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Armut in Bayern 2008
Herausforderungen für Politik und Freie Wohlfahrtspflege
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger Katholische Stiftungsfachhochschule München
4. Bayerische Armutskonferenz der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege
(LAGFW)
Dienstag, 22. Juli 2008
Armut - Begriffe und Definitionen I
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 2
Lebenslage Chancen des Einzelnen, Bedürfnisse und Interessen zu realisieren, abhängig von der quantitativen und qualitativen Ausstattung verschiedener Lebensbereiche (z.B. Versorgung, Bildung, soz. Kontakte, Regeneration, Partizipation)
Lebenslagenansatz Erweiterung der Einkommensanalysen auf unterschiedliche Lebenslagendimensionen wie Gesundheit, Bildung, WohnenBeschreibung der Risiken von Armut und sozialer Ausgrenzung in verschiedenen Lebenslagen
Teilhabe- und Verwirklichungschancen Beobachtung unterschiedlicher Lebenslagen und den dadurch bedingten Teilhabeergebnissen
Armut - Begriffe und Definitionen II
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 3
Das Konzept der Einkommensarmut (relative Armut)LEBEN IN EUROPA
(Community Statistics on Income and Living Conditions, EU-SILC)
Im Jahr 2005 waren knapp 13 % der Bevölkerung in Deutschland armutsgefährdet (Armutsrisikoquote) - gemessen am Anteil der Personen, die mit weniger als 60 % des mittleren Einkommens der gesamten Bevölkerung auskommen mussten
1. Ermittlung des tatsächlichen Haushaltseinkommens aller Haushaltsmitglieder
2. Verteilung des Haushaltseinkommens auf die Personen eines Haushalts nach einem Gewichtungsschlüssel
3. Ermittlung des mittleren Einkommens
Armut - Begriffe und Definitionen III
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 4
Berechnungsbeispiel Nettoäquivalenzeinkommen
Monatseinkommen des Haushalts € 3.000
Haushaltstyp B: Zwei Erwachsene und ein Kind (unter 14 Jahren)
Gewichtung
1,0+0,5+0,3=1,8
Äquivalenzgewichtetes Einkommen pro Person
€ 1.667
pro Person
Armut - Begriffe und Definitionen IV
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 5
Basis Armutsrisiko
schwelle
Armutsrisiko
quote
Stichproben
umfang
EU-SILC 2006 € 781 13 % 13.800
EVS 2003 € 980 14 % 53.400
Mikrozensus 2005
€ 736 15 % 322.700
SOEP 2006 € 880 18 % 11.500
Armut - Begriffe und Definitionen V
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 6
Unterschiede in den Armutsrisikoquoten = normative Entscheidung
Wahl der Datenquelle Definition und Erhebung des Einkommens Festlegung eines Gewichtungsverfahrens für Mehrpersonenhaushalte Wahl eines Mittelwertes und Bestimmung der Armutsrisikoquote
Armut - Begriffe und Definitionen VI
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 7
Relative Einkommensarmut
Soziokulturelles Existenzminimum
Orientiert an der Einkommensverteilung Statistische Definition des
Armutsrisikos
Absicherung im Sozialrecht Zugesicherter Mindeststandard gesellschaftlicher Teilhabe Basis sind tatsächliche Verbrauchsausgaben
Einkommensverteilung und Armutsrisiko I
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 8
Armutsrisiko vor Sozialtransfers
Armutsrisiko nach
SozialtransfersRückgang in
Prozentpunkten
Irland 33 18 15
Dänemark 28 12 16
Finnland 29 13 16
Deutschland 26 13 13
Niederlande 21 10 11
Österreich 25 13 12
Schweden 29 12 17
Litauen 27 20 7
Belgien 27 15 12
EU-25 26 16 10
Armutsrisiko vor und nach Sozialtransfers 2005 in % (unter 60 % Median)
Einkommensverteilung und Armutsrisiko II
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 9
Armutsrisikoquote, Armutsrisikolücke und dauerhaftes Armutsrisiko in % (unter 60 % Medianeinkommen)
1998 2003 2004 2005
EVS 12 14 * *
SOEP 12 16 17 18
EU-SILC * * 12 13
Armutsrisiko-lücke EU-SILC * * 19 20
Armutsrisiko-lücke SOEP 23 24 23 25
Dauerhaftes Armutsrisiko SOEP 7 9 10 11
Einkommensverteilung und Armutsrisiko III
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 10
Einkommensarmutsrisiko unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in % (unter 60 % Medianeinkommen)
2005
EU-
SILC SOEP Mikrozensus
Insgesamt 13 18
bis 15 Jahre 12 26
Erwerbstätige insg. 6 12
Arbeitslose 43 53
Alleinerziehende 24 36
2 Erwachsene mit 2 Kindern 9 19
2 Erwachsene mit 3 Kindern + 13
Bev. ohne Migrationshintergrund 11,6
Bev. mit Migrationshintergrund 28,2
Ohne Berufsausbildung 19
Einkommensverteilung und Armutsrisiko IV
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 11
Ursachen für die steigende Einkommensarmut
Ungleichverteilung der Einkommen Zunahme der Beschäftigung im Niedriglohnbereich Veränderung der Erwerbsformen und soziale Absicherung
Anfang 90er 2002 2003 2004 2005
¼ aller Beschäftigten
35,5 % 36,5 % 36,8 % 36,4 %
Verdienst von weniger als zwei Drittel des Median der Bruttolöhne in %(SOEP)
Prekäre Beschäftigung und Armutsrisiko I
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 12
Erwerbstätigkeit und geringfügige Beschäftigung in Tsd.
Sozialverspflicht. Beschäftigte
Geringfügig Beschäftigte
Arbeitsgelegenheiten (SGB II)
1999 27.356
2001 27.901
2004 26.561 4.742 16
2005 26.236 4.771 243
2006 26.365 4.819 324
2007 26.945 4.863 322
Quelle: Bundesagentur für Arbeit; Stat. Bundesamt
Prekäre Beschäftigung und Armutsrisiko II
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 13
Erwerbsfähige Hilfebedürftige und Erwerbstätigkeit in Tsd.
2005 2006 Jun 07
Gesamt 4.980 5.390 5.310
Arbeitssuchende 2.770 2.820 2.420
Erwerbstätig ab 400 € 373 543 587
Maßnahmeteilnehmer 305 474 499
Quelle: Bundesagentur für Arbeit
Arbeitslosigkeit und Grundsicherung für Arbeitssuchende I
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 14
Arbeitslosigkeit in Bayern – Rechtskreise SGB III und SGB II
Jan 07 Jun 07 Jan 08 Jun 08
Arbeitslose insg. 430.185 329.631 348.167 252.643
Veränderung Vorjahr % -21,6 -21,2 -20,8 -23,4
davon SGB III 235.386 153.463 180.599 104.697
Veränderung Vorjahr % -26,9 -24,2 -25,8 -31,8
davon SGB II 194.799 176.168 167.568 147.946
Veränderung Vorjahr -13,9 -18,4 -14,6 -16,0
Arbeitslosenquote insg. % 6,6 5,0 5,3 3,8
dv. Rechtskreis SGB III 54,7 46,6 51,9 41,4
dv. Rechtskreis SGB II % 45,3 53,4 48,1 58,6
Quelle: Bundesagentur für Arbeit
Arbeitslosigkeit und Grundsicherung für Arbeitssuchende II
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 15
Struktur der Bedarfsgemeinschaften nach SGB II in Bayern
Jan 07 Jun 07 Jan 08 Jun 08
BG ins. 289.704 285.214 269.763 262.890
Personen in BG 556.758 547.706 516.101 502.016
dv. unter 15 J. 154.718 140.523 146.089 131.106
Empf. ALG II 397.214 361.161 365.084 354.603
Empf. Sozialgeld 159.544 145.639 151.017 147.413
SGB II – Quote Juni 2008 = 5,0 %SGB II – Quote Juni 2007 = 4,1 %
Quelle: Bundesagentur für Arbeit
Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und sozialer Integration Anforderungen an die Politik I
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 16
Konzertierte Politik der Armutsbekämpfung
Entwicklung einer ressortübergreifenden Strategie der Armutsbekämpfung und Armutsprävention (Sozia-, Wirtschafts-, Bildungspolitik)
Sozialberichterstattung ausbauen Forschreibung und Qualifizierung der Armuts- und Reichtumsberichterstattung (Vergleichbarkeit mit bundesweiten und europaweiten Studien) Umfassende Studien zu den Lebenslagen von Menschen mit Niedrigeinkommen (Verbesserung der Datenbasis) Vorlage des bayerischen Sozialberichtes (Orientierung an den auf europäischer und Bundesebene festgelegten Standards zur Sozialberichterstattung
Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und sozialer Integration Anforderungen an die Politik II
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 17
Förderung Sozialer Dienste und Einrichtungen
Auf- und Ausbau einer flächendeckenden Struktur Sozialer Dienste und Einrichtungen im Bereich der Armutsprävention (z.B. Allgemeine Sozialberatung, Migrationsdienste, Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen)
Kostendeckende Vergütungssätze
Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und sozialer Integration Anforderungen an die Politik III
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 18
Verbesserung der Primärverteilung –Existenzsichernde Einkommen
Berücksichtigung der Armuts(vermeidungs)effekte bei der Einführung branchenspezifischer Mindestlöhne
Senkung der Lohnnebenkosten für Geringverdiener
Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und sozialer Integration Anforderungen an die Politik IV
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 19
Verbesserung der Mindestsicherung –Grundsicherung für Arbeitssuchende
Erhöhung der Regelsätze für Sozialtransfers (Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, Sozialhilfe, Grundsicherung – Anpassung an die Preissteigerung) Eigenständige Berechnung des Bedarfs für Kinder Öffnungsklausel für atypische Bedarfslagen Erhöhung der Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft Flankierend: Langfristiger Kostenerlass von Kindertagesstätten, Kostenfreiheit bei Lernmittel und Mittagstischen
Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und sozialer Integration Anforderungen an die Politik V
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 20
Flankierende Maßnahmen zur Armutsprävention Bildungspolitik als Teil der Armutsprävention: Stärkung der frühkindlichen Bildung und frühzeitige Förderung von benachteiligten Kindern und Kindern mit Migrationshintergrund (Bildung von Anfang an)
Förderung von Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung und Eingliederung (Erhöhung der Bildungsbeteiligung)
Flächendeckende Betreuungsangebote für unter Dreijährige
Auf- und Ausbau schulischer Ganztagesangebote
Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und sozialer Integration Anforderungen an Freie Wohlfahrtspflege I
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 21
Expertise Einrichtung von verbandlichen Fachstellen in den Bereichen Armut und Arbeitslosigkeit
Initiierung eigener Untersuchungen zu den Lebenslagen von armen
und von Ausgrenzung betroffenen Menschen auf lokaler und regionaler Ebene (Sozialberichterstattung)
Sozialmonitoring zu den Auswirkungen staatlicher Wirtschafts-, Gesundheits- und Sozialpolitik auf von Armut und Ausgrenzung betroffene Menschen
Wirksamkeitsstudien zur Armutsprävention Sozialer Dienste
Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und sozialer Integration Anforderungen an Freie Wohlfahrtspflege II
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 22
Öffentlichkeitsarbeit / Lobbying
Thematisierung von Armut und sozialer Ausgrenzung
Soziale Gerechtigkeit neu buchstabieren: Teilhabe- und Befähigungsgerechtigkeit als Voraussetzung von Chancengleichheit
Einbringung von Vermittlungskompetenz und Wertekompetenz in den gesellschaftspolitischen Diskurs
Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und sozialer Integration Anforderungen an Freie Wohlfahrtspflege III
Prof. Dr. Peter Franz Lenninger 23
Soziale Dienste und Einrichtungen
Armut und Arbeitslosigkeit sollte in allen Einrichtungen und Diensten der FW als Querschnittsaufgabe präsent sein.
Fachliche und organisatorische Weiterentwicklung der mit Armut und Arbeitslosigkeit primär befassten Dienste und Einrichtungen
Weiterentwicklung integrativer armutsorientierter Projekte
Beschäftigungsschaffende Maßnahmen: Entwicklung geeigneter Strategien zur Aktivierung von Beschäftigungspotenzialen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft
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