süddeutsche zeitung 2012-12-10 | mobiles leben, seite 33

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Dubai: Der Fahrradhändler Wolfgang Hohmann

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Lothar ist schuld. Vor etwa zwölf Jahren be-richtete Lothar Hohmann seinem Bruderaus Dubai: „Das wächst hier. Schau Dir dasdoch mal an!“ Der Schwarzwälder Fahrrad-händler Wolfgang Hohmann und seineFrau Gaby kamen tatsächlich. Erst mal nurzu Besuch. Und dann wieder. 2002 schließ-lich eröffneten sie in dem Emirat auf derArabischen Halbinsel einen Fahrradladen.Dort hat sich Wolfi’s Bike Shop – kurz WBS– seither zu einer Institution entwickelt.

„Mashallah“, „oh Gott“, entfährt es un-serem pakistanischen Taxifahrer in Dubai,als wir ihm einen Fahrradladen als Ziel nen-nen. „Bike – you mean Motorbike?“ „No, Bi-cycle.“ „Ah, Motorcycle.“ „No, Motorcycle.Push Bicycle.“ Als wir endlich vor der WBS-Ladentür halten, sagt der Fahrer noch:„Der Harley Davidson Store ist um dieEcke. Kein Problem, Mann, da fahr ichEuch in einer Minute hin!“

Wolfgang Hohmann, den hier alle nurWolfi nennen, begrüßt uns in seinem La-den auf der berühmten zweimal siebenspu-rigen Sheikh Zayed Road, wo er auch Räder

aus deutscher Produktion verkauft. „Hierzählt German-made noch was. Unser Ser-vice, die Beratung und alles, was an techni-schem Know-how dazugehört“, erklärt er.Viel Service kann Hohmann in seinem La-den auch deshalb bieten, weil er viel mehrPersonal beschäftigen kann, als das inDeutschland möglich wäre. 15 Philippiner,jeweils zwei Inder, Serben, Tschechen, Süd-afrikaner sowie ein Amerikaner und einDeutscher arbeiten in Laden und Werk-statt. Kommt ein Kunde mit einem Pro-blem, wird es in aller Regel sofort behoben.Dann wartet der eben in der Sitzecke amKaffeeautomat, ratscht mit anderen Rad-begeisterten, die mal eben vorbeischauen,oder mit Wolfi selbst.

Die meisten Kunden von WBS sind soge-nannte Expats, „zu 80 Prozent sind esWestler, die hierher zum Arbeiten kom-men und wenig Freizeit haben. Nach eini-ger Zeit merken sie, dass sie nicht mehr fitsind und etwas für ihre Gesundheit tunmüssen. Dann schauen sie bei uns vorbei.Das basiert auch viel auf Mund-zu-Mund-propaganda“, sagt Hohmann.

Immerhin 15 Prozent der WBS-Kund-schaft sind mittlerweile aber Einheimi-sche. Mit Blick auf ihren Anteil von nur20 Prozent an der Gesamtbevölkerungund eingedenk der Tatsache, dass das Fahr-rad in der arabischen Welt nicht gerade eintypisches Fortbewegungsmittel ist, ein gu-

ter Schnitt. Ein einschneidendes Erlebniswar vor sieben Jahren der Besuch vonScheich Marwan Hasher al Maktoum. Dasdamals etwa 35-jährige Mitglied derHerrscherfamilie kam rein und hatte sichgleich eine Zeitfahr-Maschine ausgeguckt.„Dem habe ich dann vorsichtig erklärt,

dass das für den Anfang vielleicht nichtdas Richtige ist. Wir haben was für ihn zu-sammengestellt und gemeinsam getestet.Das Rad hat er dann sofort gekauft“,schmunzelt Radl-Händler Wolfgang.

Und Scheich al Maktoum blieb bei demHobby. Wenn es denn seine Zeit erlaubt ist

er dabei auf Hohmanns wöchentlichen Aus-fahrten. Und hat sich nach einigem Trai-ning schließlich doch seine Zeitfahr-Ma-schine gegönnt. Auch die Expats, die beiWBS einkaufen, müssen nicht unbedingtauf den Dollar schauen – sie verdienen gutund wollen sich mal etwas gönnen. Etwa2500 bis 3000 Euro legen die Kunden imDurchschnitt an. Zudem kaufen WBS-Kun-den grundsätzlich die Vollausstattung(Helm, Schuhe, Bekleidung). Viele endenauch bei Preisen um die 7000 Euro.

Was gut läuft, wird auf den Touren so-fort sichtbar: Edle Karbonrenner. ObwohlWBS auch Mountain- und Trekkingbikesverkauft, sind die Asphaltflitzer laut GabyHohmann die beliebtesten Räder. Die Stra-ßen außerhalb der Stadt Dubai, in der99 Prozent der Einwohner leben, laden mitihrer guten Asphaltqualität sowie durch-weg bester Abendbeleuchtung auch gera-dezu zum Rennradeln ein. Abends ist esdort dann auch nicht mehr so heiß wie amTag. Nur den Hochsommer sollte man mei-den. Dann wird es tagsüber bis zu 50 Gradheiß, und auch nachts fällt das Thermome-ter kaum unter 38 Grad. Und Radfahren inDowntown Dubai ist ohnehin ein gefährli-ches Abenteuer. Der mittägliche Kollektiv-stau sogar auf der Sheikh Zayed Road ist da-für nur ein Beispiel.

Ein Selbstläufer ist der Radshop in Du-bai dennoch nicht. Wolfgang Hohmann ist

sechs Tage die Woche im Laden, und dasmindestens zehn Stunden. An seinem ein-zigen freien Tag – der Freitag entspricht inder arabischen Welt dem Sonntag – führter die Ausflugstouren des Dubai RoadstersCycling Club. Den hat es schon vor seinerAnkunft gegeben: „Das waren damals fünfbis zehn Leute. Wenn wir heute rausfah-ren, sind wir 120 bis 200.“ Drei Touren wer-den jeweils angeboten: 80, 120 und 140 Ki-lometer. Neben der sportlichen Betätigungbetreibt der 41-jährige Radhändler dabeinatürlich auch Kundenpflege – Treff-punkt für die Touren ist sein Laden.

Zweimal die Woche – sonn- und diens-tags – dreht Hohmann nach Feierabendnoch auf einem acht Kilometer Rundkursam Stadtrand nahe der Kamel- und Pferde-Rennbahnen seine Runden. Mittlerweileschließen sich viele WBS-Kunden auch die-ser Trainingsrunde an. Im Schnitt sind es40 Rennradler, die sich am Abend zum ge-meinsamen „Beineausschütteln“ einfin-den. Frauen sind nur wenige dabei. Nurknapp fünf Prozent seiner Kunden seienFrauen, sagt Hohmann. Und alle Expats.

Bereut hat das Fahrrad-Händlerpaarden Schritt nach Dubai noch nie. Ihnen ge-he es in der Wüste „richtig gut“, wie sie sa-gen. So gut, dass sie das lange Zeit parallelbetriebene Geschäft im badischen Heiters-heim nun von einem Partner führen las-sen. JO BECKENDORFF

Der Radler in der WüsteWie ein Fahrradhändleraus Deutschlandim Emirat Dubai guteGeschäfte macht

Heiße Sache: Auf dem Rennrad meidet man in Dubai Tagestemperaturen bis 50 GradCelsius im Normalfall eher. Und wartet auf den Abend. FOTO: DIETER WERTZ

Süddeutsche Zeitung MOBILES LEBEN Montag, 10. Dezember 2012Bayern, Deutschland, München Seite 33

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