amplexus bernardi

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Amplexus Bernardi Die zentralen Themen in der reichen Bernhard-Ikonographie sind zweifellos die Am- plexus- und die Lactatio-Darstellung, eine einzigartige Konzentration auf Christus und Maria, die Gottesmutter, die Bernhards ganzes Leben und sein gesamtes Werk bestimmten. Der Amplexus resultiert aus einer hagiographischen Quelle, dem »Liber de mi- raculis« des Herbert von Clairvaux (um 1180). 1 Er findet sich auch im »Exordium magnum« des Abts Konrad von Eberbach (1221 Kloster Eberbach, Eltville). 2 Danach ost der gekreuzigte Christus seine Arme vom Kreuzesbalken des Kruzifixes, neigt sich zu Bernhard, der ihn anbetet, und umarmt ihn. 3 Diese Beschreibung aus den literari- schen Quellen wurde zum Vorbild der ikonographischen Darstellungen dieses Motivs, das in Bernhards Leben und Schriften tief begr¨ undet ist, weil seine Spiritualit¨ at eine Leidens- und Kreuzesmystik ist, und er zum Ideal des entz¨ uckten und inbr¨ unstigen Verehrers von Leiden und Kreuz Christi wurde. Bernhards Theologie ist Christologie, seine Fr¨ ommigkeit Christusfr¨ ommigkeit, die im Kontext seiner Marienfr¨ ommigkeit steht. 1 Migne PL 185, 1328C. 2 Konrads sechsb¨ andiges »Exordium magnum Cisterciense« ¨ uber die Gr¨ undungsjahre des Zisterzi- enserordens bis zum ausgehenden 12. Jahrhundert ist eine umfangreiche Sammlung von Berichten und Schilderungen aus dem M¨ onchsleben mit dem Ziel asketischer Unterweisung und Erbauung. Das Buch geh¨ ort – neben dem Dialogus miraculorum des C¨ asarius von Heisterbach und der Mi- rakelsammlung Engelhards von Langheim – zu den wirkungsvollsten Beispielen der monastischen Exempel-, Mirakel- und Visionsliteratur des Mittelalters. Es fand in der Geschichte der christlichen Spiritualit¨ at weitere Verbreitung durch den Zisterzienserorden, wurde aber auch in der niederl¨ andi- schen Devotio moderna des 15. Jahrhunderts wieder aufgegriffen. [http://www.zisterzienser lexikon.de/wiki/Konrad_von_Eberbach] 3 Migne PL 185, 222 – 642: S. Bernardi vita et res gestae libris septem comprehensae. Liber septimus, excerptus ex libro cui titulus, «Exordium magnum Cisterciense,» distinct. 1, 2, 4, 6. [Col. 419D] CAPUT VII. De crucifixo Bernardum amplexante. 10. Dominus Menardus abbas de Moris, quod est monasterium vicinum Clarae-Valli, vir religiosus, mirabilem quamdam rem, quasi de alio, retulit familiaribus suis, quam tamen sibimet evenisse put- amus; ita dicens: «Notus est mihi monachus, qui beatum Bernardum abbatem aliquando reperit in [Col. 420A] ecclesia solum orantem. Qui cum prostratus esset ante altare, apparebat ei quaedam crux cum suo crucifixo super pavimentum, posita coram illo, quam idem vir beatissimus devotissime adorabat, ac deosculabatur. Porro ipsa majestas, separatis brachiis a cornibus crucis, videbatur eumdem Dei famulum amplecti, atque astringere sibi: quod cum monachus ille aliquandiu cerneret, prae nimia admiratione stupidus haerebat, et quasi extra se erat. Tandem vero metuens ne Patrem suum sanctum offenderet, si eum, veluti secretorum suorum exploratorem, ita sibi de proximo immi- nere conspiceret, silenter abscessit, intelligens nimirum ac sciens de illo homine sancto, quod vere supra hominem esset tota ipsius oratio, atque conversatio.» Menardus, ehemals Abt von Mores, einem Clairvaux benachbarten Kloster, ein frommer Mann, berichtete seinen Angeh¨ origen folgende wundersame Geschichte, die ein anderer erlebt h¨ atte. Wir aber glauben, dass sie ihm selbst widerfahren ist: Ich kenne einen M¨ onch, der den heiligen Abt Bernhard einst antraf; wie er in der Kirche allein betete. Als dieser vor dem Altar hingestreckt lag, sah er ¨ uber ihm ¨ uber dem Boden ein Kreuz mit dem Gekreuzigten, das der selige Mann in ochster Andacht anbetete und mit K¨ ussen bedeckte. Dann schien ihm, dass die Majest¨ at selber die Arme von den Enden des Kreuzes l¨ oste, den Diener Gottes umfasste und an sich zog. W¨ ahrend der M¨ onch dieses eine Weile beobachtete, war er vor ¨ ubergroßem Erstaunen regungslos und geriet gleichsam außer sich. Zuletzt aber f¨ urchtete er, den Vater zu beleidigen, wenn der ihn so gleichsam als Erforscher seiner Geheimnisse und so ganz nahe bei sich sehe. Deshalb ging er still weg, denn er erkannte und wusste von jenem heiligen Menschen, dass sein ganzes Gebet und sein Wandel wahrlich ¨ ubermenschlich waren.“ (Gabriel Hammer, Bernhard von Clairvaux in der Buchmalerei. Darstellungen des Zisterzienserabtes in Handschriften von 1135 – 1630 Regensburg 2009, S. 323)

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Amplexus Bernardi

Die zentralen Themen in der reichen Bernhard­Ikonographie sind zweifellos die Am­plexus­ und die Lactatio­Darstellung, eine einzigartige Konzentration auf Christusund Maria, die Gottesmutter, die Bernhards ganzes Leben und sein gesamtes Werkbestimmten.

Der Amplexus resultiert aus einer hagiographischen Quelle, dem »Liber de mi­raculis« des Herbert von Clairvaux († um 1180).1 Er findet sich auch im »Exordiummagnum« des Abts Konrad von Eberbach († 1221 Kloster Eberbach, Eltville).2 Danachlost der gekreuzigte Christus seine Arme vom Kreuzesbalken des Kruzifixes, neigt sichzu Bernhard, der ihn anbetet, und umarmt ihn.3 Diese Beschreibung aus den literari­schen Quellen wurde zum Vorbild der ikonographischen Darstellungen dieses Motivs,das in Bernhards Leben und Schriften tief begrundet ist, weil seine Spiritualitat eineLeidens­ und Kreuzesmystik ist, und er zum Ideal des entzuckten und inbrunstigenVerehrers von Leiden und Kreuz Christi wurde. Bernhards Theologie ist Christologie,seine Frommigkeit Christusfrommigkeit, die im Kontext seiner Marienfrommigkeitsteht.

1 Migne PL 185, 1328C.2 Konrads sechsbandiges »Exordium magnum Cisterciense« uber die Grundungsjahre des Zisterzi­

enserordens bis zum ausgehenden 12. Jahrhundert ist eine umfangreiche Sammlung von Berichtenund Schilderungen aus dem Monchsleben mit dem Ziel asketischer Unterweisung und Erbauung.Das Buch gehort – neben dem Dialogus miraculorum des Casarius von Heisterbach und der Mi­rakelsammlung Engelhards von Langheim – zu den wirkungsvollsten Beispielen der monastischenExempel­, Mirakel­ und Visionsliteratur des Mittelalters. Es fand in der Geschichte der christlichenSpiritualitat weitere Verbreitung durch den Zisterzienserorden, wurde aber auch in der niederlandi­schen Devotio moderna des 15. Jahrhunderts wieder aufgegriffen. [http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Konrad_von_Eberbach]

3 Migne PL 185, 222 – 642: S. Bernardi vita et res gestae libris septem comprehensae. Liber septimus,excerptus ex libro cui titulus, «Exordium magnum Cisterciense,» distinct. 1, 2, 4, 6.[Col. 419D] CAPUT VII. De crucifixo Bernardum amplexante.10. Dominus Menardus abbas de Moris, quod est monasterium vicinum Clarae­Valli, vir religiosus,mirabilem quamdam rem, quasi de alio, retulit familiaribus suis, quam tamen sibimet evenisse put­amus; ita dicens: «Notus est mihi monachus, qui beatum Bernardum abbatem aliquando reperit in[Col. 420A] ecclesia solum orantem. Qui cum prostratus esset ante altare, apparebat ei quaedamcrux cum suo crucifixo super pavimentum, posita coram illo, quam idem vir beatissimus devotissimeadorabat, ac deosculabatur. Porro ipsa majestas, separatis brachiis a cornibus crucis, videbatureumdem Dei famulum amplecti, atque astringere sibi: quod cum monachus ille aliquandiu cerneret,prae nimia admiratione stupidus haerebat, et quasi extra se erat. Tandem vero metuens ne Patremsuum sanctum offenderet, si eum, veluti secretorum suorum exploratorem, ita sibi de proximo immi­nere conspiceret, silenter abscessit, intelligens nimirum ac sciens de illo homine sancto, quod veresupra hominem esset tota ipsius oratio, atque conversatio.»

Menardus, ehemals Abt von Mores, einem Clairvaux benachbarten Kloster, ein frommer Mann,berichtete seinen Angehorigen folgende wundersame Geschichte, die ein anderer erlebt hatte. Wiraber glauben, dass sie ihm selbst widerfahren ist: ”Ich kenne einen Monch, der den heiligen AbtBernhard einst antraf; wie er in der Kirche allein betete. Als dieser vor dem Altar hingestrecktlag, sah er uber ihm uber dem Boden ein Kreuz mit dem Gekreuzigten, das der selige Mann inhochster Andacht anbetete und mit Kussen bedeckte. Dann schien ihm, dass die Majestat selberdie Arme von den Enden des Kreuzes loste, den Diener Gottes umfasste und an sich zog. Wahrendder Monch dieses eine Weile beobachtete, war er vor ubergroßem Erstaunen regungslos und gerietgleichsam außer sich. Zuletzt aber furchtete er, den Vater zu beleidigen, wenn der ihn so gleichsamals Erforscher seiner Geheimnisse und so ganz nahe bei sich sehe. Deshalb ging er still weg, denner erkannte und wusste von jenem heiligen Menschen, dass sein ganzes Gebet und sein Wandelwahrlich ubermenschlich waren.“ (Gabriel Hammer, Bernhard von Clairvaux in der Buchmalerei.Darstellungen des Zisterzienserabtes in Handschriften von 1135 – 1630 Regensburg 2009, S. 323)

2 Amplexus Bernardi

Die fruheste Darstellung des Amplexus ist vermutlich• eine Miniatur in einem Zisterzienser­Graduale des Frauenklosters Wonnental im

Breisgau aus der ersten Halfte des 14. Jahrhunderts.4

In chronologischer Reihenfolge registriert Alberich M. Altermatt5 den Amplexus• als kolorierte Federzeichnung von 1419 in einer Handschrift der Universitatsbi­

bliothek Heidelberg,• als Grisaillescheibe um 1440 im Kreuzgang der ehemaligen Zisterzienserabtei

Wettingen,• als Olgemalde (1487) vom Meister des Augustineraltars im Germanischen Na­

tionalmuseum zu Nurnberg,• als Triptychon um 1480/85 vom Meister des Bonner Diptychons in der Staats­

galerie Bamberg,• als Stickerei auf der Kapuze eines Pluviales vom letzten Viertel des 15. Jahrhun­

derts im Victoria and Albert Museum in London und• als Triptychon (Altarflugel) vorn Meister der heiligen Sippe um 1500 in den

Bayerischen Staatsgemaldesammlungen zu Munchen.

Das Motiv des Amplexus fand in der Bernhard­Ikonographie weite Verbreitung,vor allem durch die Druckgraphik. Neben der Lactatio­Szene und der DarstellungBernhards mir den Leidenswerkzeugen Christi gehorte es zu den Bildtypen, die dieGegenreformation als geeignete Bernhard­Darstellungen anerkannte. In Spanien istder Amplexus erst im Barock nachweisbar, in Italien Anfang des 16. Jahrhunderts im• Fresko des Pietro Perugino im Kapitelsaal der Abtei Santa Maria Maddalena dei

Pazzi in Florenz.Ein neuer Aspekt in den Amplexus­Darstellungen ist seit dem 16. Jahrhundert

zu beobachten: der gekreuzigte Christus umarmt nicht nur Bernhard, sondern dieserumarmt den sich ihm zuneigenden Christus, beide umarmen sich gegenseitig. Neuist auch die Variante, dass der gekreuzigte Christus sich Bernhard zuneigt, ihn abernicht umarmt, sondern ihm seine blutenden Wunden darbietet. Eine Variation stelltebenfalls der Amplexus mit den Passionswerkzeugen, den sogenannten Arma Christi,der Kupferstichserie von Antonio Tempesta († 1630) dar.

Fritz Wagner, Zum Bernhard­Bild in Literatur und Kunst, in: Harald Schwillus (Hg.), Liebesmystik alsChance und Herausforderung: Wirkungen von Person und Spiritualitat Bernhards von Clairvaux, 2007,S. 25 – 40, hier S. 29 – 32.

4 Gabriel Hammer, Bernhard von Clairvaux in der Buchmalerei. Darstellungen des Zisterzienserabtesin Handschriften von 1135 – 1630 Regensburg 2009, S. 326: Amplexus im Graduale cisterciense.Oberrhein, um 1340­1350, Graduale cisterciense, 260 Bll., Pergamenthandschrift mit acht Minia­turen, 46,3 x 36 cm, 9 Notenzeilen mit 4 roten Linien. Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod.UH 1 fol. 195r.

5 Alberich M. Altermatt OCist, Lactatio und Amplexus: Die zentralen Themen der Bernhardikono­graphie, in: Bernhard von Clairvaux. Der Zisterzienserheilige zur und in der Kunst. AusstellungAbteimuseum Kloster Eberbach, 2003. S. 24 – 41.

Amplexus Bernardi 3

Der Amplexus

Der liebenden Umarmung des hl. Bernhard durch den Gekreuzigten geht die tiefe Ver­senkung Bernhards in Christi Leiden und Tod voraus. Bernhard ist in der Tat zutiefst indieses Geheimnis versunken; sein mystisches Gebet vor dem Gekreuzigten bildet dieVoraussetzung fur die sich anschließende Vision der korperlichen Umarmung. Ample­xus so hat die Frommigkeitsgeschichte den Augenblick genannt, in dem der gekreuzigteGeliebte die Arme von den Kreuzesbalken lost und den in Liebe Entbrannten, der vorihm kniet, in seine Arme schließt.

Diese Vision geht auf eine literarische Quelle zuruck, die im Exordium magnum desKonrad von Eberbach im 7. Kapitel des zweiten Buches uberliefert wird und folgendenWortlaut hat:

Kap. 7. ”Von einem geisterfullten Monch, der sah, wie der ins Gebet versunkeneheilige Vater ein Kreuzesbild umfing.“

Menardus, ehemals Abt von Mores, einem Clairvaux benachbarten Kloster, einfrommer Mann, berichtete seinen Angehorigen folgende wundersame Geschichte, dieein anderer erlebt hatte. Wir aber glauben, dass sie ihm selbst widerfahren ist: ”Ichkenne einen Monch, der den heiligen Abt Bernhard einst antraf; wie er in der Kircheallein betete. Als dieser vor dem Altar hingestreckt lag, sah er uber ihm uber dem Bodenein Kreuz mit dem Gekreuzigten, das der selige Mann in hochster Andacht anbeteteund mit Kussen bedeckte. Dann schien ihm, dass die Majestat selber die Arme von denEnden des Kreuzes loste, den Diener Gottes umfasste und an sich zog. Wahrend derMonch dieses eine Weile beobachtete, war er vor ubergroßem Erstaunen regungslosund geriet gleichsam außer sich. Zuletzt aber furchtete er, den Vater zu beleidigen,wenn der ihn so gleichsam als Erforscher seiner Geheimnisse und so ganz nahe beisich sehe. Deshalb ging er still weg, denn er erkannte und wusste von jenem heiligenMenschen, dass sein ganzes Gebet und sein Wandel wahrlich ubermenschlich waren.“(Grießer 1961, 102f.)

In seinem Artikel ”Gibt es eine spezifische Zisterzienser­Spiritualitat?“ in der CistC104, 1997, S. 353 schreibt Brian Patrick McGuire zu dem im Exordium magnummitgeteilten Ereignis:

”Das Bild, wie Bernhard vom Kreuz her von Jesus umfangen wird, steht in der Mitteder zisterziensischen Spiritualitat. Nach der Beschreibung des Exordium magnum istJesus ein leibhaftiges Wesen, das sich von seinem Platz aus herunterneigt und denGeliebten in seine Arme schließt. Bernhard erwidert die Umarmung, und irgendwiebekommt ein anderer Monch seiner Klostergemeinde diese Erfahrung mit, der danngelegentlich andere Monche an seiner Vision teilhaben lasst. Bernhard und Jesus sindhier nicht allein: Ihre Freude aneinander wird zu einer gemeinschaftlichen Erfahrungaffektiver Zuneigung.“

Wenn diese Vision zur Mitte der zisterziensischen Spiritualitat gehort, wird verstand­lich, warum diese Szene aus dem Leben des hl. Bernhard zu den am haufigsten in derIkonographie Bernhards dargestellten Bildern gehort. Die kunstlerischen Darstellun­gen in der Bildhauerkunst, der Tafel­ und Buchmalerei haben zu ikonographischenHochstleistungen gefuhrt. Der Amplexus wird zum beliebtesten Thema der Bernhard­Ikonographie.

Gabriel Hammer, Bernhard von Clairvaux in der Buchmalerei. Darstellungen des Zisterzienserabtes inHandschriften von 1135 – 1630, Regensburg 2009, S. 323.

4 Amplexus Bernardi

Amplexus im Graduale cisterciense

Oberrhein, um 1340­1350, Graduale cisterciense, 260 Bll., Pergamenthandschrift mit acht Miniaturen,46,3 x 36 cm, 9 Notenzeilen mit 4 roten Linien

Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. UH 1 fol. 195r

Die alteste bekannte Darstellung der Ample­xus­Szene findet sich in der Buchmalerei undschmuckt das Graduale aus Wonnental mitdieser Initial­Miniatur auf fol. 195r. Das ausdem Zisterzienserinnenkloster Wonnental beiFreiburg i. Br. stammende Graduale, das auf­grund der vielen Darstellungen von Zisterzi­ensernonnen (fol. 3r, 22v, 118r, 147v, 159v,174v, 176v) und auch mehrerer Zisterzien­ser als liturgisches Chorbuch dieses Ordensgilt, weist eine uberaus reiche kunstlerischeAusstattung auf, die auf die Unterstutzungzahlreicher Gonner und Wohltater schließenlasst. Das mit uber 200 blauen und rotenFleuronne­Initialen und mit der Amplexus­Szene des hl. Bernhard geschmuckte Gra­duale cisterciense durfte aber nicht bei denZisterzienserinnen in Wonnental entstandensein.

Die Initiale O(scintillans sidus celi) um­schließt wie ein kunstvoller, nahezu kreisrunder Rahmen die Szene der Umarmung.Die in den seitlich erweiterten Fullungen des Buchstabenkorpers erscheinenden Dra­chenwesen und Drolerien, ebenso die filigranen Verzierungen in verschiedenen Farbenund Formen um den Buchstaben gehoren zum aufwendigen Dekor, den das Gradualein reichem Maße aufweist. Ebenso ist der blaue uberreiche Pflanzendekor vor demroten Binnengrund nur Zierde fur die Szene des Amplexus. Das Kreuz ist in einemflachen grunen Hugel im Boden verankert, tragt in der Hohe des Stammes das von Pi­latus angeordnete Schild mit den bekannten Buchstaben INRI (”Iesus Nazarenus RexIudaeorum“ – Jesus von Nazareth Konig der Juden) und an den seitlichen Querbalkendie Nagel, an denen die Hande des Gekreuzigten befestigt waren. Nun hat Christus dieHande gelost und legt die linke Hand auf Bernhards Oberarm, die rechte Hand auf diegegenuberliegende Schulter. In tiefer Hingabe kniet Bernhard mit gefalteten Handenvor dem gekreuzigten Christus. Tonsur, Nimbus und Abtsstab kennzeichnen den Zister­zienser. Auch Christus tragt einen goldenen Nimbus. Sie blicken einander liebevoll an.Der Amplexus ist die bildliche Darstellung der totalen Liebe Gottes zum Menschen.Der seitlich kniende Zisterzienser als Zeuge dieser Umarmung wird auch optisch in dieVision einbezogen und erfahrt ergriffen, wie ein ”von seiner Liebe verwundeter Gottin seiner ubergroßen Sehnsucht nach dem Menschen diesen umarmt. Zwischen diesemGott und diesem Menschen waltet allein die Liebe.“(Assumpta Schenkl, 44).

Die in der Marginalspalte Knienden, ein Zisterzienser und eine Zisterzienserin, sindin die erlebte Erfahrung einbezogen (McGuire 1997, 353).

Gabriel Hammer, Bernhard von Clairvaux in der Buchmalerei. Darstellungen des Zisterzienserabtes inHandschriften von 1135 – 1630, Regensburg 2009, S. 326.

Amplexus Bernardi 5

Die Amplexus­Darstellung ist hier dem Fest des hl. Abtes Bernhard – b(ea)ti bernhardiabb(at)is – (20. 8.) zugeordnet, dessen Messe – wie auch die anderer Heiliger – mitden nur mit den Anfangsworten und ohne Noten, jedoch mit Seitenverweisen – · xix ·bzw. · clix · – angefuhrten Texten ”In medio ecclesi(a)e ...“ (Sir 15, 5) und ”Dominepr(a)evenisti ...“ (Ps 20 [21], 4) beginnt und mit dem vollstandig angefuhrten Bern­hardhymnus, dessen Beginn die Initiale O markiert, fortgesetzt wird: O SCINTILLANS/ sidus c(o)eli prece / bernharde fideli nobis confer hodie / (O funkelnder Himmelstern,Bernhard, verschaff uns heute durch deine zuverlassige Bitte)

6 Amplexus Bernardi

Francisco Ribalta, Cristo abrazando a san Bernardo, Madrid, Museo del Prado.

El cuadro de Francisco Ribalta, Cristo abrazando a san Bernardo, Madrid, Museo delPrado, óleo sobre lienzo, 158 x 113 cm, obra capital del misticismo español y de unagran expresividad devocional, fue pintado entre 1625 y 1627 para la cartuja italiana dePortocoeli, situada en el término de Bétera, en los alrededores de Valencia, para la cualtrabajó Ribalta (Solsona, Lérida, 1565 – Valencia, 1628) en sus últimos años.

Amplexus Bernardi 7

L’histoire figurative du theme de l’amplexus Bernardi entre environ 1340 et environ1550 fait apparaître deux versions fondamentales.• Une version, plus ancienne et largement répandue, représente la scene à l’extérieur.• L’autre version, diffusée en moins grand nombre, situe l’amplexus devant un autel

dans une église.La plus ancienne représentation connue, avec la scene extérieure, provient du mo­

nastere des Cisterciennes de Wonnental dans la région proche du cours supérieur duRhin et date d’environ 1340­1350.

La version, se situant à l’intérieur et fondée sur la légende trouvée dans la VitaBernardi, semble avoir été représentée pour la premiere fois dans une gravure sur boispar Ierg Haspel entre 1430 et 1440.

La diffusion du motif dans des milieux non­cisterciens fut probablement favoriséeautant par la découverte et l’usage répandu de la gravure sur bois que par les écrits.L’étude de ce type d’images permet d’affirmer que la spiritualité bernardine a exercéune forte influence à la fin du Moyen Âge dans les milieux non­monastiques, bien quela circulation de représentations de l’amplexus en dehors de l’Ordre semble avoir étéseulement de courte durée.

Franz Posset, Amplexus Bernardi: the dissemination of a Cistercian motif in the later middle ages, in:Citeaux commentarii cistercienses 2003, vol. 54, no. 3 – 4, pp. 251 – 400.

Con un punto de vista bajo que confiere evidente monumentalidad a la composición,Francisco Ribalta concentra aquí la atención en las figuras de Cristo y san Bernardo,haciéndolas resaltar sobre un fondo oscuro en el que apenas son visibles los rostros dedos ángeles, a la derecha, envueltos en una espesa penumbra. Cristo desclava sus dosbrazos de la cruz y se complace mirando a san Bernardo que parece flotar ingrávidoentre los potentes brazos del Salvador con una amable expresión de felicidad cargadade vibrante ternura. Al hacer penetrar la luz desde el lateral izquierdo en forma rasanteal modo tenebrista, solo las figuras de Cristo y el monje quedan iluminadas cobrandoun vigor enorme y asumiendo el protagonismo exclusivo en la escena, que se ofrece alespectador sin opción de distracción hacia lo accesorio para involucrarle de forma muydirecta en el arrobamiento místico del pasaje.

http://www.museodelprado.es/enciclopedia/enciclopedia­on­line/voz/cristo­abrazando­a­san­bernardo­francisco­ribalta/