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©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
Stand 07/07 Seite 1 von 43
Skript zum Thema
„Neurologie für Rettungssanitäter und -assistenten“ Anatomie, Physiologie und ausgewählte Pathophysiologie
von Andreas Fangmann (Stand: Juli 2007)
Gliederung
1. EINLEITUNG
2. ANATOMIE
2.1 Zentrales und peripheres Nervensystem
2.1.1 Zentrales Nervensystem
2.1.1.1 Gehirn
2.1.1.1.1 Großhirn (Telencephalon)
2.1.1.1.2 Zwischenhirn (Diencephalon)
2.1.1.1.3 Mittelhirn (Mesencephalon)
2.1.1.1.4 Brücke und Verlängertes Rückenmark (Pons und
Medulla oblongata)
2.1.1.1.5 Kleinhirn (Cerebellum)
2.1.1.2 Hirnhäute
2.1.1.3 Arterielle Versorgung
2.1.1.4 Venöser Abfluss
2.1.1.5 Ventrikelsystem
2.1.1.6 Rückenmark
2.1.2 Peripheres Nervensystem
2.1.2.1 Hirnnerven
2.1.2.2 Spinalnerven
2.1.2.3 Plexus mit Dermatome
2.2 Morphologie der Nervenzelle
3. PHYSIOLOGIE
3.1 Vegetatives Nervensystem
3.2 Afferenzen / Efferenzen
3.3 Ruhemembranpotential
3.4 Aktionspotential
3.5 Chemische Reizweiterleitung
3.6 Reflexe
4. PATHOPHYSIOLOGIE
4.1 Neurologische Diagnostik
4.2 Das Bewusstsein
4.3 SHT (Commotio/Contusio/Compressio cerebri)
4.4 Blutungen
4.4.1 Epidurales Hämatom
4.4.2 Subdurales Hämatom
4.4.3 Subarachnoidale Blutung
4.4.4 Intrazerebrale Blutung
4.5 Apoplex (Schlaganfall)
4.6 Krampfanfälle (Epilepsie und andere Ursachen)
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
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1 EINLEITUNG
Dieses Skript ist geschrieben für all diejenigen, die sich entschieden haben, mehr über die
Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie des Nervensystems zu erfahren. Es hegt nicht
den Anspruch auf allumfassende Vollständigkeit sondern soll vielmehr als Grundlage
verstanden sein, um sich näher mit diesem Thema auseinander setzten zu können. Wer als
Rettungssanitäterin/er dieses Skript verinnerlicht hat, bringt die besten Voraussetzungen mit,
die Neurologie des Menschen zu verstehen und im rettungsdienstlichen Alltag bei
neurologischen Erkrankungen die Leistung zu bringen, die die Patienten von
rettungsdienstlichem Personal erwarten dürfen.
Wie bei anderen Thematiken bietet sich auch hier die grobe Gliederung in die Blöcke
Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie an. Die exakte Einteilung ist der Gliederung zu
entnehmen.
Ich wünsche euch beim Lernen viel Spaß und Erfolg und appelliere an eure Motivation und
Ausdauer, denn nur so ist die Komplexität der Medizin auch nachhaltig zu verstehen. Lasst
euch nicht entmutigen, wenn ihr der Meinung seid, hinterher noch mehr offene Fragen zu
haben als vorher. Nehmt diese offenen Fragen an und versucht sie durch Selbststudium zu
beantworten. Ihr werdet sehen, dass Ihr vorankommt. Ein Ende aber wird es bei euren
Lernbemühungen nie geben, denn dafür ist die Medizin viel zu lebendig. Aber genau das ist
es, was sie so faszinierend macht.
Für konstruktive Kritik und Anregungen eurerseits bin ich stets dankbar. Dies bezieht sich
sowohl auf inhaltliche als auch auf stilistische Aspekte. Auf diesem Weg ist es möglich,
dieses Skript zu verbessern und zu vervollständigen, was den nachfolgenden Schülerinnen
und Schülern zugute kommt.
Der Begriff Neurologie leitet sich ab von den Begriffen neuron (gr.) = der Nerv und dem
Suffix lógos (gr.) = die Lehre, die Wissenschaft, und definiert somit die Lehre und das
Wissen über die Nerven. Was sind denn eigentlich Nerven und wozu dienen sie? Nun, die
Antwort ist schnell gegeben. Die Nerven sind spezielle Körperzellen (entwicklungsgeschicht-
lich ektodermalen Ursprungs), die hauptsächlich für die Informationsaufnahme, -weiterleitung
und –verarbeitung zuständig sind. Das Nervensystem ist an der Regulation, Koordination und
Kotrolle praktisch aller Körpervorgänge beteiligt. Darüber hinaus ist es auch befähigt,
Hormone zu produzieren (neuroendokrine Zellen), worauf ich hier aber nur kurz eingehen
möchte. Wer mehr über Endokrinologie, dem zweiten Informationsweg des Körpers neben
dem der elektrischen Impulsweiterleitung, erfahren möchte, dem empfehle ich mein Skript
„Hormonsysteme“ für Rettungsassistentinnen/en. Im Gegensatz zur hormonellen (humoralen)
Informationsweiterleitung ist die neuronale um ein Vielfaches schneller und ermöglicht so
z.B. über Reflexbahnen (s. 3.6) Körperreaktionen innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde.
Wie es der Körper schafft, externe bzw. interne chemische, mechanische, elektromagnetische
oder thermische Reize in elektrische Impulse umzuwandeln und diese dann wiederum in
Reaktionen zu dekodieren, wird im Teil „Physiologie“ behandelt.
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2 ANATOMIE
» Mediziner ohne anatomische Kenntnisse sind wie Maulwürfe: sie arbeiten im
Dunklen und ihre Hände Tagewerk sind Erdhügel « (Prof. Tiedemann (1781 -
1861), Heidelberg)
2.1 Zentrales und peripheres Nervensystem
Wie die meisten übrigen Gewebe wie Bindegewebe, Muskelgewebe etc. kommt auch das
Nervengewebe im ganzen Körper, also ubiquitär, vor. Im Gegensatz zu den anderen aber teilt
sich das Nervensystem in zwei Kompartimente, dem zentralen und dem peripheren
Nervensystem, auf.
2.1.1 Zentrales Nervensystem
Das zentrale Nervensystem ist zweigeteilt. Es besteht zum einen aus dem Gehirn (Encephalon
(gr. = im Kopf gelegen), cerebrum (lat.)) und zum anderen aus dem Rückenmark (Medulla
spinalis (lat.)), welches im Wirbelkanal der Wirbelsäule lokalisiert ist.
2.1.1.1 Gehirn
Das Gehirn ist das wohl geheimnisvollste Organ unseres Körpers. Niemand wird sich
heutzutage anmaßen wollen zu sagen, er habe das Gehirn verstanden. Den Vergleich mit
Hochleistungscomputern braucht das menschliche Gehirn absolut nicht zu scheuen, im
Gegenteil; wahrscheinlich wird es noch sehr lange dauern, bis es Rechner gibt, die annähernd
die Leistung des Gehirns erbringen. Ob dies überhaupt gelingen wird und ob dies tatsächlich
anzustreben ist, mag hier als philosophische Frage im Raum stehen bleiben.
Das Gehirn lässt sich wie folgt unterteilen:
In der Literatur gibt es noch weitere Begriffe, die bestimmte Teilbereiche entsprechend
bestimmter Betrachtungsweisen zu einem Größeren zusammenfassen. Dies führt nicht selten
zu Irritationen, weshalb ich hier kurz darauf eingehen möchte. An weiteren Einteilungen gibt
es die Begriffe des Stammhirns, des Hirnstamms und des Rautenhirns (Rhombencephalon).
GEHIRN:
- Großhirn (Telencephalon)
- Zwischenhirn (Diencephalon)
- Mittelhirn (Mesencephalon)
- Brücke (Pons)
- verlängertes Rückenmark
(Medulla oblongata)
- Kleinhirn (Cerebellum)
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Anatomisch kann man sich das dreidimensionale Gehirn am besten als Gehirnschnitte
betrachten, wobei man immer die gewählte Schnittebene im Auge behalten sollte. Ein CCT
(kraniale Computertomographie) zerlegt den Kopf z.B. in waagerechte Schichtbilder, woraus
man wiederum rechnerunterstützt Frontalbilder kreieren kann. Im Folgenden sind es Schnitte
mit sagittaler Schnittführung.
STAMMHIRN:
- Verlängertes Rückenmark
- Brücke
- Mittelhirn
- Zwischenhirn
HIRNSTAMM:
- Verlängertes Rückenmark
- Brücke
- Mittelhirn
RAUTENHIRN:
- Verlängertes Rückenmark
- Brücke
- Kleinhirn
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Telencephalon
Diencephalon
Mesencephalon
Pons
Medulla oblongata
Cerebellum
Großhirn
Zwischenhirn
Mittelhirn
Pons
Kleinhirn
Medulla
oblongata Medulla
spinalis
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Bei einem Schnitt durch das Gehirn im Sinne einer CT oder MRT (Magnetresonanztomogra-
phie) kann man eine graue Rindensubstanz und eine weiße Marksubstanz unterscheiden. In
der grauen Rinde befinden sich die Zellkörper (Perikaryen) der Nervenzellen (Neurone), in
der weißen Marksubstanz deren Axone (=Neuriten), also die „Telefonleitungen“ zwischen
den Nervenzellen (mehr dazu unter 2.2). Ich weise schon hier darauf hin, dass diese
Einteilung im Rückenmark genau andersherum ist.
WEIßE
Substanz
(Mark)
GRAUE
Substanz
(Rinde)
Graue
Substanz
Weiße
Substanz
Capsula
interna
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2.1.1.1.1 Großhirn (Telencephalon)
Das Großhirn ist in zwei Hälften (Hemisphären) geteilt, die durch ein Blatt der harten Hirn-
haut (Dura mater, s.u.) im Interhemisphärenspalt getrennt werden. Es ist die Struktur, die uns
Menschen maßgeblich von anderen Individuen unterscheidet. Alle anderen Körperfunktionen
sind mehr oder weniger auf die allgemeine Tierwelt projizierbar, nicht jedoch die Leistung
unseres Großhirns. Der aus der Sicht der Evolution permanente Massenzuwachs dieses
Organs verdeutlicht die immense Beanspruchung seiner Funktion. Die Leistungen des
Großhirns prägen unser Denken, Fühlen, Sprechen und Handeln. Ein besonders interessanter
Teil des Großhirns ist das Limbische System. Hierzu gehören Großhirnareale wie der
Hippocampus, Gyrus cinguli, Gyrus parahippocampalis, Corpus amygdaloideum und Corpus
mamillare. Hier werden z.B. folgende Funktionen vollbracht:
Mindestens genau so interessant sind die Basalganglien, ein zentral im Großhirn gelegenes Nervenkerngebiet,
welches für die Regulation der Motorik eine elementare Rolle spielt. Sie steuern das Ausmaß, die Geschwindig-
keit und die Kraft von Körperbewegungen. Zu den Basalganglien gehören:
- Nucleus caudatus und Putamen (zusammen: Striatum)
- Pallidum
- Nucleus subthalamicus
- Substantia nigra (Mittelhirn)
Das Großhirn wird anatomisch in 4 Lappen gegliedert, welche wiederum funktionell
(Brodmann) bzw. nach Hirnwindungen (z.B. Gyrus praecentralis für Motorik, Gyrus
postcentralis für Bewusstsein) unterteilt werden. Die Hirnwindungen sind durch Furchen
(Sulci) unterteilt.
Emotionen Wut Aggression Motivation
Angst Sexualtrieb Gedächtnis etc.
Lachen Weinen Affektver-
halten
LAPPEN DES GROßHIRNS:
- Frontallappen (Lobus frontalis)
- Parietallappen (Lobus parietalis)
- Okzipitallappen (Lobus oczipitalis)
- Temporallappen (Lobus temporalis)
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Die beiden Großhirnhälften können miteinander kommunizieren. Hierfür stehen ihnen
sogenannte Kommissurfasern zur Verfügung, wobei der Balken (Corpus callosum) die
mächtigste Verbindung darstellt. Je nach Veranlagung dominiert eine der beiden
Gehirnhälften (meistens die linke Seite). Da die eine Hälfte eher musisch-nonverbal und die
andere eher rational-intellektuell bzw. verbal-arithmetisch veranlagt ist, ist das einzelne
Individuum je nach Dominanz tendenziell eher so oder so geprägt. Wissenschaftler haben
herausgefunden, dass Frauen zwar grundsätzlich ein kleineres Gehirn haben, die Hemisphären
aber stärker miteinander kommunizieren können. Somit ist das etwas kleinere Gehirn durch
eine bessere Ausschöpfung der Fähigkeiten locker kompensiert.
Auch die Gehirnareale einer Hemisphäre sind miteinander über Nervenfasern verbunden.
Diese bezeichnet man als Assoziationsfasern. Nervenverbindung von oberflächlichen zu
tiefer gelegenen Arealen nennt man hingegen Projektionsfasern. In Schichtaufnahmen kann
man z.B. die Capsula interna (s. CT-Bild S. 6) gut erkennen. Man kann jetzt sicherlich
hergehen und alle Fasern auswendig lernen, wichtig aber ist für uns lediglich zu wissen, dass
es solche Kommunikationsstrukturen gibt und dass besonders die beiden Hemisphären
miteinander in Verbindung stehen. Ansonsten wäre es auch nicht möglich, das linke
Gesichtsfeld, welches in der rechten Hemisphäre verarbeitet wird, mit dem rechten
Gesichtsfeld, welches in die Linke projiziert, miteinander zu verbinden und ein einheitliches
Bild entstehen zu lassen – logisch, oder?
2.1.1.1.2 Zwischenhirn (Diencephalon)
Das Zwischenhirn ist eine ausgesprochen wichtige Schalt- und Umschaltzentrale für viele
körperliche Funktionen. Das vegetative Nervensystem und das hormonelle System findet hier
Frontallappen
(Stirnlappen)
Parietallappen
(Scheitellappen)
Okzipitallappen
(Hinterhauptslappen)
Temporallappen
(Schläfenlappen)
Sulcus
centralis
Sulcus lateralis
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sein übergeordnetes Zentrum, hier sitzt sozusagen der „Häuptling“ dieser Körperfunktionen.
Das Zwischenhirn besteht aus folgenden Strukturen:
Der Thalamus wird auch gerne als „das Tor zum Großhirn“ bezeichnet. Fast alle Fasern, die
zum Großhirn wollen, werden hier umgeschaltet oder zumindest hier durchgeleitet. Er liegt
links und rechts vom 3. Ventrikel (s. 2.1.1.6) und begrenzt diesen somit seitlich. In
neurologischen Lehrbüchern ist dezidiert beschrieben, wo im Thalamus welche Fasern
umgeschaltet werden und wohin sie im weiteren Verlauf projizieren. Ich werde hier aber
darauf verzichten, denn dies ist für rettungsdienstliche Belange nicht von Interesse.
Lernenswert ist die Tatsache, dass der Thalamus wie ein Filter wirkt. Unwichtige
Informationen werden herausgefiltert, noch ehe sie zu Bewusstsein kommen. Dies schützt das
Gehirn vor einer Reizüberflutung und ermöglicht es, sich auf das Wesentliche zu
konzentrieren.
Der Hypothalamus besitzt viele Nervenkerngebiete, liegt unterhalb des 3. Ventrikels und ist
eine ausgesprochen wichtige Struktur. Es beinhaltet die Steuerzentrale des vegetativen
Nervensystems und der hormonellen Regelkreise und reguliert so elementare Dinge wie die
Atmung, Kreislauf, Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme, Körpertemperatur u.v.m. Zudem
hat es eine direkte Verschaltung zum limbischen System über die Corpora mamillaria. Den
einzelnen Nervenkerngebieten kann man bestimmte Funktionen zuordnen, worauf ich in
diesem Rahmen aber verzichten möchte. Die hormonelle Regulation geschieht in enger
Verbindung mit der ihm anhängenden Hirnanhangsdrüse (Hypophyse). Diese ist ein
zweigeteiltes Gebilde, was zum einen neuronales Gewebe darstellt (Neurohypophyse =
Hypophysenhinterlappen), zum anderen drüsenartiges Gewebe (Adenohypophyse =
Hypophysenvorderlappen) beinhaltet. Sie liegt eingebettet in einer knöchernen Struktur, die
die alten Anatomen an einen Türkensattel erinnern ließen und sie dazu veranlasste, diese
Formation als Sella turcica zu bezeichnen.
Der Epithalamus liegt hinter dem 3. Ventrikel und hat als markante Struktur die Zirbel-
drüse, die auch unter dem Namen Corpus pineale oder Epiphyse bekannt ist. Diese produziert
das Hormon Melatonin, welches maßgeblich in den Schlaf-Wach-Rhythmus eingreift. Die
Area praetectalis ist an der Verschaltung des Pupillenreflexes beteiligt.
Der Subthalamus hat eine besondere Relevanz bezüglich der motorischen Verschaltung. Im
Zusammenhang mit den Basalganglien (s. 2.1.1.1.1) hat dieser Bereich bereits Erwähnung
gefunden.
Strukturen des ZWISCHENHIRNS:
- Thalamus
- Hypothalamus
- Epithalamus
- Subthalamus
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2.1.1.1.3 Mittelhirn (Mesencephalon)
Das Mittelhirn liegt oberhalb der Brücke und unterhalb des Zwischenhirns. Es beinhaltet
sowohl Nervenleitungsbahnen als auch verschiedene Nervenkerngebiete. Es ist in drei
Teilbereiche unterteilt:
ventral (vorne): Hirnschenkel (Crus cerebri)
medial (mittig): Tegmentum
dorsal (hinten): Vierhügelplatte (Tectum)
Die Hirnschenkel beinhalten verschiedene Nervenleitungsbahnen, die hier exakt angeordnet
sind. Die Pyramidenbahn ist hiervon wohl die bekannteste Struktur.
Im Tegmentum befinden sich u.a. Kerngebiete. Die Substantia nigra ist ein schwärzlich
imponierender Bereich, der bei der Parkinsonschen Erkrankung durch seine verminderte
Fähigkeit, Dopamin zu produzieren, von Bedeutung ist. Ferner findet sich hier der Nucleus
ruber, der bei der Modulation von Bewegungsabläufen eine Rolle spielt.
Durch das Tegmentum hindurch verläuft der sog. Aquädukt, die Verbindung vom 3. zum 4.
Ventrikel. Hierherum liegt das periaquäduktale Grau, welches bei der Beeinflussung von
Schmerzreizen eine wesentliche Rolle spielt.
Die Vierhügelplatte ist von hinten (also von dorsal) zu sehen. Hier ist der Name Programm:
Die beiden oberen Hügel beinhalten die Augenmuskelkerne, in den beiden Unteren wird die
Hörbahn verschaltet.
Tatsächlich scheinen o.g. Ausführungen sehr weit ausgeholt. Wenn man aber weiß, dass hier
die Pupillenreflexe verschaltet werden (näheres s. Lehrbücher der Physiologie) und eine obere
Einklemmung hier zu Fehlfunktionen der Pupillenmotorik führen kann, was wir bei einer
Hirnblutung anhand einer Pupillendifferenz diagnostizieren können, erklärt dies die etwas
ausschweifenden Erläuterungen. Auch die Schmerzmodulation des periaquäduktalen Graus
Thalamus
Hypo-
thalamus
Corpora
mamillaria
Epiphyse
Sehnerv-
kreuzung
(Chiasma
opticum)
Infundibulum
Adenohypo-
physe
Neurohypo-
physe
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wird durch Opiate (Morphin u.ä.) beeinflusst. Somit kann gerade hier ein rettungsdienstlicher
Bezug hergestellt werden. Dennoch ist dies kein Wissen, welches von einem/r Rettungs-
sanitäter/in verlangt wird!
2.1.1.1.4 Brücke und Verlängertes Rückenmark (Pons und Medulla oblongata)
Das verlängerte Rückenmark ist die direkte Verlängerung des Rückenmarks (kleines
Wortspiel). Kranial davon liegt die Brücke unterhalb des Mittelhirns. Diese beiden Gehirn-
anteile bilden mit dem Kleinhirn das Rautenhirn, welches den 4. Ventrikel umschließt.
Betrachtet man das verlängerte Rückenmark, fallen sowohl von vorne als auch von hinten
Erhebungen auf. Hierbei handelt es sich um verschiedene Hirnkern- und Umschaltbereiche.
Von vorne blickt man auf die Pyramiden der Pyramidenbahn, seitlich davon finden sich die
Olivenkerne, die in Verbindung mit dem Kleinhirn für die Bewegungskoordination
verantwortlich sind. Schneidet man das Kleinhirn weg, so ist der Blick frei auf die dorsal
(hinten) gelegenen Kerne des Nucleus gracilis und Nucleus cuneatum. Hier werden
feinsensible (epikritische) Nervenfasern umgeschaltet. Sie leiten Informationen des
Berührungs- und Lagesinns (Propriozeption) zum Parietallappen. Neben den Kernen des 3.
bis 12. Hirnnnerven findet sich hier auch die Formatio reticularis, ein Nervenkerngebiet,
welches sich auch noch bis zum Mittelhirn erstreckt und so wichtige Zentren beinhaltet wie
das Kreislauf-, das Atem- und das Brechzentrum.
2.1.1.1.5 Kleinhirn (Cerebellum)
Das Kleinhirn sieht, wenn es mittig durchtrennt wird, aus, wie eine baumartige Struktur.
Diese Tatsache hat ihm den Namen Arbor vitae (Lebensbaum) eingebracht. Das Kleinhirn
sieht ein wenig aus wie ein Schmetterling mit dreidimensionalen Flügeln, also bestehend aus
einem Körper, der als Wurm bezeichnet wird und den beiden Flügeln, also den beiden
Hemisphären. Die Aufgabe des Cerebellums ist die Ausarbeitung und Überwachung der
Motorik. Hier kann man grob drei Teilfunktionen unterscheiden:
1. Stützmotorik
2. Blickmotorik
3. Ziel- und Sprachmotorik
Zwischenhirn
Mittelhirn
Brücke
Kleinhirn
A. basilaris
Medulla oblongata
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2.1.1.2 Hirnhäute
Das Gehirn ist von mehreren mehr oder weniger stabilen Häuten in einer bestimmten
Konstellation umgeben. Die Kenntnis dieser anatomischen Gegebenheit ist für das
Verständnis von Gehirnblutungen und ihren unterschiedlichen Verläufen von grundlegender
Bedeutung. Um die Schichtung zu verstehen, versetzen wir uns in eine Gewehrkugel, die
gerade als Kopfschuss abgefeuert wurde. Nachdem wir die derbe und gut durchblutete
Kopfschwarte und die darunter liegende Schädelkalotte passiert haben, treffen wir auf die
äußerste und zugleich festeste Schicht. Es handelt sich um die
harte Hirnhaut (Dura mater).
Diese ist eine derbe Bindegewebsschicht, die genau genommen aus zwei Schichten besteht,
die aber fest aufeinander liegen. Das äußere Blatt entspricht der inneren Knochenhaut
(Periost) der Schädelkalotte. Zwischen den Blättern verlaufen die großen Blut abführenden
Venen (hier: Sinus) und die Arterien, die die Hirnhäute (Meningen) versorgen (Aa.
meningeae). Betrachtet man sich den Schädelknochen eines Menschen von innen, so kann
man sehr schön den Abdruck der A. meningea media erkennen. Wie schon erwähnt liegen die
beiden Blätter der Dura mater direkt übereinander und sind miteinander verwachsen. Kommt
es aber hier zu einer Einblutung, so bildet sich ein Raum, der Epiduralraum (mehr s. 4.1.1).
Wohlgemerkt, diesen Raum gibt es physiologischerweise gar nicht.
Nachdem wir also die Dura mater durchschossen haben, treffen wir auf eine weitere Schicht,
die spinnennetzartig imponiert. Diese Spinnennetzschicht ist die
Spinngewebshaut (Arachnoidea),
die sich eng an die Dura mater anschmiegt, was bedeutet, dass es auch hierzwischen
physiologischerweise keinen Zwischenraum gibt. Bei Zerreißung (Ruptur) bestimmter
Gehirngefäße kommt es aber hier zu Einblutungen und es entsteht der sogenannte Subdural-
raum (zum subduralen Hämatom s. 4.1.2). Die Arachnoidea ist mit arkadenförmigen
Bindegewebssepten mit der darunter liegenden Haut verbunden, der
weichen Hirnhaut (Pia mater).
Diese kann man als sehr feine Kapsel des Gehirns betrachten, denn sie umgibt das Gehirn
vollständig und ist damit fest verwachsen. Zwischen der Arachnoidea und der Pia mater
befindet sich der Subarachnoidalraum, den es immer gibt und indem auch die versorgenden
Gehirnarterien verlaufen. Er ist mit Gehirnwasser (Liquor) gefüllt, in dem das Gehirn
schwimmt und vor ruckartigen Bewegungen geschützt ist. Hier noch einmal die Schichten im
Überblick (sinnvoll zu lernen!):
SCHICHTEN DER HIRNHÄUTE:
Kopfschwarte
Schädelknochen
(Epiduralraum)
Harte Hirnhaut (Dura mater)
(Subduralraum)
Spinngewebshaut (Arachnoidea)
Subarachnoidalraum
Weiche Hirnhaut (Pia mater)
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2.1.1.3 Arterielle Versorgung
Es gibt im Kopf zwei Strukturen, die es mit Blut zu versorgen gilt. Dies sind zum einen die
Meningen, zum anderen das Gehirn in seiner Gesamtheit.
Die Hirnhäute werden durch die
A. meningea anterior (aus der A. ethmoidalis anterior)
A. meningea media (aus der A. maxillaris) und die
A. meningea posterior (aus der A. pharyngea ascendens)
versorgt. Das Gehirn selbst wird durch zwei paarige Arterien versorgt, durch die
A. carotis interna und die
A. vertebralis.
Die A. carotis interna teilt sich im Schädel auf in die A. cerebri anterior und die A. cerebri
media, womit sie das gesamte vordere und mittlere Gehirn versorgt. Die Versorgung des
Hirnstammes, des Kleinhirns und des hinteren Gehirnanteils (A. cerebri posterior) über-
nimmt die A. vertebralis, wobei sich die beiden Aa. vertebrales zur A. basilaris vereinen.
Die Aa. carotis internae und die A. basilaris sind über ein arterielles Ringsystem miteinander
verbunden (A. circulosus willisii). Hierüber ist eine Gehirnversorgung ggf. auch dann
gewährleistet, wenn über einen längeren Zeitraum eine der zuführenden Arterien z.B.
aufgrund von arteriosklerotischen Veränderungen verstopft. Dies funktioniert aber nur bei
einem schleichenden Prozess. Bei einem akuten Ereignis ist diese „Kollateralversorgung“
nicht möglich.
Das Gehirn ist auf eine besonders ausgewogene
Versorgung mit Nährstoffen und Elektrolyte
angewiesen. Aus diesem Grund gibt es die soge-
nannte Blut-Hirn-Schranke. Diese besteht aus
dem Gefäßepithel, einer bindegewebigen Basal-
membran und zwischengeschalteten Versorguns-
zellen (Astrozyten). Die allermeisten Stoffe
werden hier über aktive Transport-mechanismen
an die Gehirnzellen (Neurone) gebracht.
2.1.1.4 Venöser Abfluss
Das verbrauchte Blut gelangt über verschiedene Wege aus dem Kopfinneren heraus. Der
Hauptabfluss läuft über die V. jugularis interna. Das intrakranielle Blut wird über tiefe und
oberflächliche Venen zu großen intraduralen Sammelvenen geleitet, die im Kopf als Sinus
bezeichnet werden, und dann der V. jugularis interna zugeführt. Die Venen des Kopfes haben
keine Venenklappen, keine Muskelschicht und sind hauchdünn. Einige kleinere Venen verlaufen direkt durch die Schädelkalotte und haben Kontakt zu Venen der Kopfschwarte.
Diese werden Vv. emissariae genannt. Wenn die Venen im Schädelknochen verlaufen, werden sie als
Diploevenen bezeichnet.
Neben dem verbrauchten Blut des Gehirns und der Hirnhäute (Meningen) wird auf diesem
Wege auch überschüssiges Gehirnwasser (Liquor) abgeführt. Hierfür stehen Aussackungen
der Spinngewebshaut in die großen Sinus zur Verfügung (Arachnoidalzotten).
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2.1.1.5 Ventrikelsystem
Wie der bisherigen Schilderung zu entnehmen ist, ist das Gehirn zum Schutz, aber auch zur
Versorgung, in einem Wasserbett gelagert. Die Gehirnflüssigkeit (Liquor) wird aus dem Blut
über bestimmte Gefäßkonglomerate (Plexus coroideus) im Bereich der vier Ventrikel
(innerer Liquorraum) abgepresst (am Tag immerhin 500 ml). Die vier Ventrikel sind
miteinander verbunden, so dass ein Liquorfluss gewährleistet ist. Die Seitenventrikel (1. und
2. Ventrikel) liegen im Bereich des Großhirns und stehen mit dem 3. Ventrikel über
Foramina interventriculares (Monroi) in Verbindung. Dieser wiederum kommuniziert über
das Aquädukt des Mittelhirns (engste Stelle) mit dem 4. Ventrikel, der vom
Rhombencephalus gebildet wird. Von hier aus gehen 3 Verbindungen zum
Subarachnoidalraum, also zum äußeren Liquorraum. Von hier aus wird der überschüssige
Liquor, wie oben bereits beschrieben, über die Arachnoidalzotten an das venöse
Abflusssystem abgeführt. Kommt es zu einem Liquorabflussstau oder zu einer Liquorüber-
produktion, so sehen wir das Bild eines Hydrocephalus (Wasserkopf). Dieser muss dann über
einen cerebroabdominellen Shunt drainiert werden (ein Schlauch, der vom Liquorraum zum
Bauchraum führt). Dort kann das Wasser problemlos resorbiert werden.
Damit nicht alle „Blutzutaten“ in den Liquor gelangen, gibt es eine sogenannte Blut-Liquor-
Schranke. Diese besteht aus der Epithelzellschicht der Gefäße, einer Basalmembran und der
Ventrikel auskleidenden Zellschicht (Ependym). Hier kann lediglich Wasser, Kohlendioxid
und Sauerstoff frei durchdiffundieren. Die Salze (Natrium, Kalium, Chlorid etc) werden
schon bedingt zurückgehalten, Zucker, Eiweiße und Blutzellen gelangen, wenn überhaupt, nur
über aktive Transportwege in den Liquorraum.
2.1.1.6 Rückenmark
Das Rückenmark liegt im Wirbelkanal und erstreckt sich vom Hinterhauptsloch (Foramen
magnum), wo es ins verlängerte Rückenmark übergeht, bis zum 1./2. Lendenwirbel. Es gehen
entsprechend der Wirbelkörper 8 Zervikal-, 12 Thorakal-, 5 Lumbal- und 5 Sakralnerven als
periphere Nerven durch die entsprechenden Löcher in der Wirbelsäule (Foramen
intervertebralis), ab. Die nach kaudal (also nach unten) ziehenden Nerven unterhalb des
1-4:
Seitenventrikel mit
Vorderhorn, Hinter-
horn und Unterhorn
5:
Foramen
interventriculare
6:
3. Ventrikel
7:
Aquädukt
8:
4. Ventrikel
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
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Rückenmarkendes sehen aus wie ein Pferdeschwanz, weshalb sie die Anatomen als Cauda
equina bezeichnen.
Das Rückenmark ist wie das Gehirn in eine weiße und eine graue Substanz gegliedert. Im
Gegensatz zum Gehirn liegt hier aber die weiße Substanz außen, die Graue innen. Wie im
Gehirn besteht die weiße Masse aus Leitungsbahnen, die Graue hingegen aus Nervenzell-
kernen. Ein Querschnitt durch das Rückenmark zeigt eine schmetterlingsartige Musterung.
Das Rückenmark ist, wie das Gehirn auch, von Häuten umgeben. Dem Rückenmark liegt
direkt die weiche Hirnhaut (Pia mater) an. Zwischen ihr und der Spinngewebshaut
(Arachnoidea mater) liegt der Liquor gefüllte Subarachnoidalraum. Der Arachnoidea liegt
die harte Hirnhaut (Dura mater) an. Zwischen der Dura mater und der Knochenhaut
(Periost) der Wirbelkörper liegt peridurales Fettgewebe, in welchem auch die zu- und
abführenden Gefäße verlaufen. In dieses peridurale Fettgewebe kann ein Lokalanästhetikum
eingespritzt werden, um eine sog. Regionalanästhesie der distalen Bereiche durchzuführen
(Periduralanästhesie). Wird das betäubende Medikament in den Liquorraum appliziert, so
sprechen wir von einer Spinalanästhesie.
2.1.2 Peripheres Nervensystem
Die Gesamtheit aller neuronalen Gewebe außerhalb des Kopfes und der Wirbelsäule wird als
peripheres Nervensystem bezeichnet. Es unterliegt einer klaren Ordung sowohl der
Topographie als auch der funktionellen Leistungen. Viele periphere Nervenbahnen sind
einem im Alltag bereits begegnet, so hat wohl jeder schon einen Menschen kennen gelernt,
der Probleme mit seinem „Ischias“ hatte. In diesem Kapitel möchte ich auf die wichtigsten
Nervenbahnen hinweisen, ohne aber zu sehr ins Detail zu gehen. Wer hier weiteren
Lernbedarf hegt, kann seinen Wissensdurst mit Hilfe der einschlägigen Literatur stillen (z.B.
Schiebler, Hick, Waldeyer etc.)
2.1.2.1 Hirnnerven
Die Nervenbahnen, die aus dem Bereich des Gehirns austreten, sind die Hirnnerven, von
denen es beim Menschen 12 gibt, welche entsprechend ihrer Austrittstelle von kranial nach
kaudal durchnummeriert sind. Hier eine Kurzlistung der einzelnen Nervenbahnen:
In der Abbildung sind neben der weißen äußeren
und der grauen, schmetterlingsartig geformten
inneren Substanz auch die wichtigen Leitungs-
bahnen eingezeichnet. Für den Neurologen ist
ihre Kenntnis von elementarer Bedeutung,
besonders auch das Wissen, auf welcher Höhe
diese Bahnen kreuzen und wo sie verschaltet
werden. Im Rahmen dieses Skripts möchte ich
aber hierauf verzichten. Lediglich den Reflex-
bogen werde ich unter 3.4 noch einmal auf-
greifen.
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
Stand 07/07 Seite 16 von 43
1. NERVUS OLFACTORIUS
Dies ist ein rein sensorischer Nerv, der für die Riechfunktion zuständig ist. Die
Sinneszellen dieses Nerves liegen im Bereich der Riechschleimhaut der oberen
Nasenmuschel (Regio olfactorii) und interagieren mit chemischen Reizen,
wodurch sie zu elektrischen Potenzialen animiert werden. Als primäre
Sinneszelle verlaufen ihre Axone durch die Siebbeinplatte (Lamina cribrosa)
als Fila olfactoria zum Bulbus olfactorius. Nach Verschaltung werden die
Reize über den Tractus olfactorius zur primären Riechrinde weitergeleitet und
kommen hier zu Bewusstsein.
Interessant ist hierbei, dass bestimmte Reize nicht diesen Weg gehen, sondern
als „Schmerz“ die Nasenschleimhaut reizen und dann über den N. trigeminus
(5. HN, s.u.) wahrgenommen werden. Als ein Beispiel sei hier Ammoniak
genannt, was auch nach Ausfall des 1. HN noch gerochen werden kann.
2. NERVUS OPTICUS
Der Nervus opticus ist ein rein sensorischer Nerv, der ontogenetisch dem
Zwischenhirn entstammt. Die Netzhaut des Auges (Retina) ist demnach als
eine nach Außen verlagerte Hirnstruktur zu betrachten. Die Sinneszellen
bestehen aus Stäbchen bzw. Zapfen, die entweder auf Helligkeit (Stäbchen)
oder auf Farbwellen (Zapfen) reagieren. Die einzelnen Nervenfasern bündeln
sich im Bereich der etwas medial gelegenen Sehnervpapille und ziehen hier aus
dem Glaskörper heraus. Dieser Punkt ist jedem als blinder Fleck bekannt. Da
wir aber mit beiden Augen sehen, wird dieser Fleck beim normalen Sehen
nicht bemerkt, da das kontralaterale Auge diesen Ausfall kompensiert. Die
Nervi optici beider Seiten verbinden sich im Bereich oberhalb der Hypophyse
und bilden hier das Chiasma opticum. Hier kreuzen die medialen
Netzhautnerven, die lateralen ziehen ungekreuzt weiter. Über den Tractus
opticus gelangen die Fasern zum Thalamus, um von hier über die Sehstrahlen
(Radiatio optici) zur Sehrinde im Hinterhauptslappen (Lobus occipitalis) zu
ziehen.
3. NERVUS OCULOMOTORIUS
Dieser Nerv ist ein gemischt somatomotorischer (willkürlich) und
viszeromotorischer (unwillkürlich) Nerv, der mit dem 4. und 6. Hirnnverv für
die Augenmotorik verantwortlich ist. Hierzu gehört zum einen die Einstellung
der Sehrichtung, zum anderen die Akkomodation (Fern-, Nahsehen) und die
Pupillenreaktion. Er entspringt aus seinen Nervenkerngebieten im Mittelhirn
(Vierhügelplatte) und zieht durch einen Venenkomplex (Sinus cavernosus) in
die Augenhöhle ein und teilt sich hier in einen oberen und einen unteren Ast.
Der obere versorgt den M. levator palpebrae superior (oberer Lidheber) und
den M. rectus superior. Der untere Ast versorgt den Rectus medialis, den
Rectus inferior und den M. obliquus inferior. Ein parasympathischer Ast zieht
zum Ganglion ciliare und versorgt den M. sphincter pupillae.
4. NERVUS TROCHLEARIS
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
Stand 07/07 Seite 17 von 43
Dieser Nerv ist oben bereits erwähnt. Er ist ein rein somatomotorischer Nerv,
der den M. obliquus superior innerviert und das Auge nach lateral unten
schauen lässt.
5. NERVUS TRIGEMINUS
Dieser Nerv ist überwiegend sensibel und hat für die Kaumuskeln eine
motorische Komponente. Der Nerv entwickelt sich über ein zentrales Ganglion
trigeminale, indem die sensiblen Nervenkerne liegen. Von hieraus teilt sich der
Nerv in drei Äste auf, was ihm auch seinen Namen gab (Trigeminus =
Drillingsnerv). Es handelt sich hierbei um den
N. ophthalmicus (versorgt sensibel die Nase, Auge und die Stirnhaut)
N. maxillaris (versorgt sensibel den Oberkiefer incl. Zähne, sowie
die Haut zwischen Lippe und Auge bis zum seitlichen Schläfenbereich)
N. mandibularis (versorgt motorisch die Kaumuskulatur (Masseter, M.
temporalis, Mm. pterygoidei, M. myohyoideus) und sensibel den Kinn-
und Unterkieferbereich einschließlich dessen Zähne und die Wange).
Von Interesse dürfte zudem sein, dass alle Trigeminusäste einen sensiblen
Abzweig zu den Hirnhäuten haben, mit dem Reizzustände wahrgenommen
werden können.
6. NERVUS ABDUCENS
Auch dieser Nerv wurde bereits beim 3. HN erwähnt. Er ist rein
somatomotorisch und versorgt den M. rectus lateralis, der eine Augenbe-
wegung nach außen ermöglicht.
7. NERVUS FACIALIS
Dieser Nerv ist sowohl viszerosekretorisch, als auch somatomotorisch. Auch
sensible Fasern sind für Geschmacksfasern (vorderen 2/3 der Zunge) mit dabei.
Wenn man sich diesen Nerv genauer betrachtet, besteht er aus zwei Anteilen.
Der faziale Anteil ist der Teil mit den motorischen Nervenfasern. Diese
versorgen die miminsche Gesichtsmuskulatur und den M. stapedius im
Mittelohr. Das „Verteilungszentrum“ der mimischen Muskulatur liegt als
Plexus facialis im Bereich der Ohrspeicheldrüse (Gl. parotis). Von hier aus
werden die einzelnen Gesichtsmuskeln angesteuert.
Die sekretorischen Fasern (N. intermedius-Anteil) müssen getrennt betrachtet
werden:
Zum einen wird die Tränendrüse in ihrer Sekretion geregelt. Hierfür gibt es
eine Verbindung vom N. facialis über den N. petrosus major zum Ganglion
pterygopalatinum. Von hieraus ziehen parasympathische Fasern mit dem N.
zygomaticus des N. maxillaris (V2) und dann mit dem N. lacrimalis des N.
ophthalmicus zur Tränendrüse.
Die Unterkiefer- und Zungengrunddrüsen (Glandula submandibularis et
Gld. sublingualis) werden versorgt, indem vom N. facialis die Chorda
tympani abgeht und ins Ganglion submandibulare zieht, wo die
sekretorischen Fasern umgeschaltet und zu den Drüsen weitergeleitet werden.
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
Stand 07/07 Seite 18 von 43
Von hieraus ziehen die sensiblen Geschmacksfasern unverschaltet weiter und
schmiegen sich dem N. lingualis (aus dem N. mandibularis (V3)) an.
Insgesamt ist der Verlauf des N. facialis ausgesprochen kompliziert. Er zieht
über einen eigenen Kanal am Ohr entlang und z.T. sogar durch das Mittelohr
hindurch (Chorda tympani). Will man allein diesen Nerv in seinen Details
auswendig lernen, ist dies ein riesiger Aufwand. Glücklicherweise ist dies für
rettungsdienstliche Belange nicht von so großer Bedeutung…obwohl…zur
Differenzierung, ob es sich um eine zentrale (Apoplex) oder eine periphere
Fazialisstörung handelt (z.B. bei Mittelohrentzündung, Felsenbeinfraktur), ist
ein tieferes Wissen vonnöten. Fällt die Funktion der mimischen Muskulatur auf
einer Seite komplett aus (z.B. Stirnrunzeln auf einer Seite überhaupt nicht
möglich), dann handelt es sich um eine periphere Lähmung. Ist die Funktion
auf einer Seite allerdings noch bedingt erhalten, handelt es sich um eine
zentrale Lähmung. Dies erklärt sich dadurch, dass die Facialisfasern im
Stammhirn teils gekreuzt, teils ungekreuzt verlaufen, so dass bei einseitiger
zentraler Läsion die gesunde Seite eine Teilfunktion ermöglicht.
8. NERVUS VESTIBULOCOCHLEARIS
Dieser rein sensible Nerv ist funktionell zweigeteilt. Der eine Teil ist für das
Hören zuständig, nimmt also Reize im Bereich des Hörorgans (Cochlea =
Schnecke) auf und leitet sie nach Verbindung mit dem vestibulären Anteil in
das zuständige Kerngebiet (Ncll. cochleares) weiter. Von hieraus gelangen die
Reize über die unteren Kerne der Vierhügelplatte zum Thalamus (Corpus
geniculatum mediale) und von dort zur primären Hirnrinde im Bereich des
Temporallappens (Heschl-Querwindungen).
Der andere Teil ist die Verbindung zum Gleichgewichtsorgan (N. vestibularis),
welches durch die Bogengänge (und weitere Strukturen) gekennzeichnet ist.
Die Reize werden dem zentral zuständigen Kerngebiet zugeführt (Ncll.
vestibulares) und von hieraus weitergeleitet (größtenteils zum Kleinhirn), um
Informationen über Körperlage und –bewegung zu geben. Es werden hierdurch
die Rumpfmuskulatur und Augenbewegungen gesteuert.
9. NERVUS GLOSSOPHARYNGEUS
Dieser Nerv ist ebenfalls ausgesprochen komplex. Er hat, sensible, motorische
und sekretorische Anteile. Mit Blick auf diese Funktionen lässt sich dieser
Nerv am besten erklären:
Sekretorisch: Hiermit werden Efferenzen zu Drüsen beschrieben, die dann
sekretorisch reguliert werden. Im Falle des 9. HN geht von ihm eine
Verbindung über den N. tympanicus zur Paukenhöhle ab. Hier bildet es mit
dem sympathischen Plexus caroticus den Plexus tympanicus. Von ihm zieht
der N. patrosus minor ins Schädelinnere zurück, um durch eine Öffnung
(Foramen lacerum) zum Ganglion oticum zu ziehen. Von hieraus ziehen die
Fasern mit dem N. auriculotemporalis zur Ohrspeicheldrüse (Gld. parotis), um
diese zu innervieren. Eine zusätzliche sekretorische Innervation erfolgt an den
Drüsen des Pharynx.
Motorisch: Der Nerv versorgt zusammen mit dem N. vagus die mittlere
Schlundmuskulatur. Zusätzlich wird das Gaumensegel (Uvula) innerviert,
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
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weshalb diesem Nerv eine besondere Bedeutung beim Schluckakt zukommt.
Sensorisch: Die Sensorik ist dreigeteilt: zum einen wird der Geschmacksinn
des hinteren Zungendrittels geleitet, zum zweiten kommen sensible Fasern aus
dem Rachenbereich und zuletzt sensorische Fasern aus dem Glomus carticus
bzw. Sinus caroticus, von wo aus Chemorezeptoren (Glomus c.: CO2, O2, pH)
bzw. Pressorezeptoren (Sinus c.) wichtige Informationen für das Atem- bzw.
Kreislaufzentrum bereitstellen.
10. NERVUS VAGUS
Der Nervus vagus ist vielen auch nicht so Erfahrenen ein Begriff, denn er wird
häufig als Synonym für das parasympathische Nervensystem (s. 3.1)
gebraucht, da er die weitaus meisten dieser Nervenfasern führt. Tatsächlich
aber ist diese Betrachtung nicht ganz korrekt, da auch andere Nerven
parasympathische Fasern besitzen (z.B. N. oculomotorius oder N. facialis, aber
auch Nn. splanchnici pelvini im Lendenbereich).
Auch beim N. vagus können wir verschiedene Qualitäten herausarbeiten.
Motorisch: Zusammen mit dem 9.HN wird die Rachenmuskulatur innerviert
(N. pharyngeus). Ebenfalls werden die Kehlkopfmuskeln versorgt (N.
laryngeus superior und N. laryngeus recurrens). Besonders dem Recurrens
kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Er nimmt einen recht merkwürdigen
Verlauf, denn er geht in Höhe der A. subclavia (bzw. rechts noch tiefer in
Höhe des Aortenbogens) vom Vagus ab, dreht um die Arterie herum und zieht
dann zwischen Trachea (Luftröhre) und Ösophagus (Speiseröhre) wieder nach
oben, um dann alle Kehlkopfmuskeln bis auf einen zu versorgen. Eine Störung
dieses Nervs kann zu Heiserkeit führen.
Weitere motorische Eigenschaften finden wir bei der Versorgung der glatten
Muskulaturen der Speiseröhre, der Bronchien, des Darms und weiterer
Bauchorgane bzw. der Herzmuskulatur im Bereich der Vorhöfe (nicht der
Kammern!).
N. GLOSSOPHARYNGEUS:
motorisch: - Rachenmuskulatur incl. Uvula
sekretorisch: - Ohrspeicheldrüse
- Rachenschleimdrüsen
sensibel: - Mittelohr mit Tuba auditiva
- Rachenschleimhaut
- hinteres Zungendrittel
- Chemorezeptoren im Glomus
caroticus und Druckrezeptoren
im Sinus caroticus
Geschmacks- - hinteres Zungendrittel
sensibel:
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
Stand 07/07 Seite 20 von 43
Sensorisch: Im Kopfbereich wird die okzipitale Hirnhaut versorgt, des weiteren
der äußere Gehörgang sowie ein Teil der Ohrmuschel. Im Halsbereich ist es
der untere Rachenbereich mit dem Übergang zur Trachea bzw. zum
Ösophagus. Zuletzt wird die gesamte Schleimhaut des Kehlkopfes sensibel
innerviert. An der Epiglottis sitzen einige Geschmacksrezeptoren, so dass auch
Geschmacksimpulse über den N. vagus geleitet werden. Weitere Verbindungen
gibt es zu Dehnungsrezeptoren in den Bronchien (Hering-Breuer-Reflex) und
am linken Herzvorhof (Gauer-Henry-Reflex) und im Aortenbogen (RR-
Kontrolle). Auch der Gastrointestinaltrakt (GI-Trakt) wird teilweise sensibel
versorgt.
11. NERVUS ACCESSORIUS
Der 11. HN ist rein motorisch und versorgt den M. sternoclaidomastoideus
und den M. trapezius. Die meisten Wurzeln dieses Nervs entspringen aus dem
Rückenmark, nur einige stammen aus dem Stammhirn, so dass dieser Nerv
strenggenommen nicht zu den Hirnnerven gehören dürfte.
12. NERVUS HYPOGLOSSUS
Auch der letzte der Hirnnerven ist rein motorisch und versorgt die gesamte
Zungenmuskulatur. Er ist für die Sprache und den Schluckakt von großer
Bedeutung. Ein Ausfall dieses Nervs ist durch das herausstrecken der Zunge
gut zu überprüfen, wobei die Zunge zur erkrankten Seite hin abweicht.
NERVUS VAGUS:
motorisch: - Rachenmuskulatur
- Kehlkopfmuskulatur
- Herzvorhöfe
- Gastrointestinaltrakt bis li. Kolonflexur
- Bronchien (Bronchialdrüsen sekretorisch)
- Leber, Gallenblase, Pankreas, Niere
sensibel: - hintere Hirnhaut
- äußerer Gehörgang / Ohrmuschel
- unterer Rachenbereich
- Kehlkopfschleimhaut
- z.T. Verdauungstrakt
- Dehnungsrezeptoren in Bronchien,
Herzvorhöfen und Aortenbogen
Geschmacks- - Epiglottis (Kehldeckel)
sensibel:
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
Stand 07/07 Seite 21 von 43
2.1.2.2 Spinalnerven
Die Nerven, die aus dem Rückenmark heraustreten, werden als Spinalnerven bezeichnet. Die
topographische Gliederung ist charakteristisch, weshalb hier kurz darauf eingegangen werden
soll. Wie bereits gesagt wurde, hat die graue Substanz des Rückenmarks einen
schmetterlingsartigen Aufbau. Die nach vorne zeigende Spitze des Flügels ist das Vorderhorn,
die nach hinten zeigende entsprechend das Hinterhorn. Die afferenten Fasern, also die
Nerven, die zum Rückenmark hinziehen, nehmen ihren Weg über die Hinterwurzel (Radix
posterior) zum Hinterhorn. Auf diesem Wege passieren sie eine Verdickung, das
Spinalganglion. Hier liegen die Zellkörper (Perikaryen) der Nerven, die als pseudounipolare
Zellen definiert sind (s. Nr. b in der unteren Abbildung).
Die Nervenfasern, die aus dem Rücken-
mark herausziehen, folgen der vorderen
Nervenwurzel (Radix anterior), die sich aus
dem Vorderhorn entwickelt, und sind ent-
sprechend efferente Fasern. Sie verbünden
sich mit den afferenten Nervenfasern zu
einem einzigen Nervenstrang. Nach der
Vereinigung verlassen im Bereich der
thorakalen bzw. oberen lumbalen Wirbel
sympathische Nerven den Hauptstrang in
Richtung Grenzstrang (s. 2.1.2.4). Nach
dorsal (hinten) verlässt der Ramus
posterior den Hauptnerv (Ramus anterior),
um hier die Rückenmuskulatur und die
Haut zu versorgen. Ein letzter kleiner
abgehender Ast zieht zu den Hirnhäuten
des Rückenmarks (Rami meningei). Die
oben beschriebene Anordnung ist der
linken Abbildung zu entnehmen.
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
Stand 07/07 Seite 22 von 43
2.1.2.3 Plexus und Dermatome
Die austretenden peripheren Nerven vermengen sich im Hals-, Lenden- und Sakralbereich zu
Geflechten, den Plexus. Somit gibt es den
- Plexus cervicalis (C1-C4)
- Plexus brachialis (C5-Th1)
- Plexus lumbalis
- Plexus sacralis
Aus diesen einzelnen Geflechten entwickeln sich wiederum die zu den Endorganen ziehenden
Nerven, von denen der eine oder andere bekannt sein sollte.
Der Plexus cervicalis versorgt motorisch die meisten der Halsmuskeln, zusätzlich über den
N. phrenicus (aus C4) das Zwerchfell !!! und sensibel die Haut des Halses, der Schulter und
des seitlichen Kopfes.
Der Plexus brachialis (brachium=derArm) ist recht kompliziert aufgebaut. Es bilden sich drei
Stämme (Truncus superior, Tr. medius und Tr. inferior), aus denen sich dann drei Fasciculi
entwickeln (Fasciculus medialis, F. lateralis und F. posterior). Aus dem Posterioren und aus
den Trunci gehen 7 Nerven für die Schultermuskulatur ab, auf die ich hier nicht näher
eingehen möchte. Verfolgen wir die Fasciculi weiter, so entspringen aus ihnen folgende
Nerven für die obere Extremität:
Fasciculus medialis: - N. cutaneus brachii medialis
- N. cutaneus antebrachii medialis
- N. ulnaris
- N. medianus (z.T. auch aus F. lateralis)
Fasciculus lateralis: - N. medianus (z.T. auch aus F. medialis)
- N. musculocutaneus
Fasciculus posterior: - N. axillaris
- N. radialis
Es gibt nette Lernsprüche, die die Nerven den entsprechenden Plexus zuordnen; exemplarisch
für den Plexus lumbalis bzw. Pl. sacralis:
PLEXUS LUMBALIS PLEXUS SACRALIS
In (N. iliohypogastricus) Gutes (N. gluteus superior)
Indien (N. ilioinguinalis) Geld (N. gluteus inferior)
gibt’s (N. genitofemoralis) kommt (N. cutaneus femoris posterior)
kein (N. cutaneus femoris lateralis) ins (N. ischiadicus)
frisches (N. femoralis) Portmonee (N. pudendus)
Obst (N. obturatorius)
Die Hautareale werden von den einzelnen Nerven sensibel versorgt, so dass wir z.B.
Berührung empfinden können. Einzelne Hautareale sind einzelnen Rückenmarksabschnitten
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
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zuzuordnen. Die einzelnen Areale bezeichnet man als Dermatome. Hautkarten zeigen ihre
Aufteilung.
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2.2 Morphologie der Nervenzelle
Der menschliche Organismus besitzt ca. 1012
Nervenzellen (= Neurone). Ihre Gestalt kann
ganz unterschiedlich sein, je nach Lokalität und Funktion, wie wir oben schon gesehen haben,
als wir uns mit den Spinalnerven auseinandergesetzt haben. Dennoch kann man eine
Grundstruktur beschreiben, die bei vielen Nervenzellen einigermaßen gleich ist. Ein Neuron
besteht grundsätzlich aus einem Zellkörper (Soma bzw. Perikaryon (um den Kern herum))
und Fortsätzen. Der Zellkörper beinhaltet den Zellkern und Zellbestandteile, die für
Synthesefunktionen der Nervenzelle nötig sind. Die vom Soma ausgehenden Fortsätze
werden unterteilt in Dendriten und Axone (Neuriten), wobei eine Nervenzelle oftmals
mehrere Dendriten besitzt, die die von anderen Neuronen ankommenden Reize aufnehmen,
jedoch nur eine Nervenfaser (Axon = Neurit), die die Reize weiterleitet. Am Ende eines
Axons verzweigt sich dies und bildet sogenannte synaptische Endknöpfchen. Hier findet die
chemische Reizweiterleitung zur Erfolgszelle statt, was unter 3.5 noch näher besprochen wird.
Dies kann sowohl eine weitere Nervenzelle als auch eine Muskel- oder Drüsenzelle sein. Je
nach Beschaffenheit des Neurons ist das Axon mehr oder weniger isoliert. Dies geschieht
mittels Begleitzellen (Gliazellen; peripher: Schwann-Zellen, zentral: Oligodendrozyten), die
die Nervenfasern geradezu umwickeln und sie somit „myelinisieren“. Je stärker diese
Isolierung ausgeprägt ist, desto schneller können die Reize weitergeleitet werden. Zwischen
den einzelnen Schwann-Zellen befinden sich Zellzwischenräume, die Ranvier´schen
Schnür-ringe, die für die Reizleitung von Bedeutung sind.
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3 PHYSIOLOGIE
Das menschliche Nervensystem ist in zwei funktionelle Einheiten gegliedert. Auf der einen
Seite gibt es ein System, welches wir willentlich, also willkürlich beeinflussen können mit
Sinneseindrücken, die wir bewusst wahrnehmen, das sogenannte somatische (= animalische,
= willkürliche) Nervensystem. Auf der anderen Seite werden im Körper viele Dinge
gesteuert, ohne dass wir dies bewusst erleben. Wir registrieren z.B. nicht, wie hoch gerade
unser Blutdruck ist, genauso wenig wissen wir über die aktuelle Verdauungstätigkeit
Bescheid. Die Gesamtheit dieser unbewussten und unwillkürlichen Regelungen fällt unter die
Regie des vegetativen (= autonomen, = viszeralen) Nervensystems.
3.1 Vegetatives Nervensystem
Das vegetative Nervensystem ist in zwei Teile unterteilt, dem sympathischen und dem
parasympathischen Nervensystem. Die beiden Anteile ergänzen sich und regeln Hand in
Hand alle unwillkürlichen Funktionen. Sie entsprechen in etwa dem Verständnis von Yin und
Yang der fernöstlichen Lebensanschauung. Der Sympathikus ist für alle Einstellungen von
Organfunktionen zuständig, die mit Energie- und Leistungsbereitstellung zu tun haben. Dieses
Prinzip kann man sich gut evolutionstheoretisch herleiten. Wenn ein Mensch der Frühzeit
plötzlich von einem Säbelzahntiger überrascht wurde, hatte er nur zwei echte Alternativen,
wenn er überleben wollte: entweder er stellte sich dem Kampf oder er sah zu, dass er zügig
das Weite suchte (fight or flight). Egal, wofür er sich entschied, brauchte er doch eins:
Energie bzw. Leistung und einen klaren Gedanken (hohe Vigilanz) gepaart mit
Reaktionsvermögen. Bezogen auf die einzelnen Körperfunktionen bedeutet dies: vermehrte
Atmung, schnellere Herzfrequenz, erhöhter Blutdruck, weite Pupillen, um besser sehen zu
können und Energiebereitstellung. Damit diese Eigenschaften auch über längere Zeit erhalten
bleiben, wird auch auf humoralem Weg (also durch Hormone) stimuliert, was mit einer
vermehrten Adrenalin-/Noradrenalinausschüttung einhergeht (eine länger andauernde
Belastungssituation wird zum Stress mit all seinen negativen Folgen). Was man in dieser
Situation gar nicht benötigt, sind Dinge wie Verdauung, Müdigkeit oder Bereitschaft zur
Vermehrung, Stuhlgang oder Blasenentleerung. Entsprechend werden diese Funktionen durch
den Parasympathikus stimuliert.
Die leitende Instanz (sozusagen der „Boss“) des vegetativen Nervensystems ist der
Hypothalamus. Dieser hat enge Beziehungen zum limbischen System und zum hormonellen
Regulationsmechanismus (s.o.). Untergeordnete Regulationszentren sind in der Formatio
reticularis des Hirnstamms lokalisiert (Atemzentrum, Kreislaufzentrum, Miktionszentrum,
Brechzentrum) oder in anderen Kerngebieten des Gehirns bzw. des Rückenmarks. Generell
bestehen die Efferenzen aus zwei Neuronen, die hintereinander geschaltet sind, also aus dem
1. und dem 2. Neuron.
Die sympathischen Kerne befinden sich im Seitenhorn des thorakalen und lumbalen
Rückenmarks. Von hieraus zieht das 1. Neuron des Sympathikus über die Vorderwurzel aus
dem Wirkbelkanal heraus. Die Umschaltung auf das 2. Neuron findet in den Ganglien des
paravertebralen Grenzstranges (Truncus sympathicus) statt, weit entfernt von den
Erfolgsorganen. Einige Nervenfasern, die dort nicht umgeschaltet werden, gelangen zu
Ganglien, die vor der Wirbelsäule im Bereich der Bauchaorta liegen, und werden spätestens
dort auf ihr 2. Neuron umgeschaltet. Hier bilden sie mit parasympathischen Fasern (die hier
übrigens noch nicht umgeschaltet werden) Nervengeflechte (Plexus), von denen aus die
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
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Erfolgsorgane dann bedient werden. Einer dieser Plexus ist der Plexus coeliacus im Bereich
des aortalen Abgangs des Truncus coeliacus, der auch als Solar plexus bekannt ist und seinen
Namen aufgrund seiner sternenförmigen Nervenfaserabgänge erhalten hat.
Die Kerne des Parasympathikus befinden sich zum einen im Hirnstamm und geben Reize
über die Hirnnerven III, VII, IX und X weiter. Während die HN III, VII und IX im
Kopfbereich bleiben und hier motorische und sekretorische Funktionen übernehmen, zieht der
X. Hirnnerv, der N. vagus, bis weit in den Bauchbereich hinein und hat so sehr starken
vegetativen Einfluss auf das Herz, die Lunge, die Speiseröhre und den Gastrointestinaltrakt
bis zur linken Kolonflexur (Dickdarmkurve). Dieser Punkt wird auch als Cannon-Böhm-
Punkt bezeichnet. Ab hier übernehmen die parasympathischen Fasern aus dem
parasympathischen Kerngebiet des Sakralbereichs und versorgen über Nervi pelvini
splanchnici explizit den absteigenden Dickdarm (Colon descendens) incl. Rektum, die
ableitenden Harnwege mit Blase und das innere und äußere Genitale. Das 1. Neuron des
Parasympathikus zieht bis zum Erfolgsorgan. Erst kurz davor wird auf das 2. Neuron
umgeschaltet (also anders als beim Sympathikus). Da insgesamt gesehen der N. vagus die
meisten parasympathischen Fasern enthält und einen so elementaren Einfluss auf vegetative
Funktionen hat, wird er oftmals als Synonym für das parasympathische Nervensystem
verwendet, was zwar aus anatomisch-physiologischer Sicht nicht ganz richtig, aber mit
diesem Verständnis durchaus akzeptabel ist. Hier noch eine Graphik zum besseren
Verständnis:
- fördert die Herzfrequenz, Pumpleistung - (genau entgegengesetzt)
- erhöht den Blutdruck
- fördert die Atmung
- weitet die Pupillen (Mydriasis)
- hemmt die Verdauung
- wirkt hemmend auf das Sexualvermögen
Anm.: Besonders interessant (natürlich aus medizinischer Sicht) ist der Einfluss des
vegetativen Nervensystems auf Erektion und Ejakulation. Tatsächlich ist es so, dass der
Parasympathikus entscheidend ist für die Erektion. Sollte es nun mit eben dieser mal nicht
zum Besten bestellt sein, so liegt das oftmals nicht am mangelnden Interesse, sondern
vielmehr daran, dass man viel zu aufgeregt ist und somit der Sympathikus einen zu großen
Einfluss hat (wie schon gesagt: bei Flucht oder Kampf keine Vermehrung!). Hier helfen also
Ablenkung und viel Gelassenheit. Wenn es dann doch was geworden ist mit der Erektion,
dann darf auch der Sympathikus am Liebesspiel teilhaben, denn die Ejakulation ist ganz in
seiner Macht!
Vegetatives
Nervensystem
Somatisches
Nervensystem
Sympathikus Parasympathikus
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
Stand 07/07 Seite 27 von 43
Auch andere Funktionen wie die Blasenentleerung (Miktion) oder der Stuhlgang (Defäkation)
sind recht komplex, denn neben der vegetativen Steuerung nehmen auch willkürliche Signale
Einfluss auf diese Funktionen. Hier möchte ich aber nicht näher darauf eingehen.
Eine besondere Stellung hat das Nervengeflecht des Gastrointestinaltrakts. Zwar steht es in
Verbindung mit dem ZNS (besonders über den Parasympathikus), viele Funktionen und
Reaktionen auf veränderte Situationen erfolgen aber auch völlig autark. In einigen Büchern
wird daher dieses intramurale Nervensystem aufgrund seiner Komplexität und Selbstän-
digkeit als ein „zweites Gehirn“ gesehen.
3.2 Afferenzen / Efferenzen
Dieser Punkt ist mit einer knappen Definition für die entsprechenden Wörter recht zügig
abgehandelt.
Afferenz: Alle Nervenfasern, die Informationen (Reize) zum ZNS (Gehirn/Rückenmark)
senden, sind afferente, also ankommende oder zuführende Neurone. Diese Nerven kann man
als sensibel bzw. sensorisch bezeichnen, denn sie leiten alle Sinneswahrnehmungen und
unwillkürlich gemessene Informationen (z.B. Blutdruck in der Aorta) zum ZNS.
Efferenz: Alle Nervenfasern, die Informationen (Reize) vom ZNS in die Peripherie senden,
sind efferente, also wegführende oder ableitende Neurone. Diese Nerven kann man als
motorisch bzw. sekretorisch (vegetative Drüsentätigkeit) bezeichnen.
Projektionen innerhalb des ZNS werden entsprechend der Flussrichtung als Afferenz oder
Efferenz betrachtet. Fließen Informationen z.B. vom Thalamus zum Kleinhirn, so sind diese
Nerven aus der Sicht des Thalamus Efferenzen, aus der Sicht des Kleinhirns aber Afferenzen,
also je nachdem, von welchem Standpunkt aus ich das Ganze betrachte.
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3.3 Ruhemembranpotential
Um zu verstehen, wie es überhaupt zu einer elektrischen Kodierung von nicht elektrischen
Reizen kommen kann, wie die Reizbildung und Reizleitung am Herzen, im Gehirn oder
anderswo funktioniert, kommt man nicht umhin, sich mit elementaren physikalisch-
chemischen Dingen auseinander zu setzen. Aber hier bitte nicht erschrecken, nichts wird so
heiß gegessen, wie es gekocht wird und mit etwas Begeisterung und Interesse ist auch dieses
Kapitel gut zu meistern.
Zuerst einmal muss man sich Gedanken um Salze machen. Jeder von uns kennt Salz, nimmt
tagtäglich etwas davon zu sich, aber was ist das, Salz? Im allgemeinen Sprachgebrauch
handelt es sich hierbei um Kochsalz, wenn wir es etwas genauer betrachten um
Natriumchlorid, eine feste Substanz. Was aber passiert, wenn wir dies in Wasser geben? Es
verschwindet, genau. Chemisch ausgedrückt sagt man, es geht in Lösung, es löst sich also in
Wasser auf. Natriumchlorid (NaCl) ist also keine so feste Verbindung, wie man ursprünglich
vielleicht aufgrund seiner Konsistenz hätte annehmen können. Es handelt sich nicht um eine
feste, kovalente Bindung, bei der sich zwei Atome über ein gemeinsames Elektronenpaar
verbinden, sondern um eine sogenannte Ionenbindung, bei der lediglich elektrostatische
Anziehungskräfte für den Zusammenhalt sorgen. Ursprünglich gab es hierbei eine sehr starke
Reaktion. Gibt man nämlich zu metallischem Natrium (Na) Chlorgas (Cl2), kommt es zu einer
heftigen Reaktion. Natrium hat auf seiner äußeren Hülle nur ein Elektron, Chlor hingegen
sieben. Da ja alle Atome bestrebt sind, die Edelgaskonfiguration zu erreichen, was bedeutet,
dass sie ihre äußere Hülle mit acht Elektronen voll besetzt wissen wollen, gibt das Natrium
dem Chlor sein Elektron ab und beide sind glücklich. Da Elektronen bekanntlich negativ
geladen sind, ist das Chlor nun negativ, da es ja vom Natrium ein Elektron geschenkt
bekommen hat. Auf der anderen Seite muss nun das Natrium positiv sein, denn es hat ja nun
ein negatives Elektron weniger. Dies muss einleuchten, da ja vor dieser Reaktion beide
neutral waren, also genau so viele positive Protonen im Kern wie negative Elektronen auf den
Schalen hatten (wer hier Fragen hat, sollte im Chemiebuch über das Bohr´sche Atommodell
nachlesen). Geladene Atome bezeichnet man als Ionen, wobei die positiv geladenen als
Kationen und die negativ geladenen als Anionen bezeichnet werden. Die Anionen kann man
übrigens gut an ihrer Endung –id bzw. –at erkennen (beim Chlor also dann Chlorid).
Wahrscheinlich werdet ihr alle wissen, dass sich + und – gegenseitig anziehen, und genau
diese Anziehungskraft hält unser Kochsalz zusammen, nicht mehr und auch nicht weniger.
Wirft man das Salz ins Wasser, löst es sich deshalb auf, weil das Wasser eine ganz besondere
Eigenschaft besitzt. Wasser hat einen Dipol-Charakter. In sich ist Wasser (H2O) zwar neutral,
bei genauerer Betrachtung aber übt das Sauerstoffatom eine viel stärkere Anziehungskraft auf
das Elektronenpaar aus, als der Wasserstoff (Sauerstoff hat eine wesentlich stärkere
Elektronegativität als Wasserstoff). Somit verschiebt sich das Elektronenbindungspaar in
Richtung Sauerstoff, weshalb er nach außen partiell negativ und der Wasserstoff partiell
positiv geladen ist. Es kommt zu Anziehungskräften zwischen dem Wasser und den Salzen,
die daraufhin dissoziieren, also auseinander brechen.
δ-
O
H H δ+
δ+
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
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Es gibt übrigens neben dem NaCl noch viele andere Salze, z.B. KCl (Kaliumchlorid) oder
Calciumfluorid (CaF2), um nur einige zu nennen. Gelöste Salze können Strom in Form von
Ionenwanderung leiten. Ein solches System wird Elektrolyt genannt, weshalb man die im
menschlichen Körper gelösten Ionen auch als Elektrolyte bezeichnet. Die wichtigsten
Elektrolyte für den Menschen sind:
- Natrium-Ion (Na+)
- Kalium-Ion (K+)
- Chlorid (Cl-)
- Calcium-Ion (Ca2+
)
- Magnesium-Ion (Mg2+
)
- Hydrogencarbonat (HCO3-
)
- viele weitere Ionen (Fluorid, Iodid, Phosphat, Acetat, Hydroxid, Eisen-Ion…)
Je nach Position im Periodensystem (Hauptgruppe) sind die Ionen einfach oder auch mehr-
fach geladen, je nachdem, wie viele Elektronen sich ursprünglich auf der äußeren Schale
befinden (1. Hauptgruppe: ein Elektron, 2. Hauptgruppe: zwei Elektronen, etc.). Calcium z.B.
befindet sich in der 2. Hauptgruppe, gibt also 2 negative Elektronen ab und ist somit als Ion
zweifach positiv geladen.
Was aber ist ein Ruhemembranpotential? Elektrolyte können als geladene Moleküle nicht
durch eine Zellmembran hindurch diffundieren, denn die Membran besteht zu großen Teilen
aus fettigen Bestandteilen, ist also lipophil, und Fett und geladene Teilchen mögen sich
überhaupt nicht. Damit nun aber trotzdem die Elektrolyte durch die Zellmembran können,
gibt es extra hierfür in die Zellmembran eingebaute Kanäle, immer speziell für ein bestimmtes
Salz. Einige dieser Kanäle sind in Ruhe offen, andere öffnen sich erst, wenn ein Reiz die
Zellmembran erreicht. Um das Ruhemembranpotential an einer Zellmembran zu verstehen,
betrachten wir eigentlich nur zwei Salze, nämlich Natrium und Kalium, die beide einfach
positiv geladen sind. Ferner muss man wissen, dass es Kaliumkanäle gibt, die ständig offen
sind und Natriumkanäle, die in Ruhe kein Natrium durchlassen!
Grundsätzlich gibt es zwei treibende Kräfte. Die eine Kraft richtet sich nach dem
Konzentrationsgefälle eines Moleküls. Haben wir auf der einen Seite viel Kalium und auf
der anderen Seite wenig, so wird Kalium solange wandern, bis auf beiden Seiten die gleiche
Kaliumkonzentration herrscht.
Die andere treibende Kraft ist das Potentialgefälle. Wenn auf der einen Seite eine positive
und auf der anderen Seite eine negative Ladung herrscht, wandern die Ionen so lange, bis
beide Seiten ausgeglichen sind.
Zurück zu unserer Zelle: Die Ausgangssituation sieht so aus, dass sich in der Zelle negativ
geladene, organische Anionen und außerhalb der Zelle Natrium und Kalium befinden. Die
organischen Anionen können aufgrund ihrer Größe nicht aus dem Intrazellularraum heraus.
Natrium muss, ob es will oder nicht, draußen bleiben, denn es gibt für ihn keinen offenen
Kanal. Kalium hingegen kann in die Zelle, denn sein Kaliumkanal ist in Ruhe offen. Das
Kalium wird mit großer Intensität in die Zelle wandern, denn es wird sowohl vom
Konzentrations- wie auch vom Potentialgefälle getrieben. Gäbe es nur das Potentialgefälle,
hätten wir abschließend das gesamte Natrium draußen und das gesamte Kalium in der Zelle.
Da aber das Konzentrationsgefälle dem irgendwann entgegen wirkt, wird es sich so einpegeln,
dass Kalium überwiegend in der Zelle (also intrazellulär) und Natrium fast ausschließlich
außerhalb der Zelle (extrazellulär) ist. Ich habe gesagt, Natrium würde in Ruhe gar nicht in
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die Zelle gelangen, das stimmt so nicht ganz. Über Leckströme kommen einige Natriumionen
doch ins Zellinnere. Um das Ladungsgleichgewicht auszugleichen, wandern parallel
Kaliumionen nach außen. Da sich auf Dauer Natrium und Kalium ausgleichen würden, gibt es
eine elektrisch betriebene Natrium/Kalium-Pumpe, die aktiv 3x Natrium aus der Zelle heraus
wirft und gleichzeitig 2x Kalium in die Zelle rein holt. Da nur das Kalium frei zwischen innen
und außen wechseln kann, ist es der alleinige bestimmende Faktor für das Ruhemembranpo-
tential, was beim Ausgleich seines Potential- und Konzentrationsgefälles (Ladungsgradient =
Konzentrationsgradient) erreicht ist. Das Ruhemembranpotential ist je nach Zelltyp etwas
unterschiedlich und liegt bei ca. -70 mV.
3.4 Aktionspotential
Durch bestimmte Reize (z.B. mechanische oder chemische) kommt es zu einer leichten
Veränderung des Ruhepotentials, die Zelle depolarisiert (A), wird also weniger negativ. Wie
dies genau geschieht, hängt ganz von dem entsprechenden Rezeptor ab und wird hier nicht
näher erläutert. Ab einem bestimmten Schwellenwert, der bei ca. -50 mV liegt, öffnen sich
schlagartig die spannungsabhängigen Natriumkanäle (Alles-oder-nichts-Prinzip), so dass nun
massiv Natriumionen, getrieben vom Potential- und vom Konzentrationsgefälle, ins
Zellinnere einströmen (B). Dies führt sogar zu einer Umkehr der Vorzeichen, will sagen,
innen wird es kurzfristig positiv (bis ca. +30 mV). Kurz nach Öffnung der spannungsabhän-
gigen Natriumkanäle öffnen sich auch spannungsabhängige Kaliumkanäle, wodurch die
Kaliumionen aus der Zelle herausbefördert werden (C). Kurze Zeit später (wir reden hier von
weniger als 1 ms) schließen sich die Natriumkanäle und der Na-Einstrom kommt zum
erliegen. Vorerst kann dieser Kanal nicht mehr geöffnet werden, er ist refraktär. Der noch
existente Kaliumausstrom sorgt daraufhin für eine kurzfristige Hyperpolarisation (bis ca. -90
mV)(D), bis sich auch die spannungsabhängigen Kaliumkanäle schließen und mit Hilfe der
Natrium/Kalium-Pumpe das Ruhemembranpotential wieder hergestellt wird (E).
A B C D E
In der Refraktärzeit ist der Nerv an dieser Stelle nicht zu depolarisieren, was der Erregung
eine Richtung vorgibt. Durch die Isolierung vieler Nerven „hüpft“ das Aktionspotential von
einem Ranvier´schen Schnürring zum anderen. Diese „saltatorische Erregungsausbreitung“
ermöglicht eine schnelle Reizleitung, die bei sehr dicken und gut isolierten Nervenfasern eine
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Leitungsgeschwindigkeit von bis zu 120 m/s ermöglichen (α-Motoneurone). Nicht
myelinisierte Nervenfasern erreichen hingegen nur eine Geschwindigkeit von 1 m/s
(langsame C-Schmerzfasern).
3.5 Chemische Reizweiterleitung
Das Aktionspotential gewährleistet die elektrische Reizleitung entlang eines Axons. Die
Kommunikation zwischen zwei Nervenzellen benötigt einen anderen Mechanismus, einen
chemischen Übertragungsweg. An der Kontaktstelle zweier Nerven (= Synapse) befinden
sich folgende Strukturen:
- präsynaptisches Endknöpfchen vom Axon des 1. Neurons
- synaptischer Spalt
- postsynaptisches 2. Neuron (bzw. Muskel- od. Drüsenzelle)
Der Kontakt zweier Nerven ist oftmals axodendritisch, kann aber auch mal axosomatisch oder
sehr selten auch axoaxonal sein.
Eine ankommende Erregung des 1. Neurons (1) verändert die Membranpermeabilität des
synaptischen Endknöpfchens und es kommt zum Einstrom von Kalziumionen (2). Das
Kalzium bewirkt eine Verschmelzung von Vesikeln (Blasen) mit der präsynaptischen
Membran. Dabei wird der Inhalt der Vesikel in den synaptischen Spalt abgegeben (3). Bei
dem Inhalt handelt es sich um Transmitter, die je nach Nerv unterschiedlich sind, sowohl in
ihrer Struktur als auch in ihrer Wirkung an der Erfolgszelle. Es wäre müßig, alle Transmitter
aufzuzählen, aber einige sollte man auf jeden Fall zuordnen können:
- Noradrenalin (sympathischer Transmitter des vegetativen Nervensystems)
- Acetylcholin (parasympathischer Transmitter des vegetativen Nervensystems)
- GABA (γ-Aminobuttersäure, hemmender Transmitter im ZNS)
- Glutamat (erregender Transmitter im ZNS)
- …
Der Transmitter diffundiert durch den synaptischen Spalt und dockt an die postsynaptische
Membran (4). Durch direkten oder indirekten Einstrom von Ionen kommt es je nach Ion bzw.
Rezeptortyp zu einer Erregung oder zu einer Hemmung der Erfolgszelle (EPSP = exzitato-
risches postsynaptisches Potential (Erregung); IPSP = inhibitorisches postsynaptisches
Potential (Hemmung)). Im Bildbeispiel kommt es zu einer Erregung, die zu einem
Aktionspotential in der Erfolgszelle führt (5). Der Transmitter (hier: Acetylcholin) wird im
Spalt durch spezialisierte Enzyme (hier: Acetylcholinesterase) in Essigsäure und Cholin
gespalten und somit unwirksam gemacht (6). Die Abbauprodukte gelangen wieder in den
präsynaptischen Endknopf und werden hier wieder resynthetisiert und in Vesikel eingelagert
(7). An einer Zelle sind nicht selten bis zu 20.000 (!) Synapsen, die sowohl EPSP als auch
IPSP erzeugen. Diese erregenden und hemmenden Informationen werden summiert und
bestimmen dann die weitere Reizbildung in der Erfolgszelle. Bei Muskelzellen genügt ein
Reiz, um ein Aktionspotential zu generieren, man spricht hier von einer 1:1 Überleitung.
Durch Gifte kann in diese chemische Übertragung eingegriffen werden. Dies macht man sich
auch therapeutisch zu nutze, z.B. bei der Muskelrelaxierung mittels Curarederivate,
Muskellähmung bei Spastiken mittels Botulinustoxine oder bei der Herzfrequenzbeein-
flussung durch Atropin.
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Ähnlich reagieren wir bei einem lauten Knall. In diesem Rahmen möchte ich aber nur kurz
auf den Muskelsehnenreflex eingehen.
Große Teile des Muskels bestehen aus Muskelgewebe. Es befinden sich außerdem noch
spindelförmige Erscheinungen darin, die sogenannte Muskelspindel. Dies sind spezielle
Dehnungsrezeptoren mit eigenen Muskelfasern in den Spindelspitzen.
Es hat über motorische Endplatten Kontakt zu mehreren Muskelfasern und erregt diese, was
zu einer Verkürzung des Muskels führt. Dabei wird auch die Muskelspindel gestaucht und der
Dehnungsreiz erlischt. Plastisch sieht das ganze so aus, dass ich dem Patienten auf die Sehne
klopfe und er reflektorisch tritt.
Werden diese Muskelspindeln ge-
dehnt (z.B. durch einen Schlag auf
die Patellarsehne), kommt es zu ei-
ner Depolarisation und somit zu Ak-
tionspotentialen (Dehnung = Depo-
larisation). Diese werden über
schnelle afferente Fasern (1a-Fasern)
über die Hinterwurzel zum Rücken-
mark geleitet und dort direkt auf ein
efferentes α-Motoneuron verschaltet,
was über die Vorderwurzel das Rük-
kenmark verlässt und zum Muskel
zurückzieht.
3.6 Reflexe
Bei Reflexbahnen unterscheidet man Eigen- und
Fremdreflexe. Beim Eigenreflex ist der Reiz-
impulsgeber gleichzeitig das ausführende Organ.
Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Patellar-
sehnenreflex, den wir gleich genauer besprechen
wollen. Darüber hinaus gibt es aber auch die
Konstellation, dass neben dem eigenen Muskel
auch noch weitere Erfolgsorgane aktiviert werden.
Hier sprechen wir von einem Fremdreflex.
Kommt z.B. ein Gegenstand mit großer Geschwin-
digkeit auf unser Auge zu, werden wir nicht nur
reflektorisch die Augen schließen, sondern gleich-
zeitig noch den Kopf beiseite und die Arme vor
das Gesicht nehmen und zudem noch in Deckung
gehen.
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
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4 PATHOPHYSIOLOGIE
4.1 Neurologische Untersuchung
Die neurologische Untersuchung ist in der Klinik ausgesprochen umfangreich. Im
Rettungsdienst haben wir weder die Zeit, noch die Gelegenheit, alle diagnostischen
Möglichkeiten auszuschöpfen. Uns interessieren vielmehr gravierende, akute Erscheinungen.
Elementar ist für uns z.B. die Bewusstseinslage des Patienten, ebenfalls von großer
Bedeutung sind Ausfallerscheinungen von Sensorik und Motorik. Dieser Abschnitt der
neurologischen Untersuchung soll euch das elementarste Handwerkzeug an die Hand geben,
um einen kurzen neurologischen Status erheben zu können.
Anamnese
Wie bei jeder anderen Erkrankung steht die Erhebung der Anamnese an erster Stelle der
Diagnosefindung. Allgemeine Fragen nach dem Befinden, nach Schmerzen oder sonstigen
Funktionsstörungen weisen oftmals schon entscheidend den Weg in die richtige Richtung.
Beginnen sollte man die Anamnese mit einer offenen Eingangsfrage, die dem Patienten die
Möglichkeit gibt, frei zu antworten. Als eine mögliche Frage käme in Betracht: „Guten Tag,
mein Name ist xxx, sie haben den Rettungsdienst gerufen, was ist ihr Problem?“ Jeder sollte
sich vorab eine Eingangsfrage zu Recht legen, um nicht in der Situation erst den „Faden“
seiner Anamnese zu suchen. Entsprechend der Antwort ergeben sich zwangsläufig weitere
Fragen, die dann die Diagnoseoptionen immer mehr eingrenzen. Eine gute Anamnese setzt
natürlich viel Sachverstand und eine gute Patientenführung voraus, ansonsten können leicht
wichtige Informationen überhört bzw. wichtige spezifische Fragen gar nicht erst gestellt
werden. Grundsätzlich ist es besser, den Patienten selbst zu befragen (Eigenanamnese).
Sprachstörungen (Aphasie), Konzentrationsstörungen etc können so direkt mitbeurteilt
werden. Es gibt jedoch Situationen, in denen eine Eigenanamnese allerdings nicht möglich ist
(Bewusstlosigkeit, kleine Kinder, senil-demente Menschen, ausländische Mitbürger ohne
Deutschkenntnisse, Behinderte…). Hier muss auf eine Fremdanamnese zurückgegriffen
werden, um an Informationen zu kommen.
Klinische Untersuchung
Nach der Anamnese kommt die orientierende klinische Untersuchung. Im Notfallgeschehen
interessiert uns vorrangig das Bewusstsein des Patienten. Dieser Punkt wird unter 4.2 genauer
abgehandelt. Des Weiteren können verschiedene Funktionstests durchgeführt werden, die
Auskunft über die Sensorik (Wärme-, Kälte-, Vibrations-, Schmerzempfinden, Lagesinn)
bzw. Motorik (Kraftsinn) geben. Auch die Überprüfung der Reflexe und der einzelnen
Hirnnerven gehört zur neurologischen Untersuchung dazu, wird aber im Rettungsdienst selten
bis gar nicht gemacht, es sei denn, die Situation gebietet es. Dann aber sollte dies dem Arzt
vorbehalten bleiben, denn die Beurteilung und Interpretation der Untersuchungsergebnisse
bedarf entsprechender Erfahrung. Zur neurologischen Untersuchung im weiteren Sinn gehört
auch die körperliche Untersuchung (z.B. die Suche nach einem Zungenbiss und Überprüfung
von Harnabgang bei Verdacht auf einen Krampfanfall, Temperaturmessung bei Verdacht auf
Fieberkrampf, Pupillendifferenz bei Verdacht auf eine intracerebrale Blutung (ICB),
Erkennen von hängendem Mundwinkel oder Augenlid bei Apoplex etc.). Hier nun wichtige
neurologische Untersuchungen im Rettungsdienst:
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
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Pupillenkontrolle:
Der normale Zustand der Pupillen ist:
- rund
- 4-6 mm weit
- bei Lichteinfall Verengung innerhalb 1 s. = prompt
- Seitengleichheit
Es gibt verschiedene pathologische Veränderungen, die Hinweise auf verschiedene Störungen
geben. Auf eine differenzierte Aufzählung möchte ich hier verzichten und auf mein Skript
„Anamnese und Diagnostik von Patienten“ verweisen. Die wichtigsten Erscheinungen sind:
- Beidseits stark erweiterte Pupillen = Mydriasis (Hypoxie des Gehirns,
Kokainkonsum, Beruhigungsmittelintoxikation, Alkohol, Unterkühlung)
- Beidseits verengte Pupillen = Miosis (BTM-Intoxikation, z.B. Heroin, SHT initial)
- Seitendifferenz = Anisokorie (cerebrale Raumforderung)
Kraftsinn:
- Kreuzgriff: der Untersucher überkreuzt seine Arme, nimmt die Hände des
Patienten und bittet diesen, mit beiden Händen kräftig zuzudrücken. Ein deutliches
Kräftemissverhältnis zeigt eine Halbseitenlähmung an (Hemiparese). Bei akutem
Ereignis wichtiger Hinweis auf einen Schlaganfall (Apoplex).
- Armhalteversuch: Der Patient wird gebeten, im Stehen seine Arme nach vorne in
Supinationsstellung (Handinnenfläche nach oben) auszustrecken und sie bei
geschlossenen Augen zu belassen. Fällt ein Arm herab oder kommt es einseitig zu
einer Pronation („Innenrotation“), ist dies Zeichen einer Hemiparese.
Sensorik:
- Bestreichen der Haut (distaler Ausfall der Sensorik bei Frakturen
(Knochenbrüchen) ist Zeichen einer Nervenläsion)
besonderes:
- Meningitis-Untersuchung (Hirnhautentzündung): Brudzinski-Zeichen: Beim
liegenden Patienten wird passiv der Kopf angehoben, reflektorisch werden die
Beine angezogen
- Querschnitt: Pyramidenbahnzeichen: Babinski-Reflex: Beim Patienten wird die
seitliche Fußsohle bestrichen. Hebt sich der Großzeh bei Abspreizung der übrigen
Zehen, ist der Reflex positiv und somit pathologisch (bis zum 2. Lebensjahr ist
dies ein normaler Reflex). Die gleichen Zeichen werden auch durch andere Tests
erreicht, z.B. Kneten der Wade (Gordon) oder festes Abstreichen des Schienbeins
(Oppenheim). Die Pyramidenbahnzeichen sind nicht nur beim Querschnitt zu
sehen, sondern auch bei anderen zentralen Störungen dieser Bahn.
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4.2 Das Bewusstsein
Das Bewusstsein ist im Rettungsdienst von elementarer Bedeutung und bestimmt nachhaltig
unser weiteres Vorgehen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Bewusstsein zu
klassifizieren. Eine Möglichkeit ist es nach den 3 Kriterien
- bewusstseinsklar
- bewusstseinseingetrübt
- bewusstlos
einzuordnen. Besser noch ist eine etwas differenziertere Betrachtung und Einteilung in 4
Klassen:
- bewusstseinsklar (Patient ist zeitlich, räumlich, situativ und persönlich orientiert)
- somnolent (Patient ist unkonzentriert, abwesend, kann sich nicht konzentrieren,
schläfrig)
- soporös (Patient ist nur noch durch Schmerzreize erweckbar bzw. zu einer
Reaktion zu bewegen)
- komatös (auch stärkste Schmerzreize bleiben unbeantwortet, alle Schutzreflexe
sind erloschen)
Um das Maß der Bewusstseinseintrübung genauer zu quantifizieren, wurde die Glasgow-
Coma-Scale (GCS, nach Jannett und Teasdale) entwickelt. Sie ist elementarer Bestandteil des
Notarztprotokolls (DIVI-Protokoll). Es werden drei Fähigkeiten überprüft:
- Sprache (verbale Fähigkeiten)
- Augenmotorik /-fixierung
- Motorik
Die Folgende Liste zeigt die genaue Einteilung.
Augen offen Verbale Reaktion Motorische Reaktion
4 P. spontan 5 P. voll orientierte Kommu-
nikation
6 P. nach Aufforderung
genau
3 P. auf Aufforderung 4 P. desorientierte Kommu-
nikation 5 P. auf Schmerzreiz genau
2 P. auf Schmerzreiz 3 P. inadäquate Äußerung 4 P. Beugeabwehr
1 P. kein Öffnen 2 P. unverständliche Laute 3 P. Beugesynergismen
1 P. keine verbale Reaktion 2 P. Strecksynergismen
1 P. keine Reaktion
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Maximale Punktzahl: 15 Punkte (optimale Bewusstseinslage)
Minimale Punktzahl: 3 Punkte (tiefstes Koma)
Bei ≤ 8 Punkten: Intubationsindikation
4.3 SHT Gehirnerschütterung / -prellung / -quetschung
(Commotio -/ Contusio -/ Compressio cerebri)
Alle drei traumatischen Verletzungsmuster subsumiert man unter dem Begriff des gedeckten
Schädel-Hirn-Traumas (SHT). Gedeckt heißt hier, dass es keine Verletzung der harten
Hirnhaut gibt. Die Einteilung ist in der präklinischen Phase gar nicht richtig beurteilbar, da
besonders die Dauer der Bewusstlosigkeit und das Outcome des Patienten den Schweregrad
des SHT bestimmt. Man sollte sich demnach auf die Beschreibung der objektiv zu erhebenden
Tatsachen beschränken (z.B. Pupillenreaktion, -weite, Orientierung des Patienten etc.).
Commotio cerebri: SHT 1. Grades. Durch eine stumpfe Gewalteinwirkung auf den Kopf
(Sturz oder Schlag) kommt es zu einer kurzen, nicht über 15 min (unter 5 min. nach LPN).
währende Bewusstlosigkeit, oftmals mit einem Gedächtnisverlust für den Zeitraum kurz vor
dem Ereignis und dem Ereignis selber (retrograde und anterograde Amnesie). Klassisch sind
in den folgenden 24 h Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Der Patient sollte für diese
Zeit unter ärztlicher Kontrolle sein, ist aber bei einer guten häuslichen Betreuung nach
Aufklärung der Komplikationen nicht unbedingt notwendig. Für das Gehirn gibt es keine
Spätschäden.
Contusio cerebri: SHT 2. Grades. Die stumpfe Gewalteinwirkung führt hier zu einer
längerfristigen Bewusstlosigkeit (unter 30 min. nach LPN). Es kommt zu Prellungen von
Hirnarealen mit nachfolgenden kleinen Einblutungen und leichter Schwellung (Hirnödem).
Hier ist ein stationärer Aufenthalt unumgänglich. Oftmals übersteht der Patient dieses Trauma
nicht ohne bleibende Schäden.
Compressio cerebri: SHT 3. Grades. Die Gewalteinwirkung ist massiv und geht mit einer
Bewusstlosigkeit von länger als 30 min. einher (über 24 h nach Rossi, Notfall-Taschenbuch).
Hierbei kommt es zu stärkeren, manchmal fokal (punktuell), oftmals aber auch diffus
ausgeprägten Einblutungen ins Gehirn. Hierbei freigesetzte Mediatoren führen zu einer
Gefäßweitstellung und zu Permeabilitätsveränderungen mit der Ausprägung eines
posttraumatischen Hirnödems (Gehirnschwellung). Da es im Schädel keinen Platz zur
räumlichen Ausdehnung gibt, nimmt der intracranielle Druck (ICP, also der Druck im Kopf)
zu. Dies kann zu einer Einengung von Gehirnarealen führen, wobei es zuerst zu einer
sogenannten oberen Einklemmung im Bereich zwischen Kleinhirn und Großhirn (dieser
Bereich wird als Tentorium bezeichet) kommt. Man erkennt es an der zunehmenden
Bewusstlosigkeit (es kann durchaus sein, dass der Patient wieder bei Bewusstsein war),
verlangsamte Lichtreaktion der Pupillen, Wälzbewegungen des Patienten bis hin zu
Beugesynergismen. Erhöht sich der ICP weiter, so kommt es zu einer unteren Einklemmung
(Bulbärhirnsyndrom) mit Ausfall von Schutzreflexen (Hustenreflex, Kornealreflex) und
Verschlechterung der Atem- und Kreislaufsituation. Die Pupillen sind nun weit und lichtstarr.
Spätestens jetzt muss der Patient, wenn nicht schon geschehen, intubiert werden. Übersteigt
der ICP den mittleren arteriellen Blutdruck, so kommt es zu einer Minderversorgung des
Gehirns, was im schlimmsten Fall mit dem Hirntod des Patienten endet. Im Folgenden eine
kurze Auflistung der zu erwartenden Klinik und die therapeutischen Maßnahmen:
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Stand 07/07 Seite 37 von 43
Klinik: (Symptome können auch einzeln auftreten)
- Kopfschmerzen, Schwindel, Erinnerungslücken, Sehstörungen, Unruhe
- Bewusstseinsstörungen bis zur Bewusstlosigkeit
- Atemstörungen (Biotsche Atmung) bis Apnoe
- Pupillendifferenz, -erweiterung
- Nackensteife
- (Streck-) Krämpfe
- Puls von tachykard bis bradykard (Bradykardie schlechtes Zeichen)
- Blutdruckanstieg (kompensatorisch)
- Begleitverletzungen
Maßnahmen:
- Beurteilung der Situation, ggf. Eigenschutz beachten
- Lagerung: 30° Oberkörper hoch; bei RR systolisch < 80 mmHg Flachlagerung
- Sicherung der Atemwege und Sauerstoffgabe (reichlich)
- Wärmeerhaltung
- Überwachung der Vitalparameter (Puls, RR, SpO2)
- Notarztruf
- Vorbereitung eines venösen Zugangs (ggf. Blutdruckerhöhung bei Hypotonie,
Zielblutdruck systolisch zwischen 160 und 200 mmHg))
- ggf. Vorbereitung der Intubation
- Behandlung der Begleitverletzungen (Stiffneck, Wundversorgung, Schienung von
Frakturen etc.)
4.4 Blutungen
Blutungen sind durch ein primäres Ereignis ausgelöste sekundäre Hirnschäden (auch das
Hirnödem gehört zu den sekundären Schäden). Je nach Lokalisation unterscheidet man in
subdurales, epidurales, subarachnoidales und intrazerebrales Hämatom.
4.4.1 Epidurales Hämatom
Beim epiduralen Hämatom kommt es in Folge einer Krafteinwirkung auf den Kopf, nicht
selten in Verbindung mit einer Schädelkalottenfraktur, zu einer Einblutung in den
Epiduralraum (s. 2.1.1.2). Ursächlich hierfür ist die Zerreißung der Hirnhaut versorgenden
Gefäße, besonders der A. meningea media. Die Tatsache, dass es sich um eine Arterie
handelt, erklärt den raschen Verlauf der Symptomatik. Nur in seltenen Fällen liegt der Grund
für ein Epiduralhämatom in einer Verletzung der Sinus in diesem Bereich. Hin und wieder
kann bei einem Patienten ein sogenanntes „freies Intervall“ gesehen werden. Hierbei ist der
Patient initial bewusstlos, klart dann auf, um im weiteren Verlauf wieder das Bewusstsein zu
verlieren. Es handelt sich fast ausschließlich um eine seitliche Blutung im Temporal-,
Parietal- oder Frontalbereich. Auffällig ist die Pupillenerweiterung auf der Seite der Blutung
(ipsilateral) mit einer Halbseitenlähmung (Hemiparese) der kontralateralen Körperseite. Im
CCT (kraniales Computertomogramm) zeigt sich eine bikonvexe Raumforderung, die die
Schädelnähte nie überschreitet! Oftmals kommt es dann noch zu einer Mittellinienverschieb-
ung und den schon oben beschriebenen Einklemmungen mit entsprechender Symptomatik.
Die Therapie erfolgt wie beim schweren Hirnödem. Auch hier ist der Patient spätestens bei
Bewusstlosigkeit intubationspflichtig.
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CCT eines 49 jährigen Mannes, der auf den Hinterkopf gefallen ist.
Rechts hochparietals epidurales Hämatom. Deutlich ist hier die bikonvexe Einblutung zu
erkennen. Eine Verschiebung der Mittellinie ist lediglich angedeutet. Der Patient hatte zudem
eine Schädelfraktur, die im Knochenfenster deutlich zu erkennen ist.
4.4.2 Subdurales Hämatom
Bei einem Aufpralltrauma wird das Gehirn in Bewegung gesetzt. Hierbei kommt es zu
Scherkräften, die auf die Brückenvenen wirken. Es kommt zur Einblutung in den
Subduralraum (s. 2.1.1.2). Da es sich um eine venöse Blutung handelt, kann diese Blutung
auch nach Tagen erst auffällig werden (subakutes Subduralhämatom). Häufig aber ist der
Patient ohne ein freies Intervall bewusstlos (akutes Subduralhämatom) und erleidet oftmals
auch eine zusätzliche Hirnprellung. Eine Differenzierung zwischen epiduralem und
subduralem Hämatom ist präklinisch kaum möglich, aber auch nicht nötig, die rettungsdienst-
liche Versorgung ist die Gleiche. Im CCT ist eine konvex-konkave Blutung zu erkennen
(sichelförmig). Sie ist nicht durch die Schädelnähte in ihrer Ausbreitung behindert.
Im linken CCT ist ein riesiges rechtsseitiges
subdurales Hämatom zu erkennen. Es umfasst nahezu
die ganze rechte Hemisphäre. Deutlich sind hier auch
die Verschiebung der Mittellinie nach links und die
massive Kompression des rechten Seitenventrikels zu
sehen. Hier muss in der Klinik die Schädeldecke
eröffnet und das Hämatom entfernt werden.
Selbstverständlich ist auch dieser Patient
intubationspflichtig.
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4.4.3 Subarachnoidale Blutung
Die Subarachnoidalblutung entsteht meist durch Blutungen aus Arterien des circulus
arteriosus willisii, also den großen zuführenden Gehirngefäßen (s. 2.1.1.3). Hauptursachen
sind Aneurysmen (pathologische Aussackungen der Gefäße) dieser Arterien oder auch
Hämangiome(Blutschwämme; selten!), oftmals in Verbindung mit einer hypertensiven Krise.
Hauptsymptom ist der im Schlaf oder bei körperlicher Anstrengung auftretende meist
okzipitale, plötzlich einschießende Kopfschmerz infolge von Massenverschiebung und die
Bewusstseinsstörung mit massiver Übelkeit und Erbrechen. Die Diagnose erfolgt durch
Computertomographie und zerebrale Angiographie (Gefäßdarstellung).
4.4.4 Intrazerebrale Blutung
Fall: Der Vater hatte seinem Sohn beim Hausbau
geholfen. Beim Schleppen von Zementsäcken
bekam er plötzlich einschießende Kopfschmer-
zen „wie noch nie!“.
Im CCT ist eine linksbetonte Einblutung in die
Gehirnfurchen (Gyri) zu sehen (weiß). Dies führt
zu einer deutlichen Mittellinienverlagerung als
Zeichen eines erhöhten Hirndrucks. Dass dieser
Patient ebenfalls intubiert gehört, habt ihr
sicherlich mittlerweile verstanden.
Einrisse kleinerer im Gehirngewebe gelegener
Gefäße führen zu intrazerebralen Blutungen.
Diese sind nicht selten erst nach einigen Tagen
nach primären Gehirnverletzungen besonders
ausgeprägt. Die Klinik entspricht der der anderen
Hämatome und ist abhängig vom Ausmaß der
Läsion und der Hirndrucksteigerung. Oftmals ist
eine IZB von ödematösem Gewebe umgeben. Im
CCT erkennt man eine linksseitige Einblutung
mit leichter Verlagerung der Mittellinie und noch
recht unauffälligen Seitenventrikeln. Ein
perifokales Ödem ist nur zu erahnen.
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
Stand 07/07 Seite 40 von 43
4.5 Apoplex (Schlaganfall)
Beim Apoplex (syn. hämorrhagischer/ischämischer Insult, zerebrovaskulärer Insult) handelt
es sich um ein Syndrom, welches durch neurologische Defizite gekennzeichnet ist und dem
entweder ein Verschluss einer Gehirnarterie (Embolie, 75 %) oder eine Gefäßruptur mit
intrazerebraler bzw. subarachnoidaler Blutung (25 %) zu Grunde liegt. Ursachen für eine
Embolie können sein:
- Vorhoffflimmern (Arythmia absoluta) mit Thrombenbildung
- Arteriosklerotische Gefäßveränderung der Gehirnarterien
- Endokarditis
- (Fettembolien)
Blutungsursachen sind bereits bei der Subarachnoidalblutung besprochen worden. Es können
drei Ausprägungen unterschieden werden, die TIA (transitorische ischämische Attacke),
PRIND (prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit) und der Hirninfarkt.
Bei der TIA bilden sich die Symptome innerhalb von 24 h zurück. Manchmal hat man das
Glück, eine solche Verbesserung des Patienten noch in der präklinischen Phase zu erleben.
Leider erleiden die Patienten im Verlauf mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit (40 %)
dann doch einen Schlaganfall. Beim PRIND bestehen die Symptome länger als 24 h, bilden
sich dann aber im weiteren Verlauf komplett zurück. Beim Hirninfarkt kommt es tatsächlich
zum irreversiblen Untergang von Gehirnarealen mit entsprechenden funktionellen
Ausfallerscheinungen, die ganz von dem betroffenen Areal und der Größenausdehnung
abhängen.
Die Symptome des Schlaganfalls können sein:
- Sprachstörungen (verwaschene Sprache, wenn die dominante Gehirnhälfte
betroffen ist, dann Sprachunfähigkeit (motorische Aphasie))
- einseitige Bewegungsstörungen (Kraftverlust Hemiparese; Kreuzgriff!)
- hängender Mundwinkel und hängendes Augenlid
- Seitendifferenz beim Grimassen schneiden
- Unfähigkeit, die Backen aufzublasen
- ggf. Kopfschmerz
- Hypertonus, manchmal aber auch Hypotonus
- ggf. Herzrhythmusstörungen (HRST)
- Bewusstseinseintrübung bis zur Bewusstlosigkeit
- Blickdeviation
Es handelt sich hierbei zwar um klassische Symptome eines Schlaganfalls, es kommen aber
auch andere Differenzialdiagnosen in Betracht, wie Hypoglykämie (unbedingt Blutzucker
messen!), Tumoren, Epi-/Subduralblutungen. Die präklinische Therapie des Apoplexpatienten
ist recht unspektakulär, zumal wir nicht sicher sagen können, ob nun eine Blutung oder eine
Ischämie ursächlich ist.
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
Stand 07/07 Seite 41 von 43
Therapie des Apoplex:
- Betreuung / Beruhigung des Patienten
- Vitalparameter erheben (Herzfrequenz, SpO2, RR!!)
- Blutzuckermessung
- EKG
- Sauerstoff
- peripher venöser Zugang (Vorbereitung, durch NA gelegt)
- NA bei schwereren Verläufen
- Wärmeerhalt
- 30° Oberkörper Hochlagerung, bei Hypotonie: Flachlagerung
- VORSICHT beim Umlagern: Achtet auf die gelähmte Seite!
- Zielkrankenhaus mit CT! (Neurologie mit „Stroke unit“ oder Neurochirurgie)
- zügiger Transport (Time is brain!)
4.6 Krampfanfälle (Epilepsie und andere Ursachen)
Die verschiedenen Epilepsieformen werden unterteilt in generalisierte und partielle (fokale)
Krampfanfälle. Die generalisierten Anfälle gliedern sich in konvulsive Anfälle (Grand mal),
nicht konvulsive Anfälle (Petit mal) und myoklonische Anfälle. Fokale Anfälle werden in
einfach partiell, komplex partiell, partiell unbekannten Typs und komplex mit sekundärer
Generalisierung unterteilt.
Generalisierte Krampfanfälle sind durch global (bilateral) gestörte Gehirnaktionen mit
plötzlichen Entladungen der Nervenzellen gekennzeichnet.
Bei einem konvulsiven Krampfanfall (Grand-mal-Anfall) kommt es zu einem kompletten
Bewusstseinsverlust mit gleichzeitiger Verkrampfung der kompletten Muskulatur und daraus
resultierendem Sturzereignis aufgrund einer massiven elektrischen Spontanentladung der
Gehirnzellen. Man spricht hier von tonisch-klonischen Krämpfen, wobei in der oftmals
initialen tonischen Phase der Körper steif wie ein Brett ist (tonisch), manchmal im Hohlkreuz
gebogen (Opisthotonus), und dann in ein Zittern/Schütteln übergeht (klonisch). Während des
Krampfanfälle
A. Generalisierte Krampfanfälle
1. konvulsiver Anfall (Grand mal)
2. nicht konvulsiver Anfall (Petit mal)
3. myoklonischer Anfall
B. Partielle (fokale) Krampfanfälle
1. einfach partieller Anfall
2. komplex partieller Anfall
3. partieller Anfall unbekannten Typs
4. komplexer Anfall mit sekundärer Generalisierung
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
Stand 07/07 Seite 42 von 43
Krampfanfalls, der von Sekunden bis zu mehreren Minuten dauern kann (selten aber länger
als 2 min), kommt es zu einem Atemstillstand, der je nach Dauer des Krampfes auch mit einer
Zyanose einher gehen kann. Die Ursachen eines Krampfanfalls können mannigfaltig sein.
Ursachen:
- Hirndrucksteigerung (Gehirntumoren, Blutungen, Hirnödem, Entzündungen des
Gehirns (Enzephalitis) oder der Hirnhäute (Meningitis)
- Unterzuckerung (Hypoglykämie)
- Sauerstoffmangel (Hypoxie)
- Vergiftungen (CO, Blausäure, Alkylphosphate (E605, Metasystox),…)
- Dehydratation
- Entzugszustände (Drogen, bes. Alkoholentzug)
- Fieber (Fieberkrampf bei Kindern häufig)
- Eklampsie
- Epilepsie im engeren Sinne
Es gibt verschiedene Auslöser für einen Krampfanfall, z.B. Gerüche, visuelle Einflüsse,
Berührungen etc. Befragt man die Patienten, so haben einige direkt vor dem Anfall eine Aura,
eine Art Vorahnung. Dies kann ein bestimmter Geruch sein, ein Geschmack auf der Zunge,
eine Art Déjà Vu. Manchmal kommt es zu einem Initialschrei oder einem Seufzer. Die größte
Gefahr besteht für den Patienten darin, dass er unkontrolliert fällt und sich dabei verletzen
kann oder er bekommt einen Krampfanfall bei gefährlichen Tätigkeiten (Auto fahren). Der
Krampf als solches ist nicht lebensbedrohlich. Dennoch gehen dabei regelmäßig Gehirnzellen
zu Grunde, was aber nicht so sehr ins Gewicht fällt. Während des Krampfanfalls kommt es
oftmals zur Harninkontinenz, selten auch zur Stuhlinkontinenz, manchmal haben die
Patienten Schaum vor dem Mund. Immer sollte man auch einen Blick auf die Zunge werfen,
denn ein Zungenbiss ist nicht selten. Nach dem Krampf entspannt sich der Körper, der Patient
ist in einer Nachschlafphase (postiktische Phase) in der er nicht erweckbar ist. Kommt der
Patient zu Bewusstsein, ist er anfangs oft noch verwirrt, klart aber dann zunehmend auf und
kann sich an die Zeit vor dem Ereignis erinnern.
Versorgung:
- Vermeidung von Begleitverletzungen (Polsterung, Platz schaffen)
- ggf. Beißkeil einlegen (während des Krampfes nicht möglich)
- in Ruhe auskrampfen lassen und bereits weitere Vorbereitungen treffen
- Vitalparameter kontrollieren (RR, Puls, Sättigung)
- Notarzt
- Sauerstoffgabe
- EKG
- BZ-Messung
- Ganzkörpercheck mit Pupillenkontrolle (ICB?, Meningitiszeichen?)
- Wärmeerhalt
- Zugang vorbereiten
- ggf. Fieber senken (Parazetamol, Wadenwickel)
- ggf. Intubationsbereitschaft, falls der Krampf andauert
- ggf. Medikamente (Antikonvulsiva: Diazepam als Rectiole, Dormicum
(Midazolam) oder Rivotril (Clonazepam))
- Transport in ein Krankenhaus mit Neurologie und CT
©A. Fangmann Skript „Neurologie für Rettungssanitäter“
Stand 07/07 Seite 43 von 43
Ein Beispiel für nicht konvulsive, aber dennoch generalisierte Krampfanfälle (Petit mal)
sind Absencen, Anfälle kurzer Bewusstlosigkeit ohne Sturzereignis. Der Patient hält mitten in
einer Aktion inne und verharrt in dieser Situation. Bei Kindern wird diese Form als
pyknoleptischer Anfall bezeichnet.
Bei myoklonischen Anfällen kommt es zu einzelnen oder unregelmäßigen, wiederholten
Zuckungen einzelner Muskelgruppen. Bei der juvenilen myoklonen Epilepsie (Janz-Syndrom)
kommt es besonders nach dem Aufstehen zu einschießenden Zuckungen besonders in der
Schulterregion. Hierbei werden nicht selten Gegenstände unwillkürlich durch die Gegend
geworfen.
Dauert ein Grand-mal-Anfall länger als üblich und ist er durch die üblichen medikamentösen
Maßnahmen auch nicht zu durchbrechen, so sprechen wir von einem Status epilepticus.
Hierbei sollte der Patient narkotisiert und intubiert werden.
Bei partiellen (fokalen) Krampfanfällen handelt es sich um einen Herdanfall in einem
umschriebenen Gehirnareal. Eine sekundäre Generalisierung ist durchaus möglich. Bei einem
einfachen partiellen Anfall kommt es zu Hirnleistungsausfällen oder unkontrollierten lokalen
Muskelaktivitäten. Der Patient ist hierbei wach und reagiert auf seine Umwelt. Ein Beispiel
hierfür ist der Jackson-Anfall mit fokalen EEG-Veränderungen als Folge von traumatischen
Hirnschäden, Tumoren o. ä. Sollte es zu Bewusstseinseinschränkungen, Erinnerungslücken
oder Verwirrtheit während bzw. nach dem Anfall kommen, wird dies als komplex partieller
(auch psychomotorischer) Anfall bezeichnet. Ist keine Zuordnung möglich, handelt es sich
um einen partiellen Anfall unbekannten Typs.
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