„unsere zukunft liegt in den alten stärken“ · als gut aufgestellt. was kann die bank besser...
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„Unsere Zukunft liegt in den alten Stärken“Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen im digitalen Zeitalter? Und wie reagiert die Deutsche Bank mit ihrer neuen „Strategie 2020“ darauf? Ein Gespräch mit dem neuen Vorstandsmitglied Christian Sewing
Herr Sewing, es passiert gerade eine Menge bei
der Deutschen Bank – Sie selbst sind ein Teil
davon. Kürzlich haben Sie die „Strategie 2020“
mit vorgestellt. Worum geht es?
Die neue Strategie liefert die Grundlage für eine
starke Deutsche Bank in Deutschland. Wir möchten
die führende Bank für anspruchsvolle Privat- und
Firmen kunden werden. Dafür haben wir viele, durch-
greifende Weichenstellungen beschlossen.
Welche sind das?
Um unseren Anspruch zu erreichen, nehmen wir vier
Ziele in den Blick. Erstens: Wir brauchen eine einfache
und effi zientere Struktur mit sorgfältig ausgesuch-
ten Produkten und Standorten, wettbewerbsfähigen
Kosten und einer guten Infrastruktur. Zweitens: Wir
wollen weniger Risiken, beispielsweise bei Geschäf-
ten in Hochrisikoländern. Drittens: Wir wollen unsere
Kapitalstärke verbessern. Und viertens: Wir wollen,
dass die Deutsche Bank besser und disziplinierter
geführt wird. Dazu bilden wir neue Teams, stärken
die persönliche Verantwortung und passen das
Vergütungssystem an, um Leistung und Verhalten
besser zu berücksichtigen. Wir wissen genau, wohin
wir wollen. Aber wir müssen das jetzt auch umsetzen,
und damit ist es uns sehr ernst.
Sie sind als Vorstandsmitglied für das Privat- und
Firmenkundengeschäft der Deutschen Bank zu-
ständig. Welche Rolle wird das zukünftig spielen?
Die gute Betreuung von Privat- wie von Firmenkun-
den ist ein wichtiges Kerngeschäftsfeld der Bank. Wir
unterstützen unsere Kunden beim komfortablen täg-
lichen Banking genauso wie bei der Geldanlage mit
unserer Anlage- und Kapitalmarktkompetenz. Und
als globale Hausbank für den Mittelstand bieten wir
Firmenkunden persönliche Betreuung und unser
Christian SewingDer 45-Jährige wurde Anfang 2015
in den Vorstand der Deutschen Bank
berufen. Dort verantwortet er den
Bereich Privat- und Firmenkunden
sowie das Wealth Management.
Vorher bekleidete er eine Reihe von
hochrangigen Führungspositionen
in den Bereichen Risikomanagement,
Risikostrategie, Recht, Revision
und Audit in Frankfurt am Main, Singa-
pur, Tokio und London. Sewing
begann seine Karriere 1989 mit einer
Ausbildung zum Bankkaufmann
bei der Deutschen Bank in Bielefeld.
tiefes Wissen von Branchen und Märkten. Dazu ge-
hört auch, dass wir unsere Tradition leben: Unsere
Kraft liegt in der tiefen Verwurzelung der Deutschen
Bank in Deutschland und in Europa und in unserem
weltweiten Netzwerk.
Trotzdem macht die Bank heute einen Großteil des
Geschäfts in New York, Tokio oder Singapur.
Ja, wir sind eine globale Bank. Aber Deutschland ist
unser Heimat- und zugleich auch unser wichtigster
Markt. Diese Wurzeln wollen wir nicht nur pfl egen,
sondern wachsen lassen.
Aber was bedeutet das konkret für mittelständische
Firmenkunden – in einer Zeit, in der Banken mit der
Kreditvergabe kaum noch Geld verdienen können?
Es geht doch um viel mehr als nur Kredite. Es gibt eine
Fülle von Themen: Das Liquiditäts- und Risikomanage-
ment spielt eine immer größere Rolle. Die Handels-
fi nanzierung bekommt eine höhere Bedeutung. Wir
begleiten den Mittelstand in neue Märkte, vermitteln
öffentliche Fördermittel, helfen bei der Altersversor-
gung der Mitarbeiter oder bei der Übernahme ande-
rer Unternehmen. Und nicht zuletzt sind wir auch
Ansprechpartner für die sichere Anlage des privaten
Vermögens der Unternehmer. Gerade das ist ein Be-
reich, der oft vernachlässigt wird. Was unser Wissen
und unsere Kenntnisse angeht, muss ich mir keinerlei
Gedanken um unsere Wettbewerbsfähigkeit machen.
Wichtiger ist für mich die Frage: Wie kann ich dieses
Wissen für die Kunden besser nutzbar machen?
Und wie lautet Ihre Antwort?
Zum Beispiel durch schnellere Entscheidungswege
und kundenorientierte, klare Verantwortlichkeiten
innerhalb der Bank. Das ist mir auch ein persönliches
Anliegen. Ich habe vor 26 Jahren meine Banklehre
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In Deutschland verwurzelt, in der Welt zu Hause: Christian Sewing plädiert für eine Neuausrichtung, die den Traditionen treu bleibt
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bei der Deutschen Bank in Bielefeld gemacht. Das
war damals eine Hauptfi liale mit direkter Anbindung
an die Zentrale – also genau so, wie unsere Regionen
heute wieder zugeschnitten sind. Ich habe in Biele-
feld gelernt, wie stark man sein kann, wenn man seine
Kräfte richtig bündelt und vor Ort als gemeinsames
Team auftreten kann. Diesem Ziel verschreiben wir
uns auch heute. Ich höre das auch immer wieder bei
meinen Gesprächen mit Mittelständlern und Familien-
unternehmern: Sie wünschen sich eine starke Bank
vor Ort und einen konkreten Ansprechpartner, mit
dem sie vertrauensvoll zusammenarbeiten können.
In welchem Maße können Sie dabei aus
Vorhandenem aufbauen?
Die Basis dafür haben wir bereits in den vergangenen
Jahren gelegt. Der Aufbau der Privat- und Firmenkun-
denbank ist ein Beispiel dafür. Dank der grundlegenden
Arbeit vieler Kollegen können wir uns heute aus einer
guten Position heraus weiterentwickeln. Nicht umsonst
haben unsere Kunden uns zum vierten Mal in Folge
beim „Euromoney“-Survey zur Nummer 1 im Cash Ma-
nagement in Deutschland und in Westeuropa gewählt.
Nicht nur die Deutsche Bank, auch ihre Kunden im
Mittelstand müssen sich starken Veränderungen in
ihrem Umfeld anpassen. Hat das berühmte Modell
der „Hidden Champions“ angesichts immer globaler
ausgerichteter Volkswirtschaften noch eine Zukunft?
Jetzt sprechen Sie zwar über sehr unterschiedliche
Unternehmen, aber Sie haben recht: Eine Gemein-
samkeit zwischen uns und unseren Kunden ist, dass
wir unsere Stärken besser ausspielen müssen, wenn
wir langfristig erfolgreich sein wollen. Dem Mittel-
stand geht es gut, aber er wird sich anpassen müssen.
Dazu trägt vor allem eine neue Unübersichtlichkeit
bei: Die Wettbewerber von morgen kommen aus
Bereichen, die keiner vermutet.
Nennen Sie ein Beispiel.
Apple greift die Uhrenindustrie an, Google die Autoher-
steller, Amazon wird vielleicht irgendwann eine eige-
ne Logistik aufbauen. Auch der klassische Mittelstand
erfährt zunehmend Druck durch Hightech-Unterneh-
men, Stichwort Industrie 4.0. Die Grenzen zwischen
Hardware und Software verschwimmen und damit
auch die traditionellen Grenzen zwischen Branchen.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Die gibt es auf ganz unterschiedlichen Gebieten. In
der Wissenschaft: Deutschland muss mehr und bes-
ser ausbilden, damit es auch in Zukunft ausreichend
Fachkräfte gibt. Die demografi sche Entwicklung:
Mittelständler brauchen neue Ideen, um im „War
for Talent“ nicht gegen die Großen zu verlieren.
Und drittens das Thema Innovation: Ich glaube, wir
müssen unsere Stärken als Erfi nder neu entdecken.
Die Zyklen werden immer kürzer, die Investitionen
steigen. Wir selbst merken das als Bank sehr stark
im IT-Bereich.
Die Digitalisierung spielt ja auch in der neuen
Strategie der Deutschen Bank eine wichtige Rolle.
Wie wichtig sind Effi zienzverbesserungen für Sie?
Bei der Digitalisierung geht es meiner Ansicht nach
nicht nur um Effi zienzverbesserungen, sondern um
viel mehr: Es geht um die Frage, wie anders unser
Geschäft schon in ein paar Jahren aussehen wird.
Ich behaupte: Es gibt in Deutschland kein einziges
Unternehmen, das ohne eine Digitalisierungstrate-
gie auskommt. Das betrifft sogar den Bäcker, der
vielleicht schon bald Brötchen mit Kundennamen
verkauft. Heute von Vernetzung in der Produktion zu
sprechen kann nur der Anfang sein. Aus Industrie 4.0
muss Mittelstand 4.0 werden.
„Wir müssen unsere Stärken als Erfi nder neu entdecken“
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Welche weiteren Folgen hat das?
Diese Veränderungen sind für ein Unternehmen al-
lein nicht mehr zu stemmen. Deshalb wird es – Stich-
wort Connectivity – viel mehr Zusammenschlüsse,
Verfl echtungen, Teamwork über Branchengrenzen
hinweg geben. Gleichzeitig müssen Unternehmen
aber darauf achten, sich dadurch nicht verletzlich zu
machen. Nehmen Sie die Deutsche Bank als Beispiel:
Wir werden im Zuge unserer Digitalisierungsstrate-
gie viele Bereiche der IT, die bisher von Dienstleis-
tern betreut wurden, wieder selbst übernehmen. Das
Wissen, das geistige Eigentum, das Know-how wird
zunehmend zur Kernkompetenz. Auf der anderen
Seite gründen wir in Berlin ein Innovation Lab und
arbeiten intensiv mit Start-ups zusammen auf der
Suche nach Ideen, Dinge ganz neu zu machen. Dank
unserer Beratungskompetenz können davon auch
unsere Kunden profi tieren.
Wie digital wird die Deutsche Bank?
Bereits jetzt will die breite Mehrheit unserer Kunden
das tägliche Bankgeschäft digital beziehungsweise
online abwickeln. Entsprechend werden wir alle
Zugangswege vernetzen und integrieren, damit der
Kunde überall und jederzeit zu seiner Deutschen
Bank gelangt. So wollen wir ein einheitliches Kun-
denerlebnis über alle Zugangswege und Bereiche
hinweg schaffen. Schwächt dies die direkte Bezie-
hung von Bank und Kunde? Nein, im Gegenteil: Wir
gewinnen Zeit für all die Fragen, die sich eben nicht
automatisieren lassen. Und dann können wir unsere
eigentliche Aufgabe besser erledigen.
Und welche ist das?
Ich habe eben schon davon gesprochen, dass wir
unsere Tradition leben müssen. Die Deutsche Bank
wurde vor rund 150 Jahren mit dem ausdrücklichen
Ziel gegründet, deutsche Unternehmen auf dem Weg
in fremde Länder und Märkte zu unterstützen. Wenn
wir über Strategie und Standorte, Digitalisierung und
Dienstleistungen sprechen, dann geht es immer um
diesen Kern, der uns bis heute ausmacht.
INTERVIEW: BORIS BURAUEL
Herr von Haller, die Deutsche Bank gilt
gerade im Geschäft mit Firmenkunden
als gut aufgestellt. Was kann die Bank
besser machen?
Wenn Sie die 1000 deutschen Weltmarkt-
führer oder die 500 größten deutschen
Familienunternehmen nehmen, stehen wir
tatsächlich sehr gut da – in beiden Grup-
pen sind neun von zehn Unternehmen
heute Kunden der Deutschen Bank. Aber
man darf bekanntlich nie damit aufhören,
besser zu werden.
Als Co-Leiter des Bereiches Deutsche
Bank Privat- und Firmenkunden kümmer-
ten Sie sich in den vergangenen Jahren
primär um die Geschäfts- und Firmenkun-
den. Worauf kam es Ihnen dabei an?
Im Grunde ist unsere Aufgabe doch leicht
zu beschreiben, denn sie besteht nur aus
drei Aspekten: Wir müssen die Bedürfnisse
unserer Kunden verstehen, unsere eige-
nen Fähigkeiten als Bank genau kennen
und dann beides intelligent miteinander
verbinden. Natürlich ist die Arbeit in der
Praxis nicht ganz so einfach wie in der
Theorie – damit wir sie leisten können,
brauchen wir als Bank auch die richtige
Organisation. Deshalb muss es uns immer
darum gehen, unsere eigene Organi-
sation der veränderten Situation unserer
Kunden anzupassen.
Was wird Ihre künftige Rolle bei der
Deutschen Bank sein?
Künftig werde ich dem Vorstand der
Deutschen Bank mit meinen Erfahrungen
Interview: „Den Mittelstand ins Zentrum stellen“
Wilhelm von Haller (63) war viele Jahre lang verantwortlich im Firmenkunden-geschäft der Deutschen Bank tätig. Heute unterstützt der Mittelstandsexpertedie Bank mit seinen Erfahrungen und Kontakten
aus über 30 Jahren im Bankgeschäft in
allen Markt- und Kundenbelangen unter-
stützend zur Verfügung stehen. Außerdem
bleibe ich Vertreter in vielen Verbänden,
Vereinigungen und Stiftungen des Mittel-
standes, zum Beispiel im Kuratorium der
Stiftung Familienunternehmen.
Sie sorgen also auch für eine persönliche
Kontinuität in der Zusammenarbeit
mit mittelständischen Unternehmen.
Genau. Ein vertrauensvolles Netzwerk
entsteht nur langfristig, das gilt gerade bei
mittelständischen Unternehmen, die
oft auf gewachsene Beziehungen zurück-
greifen. Erfahrung ist da ein sehr wichtiges
Gut. Ich stelle Kontakte her, bringe Ge-
schäftspartner zusammen. Und ich kann
dank meiner langjährigen Zusammenar-
beit mit Unternehmern deren Bedürfnisse
verstehen und ihren Anregungen inner-
halb der Deutschen Bank an den richtigen
Stellen Geltung verschaffen. Davon können
beide Seiten profi tieren.
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