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8 Messung der elektrischen Leistung 8.1 Leistungsmessung im Gleichstromkreis Die elektrische Leistung P an einem elektrischen Tor ergibt sich aus dem Produkt von Spannung U und Strom I P = UI . (8.1) Diese Leistung kann mit Hilfe eines elektrodynamischen Meßwerkes gemessen werden. Dazu schickt man den Strom I durch die Feldspule (Widerstand R WA ) und legt die Spannung U an die Drehspule (Widerstand R WV ) an. Abbildung 8.1 zeigt die entsprechende Schaltung mit dem elektrodynamischen Meßwerk. Falls der Strom I 2 durch die Drehspule gegen¨ uber dem Verbraucherstrom I V vernachl¨ assigt werden darf, ist der Zeigerausschlag α proportional zur Lei- stung P V des Verbrauchers α = ˜ kI 1 I 2 = ˜ k(I 2 + I V )I 2 ˜ kI V I 2 = ˜ kI V U V R WV = kU V I V = kP V . (8.2) Die Feldspule sollte wegen der Strommessung niederohmig und die Drehspule wegen der Spannungsmessung hochohmig sein. Abb. 8.1. Leistungsmessung mit einem elektrodynamischen Meßwerk. Der Punkt kennzeichnet die Polarit¨ at des Spannungspfades. R. Lerch, Elektrische Messtechnik, Springer-Lehrbuch DOI 10.1007/978-3-642-22609-0_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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8

Messung der elektrischen Leistung

8.1 Leistungsmessung im Gleichstromkreis

Die elektrische Leistung P an einem elektrischen Tor ergibt sich aus demProdukt von Spannung U und Strom I

P = UI . (8.1)

Diese Leistung kann mit Hilfe eines elektrodynamischen Meßwerkes gemessenwerden. Dazu schickt man den Strom I durch die Feldspule (Widerstand RWA)und legt die Spannung U an die Drehspule (Widerstand RWV) an. Abbildung8.1 zeigt die entsprechende Schaltung mit dem elektrodynamischen Meßwerk.Falls der Strom I2 durch die Drehspule gegenuber dem Verbraucherstrom IVvernachlassigt werden darf, ist der Zeigerausschlag α proportional zur Lei-stung PV des Verbrauchers

α = kI1I2 = k(I2 + IV)I2 ≈ kIVI2

= kIVUV

RWV= kUVIV = kPV . (8.2)

Die Feldspule sollte wegen der Strommessung niederohmig und die Drehspulewegen der Spannungsmessung hochohmig sein.

Abb. 8.1. Leistungsmessung mit einem elektrodynamischen Meßwerk. Der Punktkennzeichnet die Polaritat des Spannungspfades.

R. Lerch, Elektrische Messtechnik, Springer-Lehrbuch DOI 10.1007/978-3-642-22609-0_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 201 2

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220 8 Messung der elektrischen Leistung

Abb. 8.2. Leistungsmessung mit einem elektrodynamischen Meßwerk: a) Es werdender Quellstrom und die Verbraucherspannung richtig gemessen. b) Es werden dieQuellspannung und der Verbraucherstrom richtig gemessen.

Die von der Quelle gelieferte Leistung PQ teilt sich in die vom Verbraucherumgesetzte Leistung PV und die vom Meßgerat benotigte Leistung PM

PQ = PV + PM . (8.3)

Wie anhand von Abb. 8.2 deutlich wird, kann ein elektrodynamisches Meß-werk stromrichtig oder spannungsrichtig angeschlossen werden. Die Begriffestrom- und spannungsrichtig beziehen sich dabei entweder auf die Quellensei-te (Quellentor) oder die Verbraucherseite (Verbrauchertor) des Meßgerates.Spannungsrichtig in bezug auf die Verbraucherseite heißt, daß die am Ver-braucherwiderstand RV anliegende Spannung UV gemessen wird, wahrend derStrom, der durch die Stromspule des Meßgerates fließt, dem Quellstrom, d.h.also der Summe aus Verbraucherstrom IV und Drehspulenstrom I2, entspricht(Abb. 8.2a). Bei der in bezug auf die Verbraucherseite stromrichtigen Messungist es umgekehrt, hier wird der richtige Wert des Verbraucherstroms gemessen,wahrend am Spannungseingang die Summe aus Verbraucherspannung undFeldspulenspannung anliegt. Eine korrekte Messung der VerbraucherleistungPV bzw. der Quelleistung PQ ist erst moglich, wenn das elektrodynamischeMeßwerk um eine Korrekturspule erweitert wird, welche dieselbe Windungs-zahl aufweist wie die Stromspule (Abb. 8.3). Durch diese Korrekturspule fließtder Strom, den auch die Drehspule fuhrt (I2). Bei der Stromrichtung nachAbb. 8.3a addiert sich die Wirkung dieses Korrekturspulenstroms zu der desFeldspulenstroms I1, so daß die Leistung quellrichtig gemessen wird. Bei Stro-mumkehr nach Abb. 8.3b kann die Leistung verbraucherrichtig gemessen wer-den. Es sollte jedoch erwahnt werden, daß generell bei allen Messungen durchdas Einbringen des elektrodynamischen Meßwerkes systematische Meßfehler

Abb. 8.3. Leistungsmessung mit einem elektrodynamischen Meßwerk, das mit einerKorrekturspule ausgestattet ist: a) Es wird die Quelleistung richtig gemessen. b) Eswird die Verbraucherleistung richtig gemessen.

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8.2 Leistungsmessung im Wechselstromkreis 221

auftreten. So wird bei einer verbraucherrichtigen Messung beispielsweise zwardie aktuelle Verbraucherleistung korrekt erfaßt, die Verbraucherleistung je-doch, die bei nicht vorhandenem Meßwerk im Verbraucher umgesetzt wurde,erhalt man erst nach einer Fehlerkorrektur der systematischen Meßfehler.

8.2 Leistungsmessung im Wechselstromkreis

8.2.1 Begriffsdefinitionen

Nachdem sich mit Hilfe der Fourieranalyse jeder beliebige periodische Zeitver-lauf einer Spannung bzw. eines Stromes in seine rein sinusformigen Spektral-komponenten zerlegen und in Form einer Fourierreihe darstellen laßt, konnenwir uns im folgenden ohne Einschrankung der Allgemeinheit auf rein si-nusformige Zeitverlaufe beschranken

u(t) = U sin(ωt+ ϕu) (8.4)

i(t) = I sin(ωt+ ϕi) . (8.5)

Die entsprechenden Effektivwertbetrage erhalt man mit der Definition ausKap. 6.3.1

Ueff =U√2

(8.6)

Ieff =I√2. (8.7)

Die Wechselgroßen aus Gln. (8.4) und (8.5) lassen sich alternativ in komplexerSchreibweise als Zeigergroßen

U = Uejϕu U∗ = Ue−jϕu (8.8)

I = Iejϕi I∗ = Ie−jϕi , (8.9)

oder als Effektivwertzeiger angeben

U eff = Ueffejϕu (8.10)

Ieff = Ieffejϕi . (8.11)

8.2.2 Leistungsmessung im Einphasennetz

In (einphasigen) Wechselstromkreisen sind die folgenden Leistungsgroßen de-finiert:

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222 8 Messung der elektrischen Leistung

Komplexe Leistung P

Die komplexe Leistung P ist folgendermaßen definiert

P = U effI∗eff = UeffIeffe

jϕu−ϕi (8.12)

= UeffIeffejϕui

P = Re(P ) + jIm(P ) = PW + jPB . (8.13)

Wirkleistung PW

Die Wirkleistung PW ist der Teil der komplexen elektrischen Leistung, derin der Impedanz Z in eine andere (nicht-elektrische) Energieform, wie z. B.in mechanische Energie oder in Warmeenergie umgesetzt wird. Sie entsprichtdem Produkt von Spannungs- und Stromeffektivwert, multipliziert mit demCosinus der Phasenwinkeldifferenz zwischen Strom und Spannung (EinheitWatt (W))

PW = Re(P ) = UeffIeff cosϕui . (8.14)

Die Messung der Wirkleistung kann direkt mit Hilfe eines elektrodynami-schen Meßwerkes erfolgen, da bei diesem der Zeigerausschlag dem ProduktI1effI2eff cosϕ proportional ist (Gl. (6.47)). Es gelten ansonsten die bereits furden Gleichstromkreis aufgestellten Regeln (Kap. 8.1).

Blindleistung PB

Die Blindleistung PB wird durch das Speicherverhalten einer komplexen Im-pedanz verursacht. Dieser Teil der Leistung pendelt periodisch zwischen derQuelle und dem Verbraucher mit der Impedanz Z hin und her (Einheit Volt-Ampere-reaktiv (VAR bzw. VAr))

PB = Im(P ) = UeffIeff sinϕui . (8.15)

Die Blindleistung wird ebenfalls mit Hilfe eines elektrodynamischen Meßwer-kes bestimmt. Allerdings muß ein 90◦-Phasenschieber verwendet werden, derden Strom des Spannungspfades gegenuber der Spannung UV um −90◦ dreht

Abb. 8.4. Messung der Blindleistung in einem Wechselstromkreis mit Hilfe eineselektrodynamischen Meßwerkes und einem 90◦-Phasenschieber.

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8.2 Leistungsmessung im Wechselstromkreis 223

(Abb. 8.4). Fur den Zeigerausschlag α gilt dann

α = kI1effI2eff cosϕ ≈ kIVeffUVeff cos(ϕ− 90◦) = kIVeffUVeff sinϕ . (8.16)

Da die 90◦-Phasenverschiebung frequenzabhangig ist, sind die Gerate zurBlindleistungsmessung ublicherweise fur eine Frequenz von 50Hz bzw. 60Hzkonzipiert. Fur stark oberwellenhaltige Signale ergeben sich daher fehlerhaf-te Meßwerte. Die Blindleistung wird bei induktiven Lasten positiv und beikapazitiven Lasten negativ angezeigt.

Scheinleistung PS

Die Scheinleistung ist die in einer komplexen Impedanz Z umgesetzte Lei-stung. Sie entspricht dem Produkt der Effektivwerte von Strom und Spannungan der Impedanz Z (Einheit Volt-Ampere (VA))

PS = |P | = UeffIeff =√P 2W + P 2

B . (8.17)

Meßtechnisch laßt sich die Scheinleistung am einfachsten durch separateStrom- und Spannungsmessungen der Effektivwerte Ieff und Ueff und die an-schließende Produktbildung gemaß Gl. (8.17) ermitteln.

8.2.3 Leistungsmessung in Drehstromsystemen

Prinzipielle Schaltungsvarianten in Drehstromsystemen

Bei Drehstromsystemen unterscheidet man zwischen dem 3-Leiter-System unddem 4-Leiter-System, je nachdem, ob ein Neutralleiter vorhanden ist odernicht. Abbildung 8.5 zeigt beide Varianten. Die komplexen Verbraucher Z1,

Abb. 8.5. a) 4-Leiter-Drehstromsystem mit Sternschaltung der Verbraucher (N:Neutralleiter), b) 3-Leiter-Drehstromsystem mit Dreieckschaltung der Verbraucher

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224 8 Messung der elektrischen Leistung

Z2 und Z3 konnen in Form einer Sternschaltung (Abb. 8.5a) oder einer Drei-eckschaltung (Abb. 8.5b) zusammengeschaltet werden. Beim 4-Leiter-Systemhat man zwischen den Leiterspannungen (verkettete Spannung) U12, U23 undU31 (Spannungen zwischen zwei Außenleitern) und den Sternspannungen U1N,U2N und U3N (Spannungen zwischen Außenleiter und Neutralleiter) zu unter-scheiden (Abb. 8.5). Der Neutralleiter wird auch als Sternpunkt bezeichnet.Im Falle eines 3-Leiter-Systems kann man sich zu meßtechnischen Zwecken(Abb. 8.9) einen kunstlichen Sternpunkt N ′ schaffen, indem man die drei Lei-ter L1, L2 und L3 jeweils mit einem hochohmigen Widerstand R zu demkunstlichen Sternpunkt N ′ verbindet.

Im folgenden wollen wir zunachst eine symmetrische Belastung vorausset-zen, d. h. die drei Lastimpedanzen sind identisch Z1 = Z2 = Z3. Im Zeiger-diagramm (Abb. 8.6) erkennt man, daß sowohl die Leiterspannungen als auchdie Sternspannungen um jeweils 120◦ gegeneinander phasenverschoben sind.In Drehstromnetzen gilt generell

U12 = U1N − U2N (8.18)

U23 = U2N − U3N (8.19)

U31 = U3N − U1N . (8.20)

Dabei sollte erwahnt werden, daß sich in 3-Leiter-Systemen die BezeichnungN auf den kunstlichen Sternpunkt N ′ bezieht. Im speziellen gilt bei symme-trischer Belastung

U1N = U (8.21)

U2N = U e−j120◦ (8.22)

U3N = U e+j120◦ (8.23)

und

|U31| =√|U1N|2 + |U3N|2 − 2|U1N||U3N| cos 120◦ = |U1N|

√3 . (8.24)

Die Leiterspannungen sind betragsmaßig stets gleich

Abb. 8.6. Zeigerdiagramm eines symmetrisch belasteten Drehstromsystems. Lei-terspannungen: U12, U23, U31; Sternspannungen: U1N, U2N, U3N

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8.2 Leistungsmessung im Wechselstromkreis 225

|U12| = |U23| = |U31| = |U |√3 = U

√3 (8.25)

und ihre (Zeiger)-Summe ergibt Null

U12 + U23 + U31 = 0 . (8.26)

Die Strome des 4-Leiter-Systems genugen folgender Bedingung

I1 + I2 + I3 = IN . (8.27)

Fur den Fall symmetrischer Belastung (gleiche Lastimpedanzen Z1 = Z2 =Z3) verschwindet der Strom im Neutralleiter des 4-Leiter-Systems. Weiterhingilt fur die Leiterstrome

I1 = I (8.28)

I2 = I e−j120◦ (8.29)

I3 = I e+j120◦ . (8.30)

Aus Abb. 8.7 folgt der Zusammenhang zwischen Leiterstromen und Strang-stromen bei einer Dreieckschaltung

|I12| = |I23| = |I31| =1√3|I| . (8.31)

Im 3-Leiter-System ist die Summe der drei Leiterstrome infolge des nichtvorhandenen Neutralleiters stets Null

I1 + I2 + I3 = 0 . (8.32)

Abb. 8.7. Zeigerdiagramm von Leiterstromen I i und Strangstromen I ij bei derDreieckschaltung. Die Form des gleichseitigen Dreiecks erhalt man nur fur symme-trische (gleiche) Lasten Z i.

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226 8 Messung der elektrischen Leistung

Messung der Wirkleistung in Drehstromsystemen

Fur den Fall symmetrischer Belastung genugt ein Leistungsmesser, i.allg. wie-derum ein elektrodynamisches Meßwerk. Die umgesetzte Gesamtleistung er-gibt sich dabei als die dreifache Einzelleistung, welche gerade von dem einenLeistungsmesser angezeigt wird. Fur den allgemeinen Fall unsymmetrischerBelastung jedoch werden beim 4-Leiter-System drei und beim 3-Leiter-Systemzwei Leistungsmesser benotigt. Es gilt die generelle Regel, daß n−1 Leistungs-messer eingesetzt werden mussen, wenn n Leitungen zu einem Verbraucherfuhren, da eine der Leitungen stets als Ruckleitung angesehen werden kann.

4-Leiter-System

Zur Wirkleistungsmessung in einem 4-Leiter-System werden drei elektrody-namische Meßwerke gemaß Abb. 8.8 zusammengeschaltet. Die Gesamtwirk-leistung PWges ergibt sich als Summe der einzelnen Leistungen PWi

PWges = PW1 + PW2 + PW3

= U1NeffI1eff cosϕ1 + U2NeffI2eff cosϕ2 + U3NeffI3eff cosϕ3 . (8.33)

Dabei bezeichnet ϕi den Phasenwinkel zwischen dem Strom Ii und der Span-nung UiN.

Abb. 8.8. Wirkleistungsmessung in einem 4-Leiter-Drehstromsystem

3-Leiter-System

Oft werden auch bei 3-Leiter-Systemen drei Leistungsmesser eingesetzt, umdie einzelnen Leistungen getrennt beobachten zu konnen. Das Meßergebnisist damit außerdem genauer, insbesondere bei kleinen Leistungen und großenPhasenwinkeln. Da das 3-Leiter-System keinen Mittelpunktleiter aufweist,

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8.2 Leistungsmessung im Wechselstromkreis 227

Abb. 8.9. Wirkleistungsmessung im 3-Leiter-System

mussen die drei Spannungspfade zu einem kunstlichen Sternpunkt N ′ verbun-den werden. Dies entspricht der Schaltung nach Abb. 8.9. Dabei mussen dieWiderstande bzw. Impedanzen der Spannungspfade aus Symmetriegrundengleich sein. Die Gesamtwirkleistung laßt sich dann wiederum nach Gl. (8.33)ermitteln.

Im 3-Leiter-System genugen allerdings auch zwei Leistungsmesser, wennman sie in Form der sog. Aaronschaltung (Abb. 8.10) zusammenschaltet. Diebeiden Meßwerke zeigen die von ihnen gemessenen Wirkleistungen PW1 undPW2 an, die sich in der Summe wie folgt darstellen

PW1 + PW2 = U13effI1eff cos(<)U13, I1) + U23effI2eff cos(<)U23, I2) . (8.34)

Die gesamte in einem Drehstromsystem umgesetzte komplexe Leistung P an-dererseits betragt definitionsgemaß

P = U1NI∗1 + U2NI

∗2 + U3NI

∗3 . (8.35)

Im Falle eines 3-Leiter-Systems stellen die Werte von UiN die Spannungen dar,die zwischen dem jeweiligen Leiter Li und dem kunstlichen Sternpunkt liegen.

Abb. 8.10. Zwei-Wattmeter-Verfahren (Aaronschaltung)

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228 8 Messung der elektrischen Leistung

Aus dem Spannungszeigerdiagramm (Abb. 8.6) lassen sich die folgenden Zu-sammenhange ablesen

U1N = U13 + U3N (8.36)

U2N = U23 + U3N . (8.37)

Da außerdem die Summe der drei Leiterstrome Null ergibt

0 = I1 + I2 + I3 , (8.38)

folgt aus Gl. (8.35) die gesamte komplexe Leistung P

P = U13I∗1 + U23I

∗2 + U3N(I

∗1 + I∗2 + I∗3) (8.39)

P = U13I∗1 + U23I

∗2 . (8.40)

Der Realteil von P entspricht also der im Drehstromsystem umgesetztenWirk-leistung PW

PW = Re(P ) = U13effI1eff cos(<)U13, I1) + U23effI2eff cos(<)U23, I2) . (8.41)

Die Identitat mit Gl. (8.34) beweist, daß sich diese Gesamtwirkleistung auchals Summe von PW1 und PW2 ergibt, jenen Leistungen also, die mit den beidenLeistungsmessern der Aaronschaltung (Abb. 8.10) gemessen werden.

Messung der Blindleistung

Zur Messung der Blindleistung in Drehstromnetzen wird die Tatsache genutzt,daß bei (annahernd) symmetrischer Lastverteilung die Sternspannungen undLeiterspannungen paarweise um 90◦ phasenverschoben sind (Abb. 8.11). Nachdiesem Prinzip arbeiten die Schaltungen nach Abb. 8.12 und 8.14.

Abb. 8.11. Spannungszeiger in Drehstromsystemen

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8.2 Leistungsmessung im Wechselstromkreis 229

4-Leiter-System

Die Blindleistung in einem 4-Leiter-Drehstromsystem kann mit Hilfe von dreielektrodynamischen Meßwerken ermittelt werden. Dazu werden diese gemaßAbb. 8.12 angeschlossen. Die Gesamtblindleistung ergibt sich namlich aus derdurch

√3 dividierten Summe (PB1 + PB2 + PB3) der Leistungen, welche die

Einzelmeßwerke anzeigen

PBges =1√3(PB1 + PB2 + PB3) . (8.42)

Die Einzelleistungen PB1, PB2 und PB3 lassen sich unter Zuhilfenahme desSpannungszeigerdiagrammes (Abb. 8.11) und der Annahme RV = 0 wie folgtableiten

PB1 = U23effI1eff cos(<)U23, I1) = U23effI1eff cos(<) (U1N, I1)− 90◦)= U23effI1eff cos(ϕ1 − 90◦) = U23effI1eff sinϕ1

=√3U1NeffI1eff sinϕ1 . (8.43)

Analog zu Gl. (8.43) gilt fur die Anzeigen PB2 und PB3

PB2 = U31effI2eff cos(<)U31, I2) = U31effI2eff cos(<) (U2N, I2)− 90◦)= U31effI2eff cos(ϕ2 − 90◦) = U31effI2eff sinϕ2

=√3U2NeffI2eff sinϕ2 (8.44)

PB3 = U12effI3eff cos(<)U12, I3) = U12effI3eff cos(<) (U3N, I3)− 90◦)= U12effI3eff cos(ϕ3 − 90◦) = U12effI3eff sinϕ3

=√3U3NeffI3eff sinϕ3 . (8.45)

Abb. 8.12. Messung der Blindleistung im 4-Leiter-System. Die Leistungsmesserhaben identische Innenwiderstande.

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230 8 Messung der elektrischen Leistung

Beim Anschließen der Leistungsmesser ist auf die richtige Polaritat zu ach-ten, welche durch die Punkte in Abb. 8.12 angezeigt wird. Wenn die Vorwi-derstande RV so gewahlt werden, daß an den Spannungspfaden der Meßgerateeine um den Faktor

√3 kleinere Spannung wirksam wird, ergibt sich die Ge-

samtblindleistung als Summe der drei Anzeigewerte, was durch einen Vergleichder Gln. (8.42 - 8.45) leicht verifiziert werden kann.

3-Leiter-System

Im 3-Leiter-System genugen wiederum zwei Leistungsmesser, deren Span-nungspfade zu einem kunstlichen Sternpunkt N ′ gemaß Abb. 8.14 zusam-mengeschaltet werden. Dabei ist wiederum auf die richtige Polaritat der Lei-stungsmesser zu achten, die in Abb. 8.14 durch einen Punkt am Meßwerkgekennzeichnet ist. Die mit

√3 multiplizierte Summe PBges der von den bei-

den in Abb. 8.14 dargestellten Leistungsmessern angezeigten Leistung betragt

PBges =√3(PB3 + PB1) =

√3(Re(U1NI

∗3 − U3NI

∗1)) . (8.46)

Unter Zuhilfenahme der Abb. 8.13 kann Gl. (8.46) folgendermaßen dargestelltwerden

PBges =1√3Re((U13 + U12)I

∗3 + (U23 + U13)I

∗1) . (8.47)

Indem man Gl. (8.47) wie folgt erweitert

PBges =1√3Re ((U13 + U12)I

∗3 + (U23 + U13)I

∗1 + U31I

∗2 − U31I

∗2)

=1√3Re (U23I

∗1 + U31I

∗2 + U12I

∗3 + U13(I

∗1 + I∗2 + I∗3)) (8.48)

und die Tatsache berucksichtigt, daß die Summe der Leiterstrome im 3-Leiter-System verschwindet

Abb. 8.13. Zusammenhange zwischen Stern- und verketteten Spannungen

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8.3 Messung der elektrischen Arbeit 231

I1 + I2 + I3 = I∗1 + I∗2 + I∗3 = 0 , (8.49)

gelangt man zur allgemeinen Blindleistungs-Beziehung

PBges =1√3Re(U23I

∗1 + U31I

∗2 + U12I

∗3) . (8.50)

Abb. 8.14. Messung der Blindleistung im 3-Leiter-System. Der Punkt gibt diePolaritat des Spannungspfades an. Der Widerstand RWV entspricht dem Innenwi-derstand des Spannungspfades der (identischen) Leistungsmesser.

8.3 Messung der elektrischen Arbeit

Die elektrische Arbeit (Energie) ergibt sich aus der zeitlichen Integration derelektrischen Wirkleistung PW(t)

E =

∫ t

0

PW(t) dt′ . (8.51)

Zur Messung der elektrischen Energie werden im Wechselstromfall sog. Induk-tionsmeßwerke eingesetzt, die ublicherweise als Elektrizitatszahler bezeichnetwerden. In diesen Induktionsmeßwerken wird vom Strom des Leistungskrei-ses ein magnetisches Wechselfeld aufgebaut, das in einer elektrisch leitfahigenScheibe Induktionsspannungen und damit Wirbelstrome hervorruft. Auf diesewirkt ein zweites, von der Spannung des Leistungskreises generiertes Magnet-feld, das in Verbindung mit den Wirbelstromen Krafte erzeugt, welche dieScheibe in Rotation versetzen. Die Rotationsgeschwindigkeit der Scheibe istletztlich ein Maß fur die elektrische Momentanleistung. Induktionsmeßwerkekonnen allerdings nur fur Wechselstromanwendungen eingesetzt werden, dasie auf dem Induktionsprinzip beruhen.

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232 8 Messung der elektrischen Leistung

Funktionsprinzip des Induktionsmeßwerkes (Elektrizitatszahler)

Der prinzipielle Aufbau eines Elektrizitatszahlers wird in Abb. 8.16 gezeigt.Die auf dem hufeisenformigen Joch (Stromeisen) befindliche Spule 1 fuhrt denStrom i(t) des Leistungskreises

i(t) = I sin(ωt+ ϕ) . (8.52)

Der dadurch entstehende magnetische Fluß φ1 durchsetzt die Aluminiumschei-be und induziert in dieser die Wirbelstrome iw. Entsprechend dem Durch-flutungsgesetz sowie dem Induktionsgesetz lassen sich die folgenden Zusam-menhange fur den magnetischen Fluß φ1

φ1 ∼ B1 ≈ μ0N1i(t)

2δ= μ0

N1

2δI sin(ωt+ ϕ) (8.53)

bzw. den Wirbelstrom iw ableiten

iw ∼ uind ∼ dφ1

dt∼ ωI cos(ωt+ ϕ) . (8.54)

Dabei bezeichnen B1 den Betrag der magnetischen Induktion im Stromeisen,φ1 den magnetischen Fluß im Stromeisen, N1 die Windungszahl des Stromei-sens, δ den Luftspalt in Strom- und Spannungseisen (die Aluminiumscheibezahlt in diesem Fall wegen μr = 1 zum Luftspalt) und ϕ den Phasenwinkelzwischen Spannung u und Strom i. Legt man die Spannung u(t) des Leistungs-kreises an die Spule 2 des Spannungseisens, welches die AluminiumscheibeU-formig umschließt, entsteht im Luftspalt die magnetische Induktion B2,welche sich wie folgt aus der angelegten Spannung u(t) uber den durch dieSpule fließenden Strom i2(t) berechnen laßt

u(t) = U sinωt (8.55)

i2(t) =1

L

∫ t

0

udt′ = − 1

ωLU cosωt (8.56)

B2 ≈ μ0i2N2

δ∼ −U cosωt . (8.57)

Dieses magnetische Feld wirkt nun auf die in der Aluminiumscheibe induziertenWirbelstrome (Abb. 8.15) und verursacht eine mechanische Kraftwirkung. Die

entsprechende Volumenskraft �fr (raumliche Kraftdichte) ergibt sich nach [154]

�fr = �Jw × �B2 − 1

2H2gradμ , (8.58)

wobei �Jw den Stromdichtevektor bezeichnet, der dem Wirbelstrom iw propor-tional ist. Da die Aluminiumscheibe eine konstante Permeabilitat μ aufweist,verschwindet der Term gradμ, und der Betrag F der Gesamtkraft laßt sichwie folgt ermitteln

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8.3 Messung der elektrischen Arbeit 233

Abb. 8.15. Wirbelstrome in der Aluminiumlauferscheibe eines Elektrizitatszahlers

F ∼ iwB2 ∼ IU cos(ωt+ ϕ) cosωt . (8.59)

Das auf die Aluminiumscheibe wirkende mittlere Moment Mel erhalt man,wenn man uber die Periodendauer T integriert

Mel ∼ 1

T

∫ T

0

F (t) dt (8.60)

∼ U I

T

∫ T

0

1

2(cosϕ+ cos(2ωt+ ϕ)) dt =

U I

2cosϕ .

Gleichung (8.60) sagt aus, daß das Antriebsmoment Mel proportional derWirkleistung PW des Leistungskreises ist

Mel = k1UeffIeff cosϕ = k1PW . (8.61)

In der Praxis entsteht aufgrund des relativ großen Luftspaltes sowie der Eisen-und Kupferverluste keine exakte 90◦-Verschiebung zwischen dem Strom i2in der Spule 2 und der Spannung u des Leistungskreises. Die exakte 90◦-Phasenverschiebung erreicht man erst durch den in Abb. 8.16 gezeigten ma-gnetischen Nebenschluß des Spannungseisens (Grobabgleich der 90◦-Phasen-verschiebung durch Veranderung von δN) und eine Hilfswicklung am Stromei-sen, die uber den regelbaren Widerstand R kurzgeschlossen ist (Feinabgleichder 90◦-Phasenverschiebung durch Veranderung des Widerstandes R).

Der als Wirbelstrombremse wirkende Permanentmagnet (Abb. 8.16), derauch als Bremsmagnet bezeichnet wird, erzeugt ein Bremsmoment mit dem

Page 16: 8 Messung der elektrischen Leistung - telematika.kstu.kg · 8 Messung der elektrischen Leistung 8.1 LeistungsmessungimGleichstromkreis Die elektrische Leistung P an einem elektrischen

234 8 Messung der elektrischen Leistung

Abb. 8.16. Prinzipieller Aufbau eines Elektrizitatszahlers

Betrag Mbrems

Mbrems = k2n , (8.62)

wobei n die Drehzahl der Aluminiumscheibe bezeichnet. Die Drehzahl n derScheibe laßt sich nun aus der Gleichgewichtsbedingung Mbrems = Mel ermit-teln

n =k1k2

UeffIeff cosϕ = kPW . (8.63)

Nachdem die Drehzahl n der Scheibe proportional zur Wirkleistung PW ist,erhalt man die elektrische Energie durch Aufsummieren (zeitliche Integration)der Umdrehungen der Aluminiumscheibe. Dies geschieht in einfacher Weisemit Hilfe eines mechanischen Zahlwerkes.

Hinweis:

Die Leistungsmessung in Energieversorgungsnetzen und insbesondere beimEndverbraucher hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Denn dererste Schritt zu einer Energieverbrauchsreduzierung ist die komfortable undeffiziente elektronische Messung von Wirk- und Scheinleistung sowie die desEnergieverbrauches. Dabei wird gefordert, daß die elektronischen Leistungs-messer in moderne Informationsarchitekturen, wie z.B. das Internet, einbind-bar sind. Das Herzstuck eines solchen elektronischen Energiemeters ist ein in-tegrierter Schaltkreis, der mit zwei Eingangssignalen, welche dem Laststrombzw. der Lastspannung proportional sind, gespeist werden und der an seinemAusgang ein Signal liefert, das der verbrauchten Wirkleistung oder alternativder verbrauchten Energiemenge entspricht. Diese elektronischen Energiemeterwerden in Kap. 11.10 behandelt.