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Altersbilder als Einflussfaktoren von
Alternsprozessen
Prof. Dr. Eric Schmitt,
Institut für Gerontologie, Universität Heidelberg
Zürich, 9. 2. 2017
Ageism – klassisches Verständnis
Globales Phänomen, das (a) Vorurteile
gegenüber älteren Menschen, dem Alter und
dem Alternsprozess, (b) soziale
Diskriminierungen älterer Menschen sowie (c)
institutionelle und politische Praktiken, die
stereotype Überzeugungen (oft ohne dies zu
beabsichtigen) bestätigen und aufrechterhalten,
umfasst (Butler, 1969, 1980)
“Ageism allows the younger generations to see
older people as different than themselves; thus
they subtly cease to identify with their elders as
human beings.”
(Butler, 1975)
Robert Butler
Ageism – erweitertes Verständnis
Erdman Palmore
„… any prejudice or discrimination against or
in favor of an age group“
(Palmore, 1990)
Eine Vernachlässigung positiver Sichtweisen
von Alter(n) hat ein unzureichendes
Verständnis aktueller Sichtweisen von Alter
und Altern zur Folge, sowohl der
psychologischen, sozialen und politischen
Konsequenzen als auch der Möglichkeiten,
Beziehungen zwischen Altersgruppen zu
verbessern (Palmore, 1990, 1999)
Ageism - Perspektiven
Robert
Kastenbaum
Notwendigkeit eines umfassenderen, integrativen
Ansatzes
„ageism and theories of aging tend to bypass each
other“
(2005)
Ähnlich wie in der Alternsforschung sollten neben
Defiziten und Problemen auch Chancen in den Blick
genommen werden – z.B. wie gehen Menschen in der
Arbeitswelt erfolgreich mit negativen Stereotypen um
Notwendigkeit (a) der Integration einer
Lebensspannenperspektive, (b) der Integration von
Sichtweisen eigenen Alterns, (c) einer umfassenden
Messung von Ageism (Levy & Macdonald, 2016)
Stereotype als situative Bedrohung (Stereotype
Threat)
Thomas Hess
ST wird induziert durch Salienz selbstrelevanter
Stereotype in Leistungssituationen (Steele & Aronson,
1995), diese müssen nicht internalisiert werden
Altersunterschiede in Gedächtnisleistungen nehmen
zu, wenn (a) Testung von Gedächtnis akzentuiert wird,
(b) Unterschiede zwischen alt und jung betont
werden, (c) Stereotype durch Priming aktualisiert
werden
Höherer Bildungsstand, höhere Relevanz des
Bereichs und wahrgenommene Stigmatisierung
verstärken den Effekt (Hess et al., 2009)
Mechanismen: Diskutiert werden insbes.
Emotionskontrolle, Motivationssteigerung,
Aufmerksamkeitsfokus (Popham & Hess, 2015;
Mazerolle et al., 2012)
Selbstwahrnehmung eigenen Alterns (Aging Self
Stereotypes)
Becca Levy
Altersstereotype werden bereits in der Kindheit
erworben, sie bestimmen Sichtweisen des Alters
stärker als persönliche Kontakte (sparsame
Verarbeitung), werden zunehmend selbstrelevant und
spiegeln sich in Einschätzungen des eigenen
Alternsprozesses wieder
Innerhalb ein und derselben Kultur sind Sichtweisen
des Alter(n)s sehr ähnlich, im Unterschied zu anderen
Gruppen scheint es keinen Ingroup-Bias zu geben
Belegt sind Auswirkungen von (positivem und
negativem) subliminalem Priming auf Handschrift,
Lebenswille, Gangbild und –geschwindigkeit,
kardiovaskuläre Reaktivität
Messung in Längsschnittstudien über ATOA-Subskala
der PGC (Lawton, 1975)
Ohio Longitudinal Study of Aging and Retirement, n= 660, 50 bis 94 Jahre
(Baseline, 1975)
(Levy et al., 2002)
Berücksichtigte Kontrollvariablen: Alter, objektivem Gesundheitszustand, Geschlecht,
Einkommen, sozialer Integration, ethnischer Gruppenzugehörigkeit, subjektivem
Gesundheitszustand und sozioökonomischem Status
Verkörperung von (Stereotype Embodiment)
Becca Levy
Negative Stereotype werden (a) über die
Lebensspanne zunehmend internalisiert, können (b)
ihre Wirkung ohne Bewusstseinsbeteiligung entfalten,
gewinnen (c) durch Selbstrelevanz an Salienz und
haben (d) langfristige Auswirkungen infolge
veränderter psychologischer, behavioraler und/oder
physiologischer Prozesse (Levy, 2003, Levy et al.,
2011)
Operationalisierung negativer Stereotype über
Auswahl negativer Items der ATOP (Tuckman & Lorge,
1953)
Baltimore Longitudinal Study, n= 386, 18 bis 49 Jahre
(Baseline 1968)
(Levy et al., 2009)
Covariates, assessed at baseline: age, body mass index, depression, education,
elevated blood pressure, family history of cardiovascular death, gender, marital
status, number of chronic conditions, race, self-rated health, serum total
cholesterol (milligrams per deciliter), and smoking history
Baltimore Longitudinal Study, n= 395, 22 bis 77 Jahre
(Baseline 1968)
(Levy et al., 2011)
Covariates, assessed at baseline: age, depression, education, marital status,
number of chronic conditions, race, self-rated health, sex
Baltimore Longitudinal Study, n= 52,
Durchschnittsalter 68,5 (MRT-Baseline)
(Levy et al., 2016)
Covariates, assessed at baseline: age, sex, education, number of chronic
conditions, well-being, self-rated health
Perspektiven von Altersbildforschung: 5 Thesen
1. Altern und Alter können nur angemessen verstanden werden, wenn
man Vulnerabilität (Verletzlichkeit) und Potenzialität
(Entwicklungsmöglichkeiten) berücksichtigt (Kruse, 2017)
2. Im Alternsprozess ergeben sich zum Teil gerade auch aus der
Konfrontation mit Grenzen Entwicklungsmöglichkeiten,
insbesondere im Sinne eines vertieften Verständnisses von Selbst
und Welt
3. Selbst- und Weltgestaltung sind als grundlegende menschliche
Motive aufzufassen, die im hohen und sehr hohen Alter noch einmal
eine besondere Akzentuierung erfahren (Kruse & Schmitt, 2012,
2015)
4. Gesellschaftliche Entwicklung ist – im Übrigen unabhängig vom
sozialen und demografischen Wandel – ohne den Austausch
zwischen den Generationen nicht zu verstehen.
5. Potenziale des Alters verweisen vor allem auch auf die
Notwendigkeit, den Dialog zwischen den Generationen zu fördern.
Davon profitieren nicht nur jüngere Menschen, sondern auch ältere
Menschen erheblich in ihrem Selbst- und Weltverständnis
IfG-Projekte zur Bedeutung von Altersbildern für
Identität, Mitverantwortung, Teilhabe und
Generationendialog
• Mitverantwortliches Leben im höchsten Lebensalter (gefördert durch Generali
Stiftung und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2011-
2014)
• Gesellschaftliche Teilhabe und Verantwortung älterer Menschen in Osteuropa – Eine
Kooperation der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" mit dem Institut für
Gerontologie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (gefördert durch die Stiftung
"Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", 2008-2012)
• Altersbilder, Identität und Generativität in den Baltischen Staaten – ein
Generationenvergleich (gefördert durch die Robert Bosch Stiftung, das Netzwerk
Alternsforschung und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend, 2011-2013)
• CASOENAC: Cambio sociodemográfico y envejecimiento activo. Contribución
científica para políticas públicas previsoras (Soziodemografischer Wandel und
aktives Altern. Wissenschaftliche Beiträge für eine vorausschauende Politik) - Colima
/ Mexiko, in Kooperation mit der Universidad de Guadalajara, der Universidad de
Colima, der Universidad Autónoma de Madrid und der Fundación Academia Europea
de Yuste (gefördert durch die Europäische Union und CONACYT, 2009-2011)
Fazit und Ausblick
• Unter Altersbildern verstehen wir auf Alter, Altern und ältere
Menschen bezogene Meinungen und Überzeugungen, die
kontextspezifisch, in Abhängigkeit von Person- und
Umweltmerkmalen, aktualisiert werden und spezifische
Deutungen, Wertungen, Emotionen und Verhaltenstendenzen
nahelegen.
• Menschen zeichnen sich nicht dadurch, dass sie ein
spezifisches, kongruentes und auf einer evaluativen
Dimension einzuordnendes Altersbild haben, sie verfügen
vielmehr über alternative kognitive Konzepte, die zum Teil
sehr widersprüchlich sein können.
Fazit und Ausblick
• Altersbilder entfalten ihre Wirkung zu einem guten Teil
subintentional, systematische Zusammenhänge zum
Erleben und Verhalten in spezifischen Kontexten
beruhen häufig gerade darauf, dass sich die handelnden
Personen nicht bewusst an situativ aktualisierten
Konzepten orientieren.
• Altersbildern sind ein bedeutsamer Einflussfaktor von
Alternsprozessen. Gestaltungsmöglichkeiten und
Anforderungen ergeben sich mit Blick auf Meinungen und
Überzeugungen in allen Generationen, auf individueller wie
politischer und gesellschaftlicher Ebene, vor allem aber
auch mit Blick auf die Salienz in Situationen und Umwelten.
Fazit und Ausblick
• In Altersbildern und ihrer (vermeintlichen) Relevanz
spiegelt sich zu einem guten Teil soziale Realität.
Interventionen auf der Ebene von Altersbildern sind sicher
nicht hinreichend im Sinne der Förderung von
Möglichkeiten eines guten Lebens im Alter.
Literatur • Butler, R. N. (1969). Age-ism: Another form of bigotry. The Gerontologist, 9, 243–246. • Butler, R.N. (1975). Why survive? Being old in America. New York: Harper & Row. • Butler, R. N. (1980). Ageism: A foreword. Journal of Social Issues, 36(2), 8–11. • Hess, T. M., Hinson, J. T., & Hodges, E. A. (2009). Moderators of and mechanisms underlying stereotype threat effects on
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