arbeitsmarkt und beschäftigung in deutschland 2000-2009

46
RESEARCH REPORT SERIES IZA Research Report No. 22 Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009 Werner Eichhorst Paul Marx Eric Thode November 2009

Upload: others

Post on 24-Jun-2022

1 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

RE

SE

AR

CH

RE

PO

RT

SE

RIE

S

I Z A Research Report No. 22

Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

Werner EichhorstPaul MarxEric Thode

November 2009

Page 2: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

Dieser Forschungsbericht des IZA basiert auf einem Projekt im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

Page 3: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

Beschäftigungserfolge bei zunehmender Differenzierung

Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode

Page 4: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009
Page 5: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

3

Inhalt

Das Wichtigste in Kürze 4

1. Reformsequenzen auf dem deutschen Arbeitsmarkt 6

2. Beschäftigung und Erwerbsbeteiligung 10

Weibliche Erwerbspersonen 12

Ältere Erwerbspersonen 15

Jugendliche 17

Gering Qualifizierte 18

3. Entwicklung der Arbeitslosigkeit 19

4. Die Arbeitsmarktlage in der Krise 32

5. Zusammenfassung und Ausblick 37

6. Literatur 39

Impressum 42

Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

Beschäftigungserfolge bei zunehmender Differenzierung

Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode1

1 Wir danken Magdalena Zhelyazkova und Nevena Doncheva für wertvolle Hilfe.

Page 6: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

4

Das Wichtigste in Kürze

1. Knapp zehn Jahre nach der ersten Bestandsaufnahme im Jahr 2001 und fünf Jahre nach der

letzten Untersuchung durch das Benchmarking-Projekt im Jahr 2004 ist es Zeit für eine erneute

umfassende Studie zur Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktes im internationalen Ver-

gleich. Dies ist vor allem auch deshalb sinnvoll, weil sich der Arbeitsmarkt sowohl in Deutsch-

land, als auch in den Vergleichsländern seit Beginn des laufenden Jahrzehntes in mehrfacher

Hinsicht fundamental verändert hat – in Deutschland jedoch in besonderem Maße. Auf der

einen Seite sind im Gefolge politischer Entscheidungen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpoli-

tik, insbesondere durch das Bündel der Hartz-Reformen und der Agenda 2010, wesentliche

Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt verändert worden. Dies umfasst in erster Linie

die Aktivierung von Transferbeziehern und die weitere Öffnung flexibler Arbeitsverhältnisse.

Auf der anderen Seite haben sich die tarifvertraglichen Regelungen ebenso gewandelt wie die

Struktur der Wirtschaftszweige und Arbeitsverhältnisse. Nicht nur der Bereich atypischer

Arbeitsverhältnisse wurde damit verstärkt entwickelt, auch unbefristete Vollzeitbeschäftigung

wurde durch variable Arbeitszeiten und Entlohnungsmuster flexibilisiert.

2. Generell kann festgehalten werden, dass in Deutschland über die letzten Jahre hinweg, vor

allem in der Phase von 2006 bis 2008, deutlich mehr Arbeitsverhältnisse als in früheren Auf-

schwungphasen entstanden sind. Die gegenwärtige Struktur der Beschäftigung zeichnet sich

jedoch vor allem auch durch ihre Unterschiedlichkeit aus. Dies schlägt sich im wachsenden

Anteil atypischer Beschäftigungsverhältnisse und gering entlohnter Tätigkeiten nieder – eine

mittelbare Konsequenz eben jener politischen Rahmensetzungen, der Veränderungen in der

Tariflandschaft und der strukturellen Verschiebungen zwischen den Wirtschaftszweigen. Der

Arbeitsmarkt ist im Zuge der weiter fortschreitenden Flexibilisierung aufnahmefähiger gewor-

den, allerdings auch um den Preis größerer Unsicherheit und geringerer Entlohnung für Teile

der erwerbstätigen Bevölkerung.

3. Damit konnte das Ende der 1990er Jahre beobachtete Beschäftigungsdefizit in Deutschland

zum Teil überwunden werden. Deutschland hat 2008 einen historischen Höchststand der Er-

werbstätigkeit erreicht und manche andere Länder bei der Beschäftigungsquote übertroffen.

Gleichzeitig ging die Inaktivität der Personen im erwerbsfähigen Alter zurück. Fortschritte

wurden vor allem bei der Erwerbsintegration der Frauen und der älteren Arbeitskräfte erzielt:

In struktureller Hinsicht zeigt sich hier eine besonders dynamische Entwicklung im privaten

Dienstleistungssektor. Dagegen haben Jugendliche zunehmend schlechtere Chancen beim Ein-

stieg ins Erwerbsleben.

4. Die jüngste weltweite Wirtschaftskrise in Deutschland ist bis dato am Arbeitsmarkt trotz der

starken Exportabhängigkeit weniger spürbar als in anderen Ländern. Weder bei der Arbeitslo-

sigkeit noch bei der Beschäftigung hat sich bislang eine deutliche Verschlechterung ergeben.

Zum einen wächst der Dienstleistungssektor nach wie vor. Zum anderen werden Kurzarbeit und

Das Wichtigste in Kürze

Entwicklung von Arbeitsmarkt

und Rahmenbedingungen

Zunehmend heterogene

Beschäftigungsstruktur…

… verringert

Beschäftigungsdefizit

Arbeitsmarkt

in der Krise stabil

Page 7: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

Das Wichtigste in Kürze

5

betriebliche Arbeitszeitflexibilität vor allem in der exportabhängigen Industrie eingesetzt und

wirken (noch) stabilisierend auf die Erwerbstätigkeit in diesen Branchen. Diese Instrumente

können helfen, eine zeitlich begrenzte Krise ohne gravierenden Anstieg der Arbeitslosigkeit zu

überbrücken – immer vorausgesetzt, dass sich in absehbarer Zeit eine erneute Belebung der

ökonomischen Aktivitäten abzeichnet. Es ist jedoch zu früh für ein generelles Urteil über die

Belastbarkeit des deutschen Arbeitsmarktes. Auch der Vergleich mit anderen Ländern bietet

noch keine Basis für fundamentalere Schlussfolgerungen. Die derzeit vorliegenden Prognosen

bieten für den Winter 2009/2010 und die darauf folgenden Monate eher skeptische Aussichten

für den Arbeitsmarkt in Deutschland. Allerdings sprechen jüngste Daten für eine Stabilisierung

der Wirtschaftstätigkeit, sodass (sehr) negative mittelfristige Entwicklungen auf dem Arbeits-

markt weniger wahrscheinlich sein sollten.

5. Trotz der Verbesserungen bei der Arbeitsmarktintegration und beim Beschäftigungsniveau

kann nicht davon gesprochen werden, dass Deutschland seine strukturellen Probleme über-

wunden hat. Die Wirtschaftskrise wird manche der Probleme, die im Aufschwung bis 2008 an

Deutlichkeit verloren hatten, wieder klarer hervortreten lassen:

die weiterhin hohe Langzeitarbeitslosigkeit und – damit zusammenhängend – das Problem

nicht ausreichender oder entwerteter beruflich nutzbarer Qualifikationen. Diese verhindern

oft eine stabile Arbeitsmarktintegration von Geringqualifizierten und Transferbeziehern.

Die Spaltung des Arbeitsmarktes in Normalarbeitsverhältnisse auf der einen Seite und flexi-

ble Arbeitsformen mit teilweise geringen Aufstiegschancen auf der anderen Seite,

die im internationalen Vergleich nach wie vor unzureichende Erwerbsintegration von Frauen

und Müttern. Diese ist aufgrund von noch nicht ausreichend ausdifferenzierten Betreuungs-

angeboten und Fehlanreizen im Steuersystem zum Großteil auf die schwierige Vereinbarkeit

von Familie und Beruf zurückzuführen.

Die zunehmenden Schwierigkeiten Jugendlicher, am Beginn ihres Erwerbslebens auf dem

Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Andauernde

strukturelle Probleme

Page 8: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

Reformsequenzen auf dem deutschen Arbeitsmarkt

6

1. Reformsequenzen auf dem deutschen Arbeitsmarkt

Der Arbeitsmarkt und damit die Entwicklung der Beschäftigung waren in Deutschland während

des zurückliegenden Jahrzehnts von drei zentralen Dynamiken gekennzeichnet:

1. starke weltwirtschaftliche Integration und – damit zusammenhängend – konjunkturelle Zyklen

mit weltweiter Ausstrahlung,

2. Übergang zur Dienstleistungswirtschaft mit einer stärkeren Erwerbsintegration von Frauen

sowie einer vermehrten Nutzung flexibler Arbeitsformen,

3. institutionelle Veränderungen im Bereich der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Tarifpolitik, die sowohl

in internationaler Perspektive als auch im Zeitvergleich von großer Bedeutung waren.

Zu Beginn des Jahrzehnts befand sich Deutschland, wie auch die meisten anderen OECD-Staaten

auf dem Höhepunkt der „new economy“-Phase. Diese ging mit dem Platzen der Spekulationsblase

und der weltwirtschaftlichen Eintrübung nach dem 11. September 2001 in eine konjunkturellere

Schwächephase über, in der die Beschäftigung in Deutschland stagnierte bzw. leicht zurückging

und die Arbeitslosigkeit erneut anwuchs. Während der schwierigen ökonomischen Lage von 2002

bis 2005 kam es auch zu einer stärkeren Substitution sozialversicherungspflichtiger Beschäfti-

gungsverhältnisse. Dies geschah durch flexible, insbesondere geringfügige Beschäftigungsver-

hältnisse sowie eine weitere Flexibilisierung des Kernarbeitsmarktes bei Arbeitszeiten und Ent-

lohnung, wie dies bereits in den 90er Jahren zu beobachten war. Auf der einen Seite gewannen

also atypische Beschäftigungsverhältnisse an Boden, auf der anderen Seite durchlief das deutsche

Beschäftigungssystem eine Phase der Modernisierung, um seine Position im internationalen

Wettbewerb zu stärken. Nicht nur in den Unternehmen vollzogen sich langfristig bedeutsame

Entwicklungen. Auch die institutionellen Rahmenbedingungen im Bereich der Arbeitsmarkt- und

Sozialpolitik wurden grundlegend verändert. Im Rückblick auf die letzten Jahre müssen die Ar-

beitsmarktreformen zwischen 2002 und 2003, die vier „Hartz-Gesetze“ und die „Agenda 2010“ als

historischer Wendepunkt gedeutet werden, welcher die Entwicklung des Arbeitsmarktes in den

darauf folgenden Jahren maßgeblich geprägt hat. Diese Welle der Reformen baute zwar auf dem

auf, was bereits in den Jahren davor angelegt worden war, sorgte aber für eine Generalisierung

und breitere Umsetzung dreier Elemente:

1. eine erneute, weit reichende Flexibilisierung am Rand des Arbeitsmarktes durch a) die Libe-

ralisierung von Minijobs als alleinigem und zusätzlichem Verdienst – auch in Verbindung mit

der Möglichkeit, dies mit Sozialtransfers zu kombinieren; b) die weitgehende Deregulierung

der Zeitarbeit; c) die staatliche Förderung der Selbstständigkeit vor allem durch die „Ich-AG“

(von 2003 bis 2006) und den Abbau von Zugangsbarrieren, wie etwa den Wegfall des Meister-

zwangs in einer Reihe von Gewerken des Handwerks;

2. die breit angelegte Aktivierung eines großen Teils der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter

Wesentliche

Arbeitsmarkttrends

Leitmotive der

Arbeitsmarktpolitik

Page 9: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

Reformsequenzen auf dem deutschen Arbeitsmarkt

7

Tabelle 1: Reformwellen in Deutschland

Bis Herbst 1998

Herbst 1998bis Herbst 2001

Frühjahr 2002bis Herbst 2005

Herbst 2005bis Mitte 2009

Zusammensetzung der Regierung

CDU/CSU-FDP SPD-Grüne SPD-Grüne CDU/CSU-SPD

Kern des Arbeitsmarktes

Kündigungs-schutz

Stabilität, marginale

Deregulierung

Stabilität, Reregulierung

Stabilität, marginale

DeregulierungStabilität

Interne Flexibilität

Wachsende Flexibilität auf betrieblicher Ebene (Lohnflexibilität, Arbeitszeiten)

Rand des ArbeitsmarktesErste

Deregulierungs-schritte

Teilweise Reregulierung

(befristete Verträge, geringfügige

Beschäftigung, Selbstständigkeit)

Neue Phase der Deregulierung

(Minijobs, Zeitarbeit,

Aktivierung)

Reregulierung (Mindestlöhne)

Quelle: Eichhorst/Marx 2009a, eigene Zusammenstellung.

durch die Verstärkung aktivierender Elemente im Bereich der Arbeitslosenversicherung (Ar-

beitslosengeld I) und ein im internationalen Vergleich universelles2, auf Erwerbsintegration

ausgerichtetes System der Grundsicherung (Arbeitslosengeld II) sowie die damit verbundene

Reform der Arbeitsverwaltung und der arbeitsmarktpolitischen Instrumente;

3. damit verbunden waren Einschränkungen bei den Sozialleistungen für Ältere (Bezugsdauer

des Arbeitslosengeldes I) und für Langzeitarbeitslose, d.h. für frühere Bezieher der Arbeitslo-

senhilfe, sowie der weitgehende Abbau von Frühverrentungsmaßnahmen.

Mit der neuen Welle von Reformen in Richtung Flexibilisierung und Aktivierung sowie der ver-

besserten Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im globalen Kontext waren die Grundlagen

für einen starken Aufbau der Beschäftigung im jüngsten konjunkturellen Aufschwung gelegt. Bis

Ende 2008 kam es zu einem international und historisch beachtlichen Zugewinn an Beschäftigung

bis hin zum Rekordstand von 40 Millionen Erwerbstätigen. Dies ging nicht allein auf das Konto

von Niedriglohnjobs oder flexiblen Arbeitsverträgen, sondern drückte sich auch in einem Zuwachs

der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung aus, nicht zuletzt auch bei unbefristeten Jobs

und Vollzeit-Stellen. Mit dem Zuwachs an Ungleichheit innerhalb des Arbeitsmarktes gewannen

sozialpolitische Akzente jedoch wieder stärker an Bedeutung, etwa bei der Diskussion um die

Einführung von Mindestlöhnen in weiteren Bereichen des privaten Dienstleistungsgewerbes.

2 In anderen Ländern bleibt die tatsächliche Anzahl der Langzeitarbeitslosen unklar durch deren Versorgung in anderen Sicherungssystemen, etwa in der Erwerbsunfähigkeit (Niederlande), in dauerhaften Krankschreibungen (Schweden) oder in Frühverrentung (Belgien).

Reformwellen

in Deutschland

Page 10: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

8

Tabelle 1 fasst diese Trends mit Daten für Deutschland zusammen. Eine typische politische Reak-

tion auf Krisen bestand demnach in der Deregulierung im Bereich atypischer Arbeitsverhältnisse,

also bei befristeter und geringfügiger Beschäftigung sowie Zeitarbeit (vor 1998 und 2002-2005),

während der Bereich traditioneller Beschäftigung relativ stabil blieb. In Phasen konjunktureller

Erholung (1998-2001 und nach 2005) wurde hingegen versucht, sozial unerwünschte Folgen der

Flexibilisierung abzumildern, etwa durch Mindestlöhne. Dieses Reformmuster ist unabhängig von

der Regierungszusammensetzung zu beobachten und scheint vielmehr kurzfristigem Problemdruck

geschuldet.

Insgesamt haben sich die institutionellen Veränderungen in der Arbeitsmarktbilanz niedergeschla-

gen: Bezogen auf die erwerbsfähige Bevölkerung ist der Anteil der unbefristeten Vollzeitbeschäfti-

gung vor allem in den 90er Jahren zurückgegangen, während im laufenden Jahrzehnt zunächst eine

Stagnation und erst zum Ende hin wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen war. Kontinuierliches

Wachstum zeigt sich jedoch beim Anteil der Personen in flexibleren Arbeitsformen, insbesondere

bei der auf Dauer angelegten Teilzeitarbeit sowie Minijobs und Zeitarbeit. Gleichzeitig ging im

laufenden Jahrzehnt die Inaktivität zurück. Die Reformen haben dazu beigetragen, einen größeren

Anteil der erwerbsfähigen Personen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, nicht zuletzt Frauen. Al-

lerdings ging dies, wie in Abbildung 1 gezeigt, mit einer Expansion von Beschäftigung außerhalb

Abbildung 1: Erwerbstätigkeit und Inaktivität, 1992-2007

Quellen: SOEP, eigene Berechnungen.

Anmerkung: „Arbeitslos mit Job“ beinhaltet Personen, die arbeitslos gemeldet sind, aber im Rahmen der Hinzuverdienst- und Arbeitszeitgrenzen einer Tätigkeit nachgehen.

0

20

40

60

80

100

1993 1995 1997 1999 200520032001 2007

Inaktiv

Arbeitslos

Arbeitslos mit Job

Selbstständig

Geringfügig

Leiharbeit

Befristet

Ausbildung

Unbefristet Teilzeit

Unbefristet Vollzeit

Angaben in Prozent

45 44 43 44 42 41 41 41 41 40 40 38 38 38 37 38

7 7 7 7 8 8 8 8 9 9 10 10 10 10 10 11

5 5 5 44 4 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 34 4 4 5 5 4 4 3 4 3 4

444445

5

6 6 6 6 7 6 6 7 7 7 6 7 7 7 7 7

25 24 25 24 24 25 25 24 25 24 24 24 23 23 22 21

61

1

1 1 1

1 1

1 1 1 12

222

2

2

2

2

2 2 3 3 3

22 2

2 2 2 22

26 8 7 8 8 8

6 6 6 7 8 8 8 8 7

Reformsequenzen auf dem deutschen Arbeitsmarkt

Entwicklung verschiedener

Beschäftigungsformen

Page 11: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

9

traditioneller Beschäftigung einher. Viele der so geschaffenen Stellen sind im Dienstleistungssektor

angesiedelt - und dort ein großer Teil im Bereich gering entlohnter Jobs. Damit hat Deutschland im

vergangenen Jahrzehnt eine Entwicklung durchlaufen, die sich in vielen Vergleichsländern bereits

in den 90er Jahren vollzogen hat (Eichhorst/Marx 2009a, 2009b).

Deutschlands institutionelle Reformen entsprechen in vielerlei Hinsicht dem generellen Trend

anderer EU- oder OECD-Staaten (vgl. Brandt et al. 2005, Bassanini/Duval 2006, 2009, Layard/

Nickell/Jackman 2005). Bereits seit den frühen 90er Jahren hatte die OECD in ihrer „Jobs Strat-

egy“ flexiblere Arbeitsmarktinstitutionen und den Übergang von passiver zu einer aktivierenden

Sozialpolitik angemahnt. Angesichts der projizierten demografischen Entwicklung hatte sich im

vergangenen Jahrzehnt eine größere Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes als übergeordnetes

Reformmotiv etabliert. Um einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften vorzubeugen, aber auch,

um die Sozialsysteme zu entlasten, und nicht zuletzt um dem zunehmenden Erwerbswunsch zu

entsprechen, wurde vermehrt der Einbezug von Frauen und Älteren ins Erwerbsleben gefördert.

Dies ist das erklärte Ziel der Europäischen Beschäftigungsstrategie bzw. der Lissabon-Agenda.

Auch in diesen Maßnahmenbündeln spielt Arbeitsmarktflexibilität eine wichtige Rolle. Ein Bei-

spiel hierfür ist das viel diskutierte „Flexicurity-Konzept“, das nach dem Vorbild Dänemarks und

der Niederlande einen Ausgleich zwischen Arbeitsmarktdynamik und sozialer Sicherung herzu-

stellen versucht (Wilthagen/Tros 2004, Madsen 2006). Mittlerweile ist „Flexicurity“ das Leitmotiv

der Europäischen Beschäftigungsstrategie (Europäische Kommission 2007).

Ein weiteres von internationalen Akteuren gefördertes Reformelement liegt im Bereich der Qualifi-

zierung – sowohl der allgemeinen als auch der (kontinuierlichen) beruflichen. Einerseits zielt dies

darauf ab, die Benachteiligung Geringqualifizierter abzubauen und sie näher an den Arbeitsmarkt

heranzuführen. Andererseits wird in dem Konzept der „Beschäftigungssicherheit“ eine flexiblere

Alternative zum Bestandsschutz eines speziellen Arbeitsplatzes gesehen. Voraussetzung ist eine

hohe Beschäftigungsfähigkeit („employability“), also ein ausreichend anpassungsfähiges Qua-

lifikationsprofil, das es Arbeitskräften erlaubt, flexibel auf Veränderungen am Arbeitsmarkt zu

reagieren.

Zu den weiteren internationalen Reformtrends gehören auch Einsparungen in der Arbeitslosen-

versicherung, die als Reaktion auf die persistente Arbeitslosigkeit in vielen entwickelten Volks-

wirtschaften zu verstehen ist. Diese schließen neben Korrekturen der Leistungshöhe auch stärkere

Aktivierungsbemühungen ein, also strengere Zumutbarkeitsregeln und Sanktionen (Hasselpflug

2005, Konle-Seidl/Eichhorst 2008).

Entgegen dem oben skizzierten „Flexicurity“-Gedanken ist in vielen Ländern allerdings eine

einseitige Verteilung von Flexibilitätsrisiken zu Lasten von Gruppen zu beobachten, die ohnehin

am Arbeitsmarkt benachteiligt sind. Eine solche „Dualisierung“ ist insbesondere Merkmal von

Arbeitsmarktreformen in kontinentalen Wohlfahrtsstaaten, in denen Liberalisierungen allgemein

als schwer umsetzbar gelten (Palier/Martin 2007). Aufgrund der Erfahrungen aus Deutschland,

Reformsequenzen auf dem deutschen Arbeitsmarkt

Internationale Reformtrends:

Flexicurity…

… striktere

Arbeitslosenversicherung …

… und ungleiche Verteilung

von Flexibilitätsrisiken

… Qualifizierung …

Page 12: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

10

Frankreich und Belgien, mit Abstrichen aber auch aus Österreich und der Niederlande, lassen

sich Züge eines typischen „kontinentalen“ Reformmusters identifizieren (Clegg 2007). So wird

in diesen Ländern Aktivierung üblicherweise selektiv auf einzelne Gruppen zugeschnitten (v. a.

Langzeitarbeitslose), während reguläre Transferbezieher weniger stark betroffen sind. Ähnliches

gilt für Einsparungen in der Arbeitslosenversicherung, die sich wie in Deutschland auf einige

Gruppen, etwa ältere Arbeitnehmer, beschränken. Schließlich ist im Bereich des Arbeitsrechts in

zahlreichen Ländern zu beobachten, dass atypische Beschäftigungsformen wie Befristung und Ar-

beitnehmerüberlassung sukzessive liberalisiert wurden, während der reguläre Kündigungsschutz

weitgehend stabil blieb (OECD 2004).

Es bleibt festzuhalten, dass die Beschäftigungssysteme der EU- und OECD-Staaten insgesamt

inklusiver und flexibler sind als noch vor zehn Jahren. Gleichzeitig hat in einigen Ländern aber

auch ein Trend zur weiteren Dualisierung des Arbeitsmarktes stattgefunden, der zu persistenten

Statusunterschieden in der Beschäftigungsstabilität, bei Löhnen und sozialer Absicherung führt.

2. Beschäftigung und Erwerbsbeteiligung

Die weitreichenden Reformen in Deutschland werfen die Frage auf, wie sich der Arbeitsmarkt re-

lativ zu anderen EU und OECD-Staaten entwickelt hat. Im laufenden Jahrzehnt verlief der Beschäf-

tigungsaufbau, gemessen an der Beschäftigungsquote, dynamischer als in einer Reihe anderer

Staaten. Vergleicht man die beiden jüngsten Höhepunkte des Konjunkturzyklus (2001 und 2008),

so nahm die Beschäftigungsquote in Deutschland um 4,4 Prozentpunkte auf den historischen

Höchstwert von 70,2 Prozent zu. Stärkeres Wachstum war nur in Spanien, Griechenland, Polen

und der Slowakei zu verzeichnen, die in der Ausgangslage jedoch allesamt ein deutlich niedrigeres

Beschäftigungsniveau zeigten (Abbildung 2). Im zeitlichen Verlauf ist bemerkenswert, dass der

Anstieg der Erwerbstätigkeit allein in den letzten Jahren des Beobachtungszeitraums stattfand;

davor stagnierte auch in Deutschland die Beschäftigungsquote (Abbildung 3). Deutschland rückte

im laufenden Jahrzehnt an die erfolgreichen kontinentaleuropäischen Länder Österreich und die

Niederlande heran. Letztere hatten bereits über längere Zeit eine sehr dynamische Entwicklung

auf dem Arbeitsmarkt zu verzeichnen, die sich aber parallel zur Entwicklung in Deutschland

zwischen 2005 und 2008 noch beschleunigte. Nach wie vor zeigen die Schweiz, Island und die

skandinavischen Staaten das höchste Beschäftigungsniveau. Allerdings war dort im laufenden

Jahrzehnt eher eine Stagnation, teilweise sogar ein Rückgang zu beobachten. Auch die USA haben

in den letzten Jahren in Bezug auf Beschäftigung an Boden verloren und lagen 2008 nur noch

knapp vor Deutschland. In den meisten Staaten hat die Beschäftigungsquote jedoch über die letz-

ten Jahre hinweg noch einmal zugenommen – am deutlichsten in Südeuropa.

Beschäftigung und Erwerbsbeteiligung

Beschäftigungsquote:

Deutliche Fortschritte

Page 13: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

11

Abbildung 2: Beschäftigungsquote 2008 und Veränderung zu 2001

Quelle: OECD.

Angaben in Prozent

Islan

d

Schw

eiz

Däne

mar

k

Nor

weg

en

Nie

derla

nde

Schw

eden

Neu

seel

and

Kana

da

Aust

ralie

n

Gro

ßbrit

anni

en

Öst

erre

ich

Finn

land

USA

Japa

n

Deut

schl

and

Portu

gal

Irlan

d

Tsch

echi

en

Span

ien

Fran

krei

ch

Luxe

mbu

rg

Kore

a

Slow

akei

Grie

chen

land

Belg

ien

Mex

iko

Pole

n

Italie

n

Unga

rn

Türk

ei

– 20

0

20

40

60

80

2008 Differenz zu 2001

84,279,5 78,4 78,1 76,1 75,7 74,9 73,7 73,2 72,7 72,1 71,9 70,9 70,7 70,2 68,2 68,1 66,6 65,3 64,6 64,4 63,8 62,3 62,2 62,0 59,9 59,2 58,7 56,7

44,9

– 0,40,3 2,5 0,6

3,60,5 3,1 2,9 4,2

0,23,9 3,6

– 2,2

1,9 4,4

– 0,4

3,1 1,36,5

2,6 1,4 1,75,4 6,6

2,3 0,55,7 3,8

0,5

– 2,9

Abbildung 3: Beschäftigungsquoten ausgewählter Länder im Zeitvergleich 2000–2008

602000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

64

62

68

66

70

72

74

76

78

80

Deutschland Frankreich Großbritannien Dänemark Schweden Niederlande USA

Quelle: OECD.

Angaben in Prozent

Beschäftigung und Erwerbsbeteiligung

Page 14: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

12

Weibliche Erwerbspersonen

Der generelle Beschäftigungsaufbau spiegelt sich in der Bundesrepublik in besonderem Maße

in der deutlichen Zunahme bei der Beschäftigung weiblicher Erwerbspersonen wider. Die Er-

werbsbeteiligung der Frauen ist im laufenden Jahrzehnt deutlich angestiegen (Abbildung 4).

Dementsprechend hat auch die Beschäftigungsquote der Frauen von 2001 bis 2008 um mehr

als fünf Prozentpunkte auf 64,3 Prozent zugenommen (Abbildung 5). Dieses Wachstum ist eines

der stärksten innerhalb der OECD, und Deutschland liegt nun klar oberhalb des Mittelwertes.

Die skandinavischen und die angelsächsischen Länder sowie die Schweiz liegen auch hier an der

Spitze. Weiterhin ist jedoch die Erwerbstätigkeit der Frauen in Deutschland von einem überdurch-

schnittlich großen Ausmaß an Teilzeitarbeit gekennzeichnet (Abbildung 6).

In Deutschland hat der Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen in den letzten Jahren stark zuge-

nommen. 2008 übten fast 46 Prozent aller erwerbstätigen Frauen eine Beschäftigung in Teilzeit

aus, d.h. in Minijobs oder sozialversicherungspflichtiger Teilzeit bis zu 30 Stunden in der Woche.

Damit weist die Bundesrepublik nach den Niederlanden die zweithöchte Teilzeitquote von Frauen

auf.

Hingegen liegt trotz eines beachtlichen Anstiegs die „unfreiwillige“ Teilzeitarbeit der Frauen, die

durch einen Mangel an Vollzeitstellen kennzeichnet ist, in Deutschland unterhalb des Anteils, der

in einer Reihe anderer Staaten zu beobachten ist.

Abbildung 4: Erwerbsquote der Frauen 2008 und Veränderung zu 2001

Islan

d

Schw

eden

Nor

weg

en

Däne

mar

k

Schw

eiz

Kana

da

Finn

land

Nie

derla

nde

Neu

seel

and

Gro

ßbrit

anni

en

Aust

ralie

n

Deut

schl

and

USA

Portu

gal

Öst

erre

ich

Fran

krei

ch

Span

ien

Irlan

d

Japa

n

Slow

akei

Tsch

echi

en

Belg

ien

Luxe

mbu

rg

Pole

n

Grie

chen

land

Unga

rn

Kore

a

Italie

n

Mex

iko

Türk

ei

Quelle: OECD.

Angaben in Prozent

2008 Differenz zu 2001

– 20

0

20

40

60

80

100

– 0,7

1,1 1,0 2,3 3,4 3,6 1,66,5 3,6 1,3 4,0 5,9

– 1,1

4,5 6,4 3,4

12,57,0

2,2

– 2,3 – 2,2

5,3 7,4

– 3,0

6,32,7 1,9 4,4 2,9

– 1,8

82,578,2 77,4 77,3 76,6 74,4 74,0 72,6 72,0 70,2 69,9 69,7 69,3 68,9 68,6

65,2 64,1 63,0 62,2 61,4 61,0 59,7 59,4 57,0 55,1 55,0 54,7 51,643,3

26,7

Beschäftigung und Erwerbsbeteiligung

Zunehmende Erwerbs-

beteiligung von Frauen

Hoher Anteil teilzeit-

beschäftigter Frauen

Page 15: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

13

Abbildung 5: Beschäftigungsquote der Frauen 2008 und Veränderung zu 2001

Quelle: OECD.

Angaben in Prozent

2008 Differenz zu 2001

– 20

0

20

40

60

80

100

Islan

d

Nor

weg

en

Däne

mar

k

Schw

eiz

Schw

eden

Nie

derla

nde

Kana

da

Finn

land

Neu

seel

and

Gro

ßbrit

anni

en

Aust

ralie

n

Öst

erre

ich USA

Deut

schl

and

Portu

gal

Irlan

d

Fran

krei

ch

Japa

n

Tsch

echi

en

Luxe

mbu

rg

Belg

ien

Span

ien

Slow

akei

Kore

a

Pole

n

Unga

rn

Grie

chen

land

Italie

n

Mex

iko

Türk

ei

80,375,4 74,4 73,5 73,2 70,2 70,1 69,0 69,0 66,9 66,7 65,8 65,5 64,3 62,5 60,5 60,1 59,7 57,6 55,8 55,7 55,7 54,6 53,2 52,4 50,6 49,0 47,2

41,4

23,5

– 0,8

1,6 3,0 2,8

– 0,3

6,5 4,2 3,6 4,2 0,95,0 5,9

– 1,6

5,6

1,5

6,5 4,9 2,7 0,65,0 5,0

11,92,8 2,3 4,6 0,8

7,8 6,1 2,4

– 2,8

Abbildung 6: Anteil der freiwilligen Teilzeit und der unfreiwilligen Teilzeit an der Teilzeitquote von Frauen 2008

Nie

derla

nde

Deut

schl

and

Nor

weg

en

Öst

erre

ich

Schw

eden

Belg

ien

Däne

mar

k

Irlan

d

Fran

krei

ch

Italie

n

Span

ien

Finn

land

Portu

gal

Pole

n

Zype

rn

Rum

änie

n

Grie

chen

land

Lita

uen

Tsch

echi

en

Lettl

and

Unga

rn

Slow

akei

0

10

20

30

40

50

60

70

80

Quelle: OECD.

Angaben in Prozent

Freiwillige Teilzeit Unfreiwillige Teilzeit * xx = die schwarzen Zahlen geben die Teilzeitquote der berufstätigen Frauen insgesamt an.

3,18,6 7,5

4,2

10,7

5,6 4,9 3,09,4 10,5

7,75,2 5,6

2,1 3,2 3,3 4,1 2,0 1,2 1,8 1,5 0,7

72,2

36,8 36,137,3 30,7 35,3

31,629,4

20,0 17,4

15,013,0 11,6

9,6 8,2 7,5 5,8 6,6 7,3 6,3 4,7 3,5

75,3*

45,4 43,6 41,5 41,4 40,936,5

32,429,4 27,9

22,718,2 17,2

11,7 11,4 10,8 9,9 8,6 8,5 8,1 6,2 4,2

Beschäftigung und Erwerbsbeteiligung

Page 16: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

14

Daraus resultiert insgesamt ein noch immer erheblicher Rückstand bei der Beschäftigungsquote

von Frauen gegenüber der von Männern in Vollzeitäquivalenten (Abbildung 7). Während die

Lücke der Beschäftigungsquote zwischen Frauen und Männern in Skandinavien, Frankreich, Por-

tugal und einigen neuen EU-Mitgliedstaaten 15 Prozentpunkte oder weniger beträgt, liegt sie in

Kontinental- und Südeuropa sowie in Irland und Großbritannien bei über 20 Prozentpunkten.

Abbildung 7: Rückstand der Beschäftigungsquote von Frauen zu der von Männern bei Vollzeitäquivalenten 2001 und 2007

Quelle: Eurostat.

Mal

ta

Grie

chen

land

Nie

derla

nde

Luxe

mbu

rg

Italie

n

Span

ien

Irlan

d

Öst

erre

ich

Deut

schl

and

Belg

ien

Gro

ßbrit

anni

en

Zype

rn

Tsch

echi

en

Slow

akei

Portu

gal

Unga

rn

Pole

n

Fran

krei

ch

Däne

mar

k

Rum

änie

n

Slow

enie

n

Schw

eden

Lettl

and

Estla

nd

Bulg

arie

n

Finn

land

Lita

uen

– 10

0

10

20

30

40 40,3

29,1 29,1 28,8 28,3 26,6 26,1 24,2 22,9 22,1 21,8 20,1 18,616,2 15,0 14,9 14,8 14,6 13,4 13,1 11,8 11,7

8,9 8,3 8,1 7,4 7,2

– 5,7– 2,3 – 4,4

– 1,0 – 1,2– 6,4 – 4,1

– 0,9 – 1,5 – 3,5 – 2,5– 5,1

0,24,8

– 4,6

0,3 2,3

– 5,7– 0,5

0,2 0,7 1,4 1,5

– 1,5

1,8

– 0,6

3,5

Angaben in Prozent

2007 Differenz zu 2001

Beschäftigung und Erwerbsbeteiligung

Page 17: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

15

Ältere Erwerbspersonen

Noch stärker als die Beschäftigung der Frauen verlief das Wachstum bei der Erwerbsintegration

der älteren Arbeitskräfte in den deutschen Arbeitsmarkt. Zum einen nahm die Beteiligung am

Arbeitsmarkt, gemessen an der Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen, von 2001 bis 2008 um

fast 16 Prozentpunkte auf knapp 59 Prozent zu. Dies bedeutet die zweithöchste Steigerung nach

der Slowakei (Abbildung 8). Damit konnte der Trend aus den 90er Jahren zu zunehmender Aus-

grenzung älterer Arbeitskräfte vom Erwerbsleben umgekehrt und deren Chance auf Teilhabe am

Arbeitsmarkt wieder verbessert werden.

Während die Erwerbsquote den Anteil der Personen misst, die entweder einer Beschäftigung nach-

gehen oder auf der Suche nach einem Arbeitsplatz sind, betrachtet die Beschäftigungsquote nur

diejenigen, die tatsächlich einen Arbeitsplatz haben. Auch bei diesem Indikator liegt Deutschland

mit einem Zuwachs von fast 16 Prozentpunkten zwischen 2001 und 2008 an zweiter Stelle hinter

der Slowakei. 2008 konnte Deutschland mit einem Beschäftigungsniveau der 55- bis 64-Jährigen

von knapp 54 Prozent die Zielgröße der Lissabon-Strategie von 50 Prozent deutlich überschrei-

ten und auch den OECD-Durchschnitt übertreffen (Abbildung 9). Dies ist eine bemerkenswerte

Verbesserung gegenüber der Situation Ende der 1990er Jahre, als die Beschäftigungsquote der

Älteren unter 40 Prozent gelegen hatte. Aber auch in den meisten anderen Ländern nahm das

Beschäftigungsniveau der Älteren weiter zu. Bei den älteren Arbeitnehmern zeigt sich gleichwohl

noch immer eine sehr große Spreizung über die Länder hinweg. Während in der Türkei, Polen und

Ungarn sowie Italien und Belgien nur bis zu einem Drittel der Älteren erwerbstätig sind, übertref-

fen Island, Neuseeland, Schweden, Norwegen, die Schweiz sowie Japan die Zwei-Drittel-Marke.

Abbildung 8: Erwerbsquote Älterer (55 bis 64 Jahre), 2001 und 2008

Quelle: OECD.

Islan

d

Neu

seel

and

Schw

eden

Schw

eiz

Nor

weg

en

Japa

n

USA

Kore

a

Kana

da

Gro

ßbrit

anni

en

Finn

land

Däne

mar

k

Aust

ralie

n

Deut

schl

and

Irlan

d

Portu

gal

Nie

derla

nde

Tsch

echi

en

Span

ien

Mex

iko

Grie

chen

land

Slow

akei

Öst

erre

ich

Fran

krei

ch

Luxe

mbu

rg

Italie

n

Belg

ien

Pole

n

Unga

rn

Türk

ei– 20

0

20

40

60

80

100

– 2,6

10,42,5 1,7 1,5 3,0 4,2 2,2

9,6 6,0 9,40,4

9,915,9

7,7 2,713,9 10,5 7,3

– 3,6

4,716,6 12,2

1,2

13,76,3 8,1

1,28,9

– 7,8

Angaben in Prozent

2008 Differenz zu 2001

84,773,3 73,0 70,2 70,0 68,8 64,5 61,8 60,8 59,9 59,7 59,2 58,9 58,7 55,6 54,4 52,7 49,5 49,2 48,1 44,3 42,0 41,9 40,1 38,6 35,5 34,1 33,6 33,1 28,9

Beschäftigung und Erwerbsbeteiligung

Bessere Erwerbsintegration

älterer Arbeitskräfte

Page 18: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

16

In Übereinstimmung mit diesem Befund ist auch das faktische Renteneintrittsalter der älteren

Arbeitskräfte in Deutschland von 2001 bis 2007 recht deutlich um 1,4 Jahre auf 62 Jahre ange-

stiegen. Deutschland liegt damit im mittleren Bereich der EU-Staaten, für die dieser Indikator

verfügbar ist (Abbildung 10). Das Eintrittsalter in die Rente lag Ende der 90er Jahre noch unter

60 Jahren gelegen. Durch den Anstieg älterer Arbeitnehmer werden auch die Wirkungen des

demografischen Wandels abgemildert, indem das Verhältnis der Erwerbstätigen zu Ruheständlern

langsamer steigt.

Abbildung 10: Tatsächliches Renteneintrittsalter, 2001 und 2007

Quelle: EUROSTAT.

Angaben in Jahren

66,3 64,4 64,1 63,9 63,9 63,5 62,6 62,6 62,1 62,0 61,6 61,6 61,0 60,9 60,7 60,6 60,4 59,8 59,4 59,4 59,3 58,7

2007 Differenz zu 2001

Islan

d

Nor

weg

en

Irlan

d

Nie

derla

nde

Schw

eden

Schw

eiz

Portu

gal

Gro

ßbrit

anni

en

Span

ien

Deut

schl

and

Belg

ien

Finn

land

Grie

chen

land

Öst

erre

ich

Tsch

echi

en

Däne

mar

k

Italie

n

Unga

rn

Fran

krei

ch

Luxe

mbu

rg

Pole

n

Slow

akei

– 100

10203040506070

3,8 1,1 0,9 3,0 1,8– 0,4

0,7 0,6 1,8 1,4 4,80,2

– 0,3

1,7 1,8

– 1,0

0,6 2,2 1,3 2,6 2,7 1,2

Beschäftigung und Erwerbsbeteiligung

Abbildung 9: Beschäftigung Älterer (55 bis 64 Jahre), 2001 und 2008

Quelle: OECD.

Angaben in Prozent

2008 Differenz zu 2001

Islan

d

Neu

seel

and

Schw

eden

Nor

weg

en

Schw

eiz

Japa

n

USA

Kore

a

Gro

ßbrit

anni

en

Däne

mar

k

Kana

da

Aust

ralie

n

Finn

land

Irlan

d

Deut

schl

and

Portu

gal

Nie

derla

nde

Tsch

echi

en

Mex

iko

Span

ien

Grie

chen

land

Öst

erre

ich

Slow

akei

Luxe

mbu

rg

Fran

krei

ch

Italie

n

Belg

ien

Pole

n

Unga

rn

Türk

ei–20

0

20

40

60

80

10083,3

71,9 70,3 69,3 68,4 66,3 62,1 60,6 58,2 57,7 57,5 57,4 56,4 53,9 53,8 50,8 50,7 47,6 47,1 45,6 42,9 41,0 39,3 38,3 38,2 34,4 32,8 31,6 31,4 27,4

– 2,3

11,23,3 1,9 1,1 4,3 3,5 2,3 6,1 1,2

9,3 10,7 10,5 7,315,9

0,811,5 10,5

– 4,0

6,4 4,912,8 17,0 13,5

1,76,4 7,6

2,67,9

– 8,5

Page 19: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

17

Jugendliche

Die Beschäftigungssituation von Jugendlichen (bis 24 Jahre) beim Übergang von der Schule in Be-

schäftigung gestaltet sich im Ländervergleich ebenfalls sehr unterschiedlich und ist aufgrund der

Bedeutung des Ausbildungssystems im jeweiligen nationalen Kontext auch differenziert zu bewer-

ten. Hier hat sich jedenfalls nur eine marginale Veränderung der Beschäftigungsquote auf einem

insgesamt mittleren Niveau in Deutschland ergeben. Deutlich weniger Jugendliche als im Jahr 2001

waren 2008 in Großbritannien, den USA sowie einigen mitteleuropäischen Staaten erwerbstätig.

Problematischer ist der Anstieg der Arbeitslosigkeit von jüngeren, bereits im Erwerbsleben ste-

henden Personen. Diese hat in Deutschland von 2001 bis 2008 um zwei Prozentpunkte auf etwas

mehr als zehn Prozent zugenommen. Damit liegt Deutschland zwar noch immer unterhalb des

OECD-Durchschnitts, allerdings ist die Situation nicht mehr so positiv wie noch vor einigen Jahren.

Dänemark, Österreich oder die Niederlande sind hier Vorreiter beim Erreichen einer dauerhaft

niedrigen Jugendarbeitslosigkeit, während in Spanien, Italien, Frankreich, bemerkenswerterweise

aber auch in Schweden, eine hohe offene Arbeitslosigkeit von jüngeren Menschen zu beobachten

ist (Abbildung 11).

Unzureichende Schulbildung ist ein zentraler Erklärungsfaktor für die Schwierigkeiten Jugend-

licher, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Der Anteil der 18 bis 24-Jährigen, die keinen wei-

terführenden Schulabschluss vorweisen können und sich gleichwohl nicht mehr in Ausbildung

befinden, beträgt in Deutschland knapp 13 Prozent. Diese Größe ist in den letzten Jahren leicht

zurückgegangen und bewegt sich im mittleren Bereich der EU. Allerdings gibt es mit der Schweiz,

Finnland, Schweden und Litauen einige Länder, die den Anteil früher Schulabgänger auf weniger

als zehn Prozent reduzieren konnten.

Abbildung 11: Arbeitslosigkeit von Jüngeren (15 bis 24 Jahre), 2001 und 2008

Quelle: OECD.

Angaben in Prozent

– 25– 20– 15– 10– 5

05

10152025

2008 Differenz zu 2001

Span

ien

Italie

n

Grie

chen

land

Türk

ei

Unga

rn

Schw

eden

Slow

akei

Fran

krei

ch

Pole

n

Portu

gal

Finn

land

Belg

ien

Gro

ßbrit

anni

en

Luxe

mbu

rg

USA

Kana

da

Neu

seel

and

Irlan

d

Deut

schl

and

Tsch

echi

en

Kore

a

Aust

ralie

n

Islan

d

Öst

erre

ich

Nor

weg

en

Japa

n

Däne

mar

k

Schw

eiz

Mex

iko

Nie

derla

nde

24,621,3 20,6 20,5 19,9 19,4 18,9 18,1 17,3 16,4 14,8 14,3 14,1 13,5 12,8 11,6 11,0 10,5 10,4 9,9 9,3 8,9 8,2 8,1 7,5 7,2 7,2 7,0 6,5 5,63,9

– 5,8 – 7,5

4,38,6 7,6

– 20,2

– 0,5

– 23,7

7,0

– 3,9– 1,0

3,77,2

2,3

– 1,3 – 0,8

4,42,1

– 6,7

– 0,9– 4,7

3,4 2,4

– 2,9 – 2,5 – 1,0

1,5 1,6 0,7

Beschäftigung und Erwerbsbeteiligung

Schlechtere

Arbeitsmarktchancen

Jugendlicher

Page 20: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

18

Geringqualifizierte

Geringqualifizierte haben grundsätzlich eine besonders schwierige Position auf den Arbeitsmärk-

ten. Allerdings zeigen aktuelle Daten auch, dass Personen ohne weiterführenden Schul- oder

Berufsabschluss keineswegs völlig vom Arbeitsmarkt verdrängt werden. Vielmehr bleibt das

Beschäftigungsniveau der Geringqualifizierten in der OECD stabil – jedoch mit erheblichen Unter-

schieden bei Niveau und Entwicklung zwischen den Ländern. Vor allem in den skandinavischen

Staaten sind zwei Drittel und mehr der Geringqualifizierten erwerbstätig, während Deutschland

mit einer Reihe süd- und mitteleuropäischer Staaten im hinteren Bereich rangiert. Immerhin

konnte Deutschland mit einem Niveau von zuletzt rund 54 Prozent und einem Anstieg von zwei

Prozentpunkten zwischen 2001 und 2007 auch bei Personen mit geringem formalen Bildungsni-

veau einen recht starken Beschäftigungsaufbau verzeichnen (Abbildung 12).

Abbildung 12: Beschäftigungsquote der Geringqualifizierten, 2001 und 2007

Quelle: OECD Education at a Glance 2009.

Angaben in Prozent

2006 Differenz zu 2001

Islan

d

Portu

gal

Neu

seel

and

Schw

eden

Gro

ßbrit

anni

en

Kore

a

Schw

eiz

Nor

weg

en

Aust

ralie

n

Mex

iko

Däne

mar

k

Luxe

mbu

rg

Nie

derla

nde

Span

ien

Grie

chen

land

Irlan

d

Finn

land

Fran

krei

ch USA

Kana

da

Öst

erre

ich

Deut

schl

and

Pole

n

Italie

n

Türk

ei

Belg

ien

Tsch

echi

en

Unga

rn

Slow

akei

– 20

0

20

40

60

8083,6

71,7 70,6 66,9 66,3 66,2 65,3 64,7 63,5 62,8 62,8 60,8 60,6 59,8 59,5 58,7 58,4 58,1 58,0 56,9 55,7 53,8 53,6 52,5 49,0 49,0 43,938,2

23,5

– 3,6 – 1,3

4,2

– 1,9

0,4

– 1,6 – 5,1

1,4 3,6 2,3 1,2 0,8 1,8 4,7 1,9 0,3 0,2 0,4– 0,5

2,5 2,1 2,0

– 0,7

3,1

– 2,9 – 2,70,0 1,6

– 7,0

Beschäftigung und Erwerbsbeteiligung

Beschäftigungssteigerung

bei Geringqualifizierten

Page 21: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

19

3. Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Erwerbsneigung und Erwerbstätigkeit sind zwei zentrale Parameter des Arbeitsmarktes. Auf der

anderen Seite stehen Arbeitslosigkeit und Inaktivität. International vergleichbare Daten zur Ar-

beitslosigkeit zeigen für Deutschland nach wie vor ein relativ hohes Niveau. Der Anstieg der Be-

schäftigung spiegelt sich nur in einem relativ geringen Rückgang der standardisierten Arbeits-

losenquote vom konjunkturellen Höhepunkt 2001 zum Höhepunkt im Jahr 2008 wider. Dies ist

darauf zurückzuführen, dass neben der Zahl der Arbeitsplätze auch die Zahl von Personen mit Er-

werbswunsch zugenommen hat, die zuvor nicht arbeitslos gemeldet waren, sondern neu in den Ar-

beitsmarkt eingetreten sind. Sowohl Arbeitsnachfrage als auch Arbeitsangebot haben sich erhöht.

Immerhin konnte der zwischenzeitliche Zuwachs der Arbeitslosigkeit bis 2005 wieder abgebaut

werden. Das Muster eines starken Beschäftigungsaufbaus bei geringem Abbau der Arbeitslosigkeit

ist auch in zahlreichen anderen Ländern zu beobachten. Allerdings finden sich in einigen Staaten

auch konstant niedrige Quoten von weniger als vier Prozent, etwa in der Schweiz, Österreich, der

Niederlande oder Dänemark. Dagegen weisen Spanien, die Türkei und die Slowakei trotz Verbes-

serungen bis 2008 eine weiterhin hohe Arbeitslosigkeit auf (Abbildungen 13 und 14).

Abbildung 13: Standardisierte Arbeitslosenquote, 2001 und 2008

Quelle: OECD statannex 2009.

Angaben in Prozent

2008 Differenz zu 2001

Span

ien

Slow

akei

Türk

ei

Fran

krei

ch

Unga

rn

Grie

chen

land

Portu

gal

Deut

schl

and

Pole

n

Belg

ien

Italie

n

Finn

land

Irlan

d

Schw

eden

Kana

da

USA

Gro

ßbrit

anni

en

Luxe

mbu

rg

Tsch

echi

en

Aust

ralie

n

Neu

seel

and

Japa

n

Mex

iko

Öst

erre

ich

Schw

eiz

Däne

mar

k

Kore

a

Islan

d

Nie

derla

nde

Nor

weg

en

– 12

– 8

– 4

0

4

8

12 11,49,6 9,4

7,8 7,8 7,7 7,7 7,3 7,2 7,0 6,8 6,4 6,3 6,2 6,1 5,8 5,6 4,9 4,4 4,2 4,2 4,0 4,0 3,8 3,5 3,4 3,2 3,0 2,8 2,51,0

– 9,7

1,0

– 0,5

2,1

– 3,0

3,7

– 0,3

– 11,1

0,4

– 2,3 – 2,7

2,31,3

– 1,1

1,1 0,63,0

– 3,6 – 2,5– 1,1 – 1,0

1,2 0,2 0,9

– 1,1 – 0,8

0,7 0,6

– 1,1

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Weiterhin hohe

Arbeitslosenquote

Page 22: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

20

Langzeitarbeitslosigkeit hatte in Deutschland schon immer einen großen Anteil an der gesamten

Arbeitslosigkeit. Dies gilt auch weiterhin. 2008 waren mehr als 53 Prozent der Arbeitslosen länger

als ein Jahr arbeitslos – ein Zuwachs des Anteils um rund drei Prozentpunkte im Vergleich zu 2001

(Abbildung 15). Dieser Indikator bedarf aber der Differenzierung. In konjunkturellen Aufschwung-

phasen sinkt die kurzfristige Arbeitslosigkeit üblicherweise, weil weniger Personen ihre Beschäfti-

gung verlieren und mehr Arbeitslose wieder einen Job finden. Es gibt also weniger Eintritte in die

und mehr Austritte aus der Kurzzeitarbeitslosigkeit. Die Langzeitarbeitslosigkeit reagiert dagegen

weniger stark auf konjunkturelle Schwankungen. Ähnliches geschieht, wenn Wirtschafts- oder Ar-

beitsmarktreformen für einen Rückgang der Kurzzeitarbeitslosigkeit sorgen. Auch wenn sich die

Zahl der Langzeitarbeitslosen also gar nicht ändert, steigt ihr Anteil an allen Arbeitslosen durch

den Rückgang der Kurzzeitarbeitslosigkeit. Auf der anderen Seite bietet das deutsche Grundsiche-

rungssystem eine generelle Absicherung gegen Einkommensausfall, wobei in der Regel die Verfüg-

barkeit für den Arbeitsmarkt vorausgesetzt wird. So wird in Deutschland der weit überwiegende

Teil der grundsätzlich Arbeitsfähigen, aber Beschäftigungslosen auch tatsächlich als arbeitslos

ausgewiesen, während sie sich in anderen Ländern teilweise in alternativen Transfersystemen be-

finden, z.B. in Erwerbsunfähigkeitsrenten oder Frühverrentung. Daraus resultiert der verhältnis-

mäßig hohe Wert für die Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland. Gleichwohl ist der Anteil nach

der Slowakei der zweithöchste Wert innerhalb der OECD und deutet auf eine erhebliche Verfesti-

gung der Arbeitslosigkeit in Deutschland hin. Niedrige Anteile an Langzeitarbeitslosen finden sich

Abbildung 14: Standardisierte Arbeitslosenquoten im Zeitverlauf

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Deutschland Frankreich Großbritannien Dänemark Schweden Niederlande USA

0

2

4

6

8

10

12

Quelle: OECD.

Angaben in Prozent

Dauerproblem

Langzeitarbeitslosigkeit …

Page 23: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

21

Abbildung 15: Anteil der Langzeitarbeitslosen (> 12 Monate) an allen Arbeitslosen, 2001 und 2008

Quelle: OECD.

Angaben in Prozent

2008 Differenz zu 2001

Slow

akei

Deut

schl

and

Belg

ien

Tsch

echi

en

Grie

chen

land

Portu

gal

Unga

rn

Italie

n

Luxe

mbu

rg

Fran

krei

ch

Schw

eiz

Japa

n

Irlan

d

Pole

n

Türk

ei

Gro

ßbrit

anni

en

Öst

erre

ich

Span

ien

Finn

alan

d

Däne

mar

k

Aust

ralie

n

Schw

eden

USA

Kana

da

Nor

weg

en

Neu

seel

and

Islan

d

Kore

a

Mex

iko

– 20

0

20

40

60

8066,1

53,4 52,6 50,2 49,6 48,3 47,6 47,538,6 37,9 34,3 33,3 29,4 29,0 26,9 25,5 24,2 23,8

18,2 16,1 14,9 12,4 10,6 7,1 6,0 4,4 4,1 2,7 1,712,4

3,0 0,9

– 2,5 – 3,2

10,21,0

– 15,9

10,20,3 4,4 6,7

– 3,7– 14,1

5,6

– 2,3

0,9

– 20,2

– 8,0 – 6,1 – 7,1 – 9,9

4,5

– 2,40,5

– 12,3 – 8,4

0,4 0,7

Abbildung 16: Anteil der Langzeitarbeitslosen (> 12 Monate) an allen Erwerbspersonen, 2001 und 2008

Quelle: EUROSTAT.

Angaben in Prozent

2008 Differenz zu 2001

Slow

akei

Deut

schl

and

Portu

gal

Grie

chen

land

Unga

rn

Belg

ien

Italie

n

Bulg

arie

n

Fran

krei

ch

Mal

ta

Pole

n

Rum

änie

n

Tsch

echi

en

Türk

ei

Span

ien

Lettl

and

Slow

enie

n

Estla

nd

Irlan

d

Luxe

mbu

rg

Gro

ßbrit

anni

en

Finn

land

Lita

uen

Nie

derla

nde

Öst

erre

ich

Schw

eden

Däne

mar

k

Zype

rn

Nor

weg

en

– 8

– 4

0

4

8 6,6

3,8 3,7 3,6 3,6 3,3 3,1 2,9 2,9 2,5 2,4 2,4 2,2 2,2 2,0 1,9 1,9 1,7 1,7 1,6 1,4 1,2 1,2 1,0 0,9 0,8 0,5 0,5 0,3

– 4,7

2,2

0,0 0,00,0

– 1,9

1,00,1

– 2,6

– 9,2

– 1,2

– 6,8

– 1,0– 2,0

0,8

– 1,7

– 5,3

– 1,8

– 4,3

0,4 1,10,1

– 1,3

– 8,1

0,4

– 0,2 – 0,4 – 0,3 – 0,1

in den angelsächsischen Staaten sowie Dänemark – auffällig ist aber, bei einer geringen Arbeitslo-

senquote insgesamt, die Tendenz zu persistenter Arbeitslosigkeit auch in den USA.

Bezieht man die Anzahl der Langzeitarbeitslosen nicht auf den Bestand der Arbeitslosen, sondern

auf die Erwerbsbevölkerung, so liegt Deutschland auch dort mit einem Anteil von knapp vier Pro-

zent im oberen Bereich (Abbildung 16). Langzeitarbeitslosigkeit ist sowohl in Bezug auf die Ge-

samtzahl der Arbeitslosen als auch bezogen auf die Erwerbsbevölkerung wesentlich geringer in

den skandinavischen Staaten, der Niederlande, Österreich, den angelsächsischen Staaten wie Ka-

nada, Großbritannien, den USA sowie einigen neuen EU-Mitgliedstaaten.

Page 24: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

22

Das Niveau der Langzeitarbeitslosigkeit hängt – wie oben beschrieben – auch davon ab, in welchem

Ausmaß beschäftigungslose Personen in alternative Sozialleistungssysteme wechseln und dem Ar-

beitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Inaktivität und Unterbeschäftigung sind innerhalb

der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland damit weiter gesunken und im internationalen

Vergleich relativ niedrig (Abbildung 17). Dies zeigt, dass Arbeitslosigkeit und vor allem auch Lang-

zeitarbeitslosigkeit in Deutschland einen größeren Teil der erwerbsfähigen, aber nicht beschäftig-

ten Bevölkerung erfassen, während die Inaktivität geringer ausfällt – eine Kategorie, die in ande-

ren Staaten einen größeren Teil der nicht erwerbstätigen Bevölkerung umfasst. Die Inaktivität ist

jedoch in den meisten Staaten mit Ausnahme einiger EU-12-Staaten deutlich zurückgegangen.

Bemerkenswert sind also das geringe Niveau und der dennoch starke Rückgang der Inaktivität in

Deutschland. Dies relativiert auch den Befund einer verhältnismäßig hohen standardisierten Ar-

beitslosenquote und des großen Anteils von Langzeitarbeitslosen in Deutschland. Mit anderen

Worten: In Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit besonders hoch, im Falle der Nichterwerbstä-

tigkeit arbeitslos oder langzeitarbeitslos zu sein, während die Inaktivität (außerhalb der Arbeitslo-

sigkeit) eine geringere Rolle spielt. Befinden sich nicht erwerbstätige Personen im erwerbsfähigen

Alter in einem System der Arbeitslosenunterstützung, so bleiben sie eher als in anderen Transfer-

systemen dem Arbeitsmarkt nahe und sind dort potenziell leichter zu reintegrieren.

Abbildung 17: Inaktivität der erwerbsfähigen Bevölkerung, 2001 und 2008

Quelle: EUROSTAT.

Angaben in Prozent

2008 Differenz zu 2001

– 10

0

10

20

30

40

Mal

ta

Unga

rn

Rum

änie

n

Italie

n

Pole

n

Luxe

mbu

rg

Belg

ien

Grie

chen

land

Bulg

arie

n

Lita

uen

Slow

akei

Tsch

echi

en

Fran

krei

ch

Slow

enie

n

Irlan

d

Span

ien

Zype

rn

Estla

nd

Portu

gal

Lettl

and

Öst

erre

ich

Gro

ßbrit

anni

en

Finn

land

Deut

schl

and

Nie

derla

nde

Schw

eden

Nor

weg

en

Däne

mar

k

Schw

eiz

Islan

d41,2

38,537,1 37,0 36,2

33,2 32,9 32,9 32,2 31,6 31,2 30,3 29,6 28,2 28,0 27,4 26,4 26,0 25,8 25,6 25,0 24,2 24,0 23,520,7 20,7 20,0 19,2

17,7

13,8

0,1

– 2,1

5,4

– 2,7

2,2

– 2,7 – 3,5 – 3,9 – 4,4

1,7 1,6 1,0

– 1,8– 4,3 – 4,3

– 8,2

– 2,9 – 4,4– 2,4

– 6,4– 4,3

– 0,9

1,1

– 5,2– 3,6

– 1,2

0,5

– 1,6 – 1,1

2,4

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

…aber relativ

geringe Inaktivität

Page 25: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

23

Aber nicht nur die Inaktivität fällt relativ gering aus, sondern auch die Verbreitung unbefristeter

Vollzeitarbeit. Während oben dargestellt wurde, dass der Anteil der „Normalarbeitsverhältnisse“

sich in Deutschland auf einem moderaten Niveau stabilisiert hat und die Inaktivität zurückging,

haben gleichzeitig flexible Beschäftigungsverhältnisse an Verbreitung gewonnen. Allerdings zeigt

der Querschnitt für die EU-Staaten keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß

der Inaktivität bzw. Arbeitslosigkeit und der Verbreitung von „regulärer“ und „atypischer“ Be-

schäftigung. Einige stärker regulierte Arbeitsmärkte kontinental- und südeuropäischer Prägung

haben bei hoher Inaktivität auch ein hohes Maß an flexibler Beschäftigung (Italien, Belgien und

Spanien), während andere Länder wie Deutschland oder die Niederlande ein höheres Beschäfti-

gungsniveau und eine damit einhergehende geringere Inaktivität mit einem großen Anteil flexib-

ler Jobs verbinden. Sehr hohe Anteile von unbefristeten Vollzeitjobs finden sich sowohl in Ländern

mit hohem Beschäftigungsniveau wie Dänemark oder Norwegen, aber auch in Ländern mit mittle-

rer oder niedrigerer Beschäftigungsquote und höherer Inaktivität, insbesondere in den neuen EU-

Mitgliedstaaten (Abbildung 18).

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Kein Zusammenhang

zwischen

Beschäftigungsstruktur

und Arbeitslosigkeit

Abbildung 18: Struktur der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter nach Erwerbsstatus (2007)

Quellen: European Labour Force Survey, eigene Berechnungen.

0,0

20

40

60

80

100

Däne

mar

k

Schw

eden

Nor

weg

en

Nie

derla

nde

Deut

schl

and

Finn

land

Gro

ßbrit

anni

en

Öst

erre

ich

Port

ugal

Lett

land

Zype

rn

Estla

nd

Irlan

d

Span

ien

Slow

enie

n

Fran

krei

ch

Tsch

echi

en

Slow

akei

Lita

uen

Belg

ien

Grie

chen

land

Luxe

mbu

rg

Bulg

arie

n

Pole

n

Rum

änie

n

Italie

n

Unbefristet Vollzeit

Unbefristet Teilzeit

Selbstständig Befristet Marginale Teilzeit

Arbeitslos inaktiv

Angaben in Prozent

49,4 43,1 47,6 30,7 38,8 45,3 44,8 43,4 40,7 56,5 47,2 57,7 44,1 34,0 46,6 41,5 49,8 49,1 51,5 37,5 34,7 45,1 50,1 30,5 40,2 33,2

6,1 11,5 7,111,0

9,010,1 3,5 5,5

12,12,6 7,6 1,4

5,2

16,410,8

8,54,3

2,62,0

4,6 4,4 4,1 2,7

12,5

0,75,8

6,57,2

5,7

9,37,8

8,69,0 9,3

13,5

6,9

13,1

6,111,1

11,3

8,8 6,710,5

7,88,7

8,921,2

4,7 7,5

12,7

17,6 14,7

10,011,4

11,9

18,5 9,14,4 10,2 10,2

1,2

2,0

1,7

3,5

6,3

3,0

1,46,4

1,3 0,92,3

9,90,9

8,8 0,4

1,1

0,24,4

19,8 21,0 21,8 22,2 24,1 24,9 25,2 25,6 26,0 27,2 27,3 27,5 28,0 28,8 28,8 30,1 30,2 31,8 32,1 33,0 33,0 33,1 34,5 36,9 37,0 37,5

5,1 0,9 4,0 5,54,5 1,5 3,3 2,6 0,2 0,3 0,2 0,3

2,00,6 1,0

0,10,1

0,41,1 0,1

1,3

0,10,5

3,1 4,9 2,0 2,86,6 5,2 4,0 3,3 6,3

4,5 2,8 3,53,4

5,9 3,6 5,73,8

7,63,0

5,0 5,6 2,84,7 6,2 4,3

3,9

Page 26: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

24

Abbildung 19: Anteil der Sektoren an der Beschäftigung, 2000 und 2008

Quelle: EUROSTAT.

Angaben in Prozent

0

20

2000 2008 2000 2008 2000 2008 2000 2008 2000 2008 2000 2008 2000 2008 2000 2008

DeutschlandDänemark EU27EU15 Frankreich Italien Nieder-lande

Groß-britannien

40

60

80

100

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Bergbau und Gewinnung von Steinen, Erden

Verarbeitendes Gewerbe

Baugewerbe

Verkehr und Nachrichtenübermittlung, Kredit- und Versicherungsgewerbe, Grundstücks- und Wohnungs-wesen, Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen

Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung, Erziehung und Unterricht,Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen

Erbringung von sonstigen öffentlichen, persönlichen Dienstleistungen und private Haushalte

Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraft-fahrzeugen, Gebrauchsgütern und Gastgewerbe

Energie- und Wasserversorgung3,68 2,92 3,04 2,53

4,65 3,648,55

5,02 4,34 3,16 1,90 1,865,55 3,98 3,45 2,91

18,1315,09

23,76 22,02 19,9716,80

20,27

17,52 18,7615,08 16,99

12,01

23,0520,53

14,8712,21

0,410,62

0,840,89 0,75

0,73

0,99

0,84 0,810,79 0,72

0,73

0,800,61

0,430,51

6,736,87

8,536,50 7,87

8,11

7,58

8,22 6,507,23 7,10

8,26

7,638,42

6,126,26

16,58 18,19

17,5917,51

18,9219,15

18,0318,84

16,5116,69

19,6119,05

19,7020,17

20,2118,75

19,4319,15

17,10 19,77 18,21 20,1416,82

19,4119,07

20,29

22,3023,22

15,87 19,51

22,4423,47

30,09 31,87 23,41 24,68 23,79 24,94 22,44 24,03 27,24 29,81 25,21 28,63 22,11 19,9928,04 30,98

4,95 5,29 5,74 6,10 5,85 6,47 5,32 6,11 6,76 6,95 6,18 6,25 5,31 6,80 4,45 4,92

Die Veränderung, die die Struktur der Erwerbstätigkeit und der Erwerbsformen in den letzten

Jahren durchlaufen hat, ging in allen Vergleichsländern auch mit einem weiter fortschreitenden

Strukturwandel der Volkswirtschaft einher. In allen Ländern hat die Beschäftigung in der Indus-

trie abgenommen, neue Arbeitsplätze sind in den verschiedenen Bereichen des Dienstleistungs-

sektors entstanden. Nach vergleichbaren Daten von Eurostat für einige ausgewählte europäische

Länder zeigt sich jedoch in Deutschland für das Jahr 2008 noch immer ein relativ starkes Gewicht

des verarbeitenden Gewerbes mit 22 Prozent der Erwerbstätigen und ein vergleichsweise modera-

ter Anteilsverlust von 1,6 Prozentpunkten seit 2001 (Abbildung 19). Im Vergleich der 27 EU-Staa-

ten waren nur rund 15 Prozent der Beschäftigten in der Industrie tätig, ein Rückgang um 4,5 Pro-

zentpunkte gegenüber 2001. Besonders stark gewachsen sind in Deutschland von 2001 bis 2008

jedoch die Bereiche Gesundheit und Soziales (+1,4 Prozentpunkte) sowie unternehmensbezogene

Dienstleistungen und Finanzwirtschaft (+2,3 Prozentpunkte), wo im Vergleich zu den anderen EU-

Staaten von einer nachholenden Expansion im Dienstleistungssektor gesprochen werden kann.

Diese Tendenzen lassen sich auch im europäischen Durchschnitt feststellen, wenngleich Niveau-

unterschiede beim Gewicht der einzelnen Sektoren fortbestehen.

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Wandel der

Erwerbsstruktur …

Page 27: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

25

Die Lohnungleichheit in Vollzeit hat in den meisten Ländern über die letzten Jahre hinweg zuge-

nommen. Ein übliches und international verfügbares Maß für die Lohnspreizung ist die Betrach-

tung von Lohndezilen. Dezile ordnen die Lohnverteilung aufsteigend in Schritten von jeweils zehn

Prozent. Das erste Dezil beziffert den Lohn, den zehn Prozent aller Lohnempfänger nicht errei-

chen, das neunte Dezil dementsprechend den Lohn, der von 90 Prozent aller Lohnbezieher nicht

erzielt wird. Das fünfte Dezil entspricht gleichzeitig dem Median. Dieser teilt die Lohnverteilung

genau in der Mitte, d.h. 50 Prozent aller abhängig Beschäftigten erhalten einen geringeren Lohn,

die anderen 50 Prozent einen höheren Lohn.

Deutschland liegt beim Verhältnis des 9. zum 5. Dezil (oberes Zehntel zum Medianverdienst)

bei rund 1,7, beim Verhältnis des 5. zum 1. Dezil (mittlerer Verdienst relativ zum unteren Zehn-

tel) bei etwa 1,9 (Tabelle 2). Die Spreizung nach oben war zwischen 1997 und 2007 in Deutsch-

land als einzigem Land rückläufig und liegt nun unterhalb des Mittelwertes der OECD-Länder, für

die Daten verfügbar sind, gleichauf mit Dänemark und Finnland. In starkem Kontrast dazu hat

die Spreizung am unteren Ende der Lohnverteilung am stärksten zugenommen und ist nun über-

durchschnittlich ausgeprägt. Mit Irland, Großbritannien, Australien und Neuseeland liegt inzwi-

schen auch eine Reihe angelsächsisch geprägter Länder bei diesem Indikator hinter der Bundesre-

publik. Es gibt also in Deutschland im Zuge des letzten Jahrzehntes mehr Personen mit geringeren

Stundenlöhnen in Vollzeit. Am unteren Ende der Lohnskala sind mehr Jobs entstanden als früher

– insbesondere im privaten Dienstleistungssektor wie etwa im Hotel- und Gastgewerbe, in Callcen-

tern oder bei der Gebäudereinigung.

Analysen für Deutschland zeigen daneben eine besonders ausgeprägte Häufigkeit von niedrigen

Löhnen im Teilzeitbereich, vor allem bei Minijobs und der Kombination von Erwerbstätigkeit auf

Teilzeitbasis mit anderen Einkünften, insbesondere Arbeitslosengeld II („Aufstocker“) oder Ren-

ten (Brenke/Ziemendorff 2008).

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

… und steigende

Lohnungleichheit

Page 28: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

26

Tabelle 2: Lohnspreizung von Vollzeitbeschäftigten, D9 zu D5 und D5 zu D1

D9 zu D5 D5 zu D1

1997 2007 1997 2007

USA 2.20 2.31 (+0.11) 2.10 2.11 (+0.01)

Korea 1.92 2.27 (+0.35) 1.93 2.08 (+0.15)

Kanada 1.76 1.87 (+0.13) 2.00 1.98 (-0.02)

Polen 2.00 2.16 (+0.16) 1.76 1.95 (+0.19)

Ungarn 2.17 2.34 (+0.17) 1.92 1.94 (+0.02)

Deutschland 1.83 1.73 (-0.10) 1.56 1.89 (+0.33)

Irland 2.02 2.03 (+0.01) 1.95 1.86 (-0.09)

Großbritannien 1.86 1.98 (+0.12) 1.84 1.81 (-0.03)

Tschechien 1.68 1.80 (+0.12) 1.65 1.72 (+0.07)

Australien 1.82 1.94 (+0.12) 1.62 1.71 (+0.09)

OECD 1.83 1.92 (+0.09) 1.67 1.70 (+0.03)

Japan 1.85 1.86 (+0.01) 1.63 1.65 (+0.02)

Niederlande 1.72 1.76 (+0.04) 1.64 1.65 (+0.01)

Spanien 2.10 2.14 (+0.04) 2.01 1.65 (-0.36)

Neuseeland 1.71 1.84 (+0.13) 1.59 1.60 (+0.01)

Dänemark 1.68 1.74 (+0.06) 1.45 1.55 (+0.10)

Frankreich 1.92 1.98 (+0.06) 1.59 1.47 (-0.12)

Schweiz 1.60 1.81 (+0.21) 1.51 1.47 (-0.04)

Finnland 1.69 1.76 (+0.07) 1.41 1.45 (+0.04)

Norwegen 1.42 1.47 (+0.05) 1.37 1.44 (+0.07)

Schweden 1.61 1.67 (+0.06) 1.38 1.38 (-0.00)

Quelle: OECD Employment Outlook 2009

Trotz einer Zunahme ist Armut in Arbeit, insbesondere in Vollzeittätigkeiten, nach wie vor eine eher

seltene Erscheinung in Deutschland (Tabellen 3 und 4). Dies gilt sowohl für Alleinstehende als auch

für Paarhaushalte. Daten für Mitte des laufenden Jahrzehnts zeigen, dass bei einem Paarhaushalt

mit einem Vorstand im erwerbsfähigen Alter ohne Erwerbstätigkeit ein Armutsrisiko von 32 Prozent

besteht, bei einer Teilzeittätigkeit noch von 25 Prozent, aber bei mindestens einer Vollzeittätigkeit

lediglich noch von zwei Prozent. Bei Alleinstehenden vermindert die Aufnahme einer Teilzeittätig-

keit das Armutsrisiko von 49 auf 32 Prozent, bei Vollzeitarbeit sinkt das Risiko auf fünf Prozent. Zu

den Alleinstehenden wird in dieser Übersicht auch die große Gruppe der Alleinerziehenden gezählt,

die oftmals aufgrund der mangelnden Vereinbarkeit von Familie und Beruf zusätzliche Schwierig-

keiten haben, auf dem Arbeitsmarkt aktiv zu sein.

3 Der Medianverdienst ist das Einkommen, das die erwerbstätige Bevölkerung in zwei genau gleich große Gruppen teilt: Die eine Hälfte der Erwerbstätigen erzielt weniger, die andere Hälfte erzielt mehr als das Medianeinkommen.

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Armut in Arbeit

relativ selten

Page 29: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

27

Tabelle 3: Armut in und außerhalb von Arbeit

Armut unter der

Bevölkerung im erwerbs-fähigen Alter

Armut in Haushalten mit Vorstand im erwerbsfähigen Alter in %Al

le

Kein

Er

wer

bstä

tiger

Ein

Erw

erbs

tätig

er

Zwei

Erw

erbs

tätig

e

Alle

Kein

Er

wer

bstä

tiger

Ein

Erw

erbs

tätig

er

Zwei

Er

wer

bstä

tige

Mitt

e 20

00er

Verä

nder

unge

n se

it 19

95

Niv

eau,

M

itte

2000

er

Verä

nder

unge

n se

it M

itte

1990

Australien 10 1,2 10 55 7 1 0,4 9,0 -0,5 0,2

Belgien 7 0,5 8 25 8 2 0,0 6,7 0,7 -0,8

Dänemark 5 1,2 5 18 8 1 1,0 4,8 1,5 0,3

Deutschland 8 0,8 12 40 7 1 3,4 4,7 1,9 -0,1

Finnland 7 1,7 6 34 10 1 1,8 13,4 1,2 -0,2

Frankreich 7 -0,6 7 22 10 2 0,1 7,6 0,1 -0,7

Griechenland 9 -1,2 10 26 18 3 -0,5 4,7 3,6 -1,2

Irland 12 3,3 13 63 15 2 … … … …

Island 7 … 7 28 19 4 … … … …

Italien 10 -2,8 11 36 16 1 -3,1 -2,2 -1,3 -3,1

Japan 12 0,4 12 42 14 9 0,8 2,2 1,3 -0,3

Kanada 10 0,9 13 66 21 4 2,5 6,2 6,1 1,2

Korea 12 … 11 58 13 4 … … … …

Luxemburg 8 2,8 9 19 15 3 3,3 7,3 7,3 1,6

Mexiko 15 -2,2 18 37 26 10 -2,9 -3,5 -0,2 -3,5

Neuseeland 11 3,3 12 46 19 4 2,5 15,2 8,5 0,1

Niederlande 7 0,7 8 34 13 2 1,4 6,5 5,9 1,0

Norwegen 7 1,0 6 38 4 0 0,9 1,0 0,0 0,2

Österreich 7 2,2 6 22 6 3 3,6 1,3 1,7 6,1

Polen 14 … 16 33 23 5 … … … …

Portugal 11 -0,4 11 37 24 3 0,0 -2,4 3,3 0,2

Slowakei 8 … 9 38 15 1 … … … …

Tschechien 5 0,7 6 38 7 0 0,9 2,9 -2,0 0,1

Ungarn 7 1,0 7 19 6 4 0,2 -4,9 -4,6 -0,7

Anmerkung: Für Zellen mit “…“ sind keine Werte verfügbar.

Quelle: OECD Growing Unequal (2008b).

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Page 30: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

28

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Tabelle 4: Armut in und außerhalb von Arbeit

Armut in Haushalten mit Vorstand im erwerbsfähigen Alter in %

Alleinstehende Zwei oder mehrere Erwachsene

Niveau, Mitte 2000er

Nicht erwerbstätig

Teilzeit Vollzeit Nicht erwerbstätig

Mindestens1x Teilzeit

Mindestens1 x Vollzeit

Australien 72 12 2 42 13 2

Belgien 29 18 6 22 20 3

Dänemark 22 28 1 15 6 0

Deutschland 49 32 5 32 25 2

Finnland 47 13 2 16 13 1

Frankreich 31 8 6 18 4 4

Griechenland 33 34 9 22 25 8

Irland 75 36 7 55 29 3

Island 23 25 10 40 13 5

Italien 40 50 4 36 33 8

Japan 57 … … 31 … …

Kanada 79 50 11 54 23 4

Korea 53 … … 61 … …

Luxemburg 28 35 12 14 28 10

Mexiko 30 … … 41 … …

Neuseeland 51 41 9 42 … 6

Niederlande 40 … … 27 … …

Norwegen 47 … … 22 … …

Österreich 31 17 5 35 4 4

Polen 40 … … 31 … …

Portugal 58 31 16 33 26 8

Slowakei 35 21 20 40 21 6

Tschechien 56 … 6 28 … 2

Ungarn 39 … … 15 11 2

Anmerkung: Für Zellen mit “…“ sind keine Werte verfügbar.

Quelle: OECD Growing Unequal (2008b).

Page 31: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

29

Der deutsche Arbeitsmarkt hat seinen Charakter gegenüber der Situation zu Beginn des Jahr-

zehnts also deutlich verändert – stärker als viele andere OECD- und EU-Staaten. Flexible Jobs

haben an Bedeutung ebenso gewonnen wie innerbetriebliche Formen der Flexibilität. Beide Ele-

mente haben zu einem verstärkten Wachstum der Beschäftigung im Aufschwung 2006 bis 2008

beigetragen. Wie auch in den meisten anderen Ländern ist der Arbeitsmarkt in Deutschland über

die Zeit aufnahmefähiger, aber auch heterogener im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen und die

Art der Arbeitsverhältnisse geworden. Damit konnte die Inaktivität vermindert werden. Die Lang-

zeitarbeitslosigkeit ist nach wie vor überdurchschnittlich hoch wie auch die Arbeitslosigkeit insge-

samt. Dies ist aber durch die Tatsache erklärbar, dass nicht erwerbstätige Personen in Deutschland

mit höherer Wahrscheinlichkeit als anderswo in Leistungssystemen der Arbeitslosenunterstüt-

zung mit aktiven Integrationsmaßnahmen erscheinen. Ältere und Frauen sind deutlich stärker auf

dem Arbeitsmarkt präsent als noch vor wenigen Jahren. Bei den Frauen, insbesondere Müttern,

dominiert allerdings nach wie vor ein im internationalen Vergleich hoher Anteil an Teilzeitarbeit.

Die vermehrte Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt ging einher mit einer deutlichen, im

Vergleich zu anderen Ländern nachholenden Expansion des Dienstleistungssektors. So wie das

Beschäftigungswachstum bei den Dienstleistungen in Deutschland verspätet einsetzte, so sind

auch Veränderungen im institutionellen Arrangement des Arbeitsmarktes, welche anderswo be-

reits in den 90er Jahren vorangetrieben wurden, in Deutschland erst in dieser Dekade, aber mit

großer Reichweite umgesetzt worden. Die Verbesserung der Beschäftigungslage geht also ein-

her mit Reformen und strukturellen Veränderungen, die durchaus denen in anderen OECD-Staa-

ten entsprechen. Deutschland hat sich gegenüber der Situation Anfang des Jahrzehnts bei der

Beschäftigung substanziell verbessert. Viele der Veränderungen, die Ende der 90er Jahre als not-

wendig und erstrebenswert erschienen, sind mittlerweile realisiert, nicht unbedingt vollständig

und effizient, aber in der Grundausrichtung den Ländern folgend, die mit ihren Reformen bereits

Anfang der 90er Jahre auf Beschäftigungserfolge hingearbeitet haben.

Dies besagt noch nicht, dass alle Probleme gelöst sind. Die Verminderung von Arbeitslosigkeit

und Inaktivität gelang nur, weil vor allem im Dienstleistungsbereich mehr flexible Beschäftigung

entstehen konnte. Nun gibt es mehr Jobs, aber eben auch weniger gut bezahlte, instabilere und

schlechter abgesicherte. Besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang die Ausweitung der

Lohnspreizung am unteren Rand des Verdienstspektrums. Dies kann nicht einfach mit einer stär-

keren Verbreitung von Armut innerhalb oder außerhalb der Erwerbstätigkeit in Verbindung ge-

bracht werden. Arbeit, insbesondere Vollzeitarbeit, vermindert das Armutsrisiko gegenüber der

Nichterwerbstätigkeit deutlich.

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Heterogenere

Arbeitsverhältnisse…

… und Wandel zum

Dienstleistungssektor

Page 32: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

30

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Tabelle 5: Zentrale Arbeitsmarktindikatoren im Überblick

Wert für Deutschland

Durchschnitt Höchster Wert

Niedrigster Wert

Überdurchschnittlich

Standardisierte Arbeitslosenquote 2008 (2001)

7.3 (-0.3) 5.8 ( O ) 11.4 (ES) 2.5 (NO)

Anteil an Langzeitarbeitslosen 2008 (2001) 53.4 (+3.0) 28.2 ( O ) 66.1 (SK) 1.7 (MX)

Schätzungen der NAIRU 2008 (2001) 7.1 (-0.4) 5.5 ( O ) 9.0 (GR) 2.2 (CH)

Lohnspreizung D5 zu D1 2007 (1997) 1.89 (+0.33) 1.72 ( O ) 2.11 (US) 1.38 (SE)

Durchschnittlich

Beschäftigungsquote 2008 (2001) 70.2 (+4.4) 68.3 ( O ) 84.2 (IS) 44.9 (TR)

Erwerbsquote der Frauen 2008 (2001) 69.7 (+5.9) 64.7 ( O ) 82.5 (IS) 26.7 (TR)

Beschäftigungsquote der Frauen 2008 (2001)

64.3 (+5.6) 60.8 ( O ) 80.3 (IS) 23.5 (TR)

Erwerbsquote Älterer 2008 (2001) 58.8 (+15.9) 53.5 ( O ) 84.7 (IS) 28.9 (TR)

Beschäftigung Älterer 2008 (2001) 53.8 (+15.9) 51.5 ( O ) 83.3 (IS) 27.4 (TR)

Beschäftigung Jungerer 2008 (2001) 47.2 (0.2) 43.8 ( O ) 72.1 (IS) 20.0 (HU)

Beschäftigungsquote Geringqualifizierter 2007 (2001)

54.6 (+2.8) 58.4 ( O ) 80.5 (IS) 23.7 (SK)

Armut unter der Bevölkerung unter erwerbsfähigem Alter ca. 2005 (1995)

8.0 (+0.8) 9.0 ( O ) 15 (MX) 5.0 (DK)

Unterdurchschnittlich

Arbeitslosigkeit Jüngerer 2008 (2001) 10.4 (+2.1) 13.2 ( O ) 24.6 (ES) 5.6 (NL)

Armut in Haushalten mit Vorstand im erwerbsfähigen Alter für Alleinstehende auf Vollzeit ca. 2005

5.0 7.7 ( O ) 20.0 (SK) 1.0 (DK)

Armut in Haushalten mit Vorstand im erwerbsfähigen Alter für zwei oder mehrere Erwachsene mit mindestens einer Person auf Vollzeit ca. 2005

2.0 4.6 ( O ) 10.0 (LU) 0.0 (DK)

Lohnspreizung D9 zu D5 2007 (1997) 1.73 (-0.10) 1.92 ( O ) 2.34 (HU) 1.47 (NO)

Anmerkungen: Zuordnung in die drei Bereiche „überdurchschnittlich“, „durchschnittlich“ und „unterdurchschnittlich“ jeweils bezogen auf den aktuellsten verfügbaren Wert für Deutschland im Verhältnis zum Durchschnitt der OECD (O) oder der EU; liegt Deutschland mehr als eine halbe Standardabweichung oberhalb (unterhalb) des Mittelwertes, wird es als überdurchschnittlich (unterdurchschnittlich) bezeichnet. Bezugsjahr für Veränderungen in Klammern.

Quellen: OECD, eigene Berechnungen.

Page 33: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

31

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Tabelle 6: Zentrale Arbeitsmarktindikatoren im Überblick

Wert für Deutschland

Durchschnitt Höchster Wert

Niedrigster Wert

Überdurchschnittlich

Teilzeitquote der Frauen 2008 (2001) 45.4 (+6.1) 24.4 ( EU ) 75.3 (NL) 2.7 (BG)

Rückstand der Beschäftigungsquote von Frauen gegenüber der von Männern bei Vollzeitäquivalenten 2007 (2001)

22.9 (-1.5) 18.6 ( EU ) 40.3 (MT) 7.2 (LT)

Langzeitarbeitslosenquote 2008 (2001) 3.8 (+0.0) 2.2 ( EU ) 6.6 (SK) 0.3 (NO)

Durchschnittlich

Anteil der unfreiwilligen an der gesamten Teilzeit von Frauen 2008 (2001)

19.0 (+7.4) 22.6 ( EU ) 41.3 (GR) 4.1 (NL)

Tatsächliches Renteneintrittsalter 2007 (2001)

62.0 (+1.4) 61.8 ( EU ) 66.3 (IS) 58.7 (SK)

Frühe Schulabgänger 2007 (2001) 12.7 (0.2) 17.8 ( EU ) 47.6 (TR) 7.6 (CH)

Unterdurchschnittlich

Inaktivität der erwerbsfähigen Bevölkerung 2008 (2001)

23.5 (-5.2) 28.0 ( EU ) 41.2 (MT) 13.8 (IS)

Anmerkungen: Zuordnung in die drei Bereiche „überdurchschnittlich“, „durchschnittlich“ und „unterdurchschnittlich“ jeweils bezogen auf den ak-tuellsten verfügbaren Wert für Deutschland im Verhältnis zum Durchschnitt der EU-Länder, für die Daten vorliegen. Liegt Deutschland mehr als eine halbe Standardabweichung oberhalb (unterhalb) des Mittelwertes, wird es als überdurchschnittlich (unterdurchschnittlich) bezeichnet. Bezugsjahr für Veränderungen in Klammern.

Quellen: Eurostat, eigene Berechnungen.

Page 34: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

32

4. Die Arbeitsmarktlage in der Krise

Der weltweite Wirtschaftseinbruch in der Folge der Finanzmarktkrise hat die Lage auf den interna-

tionalen Arbeitsmärkten stark beeinflusst. Dies gilt jedoch für einige Länder mehr als für andere.

Zunächst ist festzustellen, dass insbesondere Länder mit einer starken Exportabhängigkeit einen

Rückgang ihres BIP zu verzeichnen hatten. Inwieweit sich dieser in der Arbeitsmarktbilanz nie-

dergeschlagen hat, ist auch von der jeweiligen Bereitschaft zu staatlichen Interventionen abhän-

gig. Dies lässt sich beispielhaft am deutschen Fall zeigen.

Trotz der starken Abhängigkeit von Exporten aus dem industriellen Bereich und der folglich aus-

geprägten Betroffenheit durch die krisenhafte Entwicklung der Weltwirtschaft ist die Beschäfti-

gung in Deutschland bislang weniger stark eingebrochen und die Arbeitslosigkeit weniger stark

gestiegen als in den meisten anderen Staaten (Abbildung 20).

Abbildung 20: Beschäftigungsentwicklung seit Beginn der Krise in Prozent (letztes Quartal vor der Krise = 0)

Quellen: ILO, eigene Berechnungen.

Angaben in Prozent

Anmerkung: Je nach Datenverfügbarkeit beziehen sich die Zahlen auf das Beschäftigungsniveau im ersten oder zweiten Quartal 2009. Der Beginn der Krise variiert zwischen den Ländern und wurde von den Autoren festgelegt. Als Beginn wurde das Quartal gewählt, in dem entweder a) das BIP im Vergleich zum Vorjahr erstmals sinkt oder b) das BIP um mehr als einen Prozentpunkt weniger wächst als im Vorjahr. Quelle: ILO, eigene Berechnungen.

Nie

derla

nde

Kana

da

Aust

ralie

n

Deut

schl

and

Schw

eiz

Nor

weg

en

Däne

mar

k

Kore

a

Italie

n

Belg

ien

Gro

ßbrit

anni

en

Tsch

echi

en

Grie

chen

land

Pole

n

Neu

seel

and

Japa

n

Fran

krei

ch

Portu

gal

Unga

rn

Öst

erre

ich

Finn

land

Schw

eden

USA

Luxe

mbu

rg

Rum

änie

n

Islan

d

Span

ien

Irlan

d

-0,08

-0,06

-0,04

-0,02

0,00

Die Arbeitsmarktlage in der Krise

Drastische Einbrüche

in einigen Ländern …

Page 35: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

33

Der Vergleich über die letzten Monate zeigt eine deutliche Verschlechterung der Arbeitsmarkt-

lage, gemessen in der standardisierten Arbeitslosenquote, in den USA, in Großbritannien, aber

auch in Irland oder Spanien. Dies sind Staaten, die sich in zweierlei Hinsicht von Deutschland un-

terscheiden:

1. Die USA, Großbritannien, Irland oder Spanien waren zu einem früheren Zeitpunkt als Deutsch-

land vom Platzen der Immobilienblase und den davon ausgelösten Turbulenzen betroffen. Dort

hat sich die Krise mit besonderer Wucht niedergeschlagen und dabei die Realwirtschaft sowie

den Arbeitsmarkt erfasst. Mit dem Andauern der Krise ist jedoch zu erwarten, dass es auch in

Deutschland mit einer gewissen Zeitverzögerung zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit kom-

men wird.

2. Die USA, Großbritannien und Irland, aber auch Dänemark verfügen über vergleichsweise flexi-

ble Arbeitsmärkte, bei denen auch Stammbelegschaften rascher abgebaut (und wieder einge-

stellt) werden. Die Geschwindigkeit bei der Anpassung der Beschäftigung ist damit höher als

in Kontinentaleuropa, wo die Arbeitsplatzsicherheit stärker ausgeprägt ist. Diese institutionel-

len Bedingungen können den Strukturwandel und die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt zwar

hemmen, kurzfristig tragen sie aber zur Stabilisierung der Beschäftigung und zur Nutzung

betriebsinterner Flexibilitätsmöglichkeiten bei, die den sonst erwarteten Abbau von Arbeits-

plätzen dämpfen können. In Spanien ist in einem System mit stark ausgebautem Kündigungs-

schutz vor allem ein Abbau von befristeten Arbeitsverträgen zu erkennen, in Deutschland am

stärksten im Bereich der Zeitarbeit.

Abbildung 21: Kurzfristige Veränderung der Arbeitslosigkeit in den OECD-Staaten, Juli 2008 und Juli 2009

Span

ien

Irlan

d

Slow

akei

Unga

rn

USA

Fran

krei

ch

Portu

gal

Schw

eden

Kana

da

Finn

land

Pole

n

Belg

ien

Deut

schl

and

Luxe

mbu

rg

Tsch

echi

en

Däne

mar

k

Aust

ralie

n

Mex

iko

Japa

n

Öst

erre

ich

Kore

a

Nie

derla

nde

Quelle: OECD.

0

5

10

15

20

Juli 2008 Juli 2009

Angaben in Prozent

11,0

5,9

9,67,8

5,6

7,7 7,7

5,66,2 6,3

7,1 6,9 7,3

4,9 4,33,1

4,3 3,8 4,1 3,6 3,2 2,7

18,1

12,2 11,710,3

9,5 9,4 9,3 9,0 8,6 8,5 8,2 8,1 7,76,4 6,3 6,2 5,8 5,6 5,4

4,4 4,03,3

Die Arbeitsmarktlage in der Krise

Page 36: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

34

Der internationale Vergleich der standardisierten Arbeitslosenquoten im letzten verfügbaren

Monat (Juli 2009) im Vergleich zum Vorjahresmonat zeigt deutlich unterschiedliche Entwicklun-

gen auf den Arbeitsmärkten (Abbildung 21). Infolge der Krise ist die Arbeitslosigkeit zwar in allen

Ländern im ersten Halbjahr 2009 auf ein höheres Niveau als im Frühjahr 2008 angestiegen, die

Differenz fällt aber in Spanien, Irland, Ungarn, den USA, Dänemark oder Schweden deutlich stär-

ker aus als etwa in Frankreich oder Deutschland, Österreich oder der Niederlande. Tatsächlich ist

es so, dass Deutschland bei der standardisierten Arbeitslosenquote die geringste Veränderung von

Juli 2008 bis Juli 2009 aufweist.

Bezogen auf Deutschland ist die Beschäftigung vor allem in der verarbeitenden Industrie und in

der Logistik rückläufig. Beide Bereiche sind durch eine besonders starke Orientierung auf den Au-

ßenhandel geprägt. Dies zeigen aktuelle Daten der Bundesagentur für Arbeit zur Anzahl der so-

zialversicherungspflichtig Beschäftigten (Tabelle 7). Der Rückgang bei den unternehmensnahen

Dienstleistungen ist vor allem auf den Abbau von etwa eines Viertels der Arbeitsplätze in der Zeit-

arbeit zurückzuführen, die weit überwiegend auch als flexible Randbelegschaft in der verarbeiten-

Tabelle 7: Jüngste Beschäftigungsentwicklung

Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im letzten verfügbaren Monat und im Vergleichsmonat 2008 nach Sektoren, Juli 2008 und Juli 2009

Wirtschaftsabschnitt Juli 2008 Juli 2009 Differenz zu Juli 2008

Veränderung in %

Land-, Forstwirtschaft und Fischerei 213.694 216.900 3.206 1,5

Bergbau, Energie- und Wasserversorgung, Entsorgungswirtschaft

545.913 547.100 1.187 0,2

Verarbeitendes Gewerbe 6.531.663 6.344.600 -187.063 -2,9

Baugewerbe 1.574.405 1.577.800 3.395 0,2

Handel, Instandhaltung, Reparatur von Kfz 4.015.675 4.010.200 -5.475 -0,1

Verkehr und Lagerei 1.420.860 1.398.100 -22.760 -1,6

Gastgewerbe 802.754 829.700 26.946 3,4

Information und Kommunikation 839.560 826.700 -12.860 -1,5

Erbringen von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen

987.608 999.700 12.092 1,2

Wirtschaftliche Dienstleistungen 3.537.011 3.394.900 -142.111 -4,0

darunter Arbeitnehmerüberlassung 722.447 549.100 -173.347 -24,0

Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung, externe Organisation

1.666.501 1.690.100 23.599 1,4

Erziehung und Unterricht 1.012.048 1.061.800 49.752 4,9

Gesundheits- und Sozialwesen 3.230.595 3.359.700 129.105 4,0

sonst. Dienstleistungen, Private Haushalte 1.052.156 1.077.100 24.944 2,4

Insgesamt 27.439.707 27.337.400 -102.307 -0,4

Quelle: Bundesagentur für Arbeit.

Die Arbeitsmarktlage in der Krise

Bislang geringe Auswirkungen

in Deutschland …

Page 37: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

35

den Industrie zum Einsatz kommen. Weiterhin ist aber zu beobachten, dass das Niveau der sozial-

versicherungspflichtigen Beschäftigung im Juli 2009 mit -0,4 Prozent nur leicht unter dem Stand

von Juli 2008 lag und einige Sektoren auch über die letzten Monate hinweg einen Aufbau an sozi-

alversicherten Arbeitsplätzen verzeichnen konnten, insbesondere im Bereich sozialer und perso-

nenbezogener Dienstleistungen. Hier ist die Beschäftigungssituation nach wie vor günstig.

Daten des statistischen Bundesamtes bestätigen die weitgehende Stabilität des Beschäftigungsni-

veaus in Deutschland. Im zweiten Quartal 2009 lag die Erwerbstätigkeit lediglich um 0,1 Prozent

niedriger als im Vorjahr. Die Angaben des Statistischen Bundesamtes zur gesamten Erwerbstätig-

keit inkl. Selbstständiger und nicht sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter bestätigen den

weiterhin robusten Arbeitsplatzaufbau in den Dienstleistungsbranchen. Dort wurden Mitte 2009

0,4 Prozent mehr Erwerbstätige gezählt als im Vorjahr. Für das produzierende Gewerbe hat De-

statis wie auch die Bundesagentur einen Rückgang um 1,8 Prozent ermittelt. Der Strukturwandel

setzt sich mithin in der gegenwärtigen Situation weiter fort.

Derzeit ist deutlich zu erkennen, dass über verminderte Arbeitszeiten und die Ausweitung der

Kurzarbeit Beschäftigung stabilisiert wird (Bach et al. 2009). Das Volumen der durchschnittlich ge-

leisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigem sank vom 2. Quartal 2008 bis zum 2. Quartal 2009 um

4,8 Prozent. Bei einer nahezu konstanten Zahl von Erwerbstätigen bedeutet dies, dass der Rück-

gang der Wirtschaftstätigkeit bislang weitgehend intern abgefedert worden und die Produktivität

je Erwerbstätigem zurückgegangen ist.

Abbildung 22: Kurzarbeit in Deutschland, 2007 bis 2009

Bestand West Bestand Ost Anzeigen

0

300.000

Okt.07

Nov.07

Dez.07

Jan.08

Feb.08

März08

Apr.08

Mai08

Juni08

Jan.09

Feb.09

März09

Apr.09

Mai09

Juni09

Juli08

Aug.08

Sep.08

Okt.08

Nov.08

Dez.08

600.000

900.000

1.200.000

1.500.000

Quelle: Bundesagentur für Arbeit.

Die Arbeitsmarktlage in der Krise

… u.a. durch

umfangreiche Kurzarbeit

Page 38: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

36

Rückgänge bei den Auftragseingängen und bei der Produktion können in den deutschen Unter-

nehmen also für einen begrenzten Zeitraum ohne Entlassungen überbrückt werden. Abbildung 22

belegt den sehr starken Anstieg bei den Anzeigen von Kurzarbeit und den zeitverzögert anwach-

senden Beständen, wenngleich der Zustrom zur Kurzarbeit mittlerweile wieder abklingt. Derzeit

sind mehr als eine Million Beschäftigte in Kurzarbeit, zwei Drittel davon in der Automobil- und

Metallindustrie sowie im Maschinenbau. Dies dürfte auch etwa dem Jahresdurchschnitt entspre-

chen. Bei einem mittleren Arbeitsausfall von 34,5 Prozent entspricht dies etwa 430.000 vollzeit-

äquivalenten Arbeitsverhältnissen. Kurzarbeit dämpft dadurch bis auf Weiteres den Anstieg der

offenen Arbeitslosigkeit, wenngleich nicht klar ist, welcher Anteil der Kurzarbeiter wirklich in den

nächsten Monaten von einer Kündigung bedroht sein wird. Das Modell der Kurzarbeit ist somit

eine Möglichkeit der Stabilisierung von Belegschaften in Systemen mit spezifischen Qualifikati-

onsanforderungen, regulierten Arbeitsmärkten und ausgebauter interner Flexibilität (Eichhorst/

Marx 2009c, Crimmann/Wießner 2009).

Mit dem Instrument der Kurzarbeit, flexiblen Modellen der betriebsinternen Arbeitszeitgestaltung

und dem Abbau von flexiblen Randbelegschaften – also Zeitarbeitskräften – konnte die Beschäfti-

gung in der Industrie in Deutschland trotz eines massiven Einbruchs bei den Auftragseingängen

und den Exporten seit Herbst 2008 noch relativ gut stabilisiert werden. Die Unternehmen beugen

damit auch dem möglichen Verlust von Fachkräften und damit betriebsspezifischem Humankapi-

tal vor, das bei einer erneuten Belebung der Aktivitäten benötigt würde. Wenn sich die Anzeichen

auf eine konjunkturelle Wende verstärken, kann davon ausgegangen werden, dass diese Brücken-

funktion von Kurzarbeit und Arbeitszeitflexibilität tatsächlich zum Tragen kommt. Sollte die Krise

länger andauern, sind Entlassungen unvermeidlich. Die unsichere konjunkturelle Situation lässt

jedoch ebenfalls den Schluss zu, dass bei einer gewissen Stabilisierung der Lage auch die Zeitar-

beit wieder vermehrt zum Einsatz kommen wird.

Es ist noch zu früh für eine abschließende Bewertung, ob die deutsche Art der Krisenbewältigung

von nachhaltigem Erfolg geprägt sein wird. Auf der einen Seite lässt sich argumentieren, dass die

Wirkungen einer lang anhaltenden Krise zunächst nur abgeschwächt und verzögert werden, um

später umso persistenter und langwieriger zu sein. Viele derzeit vorliegende Prognosen weisen

in diese Richtung. Es herrscht die Erwartung vor, dass die Arbeitslosigkeit im Winter 2009/2010

und in den darauffolgenden Monaten noch einmal deutlich ansteigt und die Beschäftigung in ähn-

lichem Umfang einbricht.

Auf der anderen Seite zeigen die jüngsten Daten des Statistischen Bundesamtes, dass mit dem

Wachstum des BIP im zweiten Quartal 2009 die Phase der Rezession bereits überwunden ist und

mit einer positiveren Entwicklung als noch zuletzt prognostiziert zu rechnen sein könnte. Damit

könnten sich auch die Auswirkungen der Krise auf den Arbeitsmarkt weniger negativ darstellen.

Ein erneuter Anstieg der Arbeitslosigkeit auf das Niveau von 2005 würde damit weniger wahr-

scheinlich.

Die Arbeitsmarktlage in der Krise

Weiterhin unsichere

Aussichten

Page 39: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

37

5. Zusammenfassung und Ausblick

In der gegenwärtigen Lage ist abzusehen, dass der Beschäftigungszuwachs der vergangenen Jahre

zumindest teilweise wieder verloren gehen wird. Damit stellt sich die Frage, inwieweit dieser auf

strukturelle Verbesserungen oder lediglich zyklische Kräfte zurückzuführen ist. Diese Frage ist

angesichts einer Vielzahl intervenierender Variablen nur schwer zu beantworten. Es lässt sich

aber festhalten, dass sich die Struktur des Arbeitsmarktes verändert hat und sich grundlegend von

der Situation Anfang des Jahrzehnts unterscheidet. Vor allem die „Flexibilitätsreserven“ der atypi-

schen Beschäftigungsformen haben den Arbeitsmarkt an Dynamik gewinnen lassen und geholfen,

Beschäftigungspotenziale im Segment der privaten Dienstleistungen zu erschließen. Im Vergleich

der Aufschwünge 1998-2000 und 2005-2007 zeigt sich, dass bei vergleichbaren Wachstumsraten

der jünste Aufschwung beschäftigungsintensiver verlief (Schmid/Modrack 2008).

Dies bedeutet gleichwohl nicht, dass alle Schwächen überwunden wären. Vielmehr wird die Krise

strukturelle Probleme wieder in den Vordergrund rücken. Hierzu zählt die finanzielle Belastung

durch vergleichsweise kostenintensive passive Arbeitsmarktprogramme und Sozialleistungen. Vor

diesem Hintergrund ist etwa dringend davon abzuraten, Forderungen nach einer Reaktivierung

der Frühverrentung als Instrument gegen die Krise nachzugeben. Die verlängerte Auszahlung

des Arbeitslosengeldes I für Ältere oder die ankündigte Verlängerung der geförderten Altersteil-

zeit um ein Jahr bis Ende 2010 weisen hier in die falsche Richtung. Auch das Instrument der Kurz-

arbeit sollte nicht über den maßvollen, kurzfristigen Einsatz hinaus als strukturkonservierendes

Ausgabenprogramm fehlinterpretiert werden.

Eine weitere „Baustelle“ stellt die Regulierung des Arbeitsmarktes dar. Bislang hat sich die Poli-

tik in ihren Deregulierungsbemühungen auf einzelne Zielgruppen wie Leiharbeiter, Minijobber

oder befristet Beschäftigte beschränkt. Selbst wenn normative Erwägungen außen vor gelassen

werden, stellt sich die Frage, ob mit einer solchen Strategie langfristig alle Privilegien des Nor-

malarbeitsverhältnisses gesichert werden können und die zunehmende Spaltung in „gute“ und

„schlechte“ Arbeitsplätze hingenommen werden sollte. In jedem Fall könnte ein flexibleres Ar-

beitsrecht im Sinne des „Flexicurity-Konzepts“ zu einer ausgewogeneren Verteilung von Flexibi-

litätsrisiken beitragen.

In der Aktivierung von Arbeitslosen wurden in den Hartz-Reformen zweifelsohne große Fort-

schritte gemacht. Für große Teile der Langzeitarbeitslosen gelingt die (Re-)Integration in Beschäf-

tigung aber weiterhin nicht so reibungslos wie in manchen anderen Ländern, etwa Dänemark und

der Niederlande. Nachholbedarf besteht hierzulande weniger auf dem „Fordern“, sondern viel-

mehr auf dem „Fördern“, also in der Qualität der passgenauen Vermittlung und dem adäquaten

Angebot beruflicher Trainings- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Hier wird nach wie vor eine He-

rausforderung für die deutsche Arbeitsmarktpolitik liegen.

Zusammenfassung und Ausblick

Gleichmäßigere Verteilung

von Flexibilisierungsrisiken

„Fördern“ gegenüber

„Fordern“ stärken

Fortbestehende

Schwächen

Tiefgreifende

Strukturveränderungen

Page 40: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

38

Generell stellt der gesamte Bereich der Aus- und Weiterbildung das wichtigste Handlungsfeld für

die Zukunft des deutschen Beschäftigungsmodells dar. Mangelnde Qualifikation ist nach wie vor

die gewichtigste Zugangsbarriere zum Arbeitsmarkt insgesamt und zu dauerhaft gesicherter Be-

schäftigung im Besonderen. Neben hochwertiger frühkindlicher, schulischer und universitärer

Ausbildung sollten auch Maßnahmen des lebenslangen Lernens verstärkte Aufmerksamkeit er-

halten. Hier liegt Deutschland immer noch weit hinter den international führenden Ländern. In

politischen Debatten ist es mittlerweile zum Gemeinplatz geworden, Bildung als zentrale Größe

für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu benennen. Diesen Gemeinplatz konkret umzusetzen,

bleibt Auftrag und Herausforderung.

Abschließend sei angemerkt, dass einige der politischen Ansätze der laufenden Legislaturperi-

ode Anlass zur Mahnung geben: Die Politik hat es in der Hand, in die Handlungsrezepte der 90er

Jahre und davor zurückzufallen oder weiter zukunftsorientierte Reformen zu wagen. Optimistisch

stimmt dabei, dass sich positive Veränderungen auch ohne Zutun des Gesetzgebers vollziehen

können. Als Beispiel sei an die weit verbreitete Praxis erinnert, über Betriebsvereinbarungen ein

flexibles System der Aushandlung von Arbeitsbedingungen zu schaffen. Damit haben die Sozial-

partner nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erheblich gestärkt, sie haben auch be-

wiesen, dass sinnvolle und für beide Seiten akzeptable Veränderungen nicht immer aus der Feder

von Parlament und Regierung stammen müssen.

Zusammenfassung und Ausblick

Bessere Aus- und

Weiterbildung dringlich

Sozialpartnerschaft auf tariflicher

und betrieblicher Ebene

Page 41: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

39

6. Literatur

Bach, Hans-Uwe et al. (2009): Zwischenbericht zur IAB-Arbeitsmarktprojektion 2009 und 2010.

Nürnberg: IAB.

Bassanini, Andrea/Duval, Romain (2009): Unemployment, institutions, and reform comple-

mentarities: reassessing the aggregate evidence for OECD countries. Oxford Review of Economic

Policy 25 (1), 40–59.

Bassanini, Andrea/Duval, Romain (2006): Employment Patterns in OECD Countries: Reas-

sessing the Role of Policies and Institutions. OECD Employment and Migration Working Paper 35,

Paris: OECD.

Brandt, Nicola/Burniaux, Jean-Marc/Duval, Romain (2005): Assessing the OECD Jobs

Strategy: Past Developments and Reforms. OECD Economics Department Working Paper 429,

Paris: OECD.

Brenke, Karl/Ziemendorff, Johannes (2008): Hilfebedürftig trotz Arbeit? Kein Massenphäno-

men in Deutschland. DIW Wochenbericht 75 (4), 33–40.

Clegg, Daniel (2007): Continental Drift: On Unemployment Policy Change in Bismarckian

Welfare States. Social Policy & Administration, 41(6), 597–617.

Crimmann, Andreas/Wießner, Frank (2009): Wirtschafts- und Finanzkrise: Verschnaufpause

dank Kurzarbeit. IAB Kurzbericht 14/2009. Nürnberg: IAB.

Eichhorst, Werner/Marx, Paul (2009a): Reforming German Labor Market Institutions: A Dual

Path to Flexibility, IZA Discussion Paper 4100, Bonn: IZA.

Eichhorst, Werner/Marx, Paul (2009b): From the Dual Apprenticeship System to a Dual

Labour Market: The German High Skill Equilibrium and the Service Economy, IZA Discussion

Paper 4220, Bonn: IZA.

Eichhorst, Werner/Marx, Paul (2009c): Kurzarbeit: Sinnvoller Konjunkturpuffer oder verlän-

gertes Arbeitslosengeld? IZA Standpunkt 5, Bonn: IZA.

Europäische Kommission (2007): Towards Common Principles of Flexicurity: More and Better

Jobs through Flexibility and Security. Brussels.

Hasselpflug, Søren (2005): Availability criteria in 25 countries. Ministry of Finance Denmark

Working Paper 12/2005. Copenhagen.

Literatur

Page 42: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

40

Literatur

ILO (2009): The Financial and Economic Crisis: A Decent Work Response, Genf: ILO.

Konle-Seidl, Regina/Eichhorst, Werner (2008): Does Activation Work? In: Eichhorst,

Werner/Kaufmann, Otto/Konle-Seidl, Regina (Hg.): Bringing the Jobless into Work? Experiences with

Activation Schemes in Europe and the US, Berlin: Springer, 415–444.

Layard, Richard/Nickell, Stephen/Jackman, Richard (2005): Unemployment: Macroeconomic

Performance and the Labour Market. Introduction to 2nd Edition. Oxford: Oxford University Press.

Madsen, Per Kongshøj (2006): Flexicurity – A new Perspective on Labour Markets and Welfare

States in Europe. CARMA Research Paper 2006:03.

OECD (2004): Employment Outlook. Paris: OECD.

OECD (2006): Employment Outlook. Paris: OECD.

OECD (2008a): Employment Outlook 2008. Paris: OECD.

OECD (2008b): Growing Unequal. Paris: OECD.

OECD (2009, im Erscheinen): OECD Employment Outlook 2009. Paris: OECD.

Palier, Bruno/Martin, Claude (2007): Editorial Introduction. From ‘a Frozen Landscape’ to

Structural Reform: The Sequential Transformation of Bismarckian Welfare Systems. Social Policy &

Administration, 41(6), 535–554.

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2008).

Schmid, Günther/Modrack, Simone (2008): Employment Dynamics in Germany: Lessons to be

learned from the Hartz reforms. WZB Discussion Paper 2008-102, February 2008.

Wilthagen, Ton/Tros, Frank (2004): The concept of ‘flexicurity’: a new approach to regulating

employment and labour markets. Transfer 2/04, 166–186.

Page 43: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

41

Page 44: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

42

Impressum

Impressum

© 2009 Bertelsmann Stiftung

Bertelsmann Stiftung

Carl-Bertelsmann-Straße 256

33311 Gütersloh

www.bertelsmann-stiftung.de

Verantwortlich

Eric Thode

Gestaltung

Markus Diekmann, Bielefeld

Infografiken

Jürgen Schultheiß, Bielefeld

Titelfoto

Fotomontage,

Kompass: Fotolia, New York

Druck

Matthiesen Druck, Bielefeld

Page 45: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009
Page 46: Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Deutschland 2000-2009

Adresse | Kontakt

Bertelsmann Stiftung

Carl-Bertelsmann-Straße 256

33311 Gütersloh

Telefon +49 5241 81-0

Fax +49 5241 81-681999

Eric Thode

Telefon +49 5241 81-81581

Fax +49 5241 81-681581

[email protected]

www.bertelsmann-stiftung.de