prof. di dr. h.c. jürgen stockmar - vision oder illusion - autorevue 12-10
Post on 04-Jul-2015
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EI.EKTRO |lll ATI.TAO
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Vision oderlllusion?Ein paar wissenschaftliche Fal<ten zwischen Hype, Polemik und Cutdenken
rund ums Elektroauto. vonJürsenslockmar
Bei kaum einem anderen Thema kochen die Emo-
tionen so hoch wie beim Eiektroauto. Die Hersteller über-
bieten sich in Ankündigungen, für Politiker und Mei-nungsbildner scheint darin die Lösung für alle Mobilitäts-
fragen der Zukunft zu stecken. Das Elektroauto ist zur
Glaubensfrage geworden. Und die Politik will glauben'
Dementsprechend wird derzeit weltweit das Füllhorn von
staatlichen Förderungen über allem ausgeschüttet, was den
Begriff ,,Elektromobilität" im Ansuchen trägt.
Zum Teil nicht ohne Grund, denn zwei hoffentlich nicht
zu spät erkannte globale Herausforderungen sind die Ur-
sache für diesen H1pe. Zum einen müssen die COr-Emis-
sionen drastisch reduziert werden. Mit jedem verbrannten
Kilogramm fossiler Brennstoffe entstehen rund 2,5 kg COr.
Zum anderen gehen die Ressourcen fossiler Energien inden nächsten |ahrzehnten unwiderruflich zur Neige.
Gleichzeitig steigt der Weltbedarf an Energie dramatisch,
aufstrebende Nationen wie China, Indien oder Brasilien
müssen ihren wachsenden Lebensstandard befeuern. Und
eines steht heute schon fest: Nur alternative Energiequel-
len wie Wind, Sonne oder Wasserkraft können den zukünf-
tigen Energiehunger befriedigen. Die endgültige Abkehr
von Erdöl und Erdgas kann nur eine Frage der Zeit sein.
Über die Dauer dieser Umstellung sind sich Experten
allerdings noch nicht einig. Unzweifelhaft werden die zu-
künftig eingesetzten alternativen Energiequellen letztend-
lich Strom liefern, vielleicht erlebt aber auch der Wasserstoff
STROMOOSEN
Die Zukunft des Elehroautos steht und lällt mit den Kosten und der Eflektivität der
Batterie-Technologie.
SUPERCAPS
Höchste speziftsche
Leistung, begrenzte
Anwendung aulgrund dergeringen Energiedichte.
als Energiespeicher eine späte Rehabilitierung. Die elektri-
sche Energie besitzt neben vielen Vorteilen nur einen großen
Nachteil: Sie lässt sich nicht einfach speichern.
Die Batterietechnik hat sich innerhalb von zwei lahr-hunderten von der guten, schweren Bleibatterie über viele
Zwischenschritte und Irrwege zur heutigen Lithium-Ionen-Batterie weiterentwickelt, hinkt dabei aber in ihrem
Speichervermögen einem konventionellen Benzintanknoch immer weit hinterher. Um die gleiche Energie wie
von Kraftstoffzu speichern, wird das hundertfache Gewicht
und das dreißigfache Volumen benötigt. Oder anders
ausgedrückt: In den Raum eines Kraftstofftanks für eine
Reichweite von 600 km passt gerade einmal eine Batterie
für 40 Kilometer elektrisches Fahren - und der doppelt so
hohe Wirkungsgrad des Elektroantriebs ist da schon ein-
gerechnet. Im Grunde genommen macht Elektromobilitätalso nicht viel Sinn, solange noch in feststehenden Gebäu-
den Erdöl oder Erdgas verheizt wird.So müssen im Tesla Roadster, um im Praxisbetrieb
zwischen 150 und 300 Kilometer zu schaffen (siehe Reich-
weitenstory Seite 30), nicht weniger als 6831 Laptop-Bat-
terien mit einem Gewicht von rund 300 kg verteilt werden.
Und trotzdem ist dies noch eine vergleichsweise smarte
Lösung: Denn bei Tesla Motors hat man sich mit der Ent-
wicklung einer fortschrittlichen Batterietechnologie gar
nicht erst aufgehalten, um den Sportwagen möglichst
schnell auf den Markt bringen zu können. Wieso sich jetzt
Daimler und Toyota an Tesla beteiligen, um ,,die dort ver-
wendete Technologie studieren zu können', bleibt ein Rät-
sel. Denn das wirft schon die Frage auf: Was haben eigent-
lich die großen Entwicklungsabteilungen dieser Hersteller
in den letzten Jahren erarbeitet, wenn man jetzt die Ver-
wendung von handelsüblichen Laptop-Batterien studieren
möchte? Auch das so wichtige Batteriemanagement des
Tesla Roadster ringt Experten kein Erstaunen ab.
Die heute als state-of-the-art betrachteten Lithium-Ionen-Batterien können aus verschiedenen Gründen nicht
vollends befriedigen. Professor Dr. fürgen Leohold, Leiter
der Volkswagen Konzernforschung, spricht Klartext:,,Ich
kenne noch keine industrialisierte Lithium-Ionen-Batterie,die den Anforderungen unserer Industrie entspricht."
Neben der begrenzten Speicherfähigkeit stellen Schnell-
ladung, Zyklenfestigkeit, Temperaturstabilität, Crash-
sicherheit, Recycling und an allererster Stelle der Preis die
Entwicklungsschwerpunkte für die Zukunft dar.
Den nächsten großen Sprung in Sachen Speicherfähig-
keit erwarten die Experten von der Lithium-Luft-Batterie,die im Laborversuch bereits die zehnfache Kapazität der
heutigen Lithium-Ionen-Batterien bewiesen hat. Sie ist aber
J von einer Serieneinführung noch weit entfernt'
Wie alle neuen Technologien startete auch die Lithium-Ionen-Batterie mit einem hohen Preis von über 500 Euro
I Li-lonLithium-lonen bieten
hohe Leistungs- und
Energiedichte; Technolo-gie der Zukunft.
'r Pb BleitechnologieNur ttlr Micro Hybrid.
NiMH
Nickel-Metallhydrid ist
Stand der Technik.
Bis zu 700/o wenigerEnergie- und Leislungs'dichte auf Systemebene.
Geringere Lebensdauer
als Li-lon.
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= 1o.oooN
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=(D=.='@EJUE10auNrLa 20 40 60 80 100 120 140 160 180
SPEZIFISCHE ENERGIEDICHTE, Wh/kq auf Zellniveau
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pro kWh. Lern- und Skaleneffekte sollen aber in dennächsten /ahren zu einem preisverfall unter 200 Euro/kWhführen. Aber auch dann kostet ein Batteriepaket von30 kwh, das für einen Kompaktwagen notwendig ist, im_mer noch 6000 Euro. Zrviel, um Elektrofahrzeuge für einbreites Publikum attraktiv zu machen. Um den Käuferneinen Kostenschock zu ersparen, bieten Firmen Leasing_konzepte für Batterien und E-Fahrzeuge an. Damit verbil,ligt sich die Batterie natürlich nicht, aber der Eintritts_schmerz in die Elektromobilität verringert sich auf ein er_trägliches Maß. Zudem sind die Kunden vor Kosten beieventuellem Ausfall der Batterie durch Garantieleistungengefeit. Die Leasingfirmen können bei Nachlassen der Bat_terieleistung diese Pakete dann noch für weniger anspruchs_volle Aufgaben, z. B. im stationären Betrieb, einsetzen unddamit Kostensenkungen erzielen. Schon rechnen Stromver_sorger damit, zukünftig Millionen Batterien in Fahrzeugenund stationär als Puffer einzusetzen, um die Spitzenwertevon Wind- oder Solarenergie zu kompensieren.
Bei aller Kostenreduktion wird sich aber eines nicht än_dern: Elektromobilität ist teuer. Die Befürworter rechnensich regelmäßig die Betriebskosten schön. Sie übersehen,dass NOVA und Mineralölsteuer einen beträchtlichen Teilder Lebenszykluskosten eines Automobils ausmachen.Und wenn einmal wirklich eine große Zahl von E-Mobilenüber die Straßen rollt, kann Vater Staat gar nicht anders,als auch diese Fahrzeuge zur Kasse zu bitten. Das Gleichewerden die Energieversorgungsunternehmen tun, die ihrenotwendigen Investitionen in aiternative Energieerzeu_gung natürlich mit einem gehörigen Aufschlag an die
Stromkunden weitergeben werden. Längst haben sich beiden EVU Oligopole herausgebildet, die den kostensenken_den Wettbewerb anscheinend überwunden haben.
Den EVU stehen in naher Zukunft gigantische Investi_tionen in alternative, regenerative Energieerzeugung bevor.Aber außer bei Wasserkraft fordern alle anderen aliernati-ven Energieformen einen deutlichen Kostenzuschlag, überden nicht offen genug diskutiert wird.
Doch erst die regenerative Energieerzeugung lässt dasElektroauto zum grünen Fahrzeug werden. Die große Be_ratungsgesellschaft A. T. Kearney hat dazu einige erhellen_de Beispiele mit einem Smart durchgerechnet _ siehe un_tenstehende Grafik. Die vielen veralteten Kohlekraftwerkein China, Indien, Amerika und teilweise auch in Europabringen den COr-Ausstoß der erheblich teureren E-Fahr_zeuge sogar noch über das Niveau von Autos mit moder_nen Verbrennungsmotoren. Diese Ergebnisse untermauertauch eine gerade veröffentlichte Studie der TU Wien ein_drucksvoll.
Eingeschränkter bis gar kein Umweltnutzen, hohe preiseund beschränkte Reichweiten werden sicher nicht die Lö_sung für die zukünftigen Mobilitätsfragen der breiten Mas_se sein. Aus heutiger Sicht hätte für den Anfang eine andereVermarktungsstrategie mehr Sinn gemacht: Institutionenwie Post, Polizei, Versorgungs- und Zustellunternehmen so-wie Taxis legen täglich im urbanen Verkehr Strecken zurück,die problemios rein elektrisch bewältigt werden könnten.Über Nacht ließen sich die Batterien im bepot aufladen, mitder richtigen Ladungsüberwachung könnten wichtige Datenüber das Dauerverhalten von Batterien gewonnen werden,
II.Il(TROAUTO Zt,tlISCHII'I GRÜltl UNO TIEFSCHt|JAHZDer Dieselmotor eines Smart 0,8 CDI stößt im EU-Fahr-ryklus 88 Gramm COz aus. Der Smart Electric Driveverursacht, betrieben mit Strom aus dem WindkrattwerkBrucly'Leitha, nur zwei Gramm COz. Mit Strom aus demKohlekraftwerk Dürnrohr betrieben, wird der E-Smartaber sogar zum Umwelt-Schweindl: 122 Gramm COz.Der sogenannte Strommix ist also entscheidend,wenn es um die Ökobilanz der Elehro-fahneuge geht.
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Wunschdenken und weit überzogen. Für das fahr 2020 sa;J.D. Powers höchstens einen Anteil von 5 Prozent vorau'Das wären immerhin 50 Millionen Elektroautos bei eine::.
Bestand von einer Milliarde Fahrzeugen weltweit.In einem positiven Szenario verbrauchen E-Autos nu:
50 Prozent der Energie von herkömmlichen Fahrzeuge:-
Der Anteil der Mobilität am Weltenergieverbrauch beträ5aber nur rund 20 Prozent. Gesamthaft ergibt das ei:Einsparungspotenzial von 5%o E-Autoanteil x 5070 Vorte-Elektroantrieb x 20% Mobilitätsanteil am Welt-Energit'verbrauch: 0,05 x 0,5 x 0,2 = 0,005.
Bei all dem Rummel reden wir also von schätzungsrte,-
se 0,5 Prozent Einsparungspotenzial am weltweiten CO;-Ausstoß. Jeder Statistiker würde diesen Betrag als vernaci-lässigbar betrachten. Der ganze Hlpe um das Elektromob-kommt zu früh und basiert auf wenig rationalen Ansätzer-
Wir greifen mit Kosten von heute auf Effekte von übermo:-gen vor. Bereits verfügbare umweltfreundliche Technolc-gien wie Hybridfahrzeuge, Erdgasantrieb, Biokraftstoff.der zweiten Generationen und andere Konzepte verschwir-'den in der Begeisterung über das Elektroauto leider vorder Tagesordnung.
Noch über Jahrzehnte wird der Verbrennungsmotor die
große Mehrzahl unserer Autos antreiben. Alle noch mög'
lichen Einsparungspotenziale müssen hier gefördert unc
realisiert werden. Denn so könnten heute schon erheblicl:größere Beiträge zur Energieeinsparung geleistet werden
als mittelfristig mit allen Elektroautos zusammen.In den Diskussionen über den zukünftigen Verkeh:
dürfen wir aber eines nicht vergessen: das drängendeProblem der zukünftigen Energieversorgung lässt sich mi:dem Elektroauto allein auch langfristig nicht lösen. E.
müssen drastische Sparmaßnahmen in allen Bereichen -nicht nur im Verkehr - eingeführt werden, um einer-
Kampf um Energien zu vermeiden.Erst der nächste große Innovationsschub wird die Elek-
tromobilität im großen Maßstab ermöglichen - mit ande-
ren Batterien, anderen Fahrzeugkonzepten, anderer Nut-
zung des Autos und vor allem anderer Energieerzeugung
Erst dann werden wir das Fahrvergnügen mit dem Elektro-
antrieb umweltschonend richtig genießen können. Denn
eines steht fest: Der Elektromotor mit seinem vollen Dreh'
moment aus dem Stand heraus, der perfekten Z:ugkrafr'
hyperbel, dem hohen Wirkungsgrad und der Möglichkeitzur Rekuperation erfüllt die Maximalforderungen an einer-
Fahrzeugantrieb. Er ist einfach ideal. Ir
Prof. Dl Dr. h.c. Jürgen Stockmarbegann seine Karriere als Ghefredakteur der deutscltszeitung", später wechselte der Techniker in sein Stafiiund wurde u. a. Entwicklungschef bei SteyrDaimlerfAudi und 0pel, zuletzt leitete er Magna Education & &Der Honorarprofessot der TU Wien lebt heute auch hia
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,,tltlAs HABE]'I EIGENTTICH DIE GROSSE]!| IIITIiJIC|(IU1!|GSABTEITU1'IGEilI IlI DTII
IETZTEIIJAllRTIIEHAHBTITIT, tiJEiI1'l SIE JETZT DIT llEBI|JTIIDlJlllG llAIIDEI.SÜBIIC]lER
IAPTOP.BATTIRIT1'l STllDIERE1'l MOCHTIII?"
und auch der kleine Rest lokaler Schadstoffbelastung wäre
vermieden. Doch statt vernünftiger kommerzieller Fahrzeu-
ge brillieren auf den Auto-Ausstellungen immer sportliche-re E-Fahrzeuge, die es bei ungünstigen Witterungsbedin-gungen kaum von Wien nach Graz ohne Ladeaufenthaltschaffen. Sie schaffen es aber, zugegeben, den Hype amElektroauto weiter anzuheizen, und helfen damit, einen Zu-kunft smarkt vorzubereiten.
Neben den Kosten hält die geringe Reichweite diemeisten Interessenten vom Kauf ab. Nach einer Umfragein Deutschland erwarten mehr als 50 Prozent der Auto-fahrer eine Reichweite von 200 Kilometern. Und das, ob-wohl nach einer Untersuchung der RWTH Aachen 93 Pro-zent aller Autofahrten im Mittel nur 37 Kilometer weitführen. Die Sorge um nicht ausreichende Reichweiten (fürdie es schon den Begriff,,Range Anxiety" gibt) nehmen
Range Extender. Mit einem Generator gekoppelte kleineVerbrennungsmotoren oder auch mit Wasserstoff betrie-bene Brennstoffzellen laden eine erschöpfte Batterie wäh-rend der Fahrt auf und vermeiden so ein Liegenbleiben.
Wenn aber das Elektromobil zumZweit- oder gar Dritt-wagen für kurze Strecken verkommt, wäre das alles ande-
re als umweltfreundlich. Denn bevor ein Käufer das erste
Mal in sein neues Auto einsteigt, hat dieses bereits 20 bis40 Prozent der gesamten Energie seines Lebenszyklus ver-braucht. Das E-Auto kann diesen Startnachteil meist nichtmehr aufholen.
Die Schätzungen der Elektro-Anteile in der Zukunftklaffen weit auseinander. f. D. Powers, die größte Agenturauf dem Fahrzeugsektor, veröffentlichte gerade ihre Progno-
se. Ihrer Meinung nach sind dre jetzt gehandelten Zahlen(bis zu 10 Prozent Elektroautos bis 2015) unrealistisches
lllACH DEM IBDiiI.An regenerativer Energie führt kein Weg vorbei: Dem immer höheren Energiebedarl
der Weltbevölkerung stehen immer geringere fossile Ressourcen gegenllber.
25.000
20.000
15.000
10.000
5.000
oB
f ü Erdgas * Kohle I Atom Wind PVShom
SolarthermischerStrom GeothermischerStrom I Biomasse
*i: SolarthermischeWärme GeothermischeWärme
1920 1940 1S60 1S80 2000 2020 2040 2060 2080 2100
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