich, allein

Bühne und Darsteller haben gewechselt.

Befand sich die Lehrkraft noch vor einigen Jahrzehnten im gesellschaftlichen

Hochstatus, so wird dieser von den Jugendlichen heute im Allgemeinen nicht mehr

anerkannt (vgl. Plath, 2010, S. 10). Posner erörtert die Problematik von

Lehrerinnen und Lehrern, die von der Gesellschaft eine bestimmte Rolle und damit

einhergehend einen höheren Status (sozialer Status) zugewiesen bekommen

haben, dass davon nicht unbedingt abzuleiten ist, die Lehrkraft könne diesen vor

der Klasse ausfüllen beziehungsweise durchsetzen (persönlicher Status) (vgl.

Posner, 2013, S. 17).

Die Schülerinnen und Schüler beobachten und werten instinktiv die Lehrkraft auf

Statussignale hin aus. Schon bei Betreten der Klasse beginnt der Scan. Die

instinktive Reaktion, die von den Schülerinnen und Schülern als Antwort darauf

gegeben wird, ist eine Spiegelung der persönlichen Verhaltensweisen der

Lehrkraft. Obwohl die Bedeutung von nonverbalen Signalen weithin bekannt ist,

wird in modernen Ausbildungsinstituten für angehende Lehrerinnen und Lehrer

kein Wert auf die Vermittlung dieser wichtigen Fähigkeiten gelegt. Klassen werden

immer heterogener, die inklusive Schule wird angestrebt, aber ohne

entsprechendes Wissen über die Wirkung von Körpersprache, Mimik, Gestik und

innerer Haltung wird es auch für Lehrerinnen und Lehrer, die sich in vielen

Bereichen ein fachliches Wissen angeeignet haben, sehr schwierig sein, eine

Klasse zu führen. Aussagen über „den geborenen Pädagogen“ verleugnen die

Profession einer ganzen Lehrerschaft (vgl. Plath, 2010, S. 13).

Kann das Wissen um Keith Johnstones Statuskonzept nun auch Lehrerinnen und

Lehrern weiterhelfen? Welches Potential birgt es tatsächlich in sich?

Johnstone erinnert sich in seinem Buch „Improvisation und Theater“ an drei Lehrer

aus seiner Schulzeit:

Ich erinnere mich an einen Lehrer, den wir mochten, der aber die Disziplin

nicht aufrechthalten konnte. Der Schulleiter ließ durchblicken, daß er ihn

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gerne entlassen würde. Wir beschlossen, uns besser zu benehmen. In der

nächsten Stunde saßen wir etwa fünf Minuten lang mucksmäuschenstill,

dann fing einer nach dem andern an, Blödsinn zu treiben – die Jungen

sprangen über die Tische, Acetylengas explodierte im Waschbecken und so

weiter. Am Ende bekam unser Lehrer ein exzellentes Zeugnis, nur um ihn

loszuwerden, und er wurde Schulleiter am anderen Ende der Grafschaft.

Uns blieb die paradoxe Tatsache, daß unser Verhalten mit unserer

bewußten Absicht nichts zu tun hatte.

Ein anderer Lehrer war allgemein unbeliebt, er strafte nie und führte

trotzdem ein unbarmherziges Regime. Auf der Straße lief er zielstrebig

ausschreitend, die Leute mit Blicken durchbohrend. Obwohl er keine

Strafen verhängte oder auch nur androhte, hatten wir schreckliche Angst

vor ihm. Scheu malten wir uns aus, wie furchtbar das Leben seiner eigenen

Kinder erst sein müsse.

Der dritte Lehrer, der sehr beliebt war, strafte nie und hielt dennoch die

Disziplin ausgezeichnet aufrecht. Dabei blieb er sehr menschlich. Er trieb

Späße mit uns und stellte gleich darauf auf unerklärliche Weise die Ruhe

wieder her. Auf der Straße ging er aufrecht, doch locker, und er lächelte oft

(Johnstone, 1998, S. 55f.).

Für Johnstone war die Ursache der unterschiedlichen Wirkung dieser drei Lehrer

lange nicht ersichtlich. Heute in der Reflexion begründet er diese mit den von den

Lehrern unterschiedlich eingenommenen Status.

Der unfähige Lehrer spielte Tiefstatus: Durch viele nervöse und überflüssige

Bewegungen wirkte der Lehrer, dessen Gesicht beim geringsten Ärger rot anlief,

wie ein Eindringling im Klassenzimmer. Der zweite Lehrer, der die Schülerinnen

und Schüler in Angst versetzte, war ein zwanghafter Hochstatusspieler. Den

dritten könnte man als Status-Experten bezeichnen: Er variierte mit großem

Können seinen Status. Er hob und senkte diesen je nach Situation (vgl.

Johnstone, 1998, S 56).

Die Reflexion vermag Analysen über Vergangenes zu erstellen, trotzdem bleibt die

Frage offen, ob und inwieweit Johnstones Statuslehre den Lehrerinnen und

Lehrern im heutigen Schulalltag in der Begegnung mit Schülerinnen und Schülern

dienlich sein kann, gelingende Beziehungen zu diesen aufzubauen?

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2 Maike Plath

„Wenn man ins Wasser kommt, lernt man schwimmen.“

(Goethe, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

2.1 Ihr Weg

Um eine befriedigende Antwort auf diese Frage zu erhalten, ist es unabdingbar,

die Statuslehre selbst im Unterricht zur Anwendung zu bringen, die Ergebnisse zu

evaluieren und die sich daraus ergebenden Schlüsse zu ziehen.

Dachte ich. Inmitten meiner Recherche allerdings begegnet mir Maike Plath. Ist

sie zunächst Lehrerin an einer integrierten Gesamtschule in Bad Oldesloe

gewesen, zu deren Kennzeichen die musikalische und theatrale Ausrichtung

gehört, deren Schülerinnen und Schüler meist aus einem sehr heilen Umfeld

kommen und deren Direktor Frau Plath eine dreijährige Theaterausbildung

ermöglicht hat, so drängen sie einerseits private Gründe und andererseits die Lust

nach neuen Herausforderungen dazu, ihren bisher gegangenen Weg zu verlassen

und nach Berlin zu übersiedeln. Nach einigen Aufnahmegesprächen an von ihr

ausgesuchten Schulen hätte sie aufgrund ihres Profils an mehreren sofort zu

arbeiten beginnen können, wäre da nicht im damaligen Sommer 2004 der

„berühmte Einstellungsstopp“ in Berlin verordnet worden. Es sieht zunächst so

aus, als würde sie keine Anstellung mehr erhalten (vgl. Plath, 2015, S. 1f.). Am

vorletzten Ferientag lädt das Bezirksamt Neukölln sie zu einem Gespräch ein: „Wir

können Ihnen was anbieten, weil da keiner hin will und wenn Sie bereit sind, die

Stelle anzutreten, dann können Sie übermorgen anfangen“ (Plath, 2015, S. 2).

Eigentlich ist es nicht ihr Ansinnen gewesen, an eine Hauptschule zu gehen, aber

unter den gegebenen Umständen antwortet sie: „Tja, dann mach ich das wohl“

(Plath, 2015, S. 2).

Die Hauptschule Berlin-Neukölln ist der neue Ort, an dem Frau Plath zu

unterrichten beginnt. Auf die Frage, ob sie gewusst habe, auf welches Abenteuer

sie sich hierbei einlasse, antwortet sie, dass sie von den Meinungen anderer über

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Berlin-Neukölln sehr beeinflusst gewesen sei, denn jeder habe gemeint, Berlin-

Neukölln wäre die absolute Katastrophe.

Mit einem mulmigen Gefühl betritt Sie daher am ersten Tag das Schulgebäude,

das sie zunächst erschrecken lässt: Tafel, Holzstühle, abgeschlossene Lehrer-

und Schülertoiletten entsprechen nicht dem Bild, welches sie von ihrer vorherigen

Schule gewohnt ist. Sie beschreibt die Zustände als „rückwärtsgewandt“ und beim

Betreten der Klasse ist sie zunächst erleichtert, denn ihre aufgebauten Vorurteile

verschwinden schlagartig, als sie keine „Monster“, sondern eben doch Kinder

vorfindet. Innerhalb weniger Minuten erkennt sie trotz allem, dass Unterricht hier

anders gelebt wird, als sie es bisher verstanden hat (vgl. Plath, 2015, S. 2f.).

Während einige Schülerinnen und Schüler sie plötzlich permanent zu sich rufen,

klauen andere Jugendliche einige Sachen aus ihrer Tasche. Frau Plath

entscheidet sich, nachdem sie das Verhalten der Jugendlichen als klares

Rollenspiel durchschaut hat, das diese wahrscheinlich mit jeder neuen Lehrkraft

durchführen, den Raum mit den Schülerinnen und Schülern zu verlassen. Sie

begibt sich nach draußen und beginnt ein offenes Gespräch mit jenen, die mit ihr

kommunizieren wollen. Die anderen versuchen, sie in der Zwischenzeit zu ärgern,

allerdings ignoriert Frau Plath diese und letztlich sitzen alle um sie und sind bereit,

mit ihr zu reden (vgl. Plath, 2015, S. 3). „Okay, man kann es irgendwie schaffen“,

ist ihr Resümee an diesem ersten Tag (Plath, 2015, S. 3).

Aber das zweite Problem war dann das, dass man auch Unterricht machen

sollte, und dass man in diesen Kontext Klassenraum ja auch irgendwann

wieder zurückkehren musste [...] und das war dann das nächste Problem

(Plath, 2015, S. 3f.).

Zunächst beginnt sie, um Ruhe herzustellen, die Jugendlichen mit Arbeitsblättern

zu beschäftigen. Sie merkt jedoch nach dem ersten Test, dass die Schülerinnen

und Schüler nichts gelernt haben. Die Jugendlichen beschreiben diesen Unterricht

selbst als „Unterricht für die Wand“ (vgl. Plath, 2010, S. 10).

Daher entscheidet sich Maike Plath, einen anderen Weg einzuschlagen. Sie

möchte auf alle Fälle die Zeit mit den Schülerinnen und Schülern sinnvoll

verbringen. Da sie ihren Beruf aus innerer Überzeugung ausübt, ist es

unbedingtes Anliegen von ihr, die ihr anvertrauten Jugendlichen weiterzubringen,

denn wozu sonst sollte sie täglich diese Schule betreten, wenn kein Wachstum

passiere? Sie erinnert sich an ihre theaterpädagogische Ausbildung und weiß

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auch aus ihrer jahrelangen Erfahrung als Lehrerin, wie viel möglich sein kann. Den

Unterricht mit Bewegung zu gestalten, war demnach ihr nächstes Vorhaben (vgl.

Plath, 2015, S. 5).

Sowohl Plath als auch Johnstone, dem es während seiner Tätigkeit als

Grundschullehrer ebenso Anliegen war, bewegten Unterricht zu machen, musste

sich daraufhin mit dem Problem der Disziplin auseinandersetzen (vgl. Johnstone,

1998, S. 29; Plath, 2015, S. 4).

Ab diesem Zeitpunkt ist nicht nur die Lehrkraft gefordert, sondern auch die

Schülerinnen und Schüler, denn Unterricht, der Jugendliche direkt anspricht, der

das Verstecken hinter Tischen unmöglich macht, führt unweigerlich auch dazu,

dass diese erst einmal auch in ihrem ganzen Verhaltensspektrum sichtbarer

werden und zunächst Grenzen austesten (vgl. Plath, 2015, S. 5).

Plath konstituiert:

Bringt man seine Schüler/innen aber in Bewegung, dann braucht man als

Lehrer/in mehr als gut gemeinte Tipps in der Art von „Stellen Sie sich vorne

hin und warten Sie, bis es ruhig ist“ – man kann mitunter bis Weihnachten

warten. Oder: „Nur der spricht, der den Stein in der Hand hat“ – niemand

spricht, alle schreien und der Stein fliegt durch die Gegend (Plath, 2010, S.

10f.).

Johnstone begegnet dieser Herausforderung, indem er sich Gedanken über den

Aufbau gelingender Beziehungen zu den Kindern macht und die Methode des

Nicht-Einmischens von Stirling auf alle Gebiete, insbesondere des Schreibens

anwendet (vgl. Johnstone, 1998, S. 30).

Auch Plath diagnostiziert, dass es sich bei dieser unendlichen Anzahl von

entstehenden Situationen, die durch diesen bewegten Unterricht entstanden sind,

eigentlich um Beziehungssituationen handelt (vgl. Plath, 2010, S. 11). Um nun im

Klassenzimmer tatsächlich den Unterricht zu steuern und nicht von den

Schülerinnen und Schülern gesteuert zu werden, bezieht sich Plath nicht mehr auf

ihre Lehrerausbildung, sondern auf die in der Theaterausbildung kennengelernte

Statuslehre von Johnstone, die eigentlich Handwerkszeug von Schauspielerinnen

und Schauspielern ist, aber auf den Alltag und die Kommunikation mit Menschen

absolut übertragbar ist, da alle Menschen in ihrem täglichen Leben permanent und

unbewusst ihren Status an anderen Menschen ausrichten (vgl. Johnstone, 1998,

S. 96; vgl. Plath, 2015, S. 5).

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2.2 Status im Unterricht

„Überall lernt man nur von dem, den man liebt.“

(Goethe, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Plath erzählt: „Mir war total klar, dass die Schüler mich lesen, mich also einordnen

und im Grunde genommen mit mir Statusspiele spielen“ (Plath, 2015, S. 5).

Weiters führt sie die Wichtigkeit der Bewusstmachung diesbezüglich aus, denn

solange die Existenz von Statusspielen nicht erkannt wird, kann ein Mensch stets

nur reagieren. Wird man sich darüber bewusst, wie man welchen Status sendet,

wird es möglich, selbst zu agieren und von seinem Gegenüber entsprechende

instinktive Reaktionen darauf zu erhalten.

Als Beispiel: Werden wir im Straßenverkehr von jemandem aufgehalten, der uns in

einer sehr fordernden und lauten Weise auf falsches Verhalten unsererseits

aufmerksam macht, dann tendieren wir dazu, in den Tiefstatus zu gehen und zu

sagen: „Ja, Entschuldigung, es ist nur ganz kurz und ähm.“ Das ist instinktives

Verhalten. Bei Johnstones Statuslehre wird zunächst von Hoch- und Tiefstatus

ausgegangen. Allerdings handelt es sich hierbei um eine Skala, deren äußerste

Enden hoch beziehungsweise tief sind, dazwischen ist alles möglich.

Um erfolgreich das Unterrichtsgeschehen leiten zu können, bedarf es des

Wissens um die im vorhergehenden Kapitel bereits besprochenen Wippe (vgl.

Plath, 2015, S. 6).

2.2.1 Die Wippe im Unterricht

„Zwischen Weinen und Lachen schwingt die Schaukel des Lebens,

zwischen Weinen und Lachen fliegt in ihr der Mensch.“

(Morgenstern, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Die Provokation von Schülern hat oft das Ziel, meinen Status zu senken,

wenn ich aber selber das weiß, wie ich das machen möchte und ich nicht

das tue, was die Schüler erwarten, sondern umgekehrt, sie in ihrem Status

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nach oben schicke, dann fühlen sie sich gut und dann ist sozusagen die

Provokation umsonst. Das ist die sogenannte Statuswippe (Plath, 2015, S.

5f.).

Nachfolgendes Beispiel schildert, wie Maike Plath mit der Statuswippe im

Unterricht bewusst umgegangen ist: Der einzige tolle, lichtdurchflutete Raum der

Hauptschule Berlin-Neukölln ist die Aula. Nach unzähligen Diskussionen darf

Maike Plath diesen Raum, der einerseits unter Denkmalschutz steht und

andererseits viele technische Geräte beherbergt, für ihren Unterricht verwenden.

Plath steht mit ihren Schülerinnen und Schülern vor der Aula. Sie schließt den

Raum auf, alle stürmen hinein. Die Jugendlichen benehmen sich tatsächlich so,

wie es ihre Kollegen ihr prophezeit haben: Einer, der die Aufmerksamkeit der

anderen haben möchte, schiebt alle Regler nach oben, es folgen eine

unglaubliche Übersteuerung und großes Chaos. Alle Schülerinnen und Schüler

lachen sich kaputt und beobachten, wie ihre Lehrerin Frau Plath darauf reagiert.

Normalerweise müsste sie nun eine Sanktion erteilen und den Schüler

zurechtweisen. Das ist, was Lehrkräfte als Erstes tun würden, aber dies wäre eine

Reaktion (vgl. Plath, 2015, S. 4f.). Wenn die Lehrperson sich allerdings überlegte,

was das eigentlich solle und warum der Schüler das gemacht habe, dann, so

erklärt Plath:

[...] liegt das natürlich daran, dass der seinen Status erheben möchte und

es gibt kein besseres Mittel seinen eigenen Status als Schüler zu heben,

als das, den Status des Lehrers herabzusetzen, weil das ist ´ne

Statuswippe. Wenn er im Raum etwas macht, was mich besorgt, dann setzt

er mich herab und macht mich lächerlich vor den anderen, dann lachen alle,

dann gewinnt er an Status. Das ist das Ziel der Aktion (Plath, 2015, S. 6).

Hier stellt sich die Frage, wie als Lehrkraft vorgegangen werden könne: Plath

denkt nicht daran, schneller zu gehen, nur weil der Schüler an der Anlage ist,

sondern sie behält weiterhin ihr Tempo bei (innerer Hochstatus) und spricht ihn

freundlich an (äußerer Tiefstatus) (vgl. Plath, 2015, S. 4):

Ist ja super Mehmet. Du interessierst dich für die Technik. Ich brauche

dringend jemanden, der mich dabei unterstützt. Das Problem an der Sache

ist, du musst jetzt ganz genau zuhören, weil es ein bisschen kompliziert ist.

Ich nehme an, das schaffst du wahrscheinlich nicht, aber pass auf, ich

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erzähl dir mal ein paar Tricks, dann kannst du mal gucken. Das erste ist so

[...] (Plath, 2015, S. 6).

Danach erklärt sie ihm das Mischpult, jedoch nur kurz. Sie übergibt ihm die

Verantwortung, schon beginnt die erste Übung und er muss sich nun beweisen.

Maike Plath wendet sich zur Gruppe und sagt, Mehmet sei nun der Tontechniker,

der sie von nun an unterstütze. Sie beginnt mit der ersten Übung: „Mehmet,

kannst du bitte [...]?“

Im Interview erklärt Plath, der Witz an der ganzen Sache sei, dass man diese

Vorgänge auch absolut spüre, wie der Schüler in dem Moment einen hohen Status

von ihr bekommen habe und die gesamte Provokation von vorhin plötzlich

verschwunden sei und sich seine Situation in Stress umwandle: „Ach du scheiße,

jetzt muss ich das hinbekommen!“

Der Schüler hört seiner Lehrerin aufmerksam zu, sie sind nun Verbündete, denn

er fühlt sich durch sie enorm aufgewertet und möchte im Gegenzug auch ihre

Erwartungen erfüllen (vgl. Plath, 2015, S. 6).

Dieses Beispiel ist typisch für eine Statuswippe und lässt sich auf jegliche

Kommunikation mit Schülerinnen und Schülern auch in anderen Situationen

übertragen, denn, so Plath, die Grundgeschichte sei immer die gleiche:

Wer stört denn eigentlich im Unterricht? [...] Und das sind eigentlich die, die

Aufmerksamkeit brauchen. [...] wenn man halt als Schüler die

Aufmerksamkeit vom Lehrer nicht über gute Noten oder über gute

Leistungen kriegen kann, dann ist es immer noch besser, wenn die ganze

Klasse über einen lacht und wenn man dann in der Klasse der Coole ist

(Plath, 2015, S. 7).

Letztendlich – und hier kommt man zu äußerem und innerem Status – spielen

Schülerinnen und Schüler, die Aufmerksamkeit brauchen, nach außen ganz hoch

im Sinne von: „Hey, ich bin der dicke Macker“, aber nach innen sind diese ganz

tief, da sie in ihrem Leben schon unzählige Demütigungen erlebt haben. Aus

diesem Grund kämpfen diese Jugendlichen um Aufmerksamkeit und wollen

eigentlich gesehen und geliebt werden. Das heißt in weiterer Folge, wenn die

Lehrperson es schaffen kann, den inneren Tiefstatus der Jugendlichen nach oben

zu bringen, dann erübrigt sich im Grunde das vorhergehende provozierende

Verhalten von diesen. Besonders bei Anfangssituationen mit einer neuen Klasse,

sagt Plath, sei dies sehr entscheidend und sei unter Lehrkräften insofern bekannt,

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indem man schon sehr früh lerne: Den, der am meisten störe oder den, der in der

Klasse den höchsten Status habe, müsse man für sich gewinnen. Die Frage ist

nur wie? Immer wieder wird Lehrerinnen und Lehrern mitgeteilt, diese Schülerin

oder dieser Schüler sei zunächst ganz klein zu machen, denn an dieser Person

müsse ein Exempel statuiert werden. Allerdings zieht sich die Lehrkraft, wenn sie

diese Schülerin oder diesen Schüler mit dem höchsten Status demütigt, auch den

Groll der anderen zu. Daraufhin steigt der „Ich-bin-der-Chef“-Level, denn nun

muss die Lehrkraft auch den anderen gegenüber im Hochstatus verbleiben und

mit Sanktionen bei Nichtbefolgen von Anweisungen agieren. Auf Seite der

Jugendlichen wird es nun von Mal zu Mal attraktiver, den Status der Lehrperson

zu senken, denn schafft man dies, wird man selbst auf der Wippe nun ganz weit

nach oben befördert.

FAZIT: Es ist viel günstiger, den sogenannten Klassenkasper zu verstehen und

ihn zu seinem Verbündeten zu machen, insofern aber, dass er auch wirklich Liebe

und Wertschätzung erfährt (vgl. Plath, 2015, S. 7).

Ob diese Methode nun Erfolg hat oder nicht, hängt zusätzlich noch von einem

weiteren kleinen, aber sehr wesentlichen Punkt ab:

All das funktioniert nur, wenn die Lehrkraft einen inneren, hohen Status hat. Denn

es nützt nichts, nur zu jemandem freundlich zu sein, wenn man innerhalb einer

Gruppe den niedrigsten Status hat. Plath erklärt dies anhand eines Beispiels:

Erinnern wir uns an die Zeit, als wir selbst noch in die Schule gegangen sind.

Wenn der mit dem geringsten Status hinter uns herrennt und die ganze Zeit

freundlich zu uns ist, ist das aus unserer damaligen Sicht nichts wert gewesen. Ist

es allerdings der coolste Kerl, der hinter uns her ist und der sich plötzlich

freundlich zeigt und aufmacht, dann ist man total beglückt gewesen.

Plaths Vorgehensweise stellt sich als äußerst erfolgreich heraus. Nun mag eine in

Sachen Status noch unerfahrene Lehrkraft einwenden, diese Methode verlange

Das heißt, die Lehrkraft muss den höchsten inneren Status haben, damit dieses

nach außen transportierte Tiefstatusverhalten und die Wippe funktionieren.

Dadurch verzichtet die Lehrkraft bewusst auf den institutionell verabredeten

Hochstatus und erreicht damit, dass ihr die Jugendlichen vertrauen. Plath

bezeichnet dies als Status-Paradoxon (vgl. Plath, 2010, S. 123).

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sehr viel Übung und sei für den gerade aktuellen und schwierigen Fall daher nicht

einsetzbar. Aber welches einfache Rezept, das von heute auf morgen zu

verstehen, zu lernen und anzuwenden sei, gibt es, um gerade mit schwierigen

Situationen zurechtzukommen?

Keith Johnstones Statuslehre ist mehr als ein Zurechtkommen und „Überleben“ im

Schulalltag. Es handelt sich bei dieser Methode weder um Erfundenes oder

Erdachtes, aber sehr wohl von ihm Entdecktes. Er macht damit sichtbar, warum

wir wie reagieren und er ermöglicht uns den Blick über den Tellerrand hinaus, da

es anhand von Johnstones beschriebener Statuslehre möglich wird, erlebte

(Beziehungs-)Situationen reflektierend zu verstehen, aktuelle Begegnungen

aufgrund von Einsichten in menschliches Verhalten in eine positive Richtung zu

lenken und im eigenen Verstehen weiterzuwachsen. Eine Lehrkraft, die sich

eigentlich permanent in Beziehungssituationen befindet, muss Experte für

menschliches Verhalten und Kommunikation sein, um den Anforderungen, die

heute an sie gestellt werden, gerecht zu werden.

Weiters mag angeführt werden, Lehrkräfte seien keine Schauspieler und

Verhalten, das aufgrund von Beobachtungen bewusst eingenommen werde, sei

nicht authentisch und daher abzulehnen.

Was genau bedeutet „innerer Hochstatus verbunden mit äußerem Tiefstatus“, also

jener Status, den Plath uns zuvor als gute Möglichkeit im Unterricht zu agieren

vorgestellt hat?

Innerer Hochstatus ist eng verbunden mit dem Wissen darüber, dass man sich

seiner sicher ist. Das meint, einerseits fachlich kompetent und gut vorbereitet zu

sein und sich in der Klasse nicht so zu bewegen, als wäre man ein Eindringling,

sondern in einer Art und Weise, die Selbstsicherheit ausstrahlt.

Plath ergänzt hierzu, dass der Bereich der Körperwahrnehmung jenes Element

der Statuslehre sei, das die Brücke zur Schauspielerei schlage, denn

Schauspielerinnen und Schauspieler lernten während ihrer Ausbildung sehr viel

über Körpersprache und dies sowohl theoretisch als auch praktisch.

Für den Bereich der Statuslehre im Unterricht geht es darum zu wissen, dass es

einen Unterschied macht, ob man sich ruhig oder hektisch bewegt, Letzteres führt

dazu, vom Gegenüber als tief wahrgenommen zu werden. Wenn man alles

verlangsamt, nur sehr wenige Bewegungen macht, sehr aufrecht ist, langsam

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spricht, bewusste Blickkontakte setzt, dann wird man im Hochstatus

wahrgenommen. Der erste Schritt zu einer inneren Hochstatushaltung ist,

zunächst diese körperlichen Möglichkeiten einfach umzusetzen, denn das

Unglaubliche offenbart sich im Einfachen: Die Schülerinnen und Schüler reagieren

auf die neuen körperlichen Signale und ändern ihr Verhalten (vgl. Plath, 2015, S.

8).

Äußerer Tiefstatus meint freundliches Verhalten, Plath bezeichnet dies als

„Kommunikation der Begegnung“: den Schülerinnen und Schülern zuhören und

nicht nur stur das vorbereitete Programm den einzelnen Punkten nach

durchziehen, sondern Interesse an der Lebensrealität der Jugendlichen zeigen

und diese vor allem nicht beschämen und demütigen.

Sie ergänzt, sowohl Gehirnforschung als auch Lerntheorien seien sich einig, dass

es zunächst diese Kommunikation der Begegnung brauche, ansonsten könne es

zu keiner Öffnung auf Seiten der Schülerinnen und Schüler kommen und in

weiterer Folge nichts gelernt werden, da die meisten Lernenden sich nicht mit dem

Stoff beschäftigten, sondern mit ihrem Status und damit, wie sie eine erlittene

Demütigung wieder kompensieren könnten.

Um die Sicht der Schülerinnen und Schüler besser verstehen zu können, spricht

Plath im Interview von einer Situation, die uns allen sehr bekannt ist: Nach einem

Streit steigen wir aufgebracht in unser Auto, fahren los, um rechtzeitig in der

Schule anzukommen. Woran denken wir die nächsten zehn Minuten, während wir

im Auto sitzen? Mit Sicherheit nicht daran, was für eine großartige

Unterrichtsstunde wir heute machen werden, sondern wir führen im Auto

Selbstgespräche und verarbeiten die erlittene Demütigung.

Sehr viele Schülerinnen und Schüler verwenden die ganze Zeit des Unterrichts,

um diese Demütigungen zu verarbeiten. Dabei halten sie Ausschau nach

Situationen (vor allem mit Lehrkräften), die ihnen dienlich sein könnten, ihren

Status wieder zu heben, um letztlich die Demütigungen kompensieren zu können

(vgl. Plath, 2015, S. 11). „Wenn ich das für sie machen kann, dann kommen wir

schneller zu einer fruchtbaren Auseinandersetzung über Inhalte“ (Plath, 2015, S.

11). Damit bezieht sich Plath auf das bewusste Senken des eigenen Status, um

die Jugendlichen in deren Status nach oben zu bringen, damit unbewusstes

Statusgerangel der tatsächlichen Unterrichtsarbeit weichen kann.

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Aus meiner Sicht wird allein durch das Verstehen der Statuslehre der

Handlungsspielraum von Lehrpersonen erweitert, denn es ermöglicht, Situationen

zu begreifen und lädt ein, nicht permanent auf Verhalten zu reagieren, sondern

bewusst aus seinen persönlichen Befindlichkeiten auszusteigen. Dass dies nicht

immer und sofort auf Anhieb funktioniert, mag der Realität entsprechen, die

Statuslehre möglicherweise deswegen abzulehnen, erachte ich nicht als sinnvoll.

Johnstone drückt es sehr gut aus: „Chaplin and Keaton had a very good

understanding of it. Shakespeare understood it. Everybody understands it. It´s

intuitive” (Johnstone, 1979, zit. n. Dudeck, 2013, p. 1455). Das heißt, die

Statuslehre ist etwas, das uns auf einer sehr intuitiven Ebene vertraut ist, daher

können uns Einblicke darin immer wieder sogenannte „Aha“-Erlebnisse

bescheren. Die Statuslehre ist verständlich und begreifbar, sie ist uns eigen. „I

don´t know why anyone didn´t put it into practice before“ (Johnstone, 1979, zit. n.

Dudeck, 2013, p. 1455). Johnstone verdanken wir, sie ans Licht gebracht zu

haben.

+2.2.2 Lehrer-Statustypologie

„Status, Status? Was war das noch mal gleich?

Ach ja, der Platz, den man sich selber macht.“

(Blanck, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Plath orientiert sich an Johnstones Statustypologie und erörtert, wie sich diese im

Kontext Schule zeigt:

1. Die Rampensau (außen hoch / innen hoch)

Hier handelt es sich um den absolut autoritären Lehrer, vor dem alle Angst haben.

Die Eltern sagen über diesen Lehrertyp: „Ja, das ist ein ganz toller Lehrer, da lernt

mein Kind so viel.“ Allerdings findet bei diesem Lehrertyp nicht oder kaum die

Kommunikation der Begegnung statt, deswegen kommt es hier zum

Auswendiglernen auf Tests hin. Die gelernten Informationen werden schon bald

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wieder vergessen sein, da dieses Wissen nicht emotional verankert wird (vgl.

Plath, 2015, S. 13f.).

2. Der Charismatiker (außen tief / innen hoch)

Dies ist jener Status, der zuvor schon als idealer Statustyp definiert worden ist.

Innen hoch und außen tief bedeutet innen hoch und außen alles. Damit ist

gemeint, dass außen alles möglich ist. Äußeres Tiefstatusverhalten führt im

Unterrichtsalltag meistens zu einer gelungenen Kommunikation, jedoch nur, wenn

die Lehrkraft einen inneren Hochstatus hat, denn ansonsten verliert der äußere

Tiefstatus seinen Wert (vgl. Plath, 2015, S. 14).

3. Der Kläffer (außen hoch / innen tief)

Dies ist jener Typ, der, obwohl er innen tief ist, trotzdem das Gefühl hat,

grandiosen Unterricht zu machen, nur irgendwie sind die Umstände nie günstig:

Die Schüler sind ungezogen, die Eltern kümmern sich nicht, die Räume sind nicht

ideal und so weiter. Innerlich fühlt sich der Kläffer als Opfer seiner Umstände,

äußerlich möchte er Respekt erzeugen und es scheint, das einzige Mittel, das er

noch zur Verfügung hat, ist zu schreien. Daraufhin verstummen die Schülerinnen

und Schüler kurz, nachdem er aber die Klasse verlassen hat, lachen sich alle

darüber kaputt und lästern über diese Lehrperson. Kurzfristig mag er für Ruhe

sorgen, jedoch ohne langfristigen Effekt, da ihn die Jugendlichen weder

respektieren noch mögen (vgl. Plath, 2015, S. 14).

4. Der Teamplayer (außen tief / innen tief)

Der Teamplayer, sowohl außen als auch innen tief, ist der Typ, der ungemein

beliebt ist, sich aber nicht durchzusetzen vermag. Alle lieben den Teamplayer

aufgrund seiner ewigwährenden Beteuerungen und Zusprüche sehr (vgl. Plath,

2015, S. 14).

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Nähe versus Distanz +

„Nähe und Distanz – das wohl älteste Spiel der Welt,

das immer noch die wenigsten spielen können.“

(Pomes, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Die vier Grundtypen erwirken je ein unterschiedliches Maß an Sympathie

einhergehend mit Nähe, während Respekt an Distanz gekoppelt ist.

• Innerer Tiefstatus kann keinen Respekt herstellen. Hierzu gehören: Der

Teamplayer, der keine Grenzen setzen kann, wird gemocht, der Kläffer

jedoch, der ebenso keinen Respekt erzeugen kann, wird zudem auch nicht

als sympathisch empfunden.

• Die Rampensau ist auf beiden Ebenen im Hochstatus. Dadurch kann diese

Person großen Respekt erzeugen, wird aber von den Jugendlichen nicht

gemocht.

• Der Charismatiker schafft es, durch den äußeren Tiefstatus Nähe

herzustellen, mithilfe des inneren Hochstatus´ allerdings auch Respekt zu

erzeugen (vgl. Plath, 2015, S. 14).

Es gibt Menschen, die sich gegen eine solche Einteilung wehren und darauf

bestehen, als individuelle Persönlichkeiten angesehen zu werden. Plath schreibt in

ihrem Buch „Spielend unterrichten“ hierzu:

Es ist zwecklos, diese Mechanismen zu leugnen, denn sie finden überall

statt, wo Menschen in Gruppen zusammen sind. Und jeder Mensch weiß

instinktiv, wann er einer anderen Person gegenüber im Hoch- oder im

Tiefstatus ist. Sie brauchen sich nur an Ihre eigene Kindheit und Jugend zu

erinnern: Welche Klassenkameraden hatten Hochstatus? Welchen Status

hatten Sie selbst in Ihrer Klasse? Wem gegenüber fühlten Sie sich

überlegen und wem gegenüber unterlegen? (Plath, 2010, S.38).

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Im Interview mit Frau Plath führt sie ergänzend aus:

Niemand kann Hochstatus gleich „spielen“. Bei dir wäre Hochstatus anders

als bei mir, aber das Prinzip ist halt das Entscheidende, dass wir uns mit

der Idee verkoppeln und mit diesem instinktiven Wissen, das wir alle haben

(Plath, 2015, S. 17).

So wie Edward Bond, der als Mitglied der Autorengruppe des RCT durch

Johnstone erkennt, dass sich die Gestaltung von dramaturgischen Texten nicht

um Charaktere dreht, sondern um Beziehungen, so dürfen wir diese Einsicht auf

unseren Schulalltag übertragen: Die Gestaltung von Unterricht wird nicht mittels

der perfekten Methode umgesetzt, sondern ist abhängig von der Fähigkeit

Beziehung zu gestalten (vgl. Bond zit. n. Johnstone, 1998, S. 37). Dazu bedarf es,

die eigene Statuskomfortzone zu verlassen und ein sogenannter Statusexperte zu

werden. Was dies bedeutet, wird nachfolgend erläutert.

2.2.3 Statuskomfortzone

+“I’m continually trying to make choices that put me against my own comfort zone.

As long as you’re uncomfortable, it means you’re growing.”

(Kutcher, o.E., zit. n. AZQuotes, 2015)

Plath erklärt, die Statuskomfortzone sei jener Bereich, in dem eine Person sich

hinsichtlich von Status normalerweise bewege und die nie verlassen werde, da

man Angst habe, mit anderem Verhalten zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu

ziehen und sich lächerlich zu machen. Das bedeutet: Bin ich jemand, der eher auf

Nähe (Teamplayer, Charismatiker) oder auf Distanz (Kläffer, Rampensau) spielt?

Möchte ich tendenziell andere Leute meinem Willen unterwerfen und mich

durchsetzen oder bin ich harmoniebedürftig, sprich, auch in Konfliktsituationen

strebe ich durchwegs Harmonie an.

Die meisten Menschen sind aufgrund unserer anerzogenen Höflichkeitskultur

tendenziell eher Tiefstatusspieler, im Sinne von „Bitte, nach Ihnen“. Die Frage ist

jetzt: Wie schaffe ich es, einen anderen Status einfach anzunehmen, der nicht auf

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einer Reaktion basiert, sondern den eine spezielle Situation eigentlich verlangt,

um Unterricht gelingend gestalten zu können. Schauspielerinnen und

Schauspieler lernen, ihr Verhalten auszuweiten, das eigene Handelsspektrum zu

erweitern und sowohl ganz tief als auch ganz hoch spielen zu können. Weiters

lernen sie, in jeder Situation den Status spielen zu können, den sie sich

vorgenommen haben, was bedeutet, dass diese es beherrschen, sich innerhalb

von einer Sekunde komplett lächerlich machen zu können, sodass sich alle

kaputtlachen und auch, ohne ein Wort zu sagen, aufzustehen, und plötzlich als

König zu agieren.

Würden Lehrpersonen dies können, dann wäre die eigene persönliche

Komfortzone kein Thema mehr, da sie jedem Lernenden das Statusverhalten

geben könnten, das für jede Schülerin und jeden Schüler wichtig und richtig wäre

(vgl. Plath, 2015, S. 12f.).

Das heißt, die Schnittmenge zwischen Lehrkraft und Schauspieler ist, dass beide

wissen, was sie tun. Es ist auch für die Lehrperson nicht dienlich, einfach

loszugehen und irgendwie zu improvisieren ganz nach dem Motto: Der Tag wird

schon irgendwie laufen. Vielmehr sollte man die „Handwerkskiste“ von

Schauspielerinnen und Schauspielern für sich öffnen und Gesten, die Hoch- und

Tiefstatus erzeugen, erproben und erlernen und im Anschluss daran, diese

gewinnbringend im Schulalltag einsetzen mit dem Ziel, effektiver kommunizieren

zu können, um den Bildungs- und Erziehungsauftrag professioneller erfüllen zu

können (vgl. Plath, 2010, S. 62f.). Wichtig, um mit der Statuslehre erfolgreich zu

sein, ist es, Hoch- und Tiefstatus als gleichwertig anzunehmen.

Bei ihr selbst habe das sehr lange gedauert, da sie nach dem Prinzip „trial end

error“ vorgehen musste, schildert Plath ihren Weg. Aufgrund der äußerst geringen

Frustrationstoleranz von Hauptschülern, sind diese, sofort nachdem sie etwas

„falsch“ gemacht habe, total ausgerastet.

Trotzdem hat sie nicht aufgegeben und ist nach dem Motto „Und täglich grüßt das

Murmeltier“ wieder hingegangen:

Ah, heute hab ich schon zehn Minuten geschafft, dann ist alles

kaputtgegangen und am nächsten Tag geht man wieder rein und dann

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wieder. Heute in Minute acht schon und nächsten Tag wieder rein und

wieder rein und wieder rein, immer, so kam mir das auch vor und jeden Tag

überlegt man halt: Du gehst wieder ins Schlachtfeld und jetzt machst du an

der Stelle was anders und jetzt mal gucken (Plath, 2015, S. 43).

Mit Hauptschülern, so Plath, könne man, aufgrund deren Ehrlichkeit, äußerst gut

pädagogisches Verhalten erlernen, denn sobald diesen etwas nicht passe,

agierten diese emotional authentisch („Ey, ist langweilig!“ Plath, 2015, S. 43) im

Gegensatz zu Gymnasialschülern, die einen als Lehrkraft bestimmt auch nicht

immer leiden könnten, verhalten sich diese trotzdem immer nett, erst nach

Verlassen der Klasse lästerten sie über einen (vgl. Plath, 2015, S. 43).

2.2.4 Statusexperte

„Niemand kann dir die Brücke bauen, auf der gerade du über den Fluss

des Lebens schreiten musst, niemand außer dir allein.“

(Nietzsche, o.E., zit. n. Posner, 2013, S. 191)

Einerseits ist es wichtig zu wissen, welches Ziel ich inhaltlich mit den Schülerinnen

und Schülern anstrebe, andererseits muss ich meinen Status je den

Anfordernissen nach senken und heben können, um die Jugendlichen

entsprechend führen zu können. Plath ergänzt: „Kein Kind will, dass das Schiff

irgendwie führerlos durch die Gegend schippert“ (Plath, 2015, S. 25).

Erst wenn ich mir anderes, neues Verhalten zutraue, komme ich aus meiner

Statuskomfortzone heraus und kann zu einem Statusspezialisten werden.

Meist ist das zielführendste Verhalten jenes, das dem des Charismatikers

entspricht. Um sich davon ein gutes Bild machen zu können, erklärt Plath dies

anhand des Beispiels Columbo. Da dieser immer eine Strategie verfolgt,

verkörpert er diesen Status so unglaublich gut und genau aus diesem Grund ist er

auch allen anderen voraus, denn die anderen können immer nur reagieren, da sie

um ihren Status besorgt sind.

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Die Person, die sich nicht um ihren Status sorgt, sondern die sich mit ihrem Ziel

verbindet und Schritte setzt, um ans Ziel zu gelangen, wird letztlich erfolgreich

sein (vgl. Plath, 2015, S. 20f.).

Beim Lesen des Buches von Maike Plath „Spielend unterrichten“, sticht mir ein

Punkt ins Auge. Sie listet in einer Tabelle verschiedenste Möglichkeiten auf, wie

im Unterricht Tiefstatus hergestellt werden kann, unter anderem schreibt sie: „Sich

beim Sprechen vor die Schüler/innen hinknien, sodass dies [sic!] beim Sprechen

auf den Lehrer hinabschauen können“ (Plath, 2010, S.66). Da für mich dieses

Verhalten zum Zeitpunkt des Interviews nicht vorstellbar ist, frage ich Maike Plath,

ob sie diesen Punkt nur als weitere Möglichkeit, um den äußeren Status zu

senken, erachte, oder ob sie dazu auch eine Erfahrung habe. Daraufhin schildert

sie mir folgende Szene:

Einen Schüler habe sie einmal angesungen und sich dabei vor ihn hingekniet. Der

Schüler sei mit finsterem Gesicht im Unterricht gesessen, nicht mitarbeitend und

irgendwie gangstermäßig aussehend. Dadurch habe er einen ungemeinen

Hochstatus ausgestrahlt. Nach mehrmaligem und persönlichem Ansprechen

entscheidet sich seine Klassenlehrerin Plath, sich vor ihn hinzuknien und ihn mit

„Yesterday“ anzusingen (vgl. Plath, 2015, S. 15f.).

Plath über ihre Erfahrung dazu:

Die erste Strophe ist ziemlich schwierig durchzuhalten, weil es natürlich

komplett lächerlich ist und weil man innerlich auch zittert, geht das jetzt gut,

deswegen mein ich, man muss innen sehr hoch sein, um das

durchzuziehen, weil dann auch alle anderen im Klassenzimmer aufhören zu

reden und einen anstarren (Plath, 2015, S. 16).

Ich werfe ein: „Man stelle sich nur vor, es komme ein anderer Lehrer herein.“

Plaths Antwort: Ja und dann singt man aber weiter und man merkt auch,

dass man sicherer wird und dann hab ich ihn auch noch so angelächelt,

angeflirtet und dann [...] fing es an irgendwie so zu zucken und irgendwann

hat er seinen Kopf so zum Fenster gerissen, um zu entkommen, da war

aber schon klar, dass er gelacht hat, [...] und ich hab immer

weitergesungen. Er hat dann den Kopf so rumgerissen und meinte: „Jetzt

hören Sie auf zu singen, Frau Plath! Das ist ja voll peinlich!“ Dann ist das

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aber witzig, weil dann lacht man eben schon zusammen und dann gab es

später auch schon den Spruch: „Pass auf, ich sing dich wieder an“ (Plath,

2015, S. 16).

Plath erklärt, dass es zwei Reaktionen auf Demütigungen gibt, nämlich die

Aggression und die Emigration. Jener Schüler ist in einer totalen inneren

Emigration gewesen und somit innerlich in einem unglaublichen, inneren

Tiefstatus gesteckt. Sie muss daher, um diesen Schüler auf der Statuswippe nach

oben zu bringen, außen noch tiefer spielen, als dieser Schüler es gewesen ist.

Daher unternimmt sie diesen Schritt und kniet sich vor ihn hin. Durch das

Ansingen macht sie sich äußerlich zusätzlich klein, da sie den anderen gegenüber

total lächerlich erscheint. Jedoch weiß sie, dass gerade bei Burschen Humor eine

große Wirkung erzielen kann.

Das Schwierige an solchen Situationen ist natürlich, dass man sich absolut

außerhalb seiner Statuskomfortzone befindet und dass der Schüler ausstrahlt: „Ich

bin ein Gangster, lass mich in Ruhe.“ Dadurch ist nicht sofort sichtbar, dass hier

ein verletzter Mensch sitzt, der gefunden werden will (vgl. Plath, 2015, S. 16).

Als Statusexperte ist es möglich, das Verhalten von Jugendlichen zu verstehen

und produktiv darauf zu reagieren. Wenn man jeden Status spielen kann, ist man

in der Lage, seinen Status etwas unter den eines Jugendlichen zu bringen oder

etwas darüber, um jemanden aus einer rollenspezifischen Verhaltensstarre zu

befreien. Durch bewusste Statuswechsel beendet man die Situation von

Statuskämpfen. Man selbst übernimmt die Verantwortung für die Entwicklung

einer Situation. Als Beispiel, wie diese Haltung in der Praxis aussehen kann, führt

Plath in ihrem Buch Folgendes an: Ein Schüler klaut aus ihrer Federtasche einen

Stift und läuft davon. Seine Blicke sind provozierend. Sein Ziel ist es, den Status

der Lehrkraft zu senken und somit seinen Status innerhalb der Gruppe zu heben.

Die Lehrkraft senkt ihren Status selbst, indem sie ruft: „Den schenke ich dir!“ (vgl.

Plath, 2010, S. 82f.).

Eine andere Situation kann auch das Heben des Status erfordern. Ein Beispiel:

Wenn Schülerinnen und Schüler merken, sie können den Unterricht steuern,

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indem sie wissen: „So jetzt fragen wir was wegen unserer Klassenfahrt und dann,

hahaha, dann reden wir sicher die ganze Stunde drüber“, dann wird diese

Lehrkraft oft sehr gemocht, allerdings ist diese Lehrperson in ihrem inneren Status

zu tief. Hier muss eine größere Distanz hergestellt werden, indem die Lehrkraft

ihren Unterricht durchzieht. Die Jugendlichen werden daraufhin eventuell beleidigt

sein, da sie einerseits ihr Vorhaben nicht umsetzen konnten und andererseits nicht

mit dieser Grenze gerechnet haben. Nun aber steigt wieder der Respekt der

Lehrkraft gegenüber (vgl. Plath, 2015, S. 12f.).

Die Statuslehre im Unterricht anzuwenden, heißt daher auf keinen Fall,

Kuschelpädagogik zu betreiben.

Man muss in der Lage sein, komplette Distanz zu denen herzustellen von

einer Sekunde zur nächsten, ihnen muss klar sein, dass ich nicht Tag und

Nacht an sie denke, also ihnen muss klar sein, dass es tatsächlich möglich

ist, mich zu verlieren, ich bin nicht die Mutti (Plath, 2015, S. 40).

Auf meine Frage hin, wie man sich das vorstellen könne, erzählt sie mir, dass bei

einem Schreibauftrag ein Schüler „Isch ficke Theater.“ auf seine Karte

geschrieben hat. Daraufhin passierte Folgendes:

Dann sage ich doch nicht: „Waaaas?“, sondern dann muss er diese

Performance jetzt durchziehen. [...] Er muss dann mit seinem Schild halt,

die arbeiten danach ja mit ihren Texten und das ist sein Beitrag irgendwie

und er muss dann im weiteren Verlauf [...] ans Mikro [...] muss er diesen

Satz sagen, so und mit der Zeit – also ich reagiere darauf gar nicht, ich

sage dann: „Es ist alles erlaubt. Ich habs euch gesagt.“ An dieser Stelle gibt

es irgendwie keine: „Das musst du oder nicht.“ Wenn du das sagst oder

wenn du das vertrittst, dann sag ich auch, wenn du den Satz „Isch ficke

Theater“ vertrittst, dann folg ich dir. Dann ist das in Ordnung. Dann sieht

man schon die Enttäuschung, das war nicht gemeint, sondern der schreibt

das da hin, weil er von mir ne Aufregung haben möchte, wenn er die nicht

kriegt – so und dann muss er sich mit dem Satz tatsächlich beschäftigen,

was es heißt [...] es führt dazu, dass er irgendwann ankommt und sagt:

„Kann ich noch ne andere Karte haben? (Plath, 2015, S. 41).

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Als weiteres Beispiel führt Plath hier an, wenn es darum gehe, Gruppen zu bilden.

Sie zähle den Jugendlichen auf, welche Varianten es gäbe zu einer

Gruppeneinteilung zu kommen und sagt auch, dass die Einteilung von ihnen

selbst innerhalb eines definierten Zeitfensters durchgeführt werden kann. Sie

erklärt den Jugendlichen nach Ablauf der Zeit, wenn es nicht geklappt hat:

Ihr habt jetzt zwanzig Minuten gestritten, seid völlig durch den Wind, nehme

ich wahr und deswegen werde ich für heute das jetzt anders machen und

ich sage euch jetzt die Gruppe so und so und nächstes Mal habt ihr die

nächste Chance [...] Tausend Situationen im Prozess, wo es

unverantwortlich wäre, die alleine zu lassen, die würden sich ja totschlagen.

[...] Und wenn ich sie dann schützen muss, treff´ ich auch ganz schnell eine

Entscheidung und wenn dann einer ausflippt und mich anmacht, dann

merkt der, dass er damit nicht weiterkommt [...] das ist aber nicht mit einer

Befindlichkeit verkoppelt, dass ich sauer auf den Schüler bin, sondern, das

wäre so wie ein Schiedsrichter auf dem Spielfeld [...] Der Schiedsrichter

regt sich ja auch nicht darüber auf (Plath, 2015, S. 42f.).

Ein Statusexperte hat eine ganz klare, innere Ausrichtung. Damit ist gemeint, die

eigene Profession anzuerkennen und nicht in unbewusstes Tiefstatusverhalten

angesichts der vielen Probleme zu verfallen und sich als Opfer der Umstände zu

sehen und allen anderen die Schuld an der Misere zu geben: „Ich kann hier so

nicht unterrichten. Was die hier alle machen, diese schlimmen Kinder mit ihren

Eltern, die sich heutzutage nicht mehr entsprechend um sie kümmern.“ Diese

Opferhaltung führt zu einer Dauerschleife an Problemen. Das Gegenteil dazu ist

die Expertenhaltung, die sagt: „Ich habe mir diesen Job ausgesucht und ich liebe

diesen Beruf. Ja, es gibt viele Probleme, aber packen wir sie an! Auch traue ich

mir das zu, das zu machen. Jede Stunde sehe ich als Lernerfahrung und wenn

jetzt etwas schief geht, dann frage ich mich, was ich daraus lernen kann und wie

ich dieses oder jenes in der Zukunft besser umsetzen kann.“ Diese

Expertenhaltung führt zu einem sehr hohen inneren Status. Dadurch kommt eine

Lehrkraft zu einer Kommunikation der Begegnung und nicht zu einer

Kommunikation der Abgrenzung, die sich zum Beispiel in Aussagen wie diesen

darstellt: „Nimm du bitte den leichtesten Arbeitsbogen.“ Das ist keine

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Kommunikation der Begegnung, sondern stellt klar, dass du als Schülerin oder

Schüler an dieser Stelle stehst und Weiteres nicht kannst. Ist es das Ansinnen der

Lehrkraft, eine Kommunikation der Begegnung zu führen, versucht sie über den

anderen etwas rauszufinden. Hier verweist Plath wieder auf Keith Johnstone, der

festhält, dass nicht die Schauspielerinnen und Schauspieler die besten seien, die

versuchten ihr Ding durchzuziehen, sondern jene, die Angebote annehmen

würden. Das bedeutet, übertragen auf den Unterricht, zu erkennen, wie wichtig es

ist, kleinste Veränderungen des anderen mitzubekommen und dementsprechend

den eigenen Status selbst dahingehend zu verändern, um dadurch Statuskämpfe

zu vermeiden (vgl. Plath, 2015, S. 10).

Wenn Plath zu Beginn eines neuen Schuljahres eine Klasse betritt, beginnt sie

ihren Unterricht, indem sie zunächst die Tische an die Wand rückt, sich mit den

Schülerinnen und Schülern im Kreis hinsetzt und zu ihnen dieselben Worte

spricht, die Johnstone damals in seiner Grundschulklasse verwendet hat. Plath

sagt: „Wenn irgendwas schief geht, ist das alles meine Schuld“ (Plath, 2015, S.

44). Der Status dieses Satzes lässt sich wie folgt analysieren: Äußerlich stellt

Plath durch das Sitzen bei den Jugendlichen einen Tiefstatus her, innerlich ist sie

jedoch absolut hoch, denn nur jemand, der innerlich ganz hoch ist, kann diese

Aussage machen. Menschen, die unter Minderwertigkeitskomplexen leiden und

Fehler verstecken möchten, sind innerlich in einem sehr tiefen Status und treten

äußerlich mit sehr hohem Status auf, um ihre Fehler verstecken zu können (vgl.

Plath, 2015, S. 24).

Plath sieht die Statuslehre nicht losgelöst von anderem Unterricht an, sondern als

Kultur, die etabliert und vorgelebt werden muss.

Wenn sie in ihren Statusseminaren erklärt, Lehrer müssten eine dienende Haltung

einnehmen, dann würden sich genau jene Lehrkräfte aufregen, die einen inneren

Tiefstatus hätten: „Nein, sicher nicht, der soll mich zuerst grüßen!“

Plath schildert ihre Gedanken dazu:

Nein, nein, nein. Wenn du innen hoch bist, dann grüßt du einen Schüler

hundertmal, so wie du nämlich willst, dass er dich grüßt. Woher soll er das

denn wissen? Wir können doch nicht verlangen, das Verhalten, was wir

nicht selbst, absolut selbstsicher leben (Plath, 2015, S. 16f.).

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Daher verweist sie in diesem Zusammenhang auch darauf, dass sie von

Sanktionierungen gegenüber Jugendlichen nichts halte, denn diese bewirkten das

Gegenteil von dem, was sie erreichen möchte. Sie sagt:

Es bewirkt Demütigung und ich verliere den Schüler ein Stück weit auf dem

Weg, wo ich ihn ja haben will. Ich will ja nicht, dass der unten bei der

Schulleitung sitzt, sondern ich möchte ja, dass der durch meinen Unterricht

im besten Fall wächst und dass der seine Lernschritte machen kann (Plath,

2015, S. 9).

2.2.5 Status und das Klassenzimmer

„Aber wir stellen uns eben die Zukunft

wie einen in einen leeren Raum projizierten Reflex der Gegenwart vor,

während sie oft das bereits ganz nahe Ergebnis von Ursachen ist,

die uns zum größten Teil entgehen.“

(Proust, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Aufgrund ihrer dreijährigen Theaterausbildung, die Plath sowohl Theorie, als auch

Praxis der Statuslehre vermittelt hat, erkennt sie, dass allein die Sitzordnung

schon Lernen verhindern kann.

Johnstone (1998) schreibt: „Status ist im Grunde räumlich bestimmt“ (S. 95).

Plath (2015) konstituiert auch: „Die rollenspezifischen Zuschreibungen entstehen

durch Pult, Tafel und die Tischanordnung. [...] In dem Moment, wo ich die Möbel

wegstelle, begeben wir uns alle in einen komplett neuen Raum“ (S. 44). Weiters

erklärt sie, dass dadurch die Rollen neu definiert werden müssen. Das

Wegschieben der Tische ist wie bei einem technischen Gerät, den Reset-Knopf zu

drücken. Nun kann eine neue Kultur mit neuen Rollenzuschreibungen etabliert

werden. Sie sagt: „[...] wenn ich in einen Raum reinkomm´, wie der normalerweise

ist, dann ist man ja nicht bei null, dann hat man ja schon so viel Schreckliches auf

dem Konto, gegen das man erst mal anarbeiten muss“ (Plath, 2015, S. 45).

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Lehrerinnen und Lehrer, die das lesen, werden sofort entgegenhalten, wie denn

das bei einer Unterrichtsdauer von fünfzig Minuten zu bewerkstelligen sei. Jedes

Mal die Tische wegzuschieben und dann anschließend den Raum wieder zu

richten, könne nicht ihr Ernst sein. Auf meine Frage hin, wie sie diesbezüglich mit

ihren Lehrerkolleginnen und Lehrerkollegen umgegangen sei, antwortet Plath,

dass man das natürlich mit den Schülerinnen und Schülern einüben muss, damit

das ganz schnell geht. Natürlich, so erzählt sie weiter, gibt es Kollegen, die das

strikt abgelehnt hätten, wieder andere seien offen und neugierig gewesen und

diese hätten auch begonnen, es ihr gleichzutun.

Ich glaube, am besten ist es, im Kollegium sich mit denen zu verkoppeln,

die auch was machen, damit man nicht allein ist und damit man das eben

auch vertreten kann und dass das nicht eben Hokuspokus von mir ist, weil

ich grad Bock hab, das zu tun, sondern, dass man das transparent macht.

[...] Und es ist natürlich schwierig und einige regen sich immer auf, [...] das

ist, glaub´ ich, überall so (Plath, 2015, S. 39).

Dies als pädagogisches Konzept zu vertreten und nicht als kleine Macke, ist Plath

sehr wichtig (vgl. Plath, 2015, S. 39).

Ein traditionell eingerichtetes Klassenzimmer führt dazu, dass Schülerinnen und

Schüler sich gegenüber der Lehrkraft immer im Tiefstatus befinden.

Einige Beispiele:

• Die Lehrkraft nimmt mehr Raum ein, als jeder Schüler. Dazu Johnstone:

Hochstatus-Spieler [...] lassen es zu, daß ihr Raum in andere hineinströmt

(Johnstone, 1998, S. 98).

• Die Lehrperson geht freier und selbstbewusster mit dem Raum um als die

Schülerinnen und Schüler – einerseits durch ihre Bewegungen,

andererseits benutzt sie Gegenstände im Raum, während die Jugendlichen

erst fragen müssen.

• Die Lehrkraft steht meistens, die Schülerinnen und Schüler sitzen und

schauen fast ständig zur Lehrkraft auf.

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• Weiters kann die Lehrkraft jederzeit in den privaten Raum eines

Jugendlichen eindringen, was leider auch permanent geschieht: Das ist

zum Beispiel dann der Fall, wenn die Lehrkraft sich schreibenden

Jugendlichen von hinten nähert, ohne dass diese es merken (vgl. Plath,

2010, S. 77).

Die Jugendlichen versuchen aus der traditionellen Raumordnung heraus, ihren

Raum doch noch abzusichern, indem sie sich anderweitig beschäftigen und auch

danach trachten die Lehrkraft in ihrem Status herabzusenken, um selbst höher zu

steigen, denn durch das Eindringen der Lehrkraft in deren Raum, tritt zutage, was

auch schon bei Johnstone zu lesen ist:

Johnstone schreibt: „Wer einen Tiefstatus-Spieler demütigen und herabsetzen will,

greift ihn an und läßt ihm keine Möglichkeit, seinen Raum abzusichern“

(Johnstone, 1998, S. 98).

Der Raum, der oft auch als dritter Pädagoge beschrieben wird, verhindert durch

die traditionelle Raumordnung den Aufbau einer positiven Beziehungsebene

zwischen Lehrkräften und den Jugendlichen. Die Schülerinnen und Schüler

kämpfen nun innerhalb der Gruppe um den besten Platz in der Hierarchie, der

durch den gesellschaftlich definierten und vom Raum unterstützten Lehrer-

Hochstatus vorgegeben ist: Sie müssen sich entscheiden: Rebelliere ich gegen

die Lehrkraft, ordne ich mich unter, halte ich zur Gruppe oder zur Lehrkraft? Dies

führt zu permanentem Stress unter den Jugendlichen, der sie auch davon abhält,

sich für die Inhalte zu interessieren. Dadurch wird Lernen im Allgemeinen

ineffektiv, in manchen Fällen sogar unmöglich gemacht.

Eine neue Raumgestaltung führt zu einem produktiven Aufbrechen von erstarrtem

Rollenverhalten. Die Qualität der Kommunikation verbessert sich entscheidend

(vgl. Plath, 2010, S. 78f.).

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2.3 Status lehren

„Die Jahre lehren viel, was die Tage niemals wissen.“

(Emerson, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Die Statuslehre umfasst alle Bereiche des beruflichen wie auch privaten Lebens,

da Status immer und überall ist (vgl. Johnstone, 1998, S. 52). Und, wie wir

gesehen haben, nicht nur auf Personen begrenzt ist, sondern auch gegenüber

Raum und Gegenständen eingenommen wird. Eine Verankerung der Statuslehre

in Studienplänen für angehende Lehrerinnen und Lehrer ist nach wie vor nicht

Realität. Um sowohl dem großen, inhaltlichen Rahmen als auch der körperlichen

Erfahrung, die es braucht, damit Status begriffen werden kann, gerecht zu werden,

plädiert Plath für eine intensive Auseinandersetzung während der Ausbildung zur

Lehrperson.

Definitiv müssten in der Lehrerausbildung große Anteile der Statuslehre

oder vergleichbarer – ich weiß noch nicht, was vergleichbar ist – ich würde

sagen, man müsste definitiv mindestens ein halbes Jahr regelmäßig mit der

Statuslehre arbeiten. Nicht nur ein Buch lesen, sondern tatsächlich richtig

arbeiten. Mit andern Leuten arbeiten, mit ´ner Gruppe, die geschützt ist

Situationen durchspielen, Elternabende durchspielen, Kommunikation mit

der Schulleitung (Plath, 2015, S. 22).

2.3.1 Statusseminare

„Wir lehren nicht bloß durch Worte,

wir lehren auch weit eindringlicher durch unser Beispiel.“

(Fichte, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Um ihr Wissen und ihre Erfahrungen anderen zugänglich zu machen, hat Plath

einerseits ihr Buch „Spielend unterrichten“ geschrieben, andererseits hält sie auch

Statusseminare, die sie speziell für Lehrerinnen und Lehrer konzipiert hat.

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Sie beginnt stets mit einer theoretischen Einführung, danach arbeitet sie mit den

Lehrkräften auf der körperlichen Ebene, sanft und niedrigschwellig, da es gerade

zu Beginn große Hemmungen zu überwinden gilt. Hierfür hat Plath ein Konzept

entwickelt, das den Lehrpersonen das Gefühl gibt, ähnlich wie bei ihrem

partizipativen Unterricht mit den Jugendlichen auch, dass man alles darf, aber

nichts muss. Das heißt, man kann sich jederzeit zurücknehmen und sagen: „Das

ist mir jetzt zu viel.“

In ihren Seminaren geht es vorrangig um das Erleben der eigenen Status-

Komfortzone. Dabei wird es den Teilnehmenden ermöglicht, sich in einem

geschützten Rahmen immer einen Schritt weiter hinaus zu bewegen. Die Übungen

sind schrittweise aufgebaut, erlauben immer sozusagen ein Stück mehr, bis im

letzten Teil der Seminare individuelle Statussettings entwickelt werden.

Stichwortartig schreibt man eine Situation auf, bei der man tatsächlich einmal eine

Niederlage erhalten oder sich gedemütigt gefühlt hat. Danach wird von der Gruppe

dafür eine Überschrift gefunden und es werden alle Karten mit den Überschriften

im Raum aufgelegt. Alle Lehrpersonen ordnen sich einem Thema zu, danach

erarbeiten die einzelnen Gruppen jeweils zu ihrem Kärtchen ein Statussetting, das

heißt, die Gruppe entwickelt zum vorhin Gehörten eine Szene, die danach von der

Gruppe gespielt wird. Im Anschluss daran wird die Hauptperson ausgetauscht und

eine andere Person spielt nun verschiedene Statusvarianten dieser Geschichte

durch. Diese unterschiedlichen Szenen werden schlussendlich vor der gesamten

Gruppe vorgespielt. Die Person, die diese Geschichte erlebt hat, darf sich das

zunächst ansehen und mitreflektieren, der letzte Schritt ist aber, dass man selbst

die Position der Hauptperson einnimmt. Das heißt, man geht in sein eigenes

Statussetting hinein. Diese Form, so Plath, sei ein Gewinn für alle Beteiligten, da

man viele Situationen mit unterschiedlich eingenommenen Status ansehen könne

(vgl. Plath, S. 29f.).

Plath ergänzt:

Und dann kann man das jetzt spielen und da gibt es verschiedene

Möglichkeiten wie bei Keith Johnstone, also wenn man dann sozusagen in

sein altes Muster verfällt, dann machen alle „wääääh“ und das ist halt alles

auch so ein bisschen lustig, wie auch in der Improvisation und das ist halt

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Wahnsinn. Danach macht man das nie wieder. Danach ist einem das so

was von klar (Plath, 2015, S. 30).

Besonders Anfang und Ende eines Statusseminares, das prinzipiell zwei Tage

lang dauert, sind spannend, denn am ersten Tag, so erzählt sie, würden sich die

Lehrkräfte nur hinter ihren Tischen verstecken wollen und darauf hoffen, nur ja

nichts im Raum machen zu müssen (vgl. Plath, 2015, S. 29).

Plath erzählt:

[...] als Lehrer denken wir uns ja auch immer nur bis hier, also bis zum Hals

und sind ganz überrascht, dass die Schüler uns aber die ganze Zeit

vollständig wahrnehmen. Gutes Beispiel dafür ist auch, wenn man als

Lehrer gefilmt wird, dann beobachtet man ja ganz oft, wenn die Lehrer sich

selber sehen, sich so wegdrehen [...] Dann denk ich immer: „Ja, aber die

andern sehen dich die ganze Zeit so.“ Also die Frage ist: Will man sich

damit auseinandersetzen und sich das auch bewusst machen und sich

auch bewusst vornehmen, anders im Raum zu agieren oder will man das

einfach wegblenden. Das ist also sozusagen die Bewusstmachung der

Körpersprache, [...] (Plath, 2015, S. 9).

Am Ende eines solchen Seminars, so Plath, seien alle fast albern und total

kindisch, da das Ganze auch großen Spaß mache und durch dieses Spielerische

merkten die Teilnehmenden auch, dass man seine Situationen mit Abstand und

Humor betrachten könne (vgl. Plath, 2015, S. 30).

2.3.2 Feedback +

„Aufrichtigkeit ist die erste Pflicht des Kritikers.“

(Reich-Ranicki, o.E., zit. n. Melzer, 2014)

Plath selbst hat noch keine Feedbackbögen zu ihren Seminaren ausgeteilt, wohl

aber ihr Verlag, der ihre Bücher vertreibt. Auf die Frage, welche Rückmeldungen

sie darüber erhalten habe, antwortet Plath:

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Ja, dass die halt sich selber ganz anders wahrnehmen, nicht nur im

Schulkontext, auch im Alltag und auch lustige Sachen, dass sie halt im

Lehrerzimmer sitzen und dass sie das jetzt alles sehen und das es halt

super interessant ist, dass man so eine gewisse Leichtigkeit im Alltag

gewinnt, weil wenn einen dann der Hausmeister anbrüllt: „Hier findet heute

gar nichts statt“, dann weiß man halt, das ist jetzt ein Kläffer, da müssen wir

mal eine kleine Statusübung machen, [...] das ist für Lehrer sehr

ermächtigend. Und diese Rückmeldung gibt es total, denn es gibt keinen

Einzigen, der jetzt gesagt hätte, er hätte damit nichts anfangen können,

sondern die Rückmeldung ist immer die, dass man danach mit anderen

Augen auf den Schulalltag schaut und dass man sich besser fühlt, weil man

das Gefühl hat, mehr zu verstehen und natürlich auch bewusster agieren zu

können (Plath, 2015, S. 31).

3 Die Statuslehre im Deutschunterricht ++3.1 Missbräuchliche Anwendung +

„Gebrauch schließt Missbrauch nicht aus.“

(Hopfensberger, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

+Die Statuslehre kann missbraucht werden und dessen muss man sich bewusst

sein, gerade im Einsatz mit Schülerinnen und Schülern.

Plath weiß darum und erklärt ihren Umgang damit:

[...], wofür setzt man das denn ein, weil jemand, der das extrem gut kann,

kann auch das extremst furchtbar einsetzen. Bei Schülern geht´s mir eben

um den Aspekt der Selbstermächtigung und deswegen kann man dann

auch in dem Bereich thematisieren: Wie gehen wir miteinander um in der

Klasse, denn das könnte auch ein Machtinstrument sein, das zu Mobbing

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führt, logischerweise, also Hierarchien in der Klasse und so und deswegen

ist auch ganz klar, dass das nicht losgelöst vermittelt werden darf, [...],

sondern sie muss eingebettet sein in eine totale Kultur der Wertschätzung

und da komme ich wieder zu diesem Vorbildcharakter: Nicht Regeln an die

Wand schreiben, sondern die ganze Zeit leben, wie sich das anfühlt, dass

man halt Rücksicht in der Gruppe auf andere nimmt, wie das eben ist, wenn

man zusammen etwas erarbeitet, [...] also, dass man im Grunde

genommen auch zu einem besseren und qualitativen Ergebnis kommt,

wenn man zusammenarbeitet, als wenn man gegen die anderen arbeitet

und das ist aber eben eine richtige Kultur, die man eben installieren muss,

um dann die Statuslehre [...] innerhalb dieses Raumes der Wertschätzung

zu erproben. Sonst kann es auch nach hinten losgehen (Plath, 2015, S.

27f.).

Obwohl die Gefahr des Missbrauchs besteht, kann gerade die bewusste

Auseinandersetzung mit dieser Thematik zu einer Kultur der Wertschätzung

führen, besonders, wenn auch Lehrkräfte als Vorbild vorangehen.

Auch im Lehrplan ist dies als Zielsetzung formuliert:

Der Deutschunterricht soll Urteils- und Kritikfähigkeit, Entscheidungs- und

Handlungskompetenzen weiterentwickeln. Er soll die Auseinandersetzung

mit Werten im Hinblick auf ein ethisch vertretbares Menschen- und Weltbild

fördern (BMBF, 2012, S. 25).

Nachdem dieser Punkt in der Klasse klar thematisiert worden ist, stellt sich nun die

Frage, wie die Statuslehre den Jugendlichen vermittelt werden kann und welche

Zielvorgaben des Lehrplans damit angestrebt werden können.

Plaths Einführung der Statuslehre beginnt zunächst mit einem kurzen,

theoretischen Input. Damit die Jugendlichen dieses Wissen emotional abspeichern

können, verknüpft sie die Theorie mit praktischen Übungen.

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3.2 Statusübung mit Spielfeld +

„Lernen ist Erfahrung. Alles andere ist einfach nur Information.“

(Einstein, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

+Die erste Übung, die von der ersten bis zur vierten Klasse eingesetzt werden

kann, stammt nicht von Maike Plath, sondern aus meiner eigenen

Schauspielausbildung. Hierzu werden die Tische an die Seite gestellt und der

Raum mit breitem Klebeband in ein „Statusspielfeld“ verwandelt.

Es gibt in der Regel zwei Personen, die das Spielfeld betreten. Jede Person

positioniert sich auf einem Kreuzungspunkt. Es wird weder eine Situation, noch

eine Geschichte vorgegeben. Es geht darum zu fühlen, wie nonverbale

Botschaften vermittelt und entziffert werden.

Person A beginnt und darf sich nun von ihrem Startpunkt auf einer von dort

ausgehenden Linie bis zum nächsten Kreuzungspunkt weiterbewegen und eine

neue Haltung einnehmen. (Zum Beispiel: Der anderen Person zugewandt, der

anderen Person abgewandt, sitzend, kniend, stehend, die Hände vor sich haltend,

et cetera).

Nun passieren zwei Dinge:

Person B, die noch keinen Zug gesetzt hat, reagiert auf Person A mit ihrem

Körper, danach setzt Person B ihren Zug. Dann reagiert Person A zuerst wieder

auf B, erst danach setzt Person A ihren zweiten Zug. Dabei ist es besonders

wichtig, dass alles ohne Worte geschieht. Im Anschluss daran teilen die beiden

Personen der Gruppe mit, wie es ihnen dabei ergangen ist und welche

Beobachtungen sie gemacht haben. Nun erzählt die Gruppe, was sie wahrnehmen

konnte.

Waren es einzelne emotionale Bilder, hat sich eine Geschichte entwickelt oder ist

nichts passiert?

Danach werden die zwei Personen ausgewechselt und zwei neue Spieler dürfen

das Spielfeld betreten.

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Abbildung 2: Statusspielfeld

Nach dem bewussten Setzen eines Spielzuges muss die andere Person zunächst

reagieren und darf erst dann einen neuen Zug machen. Einerseits wird den

Kindern dadurch Orientierung gegeben und andererseits wird hier etwas

Entscheidendes verhindert, das sehr oft beim Improvisieren ohne Spielfeld

geschieht, nämlich, dass einem der Kopf in die Quere kommt und man dadurch

handelt, ohne die vorhergehenden Gedanken wahrzunehmen, die eigentlich die

Handlung bedingen. Zum Beispiel: Ich kenne mich bei meiner Hausübung nicht

aus und deswegen gehe ich ins Zimmer zu meiner Schwester. Meine Schwester

hört mich und denkt: „Nicht schon wieder!“ Dabei ignoriert die Schwester nun das

Eintreten der anderen. Die einfach unterstrichenen Satzteile sind die Gedanken,

Empfindungen und Gefühle, die Ausgangspunkt für die körperliche Handlung sind.

Die wellenförmig unterstrichenen Teile sind die körperliche Handlung darauf. Beim

Improvisieren wird oft auf die vorhergehenden Wahrnehmungen vergessen.

Dadurch wirkt das Spiel nicht authentisch und es kommt zu keiner emotionalen

Änderung im Befinden. Das hat aber nichts damit zu tun, dass eine Wahrnehmung

nun groß dargestellt werden soll. Denn eine Wahrnehmung ist eine Wahrnehmung

und führt zu einer bestimmten Reaktion. Ist keine Wahrnehmung im Innern

vorhanden, kann es zu keiner authentischen Handlung kommen. Das Spielfeld

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splittet die einzelnen Schritte auf und hilft dadurch Empfindungen im Innern

wahrzunehmen, um sie anschließend körperlich umsetzen zu können.

Mithilfe des Statusspielfeldes ist es leichter, körperliche Haltungen emotional zu

empfinden. Haben die Kinder erste Erfahrungen damit gesammelt, wären weitere

mögliche Schritte:

• Die Lehrkraft gibt die Startpunkte, die körperliche Haltung oder beides vor.

• Die Lehrkraft gibt eine Situation vor und die Kinder suchen

dementsprechend ihre Startpositionen und ihre körperlichen Haltungen.

• Die Kinder erarbeiten selbst Ideen, die anschließend umgesetzt werden.

• Die Klasse teilt sich in zwei Gruppen, von jeder Gruppe betritt ein Kind das

Spielfeld. Die Gruppe gibt dem Spieler Anweisungen, welche Haltung und

welcher Punkt eingenommen werden soll.

• Was passiert, wenn eine dritte Person das Spielfeld betritt?

• Der Rest der Klasse notiert Beobachtungen.

Ab der 2. Klasse

• Den Kindern sind mittlerweile Begriffe wie Hoch- und Tiefstatus vertraut:

• Die Klasse verwendet diese Begriffe, um die Tendenz des nächsten

Spielzuges vorzugeben. Die Spieler müssen die Begriffe körperlich

umsetzen.

• Nun können einzelne Szenen oder kurze Geschichten vorgegeben

werden. Die zwei Spieler sollen versuchen die Geschichte nonverbal auf

dem Spielfeld darzustellen. Es kann auch erlaubt werden, dass bei

jedem Zug ein Wort gesagt werden darf.

Ab der 3. Klasse

• Mögliche Streitsituationen werden auf dem Spielfeld umgesetzt.

• Schreiben einfacher Dialoge mit Kennzeichnung der einzelnen

Statuswechsel. Dialoge werden mit grafischen Elementen (↑,↓) in einen

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Status-Fahrplan übersetzt. Der Fahrplan wird an die Tafel geschrieben.

Person A und B nehmen die Fahrt auf dem Spielfeld auf.

• Der Beginn einer Geschichte wird vorgegeben, es wird weitergespielt.

• Umsetzen eines Bildimpulses

• Filmanalyse: Eine Szene wird bezüglich von Hoch- und Tiefstatus

analysiert: nachspielen, eventuell auch bereits mit Worten

Anschließende Diskussion darüber: Welche Fragen ergeben sich?

• Thema: Zeitungsbericht; Darstellen eines Unfalls auf dem Spielfeld, ein

Arzt kommt, viele Schaulustige stehen und schauen zu. (Die

Schaulustigen stehen hierbei neben dem Spielfeld und blicken alle

gemeinsam zum Unfall hin. Wie fühlt sich der Verunglückte?)

• Eigene kreative Umsetzungen zwischenmenschlicher Beziehungen

Ab der 4. Klasse Arbeitet man seit der ersten Klasse zu diesem Thema, empfiehlt es sich, das

Spielfeld zu verlassen und in die freie Improvisation zu gehen. Ansonsten kann

auch in der vierten Klasse mit dem Spielfeld gearbeitet werden.

3.3 Statusübungen ohne Spielfeld +

„Die Quelle alles Guten liegt im Spiel.“

(Fröbel, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Ab der 2. Klasse

Übung: Wie Sprache verändert (vgl. Johnstone, 1998, S. 69):

• Die Lehrkraft beginnt jeden ihrer Sätze mit einem sehr zögerlichen „Äh“. Die

Schülerinnen und Schüler erfahren dazu am Anfang nichts. Nachdem sie

gesprochen hat, befragt sie die Klasse, ob diese eine Veränderung an ihr

wahrnehmen konnten.

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• Danach verlegt sie das „Äh“ in die Mitte der Sätze. Wie wirkt sie nun?

• Daraufhin dehnt sie das „Äh“ und stellt es an den Anfang zurück. Was

können die Schülerinnen und Schüler für Veränderungen erkennen?

Partnerarbeit (nachdem die Kinder wissen, was die Lehrkraft zuvor verändert hat):

• Experimentiert zu zweit: Eine Person erzählt ein Erlebnis. Zunächst beginnt

sie jeden Satz mit einem zögerlichen „Äh“ – Wie wirkt das? Austausch

untereinander.

• Danach erzählt die Person dieselbe Geschichte noch einmal und versucht

nun die „Ähs“ in die Mitte der Sätze zu verlegen. – Wie ist nun die Wirkung?

Austausch untereinander.

• Noch einmal erzählt die Person ihre Geschichte und dehnt nun die „Ähs“

und stellt sie an den Anfang zurück. Wie ist die Wirkung? Austausch

untereinander. Danach erzählt die andere Person eine Geschichte in allen

drei Variationen.

Erklärung: Johnstone erläutert, dass ein kurzes „Äh“ zu Beginn eine Art Einladung

für andere Menschen ist, einen zu unterbrechen, hingegen das gedehnte „Äh“

bedeutet, dass, auch wenn jemand noch nicht weiß, was er sagen will, darauf

hinweist, ihn nicht zu unterbrechen.

Variation 1 der Übung: Wie Sprache verändert +Die Lehrkraft verändert nun wieder ihr Verhalten. Sie spricht über ein Thema ihrer

Wahl. Das Einzige, worauf sie nun achtet, ist, ihren Kopf stillzuhalten.

Die Schülerinnen und Schüler werden eine Veränderung wahrnehmen können.

Aber woran liegt es? Können sie den Grund ausfindig machen? Es ist nicht

einfach, denn hält man beim Sprechen den Kopf still, ergeben sich wie von selbst

viele andere Dinge, die ebenso zum Hochstatus gehören. Man beginnt in ganzen

Sätzen zu sprechen, den Blickkontakt zu halten, die Bewegungen werden

gleichmäßiger und man nimmt mehr Raum ein.

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Variation 2 der Übung: Wie Sprache verändert +Die Lehrkraft spricht wieder über etwas. Nun konzentriert sie sich darauf, dass ihre

Füße nach innen gedreht sind. Dadurch wird sich wieder vieles mitverändern,

auch die Sprechweise wird allein dadurch beeinflusst.

Es sei sehr wahrscheinlich, so Johnstone, dass jeder Satz dann mit einem

zögerlichen und kurzen „Äh“ beginnen werde (vgl. Johnstone 1998, S 71f.).

Erklärung: Scheinbar unzusammenhängende Dinge beeinflussen sich

gegenseitig, obwohl nicht erkennbar ist, warum die Fußstellung einen Einfluss auf

den Satzbau und den Blickkontakt haben könnte; doch genau so verhält es sich

(vgl. Johnstone, 1998, S. 72).

Ab 3. Klasse

Übung: Blickkontakte +Die Schülerinnen und Schüler bewegen sich im Raum. Dabei sollen sie sich mit

„Hallo“ begrüßen. Die Situation wird wahrscheinlich unecht wirken und

möglicherweise fühlen sich einige Schülerinnen und Schüler nicht wohl.

Die Lehrkraft teilt die Gruppe in 2 kleinere Gruppen auf:

• Eine Gruppe, die alle Blickkontakte hält.

• Eine Gruppe, die Blickkontakte herstellt, unterbricht und kurz darauf noch

einmal zurückschielt.

Danach erfolgt ein Austausch darüber, wie es den Beteiligten dabei ergangen ist.

Experimentelles Ausprobieren (vgl. Johnstone, 1998, S. 71):

Die Schülerinnen und Schüler werden aufgefordert, Gespräche miteinander zu

führen und hierbei unterschiedlichste Methoden, die ihren Status heben oder

senken, auszuprobieren. Es arbeiten immer zwei Jugendliche zusammen.

• Eine Person bewegt sich geschmeidig (Hochstatus), die andere Person

bewegt sich ruckartig (Tiefstatus). Danach werden die Rollen getauscht.

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• Eine Person hält sich die Hände vor das Gesicht, während sie spricht

(Tiefstatus), die andere Person bemüht sich, die Hände vom Gesicht

fernzuhalten (Hochstatus). Danach werden die Rollen getauscht.

• Eine Person dreht die Füße nach innen (Tiefstatus), während die andere

Person sich zurücklehnt und auf dem Sessel breitmacht (Hochstatus).

Danach werden die Rollen getauscht.

• Gespräch im Anschluss: Beobachtung, Reflexion

Status gegenüber Gegenständen (vgl. Johnstone, 1998, S. 83):

Eine Schülerin oder ein Schüler soll gegenüber einem im Raum befindlichen Stuhl

Tiefstatus spielen.

Das Ziel ist eine weitere Sensibilisierung der Jugendlichen für Status.

Status gegenüber Schularbeiten

Die Augen schließen und bewusst ein- und ausatmen. Dabei an eine

bevorstehende Schularbeit denken. Wie fühle ich mich dabei? Fühle ich

Sicherheit? Freue ich mich darauf, mein Wissen zu zeigen? Dann befinde ich mich

innerlich in einem Hochstatus gegenüber der Schularbeit.

Macht mir diese Vorstellung jedoch Angst und Sorge? Dann versetzt mich dies

sofort in einen inneren Tiefstatus.

Stell dir nun vor, du bekommst die Schularbeit zurück und darauf steht die Note

Sehr gut. Nun steigt dein innerer Status.

Ergebnis: Allein mit Gedanken lässt sich ein bestimmter innerer Status verändern.

Status gegenüber Raum (vgl. Johnstone, 1998, S. 98):

+Zwei Schülerinnen oder Schüler stehen im Abstand von dreißig Zentimeter

einander gegenüber. (Unbedingt zwei auswählen, die sich gut verstehen!)

• Zunächst müssen sie dort stehenbleiben, ihre Position dürfen sie nicht

verändern. Wie fühlt sich das an?

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• Nach einiger Zeit dürfen sie ihre Position verändern. Treten sie näher

zusammen, wird ihr Raum miteinander verschmelzen, weichen sie zurück,

möchte jeder dem Einfluss des anderen weniger ausgesetzt sein.

Status gegenüber Raum: Café (vgl. Johnstone, 1998, S. 105):

Die Schülerinnen und Schüler werden aufgefordert, Menschen in einem Café zu

beobachten und dabei die Veränderung in deren Haltung wahrzunehmen, wenn

zum Beispiel eine Person weggeht oder jemand neu dazukommt.

Ab der 4. Klasse:

• Witze und Texte nach Status hin analysieren

• Filmszenen analysieren und nachspielen, Status verändern und so den

Ausgang einer Szene abwandeln

• Komplexe Dialoggestaltung mit zusätzlicher emotionaler Statuslandkarte

• Berufsorientierung: Rollenspiele: Chef und Lehrlingsanwärter/in

o In unterschiedlichsten Variationen: Chef: Hochstatus, Lehrling:

Tiefstatus, umgekehrt, beide im Hochstatus, beide im Tiefstatus

Die Möglichkeiten, wie Status im Unterricht eingesetzt werden kann, sind

mannigfaltig und können vielfältig variiert werden. Grundsätzlich eignet sich zu

Beginn ein nonverbaler Weg, wie beschrieben mittels des beschriebenen

Statusspielfeldes, danach oder auch abwechselnd erprobt man, wie sich die

Körper aneinander im Raum ausrichten. Nun wird der Raum verkleinert und man

geht über zu Improvisationen mit Fantasiesprache, freier Rede und später auch zu

textgebundenen Formen. Dadurch werden die Schülerinnen und Schüler in

zunehmendem Maße für Status sensibilisiert und können dieses Wissen in das

Schreiben von Dialogen, analysieren von Medien wie Bild, Text und Film

einfließen lassen. Die Übungen werden über lange Zeiträume hinweg

durchgeführt, wobei Plath anführt, dass sie dazwischen auch immer wieder

zusätzliches theoretisches Wissen vermittelt. Danach werden diese neu

erworbenen Informationen in Übungen umgesetzt, um so das Wissen mit einer

Erfahrung abzuspeichern.

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Plath sagt hierzu:

[...], wenn sie zum ersten Mal Hochstatus durchgesetzt haben, dann rennen

die erst mal so durch den Raum. Und dann sag ich, jetzt hast du grad das

Gefühl von Macht. So fühlt sich das nämlich an [...] das führt natürlich zu

einem viel diffizileren Reflexionsverhalten, was die eigene Person angeht

und die eigenen Handlungsmöglichkeiten und das ist natürlich dann super

interessant (Plath, 2015, S. 25).

Zum Abschluss in der vierten Klasse steht das Üben von realen

Bewerbungsgesprächen im Vordergrund.

Plath dazu:

Das kann man [...] wochenlang machen von morgens bis abends, also weil

die wertvolle Erfahrung dabei ist ja, es ist ein riesiger Unterschied, ob ich

das theoretisch verstehe oder ob ich jemandem gegenübersitze der mich

wirklich in so eine Situation verfrachtet, weil man fühlt sich ja wirklich

tatsächlich gedemütigt, wenn jemand im Hochstatus so mit einem spricht.

Und dem nachzugehen und das zu thematisieren, das ist jetzt ganz normal,

was du da gerade empfindest, das ist jetzt Folgendes: Jetzt passiert gerade

dies. Und alleine der Gedanke, dass das zu analysieren ist und dass man

das auf einer Reflexionsebene ganz klar erklären kann und ändern kann,

das ist eben das, was sich nur im tatsächlichen Üben herstellen lässt. [...]

Traut man sich das wirklich? Und deswegen glaube ich, man muss das

machen, und erst mal im geschützten Raum, dass man das dann wirklich

einsetzen kann [...] (Plath, 2015, S. 27).

Das heißt, man muss das Verlassen der eigenen Statuskomfortzone verinnerlicht

haben, um in Stresssituationen, wie dies eben Bewerbungsgespräche für

Jugendliche darstellen, das Wissen abrufen und umsetzen zu können.

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3.4 Lehrplanbezug

„Nicht der Plan ist der Stolz des Betriebes, sondern seine Erfüllung.“

(unbekannt, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Der Lehrplan für NMS im Unterrichtsfach Deutsch unterstreicht den Einsatz der

Statuslehre. Folgende Lehrinhalte werden durch die Vermittlung und Übung damit

umgesetzt:

• Der Deutschunterricht hat die Aufgabe, die Kommunikations- und

Handlungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler durch Lernen mit und

über Sprache zu fördern. [...]

• Die Schülerinnen und Schüler sollen Einblicke in Struktur und Funktion von

Sprache gewinnen. [...]

• Beiträge zu den Bildungsbereichen:

o Sprache und Kommunikation:

Der Deutschunterricht soll beitragen, die Schülerinnen und Schüler zu

befähigen, ihre kognitiven, emotionalen und kreativen Möglichkeiten zu

nutzen und zu erweitern. Der kritische Umgang mit und die konstruktive

Nutzung von Medien ist eine wichtige Aufgabe. [...]

o Kreativität und Gestaltung:

Die Schülerinnen und Schüler sollen Gestaltungserfahrungen mit Sprache

machen und sinnliche Zugänge mit kognitiven Erkenntniswegen verbinden.

Sprechen: In geeigneten Gesprächs- (Partner-, Kleingruppen-,

Klassengespräch) und Redeformen (spontanes, vorbereitetes und

textgebundenes Sprechen) sollen die Schülerinnen und Schüler die

Wirkungsweise verschiedener verbaler und nonverbaler Ausdrucksmittel

erleben. [...]

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Einfache Methoden der Beobachtung und Aufzeichnung sollen helfen das

Gesprächsverhalten zu beschreiben und damit bewusst zu machen.

Das Verfassen von Texten ist als mehrschichtiger Prozess zu sehen, der

vom Schreibvorhaben bis zum fertigen Text reicht. Je nach der

Schreibentwicklung und den Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler sind

geeignete Methoden und technische Hilfsmittel (zB [sic!] Computer) gezielt

einzusetzen, um diesen Schreibprozess zu unterstützen. (Plath tippt wie

Johnstone die Texte der Jugendlichen ab, damit diese mit fehlerfreien

Texten arbeiten. Anm.) (vgl. Plath, 2015, S. 23) Durch die regelmäßige

Beschäftigung mit eigenen und fremden schriftlichen Arbeiten sollen die

Schülerinnen und Schüler lernen, Texte einzuschätzen, zu beurteilen und

zu optimieren. [...]

o Hörverstehen:

Hören soll dabei kein passiver Vorgang sein, sondern eingebunden werden

in kommunikative Situationen, die es den Schülerinnen und Schülern

ermöglichen, verbal oder nonverbal zu reagieren. [...]

o 1. bis 4. Klasse

Sprache als Gestaltungsmittel: Ausdrucksformen in verschiedenen Medien

kennen lernen: Verstehen, wie in Medien Themen und Inhalte gezielt

aufbereitet und gestaltet werden (auch durch eigenes Erproben).

Kreative sprachliche Gestaltungsmittel kennen lernen: Schriftlich und

mündlich erzählen; erzählerische Mittel einsetzen, um Texte bewusst zu

gestalten. [...]

o 1. und 2. Klasse:

Ausdrucksformen in verschiedenen Medien kennen lernen: Einfache

Möglichkeiten kennen lernen, wie in Medien Themen und Inhalte gezielt

aufbereitet und gestaltet werden (auch durch eigenes Erproben). Deren

Wirkung auf sich und andere wahrnehmen und beschreiben. [...]

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o 3. und 4. Klasse

Beziehungen aufnehmen, ausbauen und gemeinsames Handeln

ermöglichen: Den Gesprächsverlauf bewusst wahrnehmen und zunehmend

eigenständig auf Partner/innen und Situationen eingehen. In verschiedenen

Gesprächsformen den Gesprächsverlauf beobachten und beschreiben um

ihn beeinflussen zu können. In vielfältigen Situationen und unter

verschiedenen Bedingungen ausdrucksvoll und verständlich sprechen. [...]

o 4. Klasse:

Interessen wahrnehmen: Verschiedene, auch versteckte Absichten

erkennen und zuordnen; entsprechend reagieren. Anliegen sprachlich

differenziert vorbringen; auch mit Anforderungen im öffentlichen und

institutionellen Bereich vertraut werden.

Informationen für bestimmte Zwecke bearbeiten sowie schriftlich und

mündlich vermitteln: Das Wesentliche aus Gehörtem, Gesehenem und

Gelesenem wirkungsvoll und anschaulich mündlich und schriftlich

präsentieren und erklären [...] (BMBF, 2012, S. 24-33).

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4 Ausblick ++4.1 Teamteaching

„Ein Team ist so gut wie sein schwächster Individualist,

vielleicht aber auch wie der fähigste.“

(Walden, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Im Zuge der Umstellung von der Hauptschule zur Neuen Mittelschule hat sich

auch die Arbeit der Lehrkraft verändert. Ist eine Lehrperson in den

Hauptgegenständen zuvor alleine in der Klasse mit der jeweiligen

Leistungsgruppe gewesen, so stellt das Unterrichten in der NMS viele Lehrerinnen

und Lehrer vor ganz neue Herausforderungen. Auf der einen Seite gibt es keine

Leistungsgruppen mehr und es muss in der Klasse stark differenziert werden und

auf der anderen Seite darf beziehungsweise muss der Unterricht nun mit einer

zweiten Lehrperson gestaltet und durchgeführt werden. Das kann bereichernd,

aber auch als erschwerend empfunden werden.

Kann Johnstones Statuslehre auch hier dienlich sein?

Es gibt zwei Punkte, die es zu betrachten gilt: Mittels der Statuslehre ist es

einerseits wahrscheinlich einfacher mit einer zweiten Lehrkraft umzugehen, da

man ein besseres Verständnis für Menschen entwickelt, Gespräche besser

gestalten und eine gelingende Beziehungsebene aufbauen kann. Andererseits

aber kann es in der Klasse in der Anwendung der Statuslehre zu Konflikten

kommen. Im Interview frage ich Maike Plath, ob sie sich das Ansingen und

Hinknien vor den Schüler auch getraut hätte, wäre eine zweite Lehrperson in der

Klasse gewesen.

Ihre Antwort dazu:

Das ist auch oft so gewesen. In vielen Deutschstunden sind wir ja auch

doppelt gesteckt gewesen, aber natürlich muss man im Team das vorher

kommunizieren. Also ich kann nicht selber irgendwas machen, das sorgt

dann für Irritation, außerdem geht es ja auch oft darum, dass das dann

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irgend so eine Eifersucht ist, wer bei den Schülern beliebter ist und so. Also

muss man [...] sehr transparent vorher darüber sprechen und dann hat man

erst mal ein Gespräch mit jemandem, der einen roten Kopf hat und sagt:

„Das stimmt gar nicht!“ Da muss man halt durch und sagen: „Doch, doch.

Das ist schon irgendwie so, dass wir darüber reden sollten.“ Dann hab ich

das natürlich offen gelegt, was ich da mache. Was nicht jetzt unbedingt

heißt, dass das bei allen Kollegen funktioniert. Ich hatte eine Kollegin bei

der das sehr gut funktioniert hat und eine andere dann später auch, aber es

ist irgendwie so, dass das natürlich nicht mit allen funktioniert und natürlich

gibt’s total Ärger, wenn man mit jemandem anderen zusammen unterrichtet,

der ein ganz anderes Konzept fährt, der die halt gerne auch mal

zusammenscheißt, dann funktioniert das überhaupt nicht. „So what?“ Das

wäre dann in einem anderen Kontext genau dasselbe, da wären nur die

Konflikte nicht ausgesprochen, aber sie hätten genauso eine destruktive

Wirkung. Das geht dann einfach nicht (Plath, 2015, S. 18).

Plath ergänzt zum Thema Statuslehre und Teamteaching:

[...] im schlechtesten Fall würde es mir natürlich helfen, mich

durchzusetzen, aber der beste Fall wäre ja [...] dass beide dasselbe Wissen

haben und uns im Grunde fast coachen, [...] dass wir uns im Grunde auch

gegenseitig helfen, besser zu werden, also im Team würde das eine riesige

Qualität aufmachen (Plath, 2015, S. 39).

Weiters sagt sie, dass es einen großen Unterschied mache, ob es im Rahmen der

Statuslehre um die Lernenden oder die Lehrenden gehe.

Hierzu meint sie:

[...], weil bei Schülern ist auch das Rollenfeld auch noch ein anderes, weil

ich auch noch die Verantwortung hab und ich kann halt, also wenn ich das

so sehe, dass ich sie an die Hand nehme die Kinder und Jugendlichen und

dann versuche, ihnen die Situation zu geben, die sie zum Lernen brauchen,

ist das was ganz Anderes, als wenn ich einem Kollegen eben halt erklären

will, wie er vielleicht auch besser klar kommt. Das ist auch gefährlich. Das

geht nur bei jemandem, der offen ist (Plath, 2015, S. 19).

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Lehrerkonferenzen seien für sie eine besonders große Herausforderung gewesen.

Bei dauerhaften Konflikten, Plath bezieht sich hier wieder auf Johnstone, gewinnt

immer der Charismatiker, weil er die Rampensau „niederkuschelt“. Der

Charismatiker kann nämlich auch eine Niederlage aushalten, da es ihm nicht um

das eigene Ego geht. Allerdings kann dies sehr lange dauern und es stellt sich die

Frage, ob man das will (vgl. Plath, 2015, S. 20).

Für Lehrerseminare, so Plath, werde sie sehr oft von der Schweiz angefordert, wo

im Rahmen der individuellen Statussettings Konflikte der Lehrkräfte untereinander

behandelt werden würden. Im Gegensatz dazu, erzählt sie, werde sie in Berlin

kaum wegen Statusseminaren, vielmehr wegen ihres zweiten Programms, dem

„partizipativen Theaterunterricht“ zu Seminaren angefragt (vgl. Plath, 2015, S. 21).

Maike Plath erklärt:

Die Kontexte in der Schule sind sehr hierarchisch, also auf

gesellschaftlichen Status bezogen und grundsätzlich auch das Ganze, was

ich überhaupt gemacht habe, also eigenmächtig auch Unterricht

umzustellen und Dinge zu entwickeln. Ich wurde ja mehrfach sozusagen

herzitiert [...]: „Wenn Sie Karriere machen wollen, dann bewerben Sie sich

doch auf eine Funktionsstelle.“ Also, dass man [...] inhaltlich an der Sache

arbeiten möchte und sich professionalisieren möchte, das ist halt auf ganz

starke Widerstände gestoßen, wobei man aber auch sagen muss, dass ich

natürlich das Herz auch hatte für die bildungsbenachteiligten Jugendlichen

und ich glaube, das ist ja das nächste Drama, dass die Schulbedingungen

und die Kommunikation schlechter werden, je schlechter auch die

Voraussetzungen der Schüler sind. Also, wenn ich jetzt zum Beispiel an ein

Elitegymnasium gegangen wäre, hätte ich es besser gehabt, weil da auch

der Grad der Reflexion viel höher ist, auch im Kollegium und auch die

Schulleitung ist dann auch ausgebildeter. Aber dann, dann hab ich eben

überlegt, wenn ich halt dableibe, wo die Jugendlichen sind, die es am

nötigsten haben, dann bin ich halt mit einem System und einer Struktur

konfrontiert, die mich total klein macht. Und je stärker ich werde, umso

schlimmer wird’s, weil ich dann, das wird dann nämlich erwartet, dass man

dann Schulleitung ist oder eine Leitungsposition hat. [...] aber ich hatte

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irgendwie gedacht: „Ich kann die Zeit nicht mehr zurückdrehen. Die ganzen

Erlebnisse, die ich habe, das geht nicht. Ich möchte irgendwie an der Stelle

weiter wirksam sein und was bewegen und wie kann ich denn weiter was

bewegen?“ Jedenfalls nicht in diesem Kollegium und auch nicht an

vergleichbaren Kollegien, sondern ich muss auf ´ne andere Ebene und auf

´ner anderen Ebene versuchen ´ne Wirkung zu entfalten. Denn je mehr

Menschen sozusagen denken: „Ich hab Bock was zu lernen. Das ist ja

irgendwie eine sinnvolle Sache“, desto mehr verändert sich halt. Aber das

ist halt eben so flächendeckend und das passiert ja auch total. Deshalb

denke ich, das war genau der richtige Schritt. Ich hätte mich dort tot

gemacht (Plath, 2015, S. 21f.).

Maike Plath ist seit 2013 freiberufliche Theaterpädagogin und Autorin. Sie hält Workshops, Seminare und Vorträge zum Biografischen und Partizipativen Theaterunterricht und zur Statuslehre (nach Keith Johnstone). Seit 2014: Konzeption und Durchführung des BMBF Weiterbildungsprogramms „LernKünste“ in Kooperation mit der Alice Salomon Hochschule Berlin für Künstler_innen und Kulturschaffende. Seit 2013: Im Vorstand von „Mitspielgelegenheit e.V.“. Seit 2011: Künstlerische Leitung der Jugendtheaterprojekte am Heimathafen Neukölln. 2008-2012: Vorstandsmitglied im Bundesverband Theater in Schulen (BVTS). Seit 2008 in der Jury für das Theatertreffen der Jugend (ttj, Berliner Festspiele). Seit 2004 Entwicklung und Realisierung zahlreicher Theaterproduktionen in Schulen und außerschulischen Kontexten. 1998-2013: Lehrerin für Deutsch und Darstellendes Spiel. Publikationen: »Biografisches Theater in der Schule«, Beltz 2009. »Spielend unterrichten und Kommunikation gestalten”«, Beltz 2010. »Freeze & Blick ins Publikum – Das Methodenrepertoire für den Theaterunterricht«, Beltz 2011, „Freak out mit Engel-Stopp – Das Erweiterungsset zum Methodenrepertoire für Theaterunterricht“. Beltz 2014, „Schreibwerkstatt – Vom biografischen Text zum Theaterstück“, Beltz 2014. „Partizipativer Theaterunterricht mit Jugendlichen“, Beltz 2014 (Plath, 2015, S. 46).

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4.2 Resümee +

„Unser Leben ist ein Spiel mit ganz bestimmten Regeln.

Alle spielen das Spiel mit, aber wer die Regeln kennt, hat klare Vorteile.“+(Herdt, o.E., zit. n. Schefter, 2015)

Die intensive Beschäftigung mit der Statuslehre im Allgemeinen, übertragen auf

den Schulalltag im Besonderen, ließ mich erkennen, wie tief das Wissen darum in

uns allen verankert ist. Daher verstehen wir die Gesetzmäßigkeiten und

Zusammenhänge sehr schnell. Dies mag als erster Schritt hilfreich sein,

Beziehungssituationen unterschiedlichster Art mit einer gewissen Leichtigkeit zu

betrachten, dennoch, um langfristige Auswirkungen zu erzielen, ist es von

entscheidender Bedeutung fokussiert bleiben zu können, um nicht mit dem Strudel

der Unbewusstheit mitgerissen zu werden. Die alten Verhaltensmuster lauern

hinter jeder Ecke, sich daher mit anderen im Kollegium zu verbinden, sich

auszutauschen, gemeinsam Verhaltensmuster reflektierend zu betrachten, mit

dem Ziel, Schule neu zu gestalten, nicht nur um die eigene psychische

Gesundheit zu erhalten, sondern die Schule als fruchtbaren Ort des Wachsens

neu zu schaffen, muss angestrebt werden. Blockierer wird es immer geben und

auch das Jammern mag Kennzeichen einiger Lehrkräfte sein. Orientieren wir uns

nicht daran, sondern entscheiden wir uns, ein Leuchtturm auf menschlicher Ebene

zu sein: Verbindungsglied zwischen Festland und Meer. Wenn wir es wagen,

unsere Komfortzone zu verlassen, erste Schritte, wie Segel zu setzen, steuern wir

unserem Ziel entgegen.

S: Ist es daher richtig zu sagen, dass Johnstones Statuslehre Lehrerinnen

und Lehrer befähigen kann, gelingende Beziehungen zu den Schülerinnen

und Schülern aufzubauen?

M: Definitiv, denn es geht ja um das Errichten einer Kommunikation der

Begegnung (Plath, 2015, S. 26).

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6 Abbildungsverzeichnis +Abbildung 1: Die vier möglichen Statusfelder (Posner, 2013, S. 42) ..................... 29

Abbildung 2: Statusspielfeld .................................................................................. 69

7 Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Kennzeichen von äußerem höheren und tieferen Status

(Posner, 2013, S. 22ff.) ......................................................................... 21

Tabelle 2: Kennzeichen von innerem höheren und tieferen Status

(Posner, 2013, S. 29) ............................................................................ 28

8 Anhang

Plath, M. (2015). Persönliche Kommunikation. Interview: 2. April 2015. Berlin.

(Nur in der digitalen Version enthalten).