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Aus der Orthopädischen Klinik und Poliklinik des Waldkrankenhauses
St. Marien Erlangen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Vorstand: Professor Dr. med. Raimund Forst
Durchgeführt in der
Orthopädisch – Unfallchirurgischen Klinik Wichernhaus des Krankenhauses Rummelsberg/Schwarzenbruck
Ehemaliger Ärztlicher Direktor: Professor Dr. med. Günther Zeiler
Der Krankheitsverlauf der Gelenkzerstörung bei der
rapide destruierenden Coxarthrose
im Vergleich zur hypertroph sklerosierenden Coxarthrose
Inaugural – Dissertation
zur Erlangung der Doktorwürde
der Medizinischen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen – Nürnberg
Vorgelegt von
Dietmar Josef Thomas
aus Langenaltheim
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Gedruckt mit Erlaubnis der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg Dekan: Prof. Dr. J. Schüttler
Referent: Prof. Dr. G. Zeiler
Korreferent: Prof. Dr. R. Forst
Tag der mündlichen Prüfung: 23. November 2009
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GLIEDERUNG Zusammenfassung ...................................................................... 1 Summary …………………………………………………………….. 3 1. Einleitung und Aufgabenstellung ………………………………. 5
1.1 Grundlegende Pathomechanismen der Osteoarthrose…………….. 5 1.2 Osteoarthrose des Hüftgelenks....................................................... 8 1.3 Aufgabenstellung ........................................................................... 10
2. Material und Methoden............................................................11
2.1 Patientengut und Untersuchungsmaterial ...................................... 11 2.2 Gewebeasservierung und Prozessierung ...................................... 12 2.3 Histologische Techniken ................................................................ 13 2.4 Immunhistochemie......................................................................... 13
3. Ergebnisse ..............................................................................15
3.1 Klinischer Krankheitsverlauf und Symptomatik .............................. 15 3.2 Laborchemische Befunde .............................................................. 17 3.3 Nativradiologische Befunde ........................................................... 18 3.4 Mikroradiographische Befunde ...................................................... 25 3.5 Histopathologische und immunhistochemische Befunde ............... 27 3.5.1 Hypertroph sklerosierende Coxarthrose ..................................... 27 3.5.2 Rapide destruierende Coxarthrose ............................................. 31
4. Diskussion ...............................................................................38
4.1 Historische Einordnung.................................................................. 38 4.2 Epidemiologie, klinische Symptomatik und Krankheitsverlauf ....... 43 4.3 Bedeutung laborchemischer Befunde ............................................ 46 4.4 Interpretation und klinische Konsequenzen der radiologischen und mikroradiographischen Ergebnisse............................................... 49 4.5 Pathogenetische und strukturelle Besonderheiten der rapide destruierenden Coxarthrose...................................................... 54
5. Literatur ...................................................................................60 6. Abkürzungen ...........................................................................68 7. Verzeichnis der Veröffentlichungen.........................................69 8. Danksagung ............................................................................70 9. Lebenslauf...............................................................................71
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Zusammenfassung Hintergrund und Ziele Die rapide destruierende Coxarthrose (RDC) führt meist innerhalb eines
Jahres zu einer äußerst schmerzhaften Destruktion des Hüftgelenks. Im
Rahmen der Erstkonsultation findet sich häufig ein unauffälliger
radiologischer Befund, welcher sich bis zum Zeitpunkt der Operation zu
einem Verlust des Gelenkspalts mit kortikaler Erosion und atropher
Knochenreaktion bis hin zu einer sekundären Femurkopfdestruktion
gewandelt hat. Es werden die klinischen Verläufe, Pathomorphologie der
Degradation des hyalinen Gelenkknorpels, die sekundären ossären
Reaktionen und die Bedeutung der osteoarthrotischen Synovialitis bei der
rapide destruierenden Coxarthrose untersucht und dem Krankheitsverlauf
und Pathomechanismus der hypertroph sklerosierenden Coxarthrose (HSC)
gegenübergestellt.
Methoden Die vorliegende Arbeit untersucht 16 Fälle mit rapide destruierender
Coxarthrose im Vergleich zu 12 Fällen von hypertroph sklerosierender
Coxarthrose, die in der Orthopädisch-Unfallchirurgischen Klinik Wichernhaus
am Krankenhaus Rummelsberg eine Hüfttotalendoprothese erhielten. Hierzu
werden klinischer Krankheitsverlauf und Symptomatik, laborchemische
Parameter, nativradiologische Befunde und Verläufe, mikroradiographische
Befunde sowie histopathologische und immunhistochemische Ergebnisse
dargelegt und mit der relevanten Literatur diskutiert.
Ergebnisse und Beobachtungen Es konnte der rapide Krankheitsverlauf bei der RDC dargelegt werden.
Laborchemisch fand sich in der RDC-Gruppe eine Beschleunigung der BSG
und leichte CRP-Erhöhung. Die radiologische Analyse zeigte
nativradiologisch und mikroradiographisch eine hochgradige
Gelenkspaltverschmälerung bis zum vollständigen Verlust, eine atrophe
Knochenreaktion mit kortikaler Erosion und kleinzystischer Destruktion sowie
einen sekundären Substanzverlust des Femurkopfes zum Zeitpunkt der
Totalendoprothesenimplantation. Charakteristisch war der Nachweis geringer
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oder fehlender Veränderungen der betroffenen Hüftgelenke bei Vorliegen
früherer Röntgenaufnahmen. Die histopathologische und
immunhistochemische Untersuchung konnte die unterschiedlichen
Ausprägungen der Knorpeldegradation herausarbeiten: die RDC-Präparate
wiesen in der Belastungszone einen vollständigen Knorpelverlust mit
kortikaler Erosion und tiefen kraterartigen Zysten auf, die einfaches
Granulationsgewebe mit Knorpel- und Knochenfragmenten enthielten oder
durch pilzartige Knorpelregenerate ausgefüllt waren, die aus metaplastischen
Knorpelzellnestern entstanden. Osteophytäre Reaktionen waren bei der RDC
in der Regel nicht nachweisbar. Typische Muster der Proteoglykan- und
Kollagenverteilung konnten dargelegt werden. Die Synoviapräparate zeigten
im Vergleich zur HSC, wo das Bild einer ausgeprägten Kapselfibrose
vorherrschte, bei der RDC eine aktivierte Detritus-Synovialitis mit
entzündlicher villöser Hyperplasie und Lymphozytenaggregaten.
Praktische Schlussfolgerungen Der Mechanismus der Knorpeldegradation bei der rapide destruierenden
Coxarthrose ist letztendlich noch ungeklärt. Die rapide Zerstörung des
Knorpels scheint durch eine gesteigerte Synthese von Proteasen und
Zytokine durch aktivierte Synoviozyten unterhalten zu werden, welche
Inhibitoren der Metalloproteasen oder Inhibitoren der die Knochenresorption
fördernden Faktoren übertreffen. Die Synovialitis wiederum wird durch
Knorpel- und Knochendetritus verstärkt. Eine verbesserte Differenzierung
des Degenerationsgrades des Gelenkknorpels durch hochauflösende MRT
sowie die Validierung molekularer Marker für die Identifizierung von
Coxarthrosepatienten mit einem hohen Risiko für eine rapide
Gelenkdestruktion ist anzustreben. Eine frühzeitige Diagnosestellung der
RDC könnte die Indikationsstellung zum endoprothetischen Gelenkersatz vor
der völligen Gelenkdestruktion positiv beeinflussen.
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Summary Introduction Rapidly destructive coxarthrosis (RDC) cumulates in extremely painful joint
destruction usually within one year. Primary negative radiographic signs
change into loss of joint space, cortical erosion, bone atrophy and secondary
destruction of the femoral head until the time of surgery. Course of clinical
findings, pathology of cartilage degradation, secondary bone reaction and the
significance of osteoarthritic synovitis are investigated in comparison to
progression of disease and pathomechanism of hypertrophic sclerosing
coxarthrosis (HSC).
Materials and methods 16 cases of RDC and 12 cases of HSC undergoing total hip arthroplasty at
the Department of Orthopaedic and Trauma Surgery Wichernhaus at
Rummelsberg Hospital are investigated in this study. Clinical progression and
symptoms, laboratory parameters, radiographic and micro-radiographic
findings, histological and immunohistochemical findings are shown and
compared with relevant literature.
Results The rapidly progression of disease in case of RDC could be explained. BSR
and CRP parameters were higher in case of RDC. Analysis of radiological
and micro-radiographic findings showed severe or total loss of joint space,
bone atrophy, cortical erosion, cystic joint destruction and substance loss of
femoral head until time of total hip replacement. These alterations were not
found in former radiographics of the investigated hip joints. Histology and
Immunohistochemistry showed the differences in cartilage degradation: in
specimen of RDC were found complete loss of cartilage, cortical bone
erosion and deep crater-like cysts within the load-bearing zone. Cystic
lesions were infiltrated by fibrous connective tissue surrounding necrotic
bone and cartilage fragments. Proliferation of metaplastic chondrocytes
formed cartilage tufts growing to the joint surface. Osteophytes usually were
not verified in case of RDC. Distribution of proteoglycans and collagen types
appeared in typical patterns. Fibrosis of the capsule was the predominantly
feature of HSC synovial morphology, synovial membrane in RDC was
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characterized by activated detritus synovitis, synovial inflammation with
villous hyperplasia and aggregates of lymphocytic infiltration. Conclusion The process of cartilage degradation in rapidly destructive hip arthropathy is
still unknown. The rapid cartilage destruction seems to be triggered by an
increased synthesis of proteolytic enzymes and cytokines by activated
synovial cells overwhelming inhibitors such as tissue inhibitors of
metalloproteases or inhibitors to block the action of bone resorbing factors.
Necrotic bone and cartilage fragments again contribute the synovial
inflammation.
Improved differentiation in grading of cartilage degeneration by high
resolution MRT as well as validation of molecular markers should be aimed
to identify patients of high risk for rapidly joint destruction. Indication for hip
replacement could be influenced by early diagnosis of RDC before of total
joint destruction.
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1. Einleitung und Aufgabenstellung
1.1 Grundlegende Pathomechanismen der Osteoarthrose Der hyaline Gelenkknorpel stellt die biomechanisch zentrale Struktur in dem
Organsystem der im Dienst der Lokomotion stehenden synovialen Gelenke
dar, die von den artikulierenden Gelenkflächen mit Knorpelüberzug, dem
subchondralen Knochen und der Gelenkkapsel mit der sie auskleidenden
Synovialmembran gebildet werden.
Der hyaline Knorpel des Erwachsenen hat weder eine eigene Blutversorgung
noch eine direkte lymphatische Drainage oder eigene Innervation.
Die hochdifferenzierten Chondrozyten machen beim Erwachsenen nur 2-3%
des Knorpelvolumens aus und stellen den einzigen Zelltyp des hyalinen
Knorpels dar, pluripotente Zellen mit regenerativen Fähigkeiten fehlen (13).
Während das Zellverhalten der Chondrozyten im gesunden adulten
Gelenkknorpel bei stabilem Phänotyp eine geringe metabolische Aktivität
aufweist, kommt es bei der humanen Arthrose zu Aktivierungs- und
Differenzierungsvorgängen, die über eine Veränderung der
Matrixzusammensetzung zu unphysiologischen Interaktionen und zu einem
Überwiegen der degenerativen Vorgänge führen (76).
Die extrazelluläre Matrix repräsentiert mehr als 95% des Gewebevolumens,
wovon wiederum Wasser mit 60 – 80% den Hauptanteil darstellt (49).
Die Matrix wird von den Chondrozyten synthetisiert und erneuert.
Proteoglykane und Kollagene sind die bedeutendsten extrazellulären
Strukturmoleküle des Knorpels. Das Verhältnis der Matrixkomponenten
bestimmt die viskoelastischen Eigenschaften des Knorpelgewebes.
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Das größte Proteoglykan stellt das Aggrekan dar, dessen Moleküle über
Link-Proteine an Hyaluronsäure binden und eine sehr hohe Wasseravidität
aufweisen.
Durch die Einbindung der Proteoglykane in das straffe Kollagenfasernetz
führt der osmotisch bedingte Expansionsdruck zu der prallelastischen
Knorpelkonsistenz (68; 71).
Der hyaline Knorpel beinhaltet die Kollagene II, IX, X, XI und geringere
Mengen des Kollagen Typ VI.
Das Typ-II-Kollagen bildet mit 90-95% der Kollagene deren Hauptbestandteil
und baut mit Typ IX und XI die Kollagenfibrillen auf.
Typ-VI-Kollagen bildet ein eigenes Netz und ist im Knorpel insbesondere in
der perizellulären Matrix der sog. Chondrone lokalisiert (74).
Nur von hypertrophen Chondrozyten in der metabolisch aktiven Zone des
kalzifizierten adulten Knorpels wird das Typ-X-Kollagen synthetisiert (91).
Die zonenspezifisch angeordneten Kollagenfasern bilden die Grundlage für
die Festigkeit und Integrität des Knorpels.
Die Degradation des Knorpels im Rahmen der Arthrose führt allgemein zu
einem kontinuierlichen Knorpelverlust, Strukturänderungen des
subchondralen Knochens und osteophytären Randreaktionen.
Die Balance der anabolen und katabolen Stoffwechselvorgänge und die
Synthese sowie die Funktion der extrazellulären Matrixkomponenten sind
gestört.
Auf zellulärer Ebene können die Chondrozyten einer Proliferation unterliegen
oder programmiert im Sinne der Apoptose bzw. nicht programmiert (Nekrose)
sterben (55). Histologisch können sich somit Cluster, typisch für
Zellproliferationen, als auch leere Lakunen als Zeichen des Zelltods zeigen
(54).
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Durch die Expression anaboler Gene kommt es zur Mehrsynthese von
Typ-II-Kollagen und Aggrekan als Versuch, die geschädigte Matrix zu
reparieren (5). Dennoch findet sich in allen Stadien der Osteoarthrose ein
zunehmender Proteoglykanverlust.
Eine weitere Reaktionsform der Chondrozyten besteht in einer
Dedifferenzierung mit stark veränderter Genexpression, eingestellter
Synthese von Aggrekan und Typ-II-Kollagen sowie Exprimierung der
Kollagene I, III und V. (78)
In der Matrix kommt es einerseits im frühen Stadium der Osteoarthrose zur
Degradation molekularer Komponenten wie des Aggrekans und
eingeschlossener Proteoglykane durch proteolytische Enzyme, insbesondere
der Matrix-Metalloproteinasen, mit resultierend steigendem
Proteoglykanverlust vor allem in den superfiziellen Knorpelschichten (53).
Zum anderen tritt in späteren Stadien ein Verlust der Matrixproteoglykane
und eine Destabilisierung supramolekularer Strukturen wie des
Kollagenfibrillen-Netzwerkes ein, was zu einer makroskopischen Schwellung
und zunehmenden Aufweichung des Knorpels mit erhöhter Rissbildung führt
(76).
Dadurch weist die Gelenkoberfläche makroskopisch eine Aufrauung auf, die
zur Knorpelfibrillation und in späten Stadien zu partiellem oder totalen
Knorpelverlust mit Freilegung des subchondralen Knochens führt.
Die morphologischen, biochemischen und biomechanischen Veränderungen
im Rahmen der Osteoarthrose betreffen alle Gewebe eines Gelenkes und
führen klinisch zu Schmerz, Bewegungs- und Funktionseinschränkung,
Krepitation, Entzündung und Ergussbildung (63).
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Neben den Veränderungen an Knorpel und Knochen bestehen im Rahmen
der Osteoarthrose Mitreaktionen der Synovialmembran und der
Gelenkkapsel, die in frühen Stadien durch molekulare Degradationsprodukte,
später durch abgeriebene Knorpel- und Knochenfragmente verursacht
werden. Es werden monozytäre und lymphozytäre Zellen rekrutiert, die
Deckzellschicht und das Stroma proliferieren mit der Ausbildung villöser
Zotten. Bei der Detritus-Synovialitis findet man die Knorpel-und
Knochenfragmente der Synovialis aufgelagert oder inkorporiert.
Die entzündlichen Veränderungen der Synovialis, Aktivierung von
Synovialzellen und Kapselfibrose sind Korrelate für Schwellung, Schmerz
und Steifigkeit. (62)
1.2 Osteoarthrose des Hüftgelenks Die Osteoarthrose des Hüftgelenkes wird generell in primäre und sekundäre
Formen unterteilt.
Die ca. 75% der Coxarthrosen ausmachenden sekundären Formen
entwickeln sich aus nicht vollständig ausgeheilten Hüftgelenkserkrankungen,
treten meist früher auf als die primäre Form und sind häufiger monoartikulär
(88).
In der Regel ist sowohl die primäre als auch die sekundäre Form der
Coxarthrose mit einer hypertrophen ossären Reaktion vergesellschaftet und
zeigt die typischen radiologischen Zeichen der verstärkten subchondralen
Sklerosierung, Verschmälerung des Gelenkspalts, Ausbildung sekundärer
osteophytärer Randzacken und Entstehung subchondraler Geröllzysten.
Die klinische Symptomatik bei der hypertroph sklerosierenden Coxarthrose ist geprägt von Schmerzen und zunehmender Funktionseinschränkung und schreitet meist langsam über Jahre fort.
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Die rapide destruierende Coxarthrose führt innerhalb von etwa 12 bis 18 Monaten zu einer kompletten und äußerst schmerzhaften Destruktion eines
vorher normalen Hüftgelenkes ohne jegliche präarthrotische Deformität.
Der Begriff der rapide destruierenden Osteoarthrose des Hüftgelenkes wurde
1970 von Postel und Kerboull geprägt (75; 80).
Die Gelenkerkrankung unterscheidet sich von der rheumatoiden Arthritis,
Hüftkopfnekrose oder septischen Arthritiden.
Die Patienten leiden an hochgradigen Schmerzen und raschem
Funktionsverlust, der in eine frühe kontrakte Fehlstellung des Hüftgelenkes
mündet.
Im Rahmen der schmerzbedingten Erstkonsultation findet sich häufig ein
unauffälliger Röntgenbefund der Hüftgelenke.
Die späteren radiologischen Zeichen weisen dann einen rasch
fortschreitenden konzentrischen Verlust des Gelenkspalts mit klein-zystischer
Destruktion des Gelenks sowie eine kortikale Erosion mit atropher
Knochenreaktion ohne die Ausbildung osteophytärer Reaktionen oder einer
subchondralen Sklerosierung auf.
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1.3 Aufgabenstellung Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, die klinischen Verläufe, Pathomorphologie der Degradation des hyalinen Gelenkknorpels, die
sekundären ossären Reaktionen und die Bedeutung der osteoarthrotischen
Synovialitis bei der rapide destruierenden Coxarthrose zu untersuchen und
die spezifischen Charakteristika dieser Form der Coxarthrose darzustellen.
Vergleichend sollen die Unterschiede in Krankheitsverlauf und
Pathomechanismus bei der hypertroph sklerosierenden Form der
Osteoarthrose untersucht und dargelegt werden.
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2. Material und Methoden
2.1 Patientengut und Untersuchungsmaterial Zur Aufnahme in die Studie gelangten konsekutiv insgesamt 28 Fälle, die in
der Orthopädischen Klinik am Krankenhaus Rummelsberg/Schwarzenbruck
die Implantation einer Hüfttotalendoprothese aufgrund einer Coxarthrose
erhielten.
Die Patienten wurden am Tag vor der Operation zur Anamnese hinsichtlich
Anamnesedauer, Schmerzen, Funktions-und Aktivitätseinschränkung befragt
und klinisch untersucht. Zur Anwendung kamen dabei der WOMAC-
Osteoarthrose-Fragebogen (86; 51) und der Harris-Hip-Score (35; 51).
Am gleichen Tage wurde eine laborchemische Untersuchung mit
Bestimmung des C-reaktiven Proteins und der Blutkörperchen-
Senkungsgeschwindigkeit durchgeführt.
Es erfolgte eine präoperative nativradiologische Röntgenuntersuchung der
Hüftgelenke in zwei Standardebenen anterio-posterior und axial nach
Lauenstein.
Die Zuordnung zur Gruppe der rapide destruierenden Coxarthrose oder zum
Vergleichskollektiv der hypertroph sklerosierenden Coxarthrose wurde
aufgrund der präoperativen klinischen und typischen radiologischen Befunde
getroffen.
In die Gruppe der rapide destruierenden Coxarthrose (RDC) wurden 16 Fälle aufgenommen. Der Altersdurchschnitt dieser Gruppe betrug zum
Zeitpunkt der Operation 71,2 Jahre (60 – 89 Jahre).
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In der Vergleichsgruppe der hypertroph sklerosierenden Coxarthrose (HSC) wurden 12 Fälle untersucht. Hier betrug der Altersdurchschnitt 67,3 Jahre (57 – 78 Jahre).
Ausgeschlossen wurden sämtliche Formen sekundärer Coxarthrosen,
Dysplasiecoxarthrosen, Protrusionscoxarthrosen und posttraumatische
Coxarthrosen sowie aseptische Hüftkopfnekrosen, rheumatoide Arthritiden,
septische Coxitiden und kristallinduzierte Arthritiden.
2.2 Gewebeasservierung und Prozessierung
Am Operationstag wurde sofort mit Eröffnung des Hüftgelenkes ein Abstrich
von der Synovialflüssigkeit zur mikrobiologischen Untersuchung entnommen,
wobei sämtliche Ergebnisse negativ waren, wodurch infektiöse Arthritiden im
Untersuchungsgut ausgeschlossen werden konnten.
Von der Hüftgelenkskapsel mit Synovialmembran wurden 2-4 Gewebsproben
entnommen. Aus der zentralen Hauptbelastungszone der resezierten
Hüftköpfe wurden 1-2 frontale Scheiben von 3-4 mm Dicke gesägt.
Beide Präparate wurden sofort noch während der Operation in
Paraformaldehyd 4% fixiert. Die asservierten Präparate wurden im
Pathologischen Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-
Nürnberg (Vorstand: Prof. Dr. Th. Kirchner bzw. Prof. Dr. Th. Papadopoulos)
mikroradiographisch, histologisch und immunhistochemisch untersucht.
Die Bearbeitung der asservierten Gewebeproben erfolgte nach dem
folgenden Protokoll.
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Die zentralen Mittelscheiben der Hüftköpfe von 0,3 – 0,4 cm Dicke wurden
mit 40 kV geröntgt, je nach Dicke 45 – 90 sec. Anschließend erfolgte die
nochmalige Einlage in PFA 4% über mindestens 15 min.
Die Entkalkung erfolgte mit 0,26M EDTA in 1,33% PFA in PBS pH 7,3 über
4 – 6 Wochen. Gegebenenfalls wurde eine Kontrollröntgenuntersuchung zum
Nachweis der vollständigen Entkalkung durchgeführt.
Sowohl die fixierten Kapsel-Synovialis-Proben als auch die entkalkten und
zugeschnittenen Femurkopfscheiben wurden in NaCl 0,9% ausgewaschen
und in einer Alkoholreihe (Ethanol 50% - 80% - 100% je 1 h) dehydriert.
Die Einbettung wurde in Paraffin (Paraplast) vorgenommen und die mit dem
Mikrotom geschnittenen Präparate auf Glasobjektträger aufgebracht.
2.3 Histologische Techniken Alle Präparate wurden gemäß dem Standardprotokoll (38) Hämatoxylin-
Eosin gefärbt. Dabei werden Zellkerne blau-violett, das Zytoplasma und
kollagene Fasern blassrot bis rot dargestellt.
Die Toluidinblau-Färbung ist zur differenzierten Anfärbung der Zellkerne, des
Zytoplasma und Proteoglykane geeignet.
2.4 Immunhistochemie Die Vorbehandlung der Schnitte wurde durch Entparaffinierung in Xylol und
anschließende Rehydrierung in einer absteigenden Alkoholreihe (Ethanol
80% - 50% - H2O) durchgeführt.
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Immunhistochemisch wurden die Knorpel-Knochen-Präparate im Hinblick auf
das Vorkommen und die Verteilung von Kollagen Typ I, II und VI sowie von
Aggrekan mit monoklonalen Antikörpern untersucht.
Hierzu wurden zur Entfernung epitopmaskierender Proteine und
Quervernetzungen die entparaffinierten Schnitte bei 37°C 60 min lang
enzymatische vorbehandelt (Hylase: 2 mg/ml in PBS pH 5; Pronase: 2 mg/ml
in PBS pH 7,3; Protease XXIV: 0,02 mg/ml in TBS).
Unter Verwendung der Alkalischen Phosphatase-Methode (65) wurde nach
zweimaligem Waschen in TBS (Trisphosphat gepufferte Saline mit bovinem
Serumalbumin in Verdünnungslösung) der jeweilige monoklonale
Primärantikörper verdünnt aufgetragen und über Nacht bei 4°C inkubiert.
Zur Verstärkung des Signals wurde nach erneutem dreimaligen Waschen in
TBS mit dem biotin-markierten Brückenantikörper (Link, 1:100) bzw.
darauffolgend mit dem enzymgekoppelten Label (1:100), welches als Basis
für die Farbreaktion mit hoher Affinität an das Biotin des Brückenantikörpers
bindet, für jeweils 30 min bei Raumtemperatur inkubiert.
Die Farbreaktion wurde für 30 min nach erneuter TBS-Behandlung mit
folgender Farblösung durchgeführt: 50 mM Tris-HCl pH 8,2; NaCl 0,9%;
Naphtol 0,2 mg/ml; Dimethylformamid 0,05 mg/ml und 1mg/ml Fast Red.
Nach jeweiligem Auswaschen unter fließendem Wasser für 10 min wurde
das Nachfärben der Zellkerne mit Haematoxylin-Lösung bzw. die Eindeckung
der Präparate mit Aquatex vorgenommen.
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3. Ergebnisse
3.1 Klinischer Krankheitsverlauf und Symptomatik Die Erkrankungsdauer seit Auftreten der ersten Symptome im Bereich der betroffenen Hüfte bis zur Diagnose der manifesten Gelenkdestruktion, die
dann zur Indikationsstellung der Totalprothesenimplantation führte, betrug im
Mittelwert in der Gruppe der Patienten mit hypertroph sklerosierender
Coxarthrose (HSC) 45,5 + 21 Monate, in der Gruppe mit rapide destruierender Coxarthrose (RDC) 11,3 + 5,5 Monate.
Die Patienten wurden am Tage vor der Prothesenimplantation hinsichtlich
Schmerzen, Funktionseinschränkung und Alltagsaktivität standardisiert
befragt und klinisch untersucht.
Der WOMAC-Osteoarthroseindex (Version LK3.0, deutsch), ein vollstandardisiertes Verfahren zur Selbstbeurteilung, umfasst 5 Fragen zu
Schmerzen, 2 Fragen zur Gelenksteifigkeit und 17 Fragen zur
Alltagsaktivität, die mit der Likert-Skala mit 5 Kategorien jeweils in der
Zuordnung „keine, leichte, mittlere, starke oder extreme“ Beschwerden
entsprechend einem Wert 1-5 beantwortet wurden.
Dabei ergab sich im Mittel in der HSC-Gruppe ein Indexwert von 3,41 + 0,71 und in der RDC-Gruppe ein Wert von 3,37 + 0,77.
Der Harris Hip Score beschreibt die Messdimensionen Schmerz, Mobilität, Aktivität des täglichen Lebens und das objektiv erfasste Bewegungsausmaß.
Während die Selbstbeurteilung ca. 91% der Testmethode ausmacht, wird die
objektive Messung mit ca. 9% beschrieben. Bezüglich des
Bewegungsausmasses wird neben der Beurteilung einer
kontraktionsbedingten Deformität und Beinlängendifferenz die Beweglichkeit
im Bogenmaß mit Indices multipliziert, so dass maximal 5,025
Beweglichkeitspunkte erreicht werden können.
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Die Beweglichkeit für Extension/Flexion, Abduktion/Adduktion und
Außenrotation/Innenrotation wurde nach der Neutral-Null-Methode bestimmt.
Die maximal erreichbare Punktzahl des Harris Hip Score bei
Beschwerdefreiheit beträgt 100 Punkte.
In der HSC-Gruppe wurde im Mittel ein Punktwert von 51,5 + 15,4 erreicht, während in der RDC-Gruppe 48,9 + 18,2 Punkte erreicht wurden.
Die präoperative Beweglichkeit wies in der RDC-Gruppe bei 11 von 16 Patienten präoperativ eine schmerzhafte fixierte Flexionskontraktur auf, in
der HSC-Gruppe war eine fixierte Beugekontraktur bei 2 von 12 Patienten nachzuweisen.
Die präoperativ mögliche Gehstrecke wurde von den Patienten der HSC-Gruppe im Mittel mit 1204 + 995 m angegeben, während diese in der RDC-Gruppe noch 397 + 315 m betrug.
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3.2 Laborchemische Befunde Im Rahmen der routinemäßigen präoperativen Labordiagnostik wurden bei
jedem Patienten am präoperativen Tag die Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit (BSG) nach einer und zwei Stunden bestimmt. Der Referenzbereich der gewählten Methode weist bei Männern Werte von
3 – 8 mm/1h bzw. 5 – 18 mm/2h auf. Bei Frauen liegen die Normwerte in den
Bereichen 6 – 11 mm/1h bzw. 6 – 20 mm/2h.
Dabei ergaben sich in der HSC-Gruppe Werte von 8,3 + 4,1 mm/1h und 19,8 + 9,0 mm/2h.
Die Patienten der RDC-Gruppe wiesen in der ersten Stunde Werte von 22,1 + 9,1 mm/1h auf. Der zweite Wert betrug 47,9 + 18,2 mm/2h.
Des Weiteren wurde bei jedem Patienten der Serumwert für das C-reaktive Protein (CRP) analysiert. Der Normwert der gewählten Bestimmungsmethode liegt bei einem Wert bis 0,5 mg/dl.
Die Patienten der HSC-Gruppe hatten präoperative CRP-Werte von 0,5 + 0,1 mg/dl.
In der RDC-Gruppe ergaben sich CRP-Werte von 1,3 + 0,9 mg/dl.
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3.3 Nativradiologische Befunde Die präoperative nativradiologische Röntgenuntersuchung der Hüftgelenke
erfolgte in den Standardebenen anterio-posterior und axial nach Lauenstein.
Die Befunde der HSC-Gruppe wiesen folgende typische nativradiologische Zeichen auf (Abbildung 1-4):
- Gelenkspaltverschmälerung
- subchondrale Sklerosierung
- Osteophytenbildung
- Zysten und Pseudozysten
- Kraniolaterale Subluxation
Abb.1: weibl., G.U., 72 J., präoperativ Abb. 2: Pat. wie 1)
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Abb. 3: weibl., T.M., 73J. Abb. 4: männl., B.W., 67J.
Die nativradiologischen Charakteristika der Hüftgelenksaufnahmen der
RDC-Gruppe sind (Abbildung 5-6): - symmetrische Gelenkspaltverschmälerung bis -verlust
- atrophe Knochenreaktion mit kortikaler Erosion
- kleinzystische Destruktion
- sekundärer Substanzverlust mit Destruktion des Hüftkopfes
Abb. 5: männl., M.W., 72 J. Abb. 6: Pat. wie 5)
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Die Analyse der Entwicklung der nativradiologisch erfassbaren
osteoarthrotischen Veränderungen bis zur Indikationsstellung zur Operation
zeigte einen charakteristisch langen und langsam progredienten Verlauf in
der HSC-Gruppe (Abbildung 7 – 8).
Abb. 7a: männl., W.E., 1980, 49 J. Abb. 7b: 1991, 60 J.
Abb. 7c: 1993, 62 J. Abb. 7d: 1998, 67 J.
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Abb. 7e: 4/2000, 69 J. Abb. 7f: 2/2001, 70 J. präoperativ
Abb. 8a: männl., H.W., 1996, 67 J. Abb. 8b: wie a)
Abb. 8c: 2/2001, 72 J., präoperativ Abb. 8d: wie c)
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In der RDC-Gruppe ließ sich durch die Analyse der Röntgenaufnahmen ein rascher Verlauf der destruierenden Gelenkveränderungen nachweisen, so
dass durchschnittlich innerhalb eines Jahres nach Auftreten der ersten
nativradiologisch erfassbaren Zeichen bereits eine fortgeschrittene oder
völlige Gelenkdestruktion zum Operationszeitpunkt bestand.
(Abbildung 9 – 11).
Abb. 9a: männl., N.G., 6/2000, Abb. 10a: wie 9a), 6/2000 73 J. rechte Hüfte linke Hüfte
Abb. 9b: 5/2001, präoperativ Abb. 10b: 4/2002, präoperativ
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Abb.11a: weibl., E.G. 4/1999, Abb. 11b: 1/2000 66 J.
Abb. 11c: 5/2000, präoperativ Bestanden in der RDC-Gruppe bei der Indikationsstellung zum totalendoprothetischen Gelenkersatz bereits manifeste radiologische
Zeichen der rapide destruierenden Coxarthrose, wie Nachweis eines
symmetrischen Gelenkspaltverlustes, kortikaler Erosion und zystischen
Einbrüchen, so kam es innerhalb von 6 Monaten bis zum
Operationszeitpunkt zu einem sekundären Substanzverlust des Hüftkopfes
mit ausgeprägter Gelenkdestruktion.
(Abbildung 12 – 13).
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Abb. 12 a: weibl. B.K. 12/2000, Abb. 12 b: wie 12 a) 67 J.
Abb. 12 c: 6/2001 präoperativ Abb. 12 d: wie 12 c)
Abb. 13 a: männl., B.K., 79 J., Abb. 13 b: wie 13 a) massive Kopfdestruktion
-
25
3.4 Mikroradiographische Befunde Die nativradiologisch fassbaren Veränderungen im Rahmen der hypertroph-
sklerosierenden Coxarthrose bzw. der rapide destruierenden Coxarthrose
finden sich auch in den mikroradiographischen Befunden wieder.
In der HSC-Gruppe (Abbildung 7 - 10) zeigen sich hierbei die typischen Zeichen der sklerosierenden Coxarthrose am Femurkopf:
- subchondrale Sklerosierung
- Randosteophytenbildung
- Zysten und Pseudozysten
Abb. 7 – 10: Mikroradiographische Aufnahmen von Femurköpfen bei hypertroph
sklerosierender Coxarthrose
-
26
Die aufgearbeiteten Femurköpfe der RDC-Gruppe (Abb. 11 - 16) wiesen kortikale Erosionen und tiefe zystische Knochendefekte, zum Teil mit
sekundärer Kopfdestruktion auf.
Abb. 11 – 16: Mikroradiographische Aufnahmen von Femurköpfen bei rapide
destruierender Coxarthrose
-
27
3.5 Histopathologische und immunhistochemische Befunde
3.5.1 Hypertroph sklerosierende Coxarthrose
Die Gelenkflächenmorphologie der untersuchten Präparate mit sklerosierender Coxarthrose weist die Zeichen der fortgeschrittenen Arthrose
auf.
Das Staging (4) des Gesamtausmaßes der Gelenkdestruktion erreicht bei
allen untersuchten Hüftköpfen zumindest fokal den Grad IV nach Otte (70).
Die Beurteilung des lokalen Schädigungsgrades im Sinne eines Grading (4)
zeigt bei Anwendung des Graduierungssystems nach Mankin (53) bei allen
Hüftköpfen Stadien 8 bis über 10.
Es findet sich histologisch in der HE-Färbung eine hochgradige
Knorpelverschmälerung mit tiefreichenden Substanzdefekten, wobei fissurale
Knorpelläsionen und Knorpelfibrillationen den subchondralen Knochen
erreichen.
In den gewichtsbelasteten Arealen ist ein vollständiger Knorpelverlust mit
Freilegung des subchondralen Knochens zu verzeichnen.
In der fibrillierten Knorpelzone, die den freigelegten subchondralen Knochen
umgibt, sind nur noch wenige Chondrozyten in der oberflächennahen Matrix
nachweisbar (Abbildung 17).
Die Toluidinblaufärbung zeigt in den oberflächlichen Schichten einen
ausgeprägten Proteoglykanverlust bei noch gegebener Anfärbbarkeit in den
erhaltenen tiefen Knorpelschichten (Abbildung 18).
-
28
Abb. 17: Knorpelfibrillation Abb. 18: Proteoglykanverlust
Immunhistochemisch lässt sich ein Verlust von Aggrekan und Kollagen II
in den oberflächlichen Schichten darstellen, während in den tieferen
Zonen eine vermehrte perizelluläre Expression von Kollagen VI besteht
(Abbildung 19).
Abb. 19: Perizelluläre Kollagen VI-
Expression
-
29
Der kortikale Knochen ist intakt, es findet sich eine hypertrophierte
subchondrale Grenzlamelle (Abbildung 20).
In den Bereichen des freiliegenden Knochens finden sich teilweise
Knochennekrosen mit Verlust der Osteozytenkerne und eosinophilem
Granulationsgewebe in den Markräumen.
Abb. 20: Hypertrophe subchondrale
Grenzlamelle
„Geröllzysten“ stellen subchondrale Pseudozysten in den Bereichen des
knorpelfreien Knochens dar. Sie weisen im Lumen zellreiches
Granulationsgewebe mit eingeschlossenen Knochen- und
Knorpelfragmenten auf (Abbildung 21 – 22).
Abb. 21: intakte Kortikalis bei Abb. 22: inkorporierte Knorpel-
subchondraler Zyste und Knochenfragmente
-
30
Die hier untersuchten fortgeschrittenen Stadien zeigen ausgeprägte
Osteophyten und Randexostosen, die aus fibrösem Pannusgewebe mit
eingeschlossenen nekrotischen Knochenfragmenten, sowie aus
chondroiden Anteilen mit Zeichen der enchondralen Ossifikation,
bestehen.
Die untersuchten Gelenkkapselanteile mit synovialer Oberfläche zeigen alle eine ausgeprägte Fibrose und Verdickung der Kapsel.
Es zeigt sich in allen Präparaten eine nur geringgradige chronische
Synoviitis.
Die synoviale Oberfläche ist geringgradig villös-hyperplastisch. Die
synoviale Deckzellschicht ist gering- bis mäßiggradig proliferiert, es findet
sich eine vereinzelte Synoviozytenaktivierung.
Fokal sind geringe lymphoplasmazelluläre Entzündungsinfiltrate
nachweisbar (Abbildung 23 – 24).
Abb. 23 und 24: Synovialmembran bei sklerosierender Coxarthrose
-
31
3.5.2 Rapide destruierende Coxarthrose Die Gelenkflächenmorphologie der Präparate der RDC-Gruppe zeigt ebenso in allen untersuchten Fällen Stadien der fortgeschrittenen
arthrotischen Veränderungen.
Das Gesamtausmaß der Gelenkdegeneration führt auch in dieser Gruppe
unter Zugrundelegung des Staging-Schema von Otte bei allen Fällen zu
einem Grad IV.
Das Grading der Gelenkdestruktion nach Mankin erreicht bei allen
Präparaten die Stadien 8 bis über 10.
Im einzelnen findet sich regelhaft ein nahezu vollständiger Knorpelverlust
mit hochgradiger bis kompletter kortikaler Knochenerosion (Abbildung 25)
Abb. 25: Vollständige Knorpeldestruktion und erodierte Kortikalis bei RDC
Die knorpelentblößten Areale weisen tiefe kraterartige Zysten mit
kortikaler Destruktion auf. Die Zysten sind gefüllt mit fibrösem
Bindegewebe, das nekrotische Knorpel- und Knochenfragmente
einschließt (Abbildung 26 - 27).
-
32
Abb. 26: Vergrößerte mikroradio- Abb. 27: Tiefe kraterartige Zyste bei RDC
grafische Aufnahme einer Zyste mit
kortikaler Destruktion bei RDC
Es zeigt sich eine Proliferation metaplastischer Chondrozyten mit
Ausbildung metaplastischer Knorpelzellnester. Chondroides
Reparationsgewebe findet sich in Form einer pilzförmigen
Regeneratknorpelbildung (Abbildung 28 – 30).
Abb. 28: Proliferation metaplastischer
Chondrozyten mit Bildung von Knorpelzellnestern
-
33
Abb. 29: Chondroide pilzförmige Regenerat-
knorpelbildung
Abb. 30: Fibröses Knorpelregenerat
Diese fibrösen Knorpelregenerate zeigen eine charakteristische
Proteoglykan- und Kollagenverteilung. In der Toluidinblau-Färbung ist
Aggrekan vermehrt an der Wurzel der Regenerate und in den
metaplastischen Chondrozytennestern nachweisbar. Kollagen II ist
immunhistochemisch ebenfalls vermehrt in den Wurzelbereichen der
pilzförmigen Regenerate und in den Knorpelzellnestern anzutreffen,
während Kollagen VI homogen in den Regeneraten vertelt ist.
Kollagen Typ I wiederum ist in den Knorpelzellnestern verstärkt
nachzuweisen (Abbildung 31 – 36).
-
34
Abb. 31 und 32: Toluidinblaufärbung mit typischer Proteoglykanverteilung
Abb. 33: Immunhistochemischer Abb. 34: Homogene Verteilung
Nachweis Kollagen-Typ-II von Kollagen-Typ-VI
Abb. 35 und 36: Kollagen-Typ-I in basalen Knorpelzellnestern
-
35
Die histologische Untersuchung der Gelenkkapsel und Synovialmembran der RDC-Gruppe zeigt eine deutlich geringer ausgeprägte Kapselfibrose als die HSC-Gruppe.
Es findet sich in der HE-Färbung eine extensive villöse Hyperplasie der
zottig gestalteten synovialen Oberfläche und Synoviozytenproliferation bei
allen untersuchten Synovialmembranen. Die Deckzellschicht ist
mehrreihig, die Zellform kubisch bis zylindrisch. Im Zottenstroma finden
sich meist ein Ödem sowie auch fokale histiozytäre Ansammlungen mit
einzelnen mehrkernigen Riesenzellen (Abbildung 37 – 40).
Abb. 37 und 38: Ausgeprägte villöse Hyperplasie
Abb. 39 und 40: Aktivierte Synoviozyten in mehrreihiger Zelllage
-
36
Vorherrschend ist in allen Fällen das Bild einer moderaten
Detritussynoviitis mit inkorporierten Knorpel- und Knochenfragmenten.
Das Stratum synoviale weist dabei ein unterschiedlich faserreiches
Granulationsgewebe mit Einschluß von zahlreichen Knorpel- und
Knochensequestern auf. Im Randbereich der Fragmente liegt gefäß- und
zellreiches Granulationsgewebe, zum Teil mit Osteoklasten sowie
schütteren lymphoplasmazellulären und granulozytären Infiltraten
(Abbildung 41 – 42).
Abb. 41 und 42: Detritus-Synoviitis
Abschnittsweise findet man auch Synoviaareale mit gesteigerter
Proliferation der synovialen Fibroblasten.
Umschrieben in faserreicheren Narbenarealen auch metaplastischer
hyaliner Knorpel und lamellärer Knochen mit desmaler Ossifikation,
teilweise unter Einschluß von Fettmark.
-
37
Bei Synoviapräparaten von 9 der 16 Patienten der RDC-Gruppe lassen
sich neben einer diffusen lymphozytären Infiltration auch fokale
Lymphozytenaggregate im Stroma als Ausdruck einer
lymphoplasmazellulären entzündlichen Synoviitis nachweisen
(Abbildung 43 – 44).
Abb. 43 und 44: Fokale Lymphozytenaggregate
-
38
4. Diskussion Die grundlegenden Pathomechanismen der Osteoarthrose waren in den
vergangenen Jahren Gegenstand zahlreicher Arbeiten, insbesondere auf
immunhistologischen und molekularbiologischen Gebiet. Dennoch ist auch
heute die Ätiologie und Pathogenese der Arthrose in ihrer Komplexität noch
nicht letztendlich geklärt.
Mohr definiert die Arthrose als die Krankheit, „bei der eine Knorpelzerstörung
ohne andere assoziierte klinisch, radiologisch oder laborchemisch
diagnostizierte definierbare Krankheiten vorliegt.“ (62)
Die auslösenden Faktoren und der Mechanismus der Gelenkdestruktion bei
der rapide destruierenden Coxarthrose in Abgrenzung zu den pathogenetischen Vorgängen bei der hypertroph sklerosierenden
Coxarthrose sind ebenso bisher nicht geklärt.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die klinischen, radiologischen und
pathomorphologischen Besonderheiten der rapide destruierenden
Verlaufsform der Coxarthrose darzulegen und vergleichend in die
derzeitigen Erkenntnisse über die Gelenkdegradation bei der Osteoarthrose
des Hüftgelenks einzuordnen.
4.1 Historische Einordnung In der Betrachtung des historischen Kontext fällt zunächst die Schwierigkeit
auf, für das multifaktorielle Krankheitsbild der Arthrose eine
Begriffsbezeichnung und Klassifikation zu finden, die die verschiedenen
pathogenetischen und nosologischen Aspekte berücksichtigt. In dem
Bemühen um eine Differenzierung der degenerativen Gelenkerkrankungen
gelang den Autoren zunächst jedoch weder eine ätiologische noch formale
oder kausale pathogenetische Abgrenzung.
-
39
Brodie beschreibt 1821 zusammenfassend seine pathologischen Befunde
über die Arthrose wie folgt (11):
„Ulceration des Knorpels kann Folge einer Entzündung seiner eigenen
Substanz oder der Oberfläche des Knochens seyn, mit welcher er in
Verbindung steht. Aber in vielen Fällen sind keine deutlichen Spuren einer
vorhergegangenen entzündlichen Thätigkeit weder in dem einen noch in dem
anderen Theile, und die Entzündung, welche nachher statt findet, scheint
eher ein Begleiter, als die Ursache eines Ulcerationsprocesses zu seyn.“
Die Bemühungen um eine Differenzierung entzündlicher und degenerativer
Krankheitsprozesse prägten auch Ende des 19. und Anfang des 20.
Jahrhunderts die Suche nach einer Begriffsbestimmung und Definition der
arthrotischen Gelenkerkrankung. Virchow sprach 1860 von der „Arthritis
deformans“ und auch von Volkmann beschrieb 1865 die „Arthritis deformans“
als eine Krankheit des hohen Alters, die mit ossifizierender Hyperplasie der
Knorpel des Gelenks und subchondraler Atrophie der Epiphysen einhergehe.
Entzündliche Erscheinungen seien meist sekundär, so dass durch schwartige
Verdickungen von Kapseln und Bändern und über Wucherungen der
Knochenränder die deformierende Gelenkentzündung sich entwickle (93).
Müller schlug dann im Jahre 1913 anläßlich des „XVII. International
Congress of Medicine“ in London eine Unterscheidung der eigentlichen
Arthritis und der nichtentzündlich degenerativ verursachten „Arthropathia
deformans“ vor (62).
Nach Wessinghage prägte der Internist Aßmann 1925 schließlich die Termini
Arthrose und Osteoarthrose anlässlich eines Vortrags auf der
„16. Tagung der Deutschen Röntgengesellschaft“ in Bad Nauheim (93).
Wessinghage verweist jedoch abschließend auf eine frühere Nennung des
Begriffes „Arthrosia acuta et chronica“ durch Good im Jahre 1817 in dessen
Arbeit „A physiological system of nosology; with a corrected and simplified
nomenclature“ (93).
Betrachtet man speziell die Entwicklung des Begriffes „Koxarthrose“, so
spiegelt sich auch hier der jeweilige Kenntnisstand über die Pathologie der
-
40
Arthrose wider. So finden sich in der frühen Literatur Begriffe wie „Coxalgie“,
„Morbus articuli femoris“ oder „Morbus coxarius“ (62).
Wollenberg zitiert in seiner Arbeit über die „Arthritis deformans“ aus dem
Jahre 1910 den irischen Arzt Adams, der 1839 die Koxarthrose
charakterisiert durch eine „Verdickung der Faserknorpel… hyperämischen
Zustand der Synovialgebilde, die wuchernde Knochenneubildung, welche um
die Pfanne herum geschieht, sie vertieft oder ihren Rand mit knöchernen
Knötchen umgibt…“ (94).
Schoeman will in seinem Buch über das „Malum coxae senile“ 1851 der
degenerativen Koxarthrose „ … in pathogenetischer und diagnostischer Sicht
eine gleiche selbständige Würdigung … wie anderen Hüftgelenkkrankheiten“
geben (82).
Rauschmann stellt fest, dass Ende des 19. Jahrhunderts entzündlich-
rheumatische von degenerativen Gelenkleiden unterschieden wurden,
pathogenetische Zusammenhänge bezüglich der degenerativen Formen
jedoch im Dunkeln blieben (77).
Hackenbroch prägte 1943 den Begriff der „präarthrotischen Deformität“ und
sah die Arthrose als eine „Sekundärkrankheit“, die immer Folge eines
vorausgehenden pathologischen Geschehens sei, welches eine Störung des
Gleichgewichtes von Leistung und Beanspruchung eines Gelenkes bewirke
(33).
Pauwels stellte die biomechanischen Gesichtspunkte in den Fokus seiner
Arbeiten über die Arthroseentstehung, indem er zeigte, dass eine
Inkongruenz des Gelenkes zu einer pathologischen Druckbelastung und
damit zur Arthrosis deformans führt (72).
Mutter stellt in einer radiologischen Studie 1975 fest, dass nur bei 3,7 % der
Patienten die Ätiologie der Koxarthrose nicht festzustellen sei, während in
-
41
den anderen Fällen die Arthrose auf der Grundlage präarthrotischer Faktoren
entstand (64).
Die Bedeutung präarthrotischer Faktoren wird auch durch die Arbeit von
Solomon deutlich, der nur bei 8,3 % der untersuchten 327 Fälle keine
eindeutige Ursache für die „osteoarthritis of the hip“ fand (83).
Die meisten erschienenen pathologisch-anatomischen, radiologischen und
klinischen Arbeiten zur Coxarthrose haben Formen mit langsamer
progressiver Entwicklung der Krankheit zum Gegenstand. Das Studium der
rapide destruierenden Coxarthrose beginnt erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und erst 1970 wird das Krankheitsbild in der Literatur
definiert.
Wenn König 1889 eine aggressive Form der monoartikulären Arthritis
deformans wie folgt beschreibt: „Im Laufe eines Jahres kann ein
Hüftgelenkskopf fast verschwunden, die Pfanne weit gewandert sein und
zwar nicht bloß nach hinten und oben, sondern geraden Weges nach vorne,
so dass die verkürzte Extremität völlig nach außen rotiert erscheint“, so
würde dies zwar eine passende Beschreibung des Krankheitsverlaufes der
rapide destruierenden Coxarthrose darstellen, jedoch ist es in Anbetracht des
damaligen Forschungsstandes wahrscheinlicher, dass er von der synovialen
„Arthritis deformans der Internisten“ auf der Basis entündlich-rheumatischer
Gelenkleiden schreibt (40; 77).
Im Jahre 1957 beschreibt Forestier eine Coxarthroseform mit rascher
Gelenkdestruktion bei Frauen über 60 Jahren, die ihn an eine monoartikuläre
Coxitis denken lässt. Aufgrund negativer Rheumafaktoren sowie einer
normalen Blutsenkungsgeschwindigkeit erwähnt er jedoch die Möglichkeit
einer besonderen Form der Coxarthrose, ohne jedoch zu diesem Zeitpunkt
bereits das Krankheitsbild zu definieren (27).
Merle-Vincent et al. geben in ihrer Arbeit über die rapide destruierende
Coxarthrose (59) an, dass Pietrogrande ebenfalls 1957 eine rapide
Verlaufsform der Hüftkopfzerstörung beschreibe, die in wenigen Monaten zu
-
42
einer vollständigen Gelenkzerstörung mit Destruktion des subchondralen
Knochens führe (73). Allerdings berichten Pietrogrande und Mastromarino in
der erwähnten Arbeit nicht über einen Fall der rapide destruierenden
Coxarthrose, sondern über eine Femurkopfnekrose unter Cortisontherapie.
1962 vertiefen Forestier einerseits und Lequesne andererseits die Hypothese
einer destruierenden nicht-rheumatischen Form der Coxarthrose und
schlagen die Bezeichnungen „coxarthrose destructrice rapide“ bzw. „
coxopathie chondrocephalolytique rapide“ vor (7).
Diese Bezeichnung findet zunächst keine generelle Akzeptanz, im Jahre
1963 spricht Coste von der „coxarthrose usante“ (19).
Waren die genannten französischen Autoren wohl die ersten, die diese
Hüfterkrankung beschrieben, so haben ebenfalls französische Autoren die
ungewöhnlich rasch fortschreitende Gelenkdestruktion als wichtigstes
Kriterium für die Definition der rapide destruierenden Coxarthrose formuliert.
Die Veröffentlichungen von Lequesne (45) sowie von Roux, Kerboull und
Postel (80) aus dem Jahre 1970 legten die Definition und diagnostischen
Kriterien fest.
Demnach ist die rapide destruierende Coxarthrose eine Form der
Coxarthrose mit einem Knorpelverlust von mindestens 2 mm pro Jahr.
Andere ätiologische Faktoren für die Gelenkdestruktion wie infektiöse,
rheumatisch-entzündliche, traumatische oder metabolische Ursachen sind
ebenso wie eine aseptische Hüftkopfnekrose auszuschließen (48).
-
43
4.2 Epidemiologie, klinische Symptomatik und Krankheitsverlauf
Betrachtet man zunächst die epidemiologischen Daten zur Coxarthrose, so ist festzuhalten, dass es nur wenige Angaben über die Häufigkeit der rapide
destruierenden Form gibt.
Während bei etwa 10-20 % der europäischen Bevölkerung die radiologischen
Zeichen einer Coxarthrose nachweisbar sind, ist die klinische Prävalenz nur
mit etwa 5 % anzusetzen. Pro Jahr werden in Deutschland pro 100 000
Einwohner etwa 100 Hüfttotalendoprothesen aufgrund einer Coxarthrose
implantiert (31).
Sun et al. (87) gaben 1997 einen Überblick über die heterogene Datenlage
zu Prävalenz und Inzidenz der Osteoarthrose. Die jährliche Inzidenz der
klinisch manifesten Koxarthrose lag zwischen 10 und 195 pro 100 000
Personenjahren. Die radiologische Prävalenz lag bei Personen ab dem 55.
Lebensjahr zwischen 0,9 % und 25 % bei Männern und variierte von 0,6 %
bis 16 % bei Frauen.
Charrois et al. (14) geben den Anteil der rapide destruierenden Coxarthrose mit 5 bis 10 % aller Patienten mit einer degenerativen Hüftgelenkserkrankung an.
In der Erstbeschreibung von Roux, Kerboull und Postel 1970 wird eine Rate
von 5,67 % RDC von allen Coxarthroseoperationen angegeben (80).
Auch Lequesne erwähnt im gleichen Jahr eine Häufigkeit von 5-6 % aller
Coxarthrosepatienten der Klinik (48).
Bouvier (10) gibt 1985 eine Zahl von 3 % RDC aller in die Klinik
aufgenommenen Patienten mit Coxarthrose an, während Dougados 1997 in
einer prospektiven Längsschnittbeobachtung von 436 ambulanten
Coxarthrosepatienten eine Rate von 9,4 % mit RDC nennt (24).
-
44
Der Altersdurchschnitt der Patienten mit rapide destruierender Coxarthrose
wird in der Literatur mit 65 Jahren (Verteilung ca. 50 – 80 Jahre) angegeben
(7; 46). Das durchschnittliche Alter der von Rosenberg operierten Patienten
lag bei 76,4 Jahren (79) und Conrozier fand in seiner vergleichenden Arbeit
einen Durchschnitt von 71 Jahren der Patienten mit RDC, dagegen nur 60,5
Jahre der Patienten mit gemeiner Coxarthrose (15).
In der vorliegenden Arbeit liegt der Altersdurchschnitt der untersuchten
Patienten mit RDC bei 71,2 Jahren, in der HSC-Gruppe bei 67,3 Jahren.
In 80-90 % der Fälle weist die rapide destruierende Coxarthrose eine
unilaterale Manifestation auf. Trevisan et al. (89) analysiert den Fall eines
Patienten mit bilateraler Destruktion beider Hüften mit einem zeitlichen
Intervall von 10 Monaten.
In der vorliegenden Arbeit war in allen Fällen mit RDC nur ein Hüftgelenk
betroffen.
Die klinische Symptomatik der Coxarthrose ist geprägt durch Schmerz und zunehmenden Funktionsverlust. Anamnestisch werden vorzeitige Ermüdung
bei gewohnter Belastung, Einlaufsteifigkeit und leichtes Hinken angegeben,
gefolgt von Einlaufschmerz, später auch ständiger Belastungsschmerz mit
Reduzierung der Gehstrecke sowie Dauer- und Ruheschmerz.
Der Schmerz wird lokalisiert in Leiste, Trochanterregion und Gesäß sowie
typisch ausstrahlend in den Oberschenkel bis Kniehöhe (34).
Die klinische Untersuchung zeigt anfangs eine diskrete schmerzhafte
Einschränkung der Rotation und Abduktion, später auch der Flexion.
Ein hinkendes Gangbild kann schmerzbedingtes Schonhinken,
Insuffizienzhinken als Folge einer zunehmenden Abduktoren- und
Extensorenschwäche oder ein Verkürzungshinken aufgrund einer fehlstatisch
bedingten funktionellen Beinverkürzung darstellen (31).
-
45
Im weiteren Verlauf können sich Atrophien der pelvitrochantären Muskulatur
sowie Kontrakturen entwickeln, insbesondere im Sinne einer Flexions-
Außenrotations-Adduktionskontraktur (34).
Die Algofunktionsscores bei Coxarthrose berücksichtigen die Ausprägung
von Schmerz und Steifigkeit sowie Einschränkungen der Beweglichkeit,
Funktion und Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL).
In der vorliegenden Arbeit wurden bei Verwendung des WOMAC-Osteoarthroseindex und des Harris Hip Score zum Zeitpunkt der Klinikaufnahme keine signifikant unterschiedlichen Indexwerte bzw.
Punktwerte in den beiden Gruppen RDC und HSC ermittelt.
Dies ist dadurch erklärbar, dass es sich bei dem ausgewählten Patientengut
in beiden Gruppen um Patienten mit fortgeschrittener Coxarthrose handelt,
so dass wesentliche Unterschiede bezüglich Schmerzausprägung,
Funktionseinschränkung und Alltagsaktivität nicht zu erwarten sind.
Allerdings zeigte sich in der RDC-Gruppe bei 11 von 16 Patienten (68,8%)
eine schmerzhaft fixierte Flexionskontraktur, während nur 2 von 12 (16,6%)
Patienten der HSC-Gruppe eine fixierte Kontraktur aufwiesen.
Unterschiede fanden sich auch in der subjektiv von den Patienten
eingeschätzten präoperativ möglichen Gehstrecke, die in der HSC-Gruppe
mit durchschnittlich noch 1204 m, in der RDC-Gruppe mit 397 m angegeben
wurde.
In der Literatur wird die klinische Symptomatik ohne generelle Unterschiede
zwischen beiden Gruppen entsprechend wiedergegeben.
Charakteristisch findet man jedoch auch das gehäufte Auftreten einer
schmerzhaften Flexionskontraktur bei Patienten mit rapide destruierender
Coxarthrose (45; 20).
Die wesentliche Bedeutung des Krankheitsverlaufes für die Differenzierung der langsam progredienten hypertroph sklerosierenden Coxarthrose von der
rapide destruierenden Form findet sich bereits in der Begriffsbestimmung und
-
46
Definition der letzteren Arthroseform und wurde bereits in den ersten
Veröffentlichungen als krankheitsspezifisch betont (27; 19; 45; 80).
Die Erkrankungsdauer seit Beginn der Symptomatik der betroffenen Hüfte bis zur Diagnosestellung der manifesten fortgeschrittenen Coxarthrose bzw.
Gelenkdestruktion, die dann zur Indikation zur
Totalendoprothesenimplantation führte, zeigte auch in der vorliegenden
Arbeit eindeutige Unterschiede. Von den Patienten der HDC-Gruppe wurde
die Erkrankungsdauer im Mittel mit 45,5 (+ 21) Monaten angegeben,
während diese in der RDC-Gruppe nur 11,3 (+ 5,5) Monate betrug.
Von Tron et al. (90) sowie von Lequesne (47) wird der durchschnittliche
Knorpelverlust pro Jahr bei der gemeinen Coxarthrose auf 0,2 bis 0,3 mm
geschätzt, während es bei der rapide destruierenden Coxarthrose innerhalb
von zwei Jahren in der Regel zu einem vollständigen Aufbrauch des
Gelenkspaltes kommt. In der prospektiven Studie von Lequesne (46) wird
eine Reduzierung der Gelenkspaltweite um 96 % in einem Jahr angegeben.
4.3 Bedeutung laborchemischer Befunde In der vorliegenden Arbeit wurden zum Zeitpunkt der präoperativen
Labordiagnostik einen Tag vor der Operation die Blutkörperchen-
Senkungsgeschwindigkeit (BSG) und der Serumwert für das C-reaktive
Protein (CRP) bestimmt.
Die übrige Routinelabordiagnostik erbrachte hämatologisch im kleinen
Blutbild in allen Fällen normale Leukozytenzahlen. Der bestimmte
Rheumafaktor im Serum war in allen Fällen negativ.
In der HSC-Gruppe betrug die BSG im Mittel 8,3 mm/1h zu 19,8 mm/2h, in der RDC-Gruppe im Mittel 22,1 mm/1h zu 47,9 mm/2h.
-
47
Die Bedeutung der Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit (BSG) als ein
unspezifischer Parameter darf nicht zu hoch eingestuft werden.
Die Beschleunigung zeigt eine gute Korrelation zur Intensität der klinischen
Krankheitsaktivität und Floridität der Erkrankung. Der Wert stellt einen
wichtigen Verlaufs- und Aktivitätsparameter dar und besitzt hierfür eine hohe
Sensitivität. Es gelingt meist eine Differenzierung zwischen entzündlicher und
nicht-entzündlicher Erkrankung (69).
Mehrere Autoren geben eine Beschleunigung der BSG über 20 mm in der
ersten Stunde in nur 20 bis 30 % der Fälle der Patienten mit nachgewiesener
RDC an (45; 80; 12).
Wenngleich ein erhöhter Wert in der Routinediagnostik nicht als spezifisch
angesehen werden kann, sollte er bei unklaren Hüftschmerzen bestimmt
werden, auch im Hinblick auf den differenzialdiagnostischen Ausschluss
septischer und anderer entzündlicher Arthritiden, bei welchen regelhaft
ausgeprägtere Beschleunigungen der BSG vorliegen.
Das C-reaktive Protein im Serum (CRP) wies in der HSC-Gruppe einen mittleren Wert von 0,5 mg/dl auf, in der RDC-Gruppe betrug dieser Wert 1,3
mg/dl.
Das C-reaktive Protein (CRP) stellt im Vergleich mit der BSG einen
empfindlicheren Parameter dar. Als „Akute-Phase-Protein“ wird es bei
entzündlichen und gewebsschädigenden Prozessen freigesetzt.
Normale CRP-Werte lassen akut-entzündliche, bakterielle und meist auch
rheumatoide Erkrankungen ausschließen (69).
Das CRP ist bei der rapide destruierenden Coxarthrose meist normal oder
gering erhöht. Conrozier et al. fand trotzdem einen bis zu dreifach erhöhten
Wert im Vergleich zur gemeinen Coxarthrose (16).
-
48
Im Hinblick auf den rapiden Verlauf der Hüftdestruktion wäre die Validierung
sensitiver und spezifischer Laborparameter im Sinne von „Biomarkern“ der
Osteoarthrose von eminenter klinischer Bedeutung (29; 25).
Masuhara et al. haben 2002 bei der rapide destruierenden Coxarthrose im
Vergleich mit Patienten mit gemeiner Coxarthrose signifikant erhöhte Serum-
und Plasmakonzentrationen von Metalloproteinasen MMP-3 und MMP-9
nachgewiesen (56; 57).
Die Bedeutung des „Cartilage Oligomeric Matrix Protein“ (COMP) als
Prädiktor einer raschen Progression der Knorpelzerstörung könnte
insbesondere für die Früh- und Verlaufsdiagnostik der rapide destruierenden
Coxarthrose von Bedeutung sein (32).
Hohe COMP-Spiegel stellen einen möglichen brauchbaren Marker für den
bereits veränderten Knorpelstoffwechsel am Beginn von Arthrosen dar (30;
18).
COMP ist vorwiegend in der territorialen Matrix um Chondrozyten lokalisiert
und ist wesentlich an der Chondrogenese beteiligt (36). Beim Abbau von
Gelenkknorpel gelangt COMP zunächst in die Synovialflüssigkeit und kann
dann quantitativ im Serum mittels ELISA erfasst werden. Problematisch ist
jedoch die mangelnde Spezifität des COMP für hyalinen Gelenkknorpel, da
es auch in anderen bindegewebigen Strukturen und der Synovialmembran
vorkommt.
Garnero et al. (28) berichten 2003 über eine Untersuchung von 12 Patienten
mit rapide destruierender Coxarthrose und 28 Patienten mit langsam
progredienter sklerosierender Coxarthrose, bei welchen die Degradation des
Typ-II-Kollagen durch die Urinkonzentration des C-terminalen Crosslink-
Telopeptids des Kollagen Typ II (CTX-II) bestimmt wurde. Dabei fanden sich
signifikant erhöhte Konzentrationen bei den Patienten mit RDC im Vergleich
zu der langsam progredienten Coxarthrose-Gruppe. Auch bestand eine
-
49
Korrelation erhöhter Werte zur radiologisch gemessenen
Gelenkspaltverschmälerung.
Die Autoren kommen zu dem Schluß, dass CTX-II einen brauchbaren
molekularen Marker für die Identifizierung von Coxarthrosepatienten mit
einem hohen Risiko für eine rapide Gelenkdestruktion darstellen kann.
Conrozier et al. (17) können allerdings in einer im Jahre 2004
veröffentlichten fallkontrollierten Cross-over-Studie an 50 Patienten im
Vergleich von hypertrophen Coxarthrosen mit „atrophen“ destruierenden
Formen keine signifikanten Unterschiede für CRP, COMP, Hyaluronsäure,
TIMP-1, Typ-I-Prokollagen, CTX-I oder MMP-1 nachweisen.
4.4 Interpretation und klinische Konsequenzen der radiologischen und mikroradiographischen Ergebnisse Neben dem klinischen Krankheitsverlauf, der bei Patienten mit rapide
destruierender Coxarthrose meist innerhalb eines Jahres zur Indikation zur
Totalendoprothesenimplantation führt, stellen die radiologisch fassbaren
Veränderungen spezifische Kriterien für die Diagnosestellung und
Unterscheidung von der hypertroph sklerosierenden Coxarthrose dar.
In der vorliegenden Arbeit wiesen die Hüftgelenke der HSC-Gruppe die
bekannten charakteristischen Zeichen der Coxarthrose auf:
Gelenkspaltverschmälerung, subchondrale Sklerosierung,
Osteophytenbildung, Zysten und Pseudozysten sowie kraniolaterale
Subluxation.
Die präoperativen Aufnahmen der Hüftgelenke der RDC-Gruppe dagegen
zeigten folgende Merkmale:
symmetrische Gelenkspaltverschmälerung bis hin zum totalen Verlust des
radiologisch darstellbaren Gelenkspaltes, atrophe Knochenreaktion mit
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50
kortikaler Erosion, kleinzystische Destruktion und sekundärer
Substanzverlust des Femurkopfes mit Destruktion des Hüftgelenkes.
Diese spezifischen Veränderungen fanden sich auch in den
mikroradiographischen Aufnahmen der gefertigten frontalen
Femurkopfscheiben verdeutlicht wieder.
Die rasche Progredienz der Gelenkdestruktion in der RDC-Gruppe konnte
auch in der Analyse der vorliegenden Röntgenaufnahmen seit
Erstvorstellung in der Klinik bzw. im Vergleich mit den extern ambulant
gefertigten Aufnahmen festgestellt werden. In Unterscheidung zu den
langsam über Jahre hinweg sich entwickelnden Zeichen der hypertroph
sklerosierenden Coxarthrose fand sich in der RDC-Gruppe eine rasche
Progredienz, die innerhalb eines Jahres bereits zu einer fortgeschrittenen
oder völligen Destruktion des Hüftgelenkes führte.
Waren zum Zeitpunkt der Indikationsstellung zur Operation bereits eindeutige
Zeichen einer RDC radiologisch nachweisbar, so entwickelte sich bis zum
Operationszeitpunkt innerhalb von 6 Monaten eine Destruktion des
Femurkopfes.
Dieser spezifische rapide Verlauf der radiologisch nachweisbaren
destruierenden Gelenkveränderungen findet sich auch in der Literatur
wieder.
Rosenberg et al. (48) berichten 1992 über die retrospektive Analyse von 24
operierten Patienten mit RDC mit einer durchschnittlichen Symptomdauer
von 1,4 Jahren. Andere Ursachen für die Gelenkzerstörung wie
Femurkopfnekrose, Infektion, rheumatoide Arthritis,
Stoffwechselerkrankungen oder neurologische Ursachen wurde
ausgeschlossen. Die Röntgenbefunde waren typisch: in 70 % bereits
Femurkopfdestruktion mit Subluxationstendenz, in allen Fällen hochgradige
Gelenkspaltverschmälerung und subchondrale Zysten. Osteophyten waren
gar nicht oder nur gering ausgeprägt nachweisbar. Bei 9 Patienten standen
frühere Aufnahmen zur Verfügung, durchschnittlich 18 Monate vor der
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51
Operation, welche alle nur milde Zeichen der allgemeinen Coxarthrose
aufwiesen.
Bock et al. (8) haben 1993 über 27 Hüftgelenke berichtet mit einer
durchschnittlichen Dauer von 14 Monaten bis zur radiologisch
nachgewiesenen Gelenkdestruktion nach anfänglich negativem
Röntgenbefund im Rahmen der schmerzbedingten Erstkonsultation, bei
Ausschluss eines Falles mit einem Intervall von 5 Jahren sogar nur 4
Monate. Die Autoren fanden ebenfalls einen progressiven Verlust des
Gelenkspaltes, nur geringe Sklerosezeichen, keine Osteophyten in 22 Fällen
sowie in 70 % eine hochgradige Femurkopfdestruktion.
Llauger et al. (50) fassen die radiologischen differenzialdiagnostischen
Zeichen der nichtseptischen „Monoarthritis“ zusammen und kommen zu den
gleichen Ergebnissen wie die o.g. Autoren sowie die vorliegende Arbeit.
In klinischer Hinsicht fällt sowohl in der Literatur als auch bei unserem
Patientengut der späte Zeitpunkt der Diagnosestellung mit
nativradiologischen Mitteln auf. Während zum Zeitpunkt der ambulanten
Erstkonsultation aufgrund des Leitsymptoms Schmerz häufig ein unauffälliger
Befund oder allenfalls diskrete Zeichen einer beginnenden gemeinen
Coxarthrose vorliegen, zeigt sich bei Indikationsstellung zur
Endoprothesenimplantation in der Regel innerhalb eines Jahres oder in
wenigen Monaten eine hochgradige Gelenkdestruktion.
Auf die mangelhafte Erfassbarkeit von Frühstadien der Coxarthrose mit
konventioneller Röntgendiagnostik haben Locher, Ganz et al. (51) 2001 bei
der allgemeinen Coxarthrose hingewiesen: in einer retrospektiven Analyse
von Röntgenaufnahmen der Hüfte von 30 Patienten durch zwei Orthopäden
und einen Radiologen wurden die konventionellen Röntgenbilder in 20 % der
Fälle als normal beurteilt, obwohl das ebenso vorliegende Arthro-MRT und
der intraoperative Befund in 90% einen substantiellen Knorpelschaden
zeigten.
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52
Auf die Stärke der Magnetresonanztomografie, den Knorpel hinsichtlich
Volumen und struktureller Veränderungen sichtbar zu machen, weisen auch
Zacher et al. 2006 hin (98). Durch geeignete Wahl der Parameter könnten
selbst innerhalb des Knorpels gelegene pathologische Veränderungen
sichtbar gemacht werden, auch wenn eine qualitative Darstellung des
hyalinen Knorpels bisher nicht eindeutig validiert ist.
Die Bedeutung der MRT speziell für die Diagnose der rapide destruierenden
Coxarthrose haben 2002 Boutry et al. an 12 Patienten mit RDC analysiert
(9). Allerdings erfüllten die eingeschlossenen Patienten bereits die Kriterien
einer RDC zum Zeitpunkt der MRT-Untersuchung, wiesen also bereits einen
Knorpelverlust von über 2 mm oder eine Gelenkspaltverschmälerung von 50
% in einem Jahr auf. Die MRT-Befundung zeigte in 100% der Fälle einen
Gelenkerguss, in 100 % ein Knochenmarksödem am proximalen Femur,
83 % am Acetabulum, in 92 % eine Femurkopfabflachung und in 83 %
zystenartige subchondrale Defekte. Des Weiteren wurden Linien von
geringer Signalintensität im Bereich der Femurepiphysen, streifenartige
Zonen geringer Signalintensität im subchondralen Knochen des Femurkopfes
und fokale Signalabnormitäten in den umgebenden Weichteilen gefunden.
Eine prospektive Untersuchung zur Validierung kernspintomografischer
Befunde in Frühstadien der rapide destruierenden Coxarthrose wäre zur
Abklärung der Bedeutung dieses Untersuchungsverfahrens für eine frühere
Diagnosestellung wünschenswert (92).
Die verbesserte Differenzierung des Degenerationsgrades des
Gelenkknorpels durch hochauflösende MRT und damit frühzeitige
Diagnosestellung der RDC könnte die Indikationsstellung zum
endoprothetischen Gelenkersatz positiv beeinflussen.
Die Analyse von Krankenblättern früherer Jahre der Orthopädischen Klinik
Wichernhaus zeigte, dass in einigen Fällen bei Patienten mit RDC ohne
nativradiologisch erkennbare fortgeschrittene Gelenkdestruktion
gelenkerhaltende Operationen mit offener Synovektomie durchgeführt
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53
wurden. In der Mehrzahl der Fälle waren schlechte Ergebnisse mit
anschließend dennoch rascher Gelenkdestruktion zu verzeichnen. Die
Möglichkeit einer präoperativen kernspintomografischen Darstellung der
bereits bestehenden Knorpeldegeneration hätte die Einschätzung der
prognostischen Wertigkeit einer alleinigen Synovektomie relativieren können.
Des Weiteren stellt eine möglichst frühzeitige Diagnosestellung einen
wichtigen Aspekt im Hinblick auf die endoprothetische Versorgung der
Patienten dar. Zum einen sind dadurch Phasen hochgradiger Schmerzen
und Mobilitätsverlust rechtzeitig vermeidbar, zum anderen lässt die zeitnahe
Implantation einer Totalendoprothese technische und biomechanische
Probleme der Prothesenverankerung reduzieren, die durch eine
zunehmende ossäre Destruktion bedingt werden. Die Kenntnis einer
zugrundliegenden RDC erfordert neben einer totalen Synovektomie eine
sorgfältige Bearbeitung der Verankerungsflächen mit Resektion
bindegewebiger zystischer Veränderungen, Anfrischung der ossären
Oberflächen und evtl. eine Spongiosatransplantation. Außerdem ist die
Verwendung spezieller Implantate mit entsprechender Oberflächenstruktur
zu erwägen, um die össäre Integration zu verbessern und osteolytisch
bedingte frühzeitige Pfannenlockerungen zu vermeiden.
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54
4.5 Pathogenetische und strukturelle Besonderheiten der rapide destruierenden Coxarthrose In der vorliegenden Arbeit wurden sämtliche am Operationstag asservierten
Präparate in Form von frontalen zentralen Femurkopfscheiben und der
Hüftgelenkskapsel mit Synovialmembran einheitlich prozessiert und
histopathologisch sowie immunhistochemisch untersucht.
Die Gelenkflächenmorphologie der langsam progredienten, hypertroph sklerosierenden Coxarthrose zeigt dabei eine hypertrophierte und weitgehend intakte Kortikalis unterhalb des hochgradig verschmälerten
Knorpels, der tiefe Substanzdefekte bis zum vollständigen Verlust aufweist.
Geröllzysten sind vom subchondralen Knochen bedeckt. Es zeigt sich eine
ausgeprägte Bildung von Osteophyten und Randexostosen.
Der fibrillierte und fissurierte hyaline Knorpel zeigt das typische
Degradationsmuster mit Proteoglykan- und Kollagen-Typ-II-Verlust sowie
eine erhöhte perizelluläre Expression von Kollagen-Typ-VI.
Die Synoviapräparate zeigen eine ausgeprägte Kapselfibrose mit nur
geringer Aktivierung der Synoviozyten. Lymphoplasmazelluläre Infiltrate
fehlen ganz oder sind nur in geringer Ausprägung fokal nachweisbar.
Dagegen zeigen die histologischen Präparate der Hüftgelenke mit rapide destruierender Coxarthrose ein charakteristisches Bild mit vollständigem Knorpelverlust mit schwerer kortikaler Knochenerosion. Es finden sich tiefe
kraterartige Zysten, gefüllt mit fibrösem Gewebe, das nekrotische Knorpel-
und Knochenfragmente einschließt. Chondroides Reparationsgewebe bildet
einen pilzförmigen Regeneratknorpel, der aus metaplastischen
Knorpelzellnestern entsteht, welche eine charakteristische Proteoglykan- und
Kollagenverteilung aufweisen: Aggrekan und Kollagen-Typ-II liegen vermehrt
in den Wurzelbereichen vor, während Kollagen-Typ-VI eine homogene
Verteilung zeigt. Das Kollagen-Typ-I lässt sich wiederum verstärkt in den
basalen Knorpelzellnestern nachweisen.
-
55
Die Destruktion des kortikalen und subchondralen Knochens mit Eröffnung
des Markraums führt zur Stimulierung und Proliferation metaplastischer
Chondrozyten aus Stammzellen. Dieser dadurch entstehende
Regeneratknorpel ist bei allen untersuchten Präparaten der RDC-Gruppe
nachweisbar.
Typisch zu unterscheiden ist auch die synoviale Reaktion bei der RDC,
welche eine deutlich geringere Kapselfibrose zeigt. Vielmehr findet sich eine
ausgeprägte villöse Hyperplasie mitdeutlicher Synoviozytenproliferation. Es
besteht das Bild einer aktivierten Detritussynoviitis . Neben einer diffusen
lymphozytären Infiltration finden sich auch fokale Lymphozytenaggregate.
Die Arthrose ist morphologisch durch einen progredienten Verlust der
Knorpelmatrix, Sklerosierung der subchondralen Knorpelareale und eine
partielle Beteiligung der Synovialmembran charakterisiert. Dieser Vorgang
unterscheidet sich hinsichtlich der Geschwindigkeit der Knorpelzerstörung,
der destruktiven oder sklerosierenden Veränderungen des Knochens, der
reparativen Vorgänge und im Hinblick auf die Form der Synoviitis deutlich
bei der rapide destruierenden Coxarthrose im Vergleich zur hypertroph
sklerosierenden Form.
Die Zusammensetzung der extrazellulären Matrix wird durch das
Zellverhalten der Chondrozyten mit geringer metabolischer Aktivität und
stabilen Phänotyp geprägt. Im Verlaufe der Arthrose treten Aktivierungs- und
Differenzierungsvorgänge auf, die Strukturbestandteile wie das Kollagen-
Typ-II und Aggrekan als auch regulatorische Proteine und
matrixdegradierende Metalloproteinasen betreffen (76; 52; 85; 3).
Es ist noch nicht geklärt, ob die rapide Knorpelzerstörung bei der RDC durch
eine gesteigerte Synthese degradierender Enzyme mit erhöhter
Proteasenaktivität ausgelöst wird. Masuhara et al. (63) wiesen eine
gesteigerte Syntheseaktivität von Matrixmetalloproteinasen MMP-3 und
MMP-9 in Fibroblasten aus dem Bindegewebe der subchondralen zystischen
Defekte bei Patienten mit RDC nach, nicht jedoch bei Patienten mit HSC.
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56
Verschiedene Autoren haben in früheren Untersuchungen postuliert, dass die
rapide destruierenden Coxarthroseformen mit intraartikulären Ablagerungen
von Hydroxylapatit assoziiert wären, die eine gesteigerte Knochenresorption
durch Makrophagen in Anwesenheit von Prostaglandin E2 stimulieren
würden (1; 44). Calciumphosphat und Calciumpyrophosphat wird auch in Gelenkflüssigkeiten von Patienten mit manifester Arthrose nachgewiesen, bei
radiologisch möglichem Nachweis der artikulären Verkalkungen wird von
„Chondrokalzinose“ gesprochen. Die pathogenetische Bedeutung für die Entstehung einer Arthrose ist jedoch zweifelhaft (62; 22; 43). In dem hier untersuchten Patienten- und Untersuchungsgut waren keine
derartigen Veränderungen an den femoralen oder acetabulären
Gelenkflächen nachzuweisen.
Komiya et al. (39) postulierten eine erhöhte Aktivität „knochenresorbierender
Faktoren“ wie proteolytische Enzyme und Zytokine. So wurden erhöhte
Spiegel von Prostaglandin E2, Interleukin-1ß, MMP-2 und MMP-3 in der
Gelenkflüssigkeit bestimmt. Es war jedoch keine Korrelation zwischen der Konzentration der enzymatischen Aktivität knochenresorbierender Faktoren
und dem Ausmass der Gelenkdestruktion nachzuweisen. Eine Rolle spielt
hier die Anwesenheit des Metalloproteinasen-Inhibitors TIMP, der in Fällen
mit ausgeprägter Gelenkdestruktion in hoher Konzentration vorliegt (37; 58).
Da Mitrovic (61) ischämische Knochennekrosen in Hüftköpfen von Patienten
mit RDC nachgewiesen hat, nimmt Mohr (62) an, dass die erhöhte Aktivität
„knochenresorbierender Faktoren“ in der Synovia nicht Ursache, sondern
Folge des Knochenuntergangs sei. In der Studie von Mitrovic (61) waren
ischämische Knochennekrosen konstant im subchondralen Knochen des
Femurkopfes nachweisbar, bei 5 von 9 Fällen war die Hälfte des oberen
Femurkopfanteiles betroffen. Auch Laroche et al. (42) diskutieren die mögliche Rolle einer ischämischen
Hüfterkrankung für die Entstehung einer rapide destruierenden Coxarthrose
anhand eines Fallberichtes. Einen Nachweis dieser Hypothese können die
Autoren jedoch nicht führen.
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Ryu et al. kommen aufgrund einer retrospektiven kernspintomografischen
Studie bei 18 (von 600) Patienten mit einer ischämischen Nekrose des
gesamten Femurkopfes und einer konsekutiven rapiden Gelenkzerstörung
ebenfalls zu der Vermutung, dass eine ischämische Genese einen Grund für
die Entwicklung einer RDC darstellen könnte, wenn jene den gesamten
Femurkopf betreffe.
Die Bedeutung der Mikrovaskularität für die Pathogenese der rapide
destruierenden Coxarthrose versuchten Yamakawa et al. (95)
herauszuarbeiten. Es wurden 6 Femurköpfe von Patienten mit RDC und 6
Femurköpfe von Patienten mit sekundärer Coxarthrose aufgrund einer
Hüftdysplasie untersucht. Es konnte eine signifikant höhere Gefäßdichte und
Osteoklastenzahl bei den RDC-Hüftköpfen nachgewiesen werden. Die
Autoren interpretieren die nachgewiesene Hypervaskularität als wichtigen
pathogenetischen Faktor bei der Gelenkdestruktion im Rahmen der RDC.
Yamamoto et al. (96; 97) diskutieren die Rolle subchondraler
Insuffizienzfrakturen für die Entwicklung einer rapiden Gelenkdestruktion und
haben in der Region der knöchernen Einbrüche im Knochenmark
histopathologisch granulomatöse Nester mit eingeschlossenem amorphen
Detritus, Knochen- und Knorpelfragmenten sowie Histiozyten und
Riesenzellen nachgewiesen. Dies deckt sich mit der in der vorliegenden
Arbeit nachgewiesenen Struktur der Zysten mit kortikaler Erosion.
Diese fokale Chondro- und Osteometaplasie der Knochenmarkzellen, die als
Inseln von Faserknorpel oder als Areale mit metaplastischer
Knochenneubildung imponieren, hat auch bereits Milgram in einer
morphologischen Studie 1983 beschrieben (60).
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58
Die Mitreaktion der Synovialmembran im Rahmen der Osteoarthrose wird in
frühen Stadien durch molekulare Degradationsprodukte des Knorpelabbaus,
später durch komplette Knorpel- und Knochenfragmente initiiert (62; 26; 84).
Die akzeptierten Modelle der Arthroseentstehung sehen den Knorpel als den
Ort der primären Läsion und Veränderungen der Synovialmembran als Folge
der Knorpeldegeneration (71; 62; 4).
Bei einigen Formen der Osteoarthrose-assoziierten Synovialitis scheint
jedoch eine Kombination von chondralen und synovialen Veränderungen
pathogenetisch bedeutsam zu sein (66; 21; 2; 23).
In der Literatur wird neben der hyperplastischen Synovialitis mit
lymphozytären Infiltraten die Detritusform genannt, die mit
makromolekularem Knorpel- und Knochendetritus durchsetzt ist (62; 26; 6).
Eine differenziertere Unterteilung nimmt Oehler (67) aufgrund seiner
histomorphologischen Untersuchung der arthroseassoziierten Synovialitis vor
und beschreibt vier Varianten:
- eine villös-hyperplastische Form ohne wesentliches zelluläres
entzündliches Infiltrat (Frühstadium)
- eine entzündliche Form mit villöser Hyperplasie und mäßig
ausgeprägten lymphozytären Infiltrat mit zahlreichen lymphozytären
Aggregaten
- eine Form mit ausgeprägter Kapselfibrose
- eine Detritusform mit makromolekularem Knorpel- und
Knochendetritus .
In der vorliegenden Arbeit konnte dargelegt werden, dass die Synovialitis bei
der hypertroph sklerosierenden Coxarthrose durch eine ausgeprägte
Kapselfibrose geprägt ist. Es findet sich nur eine geringe Proliferation der
Deckzellschicht mit nur vereinzelt nachweisbaren Entzündungsinfiltraten.
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Die Synovialitis bei der rapide destruierenden Coxarthrose zeigt dagegen
Elemente aus der Detritusform mit inkorporierten Knorpel- und
Knochenfragmenten sowie aus der entzündlichen Variante mit villöser
Hyperplasie, lymphoplasmazellulären Aggregaten und fokalen histiozytären
Ansammlungen.
Die Progredienz der Gelenkdestruktion scheint bei der rapide destruierenden
Coxarthrose wesentlich von der ausgeprägten synovialen Reaktion mit
unterhalten zu werden. Die von den aktivierten Synoviozyten in die
Synovialflüssigkeit sekretierten knorpeldegradierenden Proteasen,
insbesondere MMP-1, MMP-3 und MMP-13 haben wie die katabole
Stimulierung der Knorpelzellen durch Zytokine wie Interleukin-1 und -6 sowie
Tumornekrosefaktor TNF-alpha eine wichtige Rolle bei der rapiden
Knorpeldegradation (23).
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60
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