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13. November 2015
ROBERT HALVER IN DEN MEDIEN
Der wöchentliche Kapitalmarkt-Ausblick von Robert Halver - jetzt als Video-Kolumne auf maxblue.de.
Einen aktuellen Marktkommentar mit dem Titel Herr Halver, von welchen Firmen würden Sie lieber das
Produkt, als die Aktie zu Weihnachten verschenken? können Sie auf der Website von Börsen Radio Network
abrufen.
DER MARKT UNTER DER LUPE
▶ Die Geldpolitik übt sich in vorauseilendem Gehorsam: Kampf der Renditewende
GRAFIK DER WOCHE
▶ Aktuelle Marktlage und Anlegerstimmung: Schwacher Euro heißt Aktienstärke
▶ Charttechnik DAX und Euro Stoxx 50
▶ Der Wochenausblick für die KW 47 - Japan in der Rezession
HALVERS WOCHE
VOLKSWIRTSCHAFTLICHE PROGNOSEN AUF EINEN BLICK
KAPITALMARKT AUF EINEN BLICK
WEITERE NEWSLETTER DER BAADER BANK
DER MARKT UNTER DER LUPE
Am Ende wird alles gut. Und wenn noch nicht alles gut ist, sind wir noch nicht am Ende!
Die Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft werden
getrimmt. So stellt das ifo Institut eine spürbare Abkühlung fest.
Setzt man die ermittelte Einschätzung der globalen
Geschäftslage und -erwartungen für das IV. Quartal 2015
zueinander in Beziehung, befindet sich die Weltkonjunktur vor
allem aufgrund der eingetrübten Erwartungen in der Rezession.
Bei näherer Betrachtung kam es insbesondere in Asien zu einer
merklichen Stimmungsverschlechterung.
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse, Baader Bank
Seite 1 von 13Halvers Kapitalmarkt Monitor - Ausgabe vom 13.11.2015 - KW 46
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Chinas konjunkturelle Stabilisierungsmaßnahmen zeigen bislang kaum
Wirkung. Im Einklang mit einem schwachen Einkaufsmanagerindex für die
Industrie nimmt der Deflationsdruck als Durchschnitt aus Verbraucher- und
Produzentenpreisinflation seit Ende 2014 unaufhaltsam zu.
China kriegt die konjunkturelle Kurve
Durch den Deflationsdruck negativ beeinflusst, hat auch der chinesische
Aktienmarkt (Shanghai Composite) im Vorjahresvergleich an Dynamik
eingebüßt. Offensichtlich haben auch chinesische Unternehmen an
Preissetzungsmacht bzw. -überwälzungsspielräumen eingebüßt. Angesichts
dieser wirtschaftlichen Lethargie gilt in Chinas KP ein neuer Wahlspruch: „Wir
haben verstanden“. Der neue Fünf-Jahres-Plan setzt wie in westlichen Ländern
und in Japan auf die Zangenbewegung von staatlichen Konjunkturmaßnahmen
und geldpolitischer Unterstützung. Am Aktienmarkt scheint dieses Signal
angekommen zu sein. Nach seinem Verfall im August und September hat sich
der chinesische Aktienleitindex erholt.
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Repatriierung von Auslandsgeld
Die Geldpolitik übt sich in vorauseilendem Gehorsam: Kampf der Renditewende
Die Emerging Markets und Rohstoffländer wie Saudi-Arabien sind dafür
bekannt, ihre Devisenreserven schwerpunktmäßig in internationalen
Staatsanleihen anzulegen, was ihre Kurse stützt und Renditen drückt. Doch
darin liegt auch eine Gefahr. Angesichts sinkender Rohstoffpreise und
schwacher Konjunkturen wurden Reserven zur Realisierung hoher
Buchgewinne aufgelöst, um sie im Inland zur konjunkturellen Stabilisierung
einzusetzen. Im Extremfall könnten sie eine Trendwende bei Renditen nach
oben einleiten und damit das angenehme Refinanzierungsumfeld für
Staatsschulden in den USA und insbesondere in Europa einschränken.
On the money road again
Hinzu kommt ein geldpsychologisches Verlaufsmuster von
Staatsanleiherenditen: Bei Ankündigung von Anleihekäufen reagieren die
Rentenmärkte mit sinkenden Renditen. Doch nach tatsächlichem Vollzug ebbt
dieser Effekt zunehmend ab bis hin zu erneuten Renditeanstiegen. Um diese
Reaktion zukünftig nicht zu einem deutlichen Trend ausufern zu lassen, sind die
Notenbanken zunehmend gezwungen, die Liquiditätserhöhungsphantasie
aufrechtzuerhalten. Enttäuschungen dürfen erst gar nicht zugelassen werden.
Die Notenbanken sind insofern ohnmächtig dazu gezwungen, ihre Allmacht zur
Beruhigung an den Finanzmärkten fortzusetzen. Die Exponentialfunktion
scheint zur Anwendung zu kommen.
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Das Nachholpotenzial der EZB wird gehoben
Im Vergleich zu anderen Notenbanken ist die EZB in puncto Anleihekäufen
noch ein „Waisenkind“. Während Fed und Bank of England ihre
Volkswirtschaften vollmundig mit über 30 bzw. 25 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts refinanzieren - das sind über 43 bzw. 30 Prozent des
Anleiheumlaufs - ist die EZB mit jeweiligen Aufkaufwerten deutlich unter 20
Prozent regelrecht rückständig. Diesen Rückstand wird die EZB definitiv
aufholen. Auf der Zinssitzung am 3. Dezember wird Mario Draghi - die verbalen
Ankündigungen sind unmissverständlich - nachlegen, um konjunkturschädliche
Renditeanstiege im Keim zu ersticken.
GRAFIK DER WOCHE
Anteile der von Notenbank aufgekauften Staatsanleihen, in Prozent des BIP und des Anleiheumlaufs
Die EZB scheint die Parität zum US-Dollar anzustreben
Aktuelle Marktlage und Anlegerstimmung: Schwacher Euro heißt Aktienstärke
Zunehmende Anleiheaufkäufe der EZB dienen nicht zuletzt dem inoffiziellen
Zweck, den Euro zu schwächen. Bereits jetzt ist die Zinsdifferenz von 10-
jährigen Staatsanleiherenditen zu US-amerikanischen mit über 1,5
Prozentpunkten deutlich. Bei sich noch weiter ausweitendem Zinsunterschied
wird sich die Attraktivität europäischer Staatsanleihen zulasten des Euros
fortsetzen. Die EZB scheint die Parität zum US-Dollar anzustreben.
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Grundsätzlich kommt deutschen, typischerweise exportorientierten Aktien eine
abwertende Währung zugute.
Von einer Währungsabschwächung profitiert der MDAX als noch industrie- und
exportlastigerer Aktienindex umso stärker.
Nach einer
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Zinserhöhung verteilt die Fed Beruhigungspillen
Sicherlich verfolgt die US-Notenbank diese Entwicklung mit konjunktureller
Sorge. Eine mögliche US-Leitzinswende mit Ausstrahleffekten auf
Anleiherenditen erwiese sich als Belastungsfaktor für die US-Exportwirtschaft.
Vor diesem Hintergrund wird US-Notenbankchefin Yellen bei einer
tatsächlichen Zinserhöhung - die maßgeblich der Glaubwürdigkeit der Fed und
nicht der US-Konjunkturverfassung geschuldet ist - anschließend
Beruhigungsarbeit leisten müssen. Hierzu hat sie zwei Möglichkeiten: Entweder
Frau Yellen verdeutlicht, dass die Zinserhöhung im Dezember nicht der Beginn
eines Zinserhöhungszyklus ist und/oder sie kompensiert die Leitzinswende mit
der Etablierung eines dann vierten Quantitative Easing, um einem
übertriebenen Renditeanstieg vorzubeugen.
Insgesamt bleibt die Geldpolitik mehr als freizügig. Laut Finanzdatenanbieter
Sentix trägt dies unter Finanzanlegern bereits zu verbesserten
Konjunkturerwartungen in den USA, der Eurozone, Südamerika sowie Asien für
die folgenden sechs Monate bei.
Starke Jahresendphase für Aktien
Deutsche Aktien sind im Oktober in eine typischerweise saisonal starke
Jahresendphase gestartet. Nach den starken Kursgewinnen im Oktober ist
kurzfristig zwar durchaus mit zwischenzeitlichen Verschnaufpausen zu rechnen.
Jedoch stehen die Chancen aus historischer Sicht gut, dass der Deutsche
Leitindex im November und Dezember seinen Aufwärtstrend fortsetzt.
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Charttechnik DAX und Euro Stoxx 50
Charttechnisch wartet im DAX bei einer Korrektur die erste Unterstützung bei
10.652 Punkten. Darunter bietet eine Kurslücke zwischen 10.587 und 10.508
Punkten Halt. Eine sehr heftige Korrektur könnte bis zur starken Auffanglinie bei
10.208 Punkten führen. Setzt der Index seine Rallye fort, liegt am seit April
bestehenden Abwärtstrend bei derzeit 11.149 Punkten ein erster Widerstand.
Darüber wartet die Kurslücke zwischen 11.154 und 11.278 Punkten, gefolgt von
den Widerständen bei 11.600 und 11.800 Punkten.
Im Euro Stoxx 50 bietet eine Kurslücke zwischen 3.374 und 3.362 Punkten
ersten Halt. Darunter warten weitere Auffanglinien bei 3.325 und 3.290
Punkten. Ein signifikanter Ausbruch über die Barriere bei 3.473 Punkten öffnet
dagegen den Weg bis zum mittelfristigen Abwärtstrend bei zurzeit 3.578
Punkten. Darüber bieten eine Kurslücke zwischen 3.580 und 3.602 Punkten
und schließlich die nennenswerte Hürde um 3.700 Punkte Widerstand.
ZEW geldpolitisch aufgehellt
Der Wochenausblick für die KW 47 - Japan in der Rezession
Die japanische Wirtschaft dürfte gemäß den BIP-Zahlen für das III. Quartal
2015 mit minus 0,4 nach minus 1,2 Prozent zum Vorjahr offiziell in die
Rezession abrutschen. Der Handlungsdruck für eine Verstärkung der
Liquiditätshausse der Bank of Japan nimmt immer weiter zu. Eine stabilere US-
Konjunktur im Oktober in Form verbesserter Daten zu Industrieproduktion sowie
Baubeginnen und -genehmigungen schüren aber Bedenken vor der US-
Zinswende im Dezember.
In der Eurozone bleibt die Inflation im Oktober schwach und bestärkt die EZB in
ihrer Bereitschaft zu einer Ausweitung ihrer Anleiheaufkäufe. Die
Liquiditätsphantasien der EZB wird die ZEW Konjunkturerwartungen für
Deutschland wieder etwas aufgehellt haben.
Nach den starken vergangenen Wochen am deutschen Aktienmarkt dürfte sich
der DAX in der nächsten Woche zunächst seitwärst bewegen.
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse, Baader Bank
HALVERS WOCHE
Der Zerfall Europas - Das unterschätzte Finanzmarktrisiko?
Seit 1990 hat sich Europa immer mehr integriert. Mittlerweile haben 19 Staaten
sogar eine gemeinsame Währung. Dem Ziel einer europäischen Stabilitäts- und
Wertegemeinschaft schien man immer näher zu kommen. Europa entwickelte
sich zum starken Block, der sich gegenüber den geopolitischen Machtzentren
USA, China oder den Emerging Markets insgesamt gut aufgestellt hatte. Selbst
Amerika schien damals Respekt vor dem neuen „geeinten“ Europa zu haben.
Für jeden kommt einmal die Stunde der Wahrheit und dann heißt es lügen, lügen, lügen
Die Stabilitätsunion ist zu einem Etikettenschwindel geworden
Was für eine schöne Vision! Und heute? Auf der Verpackung der Eurozone
steht zwar immer noch Stabilitätsunion drauf, längst ist aber Schuldenunion
drin: Das Verbot zwischenstaatlicher Finanzhilfen wurde auf der Flucht vor der
Finanzkrise ebenso erschossen wie das Verbot der Staatsfinanzierung durch
die EZB. Die politische Klasse meinte wohl, dass diese finanz- und
geldpolitische Flurbereinigung „alternativlos“ sei, um die Euro-Familie
zusammenzuhalten. Und gemäß dieser neuen Harmonie hat Familienmitglied
Griechenland seit März 2010 nicht nur einmal Hilfe empfangen - wie zunächst
Seite 7 von 13Halvers Kapitalmarkt Monitor - Ausgabe vom 13.11.2015 - KW 46
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von Familienoberhaupt Deutschland versprochen - sondern mittlerweile bereits
dreimal. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass es nicht bei drei
bleibt. Warum sollte eigentlich die EZB nicht auch noch griechische
Staatspapiere aufkaufen? Wenn man alles Euro-Stabilitätsgeschirr zerschlagen
hat, braucht man doch vor der letzten Tasse nicht Halt zu machen, oder?
Immerhin würde man mit dieser zinsdrückenden, haushaltsentlastenden
Stabilitätslüge einen unter normalen Umständen dringend notwendigen
griechischen Schuldenschnitt unnötig machen. So umgeht die EZB jeden neuen
griechischen Finanzstress. Sie sorgt für Stabilität durch die Hintertür. Für jeden
kommt einmal die Stunde der Wahrheit und dann heißt es lügen, lügen, lügen.
Mit dieser an einem Hit der Hardrock-Band Dire Straits, nämlich „Money for
nothing“, orientierten Geldpolitik wird auch zukünftig jede Finanz-, Schulden-
oder Bankenkrise platt wie eine Flunder gekloppt. Allerdings steckt big spender
EZB damit in einem fürchterlichen Dilemma: Wird sie irgendwann geldpolitisch
restriktiv, schafft sie eine neue Euro-Staatsschuldenkrise über steigende
Anleiherenditen. Hält sie dagegen an ihren großzügigen Anleiheaufkäufen fest
und forciert sie vermutlich sogar noch, fördert sie den Reform-Schlendrian in
den Euro-Staaten, da nationale Finanzpolitiker keine Risikoaufschläge bei
Anleihen befürchten müssen.
Dieser radikale Verlust an fiskalischer und geldpolitischer Stabilität ist schon
schlimm genug. Unsere zinslose Altersvorsorge wird uns noch ebenso auf die
Füße fallen wie die Kastration unserer Privatwirtschaft über sich weiter
verschlechternde Standortqualitäten. Ich nenne das den schleichenden
Wirtschafts-Tod Europas.
Heute ist Alexis Tsipras mächtiger als Angela Merkel
Die Renationalisierung in Europa ist wieder hoffähig
Doch das ist nichts gegen ein noch viel größeres Problem. Denn Europa sieht
sich mit einer Existenzkrise bedroht. In der unsolidarischen Bewältigung der
Flüchtlingskrise zeigt die so hochgelobte christliche Wertegemeinschaft Züge
des Antichristen. In puncto Leistung, Hand aufhalten, bei Finanzhilfen für
schwache Länder und der Finanzierung einer erhöhten Nato-Präsenz in
Osteuropa gegen den vermeintlich bösen Ivan sind alle froh, dass Deutschland
sein Portemonnaie aufmacht. Und um Griechenlands Verbleib in der Eurozone
zu sichern, hatte niemand auch nur eine Spur von Gewissensbissen, dass wir
unsere goldglänzenden Maastricht-Stabilitätskriterien aufgeben mussten, die
doch eigentlich die Bedingungen für die Aufgabe der Deutschen Mark und die
Annahme des Euros waren. Deutschland muss sich heute vorkommen wie
Hans im Glück, der am Anfang einen großen Klumpen Gold besaß und zum
Schluss gar nichts mehr.
Aber jetzt, wo wir nach Gegenleistung, nach Solidarität fragen, stellen die
anderen EU-Staaten die Ohren auf Durchzug. Ja, die Hand die gibt, ist die
erste, die gebissen wird. Wir erleben Staatsversagen auf allerhöchster
europäischer Ebene. Nicht zuletzt ergeben sich jetzt ganz neue
Machtverhältnisse. Da Griechenland als unmittelbarer Nachbarstaat zur Türkei
zur Bewältigung der Flüchtlingskrise bedeutend ist, kann der griechische
Ministerpräsident vollmundig Forderungen aufstellen und seinen Reformeifer
auf Schneckentempo drosseln. Die Euro-Hegemonialmacht Deutschland leidet
unter Machtverlust: Heute ist Alexis Tsipras mächtiger als Angela Merkel.
Regellos durch die EU-Nacht
Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass in der EU Regel- und Gesetzesbruch in
puncto Grenz- und Asylfragen an der Tagesordnung sind. An dieser
Entwicklung trägt die deutsche Politik aber selbst große Schuld: Wer die
entsprechenden Regeln selbst bricht, gibt anderen ja geradezu ein Alibi, sich
ebenfalls rechtswidrig zu verhalten. Und wenn Europa sich schon nicht an
geschriebenes Recht hält, wie schwer muss es dann erst sein, eine Verteilung
von Flüchtlingen oder die Sicherung von EU-Außengrenzen auf moralischer
Basis zu erreichen?
Seite 8 von 13Halvers Kapitalmarkt Monitor - Ausgabe vom 13.11.2015 - KW 46
13.11.2015http://kapitalmarkt-monitor.baaderbank.de/i/7qUH3yOlwO9mE9bhTbv4Zp43k2iK04...
Zur solidarischen Einsicht halfen da bislang auch nicht EU-Gipfel, die nach dem
Motto abliefen „Es kreiste der Berg und gebar eine Maus“. Eine aktuell
besonders bemerkenswerte Idee ist es, EU-Staaten, die bereit sind, Flüchtlinge
aufzunehmen, Geld zu geben. Am besten kommt das Geld direkt aus dem
Klingelbeutel Mario Draghis, oder?
Hoffnung ist immer die letzte Weisheit der Politiker
Die Flüchtlingskrise ist auch eine Regierungskrise
Selbst unsere deutsche Große Koalition ist kaum fähig, die Flüchtlingskrise
national wirkungsvoll anzupacken. Hieß es nicht früher immer, große
Koalitionen könnten große Probleme lösen? Im Moment steht GroKo nur für
„Große Koordinationsschwierigkeiten“, für politische Grabenkriege sogar
innerhalb der Parteien. Hatte man etwa im Frühjahr, als das Flüchtlingsproblem
spätestens bekannt war, die Hoffnung, dass der Kelch an einem vorübergeht?
Hoffnung ist immer die letzte Weisheit der Politiker. Die tägliche Polit-
Kakophonie an Aussagen, Dementis und dann wieder Bestätigungen führt zu
Verunsicherung, wenn nicht sogar Angst, die dann in letzter Konsequenz auch
die Konsumneigung einschränkt und Wirtschaftswachstum kostet. Auch
Durchhalteparolen, die an den Arbeiter- und Bauernstaat bei der Umsetzung
von Fünf-Jahres-Plänen erinnern, sind durch einvernehmliche Beantwortungen
der Frage zu ersetzen „Wie schaffen wir das?“
Wenn aber schon die Regierung in Deutschland mit ihrer dicken Mehrheit kaum
Lösungen findet, wie will man dann eine Lösung aller EU-Länder
bewerkstelligen? Wenn der EU-Verein weiter durch gegenseitiges Hauen und
Stechen auffällt und/oder seine Bürger und vor allem Jugendliche weiter durch
unverantwortliches Reform-Nichtstun seiner Politiker desillusioniert werden, ist
die Gefahr groß, Europa für alles Negative verantwortlich zu machen. Schon
jetzt gären gewaltige nationale Egoismen und Abschottungsmaßnahmen. Wenn
der Wunsch nach Renationalisierung immer größer wird, ist Europa langfristig in
seiner Existenz gefährdet. Dagegen ist selbst bei der EZB kein Kraut
gewachsen.
„Highway to Hell“
Brexit wäre ein fatales anti-europäisches Signal
Bis 2017 plant das Große Britannien eine Abstimmung über die EU-
Mitgliedschaft. Im Augenblick sieht es laut Umfragen für den Verbleib der Briten
in der EU nicht wirklich gut aus. Rational machte ein Dasein der Briten Out of
Europe zwar keinen Sinn, die Insel wäre tatsächlich eine Insel der wirtschaftlich
Verdammten. Doch für viele Briten ist der Brexit ein Wert an sich, eine
Befreiung von der knubbeligen europäischen Verwandtschaft. Vielleicht wäre es
um die englische Küche nicht schade. Und sicherlich schlagen Briten hin und
wieder anti-europäisch über die Stränge. Aber insbesondere für uns Deutsche
mit unserer in Außenhandelskonkurrenz stehenden Industrie wäre das britische
EU-Aus ausgesprochen schlecht. Denn die Briten stehen für Marktwirtschaft,
Wettbewerbsfähigkeit und Staatshaushaltsdisziplin. Ohne Briten sind wir
Deutschen ziemlich allein mit den planwirtschaftlichen Gesundbetern der Rest-
EU, die sich eine reformverweigernde, schuldenfinanzierte Staatswirtschaft mit
Bezahlung von der EZB ähnlich stark wünschen wie ich früher eine Märklin-
Eisenbahn an Weihnachten.
Der Brexit könnte der erste umfallende Dominostein sein. In den Köpfen von
Bürgern und Investoren könnte sich danach die Meinung bilden, dass Europa
ein Auslaufmodell ist. Und würde gar Marine Le Pen - die Anti-Euro-Jeanne
d’Arc - 2017 bei den französischen Präsidentschaftswahlen gewinnen, könnte
sie nach britischem Beispiel aus der Eurozone unter dem Vorwand austreten,
Frankreich von der vermeintlichen Hegemonialmacht Deutschland zu befreien.
Spätestens dann sind Europa und die Eurozone - um es mit der australischen
Hardrock-Band AC/DC zu sagen - auf dem „Highway to Hell“.
Wird Europa wie ein
Wehe, wenn die europäische Stimme verstummt
Seite 9 von 13Halvers Kapitalmarkt Monitor - Ausgabe vom 13.11.2015 - KW 46
13.11.2015http://kapitalmarkt-monitor.baaderbank.de/i/7qUH3yOlwO9mE9bhTbv4Zp43k2iK04...
Stück Parmesan in der Käsereibe zerrieben?
Sollte Europa politisch dahin siechen, verliert es auch wirtschaftlich an
Lebenskraft. Denn Europas Unternehmen werden dem EU-Zerfall nicht lange
zuschauen. Wenn der europäische Investitionsstandort erkaltet, machen sie es
wie Zugvögel im Winter, sie fliegen davon. Es wird eine Kapitalflucht ins (reform
-)politisch wärmere Amerika und Asien einsetzen. Dort legt man Europas Top-
Unternehmen und den industriellen Patentträgern ohnehin den roten Teppich
aus. Und wenn die Unternehmen aus Europa wie Adler wegfliegen, werden
Europas Aktienmärkte wie Hühner auf dem Boden scharren.
Die europäischen Politiker haben die verdammte Pflicht endlich zu begreifen,
um was es geht. Nationales Klein-Klein setzt alles aufs Spiel. In unserer
globalen Welt sind Europas Länder nur noch Operettenstaaten. Im Extremfall
wird Europa zwischen den Global Playern USA, China und Russland zerrieben
wie ein Stück Parmesan in der Käsereibe.
Insbesondere das stärkste Land Europas, Deutschland, muss endlich Nägel mit
Köpfen machen. Merkel, Gabriel und Seehofer sind nicht gewählt worden, um
Schönheitspreise zu gewinnen, sondern gemäß Amtseid ihre Kraft dem Wohle
des deutschen Volks zu widmen, seinen Nutzen zu mehren und Schaden -
eben auch im Sinne Europas - von ihm abzuwenden. Nicht Krisenmoderation,
sondern Entscheidungen mit Herz und auch viel Verstand sind gefragt. Mit
Adenauer, Brandt, Schmidt, Kohl und Schröder hat es in der Vergangenheit
viele Politiker gegeben, die diesem auch europäischen Anspruch selbst in
kleinen Koalitionen genügten. Muss man das nicht jetzt auch von zwei
Volksparteien verlangen, die sich - weil sie gemeinsam regieren - nicht
gegenseitig in den Rücken fallen müssen?
Ich komme aus dem Dreiländereck Deutschland, Belgien, Niederlande. Ich
finde Europa klasse. Ich will in keiner EU-Politik- und -Wirtschaftswüste leben
und damit den USA und China das Feld überlassen.
Deutsche und EU-Politiker hört endlich die Signale, auf zum letzten Gefecht für
Europa! Glück auf!
VOLKSWIRTSCHAFTLICHE PROGNOSEN AUF EINEN BLICK
KAPITALMARKT AUF EINEN BLICK
Seite 10 von 13Halvers Kapitalmarkt Monitor - Ausgabe vom 13.11.2015 - KW 46
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Seite 11 von 13Halvers Kapitalmarkt Monitor - Ausgabe vom 13.11.2015 - KW 46
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Seite 12 von 13Halvers Kapitalmarkt Monitor - Ausgabe vom 13.11.2015 - KW 46
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Redaktion:Robert Halver,Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AGMarc Schlömer, Kapitalmarktanalyse, Baader Bank AG
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