„permakultur in der niederlausitz“ · vielfältiger gesellschaftlicher bereiche. neben fragen...
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
WEQUA – Wirtschafts- und Qualifizierungsgesellschaft mbH
Am Werk 8
01979 Lauchhammer Ost
„Permakultur in der Niederlausitz“
– eine Machbarkeitsstudie –
Gefördert durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz aus
Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Brandenburg.
Lauchhammer, 11.02.2020
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Gliederung
1. Was ist Permakultur? .............................................................................................................. 3
1.1 Inhaltliche Bestimmung ........................................................................................................... 3
1.2 Einige vertiefende Akzente ...................................................................................................... 4
Tradition und Zukunft .............................................................................................................. 4
Ökosysteme erhalten .............................................................................................................. 4
Permakultur für die Menschen – mit den Menschen ............................................................. 5
Einheit von Inhalt und Methode ............................................................................................. 5
1.3 Verbreitung und Organisationsformen ................................................................................... 6
Solidarische Landwirtschaft ..................................................................................................... 7
Bürgergärten / Urbane Gärten ................................................................................................ 8
„Essbare Städte“ ...................................................................................................................... 9
2. Untersuchungsdesign ............................................................................................................ 11
2.1 Voraussetzungen ................................................................................................................... 11
2.2 Konzeptualisierung ................................................................................................................ 14
2.3 Verlauf und praktische Ansatzpunkte ................................................................................... 16
Kleingartenanlagen ................................................................................................................ 16
Städtische Wohngebiete ....................................................................................................... 18
Bergbaufolgegebiete ............................................................................................................. 20
Landwirtschaft ....................................................................................................................... 21
3. Schlussfolgerungen: Machbarkeit, Gesichertes und Optionales ........................................... 22
3.1 Flächen .................................................................................................................................. 22
3.2 Akteure/-innen ...................................................................................................................... 25
3.3 Qualifizierungsmöglichkeiten ................................................................................................ 28
3.4 Potenzielle Erweiterungen .................................................................................................... 29
3.5 Notwendige Projektausstattung und Finanzierung ............................................................... 32
3.6 Strategie und Prozessmanagement ....................................................................................... 32
3.7 Modellskizze .......................................................................................................................... 34
4. Anlagen .................................................................................................................................. 35
Anlage 1: Übersicht über die Gespräche mit kontaktierten Organisationen und Personen . 35
Anlage 2: Gemeinsamkeiten und Unterschiede Biogarten und Permakultur-Garten .......... 36
Anlage 3: Gemüse-Mischkulturen, die günstige Nachbarschaften bilden ............................ 38
Anlage 4: „Essbare Stadt Albi“ ............................................................................................... 40
Anlage 5: Sozialdaten ............................................................................................................ 46
Anlage 6: Projektflyer ............................................................................................................ 50
Anlage 7: Fotos des Besuches der Gärtnerei de Veldhof ...................................................... 51
Anlage 8: Literhinweise ......................................................................................................... 52
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
1. Was ist Permakultur?
1.1 Inhaltliche Bestimmung
Das Wort „Permakultur“ ist zusammengesetzt aus permanent und agriculture, auf deutsch
„dauerhafte Landwirtschaft“ oder „dauerhafte Kultur“ – ursprünglich ein nachhaltiges Konzept für
Landwirtschaft und Gartenbau, das darauf basiert, natürliche Ökosysteme und Kreisläufe in der Natur
genau zu beobachten und nachzuahmen. Das Konzept entwarf in den 1970er Jahren der Australier
Bill Mollison zusammen mit seinem Schüler David Holmgren.1 Das Verständnis von Permakultur wird
oft im weiteren Sinne auch auf die Beziehungen von Natur und Gesellschaft erweitert.
Wir verstehen in diesem Projekt unter Permakultur einen Weg nachhaltiger Garten- und
Landschaftskultur im Einklang mit den umgebenden sozialen und Ökosystemen.
Permakultur bedingt unseres Erachtens eine ganzheitliche Herangehensweise unter Einbeziehung
vielfältiger gesellschaftlicher Bereiche. Neben Fragen des Pflanzenbaus und der Ökosysteme geht es
um Fragen der Kommunikation, des Baus und des Wohnens, des Rechts, der sozialen Beziehungen,
der Kultur, der Bildung und vieles andere mehr. Ein Gesamtkonzept für diese Herangehensweise gibt
es bisher nicht. Jedoch wollen wir über die Erprobung praktischer Ansätze zur Diskussion um ein
solches Gesamtkonzept beitragen und begeben uns damit auf einen Pfad sozialer Innovationen.
Permakultur ist eine soziale Innovation an sich. Wir möchten hierfür folgende Begründungspunkte
besonders hervorheben:
Permakultur wendet sich gegen die Ausbeutung der Naturressourcen und unterstützt die
gesellschaftliche Transformation zu einer ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltigen
Wirtschaftsweise.
Permakultur bedeutet die Suche nach neuen Wirtschafts-, Arbeits- und Lebensformen und
fördert Einstellungen einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensraumgestaltung,
beispielsweise über Solidar- und Bürgergärten, „pflanzliche“ Wohnbebauungen mit
begrünten Fassaden und Dächern, Brauchwasseranlagen, mit Energieeinsparanlagen,
„essbare Städte“ und über die Renaturierung von Bergbaufolgelandschaften.
Permakultur trägt zum Klimaschutz, im weiteren Sinne zu einem neuartigen, nachhaltigen
Stoffwechsel zwischen Ökonomie und Ökologie und damit zu generationsübergreifendem
Zusammenhalt bei.
Permakultur knüpft an jahrhundertealte Traditionen der Garten-, der Landwirtschafts- und
Klosterkultur mit umfangreichen Erfahrungen zur nachhaltigen Nutzung ökologischer
Ressourcen an, fördert Heimatbewusstsein und verbindet dies mit neuen sozialen
Kommunikationsformen. Hierbei können auch alte lokale Anbau-Verfahren und Erfahrungen
der älteren Generation systematisch ausgewertet und eingebracht werden.
Mit den vorgenannten Punkten entsteht ein breites Tätigkeitsfeld für interessierte lokale
Bevölkerungsgruppen sowie zur Integration von Langzeitarbeitslosen und anderen Benachteiligten.
Die Machbarkeitsstudie soll herausfinden, wo und wie solche sozialen und ökologischen
Innovationen in der Niederlausitz möglich sind und wie sie den bevorstehenden regionalen
Strukturwandel unterstützen können. Beispielsweise kann der Anbau von Obst und Gemüse auf
1 Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Permakultur.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
öffentlichen Flächen nach Permakultur-Verfahren unter Einbeziehung unterschiedlicher
Bevölkerungsgruppen als spezifische soziale Innovation bezeichnet werden. Die Einbeziehung
unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen (Wohnbevölkerung, Flüchtlinge, Langzeitarbeitslose,
Jugendliche, Behinderte u.a.) trägt an sich schon einen sozial innovativen Charakter, mehr noch,
wenn ein solches Projekt zur „essbaren Stadt“ weiter entwickelt wird. Ein angestrebtes
Modellprojekt könnte solche Beispiele unterstützen und ihre Verbreitung anregen.
1.2 Einige vertiefende Akzente
Tradition und Zukunft
Die Landwirtschaft folgte in Deutschland bis in die 50er Jahre – ohne dies so zu bezeichnen –
weitgehend den Prinzipien der Permakultur2: Die landwirtschaftlichen Methoden waren der Natur
angepasst; Kunstdünger und Pestizide wurden nicht eingesetzt. Alles wurde auf den Höfen verwertet
und verwendet. Die Schweine wurden z.B. mit Kartoffelschalen gefüttert. Nichts wurde
verschwendet, sondern möglichst alles weiterverwendet. Reparieren war selbstverständlich. Die
Bauerngärten waren bunt und vielfältig. Vielfältigkeit ist ein hervorstechendes Merkmal der
Permakultur-Gärten und landwirtschaftlichen Permakultur-Hofanlagen.
Ähnlich wurden bereits vor Jahrhunderten die Klostergärten de facto nach den Prinzipien der
Permakultur bewirtschaftet, ohne dass dies so benannt wurde.3
Natürlich kann es nicht darum gehen, das entbehrungsreiche Leben der Vergangenheit wieder
aufzunehmen. Wenn nach den Prinzipien der Permakultur gearbeitet und gelebt wird, soll auf
Komfort und moderne Technologie nicht verzichtet werden. Wie in der industriellen Produktion
immer mehr die Miniaturisierung der Produktionsprozesse Einzug hält (z.B. durch 3D-Druck und
künstliche Intelligenz), so verfolgt auch die Permakultur die Miniaturisierung der Methoden und
Verfahren beim Gemüseanbau und in der Landwirtschaft. Nicht mehr riesige Monokulturen, die mit
riesigen Maschinen bewirtschaftet werden, sondern kleine intensiv bewirtschaftete Einheiten, die
mit kleinteiligen, angepassten technischen Hilfsmitteln bearbeitet werden, heißt die Devise. Es geht
um die Optimierung des menschlichen Arbeitseinsatzes. Daher wird der Anbau von Gemüse und
Früchten so gestaltet, dass dauerhaft möglichst wenig Arbeitseinsatz nötig ist und es möglichst zu
selbsterhaltenden Wachstumsprozessen kommt. Pflanzen werden in Gemeinschaften angepflanzt, so
dass sie sich gegenseitig unterstützten. Richtige Fruchtfolgen können diesen Prozess unterstützen. In
so genannten Waldgärten mit Bodendeckern, Beerensträuchern, Obst- und Nussbäumen soll der
Arbeitseinsatz langfristig möglichst sinken und durch den natürlichen Vegetationsprozess vielseitiger
Ertrag erzeugt werden.
Ökosysteme erhalten4
In funktionierende Ökosysteme soll nicht eingegriffen werden. Vielmehr sollen deren natürliche
Wechselwirkungen unterstützt und beschädigte oder gefährdete Gebiete mit Hilfe von Permakultur
regeneriert werden. Dazu gehören beim Boden Brachflächen, von Erosion bedrohte oder chemisch
determinierte Gebiete, landwirtschaftliche Monokulturen, oder eben auch Braunkohleabbaugebiete. 2 Vgl. Jessi Bloom, Dave Boehnlein: Praxisbuch Permakultur, Haupt Verlag, 2019, S.11 sowie Teilnehmende
Beobachtung in den 50ziger Jahren in einem Dorf in der Eifel. 3 Vgl.: Christa Weinrich: Geheimnisse aus dem Klostergarten, Stuttgart, 2017 - Immerhin gab es Brandenburg
im Mittelalter 76 Klöster. 4 Zu diesem und den folgenden grundlegenden Prinzipien der Permakultur vgl. Bloom et al. a.a.O., S.14 ff.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Aber auch Rasenflächen oder konventionell unter Verwendung von Pestiziden und Kunstdünger
bearbeitete Schrebergärten können zu diesen gefährdeten Boden-Ökosystemen gehören.
Schrebergartenkolonien können sich besonders gut für eine Weiterentwicklung zu
Permakulturgärten eignen. Darüber hinaus geht es auch um den Erhalt anderer Ökosysteme wie
Grundwasser, Teiche, Tierwelt / Insektenwelt, Wald, Siedlungsgebiete, Luft und um all deren
Wechselwirkung.
Permakultur für die Menschen – mit den Menschen
Permakultur wendet sich an die Bewohner/-innen in der Kommune und Region. Sie hat das Potenzial,
auch Benachteiligte und Ausgegrenzte einzubeziehen. Möglichst viele sollen partizipieren können
und einen Vorteil haben.
Auf diesem Wege kann sich ein tragfähiges Umweltbewusstsein bei weiten Schichten der
Bevölkerung entwickeln. Permakultur beinhaltet darüber hinaus ein starkes solidarisches und
kooperatives Element.
Ein Beispiel hierfür sind die sogenannten „essbaren Städte“. In Städten und Gemeinden werden
hierbei auf öffentlichen Flächen Obst und Gemüse nach Permakultur-Verfahren angebaut. Dies
erfolgt unter Einbeziehung der Bevölkerung – auch unter Einbeziehung von Langzeitarbeitslosen und
anderen benachteiligten Gruppen, von Flüchtlingen, Geringverdienern, Rentner/-innen. Aus diesen
Gärten kann sich die ganze Bevölkerung nach bestimmten Regeln bedienen. Näheres hierzu wird im
Abschnitt 1.2 dargestellt.
Permakultur sorgt für die heutigen und künftigen Generationen. Die ökologischen Grundlagen sollen
für die Nachkommen, für die Enkel erhalten bleiben. Der Boden wird nicht ausgelaugt, das
Grundwasser wird nicht verschmutzt, die Pflanzenmischung bewahrt die Stabilität von Flora und
Fauna. In der Forstwirtschaft, in der früheren Landwirtschaft und im Gartenbau Deutschlands war
dies im Grunde seit langer Zeit eine maßgebende Denk- und Verhaltensweise, die heute erneut
Vorbild sein könnte.
Einheit von Inhalt und Methode
Der inhaltliche Anspruch einer nachhaltigen Landschaftskultur im Einklang mit den umgebenden
sozialen und Ökosystemen erfordert entsprechende Methoden der Umsetzung. Sie sollen
umweltschonend, nutzbringend, angepasst und sparsam sein. Es werden kein Kunstdünger und keine
Pestizide eingesetzt. Natürlich strebt Permakultur Überschüsse an Gemüse und Früchten an und
tatsächlich ist langfristig der Ertrag von Permakultur-Flächen höher als beim herkömmlichen Anbau.
Sofern Gemüse und Früchte nicht selbst durch die Erzeuger verbraucht werden können, werden sie
nach möglichst solidarischen Prinzipien an andere weitergegeben oder im ökologischen Kreislauf
wieder eingesetzt (z.B. Samen nutzen, Sätzlinge heranziehen, Abfälle für Kompost oder zum Mulchen
und zum Bodenaufbau nutzen). Durch dieses Anschlussprinzip sollen auch weitere Menschen für den
Ansatz der Permakultur gewonnen werden.
Permakultur-Gärtnereien sind auf einen Kundenkreis angewiesen, der nicht nur Mittel einbringt bzw.
Geld bezahlt, sondern auch verlässlich mithilft. Ansonsten kann eine Permakultur-Gärtnerei im
Konkurrenzkampf mit der herkömmlichen Gemüseproduktion nicht bestehen. Insofern muss eine
Permakultur-Gärtnerei viel Aufklärungsarbeit leisten und den Menschen zeigen, wie aufwendig die
Produktion guten, wohlschmeckenden, einheimischen Gemüses und Obstes ist. Engagement und
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Mithilfe der Interessierten sind nötig. Permakultur erfordert und fördert Initiative, Kooperation und
sozialen Zusammenhalt.
Permakultur bedeutet auch, den eigenen Ressourcenverbrauch und Konsum auf eine
gesundheitsförderliche und ökologisch verträgliche Weise einzustellen. Bevor z.B. die Gewinnung von
Wasser aus dem Boden wegen anhaltender Trockenheit forciert wird, sollte erst geprüft werden, den
Wasserverbrauch zu senken (z.B. durch Brauchwassernutzung, Tröpfchenbewässerung5 oder sehr
sparsames Gießen, das Regenschauer nachahmt).6 Erst recht trifft dies auf die Nutzung von
Oberflächengewässern zu, die ohnehin in den letzten Jahren mit administrativen Mitteln begrenzt
wurde.
Zur Entwicklung von Permakultur gehört auch der Einsatz angemessener und angepassterTechnik. Sie
soll klein dimensioniert sein und zur intensiven Bewirtschaftung passen. Z.B. werden einhackige
Bodenauflockerungsgeräte7 verwendet oder leichte Sämaschinen, beide von Hand zu betreiben. Es
würden auch z.B. zielgenau arbeitende kleine Roboter8 als Hilfsmittel für die Ernte benötigt oder
leichte Maschinen, die mähen und das Grünzeug zerhäckseln können. Im Unterschied zur
herkömmlichen Landwirtschaft werden keine schweren Landmaschinen (z.B. Traktoren,
Mähmaschinen) eingesetzt, die den Boden verdichten. Die im Permakultur-Gemüse- und Obstanbau
eingesetzte Technik soll in der Regel leicht nachbaubar, reparierbar sein und auch recycelt werden
können. Darüber hinaus soll sie energieeffizient sein. Permakultur soll in diesem Sinne mit regionalen
Wirtschaftskreisläufen verbunden werden. Alles wird in einem ständigen Prozess weiter und wieder
verwendet. Abfälle werden z.B. kompostiert und wieder als Dünger verwendet. Die Wärme, die beim
Kompostieren entsteht, wird zum Beispiel in Gewächshäusern verwendet.
1.3 Verbreitung und Organisationsformen
Permakulturansätze spielen zunehmend an innovativen Standorten in Deutschland und Europa eine
Rolle. Sie erscheinen in verschiedenen Organisationsformen und mit verschiedenen Inhalten.
Im Bundesland Brandenburg hat die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNEE)
eine Projektwerkstatt Permakultur aufgebaut, in der grundlegende Konzepte und Methoden der
Permakultur mit ihrem ganzheitlich-integrativen Denk- und Handlungsansatz erlernt werden
können.9 In der Projektwerkstatt bauen derzeit Wissenschaftler und Studenten einen Permakultur-
Garten auf. Unter anderem erlernen die Studierenden die Herstellung und Anwendung von „Terra
preta“ (Schwarze Erde) im Rahmen der Permakultur.
In Brandenburg gibt es ansonsten bislang nur wenige praktische Ansätze der Permakultur: so zum
Beispiel in Kleinkrausnick bei Sonnewalde, verbunden mit dem dezentralen Netzwerk im
5 Tröpfchenbewässerung wurde von Prof. Dr. Piorr von der HNEE im Gespräch 17.9.2019 empfohlen 6 Die Permakulturgärtnerin Valerie van Dijck will in ihrer Gärtnerei de Veldhof, Joppe, Niederlande nicht die
Tröpfchenbewässerung anwenden, da sie meint, die Pflanzen würden verwöhnt und nicht genügend wassersuchendes Wurzelwerk ausbilden. Sie will dagegen Regenschauer nachahmen und im Abstand von 14Tagen die Beete der Gärtnerei sprengen. Dies ist wegen der vergangenen beiden trocknen Sommer nötig. Gespräch am 19.9.2019 mit Valerie van Dijck.
7 Siehe beigefügte Fotos des Besuches der Gärtnerei de Veldhof, Anlage 7. 8 Diese Roboter gibt es noch nicht. Sie sind sehr schwer herzustellen. Hier ist der Mensch besser. U.E. käme
es darauf an, nicht einen vollständigen Roboter herzustellen, sondern ein Gerät, dass den Menschen die Ernte erleichtert.
9 Anlage 1, 2019-09-17 HNEE Eberswalde.
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deutschsprachigen Raum „Permakultur Institut e.V.“ und dessen Permakultur-Akademie. In der
Uckermark gibt es den Stein-Häger-Hof, dessen Betreiber nach Methoden der Permakultur für eine
zukunftsfähige Welt leben und gärtnern. Gewiss gibt es daneben Betriebe mit ökologischer
Landwirtschaft, deren Verfahren Ähnlichkeiten mit jenen der Permakultur haben. Der „Kleine Hof im
Spreewald“ (03096 Werben) betreibt zum Beispiel ökologisch zertifizierten Gemüseanbau und ist
einer „Solidarischen Landwirtschaft“ verpflichtet. In Nähe der Untersuchungsregion Niederlausitz
gibt es einige Permakultur-Beispiele auf der sächsischen Seite (Lausitzer Höfeläden Nebelschütz,
Holderbusch e.V. Waldhufen, Bürgergärten und „Essbare Stadt“ Bautzen).
Mit den genannten Stichworten „Solidarische Landwirtschaft“, „Bürgergärten“ und „essbare Stadt“
sind schon wichtige Organisationsformen der Umsetzung von Permakultur oder zumindest
artverwandte, ähnliche Organisationsformen zur Permakultur genannt. Neben Ökohöfen und
anderen Formen drücken sie ganz besonders die sozial innovative Seite der Permakultur aus.
Solidarische Landwirtschaft
Bei der Solidarischen Landwirtschaft finanzieren die Kunden bzw. Mitglieder ihren Betrieb. Erzeuger/-
innen und Verbraucher/-innen arbeiten verbindlich zusammen.10 In ihrem Buch „Rein ins Grüne –
Raus in die Stadt. Eine Reise durch urbane Gärten“11 vermittelt Renate Künast einen Überblick über
Betriebe solidarischer Landwirtschaft und Bürgergärten.
Solidarische Landwirtschaft auf der Basis von Permakultur kann am Beispiel Odernheim (PLZ 55571)
in Rheinland-Pfalz gezeigt werden.12 Für ein Jahr betragen hier die Eigenbeiträge der Kunden bzw.
Mitglieder pro Monat ca. 70 €.Dafür gibt es neun Monate wöchentlich eine Kiste mit Gemüse. Die
Teilnehmer beteiligen sich auch an der Arbeit, i.d.R. dreimal pro Jahr. Es gibt verschiedene
Abholstellen, die für die Kunden gut erreichbar sind.
Ein ähnliches Modell fanden wir beim Besuch der niederländischen Permakultur-Gärtnerei Tuinderij
de Veldhof mit der sehr erfahrenen Leiter- und Inhaberin Valérie van Dijck vor.13 Die Gärtnerei ist ein
Privatbetrieb, deren Personalkosten allerdings aufgrund der erforderlichen Betriebskosten14 nur
anteilig getragen werden können. Erwachsene Kunden/Teilnehmer/-innen zahlen pro Jahr zwischen
250 und 350 Euro, Kinder sehr viel weniger. Von Mai bis September produziert die Gärtnerei pro
Woche 50 Pakete mit je 5 Portionen Gemüse, die zum Preis von 9 Euro pro Paket an die Mitglieder
abgegeben werden. Es gibt auch selbsterntende Mitglieder und mitarbeitende Mitglieder, die
entsprechend weniger zahlen. Valerie van Dijck wendet sich auch ganz gezielt an Familien, um vor
allem Kindern Gemüse- und Obstanbau zu zeigen. Sie diversifiziert ihr Permakultur-Angebot mit
Demonstrations- (z.B. Gärtnereiführungen) und sonstigen Veranstaltungen (Veranstaltungen zum
ökologischen Fußabdruck, Kinderkochworkshops15 etc.). Diese Aktivitäten möchte sie ausbauen und
verstärkt mit Kindertagesstätten zusammenarbeiten und auf diese Weise auch Eltern zu gewinnen.
10 https://www.solidarische-landwirtschaft.org. 11 Künast, Renate: Rein ins Grüne – Raus in die Stadt, Eine Reise durch urbane Gärten, München, 2019. Siehe
auch die nachfolgenden Darstellungen. 12 https://permaglueck.de. 13 Arbeitsbesuch am 19.9.2019, Tuinderij de Veldhof, De Mark 22, 7431 GD Diepenween, Niederlande;
Besuchsadresse: Veldhofstraat, Joppe, Niederlande; Gesprächspartnerin Leiterin und Besitzerin Valerie van Dijck.
14 Der Lebensunterhalt der Leiterin Valerie van Dijck kann nicht aus den Einnahmen der Gärtnerei bestritten werden. Auskunft beim Arbeitsbesuch am 19.9.2019.
15 Z.B. suchen und ernten Kinder Gemüse in der Gärtnerei und dann wird eine „Hexensuppe“ gekocht.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Valerie van Dijck bezieht nicht nur ihre Kunden, sondern auch freiwillige Helfer in die notwendige
Arbeiten mit ein, darunter sind Arbeitslose und psychisch gehandicapte Personen. Für letztere strebt
sie eine zusätzliche Betreuung, gefördert durch die Kommune (Gorssel) an.
In Frankfurt am Main ist die Genossenschaft „Die Kooperative“16 tätig. Sie beruht ebenfalls auf dem
Selbstverständnis solidarischer Landwirtschaft, betreibt lokale Gemüseproduktion und -versorgung.
Der einmalige Genossenschaftsbeitrag beträgt 200 €. Die Mitglieder haben Mitspracherechte,
erhalten einen regelmäßigen Ernteanteil. Mit der Zeichnung halbjährlicher sog. „Ernteanteile“ wird
der Anbau finanziert. Die Kosten hierfür liegen zwischen 3,60 € bis ca. 53 € pro Woche. Der Betrieb
kooperiert mit 10 weiteren Höfen, veranstaltet freiwillige Aktionen (Sauerkrautstampfen) und hat
sich das Ziel gestellt, einmal ca. 30.000 Menschen zu versorgen.
Bürgergärten / Urbane Gärten
Die Bürgergärten finanzieren sich i.d.R. nicht oder nur zum Teil durch eigene Einnahmen; sie werden
von unterschiedlichen Stellen gefördert, finanzieren sich durch Spenden, beschäftigen Freiwillige
(auch im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes); sie erfahren unentgeltliche Unterstützung durch
ihre Mitglieder.
Der UmweltKulturPark17 Dortmund umfasst ein ca. 12 ha großes Areal. Der Park entstand auf einer
ehemaligen Ackerfläche und wurde als Ausgleichsfläche für die Universitätsbebauung ausgewiesen.
Der UmweltKulturPark wurde mit Mitteln aus dem Naturschutzprogramm Ruhrgebiet und mit
Vereinsgeldern nach den Gesichtspunkten der Permakultur gestaltet und angelegt. Er ist ein
wichtiges Naherholungsgebiet für die Anwohnerinnen und Anwohner. Er ist öffentlich, in ihm
befindet sich auch eine Permakultur-Gartenanlage, die ebenfalls – bei Anwesenheit eines
Vereinsmitglieds – der Öffentlichkeit zugänglich ist. Es gibt einen Förderverein UmweltKulturPark e.V.
Er erhält den Park in Zusammenarbeit mit der Stadt Dortmund und betreibt den in den Park
integrierten Permakultur-Garten.
In den Internationale Gärten Göttingen e.V.18 wird Obst und Gemüse angebaut, unterstützt von der
Stadt, vom Landkreis und anderen. Die Anbauflächen sind Begegnungsorte für Einheimische und
Migrant/-innen. Insgesamt hat der Verein ca. 70 Mitglieder aus 25 Ländern. Es gibt Einzelparzellen
wie auch Gemeinschaftsflächen; es wird einheimisches Gemüse wie auch Gemüse aus den
Herkunftsländern der Migranten/-innen angebaut.19
Der Verein UFER-Projekte Dresden e.V.20 ist ein Trägerverein für urbane Gemeinschaftsgärten. Der
Verein übernimmt die Finanzplanung, die Infrastruktur, die Kommunikation und Verwaltung von
Gemeinschaftsgärten. Es gibt eine Reihe von Gärten, die UFER betreut: z.B. den Gemeinschaftsgarten
Johannstadt21 mit Permakultur-Elementen. Offenbar wird alle Arbeit ehrenamtlich von den
Mitgliedern erledigt. UFER hat zwei Stellen des Bundesfreiwilligendienstes. UFER finanziert sich über
Spenden. Ein von ihm betreuter Garten wurde auch aus ESF-Mitteln gefördert. – UFER bietet einen
Allmende Ansatz: Werkzeuge, fahrradbetriebene Obsthäcksler, Saftpresse, mobile Leinwand werden
gegen eine Spende ausgeliehen. Es geht um die Belebung des Stadtlebens.
16 https://www.diekooperative.de. 17 http://www.umweltkulturpark.de. 18 http://www.internationale-gaerten.de. 19 Künast, S.33 ff. 20 https://ufer-projekte.de. 21 https://gg-joh.de.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Die Annalinde gGmbH22 in Leipzig fördert laut Satzung Naturschutz und Landschaftspflege sowie
Umweltschutz, Jugend- und Altenhilfe sowie Kunst und Kultur, Erziehung und Berufsbildung,
bürgerschaftliches Engagement zugunsten gemeinnütziger Zwecke. Gegenstand des Unternehmens
ist die umfassende Förderung von Gemeinwesen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung
insbesondere von Gartenprojekten und Demonstrationsvorhaben im Bereich der urbanen sozialen
Landwirtschaft. Es wurden Gemeinschaftsgärten (Öko-Soziotope) eingerichtet für einen ganzen
Stadtteil, für Kindergärten, Schulen, Schulverweigerer, Menschen mit Behinderungen, seelisch
Kranke und deren Angehörige, und es wird Beschäftigung im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes
geboten. Es wurden Hochbeete sowie Gartenflächen angelegt, darunter auch für Menschen mit
Fluchtbiographien. In Betriebsnachfolge wurde eine Gärtnerei für urbane Landwirtschaft
übernommen, gefördert vom Bundesamt für Naturschutz. Die Gärtnerei finanziert sich über
Direktverkauf, Lieferung von Gemüsekisten (auch an Gastronomie, Schulkantinen), Soziale Arbeit mit
Kindern, behinderten Kindern, interkulturelle Arbeit, Umweltbildung, Theater, Teilnahme an
Forschungsprojekten (Kompostwärme für Beheizung von Wohncontainern). Die Betreiber/-innen der
Annalinde gGmbH würden es begrüssen, wenn urbane Gärten mindestens die gleiche städtische
Förderung wie städtische Grünflächen erhielten. Darüber hinaus wäre eine Ausweitung von
landwirtschaftlichen Fördermitteln auf die Landwirtschaft im urbanen Raum wünschenswert.
Die Gemüse-Werft Bremen23 ist ein Zweckbetrieb der gemeinnützigen Gesellschaft – Gesellschaft für
Integrative Beschäftigung mbH (GIB) in Bremen. Es werden Menschen mit Leistungseinschränkungen
nach SGB XII (§ 11 Abs. 3 SGB XII und § 53 Abs. 3 SGB XII) beschäftigt, angeleitet von einem
professionellen Gärtner. Sie erhalten einen Zuverdienst, d.h. für die geleistete Arbeit erhalten sie ein
kleines Entgelt zusätzlich zur Grundsicherung nach SGB XII24 (Eingliederungshilfe). Auf einer Fläche
von 6.000 Quadratmetern produziert die Gemüsewerft Gemüse, Obst, Kräuter und Hopfen, Pilze. Sie
legt Hochbeete im Stadtraum an. Die Gemüsewerft möchte sich auch als Diskussionsforum für
gesellschaftspolitische und lebensumweltbezogene Themen etablieren, Platz und geistigen Raum für
kulturelle, künstlerische und wissenschaftliche Ideen bieten.
„Essbare Städte“
In den letzten 10 Jahren hat sich deutschland- und europaweit eine Bewegung „essbare Städte
herausgebildet. Es ist eine besonders ausgeprägte Form von Bürgergärten. In „essbaren Städten“
wird urbaner Raum zum Anbau von Lebensmitteln genutzt – meist pflanzlichen, aber auch tierischen
Ursprungs. Da die Anbauflächen anders als auf dem Land meist sehr begrenzt sind, umfassen die
Aktivitäten im Rahmen der „Essbaren Stadt“ vielfach auch vertikale Elemente wie die Nutzung von
Balkonen, Wänden oder Dachflächen.25 In der Regel verbinden die Städte damit auch im Weiteren
kommunale und soziale Ziele wie die bessere Integration von Langzeitarbeitslosen, anderen
Benachteiligten und/oder von Flüchtlingen, die Versorgung von TAFEL-Organisationen, die
Einbeziehung von Kindern und vieles andere mehr.
22 https://annalinde-leipzig.de. 23 http://www.gemüsewerft.de. 24 http://www.gib-bremen.info/zuverdienst.php. 25 https://de.wikipedia.org/wiki/Essbare_Stadt.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Beispiele für „essbare Städte“ sind in Deutschland Andernach26 und Kassel27 (beide unter Anwendung
von Permakultur), weiterhin Bayreuth, Berlin, Halle, Köln, Minden, München, Nürnberg, Zella Mehlis
und eine ganze Reihe weiterer.
In unmittelbarer Nachbarschaft zur Niederlausitz befindet sich die „essbare Stadt“ Bautzen (Freistaat
Sachsen). Hier entstand im Jahre 2018 durch die Bürgerinitiative „Die Stadtbegrüner“ (loser
Zusammenschluss von etwa 10 Bürgern der Stadt Bautzen) über bewilligte Mittel des
Bürgerhaushaltes das Projekt „Essbare Stadt“. Gemeinsam mit der Stadtverwaltung suchten die
„Stadtbegrüner“ geeignete Standorte, um auf öffentlichen Flächen essbare und heimische Pflanzen
in Permakultur anzubauen. Neben der Michaeliskirche wurden dann Beerensträucher, heimische
Kräuter und Gemüsepflanzen angebaut (ca. 25 bis 30 m2). Die Bepflanzungen von Hochbeeten im
Stadtzentrum wurden von Mitarbeitern der Beteiligungs- und Betriebsgesellschaft Bautzen mbH zur
Verschönerung der Stadt angelegt und gepflegt. Insgesamt befindet sich das Projekt „essbare Stadt“
in Bautzen jedoch noch im Anfangsstadium.28
Parallel zu Deutschland hat die Idee der „essbaren Städte“ auch in anderen europäischen Ländern, in
den USA und darüber hinaus Fuß gefasst. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Stadt Seattle (USA), in
der eine öffentliche Fläche von 21.000 m2 in einen „essbaren“ Permakultur-Wald verwandelt wird.29
Ein anderes Beispiel ist die Stadt Albi in Frankreich30. Albi möchte bis zum Jahre 2020 zum
Selbstversorger in punkto Lebensmittel werden. Allen 51.000 Einwohnern der französischen Stadt
Albi soll ab 2020 die Möglichkeit eröffnet werden, Zugang zu Nahrungsmitteln zu haben, die in einem
Umkreis von 60 Kilometern rund um die Präfektur Tarn produziert werden.31 Die Stadt kauft hierzu
im Umkreis auf dem Wege des Vorkaufsrechts nicht baureife Flächen auf und verpachtet sie in
Parzellen bis zu einem Hektar an freiwillige „Neu-Gemüsebauern“.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich in jüngerer Zeit sowohl private (solidarische
Landwirtschaft) als auch öffentliche (Bürgergärten, urbane Gärten, essbare Städte) Formen des
Pflanzenanbaus herausgebildet haben, die auf unterschiedlichen Wegen eine Verbindung zwischen
Produzenten, Konsumenten und Verteilern, zwischen Kommunen und Bürger/-innen herstellen. In all
diesen Modellen werden nachhaltige Formen des Anbaus genutzt; werden Pestizide und künstliche
Dünger möglichst vermieden, werden lokale / regionale Kreisläufe und Bürgerbeteiligung angestrebt.
In vielen dieser Modelle spielt Permakultur eine wichtige Rolle. Es kommt darauf an, von diesen
Erfahrungen zu lernen und eigene, spezifische Wege in diese Richtung zu finden. In diesem Sinne
wurde die Machbarkeitsstudie angesetzt.
26 https://www.andernach.de/de/leben_in_andernach/es_startseite.html. 27 https://www.bzfe.de/inhalt/essbare-stadt-kassel-2901.html. 28 Siehe Anlage 1, 2019-09-27 Essbare Stadt Bautzen. 29 https://www.sein.de/essbare-stadt-eine-idee-verbreitet-sich/. 30 Siehe Anlage 4, „Essbare Stadt“ Albi. 31 https://globalmagazin.com/themen/kultur/albi-eine-stadt-wird-lebensmittel-selbstversorger/.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
2. Untersuchungsdesign
2.1 Voraussetzungen
Um die spezifischen Wege für die Entwicklung von Permakultur und damit verbundener
Organisationsformen in der Niederlausitz zu finden, müssen wir einen Blick auf die Voraussetzungen
richten – und sei dies auch nur bezogen auf ausgewählte Aspekte
Region
Wir legen bei dieser Studie jenen Teil der Niederlausitz zugrunde, der zum Land Brandenburg gehört
und beziehen uns hier wiederum auf den Agenturbezirk (Arbeitsagentur) Cottbus mit den
Landkreisen Dahme Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße und der kreisfreien
Stadt Cottbus.32 Schwerpunkt der Untersuchungen ist der Landkreis Oberspreewald-Lausitz (OSL).
Wirtschaftssituation
Die Wirtschaftssituation im Agenturbezirk Cottbus ist schwierig. Die Zufriedenheit der Unternehmen
mit dem Wirtschaftsstandort liegt bei „befriedigend“ und hat sich in den letzten Jahren
verschlechtert. Besonders in den Landkreisen Spree-Neiße und Oberspreewald-Lausitz ist die
Zufriedenheit der Unternehmen deutlich gesunken.33 Laut Konjunkturumfrage der IHK
Südbrandenburg blicken die Unternehmen in allen Branchen mit großer Skepsis in die Zukunft.
Dennoch ist die Investitionsbereitschaft insgesamt noch hoch. Es wird zwar ein Abschwung
befürchtet, aber keine Krise.34 Die Folgen der absehbaren Schließung des Kohlebergbaus sollen zwar
durch erhebliche finanzielle Mittel kompensiert werden, aber es fehlt noch an konkreten Vorhaben,
die einen wirtschaftlichen Aufschwung der Region erhoffen lassen können. Gerade im Landkreis
Oberspreewald-Lausitz sind zudem größere Unternehmen wie Vestas Lauchhammer
(Windkraftanlagen)35, Ortrander Eisenhütte36 oder Tenova TAKRAF in Lauchhammer
(Schwermaschinenbau)37 in wirtschaftlich schwierige Situationen geraten. Hoffnungen – jedoch noch
keine Gewissheit – ergeben sich hingegen aus Investitionsaussichten bei BASF Schwarzheide
(Batterieproduktion).
Arbeitsmarktsituation – arbeitsmarktpolitische Zielgruppen - soziale Gruppen38
Am Arbeitsmarkt machen sich die absehbaren Schwierigkeiten noch nicht bemerkbar, hat sich doch
die Situation in den letzten Jahren deutlich verbessert; die Arbeitslosenquoten sind im ganzen
32 Zur Niederlausitz gehören daneben auch Teile Nordsachsens und Westpolens.
Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Niederlausitz 5.11.2019 Auch die Kohlekommission weist als nördliche Region der Lausitzer Reviers im Land Brandenburg die Landkreise: Dahme Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße und der kreisfreien Stadt Cottbus aus, also das Gebiet der Arbeitsagentur Cottbus. Vgl. Abschlußbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ Beschluss vom 26.01.2019, S. 15
33 DIMA Marktforschung; Standortzufriedenheitsanalyse Südbrandenburg, Cottbus, März 2019. 34 Konjunkturumfrage Südbrandenburg, https://www.cottbus.ihk.de. 35 Siehe https://www.rbb24.de/studiocottbus/wirtschaft/2019/09/windradbauer-vestas-streicht-500-
stellen.html. 36 Insolvenzanmeldung Oktober 2019; jedoch Fortsetzung der Produktion. 37 Siehe https://www.rbb24.de/studiocottbus/wirtschaft/2019/11/takraf-lauchhammer-baut-stellen-ab.html. 38 Vgl: zu diesem Abschnitt die ausführlichen Angaben zur arbeitsmarktlichen und sozialen Situation im
Arbeitsagenturbezirk Cottbus insgesamt und im Landkreis Oberspreewald-Lausitz (Anlage 5).
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Arbeitsagenturbezirk Cottbus zurückgegangen, so auch in Oberspreewald-Lausitz.39 Allerdings gibt es
auch aktuell einen großen Kreis von Arbeitslosen, Langzeitarbeitslosen und anderen
arbeitsmarktpolitischen Zielgruppen im ganzen Arbeitsagenturbezirk Cottbus (AA Cottbus) und dem
Landkreis Oberspreewald-Lausitz (OSL). Im Folgenden wird die Situation in OSL gezeigt (Weitere
Sozialdaten zum AA-Bezirk Cottbus und Landkreis OSL befinden im Anhang, Anlage 5). OSL schneidet
unter den zum Arbeitsagenturbezirk Cottbus gehörenden Landkreisen vergleichsweise am
schlechtesten ab. Die Arbeitslosenquote lag im Januar 2020 lag im Landkreis OSL bei 8,1% in Bezug
auf alle zivilen Erwerbspersonen (im Arbeitsagenturbezirk Cottbus hingegen bei 6,3%); die
Gesamtzahl der Arbeitslosen betrug in OSL 4.655 und die der Unterbeschäftigten (ohne Kurzarbeit)
5.824 – die Unterbeschäftigungsquote liegt bei 9,9% (AA-Bezirk Cottbus 8,1%).40
Auf 501 Arbeitslose mit Zielberufen Land-, Forst-, Tierwirtschaft, Gartenbau kommen 9 gemeldete
offene Stellen in diesen Zielberufen – 56 Arbeitslose auf 1 Stelle (AA Cottbus: 20:1).41
Unter den Arbeitslosen waren in OSL im Jahr 2017 53,2%, die eine Helfertätigkeit anstreben.42 Unter
denen, die eine sozialversicherungspflichtige Arbeit finden, sind aber nur zu 33,7% Arbeitslose mit
Helfertätigkeit. Langzeitarbeitslos waren 1.667 Personen, 38,7% aller Arbeitslosen (AA Cottbus 35%).
Langzeitarbeitslos waren im Januar 2020 im Landkreis OSL 1.674 Personen, 36% aller Arbeitslosen im
Landkreis OSL (im AA Cottbus 32,6%). Es gab 2.200 arbeitslose Ältere ab 50 Jahren – 47,4% aller
Arbeitslosen im Landkreis OSL (AA-Bezirk Cottbus 45,2%). Weiterhin waren unter den Arbeitslosen im
Landkreis OSL 256 Schwerbehinderte und 317 Ausländer.43
4.981 Menschen im Landkreis Oberspreewald-Lausitz sind geringfügig Beschäftigte, darunter 3.480
ausschließlich und 1.501 im Nebenjob.44
Die überwiegende Mehrheit – rd. 70% - der Arbeitslosen im Landkreis OSL konzentriert sich auf den
Rechtskreis des SGB II: 4.981 Menschen im Rechtskreis SGB II sind arbeitsuchend (69% aller
Arbeitssuchenden im Landkreis), 3.222 Menschen im Rechtskreis SGB II sind arbeitslos (69% aller
Arbeitslosen im Landkreis), darunter 1.587 langzeitarbeitslos (95% aller Langzeitarbeitslosen im
Landkreis).
Um ein Gesamtbild zu erhalten, muss man auf die Gesamtheit der Leistungsbeziehenden nach SGB II
schauen: insgesamt 6.415 erwerbsfähige Leistungsberechtigte sowie 1.822 nicht erwerbsfähige
Leistungsberechtigte. Das sind im Landkreis OSL insgesamt 8.237 „Hartz-4-Empfänger“ in insgesamt
5.272 Bedarfsgemeinschaften.45
39 Vgl. Hrsg. Zukunftswerkstatt Lausitz (Heideweg 2, 02953 Bad Muskau): DIE LAUSITZ, ZAHLEN & FAKTEN. EIN
ÜBERBLICK, 2. Ausgabe, August 2018, S. 13; www.zw-lausitz.de 25.1.2020. 40 Agentur für Arbeit Cottbus, (Monatszahlen), Oberspreewald-Lausitz, Januar 2020, Tabelle Eckwerte. 41 Ebenda, Tabelle Berufe. 42 Vgl. Hrsg. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, a.a.O., S. 42; hier ist der Anteil der Arbeitslosen
mit dem Anforderungsprofil: Helfer ausgewiesen. 43 Agentur für Arbeit Cottbus, (Monatszahlen), Oberspreewald-Lausitz, Januar 2020, Tabelle Eckwerte. 44 Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Regionalreport über Beschäftigte, Oberspreewald-Lausitz, Stichtag
30.06.2019, Tabelle 1. 45 Vgl. ebenda, Tabelle Eckwerte SGB II und eigene Berechnungen.
13
Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
In den Bedarfsgemeinschaften lebten im Oktober 2019 insgesamt 6.520 erwerbsfähige
Leistungsberechtigte und 1.900 nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte – unter ihnen insgesamt
2.469 Kinder, 927 Alleinerziehende, 926 Ausländer.46
Neben den Leistungen nach SGB II und III erhalten viele Menschen auch Sozialleistungen nach SGB XII
und nach Asylbewerberleistungsgesetz. Im Jahre 2018 erhielten insgesamt 443 Menschen Hilfe zum
Lebensunterhalt (SGB XII, Kap. 3), 1.942 Menschen Leistungen nach SGB XII, Kapitel 5-947 und 547
Personen Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz.48
Allein diese Angaben zeigen, welch ein Handlungsdruck bereits heute besteht. Die Integration von
Langzeitarbeitslosen und anderen Benachteiligten in den Lausitzer Strukturwandel wird sich nicht
von selbst vollziehen49; allein die Zahl der Benachteiligten in dieser Region verweist auf die
Dringlichkeit, entsprechende beschäftigungsschaffende Konzepte zu entwickeln. Die Chancen für
eine Verbesserung der Lebenssituation dieser Menschen bleiben gering und verbessern sich nicht
automatisch durch den geplanten Strukturwandel. Es bedarf gezielter Maßnahmen, um diese
sozialen Gruppen auf dem Wege des Strukturwandels in eine positive Perspektive einzubinden. Allein
durch die Strategie der „Kohlekommission“ wird dies bestenfalls durch indirekte
Beschäftigungseffekte gewährleistet.
Eignung von Permakultur und „essbaren Städten“
Wie im ersten Teil gezeigt, können Permakultur-Projekte als auch die anderen aufgeführten
Beispiele, insbesondere die Bürgergärten, einen Beitrag bei der Bewältigung des Strukturwandels
leisten, weil sie beschäftigungsschaffend wirken können und einen ergänzenden Motivationsfaktor
für die Bevölkerung darstellen. Wie in den Beispielen beschrieben, kann man hierzu öffentliche
Förderung unterschiedlicher Art verbinden mit freiwilligen Aktionen, mit Selbstversorgung,
Unterstützung der TAFEL, Aufbau von Tauschbörsen u.a. für Samen und von kleinen
Wertschöpfungsketten, von solidarischen Wirtschaftsformen etc. Es geht hierbei um wechselseitige
Ergänzung und unterstützende Motivation. Dadurch kann es zu ungewöhnlichen Konstellationen
kommen, die das Potential haben, das beschäftigungspolitische Instrumentarium in Bezug auf die
Bewältigung des Strukturwandels anzureichern.
Die Einbeziehung unterschiedlicher sozialer Gruppen und deren Begegnung im Rahmen von
praktischen Tätigkeiten, die mit der Erzeugung von Nahrungsmitteln zu tun hat und wozu alle einen
Bezug haben, kann den sozialen Zusammenhalt aufbauen – auch mit Menschen aus anderen
Kulturkreisen.
Zudem waren wir davon ausgegangen, dass Teilnehmer/-innen nach einer entsprechenden
Vorbereitung im Rahmen von gärtnerischer Arbeiten und Qualifizierungen eine Beschäftigung bei der
Rekultivierung der Bergbaufolgelandschaften, von denen die ganze Niederlausitz und auch der
46 Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Strukturen der Grundsicherung, Oberspreewald-Lausitz, Oktober 2019,
Tabelle 1. 47 Vgl. www.statistik-berlin-brandenburg.de,Menü Statistiken, Öffentliche Sozialleistungen, Sozialhilfe,
Regionaldaten. 48 Vgl. ebenda, Menü Statistiken, Öffentliche Sozialleistungen, Asylbewerberleistungen, Regionaldaten. Diese Leistungen erhalten Asylbewerber und abgelehnte Bewerber, die zur Ausreise verpflichtet sind, sowie
geduldete Ausländer anstelle der Sozialhilfe. 49 Vgl. dazu auch Hrsg. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit: „Die
Lausitz. Eine Region im Wandel“, IAB-Regional. IAB Berlin-Brandenburg 3/20185, November 2018.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Landkreis Oberspreewald-Lausitz geprägt ist, finden könnten. Insofern war unser Blick auf die überall
offensichtlich vorhandenen Bergbaufolgelandschaften als Aktionsbereiche gerichtet.
„Lausitzer Mentalität“
Aufgrund ihrer sprichwörtlich „bodenständigen“ Denk- und Verhaltensmuster, ihres ausgeprägten
Pragmatismus neigen die Südbrandenburger/-innen in der Regel nicht dazu, sich auf Experimente
einzulassen. Daher war bei der Ansprache von Institutionen, Unternehmen und anderen
Organisationen mit Zurückhaltung gegenüber der Projektidee zurechnen. Fortschritte in Richtung
Permakultur und Bürgergärten sind nur möglich, wenn bei jedem Schritt erkennbar ist, welcher
Aufwand und welche Effekte entstehen, welche Menschen aktiv mitwirken und ob das Ganze
langfristig tragbar ist. Dementsprechend musste die weitere Projektkonzeption realistisch von diesen
Gegebenheiten ausgehen.
2.2 Konzeptualisierung
Auswahl der Ansprechpartner/-innen
Die WEQUA verfügt über jahrzehntelange Erfahrungen der Zusammenarbeit mit den verschiedensten
Ansprechpartnern in der Region, insbesondere in OSL. In einem ersten Arbeitsschritt wurden auf
dieser Grundlage Ansprechpartner/-innen bzw. deren Organisationen zusammengestellt, die
nachbisherigen Erfahrungen ein Unterstützungs- bzw. Mitwirkungspotenzial für Permakultur oder
Bürgergärten bilden könnten. Die Kontaktaufnahme erfolgte überwiegend durch persönliche
Gespräche, in einigen Fällen auch per Mail oder per Telefon. Eine Liste von insgesamt 53 Gesprächen,
kontaktierten Organisationen und Personen befindet sich in Anlage 1.50 Den Schwerpunkt sollten
Gespräche mit Personen und Organisationen bilden, die für eine praktische Umsetzung eines
Projektes unmittelbar relevant wären: Dazu gehörten einerseits Ansprechpartner/-innen, die für die
Gewinnung von Teilnehmer/-innen bedeutsam sind, andererseits solche, die für die Bereitstellung
von Permakultur-Flächen in Betracht kämen.
Es war darauf zu achten, dass Ansprechpartner/-innen bzw. Organisationen und Unternehmen aus
verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und aus verschiedenen Kommunen herausgesucht
werden. Auch spielte eine Rolle, inwiefern seitens der WEQUA schon Beziehungen zu diesen
Partnern/-innen bestehen und ob solche relativ schnell hergestellt oder vertieft werden könnten.
Territorial war der Schwerpunkt zunächst das Gebiet in und um Lauchhammer, im Weiteren waren es
dann auch umliegende Kommunen und Gemeinden im Landkreis und bei einigen Ansprechpartnern
(z.B. IHK, HWK, Nagola Re GmbH) auch in anderen Landkreisen der Niederlausitz.
Bezogen auf die Gewinnung von Teilnehmer/-innen wurden u.a. verschiedene Vereine, Heime für
bestimmte Gruppen (psychisch Kranke, Asylbewerber/-innen), Jobcenter, Wohnungsbau-
gesellschaften etc. vorgesehen.
Für Gespräche hinsichtlich möglicher Flächennutzungen wurden u.a. Kleingartenvereine, die
zuständigen Ämter der Kommunen, Wirtschaftsförderungsgesellschaften auf Kreisebene, das
Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften e.V. und auf den Bergbaufolgelandschaften aktive
Umweltschutzorganisationen ausgewählt.
50 Anlage 1: Übersicht über die Gespräche mit kontaktierten Organisationen und Personen.
15
Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Darüber hinaus wurden Kontakte zu Institutionen und Fachleuten in anderen Bundesländern (so
Sachsen / Nebelschütz, Bautzen), zu Hochschulen (HNE Eberswalde mit ihre Projektwerkstatt
Permakultur; BTU Cottbus, Lehrstuhl Volkswirtschaftslehre und Umweltökonomie), zum
Permakultur-Pionier in Deutschland Prof. Declan Kennedy (Lebensgarten Steyerberg e.V.)
aufgenommen. Diese Kontakte halfen bei der Präzisierung der Tätigkeitsinhalte eines Modellprojekts
sowie bei der Konzipierung von Qualifizierungen und anderes mehr. Diesem Zweck dienten auch die
internationalen Kontakte und Besuche (Besuch der Permakulturgärtnerei Tuinderij de Veldhof in den
Niederlanden; spezifische Auswertungen zum Projekt der „essbaren Stadt“ in Albi / Frankreich, die
eine lokale Versorgung mit Lebensmitteln anstrebt).
Öffentlichkeitsarbeit
Eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit war vorgesehen und wurde realisiert. Nicht nur, dass das
Projekt auf der Web-site der WEQUA einen eigenen Platz bekam, es wurden darüber ansprechende
Projektflyer geplant, die an allen nur denkbaren Stellen/Institutionen – Gartenkolonien, Rathäusern,
Jobcentern, Integrationsbegleitungs-Projekten, Vereinen, Lotsendiensten, Flüchtlingsheimen,
Elterntreffpunkten – verteilt wurden. Darüber hinaus wurde eine sich wiederholende Sendesequenz
im Stadtfernsehkanal gedreht, die eine Einladung zu einer Informationsveranstaltung enthielt.
Vorgehen in den Gesprächen
Es wurden „Leitfadeninterviews“ durchgeführt. Der Leitfaden enthielt Erläuterungen zum Anliegen
des Projekts, Fragen zur prinzipiellen Unterstützung der Projektidee, sowie konkrete Fragen nach
möglichen Teilnehmer/-innen und möglichen Permakultur-Flächen. Wir sind bewusst nicht immer
unmittelbar mit der Idee „Permakultur“ in die Gespräche gegangen, weil Permakultur für die meisten
der Gesprächspartner noch unbekannt ist. Der Ansatz der Bürgergärten, zumal es dafür auch
Beispiele in den ostdeutschen Bundesländern gibt51, erschien uns leichter vermittelbar Wir wollten in
den Gesprächen erkunden, ob eine Möglichkeit bestünde, Unterstützung für kommunale
Bürgergärten zu erhalten, die dann – so unsere Herangehensweise – zunehmend mit Methoden der
Permakultur bearbeitet würden. Bürgergärten (einschließlich der Idee „essbare Stadt“) und
Permakultur sehen wir insofern als zwei Ideen, die miteinander verbunden sind. Dies wollen wir auch
in einem Fortsetzungsantrag für ein Modellprojekt so zum Ausdruck bringen.
Aktionsbereiche
Im Laufe der Gespräche kristallisierten sich drei Aktionsbereiche heraus, die vertiefend untersucht
werden sollten. Es handelte sich bei diesem Herangehen um eine Methode der „Aktionsforschung“,
die es ermöglichte und intendierte, den Untersuchungsgegenstand selbst zu beeinflussen und
während des Untersuchungsprozesses die Herangehensweise und Ausrichtung schrittweise zu
präzisieren. Die folgenden Aktionsbereiche zur weiteren Vertiefung waren:
einerseits:
1. Kleingartenanlagen und
2. Städtische Wohngebiete
und andererseits die ursprünglich ins Auge gefassten Bereiche:
3. Bergbaufolgelandschaften und
4. Landwirtschaft. 51 Vgl. dazu die hier vorliegende Studie S. 10 f. und die Vorhaben im nahegelegenen Bautzen in Sachsen.
16
Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
2.3 Verlauf und praktische Ansatzpunkte
Kleingartenanlagen
Situation der Kleingartenanlagen
Anders als im Metropolenraum in und um Berlin, besteht im peripheren Raum Brandenburgs häufig
das Problem, dass in den Kleingartenanlagen zu wenig Pächter vorhanden sind.52 Dies hängt mit dem
demografischen Wandel und auch mit veränderten Bedürfnisstrukturen zusammen. Ein großer Teil
der Gärten steht leer und verwahrlost, obwohl die Pacht ausgesprochen niedrig ist. Andererseits
haben Kleingärten eine lange Tradition als Erholungsräume, zur Freizeitbeschäftigung, zur
Gesundheitsvorsorge und sozialen Integration. Deutschlandweit gibt es zunehmend auch
Pächterfamilien mit Migrationshintergrund. Kleingärten können ein wichtiger sozialer Integrationsort
sein – und mehr noch: Hier bestehen beste Voraussetzungen und Erfahrungen für biologischen
Anbau, Verzicht auf Pestizide und künstliche Düngemittel, mithin auch für die Entwicklung von
Permakultur.
Absprachen mit dem Kleingartenverein „Morgensonne“
Einen ersten Ansatzpunkt für die Entwicklung von Permakultur fanden wir in einer Kleingartenanlage
in Lauchhammer, die vom Kleingartenverein „Morgensonne“ gemanaget wird und deren Flächen
kommunales, städtisches Eigentum sind. Es gab mehrere Gespräche mit Vorstandsmitgliedern des
Gartenvereins und mit der Stadtverwaltung.53 Der Kleingartenverein hat bereits Erfahrung mit der
Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen, da sie im Rahmen von Arbeitsgelegenheiten, von der
WEQUA betreut, in der Kleingartenanlage tätig waren und dort Gemüse angebaut haben, welches an
die „TAFEL“ geliefert wurde. Der Vorstand des Kleingartenvereins bekundete nunmehr (03.09.2019)
Interesse, an dem Projekt „Permakultur“ teilzunehmen. Im Jahr sei eine Nutzung einer Fläche von ca.
2.250 m2 möglich, die bis Oktober 2019 als Biogartenfläche verwendet wurde; was eine gute
Voraussetzung für Gemüseanbau nach Permakultur-Verfahren ist. Eine Erweiterung der Nutzflächen
ist bei Bedarf auf 3.500 m2 möglich. Die Stadt Lauchhammer als Grundstückseigentümerin stimmte
am 10.09.2019 zu, dass eine Teilfläche von ca. 2000 m2 bis maximal 3500 m2 der WEQUA GmbH zur
Durchführung des Projektes „Permakultur“ (d.h. für ein nachfolgendes Modellprojekt) zur Verfügung
gestellt werden kann. Prinzipiell ergibt sich aus diesen Zusagen, dass Langzeitarbeitlose und andere
Benachteiligte sowie Anwohner für die Bearbeitung dieser Fläche eingeladen oder / und mit
Unterstützung des Jobcenters entsprechende Maßnahmen entwickelt werden können.
So ergab sich tatsächlich als nächstes die Frage, wer denn in Zukunft (in einem Modellprojekt) beim
Aufbau von Permakulturflächen arbeiten kann. Wir dachten natürlich in erster Linie an
Langzeitarbeitslose und generell an Leistungsbeziehende nach SGB II. Zunächst erlangten wir hierzu
eine allgemeine Unterstützungszustimmung des Jobcenters – denkbar wären aus unserer Sicht
sowohl Maßnahmen nach §16d SGB II als auch §16i SGB II. Im Einzelnen kann dies erst besprochen
und beantragt werden, wenn ein Modellprojekt tatsächlich bewilligt ist. Bereits in der Vergangenheit
waren Pächter aus der Kleingartenanlage behilflich bei der Anleitung von Langzeitarbeitslosen. Für
ein Modellprojekt „Bürgergärten und Permakultur“ dürfen wir wiederum mit einer guten
Zusammenarbeit mit den Kleingärtnern rechnen. Auch besteht die Möglichkeit einer Beschäftigung
52 So auch die Aussage im Gespräch mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Landkreis Elbe-Elster, Frau
Sabine Münster, am 30.8.2019. 53 Siehe Anlage 1: Gespräche am 21.8., 4.9., 10.9., 30.9., 9.11.2019.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
von Menschen, die Leistungen nach SGB XII (Sozialhilfen) erhalten, insbesondere diejenigen, die
außerhalb von Einrichtungen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen.54 Darüber hinaus könnten
psychisch gehandicapte Personen, die im betreuten Wohnen leben55, mitarbeiten oder und
Menschen, die Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz beziehen.56
Sofern „Jobcenter-Maßnahmen“ nach SGB II entwickelt werden, wird die Zustimmung der Industrie-
und Handelskammer (IHK) und Handwerkskammer (HWK) benötigt. Wir haben dies geprüft: Im
Kontakt mit beiden Kammern stimmten die zuständigen Vertreter/-innen prinzipiell solchen
Maßnahmen im Zusammenhang mit Permakultur zu.57
Permakultur als ökologischer-sozialer Gestaltungsprozess – Absprachen mit dem Bezirksverband
Aus den Gesprächen mit dem Vereinsvorstand ergaben sich weitere Optionen. Einvernehmlich wurde
besprochen, dass „Permakultur“ als ein ökologischer und sozialer Gestaltungsprozess entwickelt
werden sollte. Hierzu gab es weitere Umsetzungsvorschläge für die Arbeiten auf den Pachtflächen
des Kleingartenvereins „Morgensonne“.58
Weiterbildungsveranstaltungen können zum Beispiel die Gemeinsamkeiten zwischen biologischem
Gartenbau und Permakultur-Gartenbau umfassen59 oder die Frage, welche Bepflanzungen gute
Nachbarschaften, gute Wechselwirkungen miteinander haben.60
Damit ergab sich eine Vielzahl von einvernehmlichen Vorstellungen, wie Permakultur auf den
Pachtflächen der Gartenkolonie „Morgensonne“ umgesetzt werden kann. Die Vorschläge sind
realistisch, weil sie vom Vereinsvorstand akzeptiert oder selbst vorgeschlagen wurden.
… und nicht nur vom Vereinsvorstand. Am 9.11.19 fand in der Kleingartenanlage eine gemeinsame
Veranstaltung mit Vorstandsvertretern des Bezirksverbandes der Gartenfreunde statt. Die
Veranstaltung wurde vorher über das Lokalfernsehen bekannt gemacht. Eine Zustimmung des
Bezirksverbandes ist unbedingt notwendig, wenn die oben angedachten Perspektiven umgesetzt
werden sollen. Diese Zustimmung wurde im Verlaufe der Veranstaltung gegeben. Den Vertretern des
Bezirksverbandes ist ein ähnliches Projekt „Permakultur“ in den Kleingartenvereinen des Landes
Brandenburg nicht bekannt. Sie würden dieses Projekt medienwirksam über das
Schrebergartenportal und über das Kleingartennetzwerk vorstellen und begleiten. Alle Anwesenden
zeigten sich zuversichtlich, dass mit Beginn eines Modellprojektes das Interesse der anwohnenden
Bürger/-innen zunehmen wird.61
Darüber hinaus ergeben sich weitere Optionen:
54 Vgl. dazu die hier vorliegende Studie S. 9 das Bremer Beispiel. Die Bremer Gemüsewerft ist ein
Zweckbetrieb der gemeinnützigen Gesellschaft für Integrative Beschäftigung mbH (GIB) in Bremen. Es werden Menschen mit Leistungseinschränkungen nach SGB XII, Behinderte bzw. von Behinderung Bedrohte beschäftigt. Sie erhalten einen Zuverdienst, d.h. für die geleistete Arbeit erhalten sie ein kleines Entgelt zusätzlich zur Grundsicherung nach SGB XII (http://www.gib-bremen.info/zuverdienst.php 24.20.2019). Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln der Eingliederungshilfe.
55 Vgl. dazu den Besuch bei der Permakulturgärtnerin Valérie van Dijck, de Veldhof, Niederlande, 19.9.2019. In der Gärtnerei sind bereits psychisch gehandikapte Arbeitslose tätig.
56 Asylbewerber/-innen können nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz auch außerhalb von Einrichtungen für Arbeitsgelegenheiten eingesetzt werden.
57 Siehe Anlage 1, Gespräche am 11.09.2019. 58 Siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschnitt 3.2. 59 Siehe Anlage 2: Gemeinsamkeiten und Unterschiede Biogarten und Permakultur-Garten. 60 Siehe Anlage 3: Gemüse-Mischkulturen, die günstige Nachbarschaften bilden. 61 Anlage 1, 2019-11-09 Gartenfreunde Bezirksverband.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Seitens der Betreiber der nahe liegenden Asylunterkunft Lauchhammer werden unsere
Bemühungen, Geflüchtete in das Projekt „Permakultur“ einzubeziehen, unterstützt.62
Prinzipiell ergeben sich auch Möglichkeiten, Erfahrungen des Pflanzenanbaus aus den
Herkunftsländern von Flüchtlingen einzubeziehen.
Für die Anleitung von Menschen aus Jobcenter-Maßnahmen oder von Flüchtlingen können
neben Anleitern, die anteilig über Jobcenter-Maßnahmen finanziert werden und neben
Mitarbeitern eines Permakultur-Modellprojekts auch ehrenamtliche Personen aus dem
Kleingartenverband tätig werden.
Nach einem Gespräch mit einer Trägerorganisation für betreutes Wohnen („Brücke e.V.“63)
ergeben sich Möglichkeiten, Menschen mit psychischen Problemlagen, die in dieser
Einrichtung wohnen, für die Teilnahme an einem Permakultur-Projekt einzuladen.
Beim Gespräch mit Vertretern der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
wurde einvernehmlich die Idee hervorgebracht, dass die Hochschule bei einem
Modellprojekt Permakultur eine Begleitung übernehmen könnte. In der Kleingartenanlage
„Morgensonne“ (Lauchhammer) könnte eine Art „Lehrgarten“ entstehen, der von Vertretern
der HNEE begleitet wird.
Die Kleingartenanlage kann zu einem Modellprojekt für Permakultur auch für andere
Kleingärten in der Region werden. In faktisch allen Städten und vielen weiteren Kommunen
in der Niederlausitz gibt es Kleingartenanlagen, die in der Richtung Bürgergärten und
Permakultur ihre eigenen Zukunftschancen verbessern könnten. Wenn derzeit
Kleingartenanlagen noch Probleme haben, Nutzer zu gewinnen, wäre es in Zukunft möglich,
Informationsnetzwerke zu klimafreundlichen Permakultur-Verfahren, zur nachhaltigen
Bodenbehandlung (Mulchen, terra preta, Kompostierungs- bzw. Fermenterierungsverfahren
mit Pflanzenkohle, Kompost-Klos), zur Bewässerung/Brauchwassernutzung, zum Vorhalten
von Naturwiesen und zur sozialen und wirtschaftlichen Kooperation mit dem lokalen Umfeld
zu entwickeln. Kleingartenanlagen könnten so zu Kernen für eine Belebung der lokalen
Zusammenarbeit und des Zusammenhalts werden.
Städtische Wohngebiete
Die Ansiedlung von Permakultur ist in städtischen Wohngebieten besonders voraussetzungsvoll.
Normalerweise sind Abteilungen wie Grünflächenamt, Bauhof, Bauamt für die Nutzung der
öffentlichen Grünflächen oder potenziellen Grünflächen zuständig. Sofern die Städte Aufträge zur
Pflege an Unternehmen übertragen haben, muss ein Modellprojekt „Bürgergärten und Permakultur“
auch mit diesen Unternehmen Kontakte aufnehmen.64
Um einen Zugang zu bepflanzbaren Flächen in städtischen Wohngebieten zu finden, waren
insbesondere folgende Gesichtspunkte zu beachten:
a) Diese Flächen stehen bereits unter Pflege oder zumindest unter Verwaltung von städtischen
Organisationen oder deren Beauftragten. Die zuständigen Verwaltungsämter und
nachgeordneten Organisationen müssen in einem Modellprojekt für eine Zusammenarbeit
mit klarer Verantwortungsteilung gewonnen werden.
62 Anlage 1, 2019-10-02 Flüchtlingsunterkunft. 63 Anlage 1, 2019-10-15 Brücke e.V. 64 Anlage 1, 2019-10-14 Bauamt Großräschen.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
b) Bei Flächen in städtischen Wohngebieten spielen ästhetische Gesichtspunkte eine besondere
Rolle. Bürgergärten – möglichst mit Bestandteilen von Permakultur – sollten die Fläche im
Blick der Einwohner verschönern.
c) Sehr viel hängt davon ab, ob es gelingt, Anwohner zur Mitarbeit zu gewinnen und möglichst
Patenschaften für Beete zu vereinbaren.
Bei den Untersuchungen zur Machbarkeitsstudie wurden zunächst Verantwortliche in zwei Städten
angesprochen: in Großräschen65 und in Lauchhammer66. Dabei testeten wir unterschiedliche Wege
aus: In Großräschen suchten wir nach einer Möglichkeit, Grünflächen in einem Wohngebiet neu zu
gestalten. In Lauchhammer hingegen suchen wir nach einem Weg, in Wohngebieten Hochbeete mit
Permakultur zu etablieren. Nachfolgend wird dies näher erläutert:
In Großräschen bestehen günstige Voraussetzungen für die Etablierung von Bürgergartenflächen mit
Permakultur-Inhalten. Die WEQUA verfügt seit dem Jahre 2010 in Großräschen über eine eigene
Niederlassung. Sie arbeitet als Partner der Stadt und als Initiator beim Aufbau eines regionalen
Netzwerkes. Die Stadt erlangte im Rahmen des bundesweiten Programms „Soziale Stadt –
Investitionen im Quartier“ eine Förderung und setzt ein entsprechendes Programm aktiv um. Hieraus
ergeben sich Möglichkeiten der Synergie mit einem Modellprojekt „Bürgergärten Permakultur“.
In Großräschen stehen die zuständigen Verwaltungsbereiche einem potenziellen Projekt
„Bürgergärten Permakultur“ in der Stadt (Allgemeine Verwaltung; Bauamt, Bauleitplanung) positiv
gegenüber. Prinzipiell wurde zugesagt, dass eine Flächennutzung in der Stadt Großräschen und den
dazugehörigen Ortsteilen für unser Projekt möglich ist.67 Daraufhin wurden ein Besichtigungstermin
und weiter führende Gespräche über Nutzungsbedingungen vereinbart. Eine von der Stadt für ein
Modellprojekt ausgesuchte Fläche in einer Kleingartensparte wurde von den Vereinsmitgliedern der
Kleingartenanlage zunächst abgelehnt. Eine geeignete Fläche für ein Permakultur- und Bürgergarten-
Projekt wurde sodann in einem Neubauwohngebiet im Areal der „sozialen Stadt“ avisiert. Dort soll
eine Obstbaumplantage, angelegt durch Baumspender und Anwohner des Stadtgebietes, entstehen.
Es könnte daraus ein Bürgergarten auf Grundlage der Idee „essbare Stadt“ entstehen. Durch die
Kontakte mit der Stadt Bautzen können hierfür die Erfahrungen dieser Stadt genutzt werden.68 In
einem Modellprojektantrag sind die beabsichtigten Aktivitäten in Großräschen zu beschreiben und
eine entsprechende Förderung zu beantragen.
In Lauchhammer gehen beabsichtigen wir zunächst, in einem Wohngebiet die Aufstellung von
Hochbeeten nach Permakultur-Prinzipien zu testen: Die Hochbeete können in der Werkstatt der
WEQUA mit Maßnahme-Teilnehmer/-innen gebaut werden, um sie dann in Wohngebieten
aufzustellen. Es müssen Patenschaften über die Hochbeete organisiert werden; eine Anleitung ist
erforderlich, die entsprechende Wohnungsverwaltungsgesellschaft sollte die Idee unterstützen.
Seitens der Stadtverwaltung zeigt sich konstruktive Offenheit gegenüber einer solchen Idee.69
Weitere Möglichkeiten für städtische Bürgergärten und Permakultur könnten sich in Lübbenau,
Schipkau und vor allem in Ruhland ergeben. In Lübbenau verfügt die Projektträgerin WEQUA GmbH
ebenfalls über eine Niederlassung und jahrelang bewährte Projektvernetzungen. Diese können
65 Anlage 1, 2019-10-14 Bauamt Großräschen. 66 Anlage 1, 2019-09-18 Stadt Lauchhammer. 67 Ein entsprechender Letter of intent liegt dem Projektantrag für ein Modellprojekt bei. 68 Siehe Anlage 1, 2019-09-27 Essbare Stadt Bautzen. 69 Anlage 1, 2019-09-18 Stadt Lauchhammer.
20
Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
genutzt werden, um bei einem Modellprojekt Informationen, Gespräche und Beratungen zum Thema
„Bürgergärten und Permakultur“ gut zu platzieren. In Schipkau stand die Stadt dem Anliegen
Bürgergärten / Permakultur positiv gegenüber, verwies aber auf weitere Gespräche nach einer
Bewilligung eines Modellprojekts.70 In Ruhland können wir uns auf den aktiven Verein „Verein-t im
Zollhaus Ruhland e.V.“ stützen, der im Letter of intent für unseren Modellprojekt-Antrag die
Bereitschaft für das Anlegen von offenen Bürgergartenflächen mit Permakultur erklärt hat.
Bergbaufolgegebiete
Die Lausitzer Mitteldeutsche Bergbau Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) ist das bergbaurechtlich
verantwortliche Unternehmen und die Projektträgerin der Bergbausanierung, des
Wassermanagements und des Flächenmanagements in den ehemaligen Abbaugebieten der
Braunkohle. Das Flächenmanagement schließt auch den Verkauf an Gebietskörperschaften, an
Unternehmen oder Privatpersonen ein. Hieraus sollen nachhaltige wirtschaftliche Nutzungen und
dauerhafte Arbeitsplätze entstehen. Im Zusammenhang mit der Bergbausanierung gibt es bereits
jetzt vielfältige ökologische Initiativen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob sich ein
Modellprojekt „Permakultur“ in Partnerschaft mit anderen Organisationen an diesen Initiativen
beteiligen kann. Im Konzept der LMBV selbst ist dies nicht vorgesehen; wir erhielten entsprechende
ablehnende Auskünfte aus der LBMV und von verschiedenen weiteren Akteuren, darunter auch aus
dem Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften. Jedoch haben wir im Rahmen der
Machbarkeitsstudie geprüft, ob sich ein Projekt Bürgergärten und Permakultur an bereits
bestehenden Sanierungsvorhaben seitens Subunternehmen oder Kommunen beteiligen könnte.
In diesem Zusammenhang haben wir uns an die NagolaRe GmbH in Jänschwalde, an das
Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften (FIB e.V.) in Finsterwalde und an den
Naturschutzbund Deutschland (NABU) gewandt.71
Nagola Re setzt sich für eine landschaftliche Renaturierung in der Lausitz und innovative
Renaturierungstechniken ein. Die ehemaligen Bergbauflächen sollen durch umfassende
Renaturierungen zu Naturschutzflächen werden. Eine landwirtschaftliche Nutzung kommt hier nicht
in Betracht. Auftraggeber für diese Arbeiten ist die LEAG(Lausitz Energie Bergbau AG MIT Sitz in
Cottbus). NagolaRe baut regionales Saatgut an, ab 2020 darf beim Straßen- und Deichbau ebenso wie
bei der Bergbausanierung nur noch Saatgut aus heimischen Vorkommen ausgebracht werden.
Permakulturanbau oder Bürgergärten sind hier nicht möglich; ebenso wenig eine Integration von
Permakultur in die Naturschutzflächen, zum Beispiel von Blühwiesen für Insekten und zur
Verschönerung. Ungeachtet dessen könnte dies weiter geprüft werden, falls sich die
Rahmenbedingungen ändern. Die Geschäftsführerin, Frau Grätz von Nagola Re, hat sich bereit
erklärt, im Rahmen eines möglichen Folgeprojektes Informations- und Qualifizierungen zur Anlage
von Naturwiesen durchzuführen.
Im Gespräch beim Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften (FIB e.V.)72 wurde zwar die
Bedeutung von Permakultur unterstrichen, jedoch keine realistische Möglichkeiten gesehen, hierfür
Bergbaufolgeflächen zu nutzen. Die Nutzung aller Bergbaufolgeflächen sind im Braunkohleplan,
einem groben Flächennutzungsplan, festgelegt und verplant. Die Nutzung vor dem Braunkohleabbau
wird dort widergespiegelt. Sie werden nach den Anteilen ihrer Nutzung vor dem Braunkohleabbau
70 Anlage 1, 2019-08-16 BM Schipkau. 71 Siehe Anlage 1, 2019-10-29 Nagola Re GmbH, 2019-11-06 FIB, 2019-12-10 NABU. 72 Anlage 1, 2019-11-06 FIB.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
wieder einer neuen Nutzung zu geführt. So werden entsprechende Gebiete für Wald, für
Naturschutzflächen und für die Landwirtschaft vorgesehen. Frei verfügbare Flächen gibt es nicht.
Auch gibt es eine hohe Nachfrage nach landwirtschaftlichen Böden. Die Böden (Kippen) sind ohne
Humus, werden teilweise sauer. In siebenjährigen Fruchtfolgen mit hohen Luzerneanteilen,
spezifischem Dünger und Kalk (Aufkalken) wird ihr Humusgehalt aufgebaut bzw. erhöht. Diese
Arbeiten nehmen die Landwirte, denen die Flächen gehören, mit schweren Maschinen,
Spezialmaschinen, professionell vor. Beschäftigungsmöglichkeiten für zusätzliche Arbeitskräfte
werden hierbei nicht gesehen. Permakultur eigne sich zudem nur für kleinere Flächen, nicht für so
große Rekultivierungsvorhaben. Ortsnahe Flächen, die erreichbar wären, gäbe es auch ohnehin nicht.
Gleichwohl unterstrich unser Gesprächspartner im FIB, Dr. Hildmann, dass Permakultur ein sehr
sinnvolles Verfahren sei, das in der Region entwickelt und ausgebaut werden sollte. Es könnten alte
Verfahren der Selbstversorgung genutzt werden. Die Verfahren der Permakultur– so der Waldgärten,
der Mischung aus Obstbäumen, Sträuchern, Gemüsen, Bodendeckern – führten mittel- und
langfristig dazu, dass der Arbeitseinsatz sinken und man „ständig“ ernten könnte. Dann käme man in
den Bereich der Wirtschaftlichkeit – so der Experte des FIB – besonders, wenn die Ernte durch die
Kunden vorgenommen wird. Wichtig seien auch eine ansprechende Gestaltung, das Design der
Gärten, die Beachtung von Windrichtungen etc. Dazu müsse man die Kooperation zwischen
Hobbypflanzern und Fachleuten entwickeln.
In Folge wurde Kontakt zum Amt Kleine Elster, Ortsteil Massen73, dem Bauamt aufgenommen,
welches für die Bergbaufolgeflächen, Sanierungsgebiet Tagebau Klettwitz, zuständig ist. Dieses liegt
im Vergleich mit anderen Sanierungsgebieten nahe bei Lauchhammer. Die Leiterin, Frau Mudrag, gab
den Hinweis, sich an den Naturschutzbund Deutschland (NABU) zu wenden, der im Wesentlichen
über die Naturschutzflächen verfügt.
Das Gespräch beim Naturbund (NABU-Senftenberg) erbrachte laut Schutzgebietsbetreuer ebenfalls
die Information, dass in den Schutzgebieten der Bergbaufolgelandschaften keine Flächen für solche
Zwecke, wie sie das Projekt anstrebt, verpachtet werden bzw. genutzt werden könnten. Die
Hauptverfahrensweise des NABUs sei es auch, die für den Naturschutz vorgesehen Flächen völlig
unberührt zu lassen, also auch nicht mit Rekultivierungsmaßnahmen, wie Humusaufbringung,
Permakultur oder Naturwiesenanlagen einzugreifen.
Landwirtschaft
Ähnliche Zurückhaltung oder Ablehnung erfuhren wir bei der Frage, ob Betriebe mit traditioneller
landwirtschaftlicher Produktion Teile ihrer Flächen (zum Beispiel Randstreifen) für Permakultur
nutzbar machen könnten. Alle Experten, die wir dazu befragten, waren hierzu skeptisch bzw.
verneinten dies.74
Bereits im ersten Kontakt mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft im Landkreis Elbe-Elster75 wurde
uns gesagt, dass (wohl) die Suche nach landwirtschaftlichen Flächen aussichtslos sei, dass Interesse
herkömmlicher Landwirte sei (wohl) nicht vorhanden. Die Landwirtschaft sei ein hartes Geschäft.
Zudem gebe es Förderung, wenn man Flächen brach liegen ließe oder Blühstreifen anlegen würde.
73 Gespräch (telefonisch) 2019-11-07 Amt Kleine Elster, Ortsteil Massen 74 So Anlage 1, 2019-09-11 Landesamt Lawi; 2019-08-30 Wirtschaftsförderung EE Landwirtschaft; Information
von Regionalmanagement LAG-Energieregion im Lausitzer Seenland. 75 Gespräch (telefonisch) 2019-08-30 Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Landkreis Elbe-Elster.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Permakultur spiele dabei keine Rolle. Vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und
Verbraucherschutz, Land Brandenburg, Zuständigkeit für Fachkräftesicherung in der Landwirtschaft76,
wurden wir an das Landesamt für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft77 verwiesen,
dort an einen Kollegen, der Erfahrung in Permakultur hat. Es ergab sich daraus ein interessantes
Treffen zu Bodenverbesserung mit dem Kollegen78, zu terra preta und Pflanzenkohle, allerdings nicht
in amtlicher Funktion, sondern als Experte.
Auch der direkte Kontakt zu der Agrargenossenschaft e.G. Großräschen, zu der einerseits die WEQUA
über gute Arbeitsbeziehungen zur WEQUA verfügt und die andererseits für Neuerung aufgeschlossen
sei79, ergab kein Anknüpfungspunkt für die Etablierung von Permakultur-Flächen.
Der Bioland Ost e.V. hat dagegen angeboten, dass Informationen über ein (mögliches)
Nachfolgeprojekt auf seiner online-Plattform „info und warenbörse des Bioland Ost e.V.“ eingestellt
werden könnten, um Kooperationspartner zu finden80, zum Beispiel für eine Einstellung von
geschulten ehemaligen Langzeitarbeitslosen mit einer Förderung (z.B. § 16 i SGBII).
Auch die BIO-Gärtnerei „Sonnentau“ in Kolkwitz81 hat sowohl fachliche Unterstützung zugesagt als
auch die Möglichkeit von Praktika.
3. Schlussfolgerungen: Machbarkeit, Gesichertes und Optionales
3.1 Flächen
Generell hat sich im Verlaufe der Arbeit an der Machbarkeitsstudie herausgestellt, dass gegenwärtig
die Großflächen der Bergbaufolgelandschaften und der Landwirtschaft auf Grund der bestehenden
Nutzungskonzepte nicht für die Etablierung von Bürgergärten und Permakultur zur Verfügung
stehen. Das schließt nicht aus, dass perspektivisch kleinere Teile der genannten Flächen in das
Konzept Bürgergärten und Permakultur einbezogen werden können, sofern sich hierfür
Rahmenbedingungen ändern.
Realistisch ist aber die Entwicklung kleinerer Flächen als Bürgergärten und Permakultur-Flächen.
Hierbei geht es vor allem um zwei Bereiche: a) Kleingartenanlagen, b) innerstädtische
Wohngebietsflächen. Ergänzend können Eigentumsflächen der Projektentwicklerin WEQUA
eingesetzt werden.
76 Gespräch (telefonisch) 2019-09-11 Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz, Land
Brandenburg 77 Gespräch (telefonisch) 2019-09-11 Landesamtes für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft,
Brandenburg 78 Gespräch 2019-10-28 IfN -Ingenieurbüro für Nachhaltigkeit, Ludwigsfelde, Alfons Krieger 79 So ein Hinweis am 2019-12-05 Freie Universität Berlin, AG Geoökologie, workshop BodenBilden von Frau
Dr. Ursula Weiß, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projektes: „Verwertung von Gemüse- und Grünschnittabfällen zur Herstellung von Pflanzenkohlesubstrat für ein klimafreundliches Gärtnern – Modellprojekte in der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung“, FU Berlin, und vormals 5 Jahre am FIB tätig empfahl die Agrargenossenschaft von Großräschen als Kooperationspartner für den Einsatz von Pflanzenkohle.
80 Gespräch (telefonisch) 2020-2-3 mit dem Bioland Ost e.V., Frau Cora Petrick. Eine mail vom 18.11.2019 war nicht beantwortet worden.
81 Gespräch 2019-09-26 BIO- Gärtnerei „Sonnentau“ Kolkwitz, Geschäftsführer Herr Kochan
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Nachfolgend werden diese beiden „Standbeine“ der Entwicklung von Bürgergärten und Permakultur
zusammenfassend und weiterführend dargestellt. Es stehen folgende Flächen für die Entwicklung
von Bürgergärten und Permakultur in Aussicht:
Zu a) Kleingartenanlagen: Seitens der Kleingartenanlage „Morgensonne“ in Lauchhammer wurde die
Zusammenarbeit mit einem Modellprojekt „Bürgergärten und Permakultur“ zugesichert. Dies betrifft
nicht nur die Nutzung von Flächen, sondern auch die Weiterungen in Richtung der Einbeziehung von
Anwohnern/-innen, Fragen der Kommunikation, ökologischen Bildung und Qualifizierung, des
ehrenamtlichen Engagements und anderes mehr. 2020 können 2.250 m2 genutzt werden, bei Bedarf
erweiterbar bis auf 3.500m2. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Kleingartenanlagen in der
Niederlausitz zu einem großen Teil nicht genutzt werden, weil Pächter fehlen. Allein im Landkreis
Oberspreewald-Lausitz gibt es 36 Kleingartenvereine.82 Seitens des Bezirksverbandes der
Gartenfreunde Senftenberg und Umgebung e.V. (Mitgliedsverband des Landesverbandes
Brandenburg der Gartenfreunde e.V.) liegt die Bereitschaft vor, neben der Kleingartenanlage
„Morgensonne“ weitere Kleingartenanlagen für konkrete Aktionen anzusprechen.83 Zu diesem
Verband gehören 64 Kleingartenanlagen. Das sind günstige Voraussetzungen, weitere Akteure und
Flächen für die Anlage von Bürgergärten und für Permakultur zu finden. Sicher müssen auch
finanzielle Mittel für die notwendigsten Sachmittel gefunden werden. Es ist davon auszugehen, dass
Kleingartenflächen in der Niederlausitz ein großes Potenzial darstellen für die Entwicklung zu
Bürgergärten und Permakultur, für nachhaltige biologische Landnutzung, für alternative Wirtschafts-
und Lebensformen sowie für sozialen Zusammenhalt.
Zu b) innerstädtische Wohngebietsflächen: Die Machbarkeitsstudie hat die prinzipielle Bereitschaft
von mehreren Kommunen vorgefunden, Flächen für Bürgergärten und Permakultur zur Verfügung zu
stellen: in Großräschen, in Lauchhammer, in Ruhland (Verein), in Schipkau. In Großräschen wurde
mehrfach die Bereitschaft und das Interesse betont, an einem entsprechenden Projekt mitzuwirken.
Da Großräschen Teilnehmer im Bundesprogramm „soziale Stadt“ ist und die WEQUA in diesem
Rahmen selbst aktiv ist, ergeben sich hier besonders gute Möglichkeiten. Das trifft insbesondere auf
das konkrete Gebiet der sozialen Stadt in Großräschen zu. Der Bürgermeister von Großräschen hat in
einem Schreiben der WEQUA „eine Teilflächennutzung in der Gebietskulisse der Sozialen Stadt und
ausgewählten Flächen in unseren Ortsteilen zur Durchführung des Projektes „Permakultur“
zugesagt.84 Die konkreten Ansatzpunkte müssen bei Beginn eines (zu beantragenden)
Modellprojektes vereinbart werden. Ein guter Ansatzpunkt besteht in der Großräschener Nordstadt,
in der Familien gemeinsam mit Mitarbeitern der „Lausitzer Gartenwelt“ Apfelbäume für die in den
Jahren 2017, 2018 geborenen Kinder gepflanzt haben. Diese Aktivitäten und Baumpatenschaften
können aufgefrischt werden – sie waren seitdem teilweise wieder „eingeschlafen“. Prinzipiell
unterstützen die Stadt und das Quartiersmanagement aber die Aktivierung von Anwohnern/-innen
für Anpflanzungen und Pflanzpatenschaften. Es können Hochbeete mit unterschiedlicher
Bepflanzung von einheimischen Blumen, Gemüse, Beerenobst, Kräutern und Blühwiesen für Insekten
angelegt werden oder auch Beete mit mehreren „Etagen“, mit Bodendeckern, Sträuchern, Bäumen
(Waldgärten).
82 Siehe http://www.osl-online.de/verzeichnis/index.php?kategorie=1791, 8.2.2020 83 Siehe Anlage 1, 2019-11-09 Gartenfreunde Bezirksverband. 84 Siehe Schreiben des Bürgermeisters, Thomas Zenker, von Großräschen an Herr Skrock, Mitarbeiter WEQUA
an der Machbarkeitsstudie, vom 25.11.2020
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
In den Städten Lauchhammer, Ruhland (bereits erfolgte Zusicherung) und Schipkau wurde ebenfalls
prinzipiell Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit einem Permakultur-Projekt erklärt, ohne jedoch
bisher konkrete Flächen auszuweisen. In Lübbenau bestehen hierfür auf Grund der guten
Zusammenarbeit der WEQUA mit der Stadt ebenfalls Möglichkeiten. Die Gesprächspartner/-innen
verwiesen meist darauf, dass über eine konkrete Unterstützung gesprochen werden könne, wenn
tatsächlich ein Modellprojekt stattfände. Dann würden sie bei der konkreten Umsetzung mitwirken,
Möglichkeiten prüfen und Zusammenarbeit vereinbaren. Hier kamen die oben erwähnte Mentalität
und die bodenständige Einstellung zum Ausdruck: Man will über handfeste, wirklich stattfindende
Vorhaben verhandeln – und sich nicht in Planungen ergehen für Projekte, die vielleicht gar nicht
zustande kommen. Immerhin konnten sich die Gesprächspartner/-innen die Installierung von
Permakultur-Hochbeeten in Wohngebieten vorstellen, über die Anwohner/-innen eine Patenschaft
übernehmen. Für die konkrete zukünftige Zusammenarbeit gibt es eine Reihe konkreter
Anknüpfungspunkte:
In Lauchhammer kann dabei auf die langjährig gute Zusammenarbeit mit der Stadt und auf
die prinzipielle Zusage zur Nutzung von kommunalen Flächen zurückgegriffen werden85;
In Lübbenau kann auf den Seminar-Standort und die bisherigen Projekterfahrungen
(Integrationsbegleitung) der WEQUA sowie die guten Kontakte zur Stadt und anderen
Akteuren/-innen zurückgegriffen werden. Dies ist zumindest eine gute Grundlage dafür, im
Rahmen der Dissemination eines Modellprojektes Anknüpfungspunkte für
Informationsverteilungen, Gespräche und Beratungen vorzufinden.
In Ruhland ist es vor allem der sehr aktive Verein „Verein-t im Zollhaus Ruhland e.V.“, der an
einer Zusammenarbeit interessiert und hierfür geeignet ist.86 Der Verein hat bereits eine
Zusage für die Kooperation beim Anlegen einer Bürgergarten-Permakulturfläche gegeben
und ist auch an der gemeinsamen Nutzung von Weiterbildungsveranstaltungen interessiert.
Aus Schipkau gibt es die Aussagen des Bürgermeisters, dass er einem Modellprojekt positiv
gegenüber steht. Bei Bewilligung ist zu prüfen, welche Flächen ggf. genutzt werden könnten
(evtl. Flächen zwischen Windparkanlagen) 87
Generell ist somit die kommunale Zustimmung zur Nutzung von Flächen für Bürgergärten und
Permakultur kein Problem; in einem Folgeprojekt sind dann Verabredungen z.B. mit den
Wohnungsbaugesellschaften zu treffen, wie die Bewohner/-innen am besten angesprochen werden
können. Es gibt Beispiele, wo Wohnungsbaugesellschaften Hochbeete mit einer ersten
Grundausstattung zur Verfügung stellen, deren Pflege dann die Mieter/-innen selber organisieren.88
Mit den Städten muss besprochen werden, inwieweit die Grünflächenämter mitwirken können. Auch
könnte geklärt, ob – in Anlehnung an das Beispiel aus Bremen89 Förderungen aus dem SGB XII (§ 11
Abs. 3 und § 53 Abs. 3) genutzt werden könnte. Natürlich müssen dann auch Fragen der
Nachhaltigkeit (über die Dauer eines Modellprojektes hinaus) und – aus der Sicht der Städte – nicht
zuletzt Fragen der Verschönerung der städtischen Optik besprochen und geklärt werden.
85 Anlage 1, Gespräch am 10.09.2019. 86 Anlage 1, Gespräch am 17.10.2019 Verein „Verein-t im Zollhaus Ruhland“ e.V., 87 Siehe Anlage 1, 2019-08-16 Bürgermeister Schipkau. 88 Vgl. dazu degewo AG Wohnhäuser Usedomer Str. 25,26,27, WattStr.21, Berlin. Dort wurde so von der
degewo vorgegangen. Mehrfache Besuche und Gespräche mit Mieterin während der Laufzeit der Machbarkeitsstudie durch Projektmitarbeiterin, U. Klingmüller.
89 Vgl. S. 9 der Machbarkeitsstudie.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Ergänzend besteht die Möglichkeit, auf betriebseigenem WEQUA-Gelände Permakultur-Flächen
anzulegen. Die WEQUA GmbH besitzt ein Grundstück am „Steinplatz“ in einem Umfang von ca. 3.500
m2 – wildes Gelände zum Teil mit Trümmern – denkbar als Standort für Bienenhotels und teilweise
Blühwiese und Permakultur-Gemüseanbau. Weiterhin – weil hier bereits früher Gemüse angebaut
wurde – eine Fläche im Umfang von ca. 300m2 hinter den Werkstatt-Hallen. Generell entsteht eine
gute Symbolwirkung, wenn die WEQUA GmbH als Projektmanagerin eines Modellprojekts selbst
eigene Flächen für Permakultur und Eigennutzung bestellen wird. Zugleich wäre dies ein Beispiel, um
nicht nur Wohngebietsflächen, sondern auch gewerbliche Flächen bei freiwilliger Mitwirkung der
Mitarbeiter/-innen für diese Ideen zu nutzen.
3.2 Akteure/-innen
Bürgergärten und Permakultur bieten die Möglichkeit, sehr unterschiedliche soziale Gruppen in die
Projekte einzubeziehen. So geht es einerseits um Langzeitarbeitslose und andere sozial zu
unterstützende Gruppierungen wie Menschen mit körperlichen oder und seelischen
Einschränkungen, Fluchtmigranten, Menschen in Armut.90 Je nach Situation vor Ort können und
sollen auch Kleingärtner/-innen, Anwohner/-innen in Wohnquartieren, ältere Menschen wie auch
Jugendliche und Kinder und darüber hinaus Vereine, Schulen, Kitas, Betriebsangehörige sowie
professionelle Partner/-innen wie Biogärtner/-innen, zertifizierte Weiterbildungsgesellschaften,
Gemüsehändler und andere einbezogen werden. Für die Inspiration eines Modellprojektes auf
diesem Gebiet kommt es darauf an, wie es gelingt, diverse Akteursgruppen einzubinden.
Dabei geht es vor allem um die Schaffung von regionalen Ansätzen für eine neue Art des Arbeitens,
Wirtschaftens und Lebens, der Selbstversorgung und gesunden Lebensweise, des sozialen
Zusammenhalts und der Motivation für eine zukunftsfähige Regionalentwicklung.
Die Kleingartenanlage „Morgensonne“ (Lauchhammer) kann zu einem Akteurszentrum und
regionalen Modell für Bürgergärten und Permakultur werden. Mit dem Vorstand der
Kleingartenanlage wurden folgende Inhalte eines solchen Projektes besprochen:
1. Nachhaltige Nutzung von Ökosystemen z.B.:
- Bodenverbesserung – Mulchen oder Terra Preta
- Sparsamer Umgang mit natürlichen Ressourcen
- Schutz der Insekten und Tierwelt
2.Entwicklung neuer sozialer Beziehungen und Qualifikationswege z.B.:
- Infos und Weiterbildungen für ökologischen Gartenbau anbieten
- Gestaltung einer Gartenfläche als Lehr- und Anschauungsgarten „Permakultur“
- Anfertigen und Aufstellen v. Dokumentationstafeln zu diesem Thema
- Bau v. Komposttoiletten, Nesthilfen, Insektenhäuser und Hochbeeten.
Anfangs ist es realistisch, Langzeitarbeitslose im Rahmen von Arbeitsgelegenheiten in der
Kleingartenkolonie zu beschäftigen. Im Rahmen des Modellprojektes würden sie ergänzend in den
spezifischen Verfahren von Permakultur und anderen ökologischen Techniken qualifiziert und
angeleitet sie umzusetzen. Eine entsprechende Vorabsprache mit dem Jobcenter Lauchhammer91,
sowie mit der Industrie- und Handelskammern Cottbus (IHK) und der Handwerkskammer Cottbus
90 Vgl. dazu S.13 der Machbarkeitsstudie 91 Siehe Anlage 1, 2019-09-05 Jobcenter Lauchhammer.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
(HWK)92 haben stattgefunden. und IHK und HWK liegen bereits vor. Außerdem würden gemäß der
Gespräche mit dem Vorstand der Kleingartenanlage auch die Kleingärtner/-innen ehrenamtlich ihre
Anleitung unterstützen. Auch könnten ein oder zwei Langzeitarbeitslose mit gärtnerischem
Bildungshintergrund auf der Grundlage von §16i SGB II bei der WEQUA GmbH zur Unterstützung des
Projekts eingesetzt werden. Im Rahmen des (geplanten) Modellprojektes würden nun weitere
Akteursgruppen einbezogen werden, von denen bereits in gemeinsamen Gesprächen Interesse und
Bereitschaft signalisiert wurde: die anliegende Schule (Europa-Schule in Lauchhammer),
Kindergärten (Kita „Sonnenschein“ in Lauchhammer und Kita „Bambi“ in Grünewalde),
Fluchtmigranten93 auf der Grundlage §5 Asylbewerberleistungsgesetz (80 Ct/h), benachbarte
Kleingärtner/-innen. Interesse zeigte auch die Wohngruppe „Brücke e.V.“ mit psychisch kranken
oder beeinträchtigten Menschen.94 Seitens der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
wurde der Vorschlag gemacht, hieraus einen Lehrgarten zu entwickeln, der von Studenten und
Wissenschaftlern begleitet wird.95 Über die Bereitschaft des Bezirksverbandes der Gartenfreunde
Senftenberg und Umgebung e.V. zur Kommunikation des Projektes mit weiteren Kleingartenanlagen
haben wir bereits unter Punkt 3.1 informiert. Darüber hinaus bietet sich die Kleingartenanlage
„Morgensonne“ dazu an, Weiterbildungsorganisationen, Erfahrungen von Biohöfen, Erfahrungen zur
Herstellung von guter Erde usw. einzubeziehen. Auch hierzu liegen bereits eine ganze Reihe von
Bereitschaften vor, so von:
Lausitzer Höfeladen, Nebelschütz
Verein „Zukunftsfähig“ e.V., Kleinkrausnik, Permakultur Akademie
Hochschule für Nachhaltige Entwicklung, Eberswalde,(HNEE), Projektwerkstatt Permakultur
BIO- Gärtnerei „Sonnentau“, Kolkwitz
Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus/Senftenberg
Nagola Re GmbH, Jänschwalde
Freie Universität (FU) Berlin, Arbeitsgruppe (AG) Geoökologie
Ithaka Institut, Nebenstelle Berlin
Zukunftsstiftung Landwirtschaft, Berlin
Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg e.V.(VERN) 96
In den innerstädtischen Wohngebietsflächen ist die Situation insofern anders, dass hier keine oder
kaum ausgewiesene Hobby- oder professionelle Gärtner/-innen vor Ort tätig sind. Wir können aber
auch auf das Interesse oder auf die Bereitschaft von Stadtverwaltungen und zum Teil auch von
Vereinen und Quartiersmanagements sowie auf Synergien mit bereits bestehenden Projekten zählen.
Außerdem besteht auch hier die Möglichkeit zur Einbeziehung von SGB-II-geförderten Maßnahmen,
92 Siehe Anlage1, 2019-09-11 HWK sowie 2019-09-11 IHK. 93 Siehe Anlage 1, 2019-10-02 Flüchtlingsunterkunft. 94 Siehe Anlage 1, 2019-10-15 Brücke e.V. 95 Siehe Anlage 1, 2019-09-17 HNE Eberswalde. 96 Siehe Anlage 1, 2019-09-03 Lausitzer Höfeläden, Nebelschütz; 2019-11-15 Verein „Zukunftsfähig“ e.V.,
Kleinkrausnick; 2019-09-17 Hochschule für Nachhaltige Entwicklung, Eberswalde (HNEE); 2019-09-26 u. 2019-11-12 BIO Gärtnerei „Sonnentau“, Kolkwitz; 2019-12-06 Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg, Fachgebiet Allgemeine Volkswirtschaft mit dem Schwerpunkt Energie- und Umweltökonomik; 2019-10-29 Nagola Re GmbH, Jänschwalde; 2019-12-05 Freie Universität Berlin, Arbeitsgruppe (AG) Geoökologie; 2020-01-17 Ithaka Institut, Nebenstelle Berlin; 2019-12-05 Zukunftsstiftung Landwirtschaft, Berlin; 2019-11-22 u. 2019-12-06 Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg e.V. (VERN).
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
die nur entsprechend frühzeitig beantragt werden müssen. In Großräschen stützen wir uns auf die
von der Stadt ausgesprochene Bereitschaft, ein Projekt Bürgergärten und Permakultur zu
ermöglichen und zu unterstützen einerseits in der Gebietskulisse der „Sozialen Stadt“ und
andererseits in anderen Ortsteilen. Akteure der Umsetzung sind in erster Linie die Anwohner/-innen.
Sie müssen im Rahmen des Modellprojektes angesprochen und gewonnen werden. Hierbei kann es
Synergieeffekte mit dem Projekt BiWAQ geben, das im Gebiet der „Sozialen Stadt“ von der WEQUA
durchgeführt wird.
Das Quartiersmanagement kann Anwohner/-innen auf das Modellprojekt hinweisen. Ausgewählte
Teilnehmer/-innen können im Rahmen des Modellprojektes mit den spezifischen Methoden der
Permakultur vertraut gemacht, geschult und qualifiziert werden. Daraus können Schneeballeffekte
entstehen. Auch durch das Projekt Integrationsbegleitung (Mitbeteiligung WEQUA), können
Teilnehmer/-innen für eine Mitarbeit und Schulung im Modellprojekt gewonnen werden. Weiterhin
kann seitens der WEQUA GmbH in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter geprüft werden, ob die
bereits beantragten Arbeitsgelegenheiten auch für Bürgergärten / Permakultur mit genutzt oder
entsprechend weiter entwickelt werden können. Darüber hinaus können weitere
Arbeitsgelegenheiten für Langzeitarbeitslose für Tätigkeiten für und in Bürgergärten vorbereitet und
beantragt werden.
Bei den anderen städtischen und gewerblichen Standorten können ähnliche Akteurskonstellationen
erschlossen und aktiviert werden. In Lauchhammer streben wir an , Permakultur-Hochbeete in
einem Wohngebiet aufzustellen, die in der Werkstatt der WEQUA gebaut werden und in Kooperation
mit der Stadt sowie mit Hausgemeinschaften aufgestellt werden. Das Ziel bestünde darin,
Patenschaften von Anwohnern/-innen bzw. von Hausgemeinschaften für Hochbeete zu entwickeln.
Die Anwohner/-innen sollten hierbei auch das Recht der Ernte erhalten. Sie sollten zu den
Veranstaltungen und Schulungen/Qualfizierungen in der Kleingartenkolonie „Morgensonne“ mit
eingeladen werden und fortlaufend Informationen zum Projekt erhalten.
Die oben genannten Flächen der WEQUA können einerseits durch geeignete Teilnehmer/-innen des
Modellprojektes mit bearbeitet werden, auch durch Beschäftigte, deren Lohnkosten z.B. nach § 16 i
SGB gefördert werden, zum anderen durch Mitarbeiter/-innen. Für den Bau der Hochbeete in der
WEQUA-Werkstatt können ggf. andere Projekte mit genutzt werden, die ohnehin an der Erarbeitung
von Holzprodukten geschult werden.
In Lübbenau kann mit dem WEQUA-Standort der Integrationsbegleitung geprüft werden, ob eine
Aktivität in Richtung Bürgergärten / Permakultur möglich ist; nach bisheriger Prüfung ist dies als
Aktivität der Integrationsbegleitung eventuell mit einem kleinen Beet möglich. Das
Projektmanagement in der Stadt Lübbenau zeigt sich gegenüber unserem Projektanliegen
aufgeschlossen.
In Ruhland ist nach jetzigem Stand das Zollhausprojekt mit dem „Verein-t im Zollhaus Ruhland e.V.“
der entscheidende Akteur, der in der Lage wäre, Bürgergärten oder/und Permakulturaktivitäten zu
entwickeln. Der Verein arbeitet auch mit Langzeitarbeitslosen und anderen Hilfebedürftigen,
darunter auch mit Suchtkranken. Es käme für ein Modellprojekt „Bürgergärten und Permakultur“
darauf an, mit dem Ruhlander Verein im Informationsaustausch zu stehen, sie einzubeziehen, auch in
Workshops, Bildungsveranstaltungen, Werbemaßnahmen.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
3.3 Qualifizierungsmöglichkeiten
In Brandenburg und deutschlandweit gibt es ein ausdifferenziertes System von gärtnerischen
Ausbildungsbetrieben, Fortbildungs-, Weiterbildungs- und Studienmöglichkeiten. Ein (zu
beantragendes) Projekt „Bürgergärten und Permakultur“ kann hierfür Interesse wecken und über
den Gartenbauverband Berlin-Brandenburg e.V.97 auch Informationen vermitteln.
Die spezifischen Möglichkeiten des Projektes auf dem Gebiet der Weiterbildung bestehen darin,
Langzeitarbeitslose, Fluchtmigrant/-innen und andere hilfebedürftige soziale Gruppen für
gärtnerische Tätigkeiten zu interessieren, in einfache Arbeiten einzuführen und an die damit
verbundenen Möglichkeiten der Selbstversorgung, der gesunden Lebensweise und gesunden
Ernährung heran zu führen. Die Begeisterung für Permakultur kann die Beteiligten zu einem
nachhaltigen Umgang mit Flora und Fauna, zu einer Lebensweise im Einklang mit der Natur führen.
Während der Projektlaufzeit sollen den Beteiligten verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten
angeboten werden: Bodenverbesserung: Humusbildung, Terra preta, Pflanzenkohle, Erhalt von
Nutzpflanzen, Permakultur-Gemüse, alte Samen / Sämereien, Bodenverbesserung, Permakultur-
Gartenbau, Waldgärten, Umgang mit Wasser und Bewässerung, Insektenpflege, Blühwiesen.
Hierzu können Fachleute ehrenamtlich oder über Honorarverträge eingebunden werden. Zum Teil
besteht die Möglichkeit, auch Online-Konferenz-Systeme zu nutzen. Ein Plan über Themen, Zeit und
Ort wird mit einem Projektantrag für ein Modellprojekt erstellt.
Die Weiterbildungsveranstaltungen können in der Kleingartenanlage „Morgensonne“ stattfinden,
ggf. auch an anderen Orten des Projektes. Eingeladen sind alle Beteiligten im Projekt, also Menschen
aus diversen sozialen Gruppen: Langzeitarbeitslose, andere Hilfebedürftige, Anwohner/-innen,
Hobbygärtner/-innen usw. Es ist ein Anliegen des Projektes, Menschen mit unterschiedlichem
Erfahrungs- und Wissenshintergrund auf diese Weise zusammen zu führen. Die Themen der
Weiterbildung können vielfältig sein und – je nach Zielgruppe – auch über unmittelbare Inhalte der
Permakultur hinaus gehen (Gesundheit; Lebensweise; Stoffwechsel Natur-Gesellschaft). Folgende
Fachthemen bieten sich in Kooperation mit Fachleuten aus der Region Brandenburg und teilweise
aus Berlin an:98
Grundlagen der Permakultur incl. Gemüse-/Obstanbau, Pflanzengemeinschaften,
Waldgärten, Umgang mit Wasser und Bewässerung, Insektenfpflege, Bau von Kompostklos.
(Fachkenntnisse u.a. Lausitzer Höfeläden, Permakultur Kleinkrausnick, HNEE Projektwerkstatt
Permakultur).
Betriebswirtschaftliche Fragen von Permakultur-Gärtnereien (BTU Cottbus-Senftenberg,
Fachgebiet Allgemeine Volkswirtschaft mit dem Schwerpunkt Energie- und
Umweltökonomik).
Natur- und Blühwiesen (Nagola Re GmbH); Samen züchten, Samen alter Nutzpflanzen (VERN
e.V.).
97 Siehe https://www.gartenbau-bb.de/beruf-gaertner/. 98 Siehe zu den genannten Partnern/-innen auch S.29 und Anmerkung 109
29
Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Bodenverbesserung: Humusbildung, Terra preta, Pflanzenkohle (u.a.2019-09-26 u. 2019-11-
12 BIO Gärtnerei „Sonnentau“, Kolkwitz, Ithaka Institut e.V., ggf. FU Berlin, AG
Geoökologie).99
Fragen der Ernährung der Weltbevölkerung und der individuellen Ernährung
(Zukunftsstiftung Landwirtschaft).
Weiter zu ergründen sind die Kenntnisse und Erfahrungen, die Partner aus anderen europäischen
Ländern auf den mit Permakultur verbundenen Wissensgebieten gesammelt haben. Für die
Erarbeitung der hier vorliegenden Machbarkeitsstudie wurden bereits Wissen und Erfahrungen aus
der Gärtnerei Tuinderij de Veldhof, Niederlande und (per Literaturanalyse) aus der französischen
Stadt Albi einbezogen.100 Für ein Modellprojekt empfiehlt es sich darüber hinaus, die Erfahrungen aus
dem österreichischen Waldgarten-Institut.
Auf Grundlage der gesammelten Erfahrungen mit Bildungsveranstaltungen und auf Grund der bisher
erschlossenen Kontakte mit Fachleuten wird es machbar sein, seitens der WEQUA GmbH einen
speziellen Weiterbildungskurs (Curriculum) „Permakultur und biologisches Gärtnern“ auszuarbeiten
und möglichst zertifizieren zu lassen. Dieser Kurs soll sich vor allem an Leistungsbezieher im SGB-II-
und im SGB-IX-Bereich richten, thematisch relativ breit aufgestellt sein und die Aktivierung, Bildung
und Gesundheit dieser Menschen fördern.
3.4 Potenzielle Erweiterungen
Neben dem bisher dargelegten „Machbaren“ in einem künftigen Modellprojekt „Bürgergärten und
Permakultur“ gibt es vielfältige Erweiterungswege, die in den Bereich der begründeten (!)
„Möglichkeiten“ fallen. Es geht hierbei nicht um spekulative Möglichkeiten, sondern um sachlich
begründete, fundierte Möglichkeiten, die auch Erfahrungen in anderen Regionen einbeziehen. Diese
Möglichkeiten hängen vor allem davon ab, wie weit die Akteure/-innen vor Ort aktiviert werden
können.
Zu diesen begründeten Möglichkeiten zählen:
Selbständig handelnde kleine Herstellungs-, Tausch- und Vertriebsnetzwerke:
o Dies ist beispielsweise möglich bei der Herstellung und dem Vertrieb von Samen alter
Pflanzen. Die Kleingartenanlage „Morgensonne“ oder andere gärtnerische
Einrichtungen können hier zum Beispiel zusammenarbeiten mit dem VERN e.V. in
Greiffenberg / Angermünde101.VERN e.V. geht es um den Erhalt alter Pflanzen und
des damit verbundenen Genpools. Der Verein sucht hierzu kooperierende Partner.
VERN bzw. seine kooperierenden Gärten beliefern mit alten Pflanzensorten
(Tomaten, Kartoffeln etc.) auch Restaurants, die oftmals an besonderen
Gemüsesorten interessiert sind. VERN ist bereit, hierzu eine entsprechende Schulung
in Lauchhammer durchzuführen.
o Ein zweites Beispiel für Herstellungs-, Tausch und Vertriebsnetzwerke besteht in der
Herstellung von guter Erde. Dies kann ebenfalls in der Kleingartenanlage 99 2019-11-12 BIO Gärtnerei „Sonnentau“, Kolkwitz: Generell sollte der Lausitzer Sandboden zuerst mit
Humus angereichert werden, wenn gute Erträge erreicht werden sollen. Bodenverbesserungen erfolgen zum Beispiel durch den 2-jährigen Anbau von Kleegras als Zwischenfrucht.
100 Vgl. Anlage 1, 2019-09-19 Niederlande Besuch de Veldhof sowie Anlage 4 zur „essbaren Stadt“ Albi. 101 Siehe Anlage 1, 2019-11-22 VERN und 2019-12-06 VERN.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
„Morgensonne“ und im Kooperationsverbund der regional angesiedelten Kleingärten
geschehen. Unterstützung hierfür ist seitens des Bezirksverbandes der
Gartenfreunde Senftenberg und Umgebung e.V. möglich.102 Über die konkreten
Wege der Herstellung von Terra preta (schwarze Erde), Holzkohle und Humus gibt es
unterschiedliche Konzepte und Erfahrungen.103 Ein geeigneter Weg für die
Gartenanlage muss herausgefunden werden. Fachliche Beratung dafür und auch für
die betriebswirtschaftliche Seite ist angebahnt worden und steht zur Verfügung.
o Ein dritte Möglichkeit bestände in einer Arbeitskooperation mit der Nagola Re GmbH
in Jänschwalde bei der Herstellung von Natur- und Blühwiesen und entsprechenden
Samen.104
o Die Organisation von Gemüse- oder Obstlieferungen aus gärtnerischem Anbau ist
auch an Händler, an die TAFEL oder zur Selbstversorgung möglich, beispielsweise
auch seitens der WEQUA an eigene oder von ihr betriebene Restauranteinrichtungen
(Hotel und Gasstätte Lauchhammer; Seecampus Schwarzheide). Zumindest ist hier
das Aufstellen von Permakultur-Hochbeeten möglich. Im Einzelnen kann dies mit
Beginn eines Modellprojekts geregelt werden.
Entwicklung eines Sozialbetriebes:
o Über die Möglichkeiten für die Entwicklung eines Sozialbetriebes oder für die
Weiterentwicklung eines kleinen gewerblichen Betriebes zu einem Sozialbetrieb
kann die WEQUA GmbH im Rahmen des Projektes andere Organisationen
informieren und sie hierbei unterstützen. Über die Machbarkeitsstudie konnten
hierfür allerdings bislang keine konkreten Ansatzpunkte gefunden werden; dennoch
sollte dieser Gedanke in einem Modellprojekt weiter verfolgt werden.
o Kennzeichnend für einen Sozialbetrieb ist vor allem die Beschäftigung von
langzeitarbeitslosen oder anderen hilfebedürftigen Menschen (Behinderten). Ein
Sozialbetrieb kann gewerblich oder gemeinnützig betrieben werden. Es können
Fördermittel nach SGB II, § 16i, ggf. nach der Richtlinie zur Förderung von
Sozialbetrieben des Arbeitsministeriums des Landes, zur Förderung von
Schwerbehinderten und andere genutzt werden. Generell kann davon ausgegangen
werden, dass Permakultur und der gärtnerische Tätigkeitsbereich besonders gut
geeignet sind für den Aufbau sozialbetrieblicher Strukturen.
o Die Gespräche mit Experten/-innen und Praktikern/-innen105 im Rahmen der
Machbarkeitsstudie ergaben bislang, dass Permakultur-Gärtnereien im Rahmen
„Solidarischer Landwirtschaft“ sich betriebswirtschaftlich tragen können; d.h., wenn
102 Siehe Anlage 1, 2019-11-09 Gartenfreunde Bezirksverband. 103 Siehe Anlage 1, 2019-11-06 FIB; 2019-11-28 Prof. Kennedy; 2019-12-06 BTU Prof. Hüttl; 2019-09-23
Gärtnerei Lauta. Für die Herstellung von Terra preta (Kohle-Erde) gibt es seitens FIB e.V. für den Betrieb in kleinen Anlagen Warnhinweise bezüglich des Ausstoßes von Schadstoffen. Andere Experten halten die Herstellung in kleinen Anlagen unter bestimmten Bedingungen für möglich und wenden sie an. Sofern man sich für die Herstellung von Terra preta entscheidet, benötigt man unter anderem Pflanzenkohle. Diese muss z.B. aus kleinem Reisig hergestellt werden. Wichtig ist, dass nicht verunreinigte Hölzer verwendet werden, auch der Pyrolyse-Prozess muss unter Sauerstoffabschluss erfolgen. Man muss also eine fachliche Anleitung zur Herstellung erhalten.
104 Siehe Anlage 1, 2019-10-29 Nagola Re GmbH. Bisher liegt nur eine Zusage für die Beteiligung an Qualifizierungen vor.
105 So die Gespräche mit Valérie van Dijk von de Veldhof-Gärtnerei in den Niederlanden und mit Prof. Declan Kennedy.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
die Kunden die Funktion von Teilnehmer/-innen haben, die Betriebskosten
vorfinanzieren und bei der Arbeit helfen, also selber ernten und ihre Gemüse-
/Obstkörbe selber zusammenstellen, oder wenn geförderte Beschäftigte, ehemalige
Langzeitarbeitslose oder Behinderte als Helfer tätig sind. Darüber hinaus ist ein
geeigneter Lagerraum für das Gemüse und Obst nötig, z.B. ein Erdkeller, dessen
Temperatur konstant 5 Grad Celsius hat.
Entwicklung von Strukturen der Subsistenzwirtschaft und regionalen Kreislaufwirtschaft:
o Ein Modellprojekt „Bürgergärten und Permakultur“ kann eigene
subsistenzwirtschaftliche und regionalwirtschaftliche Strukturen entwickeln oder
vorhandene unterstützen. Subsistenzwirtschaft (Bedarfswirtschaft) hat vor allem das
Ziel, die Selbstversorgung oder zumindest Teile der Selbstversorgung zur
Sicherstellung des Lebensunterhaltes von Familien oder kleinen Gemeinschaften zu
gewährleisten. Kleingartenanlagen haben hierfür in Deutschland eine
jahrhundertalte gute Tradition, die im heutigen Zeitalter stark aufs Neue aufgewertet
wird, beispielsweise auch durch das Konzept der „essbaren Städte“.
Selbstversorgung in gemeinschaftlichen Strukturen kann auch weiter gehen zur
Herstellung, zur Teilung und zur Reparatur von benötigten Gegenständen als Beitrag
zum Ausbau der gärtnerischen, Lebensmittel- und handwerklichen
Regionalökonomie. Auch hier können wieder gewerbliche und
gemeinwohlorientierte Ökonomien entstehen. Letztlich können damit Bürgergärten
und Permakultur zu einem Beitrag für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsumbau in
der Lausitz beitragen.
o Vor dem Hintergrund des Klimawandels kann durch angepasste
Gemüseanbaumethoden wie bei der Permakultur in Schrebergärten und/oder
Bürgergärten die Ernährung der Bevölkerung immerhin zum Teil lokal und regional
gesichert werden, bzw. es wird beispielhaft gezeigt, wie dies erfolgen könnte. Dies ist
ein unverzichtbarer Beitrag zur Nachhaltigkeit. Es ist durchaus denkbar, dass aus
einer „Nischen“-Produktion in absehbarer Zeit die vorherrschende Gemüse- und
Obstproduktion wird. Insofern hätte ein Modellprojekt einen hohen
Nachhaltigkeitswert.
o Gleichzeitig wird ein Beitrag zur Erhaltung der Natur einschließlich der Biodiversität
geleistet. Schrebergärten-Kolonien und auch Bürgergärten können zu
„Ökosystemdienstleistern“ werden, da sie die Biodiversität erhalten und
Bestäubungskapazitäten vorhalten.106
o Verfahren werden eingeübt und bekannt gemacht, mit denen die Folgen des
Klimawandels begegnet werden kann.
106 Siehe: Dr. Torsten Kurth et. al.: Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft nachhaltig sichern;
Denkanstöße und Szenarien für ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit; Studie im Auftrag der Boston Consulting Group, 11/ 2019: „Die Wohlfahrtsverluste aus der Reduzierung von Bestäubungsleistungen werden weltweit mit bis zu rund 550 Milliarden Euro angegeben... Eine anteilige Berechnung der Wohlfahrtsverluste aus der Reduzierung von Bestäubungsleistungen für die deutsche Landwirtschaft liegt nicht im Fokus dieser Studie – dieses Beispiel zeigt aber die Größenordnung von externen Kosten aus dem Verlust von Ökosystemleistungen. Um ein Beispiel für ein konkretes Land zu nennen: In einer Studie von 2006… wurden die Wohlfahrtsverluste für die USA allein aus dem Insektenrückgang (wobei nicht nur Bestäubungs-, sondern auch andere Ökosystemleistungen berücksichtigt wurden) auf jährlich mindestens 57 Milliarden US-Dollar geschätzt.“ (S. 21).
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
3.5 Notwendige Projektausstattung und Finanzierung
Es ist auf der Hand liegend, dass für die Umsetzung in erster Linie ausreichende personelle
Organisationskapazitäten vorhanden sein müssen. Sie müssen alle notwenigen Aktivitäten anstoßen,
Absprachen mit den Akteuren/-innen machen, Kooperationspartner/-innen binden, Veranstaltungen
unterschiedlichster Art incl. Weiterbildungsangebote vorbereiten, organisieren und koordinieren. Sie
müssen sozusagen wie eine Spinne im Netz für die vielfältigen Aktionen agieren, als ein
Koordinationsbüro. Darüber hinaus ist eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit notwendig, um das
Anliegen des Projektes zu vermitteln und Bevölkerung dafür zu gewinnen.
Es ist in diesem Projekt notwendig und möglich, vielfältige Aktivitäten von Partnern/-innen
anzuregen, die dazu beitragen, die Ideen von Bürgergärten und Permakultur in der Region mit
eigenen Mitteln oder auf freiwilliger Grundlage umzusetzen. Das Modellprojekt kann nur wirksam
sein, wenn es nicht isoliert handelt, sondern Impulse für vielfältige Akteure/-innen freisetzt.
Für das Modellprojekt sind neben Personalmitteln umfangreich Sachmittel (auch wegen
erforderlicher Kleingeräte, Samen, Stecklinge, Pflanzen, Holz, Erde, Erdverbesserer usw.) und
Reisekosten (wegen regional unterschiedlicher Standorte) erforderlich. Auch werden Honorare für
externe Experten in das Projekt eingebunden.
Insofern kann ein Modellprojekt ohne eine Förderung nach der Richtlinie für soziale Innovationen
nicht gelingen.
Das Projekt wird keine eigenen Einnahmen erwirtschaften. Jedoch können die initiierten Aktivitäten
für andere Akteure/-innen (außerhalb der Antragstellerin WEQUA GmbH) Eigeneinnahmen
erbringen. Im besten Falle entstehen aus dem Projekt wirtschaftliche Organisationen und Ketten,
deren finanzielle Nutznießer/-innen außerhalb des Projektes liegen. Es besteht auch die Möglichkeit,
Produkte, die auf Anregung des Projektes entstanden sind, auf gemeinnützigem Wege zu verteilen
(Lieferungen an die TAFEL).
Eine andere Frage ist die Selbstversorgung aus Ernteergebnissen. Dies sollte für Langzeitarbeitslose,
für andere Hilfebedürftige und darüber hinaus für Helfer/-innen des Projekts, für Hobbygärtner/-
innen, Fluchtmigrant/-innen, Anwohner/-innen, Familien mit Kindern, Alleinstehende und auch für
die WEQUA selbst im Einzelnen förderrechtlich geprüft und als Motivationsfaktor möglichst
angestrebt werden.
3.6 Strategie und Prozessmanagement
Die Strategie zur Entwicklung eines Modellprojekts „Bürgergärten und Permakultur“ beruht auf zwei
Standbeinen:
a) Kleingartenanlagen
b) Städtische Wohngebiete
Beide stehen zueinander in Wechselwirkung, nutzen gemeinsam Informationen, Pflanzsamen /
Stecklinge, Werkstattkapazitäten der WEQUA, Weiterbildungsmöglichkeiten, pädagogisches und
gärtnerisches Anleitungspersonal, Öffentlichkeitsarbeit, sonstige Infrastruktur (Kommunikation,
Fahrbetrieb).
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Beide entwickeln – wenngleich in unterschiedlichem Maße – Ideen der „Bürgergärten“ (bis hin zur
„essbaren Stadt“ – wie auch Ideen der Permakultur.
Ziele der Projektentwicklung, die nach den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie als realistisch
erscheinen:
1. In beiden Bereichen werden gärtnerische Anbauflächen geschaffen, die schrittweise nach
den Prinzipien der Permakultur ausgebaut werden. Sie dienen auch dem Erhalt der
Biodiversität.
2. In beiden Bereichen sollen unterschiedliche soziale Gruppen in die Aktivitäten einbezogen
werden (Langzeitarbeitslose, andere Benachteiligte, Fluchtmigranten/-innen, Hobbygärtner/-
innen, Anwohner/-innen, Alte, Junge, Schüler/-innen, Kinder, u.a.).
3. In beiden Bereichen und in ihrer Wechselwirkung sollen Informationen, Dokumentationen,
Kommunikations- und Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten werden.
4. In beiden Bereichen sollen kleine Selbstversorgungs- und wirtschaftliche
Kooperationsnetzwerke entwickelt werden.
5. Insgesamt sollen Motivationen einer zuversichtlichen Regionalentwicklung gestärkt und
Perspektiven insbesondere für hilfebedürftige Menschen verbessert werden.
Alle fünf Ziele insbesondere in ihrer gegenseitigen Ergänzung und Wechselwirkung tragen den
Charakter sozialer Innovationen.
Diese Zieleschließen zwar das Handlungsfeld der „Entwicklung/Erprobung von innovativen Ansätzen
zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit und damit auch der Bekämpfung von Armut und
Ausgrenzung, insbesondere von Familien mit Kindern, und damit von Kinderarmut“ ein, aber in ihrer
Vielseitigkeit treffen sie vielmehr das Handlungsfeld „Entwicklung/Erprobung von innovativen
neuen/alternativen Formen des Wirtschaftens, Konsumierens, Arbeitens und Zusammenlebens“.
Wege der Projektentwicklung:
Die oben benannten beiden Standbeine des Projektes finden ihren territorialen Kern
a) In der Kleingartenanlage „Morgensonne“ in Lauchhammer
b) Im Gebiet der sozialen Stadt in Großräschen.
Von diesen beiden Kernen aus werden schrittweise Gebietserweiterungen angeregt: Bei den
Kleingartenanlagen sind dies zahlreiche Kleingärten in der Region um Senftenberg vermittelt über
den Bezirksverband der Gartenfreunde und Oberspreewald-Lausitz; bei den städtischen Gebieten
und Wohnanlagen sind dies vor allem Ruhland, weiterhin Lauchhammer, dann auch Lübbenau und
Schipkau, vermittelt über dortige Anlaufstellen, z.B. Quartiersmanager/-innen, sowie über dort
ansässige geeignete Vereine.
Zugleich gibt es schrittweise und inhaltliche Weiterungen der Projektentwicklung: zuerst einfache
Bodenpflege und Erstanpflanzungen, dann weiterer Anbau von Pflanzen und Bodengestaltung
entsprechend Permakultur-Prinzipien, zugleich Einführung von Informations- und
Weiterbildungsveranstaltungen bis hin zu wirtschaftlichen Kooperationsbeziehungen usw.
Ebenso geht es um eine schrittweise Erweiterung der Akteursbeziehungen. Sind dies anfangs zum
Beispiel (ehemalige) Langzeitarbeitslose, die in Arbeitsgelegenheiten beschäftigt sind und
34
Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Kleingärtner/-innen, werden zunehmend andere soziale Gruppen einbezogen: zum Beispiel Familien
mit Kindern, Fluchtmigrant/-innen, Alte, Junge, und außerdem Institutionen, wie Vereine, Schulen,
Kindergärten und schließlich auch die zuständigen kommunalen Ämter usw.
Methoden der Projektentwicklung: Die beiden Kerngebiete „Morgensonne“ und „Soziale Stadt
Großräschen“ werden sowohl mit sozial begleitender als auch mit gärtnerischer Fachkompetenz
betreut. Das Prozessmanagement ist transparent und motivierend anzulegen. Hierzu gehört auch die
öffentliche Dokumentation der Projektverläufe (Presse, Lokalfernsehen, eigene
Videodokumentation).
3.7 Modellskizze
35
Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
4. Anlagen
Anlage 1: Übersicht über die Gespräche mit kontaktierten Organisationen und Personen
16.08.2019 Bürgermeister Schipkau, Herr Prietzel
21.08.2019 Kleingartenverein Morgensonne_1
27.08.2019 Wirtschaftsförderung Brandenburg, Herr Leitow, u.a. für Landwirtschaft zuständig
30.08.2019 Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Landkreis Elbe-Elster, Sabine Münster, zuständig für Landwirtschaft
03.09.2019 Lausitzer Höfeläden Nebelschütz, Permakultur Designer Herr Noack
03.09.2019 Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften e.V., Finsterwalde, Herr Dr. Heinkele, Bodenschutz / Waldökosystemforschung / Rekultivierung
04.09.2019 Kleingartenverein Morgensonne_2
04.09.2019 Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften e.V., Finsterwalde, Dr. Anne Rademacher, Landwirtschaftliche Rekultivierung; Bearbeiterin im Projekt: Tracer- smart strategies for the transition in coal intensive regions
05.09.2019 Jobcenter Lauchhammer
10.09.2019 Kleingartenverein Morgensonne_3 und Stadt
11.09.2019 Handwerkskammer Cottbus, Frau Kappa
11.09.2019 Industrie- und Handwerkskammer Cottbus, Frau Frost
11.09.2019 Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz, Land Brandenburg, Frau Sabine Baum, u.a. zuständig für Fachkräftesicherung in der Landwirtschaft
11.09.2019 Landesamtes für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft, Alfons Krieger (Erfahrung in Permakultur)
11.09.2019 HWK Cottbus
11.09.2019 IHK Cottbus
12.09.2019 Europaschule Lauchhammer, Frau Richter
17.09.2019 Hochschule für Nachhaltige Entwicklung, Eberswalde, Prof. Dr. Piorr, u.a. zuständig für Projektwerkstatt Permakultur
18.09.2019 Stadt Lauchhammer
19.09.2019 Permakulturgärtnerei: Tuinderij De Veldhof, Veldhofstraat, Joppe, Niederlande, Leiter- und Besitzerin: Valérie van Dijck, Besuch
23.09.2019 Land- Forst- Gartenbau „Kleiner Waschbär“, Geschäftsführerin Frau Schuster
24.09.2019 Stadt Großräschen, Bauamt Frau Grafe und Frau Kalbitz
26.09.2019 BIO- Gärtnerei „Sonnentau“ Kolkwitz, Geschäftsführer Herr Kochan
27.09.2019 Essbare Stadt Bautzen, Prokuristin der Stadt Bautzen, Frau Fischer
30.09.2019 Kleingartenverein Morgensonne_4
02.10.2019 Asylunterkunft d. European Homecare GmbH, Leiterin der Unterkunft, Frau Grund
07.10.2019 Cafeteria Schwarzheide, Frau Klein
14.10.2019 Bauamt Großräschen
15.10.2019 Wohngruppe der „Brücke e.V.“, Leiterin Frau Michalk
17.10.2019 Verein „Vereint im Zollhaus Ruhland“ e.V., Vorstandsmitglied Frau Völker
25.10.2019 „Essbare Stadt“ Bautzen, Sprecherin „Die Stadtbegrüner“ Frau Knaak
28.10.2019 IfN -Ingenieurbüro für Nachhaltigkeit, Ludwigsfelde, Alfons Krieger
29.10.2019 Nagola Re GmbH
06.11.2019 Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften e.V., Finsterwalde,Dr. Ing. Christian Hildmann, Leiter der Abteilung Gewässersanierung / Naturschutz
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
07.11.2019 Amt Kleine Elster, Ortsteil Massen, Frau Mudrag, Leiterin Bauamt, 1. stellv. Amtsdirektor
09.11.2019 Bezirksverband der Gartenfreunde Senftenberg und Umgebung E.V.
12.11.2019 BIO Gärtnerei Kolkwitz
15.11.2019 Verein „Zukunftsfähig“ e.V., Kleinkrausnik, Herr Strauch
21.11.2019 Grossräschen soziale Stadt Karte
21.11.2019 Grossräschen, Amtsleiterin, Frau Neufeld
22.11.2019 Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburge.V.(VERN e.V)., Herr Ritter
28.11.2019 Presse Soziale Stadt Grossräschen
28.11.2019 Prof. emr. Dr. Declan Kennedy, Permakultur-Pionier in Deutschland, Lebensgarten Steyerberg e.V.
04.12.2019 Kita „Haus Sonnenschein“ Lauchhammer, Leiterin Frau Lindner
05.12.2019 Freie Universität Berlin, AG Geoökologie, workshop BodenBilden, Prof. Dr. mult. Dr.h.c. Konstantin Terytze; Dr. Robert Wagner (Humusexperten, Pflanzenkohle, terra preta), Frau Dr. Ursula Weiß, wissenschaftl. Mitarbeiter/in des Projektes: „Verwertung von Gemüse- und Grünschnittabfällen zur Herstellung von Pflanzenkohlesubstrat für ein klimafreundliches Gärtnern – Modellprojekte in der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung“, FU Berlin; Dr. Jennifer Schulz, Universität Potsdam, Institut für Umweltwissenschaften & Geographie, AG Landschaftsmanagemnt (Expertin für Waldgärten), Zukunftsstiftung Landwirtschaft, Virginia Boye (Weltacker)
05.12.2019 Landkreis OSL Integrationsbegleitung
06.12.2019 Brandenburger Technische Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg, Fachgebiet Allgemeine Volkswirtschaft mit dem Schwerpunkt Energie- und Umweltökonomik, Frau Viktoria Witte
06.12.2019 Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburge.V. (VERN e.V)., Herr Ritter VERN
10.12.2019 Lauchhammer Wohnungsgenossenschaft
10.12.2019 Lübbenau, Projektmanager der Region Lübbenau, Herr Dr. J. Othmer
10.12.2019 NABU
17.01.2020 Dr. Haiko Pieplow, Umweltbundesamt, Ithaka-Institut, Humusexperte, für Pflanzenkohle, terra preta
03.02.2020 Bioland Ost e.V., Frau Cora Petrick.
Anlage 2: Gemeinsamkeiten und Unterschiede Biogarten und Permakultur-Garten107
Gemeinsamkeiten
Bei beiden Gartenformen werden keine Pestizide und kein Kunstdünger verwendet.
Es geht bei beiden um
Erhöhung der Bodenqualität auf natürlichem Wege.
Pflanzenvielfalt,
Verwendung von Regenwasser, sparsame Wasserverwendung,
Kompostierung, natürlichen Dünger,
107 Grundlage zu den Ausführungen: PermaGlück, youtube-Film: Der Unterschied zwischen Bio und
Permakultur https://www.youtube.com/watch?v=dJlKTTYwIRs.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Förderung der Bienen, Insekten, Insektenhotels,
Fraßfeinde nutzen,
Verwendung von samenfesten Saatgut,
Erntezeitraum vergrößern: frühe Sorten, späte Sorten,
Ernährung aus dem eigenen Garten,
Wohlbefinden im Garten.
Unterschiede (überzeichnet)
Die Übergänge zwischen ökologischem (Bio-) Gärten und Permakultur-Gärten sind fließend. Die
Unterschiede werden im folgenden überzeichnet dargestellt:
Bio- Garten Permakultur- Garten
Es wird umgegraben und auch gepflügt. Kein Umgraben, kein Pflügen
Auch Lehm- und Sandböden werden mit Aufbringung von Kompost und Mulchen – Auflegen von Grünabfällen/Gras/Heu etc. – verbessert. Es soll sich ein Bodenleben mit Mikroorganismen von selber entwickeln.
Die Böden werden ggf. mit einer leichten Hackvorrichtung aufgelockert – wie in der Permakultur-Gärtnerei de Veldhof in den Niederlanden.
Es werden Fruchtfolgen eingehalten, um bodengebundene Krankheiten zu verhindern
Permakultur nutzt Pflanzengemeinschaften. Es werden Pflanzen stark gemischt, so dass dadurch Krankheiten, Schädlinge reduziert werden. Dadurch auch Fruchtfolge nicht so entscheidend.
Siehe Anlage 1 unten Aufstellung von Mischkulturen im Gemüsegarten, die sich günstig beeinflussen.
Bio-Gärten sind „ordentlich“, strukturiert.
Auf den Wegen liegen z.B. Bretter.
Permakultur-Gärten sehen oft „unordentlich“ aus, weil so viel durcheinander angepflanzt ist und wächst. Das muss aber nicht so sein. Z.B. die Gärtnerei de Veldhof hat eine Struktur und einen guten Kompromiss gefunden zwischen Strukturiertheit und Pflanzengemeinschaften incl. Unkraut.
Wege sind mit Holzschnitzeln und Mulch belegt.
Große Früchte werden angestrebt. Dazu werden Bäume beschnitten.
Bäume werden nicht beschnitten. Kleine Früchte werden auch klein akzeptiert. Es bleibt ein Teil für die Natur – für Vögel etc. übrig.
Verwendung von Plastikfolien etc. Plastik wird vermieden.
Es werden Mulden an sonnigen Stellen angelegt, um Mikroklima auszunutzen.
Allerdings verwenden auch Permakultur-Gärtnereien abbaubare/flexible Plastik-
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Gewächshäuser, um Erntezeit zu verlängern. So will auch de Veldhof in den Niederlanden sich so ein Gewächshaus anlegen.
Leitungssysteme/Netze für Bewässerung möglichst wenig Bewässerung, Tröpfchenbewässerung oder andere noch sparsamere Bewässerungsmethoden, z.B. als 14-Tage regenschauerartiges Sprengen. Durch die Tröpfchenbewässerung würden die Pflanzen „verwöhnt“. So de Veldhot-Gärtnerei/Niederlande
i.d.R. einjährige Pflanzen
wenige Mischkulturen
Bunte Mischung, mehrjährige Pflanzen,
Anpflanzen von Gehölz,
Anlage von Waldgärten (Obst-/Nußbäume, Obststräucher, Gemüse, Bodendecker), dreidimensionale Nutzung. Dadurch langfristig weniger Arbeit. – Paradies-Garten!
Keine erkennbaren Grenzen zwischen unterschiedlichen Kulturen
Permakultur verbindet verschiedene Nutzungen; es wird davon ausgegangen, dass der Garten sich um das Wohnhaus ausbreitet – Haus mit Garten. Das Haus wird miteinbezogen z.B. durch Gewächshäuser am Haus, die wie Wärmedämmung wirken etc. (Ställe waren früher oft auch unter einem Dach mit Wohnhaus, damit das Vieh die Wohnräume wärmte.)
Einkauf von Pflanzen Pflanzen werden selber gezüchtet. Samen selber gewonnen.
Es geht in erster Linie um gesundes Gemüse. Die globalen Implikationen (lange Transportwege z.B.) stehen nicht im Mittelpunkt.
Globales Denken – Permakultur ist eine Bewegung, die die Rettung der Erde im Auge hat. Es geht um die Schonung der natürlichen Ressourcen und die Wiederherstellung von Naturräumen. Der Mensch hat sich der Natur anzupassen und nicht umgekehrt.
Lokale Produkte werden verwendet, lange Transportwege etc. sollen vermieden werden.
Anlage 3: Gemüse-Mischkulturen, die günstige Nachbarschaften bilden108
Blumenkohl mit Buschbohnen, Phacelia, Sellerie, Tomaten
Buschbohnen mit Bohnenkraut, Borretsch, Dill, Erbsen, Gurken, Kohlarten, Mangold,
Radieschen, Rettich, Roten Bete, Sellerie, Tomaten
Chinakohl mit Bohnen, Erbsen, Kohlrabi, Spinat
108 Siehe dazu Christa Weinrich (OSB): Geheimnisse – aus dem Klostergarten, Stuttgart, 2017, S. 147 f.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Endivien mit Fenchel, Kohlgewächsen, Möhren
Erbse mit Kohlgewächsen, Möhren, Radieschen, Rettich, Rhabarber, Salat, Spinat
Fenchel mit Salat, Kohlgewächsen, Möhren
Frühkartoffel mit Blumenkohl, Buschbohnen, Borretsch, Frühkohl, Pfefferminze
Gurke mit Basilikum, Dill, Fenchel, Kopfsalat, Sellerie, Spinat, Stangenbohnen, Zwiebel
Knoblauch mit Erdbeeren, Gurken, Lauch, Möhren, Obstbäume, Rosen, Tomaten, Zwiebel
Kohlgewächse mit Borretsch, Buschbohnen, Erbsen, Möhren, Phacelia, Rhabarber,
Ringelblumen, Salat, Salbei, Sellerie, Spinat, Tagetes, Tomaten
Kohlrabi mit Bohnen, Erdbeeren, Erbsen, Lauch, Rote Bete, Salat, Spinat, Tomaten
Kopfsalate mit Bohnen, Borretsch, Dill, Erbsen, Gurken, Kohlrabi, Kohl, Radieschen, Rettich,
Schwarzwurzeln, Spinat, Tomaten
Mangold mit Buschbohnen, Kohlgewächse, Möhren, Radieschen, Rettich
Meerrettich mit Kartoffeln, Obstbäumen
Möhren mit Endivien, Erbsen, Dill, Knoblauch, Kohl, Gartenkresse, Lauch, Radieschen,
Rettich, Salat, Schnittlauch, Tagetes, Tomaten, Zwiebel
Lauch (Porree) mit Erdbeeren, Knoblauch, Möhren, Schwarzwurzeln, Tomaten
Paprika mit Brennesseln, Gurken, Kohlgarten, Petersilie, Ringelblume, Senf
Radieschen/Rettich mit Bohnen, Erdbeeren, Gartenkresse, Möhren, Salat, Schwarzwurzeln,
Tomaten
Rhabarber mit Bohnen, Kohlgewächse, Salat, Spinat
Rote Beete mit Bohnen, Bohnenkrau, Dill, Zwiebel
Schwarzwurzel mit Bohnen, Kohl, Lauch, Radieschen, Rettich, Salat
Spargel mit Bohnen, Dill, Erbsen, Kohlrabi, Salat
Spinat mit Bohnen, Erbsen, Erdbeeren, Kohl, Radieschen, Rettich, Salat, Tomaten,
Beerensträucher
Stangenbohnen mit Bohnenkraut, Gurken, Ringelblumen, Rote Bete, Salat, Sellerie, Spinat,
Tagetes
Tomate mit Bohnen, Kohlgewächse, Möhren, Lauch, Petersilie, Ringelblumen, Salat, Sellerie,
Senf, Spinat, Tagetes, Zwiebel
Zucchini mit Basilikum, Bohnen, Kamille, Zwiebel
Zuckermais mit Bohnen, Erbsen, Gurken, Kürbis, Phacelia, Spinat
Zwiebel mit Dill, Gurken, Knoblauch, Majoran, Möhren, Rosen, Salat, Tomaten, Obstbäumen.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Anlage 4: „Essbare Stadt Albi“
Gerhard Buck1, 30.11.2019
„L’autosuffisance alimentaire“ – Konzepte und Projekte zur regionalen Selbstversorgung mit landwirtschaftlichen Produkten in der südfranzösischen Stadt Albi
Idee, Ziele, Konzept
Die Repräsentanten der mittelgroßen Stadt Albi (ca. 50.000 Einwohner) im Departement Tarn in der Region Okzitanien legten Anfang 2015 einen Plan („projet alimentaire territorial“ – PAT) vor, wonach die Stadt bis 2010 innerhalb eines Umkreises von 60 km eine regionale Selbstversorgung mit landwirtschaftlichen Produkten (autosuffisance alimentaire– im Folgenden abgekürzt mit „ASA“) durch die Entwicklung einer „urbanen Landwirtschaft“ erreichen will. Diese würde insbesondere folgende Elemente umfassen:
- verstärkte lokale Zusammenarbeit der landwirtschaftlichen Akteure im Departement, - Ansiedlung von Gemüsebauern (maraîchers) und - Ausbau von Gemeinschaftsgärten (jardins partagés) im Stadtgebiet sowie - Aufbau eines engmaschigen Netzwerks von kundennahen Unternehmen zur
Nahrungsmittelversorgung im Nahbereich.
Dies sei auch ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung (QU 1 / Quelle 1 am Ende des Textes).
Nach Monsieur Michel Bouat, dem stellvertretenden Bürgermeister und Projektinitiator sowie Madame Stephanie Guiraud-Chaumeil, der Präsidentin des Siedlungsverbands „Grand Albigeois“ geht es darum, eine „lokale Agrikultur für die Bewohner der Agglomeration“ aufzubauen. Diese Zielsetzung solle u.a. durch eine verstärkte Kooperation zwischen der Stadt Albi (als Bereitsteller von Grundstücken), der Landwirtschaftskammer des Departements Tarn (als Unterstützer von ansiedlungswilligen Produzenten) und der örtlichen landwirtschaftlichen Fachschule (lycée agricole als Ausbildungsstätte für landwirtschaftliche und gärtnerische Berufe) sowie durch einen Bewusstseinswandel der Konsumenten bzgl. ihrer Verbrauchsgewohnheiten erreicht werden. Städtische Strukturen mit ihrer Konzentration von Konsumenten böten gute Voraussetzungen zur Entwicklung einer lokalen Landwirtschaft (QU 7).
Vorgeschichte
Die Projektidee wurde Ende 2014 von Monsieur Jean Michel Bouat (stellvertretender Bürgermeister und Beauftragter für nachhaltige Entwicklung, Biodiversität, städtische Landwirtschaft und Wasserversorgung in Albi und einer der ersten gewählten Kommunalvertreter in Frankreich mit Funktion) und Monsieur Henry Bureau (ehem. Präsident des Vereins „Incroyables Comestibles d’Albi“ und Mitglied des nationalen Verbands der Incroybles) formuliert. Anfang 2015 wurde das Vorhaben mit einem Budget in Höhe von 300.000 Euro über 5 Jahre ausgestattet. Am 21./22.1.2016 veranstaltete die Stadt Albi die „Journées comestibles“ und stellte die Idee als Gemeinschaftsprojekt der Stadtverwaltung und des Vereins „Incroyables Comestibles“ vor, was ein größeres Medienecho fand. Eine wichtige Bündnispartnerin bei der Vorbereitung und Durchführung des Journées Comestibles war Mrs. Pamela Wharhurst, Mitbegründerin der von Prince Charles unterstützten englischen Vorbild-Initiative „Incredible edibles“. Mrs. Wharhurst nahm eine Einladung der Stadt Albi für Prince Charles mit, um diesen für das ambitionierte Vorhaben der „autosuffisance alimentaire“ zu gewinnen (QU 1, 2 und 7).
Aktivitäten und Angebote
1 Die Analyse zur „essbaren Stadt“ Albi wurde dem Projekt von Prof. Dr. em. Gerhard Buck zur Verfügung
gestellt. Gerhard Buck war seit 1995 Professor am Fachbereich Sozialwesen der FH Potsdam. Wir stellen die Erfahrungen von Albi hier als Beispiel und Anregung ausführlich dar.
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Mitte Juli 2017 wird über folgende Aktivitäten berichtet:
Das Projekt wurde auf der von Präsident Macron einberufenen nationalen beratenden Versammlung der maßgeblichen Akteuren im Bereich der Nahrungsmittelproduktion („États généraux de l’alimentation) mit dem Anspruch einer Leitbild- und Vorreiterfunktion für andere Städte vorgestellt (QU 1)2
Auf dem Gelände des Klosters Saint Salvi im Stadtzentrum (das als Teil des Unesco-Welterbes klassifiziert ist) wurden auf Initiative der „Incroyables Comestibles“ Gemeinschaftsgärten (jardins partagés) zum Anbau von Gemüse und Obst eingerichtet, mit dem Ziel, eine „partizipative städtische Landwirtschaft“ (agriculture urbaine participative) zu fördern. Die Stadt plant, im Naturschutzgebiet Canavière am Tarnufer ca. 70 ha zu erwerben, um dort mit sehr geringer Pacht ökologisch produzierende Landwirtschaftsbetriebe anzusiedeln, mit der Auflage, ihre Produkte im Umkreis von 20 km zu verkaufen. Bis Juli 2017 konnte die Stadt allerdings erst 9 ha aufkaufen. Auf dieser Fläche wurden 4 Gemüsebauern (Monsieur Dominique Anais, Monsieur Tamer Dinc, Madame Tatjana Dinc, Monsieur Jean-Gabriel Pelissou) angesiedelt, die in den ersten zwei Bewirtschaftungsjahren keine Pacht bezahlen müssen. Bis Anfang 2017 waren diese noch mit dem Betriebsaufbau beschäftigt. Auf diesem Gelände der Canavière bewirtschaftet außerdem ein Landschaftsgärtner (Monsieur Jaques Molat) schon seit 2014 ca. 3 ha im Sinne der Permakultur und Agroforstwirtschaft (Verbindung von Elementen des Ackerbaus und der Forstwirtschaft), mit dem Ziel, den Abnehmern seiner Produkte, insbesondere von Gemüse eine größere Wertschätzung von qualitativ besserer Ernährung zu vermitteln (QU 1 und QU 2).
Die örtliche landwirtschaftliche Fachschule (Lycée Agricole de Fonlabour, Leiter: Monsieur Éric Gaillochon) führte bis Anfang 2017 auf dem Schulgelände mit einer Fläche von 1,5 ha eine berufliche Eingliederungsmaßnahme zum Schwerpunkt „ökologischer Gemüseanbau“, sowie zwei Weiterbildungsprojektezur „Direktvermarktung“ durch. Das auf dem Schulgeländer produzierte Gemüse wurde an zwei Kooperativen in der Stadt Albi verkauft. Außerdem bewirtschaftet die Schule zusammen mit dem Verein Incroyable Comestibles im Département Tarn verschiedene Höfe in der Gemeinde Lavaur (Fleischproduktion) und Bellegarde (Milch- und Getreideproduktion). NachEinschätzung von Monsieur Gaillochon sind das schon wichtige Beiträge zur „autosuffisance alimentaire“ (QU 2).
Bis zum Frühjahr 2019 richtete die Stadt zusammen mit der Landwirtschaftskammer einen inzwischen gut angenommenen sog. Erzeuger-Markt in Castelviel ein, was dem Konzept der lokalen Produktion und der Direktvermarktung Auftrieb gegeben habe: statt Nahrungsmittel aus China und
2 In einer Versammlung der Landwirtschaftskammer des Departements Tarn in Albi am 11.12.2017 berichtete
Madame Christine Lambert (Präsidentin der nationalen Dachorganisation der Landwirtschaftsverbände (FNSEA - „Fédération nationale des syndicats d’exploitants agricoles“) über den Stand der États généraux. Sie sprach dabei über den wirtschaftlichen Druck, der auf den französischen Landwirtschaftsbetrieben lastet: In Frankreich würden 4 große Handelsketten, die von 400.000 Landwirtschaftsbetrieben beliefert werden, den Markt beherrschen. Diese Handelsketten würden im Wesentlichen die Preise diktieren, die im Lauf der letzten Jahre immer weiter gefallen seien, z.T. sogar unter den Selbstkostenpreis. Gleichzeitig würden aber die Qualitätsansprüche der Verbraucher steigen und deren Verbrauch insgesamt sinken, was zur schrittweisen Reduktion der Gewinnaussichten und der Investitionen der landwirtschaftlichen Unternehmen geführt habe. Wegen dieser Gesamtproblematik habe der FNSEA den französischen Präsidenten zur Einberufung der États généraux veranlaßt. Es sei nötig, in der 1. Jahreshälfte 2018 ein Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den landwirtschaftlichen Produktionsbetrieben, den Industriebetrieben für die Verarbeitung von Agrarprodukten und den Handelsbetrieben auf den Weg zu bringen, mit dem Ziel, die Preise für Landwirtschaftsprodukte deutlich anzuheben, irreführende Werbekampagnen (die den Konsumenten den wirklichen Produktionswert verschleiern) einzuschränken und Schwellenwerte von unerlaubten Dumpingpreisen zu definieren (QU 8).
Für weitere Recherchen zu den Beratungsergebnissen der États généraux und den daraus folgenden Gesetzgebungsvorhaben s. https://agriculture.gouv.fr/egalim-tout-savoir-sur-la-loi-agriculture-et-alimentation.
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Deutschland zu importieren sollen auf kurzem Weg lokale Produkte mit Bioqualität angeboten werden, schwerpunktmäßig saisonale Produkte und ohne Fixierung auf das Diktat äußerlicher „Makellosigkeit“ der Produkte. Der Obstanbau in den Gemeinschaftsgärten wird vom städtischen „service patrimoine végétal et environnement“ begleitet und unterstützt, auch durch Beratung bzgl. der richtigen Pflanz- und Erntezeiten und der gärtnerischen Pflegeanforderungen.3 Der Service will auch den saisonspezifischen Konsum von Obst und Gemüse fördern, statt z.B. „Erdbeeren im Winter“ einzukaufen (QU 7).
Die städtische Zentralküche, die täglich 3.400 Gerichte (und mindestens einmal pro Monat ein Gericht mit 100% lokalen Produkten) herstellt hat inzwischen Verträge mit 23 lokalen Landwirtschaftsbetrieben geschlossen, auch als Beitrag zur Förderung der lokalen Produktion und zur Sicherung der landwirtschaftlichen Arbeitsplätzen im Departement Tarn. Dadurch könnten die Betriebe ihre Produkte inzwischen auch besser auf die spezifischen Bedarfslagen der unterschiedlichen Konsumentengruppen abstimmen, z.B. auf Kinder und alte Menschen Der städtische Sozialdienst CCAS (Centre Communal d’Action Sociale) bietet die Gerichte in einer eigenen Kantine an und verteilt diese auch an Krippen, Schulen, soziale Einrichtungen und an ältere Menschen (fahrbarer Mittagstisch).4(QU 7).
Ebenfalls mit Stand Frühjahr 2019 wird berichtet, dass sich Albi an der Initiative „Bauernhof in der Stadt“ (ferme en ville) und am Tierprämierungs-Wettbewerb junger Landwirte (concours de jugement d’animaux par les Jeunes – CJAJ) beteiligt. In den Schulen werden den Kindern die vielfältigen Berufe in der Landwirtschaft und in der Nahrungsmittelproduktion aufgezeigt. Albi nimmt auch am französischen Netzwerk zur Sanierung und verbesserten Nutzung von Böden und Flächen teil (PLUi – plan local d’urbanisme intercommunal)5 mit dem Ziel, die landwirtschaftlich genutzten Flächen zu erhalten, behutsamen Pflanzenschutz zu betreiben und ökonomischere Bewässerungssysteme in Dürreperioden zu erreichen (QU 7).
Anfang Mai 2019 fand in Albi ein am Modell der „fête de la musique“ orientiertes „Fest der städtischen Landwirtschaft“ mit reger Bürgerbeteiligung statt, mit Pflanzaktionen und Pflanzentausch, Debatten, Stadtspaziergängen, Konzerten und Filmvorführungen sowie einer Kundgebung des Vereins „Essbare Stadt Albi“ (Albi ville comestible), mit der zentralen Forderung, die vorhandenen landwirtschaftlichen Nutzungen und Flächen an der Stadtperipherie zu schützen und zu erhalten und einen „Grundstücksfonds der Bürger“ (foncière citoyenne) einzurichten6 (QU 5).
Die Stadt produziert schon seit dem Ende des 19. Jhdts. Ihr eigenes Trinkwasser aus dem Tarn unter städtischer Regie. Es ist geplant, in diese Eigenversorgung zukünftig auch die Gemeinden Arthès, Lescure und Saint-Juéry einzubeziehen (QU 7).
Akteure und Kooperationspartner
Wichtigste Akteure sind die Stadtverwaltung Albi, der Verein Incroyables Comestibles d’Albi. Das Lycée Fonlabour und diverse Landwirtschaftsbetriebe im Departement Tarn, insbesondere in den Gemeinden Lavaur und Bellegarde (QU 2).
Kritische Bewertung
Bis März 2017 wurden nur relativ geringe Fortschritte erreicht, weil der geplante städtische Erwerb von landwirtschaftlich nutzbaren Grundstücken kaum vorankam und ein schon im Gemeindebesitz
3 S. dazu auch https://www.mairie-albi.fr/fr/le-service-patrimoine-vegetal-et-environnement (Zugriff am
30.11.19.). 4 Zum Tätigkeitsprofil des CCAS s. auch https://www.mairie-albi.fr/fr/le-centre-communal-daction-sociale-
ccas-de-la-ville-dalbi (Zugriff am 30.11.19). 5 S.http://www.grand-albigeois.fr/1369-le-plan-local-d-urbanisme-intercommunal-plui-.htm (Zugriff am
30.11.19). 6 S. dazu auch https://reseau-agriville.com/48h-agriculture-urbaine/ sowie https://reseau-agriville.com/48h-agriculture-urbaine/ (Zugriff v. 30.11.19).
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befindliches größeres Stadtareal anderweitig zur Entwicklung eines Geschäftszentrum (centre commercial) verplant wurde, was insbesondere von den Gemeinderatsmitgliedern der französischen Grünen kritisiert wurde (QU 2). Monsieur Bouat, der sich als „Ökozentrist“ (écolocentriste) in einer politisch rechts stehenden Stadtregierung räumte ein, dass sich die enge Zielvorgabe 2020 schnell als unrealistisch erwies. Diese Vorgabe sei zunächst gewählt worden, weil die Wahlperiode der Gemeindevertretung im Jahr 2020 endet, Es gehe um einen langfristigen Konversionsprozess, bei dem auch die konventionellen Agrarbetriebe mit ihren großen Traktoren und Sähmaschinen einbezogen werden müssten, um diese zu überzeugen, wenigstens einen Teil ihrer Produktion auf Bioprodukte auszurichten und lokal zu vermarkten („statt ihren Weizen über eine Entfernung von 10.000 km zu verkaufen“). Bei der Produktion von und der Versorgung mit Milch und Joghurt hätte die Stadt im Prinzip schon das Ziel der autosuffisance erreicht. Die Genossenschaft der Milchbauern verkauft ihre Produkte bisher allerdings noch überwiegend außerhalb des Départements. Es geht hier also zunächst um die Reorganisation von Absatzwegen (QU 1 und QU 2).
Nach Einschätzung der Stiftung „Terre des liens“ zum Schutz und zur umweltschonenden Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen7 würde eine mittelgroße Stadt wie Albi mit seinen ca. 50.000 Einwohnern für alle Sparten der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion insgesamt ca. 18.000 ha. benötigen, um seine Bevölkerung im Sinne einer vollständigen Selbstversorgung zu ernähren. Dieses Ziel ist sicher utopisch. Dementsprechend geht es bei dem Projekt vorrangig um einen Prozess der Aktivierung aller Beteiligten und um Förderung der Bewusstseinsbildung, sich dem Ziel der autosuffisance anzunähern (QU 2).
Der ‚grüne‘ Stadtverordnete der Partei EELV (Europe Écologie - LesVerts) Monsieur Pascal Pragnières kritisiert, dass sich die rechtsgerichtete Stadtverwaltung mit ihrem unrealistischen Konzept einen grünen Anstrich verpasse. Um 50.000 Einwohner mit Ökogemüse zu versorgen würden 600 ha benötigt, im ganzen Département Tarn gäbe es dafür aber bisher erst 300 ha. Außerdem agiere die Stadtverwaltung sehr widersprüchlich: einerseits beanspruche sie, kurze Versorgungswege zu favorisieren, andererseits fördere sie den Infrastrukturausbau für Großbetriebe, wodurch die vielen kleinen lokalen Produzenten vernichtet würden (Qu 1 und QU 2).
Das sozialistische Stadtratsmitglied Fabian Lacoste sieht in dem Projekt nur einen Marketing-Gag der Stadtregierung, um wiedergewählt zu werden. Der o.g. Mitbegründer des Gesamtprojekts Henri Bureau erkennt zwar den politischen Willen der kommunalpolitisch Verantwortlichen an, das Gesamtprojekt zu realisieren, kritisiert aber die unzureichende Mittelausstattung. Trotzdem sei es richtig und wichtig, dass damit überhaupt begonnen wurde: „maiscesont les utopies qui font avancer le monde. Moi, cequem’ interesse, c’est quelesgens se mettent en route“ (QU 1).
Bisher hat die Stadt ein Vorkaufsrecht auf 73 ha auf dem Gelände Canavières (eine Fläche von 10 ha konnte sie dort schon aufkaufen, auf der inzwischen die o.g. Gemüsebauern angesiedelt wurden). Außerdem könnte die Stadt 10 ha nutzbare Anbauflächen auf dem Gelände Renaudié am Stadtrand erwerben. Auf diesem Gelände will die Stadt aber einen Heimwerkermarkt als ersten Schritt zu einem zukünftigen Gewerbegebiet (zone commerciale) zulassen. Nach Einschätzung von Monsieur Bernard Bognier von der Initative „Des terrespasd’hyper“ und des Vereins l’Aadur (l’associational bigeoise pourund évéloppement urbain respectueux) desavouiert die Stadtverwaltung damit ihr Ziel der autosuffisance. Stattdessen solle die Stadt mehr für die nachbarschaftliche Nahversorgung (commerces de proximité) und für die Erhaltung von Agrarflächen im Stadtumland unternehmen. Ähnliche Kritik äußern Monsieur OlatzLakarotz(stellvertretender Vorsitzender des Vereins Incroyables Jardiniers, wie sich die lokale Organisation der Initiative Incroyables Comestibles in Albi nennt) sowie Madame Marie Gaborit und Monsieur Pascale Brûlet, zwei weitere Mitglieder der Incroyables Comestibles (QU 2).
Monsieur Brûlet führt aus, dass insbesondere die Initiative Incroybles Comestibles für das Ziel der autosuffisance sensibilisieren will, wofür ein klarer politischer Wille vorhanden sein müssen Es ginge
7 S. dazu https://terredeliens.org/midi-pyrenees.html (Zugriff 30.11.19).
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dabei nicht um die Produktion einer bestimmten Menge an Tomaten. Es ginge vielmehr um den Umbau der Produktions-, Verarbeitungs- und Verteilungssysteme in der Lebensmittelwirtschaft. Trotz der z.T. sinnvollen Einzelmaßnahmen nehme die Stadtverwaltung keine wirkliche Steuerungsfunktion wahr. Ärgerlich sei auch, dass die Incroyables von der Stadtverwaltung zwar immer als Vorbild bzw. „Leuchtturm“-Initiative für die autosuffisance bezeichnet, sie aber nicht zu den Sitzungen des Steuerungsgruppe des Gesamtprojekts einlädt (QU 2).
Weitere Planungen und Ausbauperspektiven
Offensichtlich findet das Beispiel Albi aber in anderen Städten größeres Interesse. So bezeichnen sich inzwischen z.B. Limoge, Saint-Viaud, Liège, Nantes undParis (mehr oder weniger offensiv und publikumswirksam sowie mit Bezug auf Einzelprojekte oder auf ein vorliegendes städtisches Entwicklungskomzept) als „villescomestibles“.8
Quellen
QU 1: A Albi, la longue route vers l'autosuffisance alimentaire. Le Point, 19.7.2017
https://www.lepoint.fr/economie/a-albi-la-longue-route-vers-l-autosuffisance-alimentaire-19-07-
2017-2144168_28.php
QU 2: Vanessa Vertus- L’autosuffisance alimentaire à Albi ?Dommage, c’est du pipeau. Reporterre. Le
quotidien de l’ecologie, 6.3.2018
https://reporterre.net/L-autosuffisance-alimentaire-a-Albi-Dommage-c-est-du-pipeau
QU 3:Albi: Le chemin pour atteindre l’autosuffisance alimentaire en 2020 est seméd’embûches.
20minutes.fr, 19.7.17.
https://www.20minutes.fr/toulouse/2106503-20170719-albi-chemin-atteindre-autosuffisance-
alimentaire-2020-seme-embuches
QU 4: Jean MichelHerbillon - Albi, villepilote pour l'autosuffisance alimentaire en 2020, Biodiv’ille.
Portail francophone de l’education à la nature et la biodiversité en ville. Actualités 2016
http://www.biodiville.org/a/426/albi-ville-pilote-pour-l-autosuffisance-alimentaire-en-2020-/
sowie
http://lesincroyablescomestibles.fr/albi-ville-pilote-pour-lautosuffisance-alimentaire-en-2020/
QU 5: Albi. L'autosuffisance alimentaire loin d'être atteinte mais toujours d'actualité. Ladepeche.fr,
12.2.2019
https://www.ladepeche.fr/2019/02/12/lautosuffisance-alimentaire-loin-detre-atteinte-mais-
toujours-dactualite,8009529.php
QU 6: Sandrin Morin - Albi fait la fête à l’agriculture urbaine mêmesicen’est pas si simple.
Francebleu.fr, 1.5.2019
https://www.francebleu.fr/infos/societe/albi-fait-la-fete-a-l-agriculture-urbaine-meme-si-ce-n-est-
pas-si-simple-1556736864
8 S. dazu z.B. folgende Fundstellen: http://www.biodiville.org/a/282/limoges-ville-comestible/ http://vergersurbains.org/. http://lesincroyablescomestibles.fr/villes-pilotes/. https://alimentation-generale.fr/analyse/paris-ville-comestible/. https://www.kreavert.eu/index.php/fr/kreavert-le-projet/le-concept-de-la-ville-comestible. http://www.revuesurmesure.fr/issues/natures-urbaines-et-citoyennetes/la-ville-comestible. https://www.catl.be/2019/05/27/agriculture-urbaine-quel-modele-pour-la-ville-de-liege-par-antoine-
lagneau/. (Zugriff 30.11.19).
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QU 7: D. Monnery -Territoire Grand Albigeois: Albi a toutesa place aux côtés du monde Agricole.
Paysantarnais.com, 18.4.2019
https://www.paysantarnais.com/actualites/territoire-grand-albigeois-albi-a-toute-sa-place-aux-
cotes-du-monde-agricole:RKOFP07L.html
QU 8: États généraux : la patronne de la FNSEA fait escale à Albi. Ladepeche.fr, 12.12.2017
https://www.ladepeche.fr/article/2017/12/12/2702916-etats-generaux-patronne-fnsea-fait-escale-
albi.html
Qu 9: Soutien au développement d'une agriculture urbaine2016. Aménagement du territoire:
Démarches de planification enfaveur de la biodiversité. Albi (Tarn). Capitales Francaises de la
Biodiversité. http://www.capitale-biodiversite.fr/, Zugriff 20.11.2019
http://www.capitale-biodiversite.fr/experiences/soutien-au-developpement-dune-agriculture-
urbaine
QU 10: L’agricultureurbaine à Albi.Mairie-Albi.fr, Zugriff: 20.11.2019
https://www.mairie-albi.fr/fr/lagriculture-urbaine-albi
QU 11: Agriculture urbaine : avec Albi, on enprend de la graine
https://www.lindependant.fr/2019/06/07/agriculture-urbaine-avec-albi-on-en-prend-de-la-graine, 8244106.php.
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Anlage 5: Sozialdaten
A) Situation im gesamten Arbeitsagenturbezirk Cottbus
Die Arbeitslosenquote beträgt aktuell im Arbeitsagenturbezirk Cottbus1 6,3%. Sie ist in den letzten
Jahren deutlich zurück gegangen.2 Bei näherem Hinsehen bringen die Daten des Arbeitsmarktes
jedoch erhebliche Probleme ans Tageslicht:
Im Arbeitsagenturbezirk Cottbus gibt es 33.117 Arbeitssuchende. Unter den Arbeitssuchenden sind
19.840 Arbeitslose; insgesamt 26.123 Unterbeschäftigte (ohne Kurzarbeit); die
Unterbeschäftigungsquote beträgt 8,1%. Demgegenüber gibt es nur 5.825 gemeldete Arbeitsstellen.
In den Bereichen Land-, Forst-, Tierwirtschaft, Gartenbau gibt es 1.871 Arbeitslose und
demgegenüber nur 91 gemeldete Arbeitsstellen. Fast ein Drittel der Arbeitslosen (32,6%) ist
langzeitarbeitslos – das sind 6.474 Menschen.3 Personen mit Helfertätigkeiten sind besonders vom
Wegfall bzw. von der Substituierbarkeit ihrer Arbeitsplätze bedroht, in der Lausitz sind 55% aller
Helfertätigkeiten davon betroffen, in den Land-, Forst- und Gartenbauberufen sind es immerhin
47,4%.4
Die demographische Entwicklung drückt sich besonders bei dem Anteil der älteren Arbeitslosen ab 50
Jahren aus. 45,2% aller Arbeitslosen oder 8.959 Personen gehören dazu. Es gibt 1.088 arbeitslose
Schwerbehinderte und 1.952 arbeitslose Ausländer.5
Die Mehrheit, über zwei Drittel, der Arbeitssuchenden und Arbeitslosen gehören dem Rechtskreis
des SGB II („Hartz4“) an: 22.596 Arbeitssuchende (68% aller Arbeitssuchenden), darunter 13.335
Arbeitslose (67% aller Arbeitslosen) und 18.244 Unterbeschäftigte (70% aller Unterbeschäftigten).
6.008 von den Arbeitslosen nach SGB II sind langzeitarbeitslos (93% aller Langzeitarbeitslosen und
45% der Arbeitslosen nach SGB II).6
Ein umfassenderes Bild erhält man, wenn man die Leistungsbeziehenden nach SGB II insgesamt
einbezieht. So gibt es im Arbeitsagenturbezirk Cottbus 30.058 erwerbsfähige Leistungsbeziehende,
darunter sind u.a. die, die an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme teilnehmen oder einer
Erwerbstätigkeit mit Einkommen unterhalb der Grundsicherung („Aufstocker“) nachgehen.
Hinzukommen 9.649 nicht erwerbsfähige Leistungsbeziehende, wozu u.a. die Kinder gehören. Also
fast 40.000 Personen leben im Arbeitsagenturbezirk Cottbus von „Hartz IV“. Sie leben in
24.317 Bedarfsgemeinschaften.7
Außer den Leistungsbeziehenden nach SGB II sind eine benachteiligte Gruppe diejenigen, die
Grundsicherungsleistungen nach SGB XII bezieht. Für das Projekt sind insbesondere diejenigen zu
1 Hierzu gehören territorial die Landkreise Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße, Dahme-
Spreewald sowie die kreisfreie Stadt Cottbus. 2 Bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen. Vgl. Agentur für Arbeit Cottbus, Arbeitsmarktreport
(Monatszahlen), Januar 2020, Tabelle Eckwerte AA. Im Januar 2017 betrug die Arbeitslosenquote noch 8,7% - vgl. https://statistik.arbeitsagentur.de / Startseite / Statistik nach Regionen / Regionaldirektionsbezirke und Agenturbezirke / RD Berlin-Brandenburg / Cottbus.
3 Vgl. Agentur…, a.a.O., Tabellen Eckwerte AA und Berufe. 4 Vgl. Hrsg. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit: „Die Lausitz. Eine
Region im Wandel“, IAB-Regional. IAB Berlin-Brandenburg 3/2018, November 2018, S.47 und Abb.16, S.48. 5 Vgl. Agentur…, a.a.O., Tabelle Eckwerte AA. 6 Vgl. Agentur…, a.a.O., Tabelle Eckwerte AA SGB II. 7 Vgl. ebenda.
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betrachten, die Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
erhalten; dies sind im Dezember 2017 insgesamt 7.652 Personen, davon 5.344, die außerhalb von
Einrichtungen leben und 2.308 Personen, die innerhalb von Einrichtungen leben.8
Darüber hinaus gibt es 3.188 Personen, die 2018 Asylbewerberregeleistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz erhalten haben.9
29.774 Menschen im Agenturbezirk sind geringfügig beschäftigt, darunter 20.595 ausschließlich (!).10
Hinzu kommen Rentner11, deren Einkommen oft knapp oberhalb der Sozialhilfe-Grenze liegt, ähnlich
wie bei vielen Alleinerziehenden.12 Ein nicht geringer Teil davon bedarf der Aufstockung mit SGB-II-
oder SGB-XII-Leistungen.
In Übertragung der Werte des Niedriglohnsektors von Ostdeutschland auf den Arbeitsagenturbezirk
arbeiteten 35% aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor, rd. 98.000 Personen;13 d.h. sie hatten ein
Bruttoarbeitsentgelt von weniger als zwei Drittels des Median-Stundenlohnes; sie arbeiteten also zu
einem Stundenlohn von weniger als 10,44 Euro (Niedriglohnschwelle).14
Die Armutsgefährdungsquote15 liegt in Brandenburg 2018 bei 13,1 Prozent (gemessen am Median-
Einkommen in Brandenburg). Bei Übertragung dieses Anteils auf die 596.829 Einwohner im
Agenturbezug16 sind dies nahezu 80.000 armutsgefährdete Menschen.
Die Chancen für eine Verbesserung der Lebenssituation dieser Menschen bleiben gering und
verbessern sich nicht automatisch durch den geplanten Strukturwandel. Es bedarf gezielter
Maßnahmen, um diese Menschen auf dem Wege des Strukturwandels in eine positive Perspektive
einzubinden. Allein durch die Strategie der „Kohlekommission“ werden eher höher qualifizierte und
gut verdienende Menschen eingebunden, für andere entstehen bestenfalls indirekte
Beschäftigungseffekte. Die Entwicklung von Bürgergärten, darunter mit Permakultur-Inhalten, kann
aber einen direkten Beitrag hierzu leisten.
8 Vgl. dazu: Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2018, S.197, eigene Berechnungen. Die Angaben beziehen
sich auf Dezember2017. 9 https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/ Menü: Statistiken, Öffentliche Sozialleistungen,
Asylbewerberleistungen, Regionaldaten. Sowie: eigene Berechnungen. Diese Leistungen erhalten Asylbewerber und abgelehnte Bewerber, die zur Ausreise verpflichtet sind, sowie
geduldete Ausländer anstelle der Sozialhilfe. 10 Agentur für Arbeit Cottbus: Regionalreport über Beschäftigte (Quartalszahlen), Stichtag 30. Juni 2019,
Tabelle 6. 11 24,5% der Bevölkerung (Jahr 2018) sind Menschen mit 65 Jahren und älter. Vgl. www.statistik-berlin-
brandenburg.de, Menü Bevölkerung / Bevölkerungsstand / Zensus, Basisdaten. 12 92.800 Menschen (Jahr 2018) in Brandenburg sind Alleinerziehende, das sind etwa 3,7 Prozent der
Gesamtbevölkerung. Vgl. www.statistik-berlin-brandenburg.de, Menü Bevölkerung / Mikrozensus, Basisdaten.
13 Vgl. Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2019, S,84 und eigene Berechnungen. Im Arbeitsagenturbezirk Cottbus gab es 2017 danach 279,4 Tausend Erwerbstätige.
14 http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Einkommen-Armut/Datensammlung/PDF-Dateien/abbIII32.pdf 4.2.2010: Institut für Arbeit und Qualifizierung: Entwicklung des Niedriglohnrisikos in Deutschland 1995 – 2016 in%.
15 Vgl. http://www.amtliche-sozialberichterstattung.de/A1armutsgefaehrdungsquoten.html. 5.2.2020. Die Armutsgefährdungsquote ist definiert als der Anteil der Personen, deren Äquivalenzeinkommen weniger als 60% des Medians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung (in Privathaushalten) beträgt; hier bezogen auf Brandenburg.
16 Statistik Berlin-Brandenburg: Bevölkerungsentwicklung und Bevölkerungsstand im Land Brandenburg 3. Quartal 2019, Tabelle 3.
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B) Situation im Landkreis Oberspreewald-Lausitz (OSL)
OSL schneidet unter den zum Arbeitsagenturbezirk Cottbus (AA Cottbus) gehörenden Landkreisen
vergleichsweise am schlechtesten ab. So war die Zahl der Arbeitssuchenden 7.194 bei 1.002 offenen
sozialversicherungspflichtigen Arbeitsstellen (Bestand). Die Arbeitslosenquote im Januar 2020 lag bei
8,1% in Bezug auf alle zivilen Erwerbspersonen (Arbeitsagenturbezirk Cottbus 6,3% - siehe oben); die
Gesamtzahl der Arbeitslosen betrug 4.655 und die der Unterbeschäftigten (ohne Kurzarbeit) 5.824 –
die Unterbeschäftigungsquote liegt bei 9,9% (AA-Bezirk Cottbus 8,1%).17
Auf 501 Arbeitslose mit Zielberufen Land-, Forst-, Tierwirtschaft, Gartenbau kommen 9 gemeldete
offene Stellen in diesen Zielberufen – 56 Arbeitslose auf 1 Stelle (AA Cottbus: 20:1).18
4.981 Menschen im Landkreis Oberspreewald-Lausitz sind geringfügig Beschäftigte, darunter 3.480
ausschließlich und 1.501 im Nebenjob.19
Unter den Arbeitslosen waren in OSL im Jahr 2017 53,2%, die eine Helfertätigkeit anstreben.20 Unter
denen, die eine sozialversicherungspflichtige Arbeit finden, sind aber nur zu 33,7% Arbeitslose mit
Helfertätigkeit. Bei Übertragung dieser Werte auf die Angaben vom Januar 2020 bedeutete das, dass
unter den Arbeitslosen rd. 4.655 Personen mit Helfer-Profil sind und rd. 83 von ihnen eine
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung21, also gerade mal knapp 2%, fanden. Diese Situation
kann sich durch den Strukturwandel und durch die Digitalisierung noch weiter verschärfen.
Langzeitarbeitslos waren im Januar 2020 im Landkreis OSL 1.674 Personen, 36% aller Arbeitslosen im
Landkreis OSL (im AA Cottbus 32,6%). Es gab 2.200 arbeitslose Ältere ab 50 Jahren – 47,4% aller
Arbeitslosen im Landkreis OSL (AA-Bezirk Cottbus 45,2%). Weiterhin waren unter den Arbeitslosen im
Landkreis OSL 256 Schwerbehinderte und 317 Ausländer.22
Die überwiegende Mehrheit – rd. 70% - der Arbeitslosen im Landkreis OSL konzentriert sich auf den
Rechtskreis des SGB II: 4.981 Menschen im Rechtskreis SGB II sind arbeitsuchend (69% aller
Arbeitssuchenden im Landkreis), 3.222 Menschen im Rechtskreis SGB II sind arbeitslos (69% aller
Arbeitslosen im Landkreis), darunter 1.587 langzeitarbeitslos (95% aller Langzeitarbeitslosen im
Landkreis). 70% aller älteren Arbeitslosen ab 50 Jahren beziehen Hartz IV. Auch die Mehrheit der
arbeitslosen Schwerbehinderten im Landkreis OSL (188 Personen, das sind 73% aller arbeitslosen
Schwerbehinderten) und der arbeitslosen Ausländer (240 Personen, das sind 76% aller arbeitslosen
Ausländer) gehören dem Rechtskreis des SGB II an. Im SGB-II-Bereich gab es in OSL im Januar 2020
insgesamt 6.415 erwerbsfähige Leistungsberechtigte sowie 1.822 nicht erwerbsfähige
Leistungsberechtigte. Das sind im Landkreis OSL insgesamt 8.237 „Hartz-4-Empfänger“ in insgesamt
5.272 Bedarfsgemeinschaften.23
17 Agentur für Arbeit Cottbus, (Monatszahlen), Oberspreewald-Lausitz, Januar 2020, Tabelle Eckwerte. 18 Ebenda, Tabelle Berufe. 19 Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Regionalreport über Beschäftigte, Oberspreewald-Lausitz, Stichtag
30.06.2019, Tabelle 1. 20 Vgl. Hrsg. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, a.a.O., S. 42; hier ist der Anteil der Arbeitslosen
mit dem Anforderungsprofil: Helfer ausgewiesen. 21 Vgl. Agentur für Arbeit Cottbus, (Monatszahlen), Oberspreewald-Lausitz, Tabelle Alo-Bewegungen. Danach
haben 186 Arbeitslose eine Arbeit am 1. Arbeitsmarkt gefunden; 33,7% sind 65 Personen. 22 Vgl. ebenda, Tabelle Eckwerte. 23 Vgl. ebenda, Tabelle Eckwerte SGB II und eigene Berechnungen.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
In den Bedarfsgemeinschaften lebten im Oktober 2019 insgesamt 6.520 erwerbsfähige
Leistungsberechtigte und 1.900 nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte – unter ihnen insgesamt
2.469 Kinder, 927 Alleinerziehende, 926 Ausländer.24
Neben den Leistungen nach SGB II und III erhalten viele Menschen auch Sozialleistungen nach SGB XII
und nach Asylbewerberleistungsgesetz. Im Jahre 2018 erhielten insgesamt 443 Menschen Hilfe zum
Lebensunterhalt (SGB XII, Kap. 3), 1 942 Menschen Leistungen nach SGB XII, Kapitel 5-925 und 547
24 Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Strukturen der Grundsicherung, Oberspreewald-Lausitz, Oktober 2019,
Tabelle 1. 25 Vgl. www.statistik-berlin-brandenburg.de,Menü Statistiken, Öffentliche Sozialleistungen, Sozialhilfe,
Regionaldaten.
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Anlage 6: Projektflyer
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Anlage 7: Fotos des Besuches der Gärtnerei de Veldhof
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Permakultur in der Niederlausitz“ – eine Machbarkeitsstudie / WEQUA GmbH, Februar 2020
Anlage 8: Literhinweise
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