abb.1: faschingsfeier 1981 im kasseturm (bach 1981: o.s

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K A S S E T U R M WEIMAR Permanenz und Baudenkmäler Das Zusammenspiel von Kontinuität und Permanenz beschreibt für Rossi die dynamische Weiterentwicklung des Stadtgrundrisses anhand historisch geprägter Achsen (Schnell 2015: 66). Der Kasseturm ist Teil der ehemaligen Stadtmauer und ein permanentes Baudenkmal in der Weimarer Altstadt. In Abbildung 6 ist der Altstadtkern innerhalb der ursprünglichen Grenzen der Stadtmauer zu erkennen sowie die nachfolgend entstandenen Stadterweite- rungen. Bis heute verweisen die verschiedenen Grundrisse und Straßenstrukturen auf die Entstehungszeiten der historischen Schichten. Um 1500: Bau des Kasseturms als nord- westlicher Eckturm der Stadtbefestigung, im Kellergewölbe Lager für Ausrüstung und Munition (Scheider 1987: 93) Ab 1757: Abriss der Stadtmauer (Gallas 2019: 46) 1773: Bauunternehmer Anton Georg Hauptmann baut Turm zu Wohnzwecken um (Gallas 2019: 62) 1778: Nach dem Schlossbrand 1744 zieht die Herzogliche Landschaftskasse vom Schloss in den Turm (Scheider 1987: 20) 1809: Landesvermessungsbüro (Scheider 1987: 20) 1821-1825: Umbau zum Bibliotheksturm, Ergänzung eines Stockwerks (Via Regia o.J.: o.S.) später Sitz der Steuerrevision des Groß- herzoglichen Schulamtes (Scheider 1987: 20) 2. Weltkrieg Luftschutzkeller (Renner 2008: 27) Ab 1930er Jahre bis 1961: Lager für Obst, Gemüse und alte Möbel (Renner 2008: 27) Ab 1962: Studentenclub Kasseturm (Ren- ner 2008: 27) K A S S E T U R M WEIMAR Locus Nach Rossi ist die Stadt „der Ort des kollektiven Gedächtnisses“ (Rossi 1973: 17). So bilden Standorte identitätsprägende Merkmale einer Stadt, da eine Beziehung zwischen einem Ort und den dort befindlichen Bauten besteht und für Rossi Architektur untrennbar von dem Leben der Gesellschaft verbunden ist. Er bezeichnet die Verbindung von Raum, Zeit, Form und Ereignissen als Locus. Auch der Kasseturm kann als Ort des kollektiven Gedächt- nisses Weimars angesehen werden, da er bspw. in jüngerer Vergangenheit eine Bühne für verschiedenste studentische Veranstaltungen bietete, welche das kollektive Gedächtnis der Stadt prägten. Der Kasseturm und seine Typologie Der Kasseturm wurde um 1500 als Wehrturm erbaut (Scheider 1987: 93). Heute ist der Turm als Kulturdenkmal ausgewiesen (Stadt Weimar 2019: o.S.). Die Architektur besteht aus einem zylinderförmigen Turm, der lediglich um ein Spitzdach im 18. Jahrhundert ergänzt wurde (Renner 2008: 26). Trotz seiner wenig veränderten Gestalt hat der Turm eine Vielzahl an Funktionen beherbergt: Primäre Elemente Schaut man sich die verschiedenen Nutzungen im Zeitstrahl an, fällt auf, dass der Turm durchgehend der Stadtgemeinschaft (Verteidigung, Bildung, Sicherheit, Treffpunkt) gedient hat und Aldo Rossis Verständnis von “primären Elementen” entspricht. Bis heute bietet der Kasseturm einen öffentlich zugänglichen Raum für soziale Interaktion. Aldo Rossi: Die Architektur der Stadt (1973) Verfasser*innen: Laetitia Adam, Rebecca Hausner, Luzie Leskopf Dozent: Prof. Dr. phil. habil. Hans-Rudolf Meier Seminar „Stadt als Denkmal“ SoSe 2021 Bachelor Urbanistik Bauhaus-Universität Weimar Aldo Rossis Werk „Die Architektur der Stadt“ (italienische Erstausgabe L’architettura della città 1966) beeinflusste nicht nur die postmoderne Architek- tur, sondern auch den Diskurs in der Denkmalpflege. Die Publikation entstand in einer Zeit, in der die italienische Stadtplanung vom Leitbild der „funk- tionalistischen Stadt“ geprägt war. Jenes Leitbild beinhaltete, nicht zuletzt durch die Charta von Athen (1933), oft Abrisse ganzer Straßenzüge und Viertel anstelle von Bestandserneuerung. Diese Vorgehensweise ist mit der Kahlschlagsanierungen der BRD oder DDR der 1960er Jahre vergleichbar. Rossi hingegen prägte den Begriff der Permanenz und befürwortete die Bewahrung historischer städtebaulicher Strukturen (Rossi 1973: 108). Sein An- stoß zum Umdenken beeinflusste nicht nur seine damalige Lehre an der ETH Zürich (Schnell 2015: 66), sondern behält bis heute seine Relevanz bei. Gerade in seinem Heimatland Italien sind viele denkmalgeschützte Objekte und gut erhaltene römisch-antike Anlagen zu finden, was für seine These des Erhalts von Städten in ihrer Gesamtheit spricht. Wichtige Bestandteile seiner Argumentation bilden der Funktionswandel von historischen Gebäu- den sowie die primären Elemente einer Stadt. Des Weiteren spielen der Locus und die Theorie der Permanenz und Baudenkmäler eine bedeutende Rolle. All jene Elemente der Argumentation des Architekten lassen sich auch auf den Kasseturm übertragen. Literaturverzeichnis: Bach, Anita; Driefer, Hans-Joachim; Groß, Peter (1972): Gaststätten in historischen Bauten. VEB Verlag für Bauwesen, Berlin. Bach, Claus (1981): Kasseturm-Fasching 1981. (Zugriff 26.06.2021) URL: www.claus-bach.net/wp-content/uploads/2010/09/1981_02_18Tu- fasch4.jpg. Abb.1: Faschingsfeier 1981 im Kasseturm (Bach 1981: o.S.). Gallas, Klaus (2019): Weimar – Architektur & Kunst. Reclam, Stuttgart. Lachmann, Sandra (2017): MC Goethe und DJ Schiller: “Rap macht Schule” in Weimar (26.06.2021) URL: https://blog.jugendherberge. de/klassenfahrt-mit-rap/. Abb.7: Kasseturm Weimar (Lachmann 2017: o.S.). Renner, Wolfgang (2008): Junges Leben im alten Gemäuer. Heimat Thüringen Nr. 15 2008, 26-27. Rossi, Aldo (1973): Die Architektur der Stadt. Bauverlag Gütersloh, Berlin. Scheider, Hartmut (1987): Studentenklubs in Weimar. Schriftenreihe Tradition und Gegenwart, Weimarer Schriften Nr. 25. Rat der Stadt Weimar, Weimar. Abb.2: Der “Keller” (Scheider 1987: 42). Abb.3: Eröffnungsfeier des Studierendenclubs am 18.12.1962 (Scheider 1987: 42). Abb.4: Uschi Brüning im Kasseturm (Scheider 1987: 64). Abb.5: Jazztage der DDR im Kasseturm (Scheider 1987: 63). Schnell, Dieter (2015): Zur Wiederentdeckung der historischen Stadt in den 1970er Jahren. In: Falser, Michael; Lipp, Wilfried (Hg.) (2015). Eine Zukunft für unsere Vergangenheit. Zum 40. Jubiläum des Europäischen Denkmalschutzjahres. (Zugriff: 19.05.2021) URL: https://jour- nals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/monumenta/article/download/42403/36138/. Stadt Weimar (2019): Denkmalliste der kreisfreien Stadt Weimar. (Zugriff 30.06.2021) URL: https://stadt.weimar.de/fileadmin/Civserv2/ Ämter/stadtentwicklung/denkmalliste_weimar_22022019.pdf. Via Regia (o.S.): Johann Wolfgang Goethe - Wegebaudirektor des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach. (Zugriff: 23.06.2021) URL: https://www.via-regia.org/via_regia/geschichte/einzelthemen/thueringen/weimar2.php. Bezug zur Denkmalpflege Rossi spricht weniger von klassischem Denkmalschutz im Sinne einer Unterschutzstellung einzelner Bauten, sondern eher vom Spannungsverhältnis zwischen der Permanenz der Baudenkmale und der Dynamik der Stadt (Rossi 1973: 45). Bausubstanz und städtebauliche Strukturen sollen durch Weiternutzung erhalten werden. Als Teil der Stadtbefestigung ge- hört der Kasseturm heute zu einem nach dem Thüringer Denkmalschutzgesetz (ThürDSchG) geschützten Denkmalensemble. Der Schutzstatus spricht jedoch nicht gegen eine weitere Nutzung, wodurch der Kasseturm als “lebendig[es]” (Rossi 1973: 43) überdauerndes Ele- ment der historischen Stadt angesehen werden kann. Die Stadtbefestigung als Ensemble wurde nach §2 Abs. 2 und 5 ThürDSchG als kennzeich- nender Ortsgrundriss zum Kulturdenkmal ernannt. Dabei sprach sich auch Rossi weniger für den Schutz einzelner Bauwerke und mehr für den Erhalt ganzer städtebaulicher Anlagen aus (Rossi 1973: 108). Der Kasseturm sollte somit nach Rossi nicht alleine, sondern immer im Kontext der gesamten historischen Stadtbefestigung betrachtet werden. „In seiner Permanenz steht das Baudenkmal daher in einem Spannungsver- hältnis zur Entwicklung einer Stadt, deren Wachstum sich dadurch als dialek- tischer Prozess erweist.” (Rossi 1973: 77) „Unter Baudenkmal kann man in einem weiteren Sinn aber auch eine Straße, ein Stadtviertel, ein Dorf verstehen. Wenn man es auf Konservierung abge- sehen hat, muss man deren Gesamtheit erhalten […]” (Rossi 1973: 108) Abb.7: Kasseturm Weimar (Lachmann 2017: o.S.). Abb.1: Faschingsfeier 1981 im Kasseturm (Bach 1981: o.S.). Funktionswandel Im Gegensatz zum vorherrschenden Bild des Funktionalismus in der Mitte des 20. Jh. betrachtet Rossi die Umnutzung von Baudenkmälern als wesentlich für deren Erhalt (Rossi 1973: 23). Was Rossi ablehnt sei „die naive Konzeption des Funktionalismus, derzufolge die Funktionen die Form und damit eindeutig Städtebau und Architektur bestimmen” (Rossi 1973:29). Im Zeitstrahl wird ersichtlich, welche unterschiedlichen Funktionen der Kasseturm zusätzlich zu seiner intendierten Nutzung erfüllt hat. Abb.2: Der “Keller” (Scheider 1987: 42). Abb.3: Eröffnungsfeier des Studierendenclubs am 18.12.1962 (Scheider 1987: 42). Abb.4: Uschi Brüning im Kasseturm (Scheider 1987: 64). Abb.5: Jazztage der DDR im Kasseturm (Scheider 1987: 63). Abb.6: Räumliche Entwicklung der Stadt Weimar mit Markierung des Kasseturms. Die Schwarzpläne entsprechen dem heutigen Stadtgrundriss, sodass die Entwick- lung lediglich eine Annäherung ist. (Eigene Darstellung). Funktionswandel des Kasseturms

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K A S S E T U R M WEIMAR

Permanenz und BaudenkmälerDas Zusammenspiel von Kontinuität und Permanenz beschreibt für Rossi die dynamische Weiterentwicklung des Stadtgrundrisses anhand historisch geprägter Achsen (Schnell 2015: 66). Der Kasseturm ist Teil der ehemaligen Stadtmauer und ein permanentes Baudenkmal in der Weimarer Altstadt. In Abbildung 6 ist der Altstadtkern innerhalb der ursprünglichen Grenzen der Stadtmauer zu erkennen sowie die nachfolgend entstandenen Stadterweite-rungen. Bis heute verweisen die verschiedenen Grundrisse und Straßenstrukturen auf die Entstehungszeiten der historischen Schichten.

Um 1500: Bau des Kasseturms als nord-westlicher Eckturm der Stadtbefestigung, im Kellergewölbe Lager für Ausrüstung und Munition (Scheider 1987: 93)

Ab 1757: Abriss der Stadtmauer (Gallas 2019: 46)

1773: Bauunternehmer Anton Georg Hauptmann baut Turm zu Wohnzwecken um (Gallas 2019: 62)

1778: Nach dem Schlossbrand 1744 zieht die Herzogliche Landschaftskasse vom Schloss in den Turm (Scheider 1987: 20)

1809: Landesvermessungsbüro (Scheider 1987: 20)

1821-1825: Umbau zum Bibliotheksturm, Ergänzung eines Stockwerks (Via Regia o.J.: o.S.)

später Sitz der Steuerrevision des Groß-herzoglichen Schulamtes (Scheider 1987: 20)

2. Weltkrieg Luftschutzkeller (Renner 2008: 27)

Ab 1930er Jahre bis 1961: Lager für Obst, Gemüse und alte Möbel (Renner 2008: 27)

Ab 1962: Studentenclub Kasseturm (Ren-ner 2008: 27)

K A S S E T U R M WEIMAR

LocusNach Rossi ist die Stadt „der Ort des kollektiven Gedächtnisses“ (Rossi 1973: 17). So bilden Standorte identitätsprägende Merkmale einer Stadt, da eine Beziehung zwischen einem Ort und den dort befindlichen Bauten besteht und für Rossi Architektur untrennbar von dem Leben der Gesellschaft verbunden ist. Er bezeichnet die Verbindung von Raum, Zeit, Form und Ereignissen als Locus. Auch der Kasseturm kann als Ort des kollektiven Gedächt-nisses Weimars angesehen werden, da er bspw. in jüngerer Vergangenheit eine Bühne für verschiedenste studentische Veranstaltungen bietete, welche das kollektive Gedächtnis der Stadt prägten.

Der Kasseturm und seine TypologieDer Kasseturm wurde um 1500 als Wehrturm erbaut (Scheider 1987: 93). Heute ist der Turm als Kulturdenkmal ausgewiesen (Stadt Weimar 2019: o.S.). Die Architektur besteht aus einem zylinderförmigen Turm, der lediglich um ein Spitzdach im 18. Jahrhundert ergänzt wurde (Renner 2008: 26). Trotz seiner wenig veränderten Gestalt hat der Turm eine Vielzahl an Funktionen beherbergt:

Primäre ElementeSchaut man sich die verschiedenen Nutzungen im Zeitstrahl an, fällt auf, dass der Turm durchgehend der Stadtgemeinschaft (Verteidigung, Bildung, Sicherheit, Treffpunkt) gedient hat und Aldo Rossis Verständnis von “primären Elementen” entspricht. Bis heute bietet der Kasseturm einen öffentlich zugänglichen Raum für soziale Interaktion.

Aldo Rossi: Die Architektur der Stadt (1973)

Verfasser*innen: Laetitia Adam, Rebecca Hausner, Luzie LeskopfDozent: Prof. Dr. phil. habil. Hans-Rudolf MeierSeminar „Stadt als Denkmal“ SoSe 2021Bachelor UrbanistikBauhaus-Universität Weimar

Aldo Rossis Werk „Die Architektur der Stadt“ (italienische Erstausgabe L’architettura della città 1966) beeinflusste nicht nur die postmoderne Architek-tur, sondern auch den Diskurs in der Denkmalpflege. Die Publikation entstand in einer Zeit, in der die italienische Stadtplanung vom Leitbild der „funk-tionalistischen Stadt“ geprägt war. Jenes Leitbild beinhaltete, nicht zuletzt durch die Charta von Athen (1933), oft Abrisse ganzer Straßenzüge und Viertel anstelle von Bestandserneuerung. Diese Vorgehensweise ist mit der Kahlschlagsanierungen der BRD oder DDR der 1960er Jahre vergleichbar. Rossi hingegen prägte den Begriff der Permanenz und befürwortete die Bewahrung historischer städtebaulicher Strukturen (Rossi 1973: 108). Sein An-stoß zum Umdenken beeinflusste nicht nur seine damalige Lehre an der ETH Zürich (Schnell 2015: 66), sondern behält bis heute seine Relevanz bei.Gerade in seinem Heimatland Italien sind viele denkmalgeschützte Objekte und gut erhaltene römisch-antike Anlagen zu finden, was für seine These des Erhalts von Städten in ihrer Gesamtheit spricht. Wichtige Bestandteile seiner Argumentation bilden der Funktionswandel von historischen Gebäu-den sowie die primären Elemente einer Stadt. Des Weiteren spielen der Locus und die Theorie der Permanenz und Baudenkmäler eine bedeutende Rolle. All jene Elemente der Argumentation des Architekten lassen sich auch auf den Kasseturm übertragen.

Literaturverzeichnis:Bach, Anita; Driefer, Hans-Joachim; Groß, Peter (1972): Gaststätten in historischen Bauten. VEB Verlag für Bauwesen, Berlin. Bach, Claus (1981): Kasseturm-Fasching 1981. (Zugriff 26.06.2021) URL: www.claus-bach.net/wp-content/uploads/2010/09/1981_02_18Tu-fasch4.jpg. Abb.1: Faschingsfeier 1981 im Kasseturm (Bach 1981: o.S.).Gallas, Klaus (2019): Weimar – Architektur & Kunst. Reclam, Stuttgart. Lachmann, Sandra (2017): MC Goethe und DJ Schiller: “Rap macht Schule” in Weimar (26.06.2021) URL: https://blog.jugendherberge.de/klassenfahrt-mit-rap/. Abb.7: Kasseturm Weimar (Lachmann 2017: o.S.).Renner, Wolfgang (2008): Junges Leben im alten Gemäuer. Heimat Thüringen Nr. 15 2008, 26-27. Rossi, Aldo (1973): Die Architektur der Stadt. Bauverlag Gütersloh, Berlin. Scheider, Hartmut (1987): Studentenklubs in Weimar. Schriftenreihe Tradition und Gegenwart, Weimarer Schriften Nr. 25. Rat der Stadt Weimar, Weimar. Abb.2: Der “Keller” (Scheider 1987: 42). Abb.3: Eröffnungsfeier des Studierendenclubs am 18.12.1962 (Scheider 1987: 42). Abb.4: Uschi Brüning im Kasseturm (Scheider 1987: 64). Abb.5: Jazztage der DDR im Kasseturm (Scheider 1987: 63).Schnell, Dieter (2015): Zur Wiederentdeckung der historischen Stadt in den 1970er Jahren. In: Falser, Michael; Lipp, Wilfried (Hg.) (2015). Eine Zukunft für unsere Vergangenheit. Zum 40. Jubiläum des Europäischen Denkmalschutzjahres. (Zugriff: 19.05.2021) URL: https://jour-nals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/monumenta/article/download/42403/36138/.Stadt Weimar (2019): Denkmalliste der kreisfreien Stadt Weimar. (Zugriff 30.06.2021) URL: https://stadt.weimar.de/fileadmin/Civserv2/Ämter/stadtentwicklung/denkmalliste_weimar_22022019.pdf. Via Regia (o.S.): Johann Wolfgang Goethe - Wegebaudirektor des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach. (Zugriff: 23.06.2021) URL: https://www.via-regia.org/via_regia/geschichte/einzelthemen/thueringen/weimar2.php.

Bezug zur DenkmalpflegeRossi spricht weniger von klassischem Denkmalschutz im Sinne einer Unterschutzstellung einzelner Bauten, sondern eher vom Spannungsverhältnis zwischen der Permanenz der Baudenkmale und der Dynamik der Stadt (Rossi 1973: 45). Bausubstanz und städtebauliche Strukturen sollen durch Weiternutzung erhalten werden. Als Teil der Stadtbefestigung ge-hört der Kasseturm heute zu einem nach dem Thüringer Denkmalschutzgesetz (ThürDSchG) geschützten Denkmalensemble. Der Schutzstatus spricht jedoch nicht gegen eine weitere Nutzung, wodurch der Kasseturm als “lebendig[es]” (Rossi 1973: 43) überdauerndes Ele-ment der historischen Stadt angesehen werden kann. Die Stadtbefestigung als Ensemble wurde nach §2 Abs. 2 und 5 ThürDSchG als kennzeich-nender Ortsgrundriss zum Kulturdenkmal ernannt. Dabei sprach sich auch Rossi weniger für den Schutz einzelner Bauwerke und mehr für den Erhalt ganzer städtebaulicher Anlagen aus (Rossi 1973: 108). Der Kasseturm sollte somit nach Rossi nicht alleine, sondern immer im Kontext der gesamten historischen Stadtbefestigung betrachtet werden.

„In seiner Permanenz steht das Baudenkmal daher in einem Spannungsver-hältnis zur Entwicklung einer Stadt, deren Wachstum sich dadurch als dialek-tischer Prozess erweist.” (Rossi 1973: 77)

„Unter Baudenkmal kann man in einem weiteren Sinn aber auch eine Straße, ein Stadtviertel, ein Dorf verstehen. Wenn man es auf Konservierung abge-

sehen hat, muss man deren Gesamtheit erhalten […]” (Rossi 1973: 108)

Abb.7: Kasseturm Weimar (Lachmann 2017: o.S.).

Abb.1: Faschingsfeier 1981 im Kasseturm (Bach 1981: o.S.).

FunktionswandelIm Gegensatz zum vorherrschenden Bild des Funktionalismus in der Mitte des 20. Jh. betrachtet Rossi die Umnutzung von Baudenkmälern als wesentlich für deren Erhalt (Rossi 1973: 23). Was Rossi ablehnt sei „die naive Konzeption des Funktionalismus, derzufolge die Funktionen die Form und damit eindeutig Städtebau und Architektur bestimmen” (Rossi 1973:29). Im Zeitstrahl wird ersichtlich, welche unterschiedlichen Funktionen der Kasseturm zusätzlich zu seiner intendierten Nutzung erfüllt hat.

Abb.2: Der “Keller” (Scheider 1987: 42). Abb.3: Eröffnungsfeier des Studierendenclubs am 18.12.1962 (Scheider 1987: 42).

Abb.4: Uschi Brüning im Kasseturm (Scheider 1987: 64).

Abb.5: Jazztage der DDR im Kasseturm (Scheider 1987: 63).

Abb.6: Räumliche Entwicklung der Stadt Weimar mit Markierung des Kasseturms. Die Schwarzpläne entsprechen dem heutigen Stadtgrundriss, sodass die Entwick-lung lediglich eine Annäherung ist. (Eigene Darstellung).

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