masterarbeit über meinekleinefarm.org
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Wie wird das Konsumverhalten von
Menschen beeinflusst, wenn das Produkt
personalisiert und eine emotionale
Nähe zu ihm hergestellt wird?
Eine Untersuchung am Beispiel von
Fleischerzeugnissen.
Masterarbeit
vorgelegt an der
HUMBOLDT-VIADRINA School of Governance
im Juli 2012
von Dennis Buchmann
Betreuerin: Prof. Dr. Sabine Fischer
I
Excecutive Summary
Mit wachsendem Wohlstand wird immer mehr Fleisch gegessen. Doch massenhafter Fleischkonsum führt zu schwerwiegenden globalen Umweltproblemen und ist ethisch bedenklich. Aufklärungskampagnen von Tierschutzorganisationen arbeiten mit negativen Botschaften aus der Massentierhaltung, und auch andere Apelle an einen reduzierten Fleischkonsum bleiben weitgehend wirkungslos. Auf der Fleischverkaufsplattform MeinekleineFarm.org hingegen wird nicht an Fleischverzicht appelliert, ohne Alternativen zu bieten, sondern dort ist der Fleischkonsum diese Alternative und damit Teil der Lösung für die oben genannten Probleme. Über positive Botschaften und Transparenz wird versucht, wieder eine Beziehung zwischen Konsument und Fleischprodukt herzustellen: Der Konsument sieht, welches Tier er isst und dass es artgerecht gehalten wurde. Diese Arbeit untersucht empirisch, ob diese Personalisierung des Produktes dazu führt, dass der Konsument eine neue Wertschätzung für Fleischprodukte entwickelt und dadurch sein Konsumverhalten ändert. Es kann gezeigt werden, dass selbst Menschen, die ohnehin schon bewusst Fleisch konsumieren, allgemein weniger Fleisch aber aus artgerechter Haltung essen, wenn zuvor über MeinekleineFarm.org eine emotionale Beziehung zu einem Fleischprodukt bzw. dem entsprechenden Tier hergestellt wurde. As affluence grows, so does the number of people who eat meat. However the massive consumption of meat leads to serious environmental problems globally and is ethically questionable. Educational campaigns done by animal welfare organizations spelling out negative messages about factory farms, among other appeals to reduce meat consumption remain largely ineffective. Conversely, the meat-selling platform MeinekleineFarm.org does not make an appeal to end meat consumption without offering an alternative. On MeinekleineFarm.org meat consumption is part of the solution to the above-mentioned problem. Through positive messages and transparency, MeinekleineFarm.org seeks to reestablish the relationship between consumer and meat product: the consumer sees what animal they eat, and that it was humanely treated. This thesis empirically investigates whether the personalization of the product leads consumers to develop of a new appreciation of meat products; and through this appreciation, change their consumption behavior. It can be shown that even people, who knowingly consume meat consciously, will generally eat less of it if they previously made an emotional connection through MeinekleineFarm.org to the corresponding animal.
II
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ................................................................................ IV Abbildungsverzeichnis .................................................................................. V Tabellenverzeichnis ...................................................................................... VI 1 Einleitung und These ................................................................................ 1 2 Relevanz der Fragestellung ...................................................................... 2 2.1 Geschichte des Fleischkonsums und der -produktion. ............................. 3 2.2 Wie hoher Fleischkonsum Umweltprobleme verursacht ........................ 11 2.3 Ethische Aspekte der massenhaften Fleischproduktion ......................... 15 2.3.1 Tierleiden als ein Grund für die ethische Fleischdiskussion ................ 16 2.3.2 Ethische Konzepte zum Fleischverzehr .............................................. 18 2.3.3 Individuelle Verantwortung und die Distanz zwischen Handlungen und
den Folgen ....................................................................................... 19 3 Faktoren des Nahrungsmittelkonsums und sein Wandel ................... 23 3.1 Wie Konsumenten nach neuem Vertrauen suchen ................................ 23 3.2 Globaler Ernährungswandel ................................................................... 26 3.3 Faktoren des Fleischkonsumverhaltens ................................................. 28 4 MeinekleineFarm.org – Eine kleine Lösung für ein großes Problem?31 4.1 Wie MeinekleineFarm.org funktioniert .................................................... 31 4.2 Annahmen hinter MeinekleineFarm.org ................................................. 32 4.3 Transparenz, Kommunikation und Storytelling. ...................................... 37 5 Forschungsdesign .................................................................................. 40 5.1 Anforderungen und Ausgangssituation .................................................. 40 5.2 Reflektion des Autors ............................................................................. 41 5.3 Empirische Sozialforschung und ausgewählte Methoden ...................... 42 5.4 Durchführung der Befragung .................................................................. 43 5.5 Auswertung ............................................................................................ 44 6 Ergebnisse ............................................................................................... 46 6.1 Wer wurde gefragt: Biografische Daten und allgemeine Einstellungen der
Befragten. ............................................................................................ 46 6.2 Wie die Befragten Fleisch konsumieren ................................................. 51 6.3 Warum bei MkF gekauft wurde. ............................................................. 53 6.4 Empfindungen im Zusammenhang mit MkF ........................................... 54 6.5 Auswirkungen auf das Verhalten ............................................................ 55 7 Diskussion ............................................................................................... 58 7.1 Methodenkritik ........................................................................................ 58
III
7.2 Die Ergebnisse, ihre Aussagekraft und die Bedeutung für MkF ............. 59 7.3 Ausblick und Möglichkeiten weiter gehender Forschung ....................... 61 8 Fazit .......................................................................................................... 64 Literaturverzeichnis ...................................................................................... 66 Anhang ........................................................................................................... 73
IV
Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung
BMELV Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
BÖLW Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft
BRD Bundesrepublik Deutschland
CH4 Methan
CO2 Kohlenstoffdioxid
DDR Deutsche Demokratische Republik
DLG Deutsche Lebensmittelgesellschaft
etc. et cetera
FAO Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen
(Food and Agriculture Organization of the United Nations, FAO)
FAOSTAT Statistiken der FAO
HVSG Humboldt Viadrina School of Governance
Kap. Kapitel
kg Kilogramm
m2 Quadratmeter
MkF MeinekleineFarm.org
MPP Master of Public Policy
N2O Distickstoffmonoxid
s. siehe
s. a. siehe auch
S. Seite
Tab. Tabelle
u. a. und andere
u. ä. und ähnliche(m)/(n)/(s)
USA Vereinigte Staaten von Amerika (United States of America)
vgl. vergleiche
z. B. zum Beispiel
V
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: US-Patent von 1882 zur Fließbandschlachtung von Schweinen. ......... 8 Abbildung 2: Durchschnittlicher Fleischverbrauch in Deutschland pro Kopf und
Jahr. ................................................................................................................... 9 Abbildung 3: Idealisierte Pyramide der biologischen Nettoproduktivität. .................. 11 Abbildung 4: Treibhausgasemissionen verschiedener Lebensmittel (von der
Landwirtschaft bis zum Handel). ...................................................................... 14 Abbildung 5: Treibhausgasemissionen von vier verschiedenen Mahlzeiten mit
demselben Energie- und Eiweißgehalt. ............................................................ 15 Abbildung 6: Phasen der Nutrition Transition. .......................................................... 27 Abbildung 7: Beispiel eines Aufklebers und wie dieser auf den Wurstprodukten
von MeinekleineFarm.org das entsprechende Schwein abbildet. .................... 32 Abbildung 8: Wirkungslogik von MeinekleineFarm.org. ........................................... 36 Abbildung 9: Altersverteilung der 113 Befragten. ..................................................... 46 Abbildung 10: Bewertung der Wichtigkeit verschiedener Faktoren auf die Frage:
„Was ist Ihnen beim Nahrungsmittelkauf besonders wichtig“. .......................... 49 Abbildung 11: Einkommensverteilung der 113 ausgewerteten
Umfrageteilnehmer. .......................................................................................... 51 Abbildung 12: Fleischkonsum vor MkF. Die Befragten haben angegeben, zu
welcher Tageszeit sie wie oft pro Woche Fleisch gegessen haben. ................ 52 Abbildung 13: Gründe für den Kauf von Biofleisch und wie wichtig sie den
Befragten sind. ................................................................................................. 53 Abbildung 14: Differenzen zwischen den Antworten auf die Fragen nach der
Häufigkeit des Fleischkonsums vor und nach MkF der einzelnen
Befragten. ......................................................................................................... 56 Abbildung 15: Fleischkonsum nach MkF. ................................................................. 57
VI
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Häufigkeit der genannten Aspekte auf die Frage: „Bitte beschreiben
Sie, ob und wie Sie im Alltag den Umweltschutz berücksichtigen.“ ................. 47 Tabelle 2: Häufigkeit der genannten Aspekte auf die Frage: Wie würden Sie
ihren Einkaufs- und Ernährungsstil beschreiben?“. .......................................... 48 Tabelle 3: Bildungsgrad der Befragten. .................................................................... 50 Tabelle 4: Häufig genannte Aspekte in den Antworten auf die Frage:
„Beschreiben Sie bitte, warum Sie Wurst mit Gesicht gekauft haben“. ............ 53 Tabelle 5: Häufig genannte Aspekte in den Antworten auf die Frage: „Was
haben Sie beim Kauf von Wurst mit Gesicht empfunden?“. ............................. 54 Tabelle 6: Häufig genannte Aspekte in den Antworten auf die Frage:
„Beschreiben Sie die Situation und das Gefühl, als Sie ihrer Wurst in die
Augen geguckt haben.“ .................................................................................... 55 Tabelle 7: Auswertung der Antworten auf die Frage: „Haben Sie, nachdem Sie
Kunde von MeinekleineFarm.org geworden sind, öfter als vorher an
Fleischkonsum und seine Auswirkungen gedacht? Falls ja: in welchen
Situationen und an was haben Sie gedacht?“ .................................................. 55 Tabelle 8: Antworten auf die Frage: „Bitte beschreiben Sie ob und wie sich Ihr
Fleischkonsumverhalten verändert hat, nachdem Sie Wurst von
MeinekleineFarm.org gegessen haben.“ .......................................................... 56
VII
„Ich bin durch Galileo auf Sie aufmerksam geworden, und nun habe ich mich
endlich getraut auf Ihre Seite zu gehen und meine Neugierde zu stillen.
Ich muss sagen, dass ich sehr viel Wurst esse, und nie wirklich einen Draht zu
der Materie hatte, natürlich gehe ich schon immer respektvoll mit allen
Lebensmitteln um, doch so sehr wie Sie und Bauer Schulz habe ich mich noch
nie mit den Tieren dahinter auseinander gesetzt.
Ich muss Ihnen sagen, dass ich nun zum Nachdenken komme, und vorhabe schon
bald meine erste Wurst von Ihnen zu bestellen, doch vorerst meinen Fleischkonsum
gänzlich einstellen möchte um meine Sinne für die Tiere zu schärfen. Ich
danke Ihnen, dass nur ein Besuch auf dieser Seite mich ganz schön
wachgerüttelt hat!“
E-Mail von A.G. an MeinekleineFarm.org, 8. Juni 2011
1
1 Einleitung und These Diese Arbeit hinterfragt das Projekt MeinekleineFarm.org (MkF), welches zentraler
Bestandteil des Public-Policy-Studiums (MPP) an der Humboldt Viadrina School of
Governance (HVSG) war. MkF diente als roter Faden der Praxis, an dem Theorie
gelernt und angewendet wurde. Wegen der Projektbezogenheit ist diese Arbeit also
gewissermaßen der Gipfel der Integration von Theorie und Praxis des
Masterstudiengangs. Erkenntnisse aus verschiedenen wissenschaftlichen Quellen
sowie ein Umfrage unter Nutzern von MkF sollen die grundlegende Frage eruieren,
ob das Projekt hinsichtlich seines gesellschaftlichen Anliegens funktioniert: Essen
Menschen weniger und anders Fleisch, wenn dieses Fleisch aus seiner Anonymität
geholt und eine emotionale Nähe zum Produkt bzw. dem entsprechenden Tier
hergestellt wird? Denn wer bei MeinekleineFarm.org Wurst kauft, sieht darauf stets
ein Foto von dem Tier, aus dem diese Wurst gemacht wurde. So wird „Fleisch ein
Gesicht gegeben“.
Die These hinter MeinekleineFarm.org, die in dieser Arbeit überprüft wird, lautet:
Wenn Konsumenten ein Fleischprodukt über Transparenz und Geschichten nahe
gebracht wird, entsteht eine unter anderem emotionale Beziehung, die zu einer
neuen Wertschätzung des Tieres und damit des Produktes führt. Das mündet in
bewussterem Fleischkonsum. Bewussterer Fleischkonsum bedeutet hier: weniger
Fleisch aber aus artgerechter Haltung zu essen.
Diese Verhaltensänderung ist dringend nötig. Umweltressourcen werden durch
massenhaften Fleischkonsum derart überlastet, dass irreversible Schäden des
globalen Ökosystems drohen (Kapitel 2). Außerdem führen die Bedingungen, unter
denen Tiere in der konventionellen Fleischindustrie gehalten werden, zu ethischen
Problemen, die ausgeblendet werden (Entkoppelung des Konsumenten vom
Ursprung seiner fleischlichen Nahrung). Umweltprobleme, Ethik und menschliches
Verhalten – diese Themen zeigen, dass in dieser Arbeit multi- und in den
Schlussfolgerungen auch interdisziplinär gearbeitet wird. So wird hier nicht nur ein
Aspekt der Konsumentenforschung tief gehend bearbeitet, sondern es werden
vielmehr die Gesamtzusammenhänge dargestellt. Der empirische Teil (Umfrage
unter MkF-Kunden) gestaltet sich deshalb entsprechend offen, um im Zuge der
Forschung (vgl. Kapitel 5.3) einen hohen Erkenntnisgewinn zu ermöglichen.
2
2 Relevanz der Fragestellung „The world´s lifestock sector is at the junction of several of the great environmental
and moral issues of the modern age. This includes the urgent issues of food
insecurity, under-nutrition and its health consequences, environmental degradation,
exacerbation of global climate change and concern for animal welfare“
In diesem Zitat fassen McMichael & Butler (2010: S.187) zusammen, warum es
dringend notwendig ist, dass die Menschen ihren Fleischkonsum1 überdenken.
Denn massenhafter Konsum bedingt massenhafte Produktion. Doch über eine
massenhafte Produktion, die dem Konsumenten verborgen bleibt, aber billiges
Fleisch liefert, beschwert sich kaum ein Konsument. Doch wie konnte Fleisch
überhaupt zu einem Problem werden?
Fleisch ist ein hochwertiges Nahrungsmittel, reich an Eiweißen2 und für die meisten
Menschen Teil eines unhinterfragten Ernährungsalltags. Doch mit Fleisch verhält es
sich wie mit fast allen Nahrungsmitteln und anderen Dingen (etwa Medikamente),
die der Mensch zu sich nimmt: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ohne Gift; allein die
Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“ (Paracelsus,16. Jahrhundert).
Diese „Dosis“ ist vor allem in industrialisierten Ländern und Gesellschaften mit
hohem Wohlstandsniveau (USA, Europa) sehr groß und gefährdet nicht nur die
individuelle Gesundheit3, sondern ist auch auf gesellschaftlicher und ökologischer
Ebene „Gift“. In aufstrebenden Ländern (vor allem in China) erhöht sich mit
wachsendem Wohlstand ebenfalls die „Dosis“. Doch bevor der Fleischkonsum
genauer quantifiziert wird, soll kurz darauf eingegangen werden, wie Fleisch
1 In dieser Arbeit geht es nur um Fleisch von gezüchteten Landtieren, nicht um Meerestiere
und Fischereiindustrie. 2 Der menschliche Körper kann Fleischeiweiße effizienter zum Aufbau eigener Eiweiße
nutzen als beispielsweise pflanzliche Kohlehydrate. 3 Gesundheitsprobleme im Zusammenhang mit erhöhtem Fleischkonsum werden in dieser
Arbeit weder auf individueller Ebene (Krankheiten) noch auf gesellschaftlicher (Belastung
des Gesundheitssystems) ausführlich behandelt. Dazu siehe beispielsweise Rayner &
Scarborough (2010, S.190ff.). Die Umweltprobleme sind gravierender, da von globaler
Bedeutung, und die ethischen Probleme sind wegen der Funktionsweise von MkF
(Emotionalität etc., vgl. Kapitel 4) relevanter.
3
überhaupt zu einem Problem werden konnte (Kapitel 2.1: Geschichte des
Fleischkonsums und der -produktion) und in welchen Facetten (ökologische und
ethische, Kapitel 2.2 und 2.3) sich das Problem äußert. Daraus folgt die
Notwendigkeit eines reduzierten Fleischkonsums. Um diesen zu fördern, habe ich
im Rahmen des MPP an der HVSG das Projekt MkF realisiert. MkF steht für jenen
Teil der Fragestellung, der sich mit der Personalisierung und Emotionalität von
Fleischprodukten als potentiell verhaltensbeeinflussend beschäftigt. Über eine
Kundenumfrage sollen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, ob die Idee hinter
MkF tatsächlich das menschliche Fleischkonsumverhalten beeinflussen kann.
Die Fragestellung ist also auch in praktischer Hinsicht relevant, da sie nicht nur
theoretisch ein wichtiges gesellschaftliches Problem erörtert, sondern einen
zumindest pilotartig umgesetzten Lösungsansatz evaluiert. Im Rahmen einer
Masterarbeit kann diese Evaluation nur begrenzt stattfinden, sie wird aber als
Ausgangspunkt für weitergehende Forschung durchaus von Wert sein.
2.1 Geschichte des Fleischkonsums und der -produktion.
Das Fleischkonsumverhalten lässt sich menschheitsgeschichtlich in drei große
Epochen aufteilen, in denen jeweils gravierende Veränderungen im
gesellschaftlichen Zusammenleben zu unterschiedlichen Mengen verfügbaren
Fleisches geführt haben: die Steinzeit (Jäger und Sammler), erste
Agrargesellschaften (vor ca. 10.000 Jahren) und moderne Industriegesellschaften
(seit etwa 200 Jahren).
Körperliche Grundvoraussetzungen für Fleischkonsum hat der Mensch im Laufe der
Evolution von seinen Vorfahren geerbt. „Untersuchungen der Skelettfragmente
dieser ersten Exemplare der Gattung homo, die man auf ca. 3,25 Millionen Jahre
zurückdatiert, belegen, dass die Nahrung unserer zweibeinigen Vorläufer zum Teil
aus Fleisch bestanden haben muss.“ (Mellinger 2000: S.16). Die Beschaffenheit des
Verdauungstraktes (nicht auf Zellulose spezialisiert) und des Gebisses der Primaten
zeigen, dass schon unsere Vorfahren auf „fleischliche“ Nahrung (Früchte, Wurzeln,
Insekten, Larven) angewiesen waren (Leroi-Gourhan 1988)4.
4 Detaillierter vergleichen McMichael & Butler (2010: S.178) die „Modern Western Diet“ mit
der unserer Vorfahren.
4
Nachdem die ersten Menschen sich als Beuteräuber Fleisch beschafften, indem sie
Geier und Schakale von Kadavern vertrieben, wurden sie mit der Entwicklung von
Werkzeugen selbst zu aktiven Jägern. Dabei galt das sprichwörtliche „Fressen oder
gefressen werden“, das heißt, dass der Mensch in der Steinzeit noch nicht an der
Spitze der Nahrungskette stand und die Jagd nach Fleisch mit Lebensgefahr
verbunden war. Trotzdem nahm er das Risiko auf, um an die energetisch
hochwertige Kost zu gelangen, so dass „der Kalorienanteil aus fleischlicher Nahrung
in den steinzeitlichen Gesellschaften 35 Prozent ausmachte“, was ungefähr 788
Gramm pro Tag entspricht (Mellinger 2000: S.26). Laut dem Bundesministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2011) lag der Pro-Kopf-
Verbrauch von Fleisch in Deutschland 2010 bei 90,1 kg, das entspricht 247 Gramm
pro Tag. In Kapitel 2.2 und 2.3 wird noch deutlich werden, dass 90 kg Fleisch pro
Kopf und Jahr problematisch viel ist. Doch hier wird zunächst klar: Die ersten
Hominiden haben mehr als drei Mal so viel Fleisch gegessen wie die Deutschen
heute.
Damals trafen wenige Menschen auf sehr viele Beutetiere. Heute jedoch müssen 7
Milliarden Menschen zunächst einmal Tiere produzieren, um ihren Fleischkonsum
decken zu können. Damals trug der Kampf ums Überleben dazu bei, dass das
nahrhafte Fleisch und die Tiere als Lieferanten dessen wertgeschätzt wurden. Heute
gibt es zumindest in den Wohlstandsnationen für die meisten Menschen immer
genug zu essen, und Fleisch ist dort ein billiges Nahrungsmittel das vor allem
verarbeitet, also in Form von Wurst oder Convenience-Produkten verzehrt wird –
und von seinem Ursprung, dem Tier, entkoppelt ist (Zu Entkoppelungen auch bei
anderen Nahrungsmitteln s. Vilgis 2011).
Zwischen diesen beiden Endpunkten der Chronologie des Fleischkonsums liegt der
Ackerbau, durch den vor etwa 10.000 Jahren erste sesshafte Gesellschaften
entstehen konnten (Neolithische Revolution). Zu dieser Zeit wandelte sich das Klima
von „kalt und trocken“ zu „warm und feucht“ und besonders in den „glücklichen
Breiten“ (zwischen 15° südl. und 35° nördlicher Breite) evolvierten ertragreiche
Getreidearten, so dass jede Kalorie, die zur Ernte eingesetzt wurde, 50 Kalorien
Nahrung ergab (Morris 2011). Die Jäger mussten nicht mehr dem Wild nachstellen,
sondern es kam, angezogen von der schmackhaften Ernte, von selbst in die Nähe
der Siedlungen (Reichholf 2008: S.34). Und es wurde zahm bzw. gezähmt. Vor
allem Ziegen, Schafe, Schweine und kleine Rinder zählten zu den ersten Nutztieren,
die Nahrung, Kleidung und Nebenprodukte lieferten (Vilgis, 2011: S.58). Zu diesem
5
Zeitpunkt wurde Fleisch also erstmals nicht mehr gejagt, sondern produziert.5 Der
Fleischkonsum jedoch ging zurück, vor allem wegen der neuen Lebensumstände:
Anfangs war der Ackerbau noch recht arbeitsintensiv, und die Nutztiere dienten vor
allem als Zugtiere, Textilfaserlieferanten und Düngerspender. Auch die energetische
Tatsache, dass durchschnittlich 10 pflanzliche Kalorien aufgewendet werden
müssen, um eine Fleischkalorie daraus veredeln zu können, erlaubte es den
Menschen damals nicht, Tiere als reine Fleischlieferanten zu halten. Das Kosten-
Nutzen-Verhältnis war zu ungünstig oder anders ausgedrückt: Die Futtermittel
waren zu teuer. Die Jäger und Sammler konnten sich noch „bedienen“. Die
Sesshaften mussten nun viel Arbeit investieren, um ihre Nahrung herstellen und die
Vorteile der Standortgebundenheit genießen zu können. Die Nutztiere waren also
vor allem von Wert, wenn sie lebendig waren6.
Mit der Sesshaftigkeit entwickelte sich auch der Glaube der Menschen an das
Übernatürliche weiter (Morris 2011: S.102). Fleisch wurde weiterhin, also auch in
den sich entwickelnden Religionen an Götter geopfert, um diese milde zu stimmen
(Mellinger 2000: S.47). Fleisch war rar und wertvoll, was dazu führte, dass es vor
allem den reichen Bevölkerungsschichten vorenthalten war und für diese auch als
Status- und Machtsymbol fungierte. „Der hohe Wert des Fleisches als greifbares
Statussymbol beruhte nicht nur darauf, dass der Mensch die Kontrolle über die
Natur ausübte, sondern auch andere Menschen beherrschte“ (Frei et al. 2011:
S.60). Im Mittelalter hat diese Oberschicht in Deutschland mit ihren Gelagen und
Festmahlen dazu beigetragen, dass durchschnittlich etwa 50 Kilogramm Fleisch pro
Kopf und Jahr verbraucht wurden (Schubert 2006: S.104).
Im 16. Jahrhundert florierten die Städte, Arbeitsteilung setzte sich durch und mit der
Bevölkerung wuchs der Fleischbedarf. Es kam zu ersten
Entkoppelungserscheinungen: Fleisch wurde vor allem auf dem Land produziert und
5 Außerdem bestimmte die Art der Fauna, also welche Tiere in welchen Teilen der Welt
vorkamen, darüber, wie sich Gesellschaften weiterentwickelt haben. Lama und Alpaka
eigneten sich für amerikanische Indianer ebenso wenig als Zugtier wie der schwer zähmbare
Büffel. Esel, Pferde und Rinder hingegen waren in der Alten Welt (Eurasien) gute
Vorrausetzungen für technischen Fortschritt (etwa Transportsysteme) (Mellinger 2000:
S.41). 6 Und die Beziehung zu einem Tier, das lange von Nutzen sein soll, muss von mehr
Fürsorge geprägt sein, als eine, bei der das Tier lediglich möglichst schnell möglichst viel
Fleisch produzieren soll.
6
in den Städten konsumiert. Doch Fleisch war nach wie vor teuer, weil die
Landwirtschaft noch vergleichsweise energieintensiv war. Weil das Getreide noch
zu kostbar war, um es zur Fleischherstellung zu nutzen, wurden Weideflächen zu
Gunsten von Ackerflächen eingeschränkt (Frei et al. 2011: S.61).
Denn der bestimmende Kostenfaktor bei der Fleischherstellung ist das Futter. Es
muss stets gefragt werden: Lohnt es sich, Getreide bei einem Wirkungsgrad von
etwa 10 Prozent in die Fleischveredelung zu investieren? Bis zum 19. Jahrhundert
lautete die Antwort meistens „Nein“, denn bis dahin erlebte die Landwirtschaft keine
wesentlichen technischen Effizienzsprünge. Folglich blieb der Fleischkonsum
weitgehend konstant7.
Doch dann begann das Zeitalter der Industriegesellschaften. „Die Menschen hatten
in den vergangenen Jahrhunderten bis zu 90 Prozent ihrer Ernährungsausgaben für
Brot und Brei ausgegeben. Nun sank die Bedeutung des Getreides. Nachdem der
relative Rind- und Schweinefleischverbrauch im Deutschen Bund 1816 bei ungefähr
11 bis 14 kg pro Kopf lag, stieg der Verbrauch von ungefähr 21 kg in den 1840er
Jahren auf über 40 kg bis zur Jahrhundertwende an“ (Frei et al. 2011: S.61ff.)8. Die
höheren Erträge, also billigeres Futter, waren ein Grund dafür. Der Zweite: Die
Nutztiere, vor allem Ochsen, verloren zunehmend ihre Rolle als Arbeitskraft und
wurden durch Maschinen ersetzt. Außerdem stieg der Wohlstand und die Kaufkraft
der Bevölkerung.
Zur weiteren Verbreitung von Fleisch trugen zunächst neue Verfahren des
Haltbarmachens bei: Salzen, Räuchern und Trocknen machten Fleisch nur begrenzt
haltbar, doch die Erfindung der Konserve (1810) machte es möglich, Fleisch auf
lange Reisen zu schicken – und zunächst vor allem Armeen in Kriegen damit zu
7 Abgesehen von einschneidenden Ereignissen wie etwa dem Dreißigjährigen Krieg, der
allgemein zu einer Verschlechterung der Lebensumstände und so auch zu reduziertem
Fleischkonsum führte. 8 Zu dieser Zeit entstanden auch erste Vegetarier-Verbände. Fritzen (2006: S.336) schreibt
über die Lebensreformer: „Der Gegenwart, die in ihren Augen von körperlicher, geistiger,
sittlicher und sozialer Krankheit geprägt war, setzten sie eine andere Welt entgegen: ein
`vegetarisches Zeitalter`, auf das sie mittels Aufklärung des Volkes über gesündere
Lebensführung hinarbeiteten.“ Zu religiös, spirituell oder mythisch motiviertem Vegetarismus
(z.B. ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. bei Buddhisten in Indien) siehe Mellinger (2000: S.76ff.).
7
versorgen9. Neben Fortschritten in der Agrarwissenschaft ermöglichte auch das
verbesserte Transportwesen (vor allem die Eisenbahn) eine Steigerung der
Fleischproduktion.
So konnte die Viehhaltung auch von der Landwirtschaft entkoppelt werden.
Während zuvor nur so viele Tiere gehalten werden konnte, wie das eigene oder
zumindest nahe gelegene Land an Futter hergab, gab es nun
Futtermittelproduzenten einerseits und Tierproduktion andererseits. Die Viehhaltung
wurde auch von der Fruchtbarkeit des Bodens entkoppelt: Das Haber-Bosch-
Verfahren ermöglicht seit Anfang des 20. Jahrhunderts die synthetische Herstellung
von Ammoniak und damit Kunstdünger. Ohne diese künstliche Stickstoffquelle
wären die heutigen Getreideernten undenkbar. Die Erträge vervielfachten sich, und
Getreide wurde so billig, dass es sich erstmals ökonomisch lohnte, dieses an Tiere
zu Veredelung zu verfüttern. Die enormen Effizienzsteigerungen lassen sich an
Zahlen erkennen, die Smil (2002: S.31) zitiert: 1850 arbeiteten noch 60 Prozent der
Menschen in den USA in der Landwirtschaft. 1900 waren es weniger als 40 Prozent,
1950 noch 15 Prozent und seit 1975 weniger als 2 Prozent – bei steigenden
Erträgen.
Die erste zentrale Fleischverarbeitungsanlage (vgl. Abb. 1) der Welt entstand dann
1865 mit dem Union Stock Yard in Chicago, USA, in denen 1884 bereits 200.000
Tiere pro Tag geschlachtet wurden10. In Europa war La Villette in Paris das erste
große moderne Schlachthaus (Mellinger 2000: S.112ff.). Durch diese
Produktionsweise verschwand die Fleischverarbeitung – und damit der Tod des
Tieres – weitgehend aus der Öffentlichkeit. Die Orte der Produktion und des
Konsums von Fleisch wurden getrennt. Fleisch wurde anonym. Doch während etwa
in Frankreich und England Tierschutzgesetze gegen die „öffentliche Ausübung roher
Gewalt an Tieren“ (Mellinger 2000: S.125), gegen Hahnenkämpfe und zum Schutz
von Hunden erlassen wurden, gab es keine Entsprechungen für die Fleischindustrie.
9 Büchsenfleisch ermöglichte auch einen internationalen Fleischhandel, so dass England
1871 bereits 11.000 Tonnen Fleisch aus Australien importierte (Mellinger, 200: S.108). 10 Dort wurde auch erstmals am Fließband gearbeitet. Diese dis-assembly Line war Vorbild
für die assembly-Line zum Bau des Ford T.
8
Abbildung 1: US-Patent von 1882 zur Fließbandschlachtung von Schweinen: „Das
Schwein M dient als Köder für die anderen, und so spart man viel Zeit und
Mühe. Mittels der Bremse wird die Falltür langsam abgesenkt, bis die
Schweine vollständig in der Luft hängen und an der Stange K zu der Stelle
rutschen, wo sie getötet werden.“
Vor dem ersten Weltkrieg hatte das Deutsche Reich keine Lebensmittelvorräte
angelegt und so sank der Fleischkonsum aufgrund der Blockadepolitik von England
von rund 53 kg pro Kopf im Jahr 1914 auf rund 10 kg im Jahr 1918 (Panzer 1975).
Im Zweiten Weltkrieg ging die Fleischversorgung vor allem auf Kosten der besetzten
Ost-Gebiete, denen massiv Fleisch entzogen wurde. In der Nachkriegszeit wurde
Fleisch dann endgültig in großen Mastanlagen hergestellt und somit zur billigen
Massenware. Sowohl in der BRD als auch in der DDR wurde das Konzept vom
Sonntagsbraten durch die Anspruchshaltung ersetzt, dass jeden Tag Fleisch in
beliebiger Menge für alle verfügbar sein sollte (Fichtner 2004). Es war verfügbar und
wurde auch durch politische Maßnahmen (Subventionen) verfügbar gemacht.
9
Nachdem der Fleischverbrauch11 durch den Zweiten Weltkrieg in Deutschland von
52,8 kg pro Kopf (1935/38) auf 37 kg gesunken war (1950/51) stieg er nun wieder
an, bis er 1990/91 den Rekordwert von 102,1 kg erreichte12. Seitdem ist der
Fleischkonsum bis auf 88,5 kg im Jahr 2008 zurückgegangen und bis 2010 auf 90,1
kg wieder leicht angestiegen (Abb. 2).
Abbildung 2: Durchschnittlicher Fleischverbrauch in Deutschland pro Kopf und Jahr.
Quelle: Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (2011).
Die Verfügbarkeit von Fleisch wurde durch Effizienz steigernde Technologien und
einen auch daraus resultierenden, sinkenden Preis erhöht. Intensivierung und
Automatisierung ermöglichten es, dass nun ein einzelner Mensch 1.000
Mastschweine oder 100.000 Hühner „betreuen“ kann (Borowski 2007: S.25). Daraus 11 Der Fleischverbrauch ist nicht gleich dem Fleischverzehr und beschreibt den
Gesamtverbrauch an Fleisch, um die verzehrbaren Produkte herstellen zu können. Da der
Fleischverbrauch auch Knochen, Sehen und andere Teile umfasst, ist er stets größer als der
eigentliche Verzehr. Fleischkonsum beschreibt hier stets den Fleischverbrauch. Der
Fleischverzehr lag 2007 bei etwa 61 kg pro Kopf und Jahr (in den 1990er-Jahren noch bei
65 kg) (Gurath, 2008: S. 23). 12 Hier werden die Zahlen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (BMELV 2011) genutzt. Jene von der FAO oder dem Statistischen
Bundesamt unterscheiden sich dazu nur unwesentlich
10
resultierte auch eine Konzentration der Produktionsstätten: Während es 1960 noch
etwa 1,3 Millionen Schweinehalter in Deutschland gab, waren es 2011 noch 32.000
– bei einer Zunahme der Fleischproduktion um über 60 Prozent (Witten 2001 und
BMELV 2011). Heute werden mehr als die Hälfte aller Schweine in Deutschland von
vier Unternehmen geschlachtet (Lütge 2012).
Stärkste Treiber für Fleischverzicht sind Lebensmittelskandale13 und Seuchen
(Schweinepest 1994, BSE 2000, Vogelgrippe 2006; ausführlich dazu Greger 2010),
nach denen die Menschen aus Angst vor Erkrankungen handeln. Aber auch
unabhängig von diesen Einzelereignissen ist der Verbrauch von Fleisch z.B. in den
Niederlanden, in der Schweiz, in Deutschland, Frankreich, Belgien oder Neuseeland
rückläufig (Frei et al. 2011, FAOSTAT). Das kann auch an einem allgemeinen,
gesellschaftlichen Bewusstseinswandel liegen, an einem Trend zu weniger Fleisch,
wie er auch durch die Medien und Bestseller unterstrichen wird (dazu ausführlich
Busse & Keller 2012).
Global betrachtet bleibt der hohe Fleischkonsum jedoch eine Herausforderung: Mit
wachsender Bevölkerung und steigendem Wohlstand wird die Fleischproduktion von
280 Millionen Tonnen (2008) auf über 450 Millionen Tonnen (2050) wachsen
(FAOSTAT 2012). In den nächsten 20 Jahren wird etwa 85 Prozent des
Nachfragewachstums nach Getreide und Fleisch aus Entwicklungsländern stammen
(Pinstrup-Andersen et al. in Caballero & Popkin 2002: S.4). Doch besonders in
Ländern mit weniger Wohlstand ist Vieh für Familien eine wichtige wirtschaftliche
Reserve. Und in Gegenden, wo kein Getreide wächst (z.B. Hochland), sind Ziegen
und andere Grasverwerter eine der wenigen Möglichkeiten zur
Nahrungsmittelversorgung. Aber beispielsweise führt die Zunahme des
Schweinefleischkonsums in China zu einer Verschärfung der
Nahrungsmittelkonkurrenz14, da die Futtermittel auch direkt vom Menschen verzehrt
werden könnten. „Gleichzeitig ist der übermäßige Verzehr von Fleisch und Wurst für
auffallende Gesundheitsprobleme in Überflussgesellschaften verantwortlich:
Übergewicht und Fettsucht sowie damit verbundene Erkrankungen.“ (Frei et al. 13 „Ein Beispiel auf der Futtermittelstufe ist der MPA- oder so genannte „Hormon-Sirup“-
Skandal des Jahres 2002. Vorsätzlich waren hormonhaltige Abfälle aus der Pharmaindustrie
in Futtermitteln „entsorgt“ worden. Zahlreiche EU-Mitgliedsstaaten waren betroffen. Allein in
den Niederlanden mussten rund 50.000 Schweine getötet werden.“ (Burdick & Klein, 2004:
S.249). 14 weitere Faktoren sind Agrartreibstoffe und Börsenspekulationen mit Nahrungsmitteln.
11
2011: S.67). Die sogenannte „Western Style Diet“ führt in Ländern mit wachsendem
Wohlstand zu erhöhtem Fleischkonsum (Burger, etc.) und Gesundheitsproblemen.
Wenn sich dieser „style“ jedoch ändert, könnte er wie sonst auch als Vorbild dienen.
Eine Reduktion des Fleischkonsums würde außerdem gravierende Umweltprobleme
reduzieren, wie sie im folgenden Kapitel beschrieben werden.
2.2 Wie hoher Fleischkonsum Umweltprobleme verursacht
Tierische Zellen betreiben Zellatmung zur Energiegewinnung: Glucose und
Sauerstoff werden zu Kohlenstoffdioxid und Waser oxidiert, wobei Energie frei bzw.
gebunden wird. Glucose wird über die Nahrung zugeführt, doch bei der Nutzung von
Nahrung zum Aufbau und Erhalt des eigenen Organismus geht der größte Teil der
Energie in Form von Wärme verloren: Nur etwa 10 Prozent der aufgenommenen
Energie wird in Biomasse umgesetzt (ökologische Effizienz) (Campbell 1997:
S.1253). Um also eine Fleischkalorie herstellen zu können, müssen durchschnittlich
10 Pflanzenkalorien eingesetzt werden. Deshalb ist auch die globale Biomasse der
Pflanzen, die die Basis der Biomassepyramide und dank der Photosynthese den
Ausgangspunkt der meisten Nahrungsketten darstellen, am größten (Abb. 3). Dann
folgen die Primärkonsumenten (Pflanzenfresser), usw. mit relativ wenigen
Fleischfressern (Carnivoren) an der Spitze.
Abbildung 3: Idealisierte Pyramide der biologischen Nettoproduktivität. Von einer
Trophiestufe zur nächsten werden jeweils etwa 10 Prozent der Energie in
Biomasse umgesetzt (Pflanzen nutzen nur 1% der Sonnenenergie).
12
Um Fleisch herstellen zu können, wird also ein Großteil der landwirtschaftlichen
Erträge unter Energieverlust veredelt. Doch „insgesamt hat die Industrialisierung der
Landwirtschaft den Verbrauch der Energie im Vergleich zur traditionellen
Landwirtschaft verfünfzigfacht.“ (Bäuerlein 2011: S.45). Der hohe Energieaufwand
bei der Herstellung von viel Fleisch15 (weltweit 229 Millionen Tonnen im Jahr 2001
(Mackensen 2008: S.232)) fußt also auf einem ohnehin schon hohen
Energieaufwand für pflanzliches Futter. So führt industrialisierte Fleischproduktion
zu verschiedenen ökologischen Folgeproblemen:
• Klimagase: Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (Lachgas, N2O) und
Kohlenstoffdioxid (CO2) sind maßgeblich klimawirksam. 18 Prozent des
Gesamtausstoßes dieser Gase wird durch die Viehwirtschaft verursacht
(Steinfeld / FAO, 2006). Sie entstehen vor allem bei der Atmung, durch
synthetische Dünger für Futtermittel und im Verdauungstrakt der
Wiederkäuer. Das vom Menschen freigesetzte Methan stammt zu 37 Prozent
aus der Tierhaltung (Methan wirkt als Klimagas 23 mal stärker als CO2). Vor
allem der Kunstdüngereinsatz führt dazu, dass 65 Prozent der
Lachgasemissionen durch die Landwirtschaft verursacht sind (Lachgas wirkt
als Klimagas etwa 300 mal stärker als CO2).
• Wasserverbrauch und -verschmutzung: Etwa 8 Prozent des global
verfügbaren Trinkwassers wird durch die Viehwirtschaft verbraucht (Steinfeld
/ FAO, 2006). Und um ein Kilogramm Rindfleisch herstellen zu können,
benötigt man etwa 15.000 Liter, für ein Kilogramm Getreide 450 Liter.
„Abgesehen vom hohen Wasserverbrauch trägt die Nutztierhaltung durch
tierische Abfälle, Antibiotika, Hormone, Chemikalien von Gerbereien,
Düngemittel und Pestizide auch zu Wasserverschmutzung, Eutrophierung
und zur Zerstörung der Korallenriffe bei.“ (Mackensen 2008: S.233).
• Boden: Im Zuge der Intensivierung der Viehwirtschaft wurde diese von den
Futtermittelflächen „getrennt“. Früher hat der Bauer so viele Tiere halten
15 Veredelungsverluste bei der Fleischerzeugung im Vergleich zu Brot bzw. direkter
pflanzlicher Nahrung (1:1): Hühnerfleisch 1:2, Schweinefleisch 1:3, Eier 1:4, Milch 1:5,
Rindfleisch 1:10 (Katalyse Institut nach Waskow & Rehaag, 2011). Im Gegensatz dazu Smil
(2002), der Milch als effizientestes tierisches Nahrungsmittel vor Eiern und Hühnerfleisch
nennt.
13
können, wie er mit dem Futter, das er auf seinem Land anbaute, ernähren
konnte. Heute ist der Futtermittelhandel globalisiert und verursacht
Transportkosten (CO2). Auf 33 Prozent der Anbauflächen wird Futter für
Nutztiere angebaut (Steinfeld 2006). Um weitere Flächen zu erschließen,
wird Regenwald abgeholzt (und damit ein CO2-Speicher16). Weideflächen
und Futtermittelmonokulturen führen dazu, dass der Boden auslaugt,
versandet (Desertifikation) und seine CO2-Speicherkapazität zurück geht.
Hinzu kommt, dass Kühe, damit sie schneller wachsen, mit Kraftfutter
gefüttert werden und so auch in Nahrungsmittelkonkurrenz zum Menschen
treten – obwohl sie eigentlich die Eigenschaft haben, für den Menschen nicht
direkt essbares Gras in Fleisch zu verwandeln.
• Diversität: 90 Prozent aller Nutztiere weltweit gehören zu 15 Tierarten (FAO
2007). Zusammen mit den Futtermittelmonokulturen kommt es so zu einem
starken Diversitätsverlust im globalen Ökosystem, der dessen Resilienz
(Toleranz eines Systems gegenüber Störungen) schwächt (dazu ausführlich:
Gura 2010).
• Dünger: Die Herstellung von Kunstdünger ist sehr energieaufwändig. Die
CO2-Bilanz von Agrarprodukten und Fleisch verschlechtert sich also durch
den Einsatz von Kunstdünger. „Weltweit fließen jährlich etwa 90 Millionen
Tonnen Erdöl in die Herstellung von Dünger für den konventionellen
Landbau und setzen dabei 250 Millionen Tonnen CO2 frei.“ (Mackensen
2008: S.235). Außerdem kommt es zu Grundwasserbelastungen und dem
Ausstoß von Lachgas, weil Bodenbakterien den Düngerstickstoff
umwandeln.
Die oben genannten Punkte zeigen, dass es energetisch ineffizient ist, viel Fleisch
zu essen. Die industrialisierte, globalisierte Fleischwirtschaft verursacht mit den
oben genannten Aspekten hohe Kosten, die externalisiert werden. Der Fleischpreis
beim Endverbraucher ist niedrig, die Kosten für die Allgemeinheit sind hoch (vgl.
Hardin (1968) und die Tragik der Allmende). Die ökologische Produktion von Fleisch
16 Nach einer neuen Rechnung von Kurt Schmidinger vervielfacht sich der CO2-Abdruck von
Fleisch erheblich, wenn man die verlorengegangene Speicherkapazität des Regenwaldes
berücksichtigt: von 59 auf 335 kg (http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2012-07/klimakiller-
fleisch (Letzter Zugriff: 5. Juli 2012))
14
kann aber nur eine Lösung sein, wenn gleichzeitig auch der Fleischkonsums
reduziert wird, da die CO2-Bilanz von artgerecht gehaltenen Tieren oft schlechter ist
als von konventionell17 gehaltenen,
u. a. wegen der längeren Lebens- und damit Emittierzeit der Öko-Tiere18. Und: Die
Gleichung „Weniger Fleisch = weniger Treibhausgase“ ist zu kurz gegriffen.
Reduzierter Fleischkonsum ist nur ein Faktor, bei dem auch innerhalb der
Fleischsorten unterschieden werden muss: Rindfleisch weist beispielsweise eine
vielfach schlechtere Klimabilanz auf als Schweinefleisch (vgl. Garnett 2010;
Wirsenius & Hedenus 2010: S. 240). Auch führt beispielsweise Käse zu höheren
Treibhausgasemissionen als Fleisch insgesamt (Abb. 4).
Abbildung 4: Treibhausgasemissionen verschiedener Lebensmittel (von der
Landwirtschaft bis zum Handel). Aus: Wiegemann et al. (2005), S.30.
17 Bemerkenswert ist, dass die industrialisierte Massentierhaltung den Begriff „konventionell“
für sich besetzen konnte. „Konventionell“ bedeutet laut Duden Fremdwörterbuch „den
gesellschaftlichen Konventionen entsprechend“ oder „herkömmlich“. Da die industrialisierte
Massentierhaltung der gesellschaftlichen Öffentlichkeit weitgehend verborgen bleibt, ist
fraglich, ob die Gesellschaft diese Haltungsform tatsächlich Konvention akzeptieren würde.
Auch bezogen auf die gesamte industrialisierte Landwirtschaft merkt Tudge (2010: S.15) an,
dass der Begriff „konventionell“ „anomal“ verwendet wird. 18 Aber auch hier muss differenziert werden: Die ökologische Produktion von
Schweinefleisch verursacht weniger CO2 als die konventionelle, bei Rindern ist es
umgekehrt (vgl. Williams et al. 2006: S.73). Werden aber auch externe Kosten wie
Düngereinsatz oder Treibstoffe einberechnet, sei die Energieeffizienz und auch die CO2-
Emmisionen der ökologischen Landwirtschaft besser, argumentiert Young (2010: S.87).
15
So zeigt Abbildung 5, dass eine vegetarische Mahlzeit, bestehend aus Reis und
Tomaten, bezüglich der Treibhausgasemissionen auch schlechter abschneiden
kann als eine Mahlzeit aus Schweinefleisch und Kartoffeln (bei gleichem Energie-
und Eiweißgehalt). Jedoch: „Generell lässt sich sagen, dass eine Ernährung mit viel
Obst und Gemüse und wenig Fleisch- und Fertigprodukten durch geringe
Emissionen und geringen Flächenverbrauch geringere Umweltauswirkungen hat, als
eine Ernährung mit viel Fleisch- und fetthaltigen Milchprodukten.“ (Stratmann 2008:
S.13)
Abbildung 5: Treibhausgasemissionen von vier verschiedenen Mahlzeiten mit
demselben Energie- und Eiweißgehalt (2000 Joule und 22-24 g Protein).
Aus: Osterburg et al. (2009), S. 75, nach Carlsson-Kanyama (1998).
Nicht messbar oder objektivierbar sind hingegen ethische Aspekte der industriellen
Fleischproduktion, wie das folgende Kapitel zeigt.
2.3 Ethische Aspekte der massenhaften Fleischproduktion
Industrialisierte Massentierhaltung ist legal. Es gibt Vorschriften zu Haltungs- und
Transportbedingungen, es gibt Futtermittelverordnungen, und es gibt überwachende
Veterinärämter. Durch solche Maßnahmen will der Gesetzgeber die
Gesundheitsrisiken für den Verbraucher minimieren. Das Gesetz ist die Instanz,
nach der die Produzenten ihr Handeln ausrichten müssen. Entsprechend der
Mechanismen des freien Marktes steht dabei das Interesse an Fleisch mit einem
guten Preisleistungsverhältnis im Mittelpunkt. Wenn technologische und Effizienz
steigernde Innovationen seitens der Produzenten nicht gegen das Gesetz
verstoßen, freuen sich die Verbraucher über kleinere Preise und die Produzenten
16
über einen Wettbewerbsvorteil. Doch Fleisch unterscheidet sich von anderen
Produkten in einem wesentlichen Punkt: Es lebt während der meisten Zeit der
Produktion als ein höheres Lebewesen (Wirbeltier). Der Naturphilosoph Michael
Hampe (2011: S.277) fasst diesen Unterschied zusammen: “Wenn Tiere als
Fleischressource betrachtet werden, dann stellen sie dieselbe Art von Natur für uns
Menschen dar wie das Erz in einem Bergwerk, das ausgebeutet wird; mit dem
Unterschied, dass diese Ressource nachgezüchtet werden kann. Warum kann
Menschen das als falsch erscheinen? Weil Tiere leiden, ist eine mögliche Antwort,
und Leid vermieden werden sollte. Erz kann man nicht grausam behandeln,
Schweine, Rinder und Hühner sehr wohl.”
Und so soll es hier in erster Linie um jene ethischen Aspekte gehen, die das
Produkt, also das Tier selbst betreffen. Hinzu kommen Probleme bezüglich der
Verantwortung des einzelnen Konsumenten gegenüber den oben erwähnten
Umweltauswirkungen des Fleischkonsums und den Kosten, die der Gesellschaft
dadurch entstehen. Andere Aspekte werden hier aber vernachlässigt, etwa die
Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie (Billiglöhne etc., vgl. Lütge 2012) oder
soziale und gesundheitliche Probleme von Bauern durch Intensivtierhaltung
(Borowski 2007, Jürgens, 2002)).
2.3.1 Tierleiden als ein Grund für die ethische Fleischdiskussion
Leid ist eine recht subjektive Empfindung. Menschen leiden aus verschiedenen
körperlichen oder seelischen Gründen und je nach Konstitution unterschiedlich
stark. Umso schwieriger ist es, tierisches Leid zu erfassen, da Tiere ihr Leid nicht in
Form von Sprache mitteilen können. Die Wirbeltiere, um die es hier geht, besitzen
aber zumindest alle ein Nervensystem inklusive Nozizeptoren (Schmerzsinn), mit
denen sie unangenehme (aversive) Reize aufnehmen können und auf die sie
reagieren (etwa durch Humpeln oder vermeidendes Verhalten). Das Ausmaß
tierischen Schmerzes lässt sich nicht objektivieren, auch nicht in welcher Form und
wie bewusst Tiere Schmerz erleben. Weil der Mensch sich nicht in das Schwein
hinein versetzen oder sich mit ihm austauschen kann, bleibt tierisches Leid
Ausgangspunkt für ethische Diskussionen19. Folgende Faktoren, die dieses Leid
19Dazu siehe etwa Singer (1996) oder Wolf (2005). Zu den Grundeinstellungen siehe
anthropo- patho-, bio- oder physiozentrische Positionen (Sombetzki 2010).
17
verursachen könnten und in der deutschen Intensivtierhaltung auftreten, werden
besonders häufig genannt:
• Bei Schweinen:
o Auf Spaltböden kann der genetisch verankerte Trieb des Wühlens
nicht ausgelebt werden, es kommt zu Triebstau und
Ersatzhandlungen (gegenseitiges Flanken blutig wühlen,
Ohrenbeißen, Kotfraß) (Borowski 2007: S.37).
o Den Ferkeln werden ohne Betäubung die Samenleiter durchtrennt,
die Wunde bleibt offen. „Das höchstens sieben Tage alte Tier schreit
erbärmlich.“ (Etscheit 2012).
o Abschneiden der Schwänze und Abschleifen der Zähne (ohne
Betäubung), um durch die Stallenge auftretenden Anzeichen von
Kannibalismus zu minimieren.
o Enge: Einem 110 kg schweren Mastschwein stehen in
Gruppenhaltung laut EU-Richtlinie (2008) 0,65 m2 Fläche zu.
o Stecher haben meist weniger als zwei Sekunden Zeit zum Abstechen
pro Tier. Ein Grund, warum in Deutschland ca. 250.000 Schweine
jährlich lebendig gebrüht werden (Tröger 2012).
• Bei Hühnern:
o Schnabelkürzen mit einer Zange und ohne Betäubung, um durch die
Stallenge auftretenden Anzeichen von Kannibalismus zu minimieren.
o Vergasung oder Schreddern (mit dem so genannten Kükenmuser)
von 30 bis 50 Millionen männlichen Küken jährlich aus der
Legehennenproduktion in Deutschland (Etscheit 2012).
o Herz-Kreislaufprobleme und Beinschäden durch Überzüchtung
(Mastzeit hat sich in den letzten 50 Jahren von 90 auf 30 Tage
verringert) (Hörning 2011).
• Bei Rindern:
o Milchleistungssteigerungen seit 50 Jahren und entsprechende
Zuchtmerkmale führen dazu, dass in Deutschland „annähernd zwei
Drittel der Kühe aufgrund von (teilweise zuchtbedingten)
Gesundheitsstörungen wie Sterilität, Euterkrankheiten,
Stoffwechselkrankheiten u. ä. vorzeitig geschlachtet“ werden müssen
(Hörning 2011).
18
o Fütterung mit für Kühe schwer verdaulichem Kraftfutter, was zu
schnellerem Wachstum aber auch Schädigungen der inneren Organe
führt (Borowski 2007: S.35).
• Artübergreifend: Durch die globalisierte Fleischindustrie und
Transportsubventionen werden lebende Tiere innerhalb Europas und bis in
den Nahen Osten und Nordafrika transportiert. 1-2 Prozent der Rinder und
jedes zehnte Schwein sterben durch den Stress bzw. körperlichen
Belastungen wie Durst, Hitze, Kälte, etc. (Borowski 2007: S.38).
2.3.2 Ethische Konzepte zum Fleischverzehr
Ausgeblendet wird hier die Ethik-Frage, ob Tiere überhaupt geschlachtet werden
sollten, um dem Menschen als Fleischlieferant zu dienen. Vielmehr wird es darum
gehen, wie Tiere zu Fleischlieferanten werden und welche ethischen Implikationen
Intensivtierhaltung und massenhafter Fleischkonsum mit sich bringen.
Zunächst: Was haben wir davon, wenn wir uns moralisch gut verhalten? In der
Nikomachischen Ethik geht Aristoteles der Frage eines glücklichen Lebens
(eudaimonia) nach und kommt zu dem Schluss, dass ein moralisch gutes Leben zu
einem glücklichen Leben führt. Moral wird zu einem Mittel zum Zweck (Sombetzki
2010). Dieses Konzept könnte bei entsprechenden Moralvorstellungen dazu führen,
dass der bewusstere Konsum von Fleisch (weniger und aus artgerechter Haltung)
Menschen glücklich macht. Nach Kants kategorischem Imperativ ist ethisches
Handeln ein Selbstzweck, doch bei beiden Konzepten gilt eine Voraussetzung: Der
Mensch muss sich seinen Handlungen und den daraus folgenden Konsequenzen
bewusst sein. Er muss Verantwortung übernehmen. Nur dann kann er ethisch
handeln, sei es, weil er nach Glück strebt oder einem kategorischen Imperativ folgt.
Durch Max Weber hat diese Verantwortung Einzug in die Ethik gehalten. Während
Kant und Aristoteles eher auf einer Metaebene argumentieren, die relativ weit
entfernt vom praktischen Alltag ist, eignet sich der Verantwortungsbegriff hier
besser, weil er Handlungen und ihre Konsequenzen schon in sich trägt. Jeder kann
Konsequenzen seiner Handlungen konkret und im situativen Kontext vorausahnen
oder retrospektiv betrachten. Diese Verantwortung kann deskriptiver (ursächlicher)
oder normativer (an Wertmaßstäben orientierter) Natur sein.
19
Deskriptiv betrachtet ist jeder Mensch, der Fleisch isst, mitverantwortlich für die
oben genannten Umweltzerstörungen. Hinzu kommen die Betreiber der
Intensivmastanlagen und großen Schlachthöfe, die Politiker, die keine Leid
reduzierenden Gesetze einführen, die Futtermittelhersteller usw.. Die Liste zeigt,
dass es sich beim heutigen Fleischproblem um eine kollektive Verantwortung
handelt. Betrachtet man diese mit der Differenz-Sicht, nach der sich die individuelle
Verantwortung in Abhängigkeit von der Anzahl der Personen vermindert (Sombetzki
2010) führt das schnell zu dem Argument: „Wenn ich auf mein Schnitzel verzichte,
ändert das nichts an der Massentierhaltung“. Doch Verantwortung ist keine fixe
Größe, die sich wie ein Kuchen aufteilen lässt (Invarianz-Sicht). Die Verantwortung
gegenüber dem Fleischproblem lässt sich nach De George (1986, nach Lenk &
Maring 1995) so beschreiben, dass die Gruppe voll und die Mitglieder partiell
verantwortlich sind. Wer genau Teil dieser Gruppe (Produzenten, Politiker etc.) ist,
kann hier nicht erarbeitet werden. Wichtig ist, dass die Konsumenten dazu gehören.
Sie sind teilweise für die oben genannten Probleme verantwortlich. Weil sich die
Fragestellung dieser Arbeit auf die Konsumenten bezieht, soll es hier nun noch um
deren Selbstverantwortung gehen und um das Problem der Distanz zwischen
individuellen Handlungen und gesellschaftlichen bzw. globalen Auswirkungen20.
2.3.3 Individuelle Verantwortung und die Distanz zwischen
Handlungen und den Folgen
Verantwortlichkeit bezüglich der Auswirkungen des massenhaften Fleischkonsums
kann hier nicht deskriptiv behandelt werden. Wer in der oben genannte Gruppe wie
kausal für welchen Teilbereich verantwortlich ist, ist unter anderem wegen der
Komplexität des Systems kaum zu beantworten. Mit Blick auf die Konsumenten und
ihre Handlungsmotivationen, um die es hier geht, soll es um normative
Verantwortung gehen. Und da wiederum stellt sich zunächst die Frage nach der
Instanz: Vor wem oder was soll ich mich verantworten?
Sombetzki (2010) lässt die Wahl, grob gesagt, zwischen Gott, Gesetzen oder
Gewissen. Gott (oder andere absolute Instanzen wie die Natur, die Menschheit etc.)
sind nicht hinterfragbar und werden hier nicht diskutiert. Instanzen wie Gerichte oder
20 Dieser Fokus, der sich auf die Folgen von Handlungen richtet, ist dem Utilitarismus
zuzuordnen. Vgl. dazu: Deontologische Ethik, die vor allem die Intention des Handelnden
moralisch beurteilt.
20
das Gesetz sind jene mit den objektivsten Kriterien – Verantwortung wird vor
Gerichten auch eher im Zusammenhang mit Schuld behandelt. Wenn etwa ein
Großhändler verdorbenes Fleisch umetikettiert oder ein Tiertransporter die
vorgeschriebenen Pausenzeiten nicht einhält und erwischt wird, muss er sich vor
Gericht verantworten. Der Großteil der Aktivitäten in der Fleischindustrie ist jedoch
legal. Außerdem könnten lediglich Politiker Verordnungen oder Gesetze ändern und
über diesen Hebel die oben genannten Probleme angehen21. Hier jedoch soll es um
den Konsumenten gehen, der sich im Zusammenhang mit bewusstem oder
nachhaltigem Konsum vor seinem Gewissen verantwortet. Das Entscheidende
hierbei: Es ist eine höchst subjektive Instanz. Denn die notwendigen normativen
Kriterien, die dem Gewissen, der Verantwortung vor dem Selbst, zu Grunde liegen,
sind abhängig von den Erfahrungen und Einstellungen des Einzelnen. Der eine mag
es unverantwortlich finden, ein Tier töten zu lassen, um ein Schnitzel essen zu
können. Der andere beruft sich auf den Menschen als das die Natur beherrschende
Wesen und hat kein schlechtes Gewissen, wenn in der Fleischindustrie tierisches
Leid entsteht.
Aber gerade weil die subjektiven Kriterien des Gewissens von Erfahrungen
abhängen, sind sie auch potentiell von außen beeinflussbar. Menschen können
neue Erfahrungen machen, sie können neue Informationen aufnehmen, die die
Kriterien ihres Gewissens verändern. Würden also mehr Menschen von den
Problemen des Fleischkonsums wissen, würden weniger von ihnen
verantwortungslos (in großen Mengen und aus Massentierhaltung) Fleisch essen?
Wäre eine groß angelegte Aufklärungskampagne ein adäquater Lösungsansatz?
Weil durch Fehlernährung vor allem für Gesundheitssysteme hohe Kosten
entstehen, starten Regierungen regelmäßig Aufklärungskampagnen, um das
Problem im Bewusstsein der Menschen zu verankern. Doch obwohl sie dabei nicht
an das Gewissen gegenüber anderen appellieren, sondern sogar die eigene
Gesundheit als Motivation anbieten, spricht vieles dafür, dass mit Informationen und
Aufklärung kaum etwas erreicht wird. Die Erfolge von Verbraucherinformation,
-aufklärung und -bildung sind gering (Reisch & Gwozdz 2011).
21 Das Gesetze jedoch auch Spielraum für Interpretationen lassen, zeigt sich am deutschen
Tierschutzgesetz, das nach §1 verbietet, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen,
Leiden oder Schäden zuzufügen. Die Verfügbarkeit von preiswertem Fleisch scheint ein
hinreichend vernünftiger Grund zu sein.
21
Beim massenhaften Fleischkonsum kommt hinzu, dass Aufklärung und Transparenz
wegen der entsprechenden Umstände in Ställen und Schlachthöfen seitens der
Produzenten nicht gewünscht und seitens der Politik nicht erzwungen wird. Der
Konsument ist vom Tier, dessen Tod und der Verarbeitung entkoppelt, weshalb es
für ihn kaum möglich ist, eine Beziehung zu den Problemen aufzubauen bzw. ein
Bewusstsein dafür zu entwickeln.
Doch wird das Verantwortungsbewusstsein des einzelnen gegenüber der (globalen)
Gesellschaft immer wichtiger. Maniates (2002: S.45) nennt diesen Trend die
„Individualisierung der Verantwortung“. Und Sombetzki (2010: S.20) zitiert Ludger
Heidbrink (2006): „Ohne das Verantwortungsprinzip scheint die moderne
Gesellschaft nicht mehr lebensfähig zu sein.“ Die Summe der Handlungen des
einzelnen Menschen führen zu Problemen wie Umweltzerstörung, Klimawandel oder
dem Fleischproblem. Doch der Einzelne trägt keine ursächliche Schuld. Nach De
Georges Modellen der Zuschreibung kollektiver moralischer Verantwortung (1986,
nach Lenk & Maring 1995) sind die Fleischkonsumenten eine Gruppe, die als solche
voll verantwortlich ist und in der alle Mitglieder partiell verantwortlich sind. Doch die
Gruppe ist nicht ansprechbar und die Mitglieder sind so zahlreich, das ihre
Teilverantwortung verschwindend gering ist. Es kann nur schwer ein
Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung einer Handlung hergestellt werden:
„Wenn ich kurz mit dem Auto statt mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre, ändert das
nichts am Klimawandel. Wenn ich auf mein Schnitzel verzichte, wird der Regenwald
trotzdem für die Schnitzel der Millionen anderen gerodet,“ denken sich viele.
Außerdem ist Nahrungsaufnahme als Teil allgemeinen Konsums eine alltägliche
Gewohnheit wie Schlafen, Sporttreiben oder Kinderbetreuung. Und obwohl für diese
Tätigkeiten Materialien und Infrastrukturen benötigt werden, werden Menschen sich
nicht bewusst, dass sie dabei Ressourcen verbrauchen (Røpke 2009: S.2490).
Zwischen Handlungen und den Folgen besteht nur ein diffuser
Verstrickungszusammenhang. „Schicksalhaft ist die moderne Verantwortung, weil
sie […] sich als Folge unkontrollierbarer systemischer Prozesse einstellt.“ Und: „Wo
das Individuum sich aus freiem Antrieb in Verstrickungszusammenhänge
hineinstellt, an denen es keine direkte Schuld trägt, übernimmt es das in seine
Zuständigkeit, was jenseits der kausalen und normativen Zurechenbarkeit liegt.“
(Heidbrink 2008/09).
Theoretisch ist der Fleischkonsument also mitverantwortlich für die
Fleischprobleme. Doch seine Einflussmöglichkeiten sind begrenzt. Immerhin: Er
22
kann passiv Einfluss nehmen, indem er seine Konsumgewohnheiten ändert. Und
das ist zunehmend der Fall. Immer mehr Konsumenten bevorzugen Güter und
Dienstleistungen, die über einen moralischen Mehrwert verfügen, Verantwortung ist
zu einem Marktfaktor geworden (Heidbrink & Schmidt 2009). Die Handlungen der
Einzelnen summieren sich zumindest zu einer wahrnehmbaren Masse. Diese
Moralisierung der Märkte ist unter anderem drauf zurückzuführen, dass sich das
allgemeine Konsumverhalten ändert.
Und besonders beim Fleisch gibt es noch einen zweiten, direkteren Weg, über den
es zu Verantwortungsbewusstsein kommt: Das Leiden der Tiere. Während die
Regenwaldrodungen abstrakt und weit weg bleiben, veröffentlichen viele
Tierschutzorganisationen (etwa Peta) emotional aufwühlende Bilder aus
Schweineställen und von Tiertransporten. Dieser wirkt zumindest kurzfristig als Apell
an das Gewissen. Das Projekt MeinekleineFarm.org, das in Kapitel 4 beschrieben
wird, geht den entgegengesetzten Weg und nutzt positive Gefühle (die im
Gegensatz zu Schockbildern dauerhaft rezipiert werden können und nicht zu einer
Blockadehaltung führen).
Ob es nun um die Umweltzerstörung oder das Tierleiden geht – das Gewissen ist
die Instanz, an der sich das Handeln ausrichtet. Die Maßstäbe des Gewissens sind
jedoch durch Erfahrungen und Reize wandelbar und auch von gesellschaftlichen
Moralvorstellungen beeinflusst. Mit dem Wandel gesellschaftlicher Trends und
Strömungen ändert sich demnach auch das Verhalten vieler Menschen in diesen
Gesellschaften.
23
3 Faktoren des Nahrungsmittelkonsums und sein
Wandel In Deutschland und anderen sogenannten Überflussgesellschaften sind die
materiellen Grundbedürfnisse der Menschen befriedigt. Niemand muss verhungern,
und weil die Qualitätsstandards im Nahrungsmittelbereich gleichmäßig hoch sind,
bleibt dem Konsumenten vor allem der Preis als Auswahlkriterium. Doch auch die
Preisunterschiede sind auf dem ausdifferenzierten Markt nur noch marginal. Da der
Grundbedarf also gedeckt ist und die Produkte sich kaum noch materiell
unterscheiden, wird eine nächste Stufe des Anspruchs beschritten: Zunehmend
gewinnen immaterielle Werte an Bedeutung. Individualisierung, Selbstversorgung
(Urban Gardening etc.) und eine bewusste Beziehung zum Ursprung der Nahrung
werden wieder nachgefragt.22 Dieser Werteanspruch hängt bei Nahrungsmitteln
zudem mit Gesundheitsaspekten zusammen: Biozertifizierte Lebensmittel müssen,
je nach Verband und Siegel, strengere Auflagen bezüglich Pestizideinsatz u. ä.
einhalten.
Doch während Konsumenten hierzulande ethische, soziale und ökologische
Ansprüche an den Herstellungsprozess von Nahrungsmitteln stellen, versuchen
knapp 2,5 Milliarden Menschen mit weniger als 2 US-Dollar pro Tag (Weltbank
2012), „nur“ ihren Energiebedarf zu decken. Neben dem sich hier vollziehenden
Wandel (Kapitel 3.1) darf nicht vergessen werden, dass Fleischkonsum auch eine
globale Komponente hat (Kapitel 3.2).
3.1 Wie Konsumenten nach neuem Vertrauen suchen
Bio boomt immer noch. Zuletzt (2011) stieg in Deutschland der Umsatz mit
Bioprodukten um 9 Prozent, der Anteil am gesamten Lebensmittelmarkt erhöhte
sich auf 3,7 Prozent (BÖLW 2012). Trotz dieses noch geringen absoluten Wertes
deuten einige Faktoren darauf hin, dass Bio sich weiter etabliert: Es gibt kaum noch
22 So spricht das Gottlieb Duttweiler Institut (11. Juli 2012 ) in seiner Einladung zu einer
Gesprächsrunde über die Zukunft der Produktion von der „immer stärker werdenden
Sehnsucht nach Re-connection“ und dem „Age of Less“, das bereits angebrochen sei.
Allerdings unterscheiden sich die Ausrichtungen der Lebensstile je nach Milieu und Gruppe
recht stark (vgl. Sinus-Milieus).
24
Discounter, die nicht auch Bio-Produkte anbieten. Und die Zahl der Nicht- bzw.
Zufallskäufer von Bio-Produkten sank (2005 bis 2008 von 63% auf 50%), während
die der Wenig- und Medium-Käufer stieg. Doch unabhängig von Bio-Siegeln wächst
unter dem Schlagwort „Nachhaltigkeit“ ein Bewusstsein für soziale, ökologische und
ethische Auswirkungen der Lebensmittelproduktion. Dieses Bewusstsein gründet
auch in einem Vertrauensverlust des Konsumenten gegenüber den Produzenten.
Der Konsument hat keinerlei Kontakt mehr zum Produzenten, denn dieser
kommuniziert heute nur einseitig-monologisch Richtung Konsument über Werbung
(in den Medien und am Point of Sale) und die Produktverpackung. Lebensmittel sind
anonym, und der Kunde hat den menschlichen Kontakt zum Hersteller oder
Verkäufer verloren. Diese Entwicklung begann in den 50er-Jahren, als in Läden und
Kaufhäusern die Tresen abgeschafft wurden. Das sparte Personalkosten und
machte Platz für ein wachsendes Sortiment. „Der abnehmende Kundenkontakt
führte zur kommunikationssoziologisch folgenreichen Transformation des Small
Talks an Theke und Kasse in einen Brand Talk zwischen Konsument und
Verpackung.“ (Wilk 2011: S.256). Über die Texte auf der Verpackung wurde
versucht genau das zu kompensieren, was verloren gegangen ist: Nähe und
Vertrauen.
Dieses Pseudo-Vertrauen wurde durch Lebensmittelskandale erschüttert. „Um der
Verbraucherverunsicherung entgegen zu wirken und um Lebensmittel unbeschwert
genießen zu können, besteht ein Bedarf nach Natürlichkeit, Glaubwürdigkeit und
Entanonymisierung.“ (Banik & Simons 2007). Bioprodukte decken diesen Bedarf
besser als konventionelle Produkte. Bio-Siegel müssen vertrauensbildend als
Garant wirken, dass bestimmte Kriterien bei der Herstellung eines Produktes
eingehalten wurden. Diese Siegel stellen eine extreme Komplexitätsreduktion der
vielfältigen Auswirkungen der Lebensmittelproduktion dar. Kaum ein Verbraucher
kennt die Richtlinien der verschiedenen Bio-Siegel oder weiß, was diese für den
Bauern, das Tier und die Ökobilanz bedeuten23 (vgl. BÖLW 2011 und Banik &
Simons 2007). Das Vertrauen kann sich nur auf das Siegel stützen, da der Kunde
auch bei den meisten Bio-Produkten nach wie vor keinen Kontakt zum Produzenten
wiedererlangt hat.
23 Dazu eine Antwort aus der Umfrage: „Wer kenn sich schon wirklich mit Biosiegeln aus?“.
Eine weitere: „Biosiegel *lach. Hat zwischenzeitlich ja jede Kette ein eigenes. Blickt der
Großteil der Bevölkerung doch gar nicht.“
25
Weil dieser Kontakt verstärkt nachgefragt wird, gewinnen regionale Produkte immer
mehr Marktanteile, denn sie suggerieren eine Re-Koppelung zwischen
Konsumenten und Produzenten. Die geografische Nähe und kulturelle
Verwandtschaft zum Ursprung der Nahrung schafft bei regionalen Produkten
Vertrauen. So achten etwa die Hälfte aller Verbraucher beim Einkaufen auf
regionale Lebensmittel (Kunze 2012) und die Deutsche Lebensmittelgesellschaft
schreibt 2011, dass Regionalität ein Megatrend sei (DLG 2011).
Nun können regionale Produkte biozertifiziert sein oder nicht, und Bio-Produkte
können regional oder in Übersee hergestellt worden sein. Für den Verbraucher
bedeutet dies eine Verdoppelung der Komplexität. Erste Versuche, auch
Regionalität mit einem Siegel zu kennzeichnen und mit dem Bio-Siegel zu
verbinden, sind regionale Biosiegel etwa aus Baden-Württemberg und anderen
Regionen24. Innerhalb der Bioprodukte ist Regionalität für Verbraucher der
wichtigste Faktor vor artgerechter Tierhaltung (BÖLW 2011). Weil Regionalität auch
für Natürlichkeit steht, müssen regionale Produkte nicht unbedingt biozertifiziert
sein, um das Vertrauen des Verbrauchers zu gewinnen. Das Bio-Konzept ist
komplizierter als der Regionalitätsgedanke, so dass die beiden Konzepte auch in
einem Spannungsverhältnis stehen. Banik & Simons (2007) berichten von
Interviews zum Thema Regionalität, die „weitaus entkrampfter“ waren als zum
Thema Bio.
Trommsdorff (2009: S.182) nennt Zahlen, nach denen die Umwelt-Sensibilität in den
80er Jahren von 72 auf 98 Prozent gestiegen ist und das Umwelt-Verhalten von 23
auf 47 Prozent. Aber weil viele Verbraucher trotz der Bio-Siegel noch verunsichert
sind, besteht eine Lücke zwischen Intentionen und Handlungen – eine positive
Einstellung gegenüber Bio-Produkten führt nicht unbedingt zu entsprechendem
Verhalten. Kuckartz et al. (2007) sprechen dann von Umweltrhetorikern, zu denen
sie 22 Prozent der Konsumenten zählen. Ein weiterer Hinderungsgrund, sich
entsprechend der Intention zu verhalten, liegt im Fehlen von Transparenz und
Vertrauen zwischen Produzenten und Konsumenten (Heidbrink & Schmidt 2009:
S.29). Dieses mangelnde Vertrauen rührt auch daher, dass industrialisierte Nahrung
zunehmend als Risikofaktor wahrgenommen wird. „Natürlichkeit gewinnt bei den
Konsumenten an Bedeutung“ und Produktion, Handel und Konsum von
24 vgl.: http://www.bio-siegel.de/infos-fuer-verbraucher/regionale-bio-siegel/ (letzter Zugriff:
19. Juli 2012).
26
Lebensmitteln sowie mögliche Alternativen werden zunehmend in der Öffentlichkeit
diskutiert. (Brunner 2011: S.211).
Bio-Nahrungsmittel und die entsprechenden Siegel werden also nach wie vor
nachgefragt. Noch eingängiger und vertrauenswürdiger ist zurzeit jedoch der
Gedanke an die geografische Nähe zum Herstellungsort der Nahrung. Doch
während sich hier einige auf Regionalität rückbesinnen, führt der globale
Ernährungswandel zu alten Problemen in neuen aufstrebenden Gesellschaften.
3.2 Globaler Ernährungswandel
Während der Fleischkonsum in einigen westlichen Industrieländern stagniert oder
zurückgeht, steigt er in sich wirtschafltich entwickelnden Ländern und global weiter
an (s. Kapitel 2.1). Wie in Abbildung 6 zu sehen, ist dieser Anstieg unter anderem
bedingt durch die sogenannte Nutrition Transition, nach der sich mit wirtschaftlichem
Wachstum, Urbanisierung, Rückgang körperlicher Arbeit und wachsendem Einfluss
von Massenmedien auch die Ernährungsgewohnheiten ändern (Caballero & Popkin
2002). Während in Ländern großer Armut viele Menschen darunter leiden, dass sie
wenig Fette und viel Kohlehydrate zu Verfügung haben, aber körperlich hart
arbeiten müssen, wird diese Diät in westlichen Überflussgesellschaften im Namen
der Gesundheit bevorzugt. Der wesentliche Unterschied ist jedoch, dass
hierzulande kein Nährstoffmangel besteht.
Zwischen Hunger und Überfluss kommt es zu einer Art Sättigung (in Abb. 6 Pattern
4), in der Zucker, Fett, Fleisch und Fast-Food zusammen mit dem Rückgang
körperlicher Arbeit zu gesundheitlichen Problemen, besonders Adipositas führen.
Weil die Nutrition Transition in Schwellenländern viel schneller abläuft als früher in
westlichen Staaten, kommt es zu Überreaktionen: Waskow & Rehaag (2011: S.145)
zitieren Hawkes, nach dem sich der Speiseölkonsum in China von 1995 bis 2005
verdoppelt hat. Anfangs ein Segen für Unterernährte, liegen die verzehrten Mengen
heute weit über den empfohlenen Mengen.
27
Abbildung 6: Phasen der Nutrition Transition (aus Caballero & Popkin, 2002: S.3).
NR-NCD bedeutet Nutrition Related Non-Communicable Disease (nicht
übertragbare Krankheiten wie Diabetes, Osteoporose oder Adipositas, die
durch ungesunde Ernährung wahrscheinlicher werden). Abb. inkl. Pattern 1
und 2 (Jäger/Sammler und Hunger) s. Caballero & Popkin, 2002: S.112.
Die Änderung der Ernährungsgewohnheiten geht auch mit der zunehmenden
Urbanisierung und „Supermarktisierung“ einher. Die Liberalisierung der Agrarmärkte
fördert das Wachstum ohnehin schon großer Nahrungsmittelkonzerne und
Skalierungen bezüglich des massenhaften Absatzes von Produkten. Während in
westlichen Ländern der Markt materiell weit gehend gesättigt ist, gibt es in den
Schwellen- und Entwicklungsländern noch großes Absatzpotential für Produkte, die
hierzulande zunehmend in Verruf geraten25.
Dort wächst die Zahl der Supermärkte mit mehr und mehr erschwinglichen bunten
(aber ungesunden) Produkten. Hier kommt es zur Verhaltensänderung wie in
Pattern 5 der Abb. 6 beschrieben: Ständiges Sitzen (sedentarianism) in
Dienstleistungsgesellschaften wird durch Sport und andere Aktivitäten
ausgeglichen, die Ernährung erfolgt bewusster und gesundheitsorientierter. Dort 25 Die Verbreitung von Fernsehern fördert diesen Absatz nicht nur durch Werbung, sondern
trägt darüber hinaus auch zu einem inaktiven Lebensstil bei. (Caballero & Popkin, 2002: S.4)
28
kommt es zu massiver Werbung, die den Western Lifestyle26 anpreist, der wiederum
zu Übergewicht führt und bei immer mehr Menschen die Lebenserwartung verringert
(„globesity“ wird dieses weltweite Phänomen auch genant). Hier sind regionale und
ökologische Nahrungsmittel zunehmend gefragt, und zurückhaltender, bewusster
Konsum ist auch medial ein Dauerthema27.
Nachdem der allgemeine Ernährungswandel in Deutschland, in westlichen
Gesellschaften und global betrachtet wurde, geht es nun um Fleischkonsum im
speziellen.
3.3 Faktoren des Fleischkonsumverhaltens
Verhaltensweisen beim Nahrungsmittelkonsum werden von vielen verschiedenen
Faktoren beeinflusst. Dazu zählen etwa soziökonomische und soziodemografische
Faktoren wie Alter, Geschlecht, Lebensstil, finanzielle Situation oder Bildungsgrad
aber auch situative Faktoren wie die momentane Gefühlslage, Atmosphäre oder
Gruppendynamik in der Verzehrsituation. Auch körperliche Dispositionen (etwa
Allergien) spielen eine Rolle (vgl. Ernährungsökologie bei Schneider & Hoffmann
2011). Ernährung wird auch durch kulturelle und religiöse Faktoren beeinflusst (vgl.
Palmer 2010: S.227ff.), als Statussymbol verwendet und befriedigt physiologische
(Nährwert) und psychologische (Genusswert) Bedürfnisse, die in einem emotionalen
Wert münden (Kofahl 2011: S.280).
Beim Fleischkonsum spielen neben dem zunehmenden Gesundheitsbewusstsein
und abschreckenden Tierseuchen und Skandalen auch Wertevorstellungen eine
Rolle. Das Image von Fleisch hat sich seit den 90er-Jahren verschlechtert, was
auch an der massenhaften, billigen Verfügbarkeit, der Sättigung des Marktes und
26 Und im Ursprungsland des Western Lifestyle, den USA, gibt es seit den 90er Jahren eine
wachsende Bewegung der „Voluntary Simplifiers“, die bewusst auf einen Teil ihres
Einkommens und materiellen Luxus verzichten. Die Simplifiers entspannen und vereinfachen
ihr Leben auch durch reduzierten Konsum, um glücklicher zu werden (Maniates, 2002
S:199ff.). 27 Etwa Kultur SPIEGEL, Januar 2012: „Abspecken“ (reduzierter Konsum); DIE ZEIT, 15.
Dezember 2011: „Unsere Gier nach Futter“ (globale Fleischindustrie); DIE ZEIT, 22. März
2012: „Bio“ als Titelgeschichte; STERN, 9. Februar 2012: „Unser täglich Fleisch“;
Neuerscheinungen wie das Magazin „enorm“ (nachhaltiger Konsum); zeo2 03/12: „Unsere
irre Lust auf Fleisch“.
29
der Berichterstattung in den Massenmedien liegt (Alvensleben & Mahlau 1998).
„Auch eine zunehmende Entfremdung von der Landwirtschaft im Allgemeinen und
speziell zur Schlachtung von Tieren sowie der Wahrnehmung des Tieres als
Nutztier“ tragen dazu bei (Deimel et al. 2010: S.10).
Deshalb und im Zuge des in Kapitel 3.1 genannten Wandels ist Transparenz
gefragt. Während 1989 noch 50 Prozent Menschen bei einer Befragung sagten,
dass sie mehr Frischfleisch kaufen würden, wenn sie den Produzenten persönlich
kennen würden, waren es 1996 bereits 69 Prozent (Bei Wurst waren es 46 bzw. 63
Prozent) (Alvensleben & Mahlau 1998). Sich wandelnde Wertevorstellungen28 in der
Gesellschaft führen dazu, dass der Konsument nicht mehr einfach nur viele Proteine
für wenig Geld, sondern auch immaterielle Eigenschaften wie Verantwortung
gegenüber Mitmenschen, Tieren und Umwelt fordert. Mit Blick auf die Zahlen klafft
aber noch eine große Lücke zwischen Forderung und entsprechender Handlung:
Der Bio-Anteil bei Fleisch und Wurst betrug 2011 in Deutschland nur 1,1 Prozent.
Die Nachfrage ist allerdings um 28 Prozent gestiegen, und es könnte mehr Bio-
Fleisch abgesetzt werden, wenn das Angebot da wäre (BÖLW, 2012).
Menschen nutzen den Konsum auch als Statement über ihre Wertvorstellungen
(Deimel et al. 2010: S.5). Der Tierschutz ist dabei ein Wert, der im Zusammenhang
mit Fleischkonsum besonders an Bedeutung gewonnen hat. 2008 beurteilten 40
Prozent der Befragten einer Studie den Tierschutz als besonders wichtig (Schulze et
al. (2008) nach Deimel et al., 2010). Das am häufigsten genannte Motiv für den Kauf
von Bio-Nahrungsmitteln war 2012 noch vor der regionalen Herkunft an erster Stelle
die Tierhaltung (DIE ZEIT, No.13). Auch Deimel et al. (2010) konstatieren die
wachsende Bedeutung der artgerechten Tierhaltung für den Verbraucher. Die
Verknüpfung des Fleischkonsums mit dem Klimawandel ist noch nicht weit
fortgeschritten, was auch an dessen Abstraktheit und Distanz liegen mag (vgl.
Kapitel 2.3.3). 2007 gaben 22 Prozent der Befragten einer GfK-Studie an, weniger
Fleisch essen zu wollen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Im
Zusammenhang mit dem Klimawandel bestimmen Stromverbrauch und Transport
28 Nach Trommsdorff (2009: S. 174) umfassen Werte Einstellungen zu Objekten, stehen
wegen ihres normativen Charakters mit Belohnung und Bestrafung in Verbindung und
verbinden den Einzelnen mit seiner Umwelt (sozialer Aspekt). Werte beeinflussen also das
Verhalten, weil durch sie der Soll-Zustand mit dem Ist-Zustand von Objekten abgeglichen
werden kann.
30
(Auto, Flugzeug) das Bewusstsein der Menschen (Deimel et al. 2010: S.11).
Allerdings ist „grass-fed“ in den USA bereits ein Trend (Kühe werden nur mit Gras
gefüttert, was Nahrungsmittelkonkurrenz vermeidet und die Klimabilanz verbessert)
(Bäuerlein 2011: S.62).
Solche Einstellungen und Gefühle29 sind maßgebliche Einflussfaktoren des
spezifischen Kaufverhaltens, besonders beim Fleischkauf. So wird Fleisch zur
Jahrtausendwende (1999) in Deutschland kaum noch als Statussymbol oder
essentieller Eiweißlieferant betrachtet (Deimel et al. 2010: S.6ff.).
29 Gefühle werden auch durch den Kulturkreis beeinflusst, in dem man sich bewegt.
31
4 MeinekleineFarm.org – Eine kleine Lösung für
ein großes Problem? Kapitel 2.2 und 2.3 haben deutlich gemacht, dass massenhafter Fleischkonsum zu
ökologischen und ethischen Problemen führt. Das Projekt MeinekleineFarm.org
(MkF) will diesen Problemen entgegen wirken, indem es versucht, das Bewusstsein
und Verhalten der Konsumenten gegenüber Fleisch zu verändern30. Im Folgenden
wird kurz erläutert, wie MkF funktioniert, welche Annahmen dahinter stehen und wie
dabei Transparenz, Kommunikation und Storytelling zusammenwirken31.
4.1 Wie MeinekleineFarm.org funktioniert
Bei MeinekleineFarm.org kann man Wurst im Internet bestellen. Auf dieser Wurst ist
ein Foto von genau dem Schwein, aus dem diese Wurst hergestellt wurde. Der
Konsument kann quasi seiner Wurst in die Augen gucken. Er sieht das Antlitz des
Tieres, das er in Form von Leberwurst, Sülze oder anderem isst (Abbildung 7).
Bevor der Kunde die Wurst bestellt, muss er im MkF-Internet-Shop ein Schwein
auswählen32, von dem er Wurst bestellen möchte. Zwei ineinander greifende
Merkmale kennzeichnen MkF also aus: Die Entität ist das individuelle Tier, und
dessen Antlitz individualisiert das Produkt.
30 Im modernen Fleischkomplex ist der Konsument nur einer von vielen Beteiligten: Auf
politischer Ebene wird beispielsweise über Subventionen und Richtlinien entschieden, die
sich auf Art und Intensität der Fleischwirtschaft auswirken. Dieser mögliche Hebel der
Veränderung wird hier nicht betrachtet. 31 Ein ausführlicher Projektbericht, der auch das dahinter stehende Studium reflektiert, ist
hier abrufbar: http://storify.com/dennisbuchmann/meinekleinefarm-org-projektbericht (Letzter
Zugriff: 21. Juli 2012). 32 www.meinekleinefarm.org/schweine (Letzter Zugriff: 21. Juli 2012).
32
Abbildung 7: Beispiel eines Aufklebers und wie dieser auf den Wurstprodukten von
MeinekleineFarm.org das entsprechende Schwein abbildet. Die Schweine
sind nummeriert, und neben dem ungefähren Geburtsdatum ist das
Schlachtdatum angegeben.
4.2 Annahmen hinter MeinekleineFarm.org
Ausgangspunkt für MkF war das politische Anliegen bewussteren
Nahrungsmittelkonsums. Nahrungsmittel sind insofern ein hochpolitisches Thema,
weil sie ein lebenswichtiger Teil jener knapper Ressourcen sind, um dessen
Verteilung es in der Politik geht. Durch Großkonzerne, Finanzspekulationen mit
Lebensmitteln, Nahrungsmittelkonkurrenzen (z.B. durch Fleisch oder Biokraftstoffe)
und sehr große Landverkäufe (Land-Grabbing) wird die Produktion zunehmend
globalisiert. Diese De-Regionalisierung führt zu weltweiten Abhängigkeiten und
reduzierter Resilienz (Anpassungsfähigkeit) des Systems gegenüber veränderten
Umwelteinflüssen33. Wie in Kapitel 3.1 angesprochen, sehen vor allem in westlichen
33 vgl. Fink-Keßler (2002): Mehr Sicherheit beispielsweise in bei der Fleischerzeugung kann
nur bedingt erreicht werden, indem die Vielfalt der Betriebe eingeschränkt wird. Wenn die
Produktion zentralisiert wird und kleine Handwerksbetriebe auf Großbetriebe abgestimmte
Vorschriften nicht einhalten können und aussterben, entsteht eine Art Monokultur: Schlüpft
dann ein Erreger durch die Sicherheitsvorkehrungen, haben Seuchen ein viel größeres
Zerstörungspotential als in einer diversen Landschaft von kleinen und mittelgroßen
Produzenten.
33
Industriegesellschaften viele Menschen diese Entwicklung kritisch. Ein wesentlicher
Grund für diese Kritik und Verunsicherung ist die Entkoppelung des Konsumenten
vom Produzenten. Die Frage: „Wo kommt eigentlich mein Essen her?“, kann kaum
jemand beantworten, der in einer von Supermärkten geprägten Gesellschaft lebt34.
Die Frage wurde auf eines der wertvollsten Nahrungsmittel, das Fleisch, angewandt.
Was bedeutet die Entkoppelung für den Fleischesser, der ein halbes Hähnchen
fertig gegrillt für 2,25 € kaufen kann35? Wie das Wort Entkoppelung schon sagt: Es
bedeutet eine wachsende Distanz zwischen Konsument und Produkt. Deshalb freut
sich der Hähnchenesser über den günstigen Preis seiner Fleischmahlzeit und denkt
nicht an die Herstellungsbedingungen – will er auch nicht. Gäbe es auf der
Rückseite der Hähnchenbraterei eine große Glasscheibe, die den Blick in einen
konventionellen Hühnerstall frei gibt, ginge der Absatz der Grillhähnchen
wahrscheinlich zurück: Solch ein Anblick verdirbt den Appetit.
Folgt daraus also, dass man mehr schockierende Bilder von den Zuständen in der
industriellen Massentierhaltung verbreiten sollte, um Menschen zu einem
bewussten, reduzierten Fleischkonsum anzuregen? Problematisch dabei ist, dass
diese negative Herangehensweise vor allem über Schuldgefühle funktioniert, die
verdrängt und dann gemieden werden. Zwar wird wahrscheinlich bei vielen
Menschen kurzfristig die Instanz des Gewissens angesprochen. Aber die Botschaft
lässt sich nur sehr schwer zeitlich und örtlich mit der relevanten Handlung
zusammenbringen: Der Besitzer der Hähnchenbraterei wird es nicht zulassen, dass
schockierende Poster seinen Kunden den Appetit verderben. Doch wenn das
schlechte Gewissen und die ursächliche Handlung nicht zusammen kommen, ist
eine Verhaltensänderung unwahrscheinlich. Wer hier einen Bericht über die
Auswirkungen massenhaften Fleischkonsums liest oder sieht und vom emotional
wirksameren Tierleiden betroffen ist, sieht dort am nächsten Tag wieder das Foto
der Hähnchenidylle bei der Braterei. Zusammen mit dem appetitanregenden Geruch
werden so eher positive Emotionen ausgelöst, und Emotionen sind in
Entscheidungssituationen von großem Gewicht36 (Kroeber-Riehl et al. 2011: S.102).
Negative Bewertung von Informationen über die Massentierhaltung (etwa aus den
34 zur weltweiten Supermarktisierung siehe Wasko & Rehaag 2011: S.148 35 Etwa beim „Hühnerhaus“, Skalitzer Straße, Ecke Görlitzer Straße, 10999 Berlin-
Kreuzberg. 36 Dazu jemand aus der unten stehenden Umfrage: „Ach, die armen KZ-Hühnchen, die beim
Hähnchenstand immer so verführerisch duften…“
34
Medien) kann vom limbischen System nicht direkt mit der entsprechenden Handlung
in Verbindung gebracht werden (bzw. höchstens mit der Handlung des Sitzens oder
ähnlichem im Moment des Rezipierens der Informationen). Und im Moment der
Handlungsentscheidung ist das negative Gefühl, das hemmend wirken könnte,
bereits verblasst. Die Erinnerungsfähigkeit an negative Emotionen ist ohnehin
eingeschränkt, und emotionale Belastung ist bei beabsichtigter Verhaltensänderung
nicht förderlich (vgl. de Jong-Meyer, 2009).
Auch die Ausgangsrahmenbedingungen des Projektes sprachen dagegen, mit
negativen Botschaften zur industriellen Massentierhaltung zu arbeiten, da mit
großem Widerstand seitens der Verkäufer konventionellen Fleisches gerechnet
werden musste. Es ist auch unwahrscheinlich, als Einzelner eine besondere
Wirkung zu erzielen mit einer Methode, die Vegetarier- und Tierschutzverbände
schon seit Jahrzehnten einsetzen.
Bei MkF wird deshalb eine positive Botschaft direkt mit der Konsumhandlung
verknüpft. Bevor man die Wurst auf das Brot schmiert, kann man dem Schwein, aus
dem sie gemacht ist, in die Augen gucken. Zusammen mit der Transparenz auf der
Webseite, wo zu lesen ist, von welchem Hof das Tier stammt, unter welchen
Bedingungen es aufgewachsen und wo es geschlachtet worden ist, vermittelt dies
im Moment des Konsums ein positives Gefühl und ein Gefühl des Vertrauens, so die
Annahme. Dieses Positive ist der tierisch-ethische Aspekt, dass es dem Tier, das
man gerade isst, besser ging als jenen aus der industriellen Haltung. Das Gewissen
(Kapitel 2.3.2 und 2.3.3), dessen Kriterien sich bei vielen Menschen im Zuge des
Gesellschaftswandels geändert haben (Kapitel 3), wird „beruhigt“. MkF appelliert
also nicht an die Verantwortung gegenüber der Umweltauswirkungen hohen
Fleischkonsums. Denn, so die Annahme: Die positiven Umweltauswirkungen
reduzierten Fleischkonsums lassen sich schlecht darstellen und wirken weniger
emotional – sie sind abstrakt und „weit weg“.
Und: Konsumentscheidungen als Teil menschlichen Verhaltens setzen sich immer
aus einer rationalen und einer emotionalen Komponente zusammen. Emotionen
wirken als Stimuli direkter, sie bedürfen keiner Begründung. Rationale Stimuli
hingegen müssen erst verarbeitet werden, sie beruhen auf der Interpretation von
Daten (Chaudhuri 2006: S.30ff.). Während bei anonymem Fleisch eher ein
emotionales Defizit herrscht (es kann keine Beziehung zum Produzenten oder Tier
hergestellt werden), versucht MkF diese Lücke mit positive Emotionen zu füllen.
35
Ziel ist, dass der Konsument sein Bewusstsein und seine Einstellung zu Fleisch
dauerhaft ändert – von sich aus. Denn Ernährungsgewohnheiten von Menschen
lassen sich kaum durch einfache Empfehlungen oder normative Apelle ändern
(Hayn, 2005: S.284). Aber die positiven Anreize der „Wurst mit Gesicht“ wirken
motivierend, weil der Konsument sich als Teil der Lösung für die oben genannten
Probleme fühlen kann (zumindest für das tierisch-ethische Problem). Statt mit
Schuldzuweisung und Sanktionierung zu drohen, bietet MkF dem Konsumenten
einen leichten Weg, über den er sich ohne absoluten Verzicht engagieren kann. Es
ist eine Art des „sanften Stupsens“ (Reisch & Gwozdz 2011: S.331), das keine
Bedrohung von Alltagsgewohnheiten darstellt oder dem Konsumenten Anstrengung
abverlangt. Im Gegenteil: Das Produkt ist Teil der Lösung und der Fleischesser
kann nach wie vor Wurst essen. Über diesen minimalinvasiven Weg soll er lernen,
dass sich reduzierter Fleischkonsum vielfach positiv auswirkt.
Und „gelernt wird nicht einfach alles, was auf uns einstürmt, sondern das, was
positive Konsequenzen hat.“ (Spitzer 2007: S.177). Diese positiven Konsequenzen
aktivieren das Dopaminsystem im menschlichen Gehirn, was zur Freisetzung von
Opioiden führt – eine Belohnung. Mit Belohnungen verbundener Input (Reize,
Erfahrungen) werden mit erhöhter Wahrscheinlichkeit abgespeichert. An negativen
Erfahrungen ist das Dopaminsystem hingegen nicht beteiligt (Spitzer 2007: S.181).
MkF wirkt sich außerdem positiv auf das Belohnungssystem aus, weil es neu ist:
Während viele Menschen wissen (aber verdrängen), dass die industrielle
Massentierhaltung ethisch-problematische Haltungsbedingungen für die Tiere mit
sich bringt, konnte man bislang noch nicht per Internet von einem bestimmten
Schwein Wurst bestellen, dessen Gesicht dann auch auf jener prangt.
Darüber hinaus schafft die Transparenz auf der Webseite nicht nur Vertrauen,
sondern bietet Möglichkeiten des Lernens, etwa über ein animiertes Video, das die
globale Fleischproblematik vermittelt oder über Texte unter den Schweinen, die
Haltungsbedingungen und ökonomische Zwänge des Bauern thematisieren. „Wer
lernt, kann Schwarzweiß-Anteile seines Weltbildes durch differenziertes Verständnis
ersetzen. Aus diesem Verständnis heraus ist es möglich, sich selbst und anderen
gegenüber verantwortlich und ethisch zu handeln.“ (Buchmann 2011: S.1).
MkF hat also das ambitionierte Ziel, das Fleischkonsumverhalten von Menschen zu
verändern. Zwar sind die Aussichten auf Erfolg durch positive Incentivierung besser
als durch negative Sanktionierungen und Schuldzuweisungen. Aber ambitioniert
36
bleibt das Ziel trotzdem, denn der Mensch ist ein „Gewohnheitstier37“ und ändert
sein routiniertes, allgemeines Verhalten nur ungern – er ist dies bezüglich träge
(Ben Larbi 2010: S. 31). „Insbesondere alltägliche Kaufentscheidungen sind oft stark
habitualisiert, d. h. sie werden lediglich aus Gewohnheit getroffen.“ (Sigg 2009: S.1).
MkF will ein Lösungsansatz für das Fleischproblem sein. Es geht aber nicht darum,
möglichst viele Menschen zum absoluten Fleischverzicht zu bewegen. „Weniger
Fleisch aber besseres – diese Botschaft ergibt am meisten Sinn“, schreibt auch
Bäuerlein (2011: S.98).
Dass MkF sich in einem komplexen Themenfeld bewegt und von vielen externen
Faktoren beeinflusst wird, zeigt die Wirkungslogik in Abbildung 8.
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Abbildung 8: Wirkungslogik von MeinekleineFarm.org. Der unmittelbare Output
wurde bereits geleistet, der mittelfristige Outcome wird in dieser Arbeit auf
seine prinzipielle Möglichkeit hin untersucht und der Impact wird auch in
Zukunft kaum kausal mit Mkf verbunden werden können (Komplexität der
Wechselwirkungen mit externen Einflussfaktoren). Eigene Darstellung.
37 Aus einer E-Mail der Kundin E. S. an MeinekleineFarm.org vom 24. Juli 2012: „Aber der
Faktor Gewohnheit bzw. Bequemlichkeit ist neben dem finanziellen Mehraufwand leider
nicht zu unterschätzen.“
37
Der langfristige Impact (Massentierhaltung geht zurück, etc.) kann hier nicht (wenn
überhaupt) nach einem linearen Ursache-Wirkungs-Verständnis nachgewiesen
werden. Vielmehr geht es darum, mit einer Umfrage unter ersten Kunden zu zeigen,
ob der Ansatz von Mkf prinzipiell funktioniert.
Es muss klar sein, dass es sich bei MkF um einen exemplarischen Lösungsansatz
handelt, der nicht den Anspruch hat, den globalen Fleischkomplex aufzubrechen.
MkF ist vielmehr ein Studentenprojekt, das in der Öffentlichkeit relativ weite
Verbreitung gefunden hat und Aussicht auf Wachstum hat. Aber die bislang 22
verkauften Schweine ändern wahrscheinlich wenig am steigenden Fleischkonsum in
Entwicklungs- und aufstrebenden Ländern. Trotzdem: MkF kann einen Denkanstoß
geben und das sogar über die deutschen Grenzen hinaus bis ins
schweinefleischhungrige China38. Dazu hat nicht nur die Neuheit der Idee, sondern
auch die radikale, in gewisser Weise auch provokative Transparenz beigetragen
Folgende weitere Faktoren sind für die Wirkungsweise des Projektes von zentraler
Bedeutung.
4.3 Transparenz, Kommunikation und Storytelling.
Zwar konnten bislang erst 11 Schweine39 in Form von Wurst und Fleisch
ausgeliefert und so etwa 700 Kunden beliefert werden. Doch ist MkF vielmehr als
nur Wurst mit Gesicht. MkF ist Transparenz, Kommunikation und Storytelling.
Dass man seiner Wurst in die Augen gucken kann, ist die Hauptgeschichte, welche
auch die Medien anzieht. Dass dies als neu und kurios aufgenommen wurde, ist ein
weiterer Hinweis auf die Entkoppelung des Menschen von seiner Nahrung. Denn
noch vor wenigen Jahrzehnten war es durchaus üblich, sich beim Bauern ein
Schwein oder ein Teil davon auszusuchen, dem Tier also zu dessen Lebzeiten noch
zu begegnen. Heute sind die meisten Tiere, wenn wir ihnen das erste Mal
begegnen, „zum Verzehr aufbereitet […], als handelte es sich um Ikea-Regale:
massenhaft, lieblos und billig.“ (Bäuerlein 2011: S.16).
38 zur internationalen Berichterstattung über MkF, z.B. in der chinesischen Volkszeitung oder
beim internationalen TV-Sender Al Jazeera siehe
http://www.meinekleinefarm.org/in_der_presse (letzter Zugriff 21. Juli 2012) 39 zwar sind weitere 11 Schweine vorbestellt, so dass insgesamt 22 verkauft wurden
(http://www.meinekleinefarm.org/schweine, letzter Zugriff 21. Juli 2012). Allerdings werden
11 dieser Schweine erst im Herbst geschlachtet und in Form von Wurst ausgeliefert.
38
MkF möchte also mit dem Foto des Schweins zu einer Re-Koppelung beitragen. Der
Konsument sieht sich damit konfrontiert, dass und wie vor der Wurst ein
entsprechendes Tier dafür gelebt hat. Konventionelle Fleischhersteller können diese
Transparenz nicht leisten, sondern müssen die Entkoppelung der Produktion vom
Konsumenten aufrechterhalten – sonst verginge ihm der Appetit. Somit ist Mkf in
erster Linie Kommunikation. Denn die Wurst unterscheidet sich nicht von anderer
Wurst des Metzgers, und der Bauer40 hält seine Schweine nicht anders als zuvor.
Der einzige Unterschied ist die radikal kommunizierte Transparenz in Form des
Schweineaufklebers.
Hinzu kommt Storytelling41. Zu jedem Schwein, das über MkF verkauft wird, wird
eine kleine Geschichte erzählt: Was ist das für ein Schwein? Wann wurde es
geboren? Was hat es erlebt? Diese Geschichten sind Teil der Rekoppelung von
Konsument und Produzent und entanonymisieren das Produkt42. Denn in der
Supermarkt-Gesellschaft ist es dem Großstädter kaum möglich, Kontakt zu seinen
Nahrungsmittelherstellern aufzunehmen (vgl. Kapitel 4.2). Die Großkonzerne sind
nicht zugänglich und die Bauern weit weg. Weil der Konsument nur unter relativ
großem Aufwand zum Bauernhof fahren kann, bringt MkF den Bauernhof zum
Konsumenten – über das Internet, mit Fotos und Geschichten. So soll das
Fleischbewusstsein der Konsumenten weiter geschärft werden43. Die Geschichten
sorgen dafür, dass der Konsument auch eine emotionale Nähe und Beziehung zum 40 Informationen zum Bauern, mit dem MkF kooperiert, finden sich hier:
http://www.meinekleinefarm.org/ueberbauerbernd (letzter Zugriff 21. Juli 2012). 41 Storytelling wird bei MkF im Sinne von Frenzel et al. (2006: S.3) eingesetzt. Demnach
heißt Storytelling, „Geschichten gezielt, bewusst und gekonnt einzusetzen, um wichtige
Inhalte besser verständlich zu machen, um das Lernen und Mitdenken der Zuhörer
nachhaltig zu unterstützen, um Ideen zu streuen, geistige Beteiligung zu fördern und damit
der Kommunikation eine neue Qualität hinzuzufügen“. 42 Beispielsweise Schwein 9: http://www.meinekleinefarm.org/schwein-9 (letzter Zugriff 21.
Juli 2012). 43 Bilder und Geschichten der Schweine führen dazu, dass Einkaufen bei MkF zum
Erlebniskonsum wird. Dieses Erlebnis führt zu Emotionen und sogenanntem Involvement,
das die Wurst von anderen Würsten absetzt (die materielle Produktqualität ist weitgehend
gleich, bzw. nicht neu). Konsumenten suchen zunehmend nach Produkten, die ihr Leben
positiv beeinflussen und einen bleibenden Eindruck hinterlassen (Langhammer 2005: S.1).
Folglich kann die Transparenz und das Storytelling bei MkF auch als Marketingstrategie
verstanden werden. Da jedoch das gesellschaftliche Anliegen und nicht Profitmaximierung
Ausgangspunkt des Projektes sind, werden Marketing-Aspekte hier nicht weiter behandelt.
39
zukünftigen Produkt aufbaut. Schon 1998 empfehlen Alvensleben & Mahlau, mehr
emotionale statt nur rationaler Aspekte in der Kommunikation zu Fleischkonsum zu
nutzen und den Konsumenten persönlicher anzusprechen, um Vertrauen zu
schaffen.
Storytelling hat bei MkF auch zur Folge, dass Schlüsselinformationen verdichtet und
in Form des jedem bekannten Geschichtenmusters vermittelt werden. Auch wegen
dieses Musters wirken Geschichten überwiegend unbewusst, was wiederum zur
Folge hat, dass die Informationen effizienter und bevorzugt verarbeitet werden
(Herbst 2011: S.28ff.). „Storytelling ist gehirngerechte Kommunikation.“ (Herbst
2011: S.71).
Die Ansprache mit Geschichten soll auch dazu führen, dass der Konsument
Respekt gegenüber dem Tier empfindet, also dafür, dass das Tier als
Fleischlieferant dient. Weil, wie oben erwähnt, Eindrücke, die mit Emotionen
verbunden sind, besser erinnert werden, kann das dazu führen, dass der
Konsument beim nächsten Kontakt mit Fleisch an diese Geschichten denkt. Die
Absicht von MkF ist, dass der Konsument die guten Geschichten mitnimmt und
zukünftig auf konventionelles Fleisch mehr und mehr verzichtet. Ähnlich wie bei der
oben erwähnten Hähnchenbraterei ist MkF zwar nicht präsent, wenn der Konsument
im Supermarkt seinen Gewohnheiten nachgeht und vor dem Wurstregal steht. Aber
die Wahrscheinlichkeit, dass er sich an Mkf-Wurst erinnert, ist wesentlich größer als
bei schockierenden Dokumentationen, da MkF mit positiven Gefühlen arbeitet (vgl.
Kapitel 4.2). Eine Erinnerung an MkF, so die These, kann dann dazu führen, dass
der Konsument mit seiner Gewohnheit bricht und zunehmend auf konventionelles
Fleisch verzichtet. Denn wenn Emotionen transportiert werden, die zu Vertrauen
führen, können sich dauerhafte Einstellungen zum Fleischkonsum bilden, die sich in
Kaufabsichten niederschlagen (Deimel et al. 2010: S.6).
Ob MkF tatsächlich das Fleischbewusstsein und das Konsumverhalten seiner
Kunden beeinflusst soll nun der empirische Teil zeigen.
40
5 Forschungsdesign Das Forschungsdesign richtet sich nach den Anforderungen und der
Ausgangssituation des zu untersuchenden Gegenstandes, also
MeinekleineFarm.org. Da der Autor Gründer und Leiter des Projektes ist, reflektiert
er in Kapitel 5.2 seine Rolle, bevor die ausgewählten Methoden begründet werden.
Dann wird beschrieben, wie die Umfrage durchgeführt und ausgewertet wurde.
5.1 Anforderungen und Ausgangssituation
Als eine Art Zwischenfazit: MeinekeineFarm.org will das Fleischkonsumverhalten
seiner Kunden dahin gehend beeinflussen, dass diese zukünftig weniger Fleisch
aber aus artgerechter Haltung essen. Denn die Reduktion des Fleischkonsums trägt
dazu bei, dass ökologischen Ressourcen entlastet werden. Die artgerechte Haltung
minimiert ethische Probleme, die im Zuge der industriellen Massentierhaltung
entstehen.
Die Anforderung an das Forschungsdesign besteht also darin, folgende Frage
eruieren zu können: Ändern Kunden von MkF tatsächlich ihre Einstellung zu Fleisch
und ihr Fleischkonsumverhalten, weil das Produkt von MkF eine emotionale Nähe
herstellt (vgl. Kapitel 4.2)? Die Eruierung ist deskriptiv und interpretativ gestaltet,
was einer Masterarbeit angemessen ist (Flick 2000: S.258). Auf der Ebene der
Zielsetzungen verfolgt die Arbeit persönliche Ziele (Master-Titel), praktische (ob
MkF funktioniert) und Forschungsziele (Erkenntnisse über die Funktionsweise der
inhaltlich positiven Kommunikation von MkF). Das Generalisierungspotential der
Ergebnisse ist begrenzt, da Konsumentenverhalten ein komplexer, multidisziplinärer
(Psychologie, Neurologie, Marketing, Kulturwissenschaften, Soziologie) Gegenstand
ist, der auch stark von der Lebenssituation, dem Charakter, etc. des Einzelnen
abhängt. Außerdem geht es um das konkrete Projekt MkF, das nicht für
Fleischkonsum im Allgemeinen stehen kann.
Die zu beantwortende Frage hat sowohl quantitative als auch qualitative Merkmale.
Um die Frage nach dem „ob“ der Verhaltens- oder Bewusstseinsänderung
beantworten zu können, müssen möglichst viele Kunden erreicht werden. Fragen
nach dem „wie“ müssen hingegen offen gestellt werden, um den Befragten Raum
zur Beschreibung ihres Verhaltens zu geben.
41
Zur Ausgangsituation: MkF startete Mitte November 2011 mit der Schlachtung des
ersten Schweins44. Bis Juni 2011 wurden etwa 700 Kunden mit Produkten von 11
Schweinen beliefert. Diese 700 Kunden haben „Wurst mit Gesicht“ konsumiert und
eignen sich, um die Frage nach der Wirksamkeit von MkF zu untersuchen. Weil die
Zahl der Kunden für das relativ junge Projekt recht groß ist, bietet es sich an,
möglichst viele Kunden einzubeziehen. Mit der Zahl der befragten Kunden wächst
auch die Repräsentativität der Umfrage. Weil die Kunden aber in ganz Deutschland
wohnen, und weil sie so zahlreich sind, schieden Methoden wie die teilnehmende
Beobachtung oder das persönliche Interview aus – sie wären im vorgegebenen
zeitlichen Rahmen nicht umsetzbar gewesen.
Ein einfacher und direkter Zugang zu den Kunden ist der Newsletter von MkF: Von
1134 Newsletter-Abonnenten (Stand: 6. Juli 2012) sind 720 auch Kunden (einige
von ihnen haben noch keine Produkte erhalten, weil ihre Bestellungen noch offen
sind). Wegen dieses einfachen Zugangs habe ich über den Newsletter zu einer
Online-Umfrage aufgerufen.
5.2 Reflektion des Autors
Das Projekt MeinekleineFarm.org geht auf mich, den Autor dieser Arbeit, zurück. Ich
habe die Idee im Public Policy Studium an der Humboldt Viadrina School of
Governance entwickelt, in verschiedenen Präsenzphasen ausgebaut und schließlich
umgesetzt. Deshalb ist mein Bezug zu dieser Arbeit sehr persönlich. Es geht mir
hier darum, das Fleischproblem in seiner Komplexität detaillierter zu durchdringen
(Kapitel 2 und 3), und ich möchte diese Erkenntnisse in Zukunft auch in der
Kommunikation mit meinen Kunden nutzen.
Vor allem geht es mir aber um die Frage: „Funktioniert MkF überhaupt?“. Denn
angetreten bin ich in erster Linie mit einem gesellschaftlichen Anliegen und mit einer
These: Wenn Fleisch entanonymisiert wird, bekommt es wieder einen Platz im
Bewusstsein des Konsumenten, der dann sein Verhalten ändert. Folglich ist es mein
Wunsch, dass sich die These positiv untermauern lässt. Trotzdem werde ich die
Ergebnisse dieser Arbeit möglichst objektiv und kritisch betrachten, auch um die
44 Siehe: http://www.meinekleinefarm.org/schwein-1 (letzter Zugriff 21. Juli 2012)
42
Glaubwürdigkeit von MkF nicht zu gefährden. Trotzdem wird die Wahrnehmung und
Interpretation der Ergebnisse durch meine Perspektive beeinflusst.
Ein weiterer Faktor, der durch mich als Autor hinzukommt, ist meine mangelnde
Ausbildung in der Sozialforschung. Als Diplom-Biologe habe ich bislang nur
naturwissenschaftlich-quantitativ geforscht (Diversitätsberechnungen an
Korallenriffen), und sozialwissenschaftliche Forschungsmethoden waren nicht Teil
dieses Master-Studiengangs. Das ist aber nicht unbedingt ein Nachteil, da ich so
den faktisch-kritischen Blick des Naturwissenschaftlers mit dem des interpretativen
Sozialwissenschaftlers vereinen kann. Insgesamt ist diese Arbeit auch keine speziell
sozialwissenschaftliche Untersuchung, sondern ist breit und entsprechend inter-
bzw. transdisziplinär angelegt.
Vorteilhaft ist, dass ich als Gründer und Leiter des Projektes dieses am meisten
durchdrungen habe und Erfahrungen sowie implizites Wissen einbringe – beides
lässt sich für externe, bislang unbeteiligte Forscher nur schwer nutzbar machen45.
5.3 Empirische Sozialforschung und ausgewählte Methoden
Empirische Sozialforschung eignet sich, um die Frage dieser Arbeit zu eruieren,
denn „unter Empirischer Sozialforschung wird allgemein eine Gesamtheit von
Methoden, Techniken und Instrumenten zur wissenschaftlich korrekten
Durchführung von Untersuchungen des menschlichen Verhaltens und weiterer
sozialer Phänomene verstanden.“ (Häder 2010: S.20).
In dieser Arbeit geht es weniger darum, etwas quantitativ zu messen, sondern
vielmehr darum, das Verhalten und die Einstellungen von Menschen bezüglich des
Lebensmittels Fleisch und dessen Konsum zu erfassen. Qualitative Forschung
eignet sich dafür, weil durch sie Lebenswelten aus der Sicht der handelnden
Menschen beschrieben werden können (Flick et al. 2000: S.14). Außerdem ist der
Standardisierungsdruck bei qualitativen Methoden geringer, weil es weniger darum
geht, objektivierbare Erkenntnisse zu erlangen (etwa durch wiederholbare
Experimente). Es sind plastische Beschreibungen gefragt, die praxisrelevant und
nah am speziellen Kontext sind. Gerade weil hier eine bislang unerforschte
Fragestellung bearbeitet wird, ermöglichen qualitative Methoden eine offene
45 Zu implizitem Wissen siehe Polanyi (1966): The Tacit Dimension.
43
Herangehensweise, nach der Raum für Interpretationen und Gewichtungen bei der
Auswertung bleibt.
Während die qualitativen Aspekte durch offene Fragen bearbeitet werden, welche
die Befragten über das rein Faktische hinaus beantworten können, ergänzen
geschlossen Fragen die Auswertung um direkt vergleichbare Ergebnisse. Faktoren
wie die Menge des täglich konsumierten Fleisches oder Ja-Nein-Fragen
ermöglichen auch, Widersprüche (etwa durch soziale Erwünschtheit) bei den
Befragten aufzudecken.
Insgesamt geht es bei dieser Arbeit wie bei der Grounded Theory (vgl. Hildebrand
2000: S.32ff.) nicht darum, Vorannahmen bzw. Hypothesen zu überprüfen, sondern
erst im Zuge der Forschung Erkenntnisse zu gewinnen. Es soll mit einem Minimum
an Datenerhebung ein Maximum der Datenanalyse ermöglicht werden. Deshalb hat
die hier verwendete Methode einen offenen Charakter (etwa im Vergleich zu
Experimenten unter „kontrollierten“ Bedingungen).
5.4 Durchführung der Befragung
Die Befragung wurde online und mit ausformulierten, offenen und geschlossenen
Fragen durchgeführt. Der Aufruf erfolgte am 1. Juli 2012 per Newsletter an 1134
Abonnenten, von denen bis zum 7. Juli 2012 188 die Umfrage46 beantwortet haben
(16,6 Prozent). Von den 188 Beantwortungen wurden jene herausgenommen, aus
denen klar wurde, dass der entsprechende Umfrageteilnehmer noch keine Wurst
von MkF erhalten hat oder kein Kunde ist. Ebenso wurden abgebrochene
Beantwortungen herausgenommen, so dass schließlich 113 ausgefüllte Fragebögen
ausgewertet wurden.
Die Befragung hat vor allem aus praktischen Gründen online stattgefunden (vgl.
Kapitel 5.1). Aber auch für die Befragten ist ein Online-Formular einfacher
auszufüllen, als beispielsweise ein so genanntes Paper-and-Pencil-Interview (PAPI),
46 einsehbar unter https://www.surveymonkey.com/s/MeinekleineFarm. Einige der Fragen
werden hier nicht explizit behandelt (etwa Marktforschungsfragen) bzw. nur indirekt
ausgewertet, da sie Kontrollzwecken dienen (etwa die Frage, wann das erste Mal „Wurst mit
Gesicht“ gegessen wurde, um jene Personen ausschließen zu können, die keine MkF-
Produkte konsumiert haben.)
44
das zurückgeschickt werden muss. Bei der Auswertung ist die digitale Befragung
ebenfalls vorteilhaft, weil die Daten einfach digital aggregiert und bearbeitet werden
können. Der Trend zur Online-Umfrage ist an Daten der Arbeitsgemeinschaft
Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute zu erkennen: von 1990 bis 2007
sank die Zahl der PAPI-Interviews kontinuierlich, postalische Interviews gingen seit
1999 zurück. Online-Interviews hingegen nahmen stetig zu (Häder 2010: S.188).
„Vor allem zeichnen sich schriftliche Befragungen durch den Wegfall des
Interviewereinflusses, durch einen gegenüber persönlich-mündlichen Befragungen
geringeren Gesamtaufwand sowie durch eine höhere Anonymität aus.“ (Häder
2010: S.191). Die Empfänger waren als Newsletter-Abonnenten leicht zu erreichen
(es mussten keine Adressen gesammelt werden). Allerdings kann bei schriftlichen
Online-Befragungen nicht überprüft werden, wer den Fragebogen beantwortet. Der
geringe Grad der Beteiligung kann auch ein Problem sein, in diesem Fall sind über
113 Antworten jedoch ausreichend.
Die Formulierung und Auswahl der Fragen basiert auf den oben genannten
Erfahrungen und dem impliziten Wissen, dass der Autor als Gründer des Projektes
mitbringt. Konkrete Regeln zur Erstellung von Fragebögen gibt es ohnehin nicht,
weil es schwierig ist, diese systematisch und generalisierend zu begründen.
Fragebogenerstellung bedarf auch einer gewissen Erfahrung (Häder 2010: S.193ff.).
Auch weil diese Erfahrung beim Autor begrenzt ist47, war es umso wichtiger, die
Umfrage vorher mit unbeteiligten Personen zu testen. Nachdem drei Personen
konstruktive Rückmeldungen gegeben hatten, wurde die Umfrage optimiert und
schließlich verschickt.
5.5 Auswertung
Die hier durchgeführte Online-Umfrage lässt sich entsprechend der Anforderungen
(vgl. Kapitel 5.1) sowohl quantitativ, als auch qualitativ auswerten. Bei den
geschlossenen Fragen sind prozentuale Angaben zu den Verteilungen möglich.
Diese ergänzen die offenen Fragen. Wenn zum Beispiel offen gefragt wird:
„Beschreiben Sie, ob und wie sich ihr Fleischkonsumverhalten geändert hat“, lassen
47 Im Zuge des post-graduierten Studienganges Diplom-Journalismus hat der Autor für seine
Abschlussarbeit drei persönliche Leitfadeninterviews mit Wissenschaftsjournalisten
durchgeführt und ausgewertet.
45
sich die Aussagen denen der geschlossenen Fragen „Wie oft essen sie Fleisch?“
(vor bzw. nach MkF) gegenüber stellen.
Bei den offenen Fragen sind die Antworten meist stichwortartig bzw. auf wenige
Sätze begrenzt. Nach- oder Verständnisfragen waren nicht möglich, auch konnten
keine Notizen zu Mimik, Gestik, Zögern o. ä. gemacht werden. Eine ausführliche
Auswertung mit Kategorisierungs- und Codierleitfaden ist hier deshalb nicht
angebracht. Sinnvoll ist jedoch eine Verschlagwortung der Antworten der offenen
Fragen, um Tendenzen erkennen zu können. Dabei wird nach Schlüsselbegriffen
gesucht, die vermehrt genannt werden und so Clusterungen ermöglichen. Ein
induktives Vorgehen (vgl. Mayring 2008: S.472): Erst werden die Rohdaten
gesichtet, dann werden daraus sinnvolle Cluster abgeleitet. Zum Beispiel die Frage:
„Beschreiben Sie, ob und wie sie im Alltag den Umweltschutz berücksichtigen.“ Zur
Auswertung wird zunächst gezählt, wie viele Antworten überhaupt auf ein
Umweltschutzbewusstsein hindeuten. Dann werden Schlüsselbegriffe zu Transport
(Auto, Flugzeug, Fahrrad, etc), Energie (Stromsparen, Ökostrom, etc.) oder anderen
Ressourcen (Müll, Kompost, etc.) gesammelt, da sie häufig genannt werden. So
lässt sich zeigen, welche Grundeinstellung die Mehrheit der Befragten hat
(Umweltbewusstsein ja oder nein) und wie diese Grundeinstellung charakterisiert ist.
Die Auswertung der schriftlich ausgefüllten Fragebogen ist also eine Inhaltsanalyse,
da Kommunikationsmaterial systematisch bearbeitet wird (Mayring 2008: S.468).
Diese Inhaltsanalyse führte zu folgenden Ergebnissen.
46
6 Ergebnisse Im Folgenden werden nun die Ergebnisse der Umfrage dargestellt. Die kursiv
gestellten Texte in Kästen sind Zitate aus der Umfrage, die die jeweiligen Stellen
qualitativ illustrieren. Kritisch diskutiert werden die Ergebnisse dann in Kapitel 7.
6.1 Wer wurde gefragt: Biografische Daten und allgemeine
Einstellungen der Befragten.
Von den 113 ausgewerteten Fragebögen wurden 50 von Männern und 63 von
Frauen ausgefüllt. Auf geschlechterspezifische Korrelationen wird nicht weiter
eingegangen, es soll hier lediglich gezeigt werden, dass die Verteilung der
Geschlechter innerhalb der Gruppe der Befragten nicht auffällig ungleich ist.
Gleiches gilt für die Altersverteilung48, die in Abbildung 9 dargestellt ist.
Abbildung 9: Altersverteilung der 113 Befragten. 20 Prozent der Kunden sind 50
Jahre oder älter.
48 Aus E-Mails und Gesprächen mit älteren Kunden geht hervor, dass diese es besonders
schätzen, „wie früher“ direkt beim Bauern von einem bestimmten Tier bestellen zu können.
So zeigt Abb. 9, dass 20 Prozent der befragten Kunden 50 Jahre oder älter sind.
47
Relevant ist vor allem die Grundeinstellung der Befragten. Wen hat MkF bislang
erreicht? Vor allem Menschen, die ohnehin schon ein mehr oder weniger
ausgeprägtes Umwelt- und Ernährungsbewusstsein haben oder auch jene, die
hauptsächlich auf den Preis und weniger auf Herkunft, Qualität oder
Umweltauswirkungen ihrer Nahrungsmittel achten? Die entsprechende offene
Frage49 lautet dazu: „Bitte beschreiben Sie, ob und wie Sie im Alltag den
Umweltschutz berücksichtigen.“ Die Clusterung der Antworten ist in Tabelle 1
zusammengefasst.
Tabelle 1: Häufigkeit der genannten Aspekte auf die Frage: „Bitte beschreiben Sie,
ob und wie Sie im Alltag den Umweltschutz berücksichtigen.“ Pro Antwort
wurden zum Teil mehrere Aspekte genannt. Ein Aspekt wurde nur einmal pro
Antwort zugewiesen.
Es wird deutlich: Bis auf eine Person haben alle Befragten einen oder mehrere
Umweltschutzaspekte genannt, die im Alltag berücksichtigt werden. Für über die
Hälfte war Müll ein Umweltthema. Das mag daran liegen, dass Mülltrennung bereits
eine langjährige Geschichte50 in Deutschland hat und im Alltag vieler Menschen
integriert ist. Transport- und Energieaspekte werden ebenfalls von fast der Hälfte
der Befragten als umweltrelevant aufgefasst (vgl. Kapitel 3.3). Nahrungsmittel
49 Auch Bitten um Beschreibungen werden im Folgenden „Fragen“, genannt, obwohl sie
grammatikalisch betrachtet Aussagesätze sind. 50 Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft wurde
1961 gegründet und die darin organisierten Entsorgungsunternehmen führten schon bald
Altpapier- und Glassammelsysteme ein (http://www.bde-berlin.org/?p=3, letzter Zugriff: 12.
Juli 2012), da die sich die Bürger mittlerweile gewöhnt haben.
Aspekt Mülltrennung bzw. -vermeidung, Recycling
Transportaspekte (ÖPNV, Auto- und Flugvermeidung, Fahrradnutzung)
Energiesparen (Strom, Heizung, Wasser).
regionale Produkte
Bioprodukte allgemein
Zahl der Antworten, in denen der Aspekt genannt wurde
69 61 54 34 29
Aspekt Weniger, artgerechtes oder Biofleisch
saisonale Produkte
soziale Aspekte (Fairtrade)
keine Rücksicht auf Umweltschutz
Zahl der Antworten, in denen der Aspekt genannt wurde
25 10 6 1
48
werden auch mit Umweltschutz in Verbindung gebracht: Etwa ein Drittel der
Befragten geben an, regionale Produkte zu konsumieren. Und der in Kapitel 3.1
erwähnte Trend von Bio- zu regionalen Produkten deutet sich an: 34 Personen
erklärten, regionale Produkte zu kaufen, 29 nennen „Bio“. 22 Prozent der Befragten
gehen schon bei dieser allgemeinen Frage auf das Thema Fleisch ein (25 Mal
erwähnt). Insgesamt lässt sich folgern: Die Befragten geben fast alle an,
Umweltschutz im Alltag auf irgendeine Art zu berücksichtigen. Man kann von einer
umweltbewussten Gruppe von Befragten sprechen.
Bezogen auf den Nahrungsmittelkonsum sind die Ergebnisse ähnlich (Tabelle 2).
Die Befragten wurden gebeten, ihren Ernährungs- und Einkaufstil zu beschreiben.
Tabelle 2: Häufigkeit der genannten Aspekte auf die Frage: Wie würden Sie ihren
Einkaufs- und Ernährungsstil beschreiben?“ Pro Antwort wurden zum Teil
mehrere Aspekte genannt. Ein Aspekt wurde nur einmal pro Antwort
zugewiesen.
Hier, beim Einkaufs- und Ernährungsstil, drängt sich keine eindeutige Clusterung
auf. Die Antworten sind divers, von „Lieber Klasse statt Masse“ über „durchmischt“
bis zu „so, dass nichts weggeworfen werden muss“. Bei den
Clustern „Bio“, „regionale Produkte“ und „saisonale Produkte“
werden die entsprechenden Wörter in den Antworten explizit
genannt. Auch hier fällt ein leichter Trend auf, dass Regionalität
wichtiger ist als „Bio“. Am häufigsten nennen die Befragten
jedoch das spezielle Thema des reduzierten oder artgerechten
Fleischkonsums (38 Mal bzw. 33,6 Prozent der Befragten).
Auffällig ist, dass 26 Befragte bzw. 23 Prozent explizit das Wort
„bewusst“ genutzt haben, um ihren Einkaufs- und Ernährungsstil zu beschreiben.
Aspekt
Weniger, artgerechtes oder Biofleisch
Bio regionale Produkte
saisonale Produkte „bewusst“
Zahl der Antworten, in denen der Aspekt genannt wurde
38 26 29 8 26
Aspekt selbst Kochen, kein Fast Food oder Convenience
preisbewusst fairtrade nicht bewusst (fast food, etc.)
Zahl der Antworten, in denen der Aspekt genannt wurde
13 4 3 3
„Kleine Einkäufe, Mischung aus normalem Supermarkt, Bio-Supermarkt und Bio-Markt; bewusste Ernährung (Bio-Produkte, Vollkorn, maßvolle Mengen,...)“
49
Nur drei Antworten deuten darauf hin, dass Gesundheit, Erzeugung oder
Zusammensetzung der Nahrung keine besondere Rolle spielen. So lässt sich auch
schlussfolgern, dass die Befragten zum größten Teil einen gewissen monetären und
zeitlichen Aufwand auf sich nehmen, um qualitativ hochwertige Produkte zu
erhalten, bzw. dass Ernährung eine gewisse Priorität hat.
Die geschlossene Frage „Was ist ihnen beim Nahrungsmittelkauf wichtig“ stützt
diese Annahme. Der Geschmack ist den Befragten besonders wichtig, was nicht
verwunderlich ist, da durch die gustatorische Wahrnehmung die Nahrung darauf
geprüft wird, ob sie überhaupt als solche geeignet ist. Abbildung 10 zeigt auch, dass
97 Befragten Regionalität wichtig oder besonders wichtig ist. Abgesehen von den
Fleischaspekten in der offenen Frage zuvor, war auch dort Regionalität das
wichtigste Thema (vgl. Tab. 2).
Abbildung 10: Bewertung der Wichtigkeit verschiedener Faktoren auf die Frage:
„Was ist Ihnen beim Nahrungsmittelkauf besonders wichtig“.
Während bei der offenen Frage kaum jemand soziale Faktoren erwähnt hat, sind
diese nun 87 Befragten wichtig („Note“ 2) oder sehr wichtig („Note“ 1), etwa so
wichtig wie Umweltverträglichkeit (88 wichtig oder sehr wichtig.
Hier ist das Potential der sozialen Erwünschtheit aber auch
besonders hoch. Interessant ist, dass Biosiegel eine
vergleichsweise geringe Priorität haben (nur die Exklusivität des
„Ich tue mich schwer, allem zu glauben, was "bio" ist.“
50
Produktes ist noch unwichtiger): Geschmack, Umweltverträglichkeit, soziale
Faktoren oder Regionalität werden nicht mit einem Biosiegel gleichgesetzt. Von den
insgesamt 33 Anmerkungen zu dieser Frage beinhalten 7 auch explizite Zweifel an
der Glaubwürdigkeit von Biosiegeln.
Im Zuge dieser Erkenntnisse ist nun auch nicht verwunderlich, dass der
Bildungsgrad der Befragten hoch51 ist: 62 Befragte (54,9%) haben studiert oder
promoviert, 27 (23,9%) haben Abitur (ohne (bislang) studiert zu haben).
Tabelle 3: Bildungsgrad der Befragten. Bei Promotion ist ein Studium vorausgesetzt,
beim Studium das Abitur. Die 27 Abiturnennungen beziehen sich auf jene
Befragten, die (noch) nicht studiert haben, jedoch z.T. eine Lehre absolviert
haben (deshalb ist die Summe größer als die der Befragten (113)).
Bei der Einkommensverteilung (Abb. 11) wird deutlich, dass knapp die Hälfte der
Befragten (49 %) ein monatliches Netto-Einkommen von bis zu 2000 Euro hat. Das
ist, verglichen mit den Daten des Statistischen Bundesamtes von 2011, leicht unter
dem durchschnittlichen Netto-Einkommen eines deutschen Arbeitnehmers52.
Zumindest lässt sich daraus ableiten, dass nicht nur überwiegend besser
Verdienende bei MkF Wurst für einen relativ hohen Preis kaufen. (Der Wurstpreis
von MkF bewegt sich auf dem Niveau von Biowurst, die etwa doppelt so teuer ist,
wie konventionelle Wurst.) Nur 20 Prozent verdienen mehr als 3000 Euro netto im
Monat.
51 vgl. unter anderem die Nationale Verzehrstudie 2 zum Ernährungsverhalten von 20.000
Studienteilnehmern: Hohes Einkommen und hoher Bildungsgrad sind deutliche
Charakteristika von Biokonsumenten. Aus ökolandbau.de:
http://www.oekolandbau.de/haendler/marktinformationen/konsumentenverhalten/biokunden-
lebensstile-und-ernaehrung/ (letzter Zugriff 12. Juli 2012). 52 Ein durchschnittliches Netto-Einkommen ist stark vereinfachend, da das Einkommen je
nach Familienstand, Zahl der Kinder, Art der Stellung (Fachkraft, leitender Angestellter etc.),
Wohngebiet (West- oder Ostdeutschland), Geschlecht, Alter etc. variiert.
Hauptschule Realschule Abitur Lehre Meister Studium Promotion Zahl der Nennungen 5 17 27 26 3 55 7
51
Abbildung 11: Einkommensverteilung der 113 ausgewerteten Umfrageteilnehmer.
K. A. = Keine Angabe.
6.2 Wie die Befragten Fleisch konsumieren
Um zeigen zu können, wie sich das Fleischkonsumverhalten der Befragten
verändert hat, nachdem sie „Wurst mit Gesicht“ gegessen haben, wurden Sie
zunächst gefragt, wie oft sie pro Woche zu welcher Tageszeit Fleisch gegessen
haben, bevor sie mit MkF in Kontakt kamen. Abbildung 12 zeigt, dass es vor allem
abends schwer fällt, auf Fleisch zu verzichten. Es wird aber deutlich, dass die
Befragten keine ausgeprägten Vielfleischesser sind, da mehr als die Hälfte morgens
und mittags maximal zwei Mal pro Woche Fleisch isst. Nur wenige essen überhaupt
mehr als vier Mal pro Woche Fleisch bei einer der drei Mahlzeiten.
52
Abbildung 12: Fleischkonsum vor MkF. Die Befragten haben angegeben, zu welcher
Tageszeit sie wie oft pro Woche Fleisch gegessen haben. Die
Prozentangaben beziehen sich auf den Anteil der Befragten mit den
entsprechenden Antworten.
Da den Kunden von MkF ein gewisses Grundinteresse an Fleisch aus artgerechter
Haltung unterstellt werden kann, wurde überprüft, ob diese artgerechte Haltung
auch ein relevanter Faktor ist, der zum Biofleischkauf motiviert. Die bei MkF
transparent dargestellte Freilandhaltung trifft nach Abbildung 13 auf Menschen, die
ohnehin ein großes Interesse an artgerechter Haltung haben. Während jedoch
Regionalität in den oben genannten Fragen stets eine wichtige Rolle gespielt hat,
spielt dieser Faktor bei Fleisch eine vergleichsweise geringe Rolle. Insgesamt finden
ohnehin zwei Drittel der Befragten alle Faktoren sehr wichtig („Note“ 1) bis wichtig
(„Note“ 2).
53
Abbildung 13: Gründe für den Kauf von Biofleisch und wie wichtig sie den Befragten
sind.
6.3 Warum bei MkF gekauft wurde.
Auf die Frage, warum „Wurst mit Gesicht“ gekauft wurde, wird
sehr häufig ein Aspekt genannt, der schon in Kapitel 4.2
erwähnt wurde: Die Idee. Das Foto des Schweins, aus dem
die Wurst gemacht wurde, auf der Wurst abzubilden, ist neu
und hat den tieferen Sinn, den Konsumenten wieder mit seiner
Nahrung zu koppeln. MkF als Gesamtkonzept wird bei 40
Prozent der Befragten als Kaufgrund genannt. Teil dieses
Konzeptes sind die Transparenz zum Produzenten und die artgerechte Haltung der
Schweine. Diese beiden Aspekte werden ebenfalls häufig genannt. Weitere Aspekte
sind nicht gehäuft aufgetreten.
Tabelle 4: Häufig genannte Aspekte in den Antworten auf die Frage: „Beschreiben
Sie bitte, warum Sie Wurst mit Gesicht gekauft haben“.
Idee/ Konzept Infos/ Transparenz/ Nähe Artgerechte Haltung Zahl der Nennungen 47 32 34
„Der Bezug zum Fleisch muss wieder hergestellt werden, meine Tochter glaubt sonst, Leberwurst wird in den Bergen abgebaut. Nur mit Wissen können wir eine echte Entscheidung treffen.“
54
6.4 Empfindungen im Zusammenhang mit MkF
Da der Konsument bei MkF schon vor dem Verzehr der Wurst eine Beziehung zu
„seinem“ Schwein aufbaut (er „muss“ sich mindestens ein Foto des Schweins
angucken), wurde die Frage nach den Empfindungen beim
Kaufprozess gestellt. Der Tod des Tieres rückt hier bereits
ins Bewusstsein, da man es zu dessen Lebzeiten in Form
von Wurst bestellt. Während nur 5 Befragte explizit nichts
Besonderes empfunden haben, sprechen 37 (knapp ein
Drittel) von einem allgemeinen guten Gefühl bzw. gutem Gewissen dem Tier
gegenüber. (Eine konservative Clusterung, da die oft genannte „Vorfreude“ und „ein
gutes Gefühl“ hier nicht mitgezählt wurden, da unklar bleibt, worauf sich diese
positiven Empfindungen beziehen). Insgesamt wurde eine Vielzahl von
Empfindungen, u. a. Neugier auf den Geschmack oder allgemeine „Freude“
genannt. Hier ist jedoch nur die Zahl der Äußerungen relevant, die sich auf das
entsprechende Schwein beziehen: Ein Drittel der Befragten wurde quasi in einem
ersten Schritt mit ihrer Wurst re-koppelt.
Tabelle 5: Häufig genannte Aspekte in den Antworten auf die Frage: „Was haben
Sie beim Kauf von Wurst mit Gesicht empfunden?“.
Nach diesem ersten Schritt Bestellung folgte die zentrale Handlung: Die Kunden
haben über den Aufkleber auf der dadurch entanonymisierten Wurst „ihrem“
Schwein in die Augen geguckt. MkF möchte durch diese Entanonymisierung seine
Kunden zum Nachdenken anregen. Wurde tatsächlich ein neuer Bezug zwischen
Konsumenten und Produkt bzw. Schwein hergestellt? Haben
die Kunden überhaupt etwas Relevantes empfunden?
Deshalb wurden die Befragten aufgefordert, Situation und
Gefühl zu beschreiben, als sie ihrer Wurst „in die Augen
geguckt“ haben. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (58)
hat in ihren Antworten direkt oder indirekt Empfindungen gegenüber dem Schwein
genannt. Antworten wie „ein gutes Gewissen“ wurden als indirekten Hinweis auf
Gedanken an das Schwein dazu gezählt, auch wenn das Schwein nicht explizit
genannt wurde. 12 Befragte (11,5 %) gaben an, nichts Besonderes empfunden zu
Respekt/ Wertschätzung/ Gewissen ggü. Tier nichts Besonderes
Interesse am Geschmack
Zahl der Nennungen 37 5 11
„…dass ich etwas für die artgerechte Tierhaltung beitrage. Am Schlachttag habe ich auch an mein Schwein gedacht.“
„Ich habe das “Produkt" als solches bewusster wahrgenommen, anders als bei "anonymer" Massenware… “
55
haben. 11 ging es nur um den Geschmack. Das zeigt, dass die Re-Koppelung im
Vergleich zum Bestellvorgang durch die eigentliche Verzehrhandlung noch häufiger
stattgefunden hat.
Tabelle 6: Häufig genannte Aspekte in den Antworten auf die Frage: „Beschreiben
Sie die Situation und das Gefühl, als Sie ihrer Wurst in die Augen geguckt
haben.“
6.5 Auswirkungen auf das Verhalten
Die Re-Koppelung zwischen Konsument und Produkt ist Voraussetzung dafür, dass
sich ein bewusster Umgang mit Fleisch und entsprechendes Verhalten einstellt.
Deshalb wurde gefragt, ob MkF auch über den Verzehr hinaus
(nach)gewirkt hat, ob und in welchen Situationen die Befragten öfter
an Fleischkonsum und seine Auswirkungen gedacht haben. 50
eindeutige Ja-Antworten stehen hier 27 eindeutigen Nein-Antworten
gegenüber. 26 der Ja-Sager gaben an, beim Einkaufen an MkF bzw.
die Auswirkungen von massenhaften Fleischkonsums gedacht zu haben. Da hier
die Einteilung in „Ja“, „Nein“ und „Nicht eindeutig“ vorgenommen wurde, entspricht
die Summe der drei Antworten der Zahl der Befragten (113).
Tabelle 7: Auswertung der Antworten auf die Frage: „Haben Sie, nachdem Sie
Kunde von MeinekleineFarm.org geworden sind, öfter als vorher an
Fleischkonsum und seine Auswirkungen gedacht? Falls ja: in welchen
Situationen und an was haben Sie gedacht?“
Ob diese Gedanken nun auch zu entsprechendem Verhalten führen, sollte die
Frage klären: „Bitte beschreiben Sie ob und wie sich Ihr Fleischkonsumverhalten
verändert hat, nachdem Sie Wurst von MeinekleineFarm.org gegessen haben.“ Die
Antworten wurden in „Ja“, „Nein“, „Mehr“ und „nicht eindeutig“ aufgeteilt
Respekt/ Wertschätzung/ gutes Gewissen ggü. Tier/ Bewusstsein/ Entanonymisierung/
Nichts besonderes
nur Geschmacksaspekte
Zahl der Nennungen 58 12 11
Ja nicht eindeutig Nein Zahl der Nennungen 49 davon beim Einkaufen:
26 27 36
„Ich kaufe seitdem so gut wie keine Wurstprodukte im Supermarkt.“
56
(Gesamtsumme = Zahl der Befragten). Innerhalb der Ja-Antworten wurden Cluster
zur Art der Verhaltensänderung gebildet, um zu zeigen, wie oft Aspekte reduzierten
bzw. artgerechteren Konsums genannt wurden (Mehrfachzuweisungen möglich).
Die Antworten sind ausgeglichen, 49 Befragte gaben an, ihren Fleischkonsum
verändert zu haben (im Sinne von MkF), 47 verneinten dies. 3 gaben an, seit MkF
sogar mehr Fleisch zu essen.
Tabelle 8: Antworten auf die Frage: „Bitte beschreiben Sie ob und wie sich Ihr
Fleischkonsumverhalten verändert hat, nachdem Sie Wurst von
MeinekleineFarm.org gegessen haben.“ („Mehr“ bedeutet gestiegenen
Fleischkonsum.)
Die offene Frage nach der Änderung des Fleischkonsumverhaltens wurde ergänzt
durch eine geschlossene Frage nach der Häufigkeit des Fleischkonsums, nachdem
die Befragten „Wurst mit Gesicht“ gegessen hatten. Diese Frage entspricht der aus
Abbildung 12. Die jeweiligen Antworten werden in Abbildung 14 miteinander
verglichen, um zeigen zu können, wie sich das Fleischkonsumverhalten der
Befragten durch MkF geändert hat.
Abbildung 14: Differenzen zwischen den Antworten auf die Fragen nach der
Häufigkeit des Fleischkonsums vor und nach MkF der einzelnen Befragten.
Negative Werte stehen für reduzierten, positive für gestiegenen und keine
(Nullwerte) für gleich gebliebenen Fleischkonsum.
Ja Nein Mehr Nicht eindeutig Zahl der Nennungen 49 weniger:
37 artgerechter:
22 47 3 14
57
Hat ein Befragter beispielsweise vor MkF 7 Mal pro Woche Fleisch gegessen und
danach 5 Mal, ist die negative Differenz 2 ein Zeichen reduzierten Fleischkonsums.
Positive Werte deuten auf gestiegenen Fleischkonsum hin. In Abbildung 14 ist an
der Mehrzahl der negativen Werte zu erkennen, dass die Mehrheit der Befragten
ihren Fleischkonsum reduziert hat.
Zusammenfassend stellt Abbildung 15 die Veränderung des Fleischkonsums der
Befragten dar. Auch hier wurden die Antworten einzelnen Befragten auf die Fragen
nach dem Fleischkonsum vor und nach MkF miteinander verglichen. Gab jemand
beispielsweise an, vor MkF kein Mal morgens, 2 Mal mittags und 3 mal abends pro
Woche Fleisch gegessen zu haben, ergibt sich ein Gesamtwochenwert von 5. Gab
dieser Befragte an, nach MkF kein Mal morgens, einmal mittags und einmal abends
pro Woche Fleisch gegessen zu haben, ergibt sich ein Gesamtwert von 3. Die
Differenz von 2 (5-3) deutet auf reduzierten Fleischkonsum hin. Da man bei drei
Mahlzeiten und 7 Tagen in der Woche maximal 21 Mal Fleisch pro Woche essen
kann, ist die maximale Differenz zwischen den Fragen entsprechend 21 oder -21. Im
folgenden Diagramm wurde noch differenziert zwischen leichter Abnahme des
Konsums (Differenz 0 bis -2) und starker Abnahme (Differenz > -2). Nullwerte
entsprechen keiner Veränderung, positive Werte bedeuten eine Zunahme des
Fleischkonsums.
Abbildung 15: Fleischkonsum nach MkF. Differenzen zum Konsum vor MkF, die > -2
sind, werden als „deutlich seltener konsumiert“ und Differenzen zwischen 0
und -2 als „seltener konsumiert“ dargestellt.
58
7 Diskussion Zunächst werden die Methoden kritisch betrachtet. Dann wird diskutiert, zu welchen
Ergebnissen diese Methoden geführt haben, wie aussagekräftig die Ergebnisse
demnach sind und was sie für das Projekt MkF bedeuten. Daraus folgen schließlich
Empfehlungen für weitere Forschungsansätze bzw. Verbesserungsvorschläge.
7.1 Methodenkritik
Die Online-Umfrage ist in diesem Fall geeignet gewesen, weil dadurch eine
größtmögliche Zahl an Antworten generiert werden konnte. Dieser quantitative
Aspekt ist wichtig, um eine gewisse Generalisierung der Ergebnisse zu ermöglichen:
Wären beispielsweise drei ausführliche persönliche Interviews geführt worden, wäre
zwar die Tiefe der Erkenntnisse größer gewesen, es hätten auch Nachfragen
gestellt werden können. Aber die Frage dieser Arbeit hätte nur für drei Menschen
beantwortet werden können. Bei der Online-Umfrage mussten Abstriche bei der
Ausführlichkeit der Antworten hingenommen werden, aber 113 ausgewertete
Antworten von 720 Kunden (15,7 %), die bereits „Wurst mit Gesicht“ gegessen
haben, lassen erste generalisierende Rückschlüsse zu.
Die Fragen aus der Umfrage sollen hier nicht im Einzelnen bezüglich potentieller
Fehlerquellen53 diskutiert werden. Insgesamt muss jedoch klar sein, dass das
Problem der sozialen Erwünschtheit (Selbst- und Fremdtäuschung) bei dem hier
behandelten Thema eine Rolle spielt. In einer Gesellschaft, in der immer mehr an
die Verantwortung des Einzelnen gegenüber globalen Problemen appelliert wird
(vgl. Heidbrink 2008/2009), möchte kaum jemand als verantwortungslos dastehen,
auch nicht im Zusammenhang mit den hier behandelten Themen des
Umweltbewusstseins und verantwortungsvollen Fleischkonsums. Die Anonymität
und die Abwesenheit eines Fragenstellers reduzieren hier jedoch den Effekt der
sozialen Erwünschtheit (Moosbrugger & Kelava 2008: S.59). Da bei offenen Fragen
der Befragte von selbst auf die Beispiele kommen muss, nach denen er etwa den
Umweltschutz im Alltag berücksichtigt, ist die soziale Erwünschtheit hier auch
geringer als bei geschlossenen Fragen, bei denen durch die Vorgaben auf Dinge
gebracht werden kann, die ihm selbst nicht eingefallen wären.
53 Häder (2010) listet Zufallsfehler (etwa wenn der Befragte sich vertippt oder verklickt),
systematische Fehler (etwa wenn der Befragte bei der Angabe seines Einkommens das
Weihnachts- oder Urlaubsgeld mit anzugeben) und die soziale Erwünschtheit (S.197ff.)
59
Die hier angewandte Methode lässt es nicht zu, einen eindeutigen kausalen
Zusammenhang zwischen MkF und der Änderung des Fleischkonsums
herzustellen. Zwar deuten die Antworten der offenen Fragen in Kombination mit den
Differenzen der entsprechenden geschlossenen Fragen darauf hin (vgl. Abb. 14-16).
Aber gerade bei den geschlossenen Fragen kann nicht eindeutig davon
ausgegangen werden, dass allein MkF jener Stimulus war, der das
Konsumverhalten verändert hat. Die Befragten hätten beispielsweise auch durch
eine negative Berichterstattung über Massentierhaltung, die sie im gleichen
Zeitraum rezipiert haben, beeinflusst worden sein. Deshalb wäre es optimal
gewesen, wenn eine Kontrollgruppe hätte befragt werden können, also Menschen,
die MkF noch nicht kennen. Diese Kontrollgruppe in vergleichbarer Größe zu
akquirieren, hätte aber den zeitlichen Rahmen dieser Arbeit gesprengt.
Insgesamt hat sich das Umfragedesign als geeignet erwiesen, um einen komplexen
Gegenstand wie die Änderung des Konsumverhaltens einerseits ausreichend
qualitativ offen und andererseits anhand möglichst vieler Befragter zu eruieren, um
erste Aussagen treffen zu können.
7.2 Die Ergebnisse, ihre Aussagekraft und die Bedeutung für
MkF
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass zumindest ein Teil der Befragten durch das
Kommunikationskonzept von MkF und den damit verbundenen Verzehr von „Wurst
mit Gesicht“ seinen Fleischkonsum reduziert hat. 49 von 113 Befragten (43,4%)
gaben an, dass sie seit MkF weniger Fleisch und / oder jenes aus artgerechterer
Haltung essen. Allerdings gaben auch 47 Befragte (41,6%) an, dass sich ihr
Fleischkonsumverhalten nicht geändert hat. Das Gegenteil des Anliegens von MkF
wurde nur bei 3 Befragten (2,7%) erreicht: Sie gaben an, seit MkF mehr Fleisch
gegessen zu haben (allerdings ohne Angabe über dessen Herkunft). Der Vergleich
der beiden geschlossenen Fragen über den Konsum vor und nach MkF ergibt ein
ähnliches Bild. 52 Prozent der Befragten essen, seit sie „Wurst mit Gesicht“
gegessen haben, seltener Fleisch54.
54 Hier wurde nach der Häufigkeit der Fleischmahlzeiten gefragt, um der Alltagsdenkweise
der Befragten gerecht zu werden: Wann man Fleisch gegessen hat, lässt verlässlicher
erinnern, als die Menge. Es lässt sich nur schwer abschätzen, wie viel Gramm die Scheibe
60
Bemerkenswert ist, dass die Hälfte der Befragten, die weniger als 2000 Euro netto
im Monat verdienen damit ein unter bis durchschnittliches monatliches
Nettoeinkommen haben, trotzdem den vergleichsweise hohen Preis für die Wurst
von MkF bezahlen. Dies könnte auf eine entsprechende Priorisierung der
artgerechten Tierhaltung hinweisen. Es müsste jedoch untersucht werden, ob diese
Kunden nicht nur einmalig ihr Geld dafür ausgegeben haben, weil sie eine neue
Idee ausprobieren wollten. (Als weiterer Kaufgrund kann der persönliche Bezug
einiger Befragter zum Autor vernachlässigt werden: Nur 3 gaben dies an.)
Diese neue Idee hat nicht nur dazu geführt, dass viele der Befragten Freunden und
Bekannten davon erzählt haben (siehe hier nicht explizit ausgewertete Frage 13 im
Anhang). Sie ist auch eine Herausforderung für MkF, denn es muss sich zeigen, ob
und wie die Kunden von Mkf auch dauerhaft bereit sind, „Wurst mit Gesicht“ zu
konsumieren. Das ist nicht nur für die Wirtschaftlichkeit von MkF als Unternehmen
relevant, sondern auch bezüglich der Botschaft – wie lässt sich diese über einen
längeren Zeitraum verbreiten, ohne dass sie langweilig wird und die Konsumenten
sich abwenden?
Die Aussagekraft dieses Ergebnisses, das als Teilerfolg für das Anliegen von MkF
gewertet werden kann, ließe sich beispielsweise durch die oben erwähnte
Kontrollgruppe erhöhen. Ebenfalls könnten zusätzliche persönliche Interviews, in
denen Nachfragen möglich sind, die Aussagekraft steigern. Trotzdem hat sich die
angewendete Methode als adäquat erwiesen, um die Ausgangsfrage dieser Arbeit
zu eruieren. Es konnte festgestellt werden, dass das Konsumverhalten der
untersuchten Gruppe von rund der Hälfte der Befragten dahin gehend beeinflusst
wurde, dass der Konsum abnahm und Fleisch aus artgerechter Haltung bevorzugt
wurde. Eine eindeutige Kausalität zwischen Entanonymisierung des Produktes und
Verhaltensänderung ist nur schwer nachweisbar. Aber emotionale und ethische
Faktoren werden von den Befragten häufig genannt: Das „gute Gewissen“ kann
daher resultieren, dass der Konsument Verantwortung übernommen hat (bewusst Wurst auf dem Frühstücksbrötchen wiegt. Außerdem hätte die Frage auf die wöchentliche
Menge reduziert werden müssen, da sie sonst zu kleinteilig geworden wäre. Diese
wöchentliche Menge zu schätzen, fällt aber schwer (merkte auch eine Testerin im Vorfeld
der Fragebogenerstellung an). Es wird angenommen, dass die Befragten bei geringerer
Häufigkeit des Fleischkonsums auch weniger Fleisch gegessen haben. Diese Annahme wird
durch die offene Frage gestützt, bei der fast ein Drittel der Befragten von sich aus
angegeben haben, seit MkF weniger Fleisch zu essen.
61
vor allem gegenüber dem Tier). Mit Blick auf Kapitel 2.3.2 kann dieses moralische
Handeln auch zu einem Gefühl von Glück führen.
Geht man davon aus, dass eine gewisse Verhaltensänderung herbeigeführt werden
konnte, ist nun vor allem die Anschlussfrage relevant: Bei wem? Denn MkF möchte
vor allem jene Menschen zu einer Änderung ihres Fleischkonsumverhaltens
motivieren, die besonders viel und ethisch fragwürdiges Fleisch essen und so nicht
nur ihre eigene Gesundheit gefährden, sondern auch maßgeblich zu den oben
genannten Umwelt- und ethischen Problemen beitragen. Die Ergebnisse der hier
durchgeführten Umfrage deuten jedoch darauf hin, dass MkF vor allem so genannte
low hanging fruits erreicht: Denn bereits in der Eingangsfrage geben 112 von 113
Befragten an, in irgendeiner Art und Weise den Umweltschutz zu berücksichtigen
(obwohl die Gefahr der sozialen Erwünschtheit hier hoch ist), und 22,1 % sagen hier
von sich aus, dass sie weniger oder artgerechteres Fleisch essen, obwohl in der
Frage nur von Umweltschutz die Rede war. Auch bei der Frage nach dem Einkaufs-
und Ernährungsstil wird deutlich: Die Befragten ernähren sich bereits recht bewusst,
25 nutzen dieses Wort explizit in ihrer Antwort. Geringer Fleischkonsum aus
artgerechter Haltung ist für viele der Befragten ebenfalls wichtig, was aus den
Antworten nach der Veränderung der Einstellung gegenüber Fleisch durch MkF
deutlich wird: Viele der Befragten erwähnen hier, das MkF lediglich ihre
Grundeinstellung bestätigt. Und die Befragten repräsentieren zumindest teilweise
den Kundenstamm von MkF.
Um sein eigentliche Anliegen vorantreiben zu können, steht MkF also vor der
Herausforderung, eine erweiterte Zielgruppe zu erreichen: Es müssen vermehrt jene
Menschen erreicht werden, die viel billiges Fleisch essen, etwa bei Schnellimbissen
oder von Discountern. Dazu zählen vor allem Menschen mit einem niedrigen sozio-
ökonomischen Status (vgl. Reisch & Gwozdz 2011). Die Mehrheit der hier
Erreichten bewegt sich jedoch auf einem relativ hohem Bildungs- und
Einkommensniveau.
7.3 Ausblick und Möglichkeiten weiter gehender Forschung
Die Ergebnisse dieser Arbeit haben am Beispiel Fleisch gezeigt, dass es durchaus
möglich ist, die Einstellung und das Verhalten von Menschen zu beeinflussen,
indem man Nähe zum Produkt herstellt und positive emotionale Anreize schafft.
62
Menschliches Verhalten ist jedoch ein derart komplexes Thema, dass diese
Masterarbeit nur ein Anfang sein kann.
Zunächst sollte die Validität der hier gezeigten Ergebnisse durch oben erwähnte
persönliche Interviews, teilnehmende Beobachtung55 und Kontrollgruppen
hinterfragt werden. Dies sollte sowohl vor einem ersten Kontakt mit MkF als auch
nach dem Konsum von „Wurst mit Gesicht“ geschehen, um den Einflussfaktor MkF
besser eingrenzen zu können. Außerdem könnte eine Typisierung von
Fleischessern vorgenommen werden, um Einflussfaktoren detaillierter darstellen zu
können: Welche Menschen aus welchen Milieus lassen sich wie zu einem
bewussteren Fleischkonsum motivieren? An welchen Stellschrauben (Preis,
Verfügbarkeit, Storytelling, Emotionalisierung, Unterhaltung etc.) muss gedreht
werden, um eine möglichst große Wirkung zu erzielen? Und eine größer angelegte
Umfrage mit mehr Teilnehmern würde zu signifikanteren Ergebnissen führen.
Korrelationen zwischen verschiedenen Faktoren können dann auf kausale
Zusammenhänge hinweisen. Auch ließen sich die Erkenntnisse dann besser
generalisieren und statistisch validieren.
Weil sich die Ergebnisse dieser Arbeit auf den speziellen Fall von MkF beziehen,
bleibt die Frage nach der Übertragbarkeit. Lässt sich das grundsätzliche Prinzip der
positiven Incentivierung und Transparenz auch auf andere Bereiche übertragen?
Etwa zur Stärkung regionaler Versorgungsstrukturen? Darüber hinaus, mit Blick auf
das globale Fleischproblem, muss ganzheitlicher und inter- bzw. transdisziplinär
geforscht werden. Das Fleischproblem ist auch ein Ernährungsproblem und spielt
sich auf verschiedenen Systemeben mit verschiedenen Graden von Differenzierung
55 So haben zwei Kunden dem Autor in einem persönlichen Gespräch davon berichtet, wie
besonders die Kinder (Grundschulalter) in der Familie offen und interessiert auf die „Wurst
mit Gesicht“ reagiert haben. Sie waren nicht erstaunt o.ä. (wie viele Erwachsene), sondern
fanden es natürlich, das die Wurst von jenem Schwein auf dem Aufkleber stammte. Seitdem
jedoch misstrauen sie Wurst aus dem Supermarkt oder andere Wurst, bei der nicht die
Frage beantwortet werden kann, von welchem Tier es stammt. Hier wären altersabhängige
Untersuchungen interessant: Ab welchem Alter sind Kinder derart sozialisiert, dass Sie
ähnlich wie Erwachsene erschrecken? Außerdem: Wie langfristig wirkt Wurst mit Gesicht bei
Kindern? Entwickeln sie ein entsprechend wertschätzendes Fleischkonsumverhalten, das
sich als Gewohnheit im Erwachsenenleben verankert?
63
bzw. Integration ab. Es gibt viele mögliche Lösungsansätze seitens der Beteiligten56.
Das Wirkungsnetz ist sehr komplex, statt linearer Ursache-
Wirkungszusammenhänge herrscht Multikausalität (vgl. Schneider & Hoffmann
2011). Die große Herausforderung besteht darin, verschiedene Detailergebnisse auf
höherer Ebene zu integrieren, um der Globalität des Problems begegnen zu
können.
56 Als ein seitens der Politik induzierter Lösungsansatz sei hier beispielhaft die Ende 2011 in
Dänemark eingeführte Fettsteuer genannt: Pro Kilogramm gesättigte Fettsäuren fallen
umgerechnet etwa 2,15 € für Produkte an, die mehr als 2,3 Prozent dieser Fette enthalten.
Ziel ist eine Verhaltensänderung in der Bevölkerung zu bewirken.
64
8 Fazit Es konnte gezeigt werden, dass erhöhter Fleischkonsum nicht nur zu
ernstzunehmenden, globalgesellschaftlich relevanten Umweltproblemen führt,
sondern durch die Massentierhaltung auch ethische Fragestellungen aufgeworfen
werden. Mit diesen Fragen beschäftigen sich Konsumenten in Deutschland und
anderen hochentwickelten (Überfluss-) Gesellschaften zunehmend, was unter
anderem an der Individualisierung der Verantwortung für gesellschaftliche und
globale Probleme liegt.
Mit zunehmender materieller Sättigung in westlichen Gesellschaften stellen
Konsumenten neue Ansprüche an ihre Nahrungsmittel, etwa hinsichtlich Ethik oder
Natürlichkeit. So haben sich Bio-Produkte bereits etabliert und wurden
massentauglich. Doch mit dieser Bio-Industrialisierung entsteht ein neues
Misstrauen, weshalb viele Konsumenten nun über geografische Nähe versuchen,
Vertrauen wiederzugewinnen: Die Regionalität von Produkten ist ihnen wichtiger als
ein Biosiegel, denn Regionalität wirkt auch entanonymisierend.
Diese Suche nach Nähe ist ein Zeichen dafür, dass Konsumenten wieder eine
Beziehung bzw. Verbindung zu ihrer Nahrung aufbauen möchten. Bei
Fleischprodukten sind die meisten Konsumenten besonders stark vom Produkt
entkoppelt: Produzenten haben kein Interesse daran, Haltungs- und
Produktionsbedingungen der konventionellen Fleischindustrie transparent zu
machen, da diese Transparenz dem Konsumenten möglicherweise den Appetit
verdirbt. Aus diesem Grund hat auch der Konsument kein besonderes Interesse an
dieser Transparenz.
MeinekleineFarm.org versucht, dieses Dilemma aufzulösen und das Bedürfnis nach
Vertrauen zu nutzen, um Menschen mit Fleischprodukten zu re-koppeln, indem
ihnen artgerechte Haltung kommuniziert und das entsprechende Produkt dazu
angeboten wird. So soll eine neue Wertschätzung für Fleisch herbeigeführt werden,
die zu einem reduzierten, aber bewussteren Fleischkonsum führt.
MkF zeigt dem Konsumenten das Tier, welches er isst. Diese direkte Re-Koppelung
wird von den MkF-Kunden positiv aufgenommen. Die hier durchgeführte
Untersuchung hat gezeigt, dass MkF bislang vor allem Menschen erreicht, die
65
ohnehin schon ein gewisses Umweltbewusstsein und auch Wertschätzung
gegenüber Tieren mitbringen bzw. wenig Fleisch aber aus artgerechter Haltung
essen. Trotzdem hat etwa die Hälfte der 113 Befragten angegeben, seit MkF noch
bewusster und weniger Fleisch zu konsumieren.
Das stützt die in Kapitel 1 gestellte These: Wenn Konsumenten ein Fleischprodukt
über Transparenz und Geschichten nahe gebracht wird, entsteht eine unter
anderem emotionale Beziehung, die zu einer neuen Wertschätzung des Tieres und
damit des Produktes führt. Das mündet in bewussterem Fleischkonsum (weniger
Fleisch aber aus artgerechter Haltung).
Trotzdem ist diese Arbeit nur ein erster Schritt: Weitere Forschung mit weiteren
Methoden ist nötig, um Erkenntnisse gewinnen zu können, die sich stärker
generalisieren lassen. Das praktische Projekt MkF steht außerdem vor der
Herausforderung, auch jene Menschen zu erreichen, die noch kein besonders
bewusstes Fleischkonsumverhalten aufweisen, auch weil hier der Hebel bzw. das
Wirkungspotential am größten ist.
66
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Consumption. Earthscan, London.
73
Anhang Liste der gestellten Fragen aus der Umfrage
Nr Frage Art Anmerkung 1 Bitte beschreiben Sie, ob und wie
Sie im Alltag den Umweltschutz berücksichtigen.
Offen Auch bei den geschlossenen Fragen gab es ein offenes Feld für Anmerkungen
2 Zum Nahrungsmittelkonsum: Wie würden Sie ihren Einkaufs- und Ernährungsstil beschreiben?
Offen
3 Was ist ihnen beim Nahrungsmittelkauf wichtig?
Geschlossen (Bewertung der Wichtigkeit von Faktoren wie „Geschmack“, „Regionalität“ u.ä. durch Werte von 1 bis 6)
4 Warum kaufen Sie Bio-Produkte? Weil ich glaube, dass sie...
Geschlossen (Bewertung der Wichtigkeit vorgegebener Faktoren wie „weniger Schadstoffe“, „bessere Qualität“ o.ä. durch Werte von 1 bis 6)
5 Warum kaufen Sie Biofleisch? Weil ich glaube, dass...
Geschlossen (Bewertung der Wichtigkeit vorgegebener Faktoren wie „artgerechte Tierhaltung“, „Umweltschutz“ u.ä. durch Werte von 1 bis 6)
6 BEVOR sie MeinekleineFarm.org kennengelernt haben: Wie oft haben Sie Fleisch gegessen?
Geschlossen („morgens“, „mittags“, „abends“ 0 bis 7 mal pro Woche)
7 Beschreiben Sie bitte, warum Sie Wurst mit Gesicht gekauft haben.
offen
8 Wie haben Sie Wurst bei MeinekleineFarm.org bestellt?
Geschlossen (ankreuzen von Optionen wie „Ich habe den Text unter den Produkten gelesen“ u.ä.)
Frage nicht ausgewertet, da auf Involvement nicht weiter eingegangen werden konnte
9 Was haben Sie beim Kauf von Wurst mit Gesicht empfunden?
offen
10 Wann haben Sie das erste Mal der Wurst von MeinekleineFarm.org "in die Augen" geguckt?
Geschlossen (ankreuzen von Optionen: Dezember 2011 bis Mai und „noch gar nicht“)
Kontrollfrage, um jene Umfrageteilnehmer ausschließen zu können, die „Wurst mit Gesicht“ noch nicht gegessen haben. Wird in der Auswertung nicht erwähnt.
11 Beschreiben Sie die Situation und das Gefühl, als Sie ihrer Wurst in die Augen geguckt haben.
Offen
12 Haben Sie, nachdem Sie Kunde von MeinekleineFarm.org geworden sind, öfter als vorher an Fleischkonsum und seine Auswirkungen gedacht? Falls ja: in welchen Situationen und an was haben Sie gedacht?
offen
74
13 Haben Sie Freunden und
Bekannten von der Wurst mit Gesicht erzählt?
Geschlossen (ankreuzen von Optionen wie „bis zu 5 Leuten“, „5 bis 10 Leuten“, u.a.)
Marktforschungsfrage zur Mundpropagandaverbreitung von MkF. Wird in dieser Arbeit nicht ausgewertet.
13a Warum haben Sie davon erzählt? offen s. Frage 13 14 Bitte beschreiben Sie ob und wie
sich Ihr Fleischkonsumverhalten verändert hat, nachdem Sie Wurst von MeinekleineFarm.org gegessen haben.
offen
15 Weniger Fleisch – mehr Respekt: Hat MeinekleineFarm.org bei Ihnen zu dieser Einstellung beigetragen?
Geschlossen (Ankreuzen der Optionen „ja“, „nein“ und „weiß nicht“)
Frage wird in dieser Arbeit nicht ausgewertet, da sie zu unpräzise gestellt wurde und sich nur begrenzt für Schlussfolgerungen eignet. Außerdem Marketing-Frage, um plakativ darstellen zu können, dass MkF funktioniert.
16 NACHDEM Sie Ihrer Wurst mit Gesicht gegessen haben: Wie oft essen Sie nun Fleisch?
Geschlossen (s. Frage 6)
17 Sind Sie zufrieden mit Ihrer Bestellung? Warum würden Sie noch einmal bestellen, warum nicht?
offen Marktforschungsfrage, die in dieser Arbeit nicht ausgewertet wird.
18 Könnten sie sich vorstellen, mit Freunden ein ganzes Schwein zu kaufen (ca. 2000€ für 80 kg, 25% billiger als bei Einzelkauf der Produkte) und es acht Monate von der Geburt bis zum Schnitzel zu begleiten? Warum, warum nicht?
offen s. Frage 17
19 Wenn Sie drei Wünsche an MeinekleineFarm.org frei hätten, welche wären das?
offen s. Frage 17
20 Ihr Netto-Einkommen pro Monat ("netto" meint nach Steuern und Sozialversicherung)
Geschlossen (Ankreuzen der Optionen „weniger als 1000€“, „zwischen 1000 und 1500€“ u.ä.)
21 In welchem Jahr sind Sie geboren?
offen
Welche Ausbildung haben Sie absolviert?
Geschlossen (Ankreuzen der Optionen „Realschulabschluss“, „Studium“ u.ä.)
22 Ihr Geschlecht? Geschlossen (Ankreuzen der Optionen „männlich“, „weiblich“ und „weder noch“.)
Einverständnis zur Einsichtnahme in die Masterarbeit Hiermit erkläre ich mich einverstanden, dass meine vorgelegte Masterarbeit „Wie wird das Konsumverhalten von Menschen beeinflusst, wenn das Produkt personalisiert und eine emotionale Nähe zu ihm hergestellt wird? Eine Untersuchung am Beispiel von Fleischerzeugnissen.“ den nachfolgenden Jahrgängen des Studienganges MPP zur Einsicht bereitsteht. Eidesstattliche Erklärung Ich, Dennis Buchmann, erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit mit dem Thema „Wie wird das Konsumverhalten von Menschen beeinflusst, wenn das Produkt personalisiert und eine emotionale Nähe zu ihm hergestellt wird? Eine Untersuchung am Beispiel von Fleischerzeugnissen.“ selbständig verfasst und nur unter Verwendung der angegebenen Literatur und Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Inhalte sind als solche kenntlich gemacht. Ebenfalls versichere ich, dass die Arbeit bisher keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch nicht veröffentlicht wurde.
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