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Die Societas Europaea (SE) Dokumentation der Seminare vom 30. März 2006 und vom 24. April 2007 Studien des Deutschen Aktieninstituts, Heft 38 Herausgegeben von Prof. Dr. Rüdiger von Rosen Frankfurt am Main, Oktober 2007 DEUTSCHES AKTIENINSTITUT

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Die Societas Europaea (SE)

Dokumentation der Seminarevom 30. März 2006 und vom 24. April 2007

Studien des Deutschen Aktieninstituts, Heft 38Herausgegeben von Prof. Dr. Rüdiger von RosenFrankfurt am Main, Oktober 2007

DEUTSCHES A KTIENI NSTI TU T

Herausgeber: Prof. Dr. Rüdiger von RosenDeutsches Aktieninstitut e.V. Tel. 0 69/9 29 15-0 Niedenau 13-19 Fax 0 69/9 29 15-1260325 Frankfurt a.M. Internet http://www.dai.de

Redaktion: Rechtsanwältin Tel. 0 69/9 29 15-47Dr. Uta-Bettina von Altenbockum E-Mail [email protected]

1. Auflage, Oktober 2007

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-934579-43

Die Societas Europaea (SE)

Studien des Deutschen Aktieninstituts, Heft 38

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Prof. Dr. Rüdiger von Rosen,Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Deutsches Aktieninstitut e.V. 7

1. DAI-Seminar „Gesellschafts-, arbeits- und steuerrechtlicheRahmenbedingungen der Europa AG“ vom 30. März 2006 9

1.1 Die Mitbestimmung in der SEReiner Hoffmann,Deputy General Secretary, European Trade Union Confederation 10

1.2 Die Societas Europaea – Eine juristische BestandsaufnahmeProf. Dr. Dres. h.c. Peter Hommelhoff,Rektor, Ordinarius für Bürgerliches Recht, Handels- undWirtschaftsrecht, Rechtsvergleichung, Ruprecht-Karls-UniversitätHeidelbergPrivatdozent Dr. Christoph Teichmann,Wissenschaftlicher Assistent am Institut für deutsches und europäischesGesellschafts- und Wirtschaftsrecht, Ruprecht-Karls-UniversitätHeidelberg 20

1.3 Die Praxis - Umwandlung der Allianz AG in die Allianz SERA Dr. Peter Hemeling,Chefsyndikus, Allianz AG 38

1.4 SE – grenzüberschreitende Verschmelzung – faktische SitzverlegungRA Dr. Thomas Bücker,Partner, Freshfields Bruckhaus Deringer 49

1.5 Aktuelle SteuerfragenRA Dr. Michael Brück,Manager Tax, KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AGWirtschaftsprüfungsgesellschaftProf. Dr. Martin Wenz,Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Internationales undLiechtensteinisches Steuerrecht, Institut für Finanzdienstleistungen,Hochschule Liechtenstein 59

1.6 Rechnungslegung, Prüfung und Offenlegung der SEDr. Thomas Nagel,Senior Manager, PricewaterhouseCoopers AGWirtschaftsprüfungsgesellschaft 74

2. DAI-Seminar „Praxisüberlegungen zur Umwandlung“ vom 24. April 2007 89

2.1 Was spricht für die Gründung einer SE?Prof. Dr. Reinhard Marsch-Barner,Syndikus, Deutsche Bank AG 90

2.2 Wie viel Mitbestimmung braucht die SE?Prof. Dr. Mathias Habersack,Direktor des Instituts für deutsches und Internationales Recht des Spar-,Giro- und Kreditwesens, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- undGesellschaftsrecht, Wirtschaftsrecht, Johannes-Gutenberg-UniversitätMainz 101

2.3 Die steuerliche Behandlung einer SEProf. Dr. Martin Wenz,Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Internationales undLiechtensteinisches Steuerrecht, Institut für Finanzdienstleistungen,Hochschule Liechtenstein 116

2.4 Die SE – Vorbereitung und Planung für die erfolgreiche UmwandlungRA Dr. Erich Waclawik,Partner, Flick Gocke Schaumburg 132

2.5 Praxisbeispiel: Die Umwandlung der Fresenius AG in eine SEProf. Dr. Jürgen Götz,Bereichsleiter Recht und Versicherungen, Fresenius AG 148

2.6 Praxisbeispiel MAN Diesel SEDr. Hendrik Höhfeld,Syndikus, MAN AG 159

2.7 Praxisbeispiel: Mensch und Maschine Software SEAdi Drotleff,Vorsitzender des Verwaltungsrats, Mensch und Maschine Software SE 173

3. Referenten 181

4. Überblick Rechtsquellen 185

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Vorwort

Prof. Dr. Rüdiger von Rosen,Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Deutsches Aktieninstitut e.V.

Seit Beginn der Beratungen um die Europäische Aktiengesellschaft (SE)vor nunmehr über 30 Jahren war diese als „Flaggschiff des EuropäischenGesellschaftsrechts“ geplant. Vom ersten Entwurf der Kommission von1970 an wollte man eine einheitliche Organisationsform schaffen, die esden Unternehmen ermöglichen sollte, europaweit tätig zu sein. Ziel dereinheitlichen Rechtsform war es, die Rechts- und Verwaltungskosten derUnternehmen zu senken. Dieses Ziel haben wir seitens des DeutschenAktieninstituts von jeher nachhaltig unterstützt.

Die Entstehungsgeschichte der SE ist allerdings auch ein Beispiel für einelangwierige, wenig zukunftsweisende Diskussion. Nach jahrzehnte-langem Streit um Fragen der Mitbestimmung und der gesellschafts-rechtlichen Strukturen der SE gelang erst beim Gipfel von Nizza im Jahre2000 eine Einigung. Dabei konnten sich die Staats- und Regierungschefsnur auf einen rechtlichen Torso einigen. So regelt das Statut der Europäi-schen Gesellschaft nur die Grundstrukturen der SE und verweist in Bezugauf die nicht geregelten Aspekte auf das nationale Recht. Die Folge da-von ist, dass wir nicht eine SE haben, sondern 27 unterschiedliche SE-Formen, abhängig davon, in welchem Mitgliedstaat die SE gegründetwird.

Nachdem das Statut der Europäischen Gesellschaft am 8. Oktober 2004in Kraft getreten war, passierte zunächst einmal nicht viel. Die gewählteschwierige Rechtskonstruktion mit den verschiedenen Normenhierar-chien ließ die Unternehmen vor der Beschreitung des juristischen Neu-lands zunächst zurückschrecken. In der Folgezeit wandelten sich zwareinige Unternehmen in SEs um bzw. kleinere SEs wurden gegründet. EinTeil dieser SEs, die bislang weder einen Geschäftszweck noch Mitarbeiterhaben, soll offensichtlich später an interessierte Firmen verkauft werden,damit diese mit Hilfe dieser „Vorrats-SEs“ (Shelf-SE) schneller ein Ge-schäft etablieren können.

Große Unternehmen waren jedoch in Bezug auf die neue supranationaleGesellschaftsform zunächst eher zurückhaltend. Erst die Umwandlungder Allianz AG in die Allianz SE im Jahr 2006 scheint das Eis gebrochenzu haben. So haben jetzt mit Fresenius, BASF und Porsche weitere deut-sche Großunternehmen den Weg zur Umwandlung in eine europäische

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Gesellschaft beschritten. In Deutschland zumindest scheint die SE als eu-ropäische Gesellschaftsform also Fuß zu fassen.

Die Gründe, die für eine Umwandlung sprechen, sind schon oft genanntworden. So ist bei einem Zusammenschluss zweier Unternehmen über dieGrenze hinweg den jeweiligen Aktionären leichter zu erklären, dass mansich in eine SE umwandelt, als dass man sich einer anderen nationalenRechtsform beugt. Auch sollte das Motiv der Positionierung als europäi-sches Unternehmen durch die Umwandlung in eine SE nicht unterschätztwerden. Ganz deutlich wird dieses beispielsweise in den Worten von Jür-gen Hambrecht, dem Vorstandsvorsitzenden der BASF: „Die EuropäischeGesellschaft ist die zeitgemäße Rechtsform für ein global tätiges Unter-nehmen mit dem Heimatmarkt Europa“.

Es gibt eine ganze Reihe noch handfesterer Gründe, warum der Schritthin zur SE in Deutschland vielleicht leichter fällt als anderswo. So wurdein den bisherigen Ankündigungen zur Umwandlung in eine SE seitensder Unternehmen immer betont, dass man durch die Gesellschaftsformeffizientere Strukturen bei den Aufsichtsorganen erzielen könne. Ein ver-kleinerter Aufsichtsrat bzw. ein Aufsichtsrat, der nicht den Bestimmun-gen des deutschen Aktiengesetzes angepasst werden muss, scheint alsoein starkes Motiv für die Umwandlung zu sein.

Die SE hat einen langen Weg hinter sich. Sie ist eine neue und doch –durch ihre Verweisungen auf das nationale Aktienrecht – eine in Teilenvertraute Gesellschaftsform. Die nicht gerade einfache rechtliche Ausge-staltung macht jedoch eine intensive Beschäftigung mit den SE-Bestim-mungen erforderlich, damit ein Unternehmen den Weg in Richtung SEeinschlagen kann. Das Deutsche Aktieninstitut hat deshalb in den ver-gangenen anderthalb Jahren die SE und ihre Entwicklungen mit zweiSeminaren begleitet. Wir haben die Vorträge dieser beiden Seminare jetztin einer Dokumentation zusammengefasst, um sowohl die theoretischenGrundlagen als auch die Berichte über die praktischen Erfahrungen miteiner SE-Umwandlung einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Prof. Dr. Rüdiger von Rosen

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1. DAI-Seminar

„Gesellschafts-, arbeits- und steuerrechtlicheRahmenbedingungen der Europa AG“

30. März 2006

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1.1 Die Mitbestimmung in der SE

Reiner Hoffmann,Deputy General Secretary, European Trade Union Confedera-tion

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Viele von Ihnen werden denEuropäischen Gewerkschaftsbund nicht kennen, deshalb zwei Sätze dazu.Der Europäische Gewerkschaftsbund ist das Dach der europäischen Ge-werkschaften, also der europäische DGB, wenn Sie so wollen. Der DGBist einer unserer größten Mitgliedsorganisation. Wir haben 81 Gewerk-schaften aus 35 Ländern vereinigt. Diese beiden Zahlen sagen zum einen,dass wir unseren Organisationsbereich nicht auf die 25 Mitgliedstaatender europäischen Union begrenzt haben. Die zweite Zahl von 81 Mit-gliedsorganisationen besagt, dass wir in vielen Ländern so etwas wie ei-nen Gewerkschaftspluralismus haben, anders also als in Deutschland, wowir den DGB als einzigen Dachverband haben. In anderen Ländern gibtes zwei, drei oder auch mehr gewerkschaftliche Dachverbände, die wiralle in einem europäischen Haus zusammengefasst haben.

Ich freue mich, hier zu dem Thema „Mitbestimmung in der SE“ vor Ihnenreferieren zu dürfen, und gestatten Sie mir vielleicht, einige Anmerkun-gen zu machen zur Vorgeschichte. Dies fällt mir umso leichter, da ichjetzt das Vergnügen habe, als erster zu Ihnen sprechen zu dürfen unddamit auch noch unter Beweis stelle, was Flexibilität in einer solchen Si-tuation auch für uns als Gewerkschafter heißt.

Die Debatte über die Europäischen Aktiengesellschaft, Sie wissen das,meine Damen und Herren, ist eine relativ alte, über 30 Jahre alt. Dass eszu keiner Einigung gekommen ist, hat unter anderem mit der Frage zutun: Wie regelt man die Mitbestimmung in einer Europäischen Aktien-gesellschaft?

Der erste Kommissionsvorschlag wurde bereits im Jahre 1970 vorgelegt.Es gab auch bei uns Gewerkschaften zum damaligen Zeitpunkt durchaussehr unterschiedliche Vorstellungen, wie Mitbestimmung in einer Euro-päischen Unternehmensverfassung in einer SE geregelt werden soll. Esdauerte letztendlich bis zum Jahre 2001, bis die Verordnung durch denRat verabschiedet wurde. Im gleichen Jahr im Oktober hat der Rat auchdie Richtlinien hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmervertreter inder Europäischen Aktiengesellschaft verabschiedet.

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Dass es nach so vielen Jahren der Auseinandersetzung zu einem Kom-promiss gekommen ist, hat zum großen Teil damit zu tun, dass nicht zu-letzt auf Vorschlag der Gewerkschaften, die Europäische Kommission ei-ne Sachverständigengruppe unter Leitung von Herrn Davignon einge-richtet hat. Von den Arbeitgebern war Herr Thüsing vom BDA und vonSeiten der Gewerkschaften der ehemalige Vorsitzende des DeutschenGewerkschaftsbundes Ernst Breit beteiligt.

Diese haben letztendlich den Weg, zumindest was die Frage der Mitbe-stimmung in der SE betrifft, für einen Kompromiss geebnet. Bei der Vor-bereitung meines Beitrages habe ich nochmals in den Abschlussberichthineingesehen. Es gibt zwei Zitate, die ich Ihnen nicht vorenthaltenmöchte, der für uns, die Arbeitnehmervertreter, wichtig ist, wenn wir ü-ber Europäisches Unternehmensrecht sprechen.

„Eine der am deutlichsten sichtbaren Auswirkungen der Internationali-sierung der Märkte und des globalen Wettbewerbs ist die Notwendigkeiteiner Optimierung aller wirtschaftlichen und sozialen Ressourcen inner-halb der volkswirtschaftlichen Systeme. Dieses gemeinsame Ziel kannman nur im Wege einer Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure ver-folgen“ (Abschlussbericht der Sachverständigengruppe unter Leitung vonEtienne Davignon, Mai 1997, Seite 5). Dies ist eine Orientierung, die dementspricht was wir unter dem Europäischen Sozialmodell verstehen. DerBericht wird an einer Stelle noch etwas konkreter, nämlich wenn es umdie Arbeitnehmer geht: „Die Arbeitskräfte, die die europäischen Un-ternehmen benötigen, nämlich qualifizierte, mobile, engagierte und ver-antwortliche Arbeitnehmer, die in der Lage sind, technische Innovatio-nen aufzunehmen und sich die Zielsetzung einer Stärkung der Wettbe-werbsfähigkeit und die Verbesserung der Qualität zu Eigen zu machen,können nicht einfach als Empfänger von Anweisungen gesehen werden,die vom Arbeitgeber diktiert werden. Das Konzept der Arbeitnehmer-schaft setzt eine enge, ständige Beteiligung der Arbeitnehmer am Ent-scheidungsprozess auf allen Unternehmensebenen voraus“ (ebenda). Diesgilt beispielsweise auch, wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit der deut-schen Wirtschaft zur Realisierung und Verwirklichung der sogenanntenLissabon-Strategie diskutieren. Der Europäische Rat hat sich gerade inder letzten Woche erneut mit den Zielsetzungen und Perspektiven derLissabon-Strategie beschäftigt. Getragen von dem gemeinsamen Interesseeiner stärkeren Wettbewerbsfähigkeit muss uns klar sein, dass dieses nurmit hoch motivierten, engagierten, qualifizierten Arbeitnehmern geht,die letztendlich auch im Rahmen einer Europäischen Unternehmensver-fassung eingebunden werden.

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Lassen Sie mich zwei, drei Worte zur Frage der Mitbestimmung alsStandortnachteil sagen. Gerade in Deutschland werden wir immer wiederdamit konfrontiert. Ich möchte hier auf eine Befragung aufmerksam ma-chen, die von Boston Consulting im Jahre 2003 für die amerikanischeWirtschaftskammer durchgeführt wurde. In dieser wurden amerikanischeUnternehmen danach gefragt, welches aus Sicht des jeweiligen Unter-nehmens die attraktivsten Holding-Standorte in Europa sind? Da ist esschon interessant, dass Deutschland nach Einschätzung zumindest beidieser Umfrage der US-Unternehmen noch vor Großbritannien der att-raktivste Standort für Management-Zentren und für Holdings ist, obwohlwir in Deutschland die paritätische Mitbestimmung haben.

Gleiches gilt auch, wenn danach gefragt wird, welches für die Unterneh-men momentan der attraktivste Investitionsstandort in Europa ist? Hierkommt Boston Consulting zu dem Ergebnis, dass Deutschland nach Ost-europa und Großbritannien den dritten Platz belegt.

Es hat in den vergangenen zwei Jahren durchaus heftige, kontroverseDebatten gegeben. Wir sollten stattdessen viel sachlicher, nüchternerauch über die Chancen, Möglichkeiten und die Verdienste der Mitbe-stimmung nachdenken, wenn wir uns in die Richtung einer europäischenWissensgesellschaft, die zudem noch die Wettbewerbsfähigste auf derWelt sein soll, bewegen wollen. Ich denke, dass dies nur mit den Arbeit-nehmern geht.

Arbeitnehmermitbestimmung in Europa ist darüber hinaus auch gar keinFremdwort. Wir haben in Europa unterschiedliche Traditionen, was dieStruktur der Unternehmen betrifft. Wir haben das dualistische System, sowie wir es in der Bundesrepublik Deutschland kennen. Dem gegenübersteht das angelsächsische monistische System. Die Verbreitung zwischendiesen beiden Systemen ist in Europa außerordentlich unterschiedlich.Genauso unterschiedlich ist die Verbreitung der Mitbestimmungsrechteder Arbeitnehmer in Europa. Wir haben immerhin in 12 Mitgliedstaatender Europäischen Union, einschließlich der drei EFTA-Länder, relativweit verbreitet Arbeitnehmer-Mitbestimmungsrechte und zwar nicht nurauf der Betriebsebene, sondern auch auf der Unternehmensebene, also inForm der Beteiligung an den Entscheidungszentren im Board oder imAufsichtsrat.

In sieben Ländern immerhin haben wir eine begrenzte Verbreitung vonMitbestimmungsrechten. Dazu gehören beispielsweise Frankreich, Spa-nien und Portugal. Hier muss man einschränkend darauf hinweisen, dasses sich vor allem um Mitbestimmungsrechte in staatlichen und nur zumgeringeren Teil in privaten oder privatisierten Unternehmen handelt.

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In neun Ländern der Europäischen Union haben wir keine Regelung zurMitbestimmung. Ich will auf die Details im Einzelnen nicht eingehen. Eshandelt sich um ein sehr komplexes, sehr umfassendes Gebilde, wennman sich die Mitbestimmung in der Europäischen Union anschaut. Inte-ressant ist, dass auch in den neuen Mitgliedstaaten der EuropäischenUnion, insbesondere in den acht mittel- und osteuropäischen LändernMitbestimmung überhaupt kein Fremdwort ist. Gerade im Vorfeld derVorbereitung zum Beitritt in die Europäische Union wurden dort Arbeit-nehmerrechte einschließlich Mitbestimmungsrechte ausgebaut bzw. ein-geführt. Wir stehen somit in Deutschland gar nicht allein da. Slowenienist wohl das Beispiel, das dem deutschen Mitbestimmungssystem amnächsten kommt. Da gibt es zumindest für die öffentlichen Unternehmeneine Mitbestimmung, die auf der Basis des dualistischen Systems Paritätim Aufsichtsrat vorsieht.

In diesem Zusammenhang ist immer wieder darauf hinzuweisen, dass füruns als Europäischen Gewerkschafterbund ein großes Interesse bestand,nicht ein Mitbestimmungssystem zu präferieren. Beispielsweise meineschwedischen Kollegen sehen immerhin eine Mitbestimmung auf Unter-nehmensebene bei nur 25 Beschäftigten vor. In Deutschland fängt dieseerst mit 500 Beschäftigten und nicht bei nur 25 Beschäftigten an. Diesgilt allerdings auf der Basis des monistischen Systems. Die schwedischenKollegen sagen immer, mit eurem dualistischen System mögt ihr gute Er-fahrungen mit dem Aufsichtsrat gemacht haben, aber bitte berücksich-tigt, dass wir in Schweden mit unserer Tradition, mit unserer Kultur auchim Verwaltungsrat gute Erfahrungen mit Arbeitnehmerbeteiligung ge-macht haben. Wir wollen deshalb auf europäischer Ebene kein bestimm-tes Mitbestimmungssystem präferieren.

Was Europa betrifft, so kann man durchaus die These vertreten, dass Eu-ropa Perspektiven für die Mitbestimmung bietet. Weitestgehend außeracht gelassen wird, dass die ersten Informations- und Konsultations-rechte auf europäischer Ebene bereits Mitte der 70er Jahre eingeführtwurden im Zusammenhang mit den beiden Richtlinien zur Massenent-lassung und zum Betriebsübergang. Und im Jahre 1994 gab es nach über25-jähriger Auseinandersetzung letztendlich einen Konsens hinsichtlichder europäischen Betriebsräte (EBR).

Ich darf vielleicht darauf hinweisen, dass wir vor dem Jahr 1994 auf derBasis von freiwilligen Vereinbarungen zur Einrichtung von europäischenBetriebsräten gerade einmal um die 50 Unternehmen in Europa hatten,die Arbeitnehmer in Form von solchen institutionellen Mitwirkungs-möglichkeiten, wie es die europäischen Betriebsräte heute darstellen,grenzüberschreitend eingebunden haben.

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Nachdem die Richtlinie überall in Europa Gesetzeswirkung hat, habenwir über 700 Unternehmen, die über einen europäischen Betriebsrat ver-fügen. Europäische Betriebsräte sind heute bei der Gestaltung des Wan-dels ein wichtiger Partner für die Arbeitgeber und das Management. Zu-nehmend werden die europäischen Betriebsräte auch von der Arbeit-geberseite, den Unternehmen anerkannt und gewürdigt. Dies ist eine Er-fahrung, die wir als Arbeitnehmervertreter auch in den schwierigen Zei-ten von wirtschaftlichem Wandel, Umstrukturierungen und Betriebsver-lagerungen machen.

Es gab ein weiteres Gesetz, das im Kontext von Mitbestimmung nichtuninteressant ist, nämlich die Richtlinie zur Unterrichtung und Anhö-rung der Arbeitnehmer in den Unternehmen. Mit dieser europäischenRichtlinie wurde das Ziel verfolgt – wegen der unterschiedlichen Kultu-ren, der unterschiedlichen rechtlichen Bedingungen -, ein Mindestmaßan Informations- und Konsultationsrechten einzuführen, das unabhängigvon der jeweiligen institutionellen Verfassung der Arbeitnehmer-vertretung gilt. Wir kennen den Betriebsrat in Deutschland und in Ös-terreich, aber in Frankreich sieht es ganz anders aus mit dem comitéd´enterprise oder dem shop steward in Großbritannien.

Unabhängig von der institutionellen Form regelt diese Richtlinie, dass esein Mindestmaß an Informations- und Konsultationsrechten gibt undinsbesondere Informationen rechtzeitig und an der richtigen Stelle zu er-folgen haben. Würde es nach den Referenden in Frankreich und in denNiederlanden doch noch gelingen, den europäischen Verfassungsvertragzum Leben zu erwecken, d.h. zu ratifizieren, dann hätten wir mit der In-tegration der Grundrechte-Charta in den europäischen Verfassungsver-trag ein Grundrecht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer.Dieses Grundrecht geht weit über das hinaus, was wir in Deutschlandkennen. Es gibt nur drei Verfassungen in Europa, in denen dieses Grund-recht in den nationalen Verfassungen verankert ist. Dieses wäre auch un-ter den Bedingungen voranschreitender Globalisierung eine weitere Un-termauerung des europäischen Sozialmodells. Denn gestalten kann manden Prozess der Globalisierung nur mit und nicht gegen die Arbeitneh-mer.

Die Mitbestimmung in der Europäischen Aktiengesellschaft verortet sichnatürlich in einen breiteren Kontext. Es geht nicht nur um Arbeitnehmerund Arbeitnehmerinteressen, sondern ─ dieses wird deutlich an dem Ak-tionsplan der Europäischen Kommission ─ um die Modernisierung desEuropäischen Gesellschaftsrechts. Hier geht es vorrangig um eine Ver-besserung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Es geht um mehrAnlegerschutz, mehr Aktionärsrechte, höhere Unternehmensmobilität,

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aber auch um grenzüberschreitende Rechtssicherheit und um Harmoni-sierung. Mitbestimmung wird im Kontext des Europäischen Gesell-schaftsrechts nur so viel wie unbedingt nötig behandelt.

Dies kam nicht nur auf der Veranstaltung, die wir zur Corporate Gover-nance vor einigen Monaten in London hatten, zum Ausdruck, sondernauch bei einer großen Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Europä-ischen Kommission unter der niederländischen Präsidentschaft vor unge-fähr zweieinhalb Jahren. Bei dieser Veranstaltung, bei der es auch umCorporate Governance ging, trat Herr Cromme auf und hat in einer be-eindruckenden Weise, wie ich fand, darauf hingewiesen, dass sich für diedeutsche Unternehmensverfassung das dualistische System bewährt habeund die Mitbestimmung in der deutschen Unternehmensverfassung fürihn konstitutiv sei. Sie habe sich bewährt. Im Kontext des EuropäischenGesellschaftsrechts muss man, denke ich, Fragen der Arbeitnehmerbetei-ligung und Mitbestimmung berücksichtigen.

Ich möchte auf zwei weitere relevante europäische Gesetzesinitiativenhinweisen. Die Richtlinie zur grenzüberschreitenden Verschmelzung vonKapitalgesellschaften wurde, wie Sie wissen, mittlerweile vom Rat verab-schiedet. Noch nicht vorgelegt wurde von der Kommission die 14. Ge-sellschaftsrechtliche Richtlinie über die Verlegung des Sitzes von Kapi-talgesellschaften.

Bei der so genannten Fusionsrichtlinie, der 10. Richtlinie, ist es gelun-gen, den Kompromiss zur Mitbestimmung, wie wir ihn in der Europäi-schen Aktiengesellschaft kennen, weitestgehend zu übernehmen. Es gibteinige kleinere Modifizierungen, von denen wir nicht ganz so überzeugtsind, aber im Kern gilt auch für die grenzüberschreitende Verschmelzungvon Kapitalgesellschaften, dass die Mitbestimmung hier verankert undgesichert wird.

Was bedeutet die Mitbestimmung nun konkret in der SE? Zunächst mussman darauf hinweisen, dass es sich hierbei um sehr flexibles Europäi-sches Unternehmensrecht handelt. Es besteht erstmals die Möglichkeit,grenzüberschreitend Fusionen und Sitzverlagerung unter einem europäi-schen Recht durchzuführen. Und es besteht die Möglichkeit, zu maßge-schneiderten Unternehmensverfassungen zu kommen, die allerdings Mit-bestimmung zur Verhandlungssache machen. Wir haben es nicht mit ei-nem einzigen europäischen Gesetz zur Europäischen Aktiengesellschaftzu tun, sondern es handelt sich de facto um 25 Gesetze, je nachdem wiedie Mitgliedstaaten dieses in Anlehnung an ihre jeweiligen spezifischenBedingungen und Traditionen der Unternehmensverfassung umgesetzthaben.

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Es gibt ein wachsendes Interesse nicht nur bei Allianz. Wenn es bei Alli-anz funktioniert, und ich habe da keine Zweifel, gibt es ein wachsendesInteresse der Unternehmen an der SE. Es gab im Oktober 2004 die ersteEintragung eines österreichischen Bauunternehmens, der BauholdingStrabag, die von der SE Gebrauch gemacht hat. Es gibt weitere Unter-nehmen wie z.B. der Brenner Basistunnel, die Plansee SE, die NordeaGroup u.a. Wenn Allianz sich auf den Weg macht, die EuropäischeAktiengesellschaft zu verwirklichen, wäre sie in der Tat das erste großedeutsche Unternehmen. Ich hatte die Gelegenheit, schon ganz kurz in dieFolien von Herrn Dr. Hemeling reinzuschauen. Auch da finden Sie einendeutlichen Hinweis, dass bei der Allianz AG zukünftig die paritätischeMitbestimmung gesichert wird.

Es gibt Mini-SEs, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt vielleicht wenigerwichtig sind, weil sie zurzeit ohne operatives Geschäft und ohne Arbeit-nehmer fungieren. Wir werden sehen, in welche Richtung sich die SEentwickeln wird. Auffallend ist, dass die Unternehmen in der Regel auskleineren Mitgliedstaaten der Europäischen Union kommen, also Öster-reich, Schweden, Ungarn und Finnland. Möglicherweise gibt es für diesekleineren Mitgliedstaaten andere Beweggründe, sich schneller diese neu-en Instrumente zu Eigen zu machen, als es möglicherweise in Deutsch-land, Frankreich oder Italien der Fall ist.

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Was heißt das nun konkret für die Mitbestimmung? Die Mitbestimmungin der Europäischen Aktiengesellschaft ist in der Tat Verhandlungssache.Es muss ein besonderes Verhandlungsgremium gegründet werden.

Diese Übersicht ist sehr komplex, aber sie stellt das Prozedere dar, wie esim Rahmen der Verhandlungen hinsichtlich der Arbeitnehmerbeteiligungzu einem konkreten Ergebnis kommt. Ich will nur ganz kurz darauf ein-gehen. Sie haben die Folien in Kopie vor sich liegen. Es gibt einen Be-standsschutz für Mitbestimmung, insbesondere für die Unternehmen, beidenen es eine weit reichende Mitbestimmung gibt. Wenn die Arbeitneh-mer aus diesem Unternehmen mehr als 25% der Gesamtarbeitnehmerstellen, dann gibt es eine Mitbestimmungssicherung. Darüber hinauskönnen Modifizierungen auf dem Verhandlungswege vorgenommenwerden. Bei der Zusammensetzung des besonderen Verhandlungsgremi-ums (BVG), das die Verhandlungen mit der Unternehmensleitung führt,sind Arbeitnehmer aus allen beteiligten Ländern zu berücksichtigen. Die-ses ist aus unserer Sicht notwendig. Während die Richtlinie zur Arbeit-nehmerbeteiligung in der SE auch die Beteiligung von Gewerkschaftenvorsieht, ist dies bei der Richtlinie der europäischen Betriebsräte nichtder Fall. Man hat allerdings festgestellt, dass eine Beteiligung der Ge-werkschaften durchaus Sinn macht. Bei den 700 europäischen Betriebs-räten, die ich vorhin erwähnt habe, waren die europäischen Gewerk-schaftsverbände, also die Einzelgewerkschaften auf europäischer Ebene,wie der europäischen Metallgewerkschaftsbund oder die Föderation derChemiearbeiter, in der Regel an den Verhandlungen beteiligt. Auch ausder Perspektive der Unternehmen ist es zur Minimierung von Transakti-onskosten sinnvoll, eben nicht mit fünf, sechs, sieben, acht unterschied-lichen nationalen Interessenvertretungsstrukturen zu verhandeln, dieman zum Teil nicht kennt, und von denen man nicht weiß, wie sie funk-tionieren. Die Gewerkschaften auf europäischer Ebene sind bei diesenVerhandlungen durchaus eine Klammer. Auch zukünftig wird sich beiden Verhandlungen zur Mitbestimmung in der Europäischen Aktienge-sellschaft zeigen, dass man im konstruktiven Miteinander auf dem Ver-handlungswege eine maßgeschneiderte Lösung für das Unternehmen fin-den kann. Natürlich geht es uns darum, dieses in einem produktivemKontext zu nutzen, weil wir als Arbeitnehmervertreter mit unseren For-derungen und unserer Orientierung an einer Mitbestimmung im europäi-schen Unternehmen davon ausgehen, dass wir einen Beitrag für das Un-ternehmen und für die Beschäftigten leisten. In dem Sinne denken wir,wird in Zukunft auch diese Form der Beteiligung, der Mitbestimmung inder Europäischen Aktiengesellschaft, ihre Produktivkraft unter Beweisstellen können. Wichtig ist, dass, wenn es zu keiner Verhandlungslösungkommt, die eingangs erwähnte Auffangregelung gilt, die Mitbestim-mungssicherung bedeuten würde.

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Ich habe einige Beispiele zusammen getragen, wie so etwas aussehenkann. Die Anwendung der Auffangregelung zur Mitbestimmung im Falleines Unternehmens, das sich hinsichtlich der Gesamtarbeitnehmerzahlwie folgt zusammensetzt: In Dänemark 25%, Niederlande 15%, in beidenLändern hatten wir vorher eine Mitbestimmung. Des Weiteren sind Ar-beitnehmer aus Estland und Polen beteiligt. In diesem Beispiel besaßen40% der Arbeitnehmer vorher Mitbestimmungsrechte. Entsteht die SE inForm einer Verschmelzung der beteiligten Unternehmen, gilt die Auf-fangregelung zur Mitbestimmung quasi automatisch, da der erforderlicheSchwellenwert von 25% der Gesamtarbeitnehmerzahl überschritten wird.Handelt es sich hingegen um eine Holding oder eine Tochter-SE, greifendiese Regelungen nicht automatisch, da in diesen Fällen ein höhererSchwellenwert von mindestens 50% der Arbeitnehmer erreicht werdenmuss. Hier ist deshalb ein mit absoluter Mehrheit gefasster, gesonderterBeschluss des Verhandlungsgremiums notwendig, um die Auffangrege-lung anzuwenden. In beiden Fällen besteht die Chance, die bestehendenMitbestimmungsrechte eines Teils der Belegschaft, also der Arbeitnehmeraus Dänemark und aus den Niederlanden, auf alle Arbeitnehmer der SEauszudehnen, also auch für die Beschäftigten in Estland und in Polen.

Wir haben einige andere Beispiele vorbereitet: Ich werde es aber auf-grund der vorangeschrittenen Zeit dabei belassen. Gestatten Sie mir ei-nen Hinweis in eigener Sache. Unser Institut führt ein Projekt unter an-derem mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung durch, die eine gutentwickelte Homepage hat. Hier können Sie beispielsweise alle Gesetzes-texte finden, die sowohl die SE-Verordnung als auch die Richtlinie zur

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Arbeitnehmerbeteiligung in nationales Recht umgesetzt haben. Hier fin-den Sie Informationen über aktuelle Verhandlungen, darüber welche Un-ternehmen sich gegenwärtig auf den Weg machen, eine SE zu gründen.Das Europäische Gewerkschaftsinstitut (EGI) hat ein ausgeprägtes Moni-toring entwickelt. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe praktischerHilfestellung, Materialien, Ansichten der Arbeitnehmervertreter. Ein In-formationspaket sozusagen rund um das Thema der SE. Ich darf Sie ein-laden, wenn Sie konkrete Interessen und Fragen dazu haben, diese Ho-mepage zu konsultieren.

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1.2 Die Societas Europaea –Eine juristische Bestandsaufnahme

Prof. Dr. Dres. h.c. Peter Hommelhoff,Rektor, Ordinarius für Bürgerliches Recht, Handels- undWirtschaftsrecht, Rechtsvergleichung,Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Privatdozent Dr. Christoph Teichmann1,Wissenschaftlicher Assistent am Institut für deutsches undeuropäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht,Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Prof. Dr. Peter Hommelhoff

Meine Damen und Herren, guten Tag! Dass wir hier zu zweit antreten,hat einen Grund. Ich verstehe von diesen Dingen nur noch wenig. Nach-dem ich seit fünf Jahren als „Vorstandsvorsitzender“ der Universität Hei-delberg fungiere – das hat der Landesgesetzgeber Baden-Württembergentschieden – kann ich Ihnen dazu einleitend aus meiner eigenen Ver-gangenheit berichten. Wenn es aktuell wird, wird Herr Dr. Teichmannden Part übernehmen.

Wir möchten Ihnen das Thema gerne in sechs Abteilungen vorstellen.Ein kurzer Überblick über die Geschichte und über die Regelungstechnikder SE wird mein Part sein. Dann wird Herr Dr. Teichmann die „Grün-dungsformen“ bis zum „Board-System“ übernehmen, und den Schlussteilen wir uns dann wieder.

Zunächst also zur Geschichte: Wenn wir uns die Geschichte der Europäi-schen Aktiengesellschaft oder wie sie richtig heißt „Europäische Gesell-schaft“ ansehen, dann beginnt sie typischerweise 1959. Das ist aber nichtrichtig. Die Europäische Gesellschaft ist älter als die Europäische Wirt-schaftsgemeinschaft, denn die Idee, eine Europäische Gesellschaft zu e-tablieren, wurde bereits im Jahre 1949 vom französischen Handelsrecht-ler Goldman in Paris geboren. Er hat diesen Gedanken zum ersten Mal indie Diskussion gebracht. Es war in Reaktion auf den Zweiten Weltkriegals ein Beitrag des Wirtschafts- und Gesellschaftsrechts gedacht, in dem

1 Seit Juni 2007 ist Herr Prof. Teichmann Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerli-ches Recht, Deutsches und Europäisches Handels-, Gesellschafts-, Wirt-schafts- und Prozessrecht an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

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Bestreben die europäischen Staaten wieder zueinander zu bringen.Goldman hatte den Gedanken, dass man das am Besten dadurch tunkönne, indem man die Wirtschaft mit einer Rechtsform beglückt, an dersie ihre europäische Gesinnung messen könnte. So ist, wie gesagt, dieserGedanke älter als die europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Aber zuRecht wird immer wieder das Datum 1959 genannt als der französischeNotar Thibièrge bei der französischen Versammlung der Notare den Ge-danken einer europäischen Gesellschaft vorstellte. Er griff auf GoldmansÜberlegung zurück, hat sie aber weiter getragen, indem er schon dieEckpunkte für eine solche Europäische Gesellschaft auf den Weg brachte.

Daraus ist dann unbemerkt eine Europäische Aktiengesellschaft gewor-den. Denn es wurde eine Gesellschaft vorgestellt, die ganz klar geprägtwar von den Grundüberlegungen einer kapitalmarktorientierten Organi-sationsform für große Unternehmen. Diese Diskussionen in Frankreichsind dann aber sehr schnell nach einem ersten Ansturm in Schwierigkei-ten geraten. Es wurde sehr intensiv aufgelistet, was alles für Problemedamit verbunden seien. Da sind wir Juristen Weltmeister und unserefranzösischen Kollegen nicht weniger, als wir es in Deutschland gewohntsind. So bedurfte es eines zweiten Anlaufs, um diesen Gedanken voran-zubringen und den machte 1960 der niederländische Kollege, ProfessorPieter Sanders, in seiner Antrittsvorlesung in Rotterdam. Er ging nunüber Thibièrge insofern ein ganzes Stück hinaus, als er sich nicht nur mitEckpunkten begnügte, sondern das ausformulierte Statut einer Europäi-schen Aktiengesellschaft zur Diskussion stellte. Er hat sofort die europäi-sche Dimension angesteuert, wie man das als Professor macht, indem erdafür sorgte, dass seine Überlegungen in der Europäischen Union, in denMitgliedstaaten der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaftvorgestellt wurden. Und so ist das Statut auch in Deutschland vorgestelltworden. 1961 in der RIW findet sich seine Antrittsvorlesung in deutscherÜbersetzung, und so können wir uns an diese Dinge noch gut zurücker-innern.

Sanders hat damit einen ganz wesentlichen Impuls dafür gesetzt, dasssich die Kommission mit diesem Projekt näher beschäftigte. Das hat na-türlich bei der großen Sorgfalt der Kommission und bei der Rückkoppe-lung in den Mitgliedstaaten lange Zeit erfordert. 1970 wurde dann dererste Vorschlag vorgelegt.

Er ist in zweierlei Richtungen oder genauer gesagt in dreierlei Richtun-gen gekennzeichnet. Zum einen in dem Bemühen, eine in sich geschlos-sene Gesamtregelung vorzustellen und das gesamte Aktienrecht mit demdamaligen Erkenntnisstand der zu regelnden Materien zu erfassen. Dasschloss damals, 1970, das Konzernrecht ein.

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Damit wird ein zweiter Grundgedanke dieses Konzeptes deutlich, er istnämlich ganz stark vom deutschen Recht geprägt. Der erste Vorschlag istsehr germanisch angelegt. Das Konzernrecht war 1965 nach der damali-gen Erkenntnis das Modernste vom Modernen, und deshalb glaubte dieKommission, dahinter nicht zurückbleiben zu dürfen.

Zum Dritten wurde auch das Betriebsverfassungsrecht in dieses Statuteinbezogen. So konnte es konsequenterweise nicht ausbleiben, dass sichin der rechtspolitischen Diskussion um diese Rechtsform diese germani-schen Elemente auch gleich als Stolpersteine herausstellten. Es war dieDrittelmitbestimmung aufgenommen worden, also das Konzept des Deut-schen Betriebsverfassungsgesetzes, mit der Folge, dass hierüber gleichein heftiger politischer Streit entbrannte, genauso wie um die Frage, obhier wirklich ein Konzernrecht gewollt sei. Dann blieb als letzter Punkt,weil man sich gerade so richtig kloppte, natürlich noch die Frage, ob diein dem Statut niedergelegte dualistische Leitungsstruktur mit Vorstandund Aufsichtsrat die richtige sei. Das stieß insbesondere in Frankreichauf eine Grundkonzeption, die vom monistischen Leitungssystem her ge-prägt war und konnte deshalb dort keinen großen Gefallen wecken.

Hinter diesem Streit war die eigentliche Leitidee ein bisschen zurückge-treten. Die Leitidee, die damals die Initiatoren dieses Modells stimulierthatte, nämlich für den zusammenwachsenden europäischen Wirtschafts-raum eine Rechtsform anzubieten, die diesen Rechtsraum spiegelte. Dasist für uns in Deutschland nichts ungewöhnliches, denn wenn Sie sichnoch einmal in Erinnerung rufen, dass das Allgemeine Deutsche Han-delsgesetzbuch im Jahre 1861 eine aktienrechtliche Regelung auf denWeg gebracht hat, um auf diese Weise im Gesellschaftsrecht den damalsnoch zersplitterten deutschen Staaten eine einheitliche Rechtsform in al-len Mitgliedstaaten des Norddeutschen Bundes und später des DeutschenReiches anzubieten, dann sieht man, was die Idee einer solchen gleich-förmigen Rechtsform für einen Wirtschaftsraum bedeutet. Es war sowohlim Jahre 1855 bei den Nürnberger Verhandlungen als auch im Jahre1970 in Brüssel der Gedanke, eine Rechtsform anzubieten, die als Hebelbenutzt wird, um die wirtschaftliche und politische Einigung voranzu-treiben. Das ist dann allerdings später in der Diskussion deutlich zurück-geblieben. Die Diskussion, die sich dann in einem mühsamen Prozess biszum Jahre 2001 mit mehreren Entwürfen hinzog, ist eigentlich von zweigroßen Befürchtungen in den europäischen Mitgliedstaaten geprägt ge-wesen.

Die eine Furcht lag in der von vielen als „Pest“ angesehenen Mitbestim-mung. Einige Mitgliedstaaten auf dem Kontinent waren sehr reserviert.Der stärkste Gegner war Spanien. In England war man der unternehmeri-

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schen Mitbestimmung gegenüber natürlich ohnehin äußerst reserviert.Auf der anderen Seite war aber auch die deutsche Ministerialbürokratieausgesprochen zurückhaltend. Sie fürchtete nämlich, die SE könne sichals trojanisches Pferd entpuppen, als eine Organisationsform, die es dendeutschen Großunternehmern erlauben würde, aus dem streng reglemen-tierten Aktienrecht ausbrechen zu können und in die deutlich flexiblerangelegte Organisationsform einer Europäischen Aktiengesellschaft zuwechseln. Sie werden nachher, wenn wir Herrn Hemeling hören, sehen,dass das gerade auch ein Teil der Attraktivität der SE für die Allianz ge-wesen ist, diese andere Form zu nutzen, um das Flexibilitätspotential,das in dieser Form angelegt ist, für eine moderne Organisationsform aus-zunutzen. So war es schon bald ein Wunder, als in Nizza 2001 das Statutund die dazugehörige Mitbestimmungsrichtlinie verabschiedet wurde. Ichgestehe, das hat mich sehr berührt. Denn die Verabschiedung dieserRichtlinien in Nizza fiel exakt auf den 70. Geburtstag meines akademi-sche Lehrers, Professor Marcus Lutter, der einer der ganz großen Apolo-geten und Beförderer der Europäischen Aktiengesellschaft ist, und derdurch eine große Sammlung von Beiträgen das Statut von 1970 inDeutschland wesentlich mitgefördert hat.

Einen ganz kurzen Blick auf die Regelungstechnik. Wir haben hier in derjetzt verabschiedeten SE-Regelung eine sehr komplizierte Normenhierar-chie. Das Konzept ist eben nicht mehr das Vollstatut, sondern es wirdnur ein Teil europäisch geregelt. Hinsichtlich des anderen Teils, der un-geregelt geblieben ist, hat der europäische Gesetzgeber, der Verord-nungsgeber, auf das nationale Recht verwiesen. Professor Marcus Lutterhat einmal gesagt: „Die SE ist zu Wasser gelassen worden als Dampfer-flotte mit lauter Dampfern, nur mit unterschiedlich angepinseltenSchornsteinen“. Ich halte das Bild nicht für richtig ─ das sind die unter-schiedlichen Flaggen hinten am Flaggstock. Aber das ist nur ein Streitum Bilder, in der Sache sind wir uns einig.

Wie ist das nun geregelt? Geregelt ist es in Art. 9 in einer überaus kom-plizierten Gesamtgemengelage, wobei die Basis der Regelung das Rechtder Europäischen Aktiengesellschaft nach der SE-Verordnung ist. Aufdiesem Fundament bauten dann auf der nächsten Stufe, praktisch imHochparterre, jene Satzungsbestimmungen der einzelnen SE auf, derenRegelung der Verordnungsgeber ausdrücklich vorgesehen hat. Dannkommt die zweite Stufe, der erste Stock sozusagen, nach dem Hochpar-terre, das sind die mitgliedstaatlichen Vorschriften, die speziell zur Um-setzung der SE gefasst worden sind. In aller Regel von der SE-Verordnung eingefordert, also auf der Grundlage eines europäischenGestaltungsauftrages oder aber in geringerem Maße in Ausnutzung einervon der SE-Verordnung eröffneten Ermächtigung. Dann kommen auf der

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dritten Stufe jene Bestimmungen des nationalen Aktienrechtes, die jetztdie Lücken im Gesamtregelungsrahmen ausfüllen, die die SE-Verordnungfrei lässt. Schließlich kommen auf der vierten Stufe die Regelungen, diein Ausnutzung der Gestaltungsspielräume des nationalen Aktienrechts inder Satzung getroffen worden sind.

Also, eine sehr komplizierte Regelung, die darauf ausgelegt ist, dass dieseRechtsform ganz bestimmt in der allernächsten Zeit nicht die richtigeRechtsform für den Mittelstand ist, weil sie ungeheuer beratungsintensivund sehr teuer auszuführen ist. Man muss nach meinem Dafürhaltenschon das Kaliber von der Allianz haben, um so eine Rechtsform wählenzu können und um einen entsprechenden Stab von Juristen damit be-schäftigen zu können.

Was die Satzungsfreiheit angeht, so haben wir hier übrigens ein Faszino-sum zu konstatieren. Wir werden in Deutschland immer wieder geprügeltfür die aktienrechtliche Satzungsstrenge. Aber verglichen mit dem, waswir in § 23 Absatz 5 unseres Aktiengesetzes geregelt haben, ist die Rege-lung in Art. 9 der SE-Verordnung noch viel stringenter. Sie lässt nämlichdie Freiheit zur Satzungsgestaltung nur dort zu, wo sie ausdrücklich zu-gelassen ist. Damit haben wir für die SE in Deutschland eine Kombinati-on des satzungsstrengen SE-Verordnungsrechts auf der einen Seite unddes strengen aktienrechtlichen Regimes auf der anderen Seite. Die SE istin Deutschland also doppelt gebunden. Aber auch die polnischen oderdie niederländischen SEs sind wenigstens, soweit es die europäischenRegelungen angeht, genauso streng.

Was die SE-Richtlinie angeht, so kann ich sie überspringen, denn HerrHoffmann hat hier schon Wesentliches vorgetragen, da darf ich daraufverweisen und darf jetzt Herrn Teichmann bitten, fortzufahren.

Dr. Christoph Teichmann

Der Vorteil dieser langen Entstehungsgeschichte liegt darin, dass sichjetzt mehrere Generationen von Wissenschaftlern mit diesem schönenProjekt beschäftigen können. Auch wenn Herr Hoffmann gesagt hat, esgebe schon einige SEs, gibt es sicherlich bislang mehr Monographien alses SEs gibt. Wir werden sehen, wann wir den Break-Even erreichen, beidem die Zahl der real existierenden SEs die Zahl der wissenschaftlichenAbhandlungen übersteigt.

Zu den Gründungsformen gibt es folgendes anzumerken. Es gibt in derSE-Verordnung den Art. 2, in dem es einen Numerus Clausus der Grün-dungsformen gibt. Man ist nicht völlig frei, sondern man muss einen

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dieser Gründungwege auswählen, die in der Verordnung vorgesehensind.

Das erste ist die Verschmelzung, das kennen wir aus dem nationalenRecht. Zwei Gesellschaften verschmelzen, entweder zur Neugründung,dann verschwinden sie beide oder zur Aufnahme, wie die Allianz dasvorhat, dann verschwindet eine Gesellschaft.

Die zweite Variante ist die Holding SE. Da haben wir zwei Gesellschafteneine A und eine B, die bestehen bleiben, also in diesem Fall nicht unter-gehen, sondern eine SE gründen, die zur gemeinsamen Muttergesell-schaft wird.

Die dritte Variante ist die Umwandlung oder der Formwechsel, wie wirnach deutscher Terminologie sagen würden. Eine existierende Aktienge-sellschaft A wechselt das Rechtskleid, wird zur SE, also unter Beibehal-tung der Identität und der Fortsetzung des Rechtsträgers. Das ist keineAuflösung, sondern schlicht ein Wechsel der Rechtsform.

Die letzte Variante bei den primären Gründungsformen ist die Tochter-SE. Wir nehmen wieder zwei Gesellschaften, die eine gemeinsame Toch-ter gründen, die die Rechtsform der SE annimmt.

Voraussetzung für den Weg in die SE ist nicht nur die Beachtung dervorgegebenen Gründungsformen sondern auch die Mehrstaatlichkeit. Essoll eine europäische Rechtsform sein. Zu Beginn der Entstehungsge-schichte der Europäischen Aktiengesellschaft, Ende der 60er, Anfang der70er Jahre, hat man gedacht, man müsse Global Player schaffen, die mitden Konkurrenten aus den USA und aus Japan Schritt halten können.Die Verschmelzung war als der Königsweg zweier Aktiengesellschaftenaus zwei verschiedenen Mitgliedstaaten gedacht. Das war die Ausgangs-idee und anders geht es auch heute nicht. Es können nicht zwei deutscheAktiengesellschaften zur SE verschmelzen. Es müssen zwei Aktiengesell-schaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten sein.

Bei der Holding SE wird es schon etwas komplizierter, allerdings auchetwas vielfältiger. Die steht nicht nur Aktiengesellschaften sondern auchGesellschaften mit beschränkter Haftung offen. Die beiden Gesellschaftenmüssen entweder aus verschiedenen Mitgliedstaaten kommen bzw. esreicht auch, wenn es zwei Gesellschaften sind, die in einem Mitgliedstaatsitzen, wenn sie Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen imAusland haben, die seit mindestens zwei Jahren existieren.

Bei der schlichten Umwandlung oder bei einem Formwechsel müssen Sieeine Aktiengesellschaft haben, die eine Tochtergesellschaft im Ausland

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besitzt, die seit mindestens zwei Jahren bestehen muss. Das ist keine soungewöhnliche Konstellation.

Bei der Tochter SE herrscht hinsichtlich der Gründungsgesellschaften diegrößte Freiheit. Im Sinne des EG-Vertrages können alle Gesellschaftenoder juristischen Personen, selbst Personengesellschaften, Personenhan-delsgesellschaften gemeinsam eine Tochter SE gründen. Es gilt wieder-um: entweder kommen die beiden Gesellschaften aus verschiedenen Mit-gliedstaaten oder sie haben eine Tochtergesellschaft, die seit mindestenszwei Jahren eine Zweigniederlassung im Ausland hat.

Erklären kann man sich diesen Wirrwarr eigentlich nur durch die langeEntstehungsgeschichte. Da hat irgendjemand gesagt, man solle dochvielleicht auch dies bedenken oder jenes ermöglichen und als europäi-scher Gesetzgeber muss man immer ein bisschen im Auge behalten, dassman keine rein nationalen Sachverhalte regelt, weil dann die Kompe-tenzfrage relevant wird. Also, man braucht immer einen europäischenBezug, sonst könnte jemand auf den Gedanken kommen, die EuropäischeGemeinschaft sei überhaupt nicht zuständig für diese neue Rechtsform.Das ist der Hintergrund für diese relativ komplizierte Regelung.

Wenn es eine SE gibt, dann wird die Sache etwas leichter. Dann ist näm-lich eine sekundäre SE-Gründung möglich. Eine existierende SE kann ih-rerseits eine Tochter SE gründen. Deswegen wird dieses komplizierte Ge-flecht der vier Gründungsformen sich wahrscheinlich sehr schnell erle-digt haben. Wenn es nämlich ein paar SEs gibt, dann können die sichsozusagen klonen und dann muss man nicht mehr den kompliziertenWeg der primären Gründung beschreiten. Da gibt es auch kein Erforder-nis der Mehrstaatlichkeit mehr. Das ist also im Grunde genommen derwesentlich einfachere Weg.

Jetzt komme ich zu den Teilen, die im deutschen Recht geregelt sind. Eswurde schon einige Male angesprochen: Die SE ist zwar ein europäischesFundament, es gibt aber Unterschiede je nachdem, wo sie ihren Sitz ha-ben wird. Das rührt daher, dass dieses Statut von ca. 400 Artikeln imLaufe der Zeit auf ein Statut von nur 70 Artikeln zusammengestrichenwurde. Von diesen 70 Artikeln regeln mehr als die Hälfte die Gründung,d.h. wenn die SE erst einmal gegründet ist, wird das europäische Statutsehr schlank. Es geht dann nur noch um knapp 30 Artikel, die etwas überdie SE selbst aussagen. Diese 30 Artikel verweisen zumeist auf das nati-onale Recht. Das kann man auch als Vorteil sehen, denn dann beschäf-tigt man sich wenigstens mit Materien, die bereits bekannt sind undgründlich ausjudiziert.

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Zusätzlich gibt es einige Regelungsoptionen für den nationalen Gesetz-geber. Eine davon ist der Schutz von Minderheitsgesellschaftern bei derGründung. Bei der Gründung haben wir noch nationale Gesellschaften,Beispiel: Allianz oder andere. Es ist eine deutsche Gesellschaft, die in dieSE reinmarschiert, d.h. wir haben Aktionäre, die sich legitimer Weise aufden Standard berufen dürfen, den sie im deutschen Aktienrecht gewohntsind. Deswegen hat der europäische Gesetzgeber es gestattet, dass manfür die Gründung Regelungen des Minderheitenschutzes schafft, die esbei der SE-Gründung erlauben, den Aktionären noch den Standard zugewähren, den Sie vorher hatten.

Ein Beispiel ist die Kontrolle des Umtauschverhältnisses. Das musste manausdrücklich regeln. Denn beim Weg in eine SE haben Sie eine europäi-sche Rechtsform und der Sitz der SE liegt möglicherweise im Ausland.Dann stellt sich die komplizierte Frage, ob man das Ergebnis des deut-schen Spruchverfahrens dort durchsetzen kann, und ob das überhauptanerkannt werden müsste. Vielleicht hätte man das über die europäischeVerordnung der gerichtlichen Zuständigkeit und Vollstreckung irgendwiehinbekommen, aber besser war es, die Frage ausdrücklich zu regeln.Deswegen gibt es eine Ermächtigung in der SE-Verordnung und eineentsprechende Umsetzung im deutschen SE-Ausführungsgesetz.

Der nächste Punkt: Austritt gegen Barabfindung! Das war hoch umstrit-ten im Gesetzgebungsverfahren. Im ersten Entwurf war noch vorgesehen,bei jeder SE-Gründung ein Austrittsrecht zu gewähren. Davon hat mandann wieder Abstand genommen. Zum Glück für die Allianz.

Ich denke, es ist wahrscheinlich auch richtig so. Wenn die Gesellschafthinterher ihren Sitz in Deutschland hat, besteht eigentlich kein Grund,dass die Aktionäre alle die Flucht ergreifen. Die können sich 1) währendder Gründung auf das deutsche Aktienrecht- und Umwandlungsrechtstützen und 2) wird eine SE mit Sitz in Deutschland zu 90% vom deut-schen Aktienrecht gesteuert. Im Grunde ist das kein Drama. Es geht danneher darum, ob die Transaktion wirtschaftlich sinnvoll ist und darüberkann man sich anhand der Rechte, die man als Aktionär hat, informierenund mitentscheiden. Deswegen ist ein Austrittsrecht im SE-Ausführungsgesetz nur für die Fälle vorgesehen, in denen die SE ihrenSitz im Ausland hat.

Das ist im Grunde der Gedanke, den wir aus dem Umwandlungsgesetzvom Formwechsel kennen. Wenn die Rechtsform wechselt, dann darf ichnicht gezwungen werden, das mitzumachen. Wenn man als Gesellschaf-ter der Meinung ist, dass das eine völlig andere Rechtsform ist, mit derman nicht klar kommt und in der man nicht bleiben will, dann hat man

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das Recht zum Austritt. Der Gedanke des deutschen Gesetzgebers war,dass die SE im Ausland, in ihrem Sitzland vom nationalen Recht geprägtist. Das ist letztlich nicht viel anders, als wenn eine Gesellschaft völligdie Rechtsform wechselt.

Gerade die Aktionärsrechte sind von der Harmonisierung bisher nicht er-fasst worden: welches Quorum ein Minderheitsaktionär braucht, um ir-gendetwas auf die Tagesordnung zu setzen, ob man Informationsrechtehat, Rederechte usw. Das ist in jedem Land noch höchst unterschiedlichgeregelt. Das war der Grund dafür, dass man hier ein Austrittsrecht vor-gesehen hat. Dasselbe gilt dann natürlich auch bei der späteren Sitzver-legung. Die SE kann bekanntlich ihren Sitz ins Ausland verlegen, wasbisher nicht geht. Jedenfalls kann bisher der Registersitz nicht verlegtwerden. Sie können natürlich nach der EuGH-Rechtsprechung den Ver-waltungssitz verlegen, wobei sich noch die Frage stellt, ob deutschenUnternehmen das auch gestattet ist, aber das will ich jetzt nicht diskutie-ren. Aber der Registersitz kann bisher nicht verlegt werden, also der Sat-zungssitz nach deutscher Terminologie. Bei der SE ist das möglich unddann stellt sich natürlich wieder die Frage, ob die Aktionäre das mitma-chen müssen. Diejenigen, die das nicht wollen, haben ein Austrittsrechtnach dem SE-Ausführungsgesetz.

Der zweite große Block für die nationale Gesetzgebung war das Board-Modell. Ich nenne es jetzt mal so, weil es sich umgangssprachlich einge-bürgert hat. Die SE-Verordnung spricht vom monistischen System ge-genüber dem dualistischen System. Das dualistische ist das Vorstand-Aufsichtsrat-Modell mit zwei Organen, einem Leitungsorgan und einemAufsichtsorgan.

Das monistische System kennt nur ein Organ, also ein „board“ in Eng-land, ein „conseil d´administration“ in Frankreich. Die SE hat die freieWahl. Im Laufe der Entstehungsgeschichte ist das immer hin und her ge-gangen. Anfangs, 1970, gab es nur das dualistische System, also dengermanischen Einfluss. Dazwischen wurde auch einmal ein Staatenwahl-recht vorgesehen, wonach die Staaten den SEs in ihrem Hoheitsgebietvorschreiben können, ob sie sich monistisch oder dualistisch organisie-ren. Am Ende ist es jetzt ein Wahlrecht der SE. Daran hängt natürlichimmer die Mitbestimmung als Annex, weil man traditionell sagt, dass dieMitbestimmung, deutscher Prägung jedenfalls, untrennbar verbunden istmit dem dualistischen Modell. Das ist eine Mitbestimmung nicht im Be-reich der Geschäftsführung, sondern im Bereich der Überwachung undKontrolle. Nachdem man aber die Mitbestimmungsprobleme in der SE-Richtlinie gelöst hatte, hat man sich gesagt, jetzt können wir es eigent-lich der SE freistellen, welches Leitungsmodell sie hat.

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Also, die Satzung entscheidet! Die Frage ist nur, was passiert in einemStaat, der dieses Modell in seinem nationalen Recht gar nicht kennt.Dann gehen die ganzen schönen Verweisungen auf nationales Recht insLeere. Deswegen finden wir auch hier in der SE-Verordnung eine Er-mächtigung an den nationalen Gesetzgeber, entsprechende Vorschriftenin Bezug auf die SE zu erlassen. So stehen wir heute vor der Situation,dass wir ein monistisches Modell in Deutschland haben, das allein fürdie SE gilt. Wenn Sie also das Board-Modell haben wollen, müssen Siedie SE wählen. Es wird sich zeigen, ob man das später auch ins nationaleAktienrecht überführt.

Zentrales Organ ist der sogenannte Verwaltungsrat. Er ist das obersteLeitungsorgan der Gesellschaft, der die Strategie und die grundlegendenEntscheidungen bestimmt. Zusätzlich gibt es einen oder mehrere ge-schäftsführende Direktoren, die ausführendes Organ des Verwaltungsra-tes sind. Diese sind vor allem deswegen eingeführt worden, weil wir ei-nen Adressaten für die ganzen gesetzlichen Pflichten brauchen, die wirin unserem allgemeinen Aktienrecht an den Vorstand richten.

Wenn Sie das Aktiengesetz einmal durchschauen, wir haben bei demEntwurf des Gesetzes angefangen zu zählen, irgendwann zwischen 300und 400 haben wir aufgehört, so oft fällt das Wort Vorstand oder Auf-sichtsrat. Sie können nicht einfach nur den Art. 76 raus streichen undsagen, ich setze statt Vorstand – Verwaltungsrat. Das zieht sich querdurch das ganze Gesetz. Da man nicht das ganze Gesetz auf die SE an-passen konnte, auch nicht durfte, weil wir in der Verordnung zwingendeVerweisungen auf das allgemeine Aktienrecht haben, hat man versucht,in diesem monistischen Modell diese Funktionsteilung des allgemeinenAktienrechts irgendwie abzubilden. Die Aufgaben, die sonst der Vorstandhat, wurden den geschäftsführenden Direktoren zugewiesen. Dennochgibt es fundamentale Unterschiede zu unserem Trennungssystem, denneine wirkliche Trennung existiert nicht zwischen Verwaltungsrat und ge-schäftsführenden Direktoren. Die geschäftsführenden Direktoren werdenvom Verwaltungsrat bestellt. Das ist noch nicht besonders aufregend. Siekönnen aber auch Mitglied des Verwaltungsrats sein, also, anders als beiVorstand und Aufsichtsrat, wo Inkompatibilität herrscht. Die Direktorensind weisungsabhängig. Der Verwaltungsrat kann, wenn er will, sie jedenMorgen einbestellen und sagen, heute wird das gemacht und morgenwird jenes gemacht. Konsequenterweise sind sie dann auch jederzeit ab-rufbar. Sie sind letztlich Marionetten des Verwaltungsrates. Es geht ei-gentlich nur darum, eine Person zu benennen, die eben nach außen hindie Verantwortung trägt und die Geschäftsführungsmaßnahmen durch-führt.

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Das Problem ist natürlich die Mitbestimmung. Wenn wir Arbeitnehmerim Verwaltungsrat haben, dann partizipieren sie an der unternehmeri-schen Oberleitung. Sie sind nicht mehr so distanziert wie ein Aufsichtrat.Typischerweise, auch nach seiner gesetzlichen Funktion, ist der Aufsicht-rat nicht an der täglichen Geschäftsführung beteiligt. Der Verwaltungsratmuss sich nicht einmischen, das macht auch ein englisches Board nicht,aber wenn sie wollen, dann können sie. In einer kleinen Gesellschaftwird vielleicht ein Mitglied des Verwaltungsrats zum Direktor ernanntund dann wird täglich am Kaffeetisch gemeinsam diskutiert. Das istdurchaus denkbar. In dieses System wird die Mitbestimmung hinein-transportiert. Im Zuge der Gründung ist dies letztlich unvermeidbar,denn es wird zunächst verhandelt und wenn wir zu Beginn eine mitbe-stimmte, deutsche Gesellschaft haben, dann kann die Mitbestimmung je-denfalls gegen den Willen der Arbeitnehmer nicht abgeschafft werden.Wenn jetzt aber die Satzung der SE sagt, wir wollen gerne monistischorganisiert sein, dann müssen Sie sich irgendetwas ausdenken. Dannmüssen Sie die Mitbestimmung in dieses System hineintransportieren.Der Grundgedanke ist, dass dann anteilsmäßig genauso viele Arbeitneh-mervertreter in diesem monistischen Board sitzen wie vorher im Auf-sichtsrat. Typischerweise werden sie dann nicht geschäftsführende Mit-glieder sein. Man wird wohl selten einen Arbeitnehmervertreter zum ge-schäftsführenden Direktor ernennen. Das werden weder der Repräsentantder Arbeitnehmer noch die Anteilseigner wollen. Die Frage ist einfach:Wie viele sollen denn im Verwaltungsrat sitzen? Die SE-Richtlinie ist na-türlich ganz allgemein gefasst und muss jede Überkreuz-Kombinationerfassen, die in Europa denkbar ist. Sie besagt, dass der Anteil von Ar-beitnehmervertretern, der in den Gründungsgesellschaften herrschte, sichhinterher in der SE wieder finden muss. Wenn man das numerisch über-trägt, könnte man sagen: wenn wir eine paritätische Mitbestimmung imAufsichtrat haben, haben wir hinterher eine paritätische Mitbestimmungim Verwaltungsrat. Man könnte es aber auch anders interpretieren. Mankönnte sagen, dass aus den zwei Organen Vorstand und Aufsichtsrat einOrgan wird und eine funktionale Übertragung eigentlich bedeutet, dassdie Parität nur unter den nicht geschäftsführenden Mitgliedern herrscht.Der Gesetzgeber hat das nicht ausdrücklich klar gestellt. Er hat es soformuliert, dass die Zahl dem Anteil vor Gründung entsprechen muss. Erhat sich sicherlich vorgestellt, dass die Parität eins zu eins übertragenwird. Das kann man so annehmen, das war auch der Wunsch der Ge-werkschaften. Meines Erachtens ergibt sich das nicht zwingend aus demWortlaut und schießt eigentlich über das hinaus, was die Richtlinie woll-te.

Die wichtigste Einsatzform der SE, wie sie sich bis jetzt abzeichnet, istdie grenzüberschreitende Verschmelzung. Bei der Allianz hat man sehr

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deutlich gehört, dass das eigentlich das Hauptargument war. Wir könnenanders als mit der SE momentan nicht verschmelzen. Typischerweise imKonzern, weil es so ein kompliziertes Verfahren ist. Die Elefantenhoch-zeit zwischen zwei völlig selbstständigen Unternehmen wird eher derAusnahmefall bleiben, weil dann die ganze Palette des Minderheiten-schutzes der Aktionäre und der Verhandlungen mit den Arbeitnehmerndurchgespielt werden muss. Wenn Sie es im Konzern machen, dann ha-ben sie wahrscheinlich ─ das werden wir von Herrn Hemeling noch hö-ren ─ ein bisschen eher die Möglichkeit, das von Anfang an einheitlichvorzubereiten.

Möglicherweise kann auch die Entscheidung für das Board-Modell eineRolle spielen, aber wohl nur außerhalb der paritätischen Mitbestimmung.Wenn es wirklich dazu kommt, dass man im Verwaltungsrat, der eineviel stärkere Rolle spielt als der Aufsichtsrat im dualistischen Modell,Arbeitnehmervertreter sitzen hat, dann ist das eine Aufwertung der Mit-bestimmung. Das wird wahrscheinlich kein Unternehmen anstreben wol-len. Wenn Sie dann noch bedenken, dass vielleicht ein Mitglied des Ver-waltungsrates auch geschäftsführender Direktor ist, dann ist die Aktio-närsseite unter den nicht geschäftsführenden Mitgliedern in der Minder-heit. Deswegen wird es wohl nur unterhalb der paritätischen Mitbestim-mung reizvoll sein, in das Board-Modell zu wechseln. Wenn man sowie-so eine Drittel Parität hat, dann würde das auch nur fortgesetzt. Daskann interessant sein, wenn man vom dualistischen Modell wegkommenwill.

Prof. Dr. Peter Hommelhoff

Ja, meine Damen und Herren, wenn jetzt nicht hier Herr Hoffmann sitzenwürde, dann würde ich ganz fürchterlich vom Leder ziehen, aber daswerde ich nicht. Ich werde mich um eine etwas zurückhaltende Formulie-rung bemühen.

Ich glaube schon, dass die Europäische Aktiengesellschaft auch und ge-rade für die Mitbestimmung eine große Chance bietet, einfach um gewis-se Probleme, die sich mit unserem Mitbestimmungsrecht verbinden, zulösen. Dabei ist der erste Punkt: Die Internationalisierung! Wir könnenim geltenden deutschen Mitbestimmungsgesetz der Europäisierung undGlobalisierung unserer Unternehmen auf der Grundlage des Gesetzestex-tes nicht Rechnung tragen. Wir können das allenfalls dadurch tun, dass,denken Sie an Daimler, denken Sie an VW, durch eine Vereinbarung mitden Arbeitnehmervertretern ─ meistens auf der Gewerkschaftsebene ─dafür gesorgt wird, dass ein ausländischer Arbeitnehmerrepräsentant ge-wählt wird. Das ist vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwick-

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lung der letzten mehr als dreißig Jahre sicherlich schlicht unzureichend.Die SE eröffnet jetzt diese Möglichkeiten.

Der zweite Punkt ist ganz einfach: Unabhängig vom Streit um die paritä-tische Mitbestimmung sind Fragen zu diskutieren, wie etwa Größe desAufsichtrates oder eine unternehmerische Mitbestimmung an den Stellen,wo die Entscheidungen fallen, wo die Mitentscheidung ansteht. Das alleslässt sich heute auf dem Boden des deutschen Mitbestimmungsgesetzesnicht so niederlegen, wie es für eine effektive Mitbestimmung gemäß derKonzernstruktur notwendig wäre. So gesehen sind die Möglichkeiten ei-ner verhandelten Mitbestimmung nach der SE-Richtlinie und der deut-schen Umsetzung eine große Chance, hier einfach miteinander über dieProbleme ins Gespräch zu kommen und dann hoffentlich eine vernünfti-ge Vereinbarung zu treffen. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass aufSeiten der Gewerkschaften sehr viel Vernunft vorherrscht. Ich hoffe,wenn wir die SE jetzt in etwas größerer Zahl bekommen werden ─ manhört gerüchteweise, dass sogar Siemens daran denkt, sich in dieseRechtsform umzuwandeln ─ dass wir vielleicht dann die Chance haben,einige Erfahrungen zu sammeln und die etwas arg festgefahrene Diskus-sion über die Modernisierung der Mitbestimmung in Deutschland in An-griff zu nehmen.

Aber für uns, die wir an den Universitäten tätig sind, ist eigentlich etwasanderes noch spannender. Wir haben nämlich mit der Europäischen Ak-tiengesellschaft zum ersten Mal eine Rechtsform von großer, hoffentlichpraktischer Bedeutung, die uns die Möglichkeit gibt, in ganz Europa übereine einheitliche Rechtsform akademischen Unterricht zu pflegen. Da wirmit der Globalisierung in den Universitäten ein Riesenstück vorange-kommen sind ─ in jedem Jahr legen an der Universität Heidelberg mehrals 80 Ausländer einen LLM ab und entsprechend ist das auch an denanderen Universitäten ─ ist so eine europäische Rechtsform ein wunder-schöner Spielball, um auch in den Universitäten, in den juristischen Fa-kultäten, die Internationalisierung zu betreiben. Es geht in der Tat umeine europäische Marke. Ich habe gerade mit großer Freude über dietechnischen Erleichterungen gelesen, die sich die Allianz von der SE ver-spricht. Auch der Gedanke, dass man eine nationale italienische und na-tionale deutsche Gesellschaft unter einem europäischen Dach zusammen-führt, um die Dimension des Zusammenschlusses zu verdeutlichen undden Auftrittsanspruch zu unterlegen, war ein wesentliches Motiv, dieseForm zu wählen. Ich glaube, hier liegt eine Zukunft in der Erweiterungder Angebotspalette. Es gibt jetzt die Möglichkeit für die Unternehmen,die die europäische Karte spielen wollen, in diese andere Form zu wech-seln und dann bleibt mir nur zu hoffen, dass es auch der mittelständi-schen Wirtschaft recht bald vergönnt sein möge, eine entsprechende

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Form zu haben. Es wäre ein Treppenwitz, wenn die Großunternehmenauf der einen Seite und die Stiftungen auf der anderen Seite – wir redengerade über das Projekt einer europäischen Stiftung – eine angemesseneeuropäische Organisationsform angeboten bekämen, aber nicht diejeni-gen Unternehmen, die in der europäische Union in allen Mitgliedstaatenden Kern der wirtschaftlichen Aktivitäten ausmachen, nämlich die mit-telständischen, die kleinen und mittleren Unternehmen. Deshalb hoffeich nachdrücklich, dass es uns gelingen wird, in diesem Jahr die Euro-päische Kommission zu überzeugen, dass wir auch noch eine Europäi-sche Privatgesellschaft oder, auf Deutsch formuliert, eine EuropäischeGmbH brauchen.

Prof. Rüdiger von Rosen

Vielen Dank, meine Herren! Gibt es Fragen an die drei Referenten ausdem Kreis der Teilnehmer?

Das war alles so überzeugend dargestellt, dann fang ich doch mal an. Esist, wie Herr Viermetz das gestern Abend bei der Jahrestagung des Hessi-schen Bankenverbandes artikulierte, auch bei der Deutschen Börse fürden Fall eines potentiellen Zusammengehens mit Euronext darüber ge-sprochen worden, ob man dann die neue Rechtsform der SE für ein Ge-meinschaftsunternehmen schaffen könnte. Es hieß aber, dass das nichtginge, weil möglicherweise der juristische Sitz und der Sitz des Manage-ments nicht übereinstimmen. Ist das damals vergessen worden oder wiekann man das erklären?

Dr. Christoph Teichmann

Es gibt in der SE-Verordnung den Art. 7, der besagt, dass der Registersitzund die Hauptverwaltung der SE im selben Mitgliedstaat liegen müssen.Das ist einerseits vorgesehen, damit die ganzen Verweisungen ins natio-nale Recht nicht ins Chaos führen, damit man weiß, welches nationaleRecht eigentlich gilt. Zum Zweiten stand dahinter immer noch der Streitzwischen Gründungs- und Sitztheorie, der vielleicht nicht mehr lange indieser Form bestehen wird. Am Ende der Verordnung gibt es eine Revisi-onsklausel, dass die Kommission in fünf Jahren darüber nachdenken soll,ob das mit Art. 7 so bleiben muss. Aber es ist in der Tat eine europäischeVorgabe, dass die Hauptverwaltung der Gesellschaft dort sein muss, wosie registriert ist, wobei niemand genau weiß, wie Hauptverwaltung defi-niert wird. Ich würde das nicht zu hoch aufhängen, aber man sollteschon darauf achten, dass nicht der Eindruck entsteht, am Registersitz seinur ein Briefkasten vorhanden.

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Gast

Wo sehen Sie die Vorteile einer SE, wenn sie durch Verschmelzung ent-steht, und zwar dann wenn die europäische Verschmelzungs-Richtlinieauch in nationales Recht umgesetzt wird ─ wenn man mal von dieserMarke „Europa“ absieht?

Prof. Dr. Peter Hommelhoff

Nach meinem Dafürhalten keinen! Sie müssen das unter dem Aspekt se-hen, dass das Angebot an Formen und Gestaltungswegen und damit dieAuswahlfreiheit für die Unternehmen erweitert wird.

Gast

Gibt es schon genauere Erfahrungen darüber, ob sich die einzelnen Un-ternehmen, die dabei sind, ihre Rechtsform zu ändern, für das monisti-sche oder das dualistische System entscheiden.

Eine zweite Frage: Sie hatten vorhin darauf hingewiesen, dass nochlängst nicht in allen Ländern die Richtlinien umgesetzt sind. Es würdemich interessieren, ob größere Länder dabei sind, die für uns wichtigbzw. interessant wären.

Reiner Hoffmann

Wo wir es bisher mit einem dualistischen System zu tun hatten, bleibt esin der Regel beim dualistischen System. Die Allianz und die Strabag, einBaukonzern in Österreich, sind dafür Beispiele. Bei Nordea, einem skan-dinavischen Finanzdienstleister, wird es kein dualistisches System geben,da bleibt man in der Tradition des monistischen Systems.

Bei der Umsetzung der Richtlinien über die Arbeitnehmerbeteiligung sindes insbesondere drei oder vier kleinere Länder, die bisher noch nicht um-gesetzt haben. Ich glaube, in Spanien als einzigem größerem Land haktes noch. Aber da bin ich ehrlich gesagt nicht ganz auf dem aktuellenStand. Unsere Homepage sagt Ihnen das.

Gast

Wie wird in dem Regelungskonzept eine Rechtsschutzkonkurrenz ausge-schlossen, wenn ausländische Aktionäre einer Gesellschaft, die auf eineSE in Deutschland verschmolzen wird, im eigenen Land gegen die Maß-nahme „Rechtschutz“ begehren? Geht das überhaupt? Oder ist man durchdas deutsche SE AG-Gesetz dieser Rechte beraubt?

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Dr. Christoph Teichmann

Es ist in der Gründungsphase so ─ das ist eine Verweisung in der SE-Verordnung auf Art. 18 ─, dass das Verschmelzungsverfahren in jederGesellschaft zunächst nach ihrem nationalen Recht abläuft. Dies ist sinn-voll! Die Allianz will nicht nach italienischem Aktienrecht ihre Haupt-versammlung abhalten, d.h. dass in der Konsequenz der Rechtschutz imGrunde noch national ist. Wir haben es bei der Allianz gesehen. Die üb-lichen Probleme, mit ellenlangen Fragenkatalogen und den sich darananschließenden Anfechtungsklagen, das ist ein rein nationales Problem,da muss man durch. Danach ist man in der SE. In Italien läuft es nachitalienischem Aktienrecht. Also eine richtige Konkurrenz kann da meinesErachtens nicht auftreten, bis auf das Problem natürlich, dass die Schutz-systeme unterschiedlich ausgestaltet sind. Vielleicht sind auch in ver-schiedener Weise Verzögerungsstrategien von Aktionären möglich. Daswar auch die Sorge, dass wir mit unserem Gesetzgebungsverfahren, mitunserem ausgefeilten Schutzsystem in Deutschland dann womöglichimmer auf der Bremse stehen und die Verschmelzung nicht eingetragenwerden kann, obwohl Italien längst fertig ist, dass aber in Deutschlandnoch die ganzen Prozesse durchgezogen werden müssen. Man hat ge-hofft, dass man das durch die Umleitung auf das Spruchverfahren, wie esim nationalen Recht ist, vermeiden kann.

Beim Spruchverfahren haben wir noch ein zusätzliches Problem, damüsste man noch Herrn Hemeling fragen, wie das gelaufen ist. DasSpruchverfahren können Sie bei der Gründung der SE nur anwenden,wenn die Aktionäre der ausländischen Gesellschaft ausdrücklich zustim-men. Das müsste man einmal klären. Ich weiß nicht, wie das in Italiengelaufen ist. Wenn die Italiener nicht zustimmen, können wir dasSpruchverfahren in der deutschen Gründungsgesellschaft nicht durch-führen. Das steht in Art. 25 Absatz 3 der Verordnung. Der Gedanke ist,dass ein Teil der Aktionäre über das Spruchverfahren hinterher mögli-cherweise nochmals einen Zuschlag bekommt, und die anderen, die überdie italienische Gesellschaft in die SE reinkommen, die sehen diesesVermögen zu Gunsten der früheren deutschen Aktionäre aus ihrer SE ab-fließen. Das wollte man vermeiden und deswegen können wir diesesSpruchverfahren nur durchführen, wenn die Hauptversammlung der aus-ländischen Gesellschaft zugestimmt hat. Das aufeinander Abstimmen derSchutzsysteme ist in der Tat nicht ganz einfach.

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Gast

Wenn die Aktionäre der ausländischen Gesellschaft zustimmen müssen,müssen dann alle zustimmen oder könnte Herr Freitag, wenn er sich inItalien einkauft, hier die Maßnahme blockieren?

Dr. Christoph Teichmann

Also, ich denke nicht, dass man jeden fragen muss. Ich würde das so se-hen, dass der Beschluss mit einer bestimmten Mehrheit, bei uns und inItalien, mit zwei Drittel oder drei Viertel gefasst werden. Der Beschlussmuss aufnehmen, dass man sich damit einverstanden erklärt, dass dasSpruchverfahren durchgeführt wird.

Gast

Wenn eine Bank oder eine Versicherungsgruppe die Form der SE wählt,ist dann in jedem Fall die Regulierungsbehörde des Landes zuständig, indem der Sitz ist?

Reiner Hoffmann

Ich kann vielleicht eines anmerken. Die „Nordea“ in Skandinavien hatgenau das Ziel, dass sie die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde kon-zentrieren will, indem sie ihre Tochtergesellschaften in Dänemark, Nor-wegen, Finnland auf die schwedische Muttergesellschaft verschmilzt unddann der schwedischen Bankenaufsicht unterliegt. Bei denen hängt es imMoment, soweit ich es erfahren habe, noch daran, dass die Einzahlungenin den Garantiefond der einzelnen Länder nicht zurückgezahlt werden,weil sich die nationalen Behörden auf den Standpunkt stellen, dass dieGesellschaften erlöschen und dann gebe es keinen mehr, der das zurück-bekommen kann. Die „Nordea“ soll das angeblich nicht erben. Das ist einProblem, das mit der SE gar nichts zu tun hat, es zeigt aber, wie weit wirvom Binnenmarkt in anderen Bereichen noch entfernt sind.

Gast

Im Gesetz befasst sich nur einer von 54 Paragraphen mit der innerenOrdnung des Verwaltungsrates. Ist das an anderer Stelle detaillierter ge-regelt, also Häufigkeit der Sitzungen, Ausschussbildung, d.h. die ganzenElemente, die wirklich die Arbeit der Gremien prägen? Oder hat man dasbewusst für die individuelle Regelung offen gelassen?

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Dr. Christoph Teichmann

Das soll bewusst der eigenen Gestaltung offen sein. Sie können eine Ge-schäftsordnung machen oder das in die Satzung hinein schreiben. Dawollte man eigentlich nicht mehr sagen, als dass der Verwaltungsrateben das oberste Leitungsorgan ist. Der dahinter stehende Gedanke warauch, dass man eine detailliertere Regelung wohl nur für große Gesell-schaften braucht, und dass eigentlich der Deutsche Corporate Governan-ce Kodex nachziehen und dazu etwas sagen müsste. Außerhalb börsen-notierter Gesellschaften war man der Ansicht, dass man das im Gesetz-gebungsverfahren nicht so detailliert regeln muss. Auch das Aktiengesetzfolgt eigentlich dem Leitbild der großen Gesellschaft. Wenn eine kleineGesellschaft sich für das monistische Modell entscheidet, dann soll siedas ruhig selber in ihrer Geschäftsordnung ausgestalten dürfen.

Gast

Herr Teichmann, Sie sprachen die Mehrstaatlichkeit an. Soweit ich weißund das analysiert habe, ist es eigentlich nicht möglich, eine SE auf eineSE grenzüberschreitend zu verschmelzen. Ich komme zwar von der nati-onalen Rechtsform in die SE. Aber kann ich eine SE über die Grenze aufeine SE verschmelzen?

Dr. Christoph Teichmann

Ich sehe da ehrlich gesagt kein rechtliches Problem. Das ist noch nichtvorgekommen. SEs müssen erst gegründet werden und dann noch inzwei verschiedenen Staaten, soweit sind wir noch in sehr wenigen Fäl-len.

Aber wenn eine SE existiert, dann ist sie nach Art. 3 einer nationalenAktiengesellschaft gleich gestellt, kann sich also wiederum an der Grün-dung einer SE beteiligen. An verschiedenen Stellen wird ausdrücklichgesagt, dass die SE genauso zu behandeln ist wie eine nationale Aktien-gesellschaft. Deshalb würde eine innerstaatliche Verschmelzung nachdem Umwandlungsgesetz ablaufen. Die SE wäre eine Aktiengesellschaftanalog einer deutschen Aktiengesellschaft und grenzüberschreitend istdie SE natürlich jeder nationalen Rechtsform gleichgestellt, die dieseMöglichkeiten hat.

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1.3 Die Praxis -Umwandlung der Allianz AG in die Allianz SE

RA Dr. Peter Hemeling,Chefsyndikus, Allianz AG

Guten Tag, meine Damen und Herren. Nach zwei Vorträgen zu den theo-retischen Grundlagen der SE möchte ich Ihnen einen kurzen Praxisbe-richt zur Umwandlung der Allianz AG in eine SE geben.

Nach Bekanntgabe des Vorhabens am 11. September 2005 wurde uns oftdie Frage gestellt, welche Gründe die Allianz dazu bewegen, im Wege ei-ner grenzüberschreitenden Verschmelzung die Rechtsform der SE anzu-nehmen.

Die Antwort fiel für einige aufgeschreckte DAX-Gesellschaften beruhi-gend aus. Es war nicht die besondere Attraktivität der Rechtsform SE,sondern vielmehr ein für die Allianz wichtiger grenzüberschreitender Zu-sammenschluss zweier Unternehmen, der für die Entscheidung ursächlichwar. Um dies besser verstehen zu können, möchte ich Ihnen die wesent-lichen Eckpunkte unserer grenzüberschreitenden Verschmelzung erläu-tern. Das Zielunternehmen war die italienische Riunione Adriatica di Si-curta S.A. (RAS), eine in Italien alt eingesessene Versicherungsgruppe,die allerdings auch Asset Management- und Bank-Aktivitäten unter sichvereint. Ihre Marktkapitalisierung lag 2004 bei knapp € 12 Mrd. Die Alli-anz hielt im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verschmelzungsvorhabenseine Beteiligung von 55,4%. Die RAS ist im italienischen Lebensversi-cherungsgeschäft die Nr. 2 und im italienischen Schaden/Unfallgeschäftdie Nr. 4; sie verfügt darüber hinaus über namhafte Beteiligungen inSpanien, Portugal, Österreich und der Schweiz. Zweck des Zusammen-schlusses ist es, alle Anteile an der RAS zu erwerben, die Struktur derüber die RAS gehaltenen Beteiligungen zu vereinfachen und damit dieAllianz Gruppe in Europa partiell neu aufzustellen.

Natürlich wurde auch die Frage gestellt, warum wir mit der Transaktionnicht zugewartet haben, bis auf Basis der europäischen Rechtsprechungund der Umsetzung der Verschmelzungs-Richtlinie in nationales Rechtsicherere Rahmenbedingungen bestehen. Auch drängte sich die Frageauf, ob der 100% Erwerb der RAS nicht einfacher durch ein freiwilligesBarangebot auf die ausstehenden Aktien und ein anschließendes Squee-ze-Out-Verfahren zu erreichen wäre.

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Bei der Abwägung der Alternativen spielten die Faktoren Finanzierung,Zeitbedarf und Transaktionssicherheit eine besondere Rolle. Insbesonderefür die Finanzierung bot die Verschmelzung erhebliche Vorteile. Durchdie Kombination mit einem vorgeschalteten freiwilligen Kaufangebotkonnte eine Mischung von Bar- und Aktienfinanzierung erreicht werden,was aus Sicht des Kapitalmarktes sinnvoll war. Ferner konnte mit derVerschmelzung die für ein reines Barangebot übliche Prämie von 25%-30% auf den Aktienkurs vermieden werden. Bei einem Transaktionsvo-lumen von knapp € 6 Mrd. fällt dies ins Gewicht.

Wir hatten uns dafür entschieden, im Vorfeld der Verschmelzung denaußenstehenden Aktionären der RAS ein freiwilliges Kaufangebot zu un-terbreiten. Dies diente dazu, eine höhere Akzeptanz des Unternehmens-zusammenschlusses in Italien zu erreichen. Zugleich konnte aufgrunddes Barangebots die Beteiligung weiter erhöht und damit die Transakti-onssicherheit verbessert werden. Vor dem Hintergrund der nachfolgen-den Verschmelzung bewegte sich die Prämie auf den aktuellen Börsen-kurs der RAS-Aktie vor Bekanntgabe lediglich in der Größenordnungvon 10%-12%. Verglichen mit einer Prämie von 30% macht dies, bezo-gen auf alle außenstehenden Aktien der RAS, einen Unterschied von ei-ner knappen € 1 Mrd. aus. Die Kunst der Gestaltung bestand darin, dieKonditionen so auszutarieren, dass etwa die Hälfte der außenstehendenAktionäre das Barangebot angenommen und sich die andere Hälfte fürden Aktienumtausch im Rahmen der Verschmelzung entschieden hat.Von dem Free Float in Höhe von 44,6% blieben nach Abwicklung desfreiwilligen Kaufangebots noch 23,7% über, die im Rahmen der Ver-schmelzung Allianz Aktien als Gegenleistung erhalten haben.

Ein weiterer Vorteil der grenzüberschreitenden Verschmelzung besteht inder Vereinfachung der Gesellschaftsstruktur der Allianz Gruppe in Euro-pa. Durch die Verschmelzung der RAS auf die Allianz AG können diebisher verstreut liegenden Beteiligungen an den Tochtergesellschaften inder Schweiz, in Österreich, in Portugal und in Spanien unter der künfti-gen Allianz SE gebündelt werden. Dass hierdurch Komplexität reduziertund die Effizienz erhöht wird, zeigt das Beispiel der notwendigen Ab-stimmung in der Rechnungslegung. Während bisher die Abschlüsse derbetreffenden Beteiligungsgesellschaften zunächst mit der RAS und an-schließend mit München abgestimmt bzw. für die Konsolidierung trans-formiert werden mussten, werden die Wege künftig deutlich kürzer.

Bevor ich zu den Besonderheiten der SE komme, möchte ich Ihnen nocheinen zusammenfassenden Überblick über die grenzüberschreitende Ver-schmelzung geben. Nach dem Zeitplan handelt es sich um ein 12 Mo-nats-Projekt; Ende September 2006 möchten wir die Verschmelzung

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durch Eintragung in das Handelsregister vollziehen. Die Transaktion lässtsich in drei große Abschnitte unterteilen. Der erste Teil beginnt mit derAnkündigung, dem freiwilligen Barangebot an die außenstehenden Akti-onäre der RAS und der dazu notwendigen Finanzierung. So sind wir be-reits einen Tag nach Ankündigung der Transaktion mit einer Aktienplat-zierung in den Markt gegangen und haben € 1,1 Mrd. aufgenommen.Vor dem Beginn des Barangebots am 20. Oktober 2005 erfolgte eine wei-tere Mittelaufnahme. Am 23. November 2005 lief die Angebotsfrist aus.Parallel zu diesen Arbeiten lief bis zum Jahresende die komplette Aus-gliederung des italienischen operativen Geschäfts in eine neue Gesell-schaft. Der Grund für diesen zusätzlichen Aufwand liegt in der Tatsache,dass wir ein aufsichtspflichtiges Geschäft betreiben. Das operative Ge-schäft in Italien soll weiterhin der lokalen Regulierung unterliegen undin einer italienischen Einheit geführt werden. Nicht ausgegliedert wurdendagegen die Beteiligungen der RAS, da diese mit der Verschmelzung aufdie Allianz SE übergehen sollen.

Der zweite große Abschnitt betrifft die Vorbereitung der Verschmelzung,insbesondere die Erstellung der umfangreichen Verschmelzungsdoku-mentation. Von Seiten kritischer Aktionäre wurde der Vorwurf erhoben,wir hätten sie mit 4.500 Seiten Informationen „zugeschüttet“. DieserVorwurf ist insofern irreführend, da die eigentliche Verschmelzungsdo-kumentation lediglich ca. 250 Seiten umfasst und damit nahe dem Stan-dard großer deutscher Verschmelzungen liegt. Daneben gibt es allerdingsviele sonstige vorlagepflichtige Unterlagen, wie die Jahresabschlüssebeider Gesellschaften der letzten Jahre und auch freiwillige Übersetzun-gen.

Eine Herausforderung ganz besonderer Art waren die parallel laufendenUnternehmensbewertungen. Es ist nicht leicht, ein angemessenes Um-tauschverhältnis auf Basis zweier unterschiedlicher Bewertungsstandardszu ermitteln. Die Gremien beider Gesellschaften in Italien und Deutsch-land mussten zur Überzeugung kommen, dass sie ihren Aktionären dieZustimmung zur Verschmelzung empfehlen können, weil sie überzeugtsind, dass das Umtauschverhältnis fair und angemessen ist. Der Bewer-tungsstandard in Italien ist stärker kapitalmarktorientiert und orientiertsich am Multiple-Verfahren. Das formalere und engere deutsche Ertrags-wertverfahren war daher schwer zu vermitteln. Nach den gemachten Er-fahrungen rechne ich damit, dass die Bewertung bei grenzüberschreiten-den Transaktionen in Europa aufgrund der unterschiedlichen Standardshäufig zu Schwierigkeiten und in der Folge hoffentlich auch zu einerAnnäherung der Verfahren führen wird.

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Der dritte Teil der Transaktion begann mit den außerordentlichen Haupt-versammlungen in Mailand am 3. Februar 2006 und der außerordentli-chen Hauptversammlung in Düsseldorf am 8. Februar 2006. Auch hier istder unterschiedliche Standard in zwei europäischen Ländern interessant.In Mailand hatten wir zwei Aktionärsversammlungen, da für die Vor-zugsaktionäre eine gesonderte Hauptversammlung abzuhalten war. DieDiskussion war intensiv, aber diszipliniert; in wenigen Stunden warenbeide Versammlungen durchgeführt. Die außerordentliche Hauptver-sammlung der Allianz AG in Düsseldorf verlief etwas anders. Nur mitHilfe von Redezeitbeschränkungen und weitergehenden Anordnungenwar es möglich, die Hauptversammlung um 23.00 Uhr zu beenden. Nichtganz überraschend wurden auch zahlreiche Anfechtungsklagen erhoben.Wir sind aber zuversichtlich, dass in dem Freigabeverfahren, das als Eil-verfahren konzipiert ist, innerhalb von 6 Monaten eine Entscheidungüber die Freigabe trotz anhängiger Anfechtungsklagen entschieden wird.Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Anfechtungen lediglich 59 Ak-tien bei einem ausstehenden Grundkapital von über 406 Mio. Stückakti-en repräsentieren.

In meinem zweiten Teil des Referats möchte ich auf die Rechtsform undinsbesondere auf die Governance der SE eingehen. Zunächst einezugleich beruhigende und ernüchternde Botschaft: Die SE mit Sitz inDeutschland ist zu 90%-95% eine deutsche Aktiengesellschaft. Mit Un-terbrechungen hat man 40 Jahre lang an der Idee einer einheitlichen eu-ropäischen Rechtsform gearbeitet. Der Anspruch der Initiatoren war kühnund überzeugend mit einheitlichen Regelungen der SE in vielen Rechts-gebieten bis hin zur Rechnungslegung und im Steuerrecht. Übrig geblie-ben ist, so wurde in der Rechtswissenschaft beklagt, ein Torso, der mitAusnahme einiger europäischer Elemente nach wie vor überwiegend vomjeweiligen Heimatrecht geprägt ist.

Ich möchte aber das Positive herausheben und denke dabei z.B. an diejetzt in allen Mitgliedstaaten geltende Option, die Unternehmensleitungnach dem zweistufigen System von Vorstand und Aufsichtsrat oder demeinstufigen Verwaltungsratssystem zu organisieren. Letztere Möglichkeithat es vor der SE in Deutschland nicht gegeben. Daneben bringt die SEBewegung in die erstarrte deutsche Mitbestimmung. Das Mitbestim-mungsgesetz von 1976 kommt nicht zur Anwendung, auch dann nicht,wenn in den zu führenden Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteili-gung eine Vereinbarung nicht erzielt werden kann. In diesem Fall greiftdie gesetzliche Auffangregelung des SE-Beteiligungsgesetzes, das inwichtigen Punkten vom Mitbestimmungsgesetz abweicht.

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Lassen Sie mich näher auf den Aufsichtsrat eingehen. So selbstverständ-lich, wie wir in unserer Ankündigung vom Fortbestand der paritätischenMitbestimmung im Aufsichtsrat gesprochen haben, so deutlich haben wirdie Absicht zur Verkleinerung des Aufsichtsrats bekundet. Hier hat sichim Rahmen der Verhandlungen eine der interessantesten Diskussionenzur SE entwickelt: Es geht um die sehr grundsätzliche Frage, wie weitdas Verhandlungsmandat des Besonderen Verhandlungsgremiums undder Unternehmensleitung eigentlich reicht. Kleine Unschärfen und In-konsistenzen im verschachtelten Regelwerk der SE schaffen einen weitenRaum für die rechtliche Argumentation. In Kürze werden zwei anschauli-che Darstellungen der unterschiedlichen Positionen von Prof. Oetker undProf. Habersack in den Fachzeitschriften erscheinen. Ich komme nachherauf dieses Thema noch einmal zu sprechen.

Die Nichtgeltung des Mitbestimmungsgesetzes führt zu weiteren Verän-derungen im Aufsichtsrat und im Vorstand. So entfällt die Vorgabe desMitbestimmungsgesetzes, dass der Stellvertreter des Aufsichtsrats ein Ar-beitnehmervertreter zu sein hat. Die Regelung in der SE-Verordnung zumStichentscheid legt vielmehr nahe, einen Anteilseignervertreter zumStellvertreter zu machen, da diesem satzungsmäßig ein Zweistimmrechteingeräumt werden kann. Wir haben uns am Ende dafür entschieden, je-weils einen stellvertretenden Vorsitzenden von der Anteilseigner- undder Arbeitnehmerseite vorzusehen, wobei nur dem Anteilseignervertreterein Recht zum Stichentscheid zusteht.

Der Wegfall des Vermittlungsausschusses im Aufsichtsrat führt zu einernennenswerten Änderung im Bestellungsverfahren des Vorstands. DieNotwendigkeit mehrerer Wahlgänge und die Einschaltung eines Vermitt-lungsausschusses bei Nichterreichung der 2/3-Mehrheit taugen nicht län-ger als mögliches Drohszenario. Für die Bestellung gilt grundsätzlich dieeinfache Mehrheit; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme desVorsitzenden.

Anstelle des Arbeitsdirektors mit der Heraushebung der gleichberechtig-ten Stellung im Mitbestimmungsgesetz sieht das SE-Beteiligungsgesetzeine schlichte Vorstandszuständigkeit für Arbeit & Soziales vor. Diesmag inhaltlich nicht viel ändern, erleichtert aber die Einführung einesVetorechts für den Vorstandsvorsitzenden. Die Allianz SE hat dieses Ve-torecht in der Satzung verankert und auf diese Weise die starke Stellungdes CEO hervorgehoben.

Auch bei den zustimmungspflichtigen Geschäften bringt das europäischeRegelwerk zu SE eine Änderung. Während bislang traditionell die zu-stimmungspflichtigen Geschäfte im Rahmen der Geschäftsordnung für

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den Vorstand oder für den Aufsichtsrat geregelt werden, hat die SE Sat-zung zustimmungspflichtige Geschäfte vorzusehen. Allerdings kann derAufsichtsrat darüber hinaus bestimmte Maßnahmen unter den Vorbehaltseiner Zustimmung stellen.

Zur Hauptversammlung begnüge ich mich mit zwei kurzen Hinweisen.Betrüblich ist, dass die gesetzlichen SE-Regeln keine Bestimmung überden Ort der Hauptversammlung enthalten. In unseren ersten Entwürfender SE Satzung hatten wir als mögliche Orte für die Hauptversammlungeuropäische Metropolen ins Auge gefasst. In Hinblick auf das Anfech-tungspotential haben wir schließlich darauf verzichtet, da unter dem gel-tenden Aktiengesetz strittig ist, ob eine Hauptversammlung im europäi-schen Ausland abgehalten werden kann. Hier wäre eine gesetzliche Klar-stellung wünschenswert.

Nicht ohne weiteres erkennbar ist eine Änderung bei den Beschluss-mehrheiten für Satzungsänderungen. Nach der SE-Verordnung ist eineeinfache Beschlussmehrheit für Satzungsänderungen nur denkbar, wennin der betreffenden Hauptversammlung eine Präsenz von mehr als 50%gegeben ist. Liegt die Hauptversammlungspräsenz unter 50%, ist mindes-tens eine 2/3-Mehrheit erforderlich. Damit erhalten wir eine dreistufigeBeschlussmehrheit für Satzungsänderungen: Für einfache Satzungsände-rung genügt die einfache Mehrheit, wenn die Hauptversammlungsprä-senz über 50% liegt. Liegt sie unter 50%, ist eine 2/3-Mehrheit erforder-lich. Unverändert bleibt das zwingende ¾-Mehrheitserfordernis für dieim Aktiengesetz vorgesehenen Fälle.

Das Verfahren zur Arbeitnehmerbeteiligung ist mit Sicherheit – geradeunter logistischen Gesichtspunkten – der anspruchsvollste Teil der SE.Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die in vielen Mitgliedstaatenvertreten sind. So mussten wir in 24 Ländern Verfahren in Gang setzen,beginnend mit der offiziellen Information der Arbeitnehmer und Arbeit-nehmervertretungen und nachfolgend zur Bestimmung der Mitglieder fürdas Besondere Verhandlungsgremium. Die Bildung des Besonderen Ver-handlungsgremiums verdeutlicht besonders eindrucksvoll die Anforde-rungen, da sich die Wahl der Mitglieder nach dem jeweiligen lokalenRecht richtet. Die Verfahren sind dabei durchaus unterschiedlich. Wäh-rend in Deutschland der Konzernbetriebsrat die Mitglieder auswählt, sindes in Frankreich die Gewerkschaften und in England alle Arbeitnehmerim Wege der Urwahl. Andererseits muss sehr genau auf die Einhaltungder Formalien geachtet werden, da eine nicht korrekte Durchführung derProzesse die Eintragung in das Handelsregister gefährden kann. Der An-meldung zum Handelsregister ist eine so genannte Konformitätsbeschei-nigung aus dem Land der übertragenden Gesellschaft beizufügen, in der

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die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bestätigt wird. In Italienist wie in den meisten Mitgliedstaaten diese Bescheinigung von einemNotar auszustellen.

Ich möchte zum Schluss noch einmal auf einige Besonderheiten im Be-reich der Arbeitnehmerbeteiligung eingehen. Das hierfür vorgeseheneVerhandlungsverfahren wird keine Eigenheit der SE-Gründung bleiben,sondern künftig auch für alle anderen grenzüberschreitenden Verschmel-zungen im Rahmen der Verschmelzungsrichtlinie gelten. Eine nicht un-wesentliche Erleichterung für die deutsche Seite hatte ich in diesem Zu-sammenhang bereits angedeutet. Die deutschen Vertreter des Verhand-lungsgremiums werden vom Konzern- bzw. Gesamtbetriebsrat bestimmt.In gleicher Weise werden aber auch die deutschen Arbeitnehmervertreterfür den Aufsichtsrat bestimmt, so dass das aufwendige und in einemgrößeren Konzern ca. 8 Monate dauernde Wahlverfahren für die Arbeit-nehmervertreter im Aufsichtsrat entfällt. Eine weitere signifikante Ver-änderung auf der Arbeitnehmerseite bringt die Tatsache, dass abhängigvon der Anzahl der Arbeitnehmer in den anderen EU-Mitgliedstaatenauch ausländische Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat vertreten sind,was zu einer entsprechenden Reduzierung der deutschen Arbeitnehmer-vertreter führt. Auch wenn das SE-Beteiligungsgesetz recht klare Grund-sätze für die Verteilung der Arbeitnehmersitze auf die einzelnen Ländernenthält, empfehlen sich hierzu ergänzende Regelungen in der Vereinba-rung, etwa in Hinblick auf künftige Veränderungen der Arbeitnehmer-zahlen in den einzelnen Ländern und zur Frage, in welchen zeitlichenAbständen notwendig werdende Anpassungen in der Zusammensetzungvorgenommen werden sollen.

Nach dem SE-Beteiligungsgesetz hat jeder dritte deutsche Arbeitnehmer-vertreter ein Vertreter der Gewerkschaften zu sein. Der Vertreter der Lei-tenden Angestellten im Aufsichtsrat wird künftig praktisch entfallen, danach der gesetzlichen Regelung erst der siebte deutsche Arbeitnehmer-vertreter ein Vertreter der Leitenden ist, bei grenzüberschreitenden SE-Gründungen aber selten sieben deutsche Arbeitnehmervertreter vorhan-den sein werden.

Abschließend möchte ich noch einmal auf die besonders interessanteFrage der Reichweite des Verhandlungsmandats zu sprechen kommen. ImLaufe unserer Verhandlungen sind wir an drei verschiedenen Stellen andie Grenzen des Verhandlungsmandats gestoßen. Besonders intensiv wa-ren die Diskussionen um die Größe des Aufsichtsrats. Ist die Größe ab-schließend von den Anteilseignern in der Satzung festzulegen oder kön-nen die Verhandlungsparteien in der Vereinbarung eine abweichendeGröße festlegen? Im zeitlichen Ablauf müssen sich zunächst die Anteils-

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eigner damit befassen, da die SE Satzung eine Regelung zur Größe desAufsichtsrats enthalten muss und die Satzung als notwendige Anlage desVerschmelzungsplans bereits vor Beginn der Verhandlungen vorliegenmuss. In unseren Fall legte die Satzung die Größe auf 12 Mitglieder fest.Es besteht auch Einigkeit darüber, dass die gesetzliche Auffangregelunglediglich eine Entscheidung bezüglich des Proporzes im Aufsichtsrattrifft, nicht aber auf die bisherige Größe des Aufsichtsrats verweist. An-dererseits regelt die SE-Verordnung im Art. 12 Abs. 4, dass die Satzungnachträglich anzupassen ist, wenn das Verhandlungsergebnis von derSatzung abweicht. Daraus leiten einige Vertreter ein sehr weites Ver-handlungsmandat ab. Ich möchte der Streitfrage hier nicht zu weit nach-gehen, sondern mich nur noch auf einen Hinweis zu dieser Satzungsän-derung beschränken. Der deutsche Gesetzgeber hat keinen Gebrauch vonder europäischen Option gemacht, für eine solche Satzungsänderung Er-leichterungen vorzusehen. Dies bedeutet, dass im Falle eines abweichen-den Verhandlungsergebnisses erneut die Hauptversammlung über eineentsprechende Satzungsänderung Beschluss fassen muss. Sind an derGründung zwei oder mehr Gesellschaften beteiligt, ist damit die Gesell-schafterversammlung jeder beteiligten Gesellschaft zu befassen, da dieSE-Satzung Teil des Verschmelzungsplans ist.

Ein zweites Mal sind wir an die Grenzen des Verhandlungsmandats ge-stoßen, als es um die innere Ordnung des Aufsichtsrats ging. Es ist nichtüberraschend, dass das Besondere Verhandlungsgremium Vorstellungenz.B. über die Ausschussbildung im Aufsichtsrat oder die Ausschussbeset-zung äußert. Derartige Fragen unterliegen aber der Selbstorganisationdes Aufsichtsrats und können in der Vereinbarung über die Arbeitneh-merbeteiligung so wenig geregelt werden wie in der Satzung. Es wäreauch erstaunlich, wenn der Vorstand als das zu beaufsichtigende Organmit dem Verhandlungsgremium Regelungen zur Organisation oder Arbeitdes Aufsichtsrats treffen könnte.

Lassen Sie mich ein drittes und letztes Beispiel nennen: Die Arbeitneh-mervertreter aus den verschiedenen Ländern sind verständlicherweisedaran interessiert, im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung einenvergleichbaren Standard in den einzelnen Ländern zu erreichen und füralle Mitglieder im SE-Betriebsrat gleiche Arbeitsbedingungen zu schaf-fen, egal aus welchem Land sie kommen. Auch hier bestehen aber nochklare Grenzen. Das europäische Recht verweist sowohl für die betriebli-che Mitbestimmung als auch für den Status der Mitglieder im SE-Betriebsrat auf das jeweilige Heimatrecht. Dies zeigt, wie wenig einheit-lich das Statut der SE noch ist.

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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, ich habe Ihnen einenEinblick in die Praxis der SE geben können. Einige mögen den Eindruckgewonnen haben, dass die Gründung der SE doch eine sehr gewagte Sa-che sei und die erzielbaren Vorteile den Aufwand nicht lohnen. Ich kannIhnen aber versichern, dass es machbar ist. Wir alle wissen, dass bereitseine größere Verschmelzung in Deutschland eine komplexe Transaktiondarstellt. Es liegt auf der Hand, dass ein grenzüberschreitender Zusam-menschluss die Anforderungen noch erhöht. Die SE selbst ist dabei eherBegleitmusik.

Gast

Sie erwähnten die Konformitätsbescheinigung aus Italien. Gibt es gegendiese Bescheinigung eine Rechtsschutzmöglichkeit?

Dann waren Sie optimistisch, im Freigabeverfahren die Voraussetzungenfür die Eintragung zu erzielen. Gründet der Optimismus auf den Tatbe-stand der offensichtlichen Unbegründetheit oder haben Sie ein überwie-gendes Unternehmensinteresse dargetan?

Dr. Peter Hemeling

Zur ersten Frage: Ein unmittelbares Rechtsmittel gegen die Konformi-tätsbescheinigung des Notars ist m.E. nicht möglich. Mittelbar könnteman jedoch beim Registergericht im Wege des FGG-Verfahrens versu-chen, die Eintragung der Verschmelzung mit dem Hinweis zu verhindern,dass die vorgelegte Konformitätsbescheinigung nicht richtig sein kann,weil bestimmte gesetzliche Erfordernisse nicht eingehalten worden seien.

Zu Ihrer zweiten Frage: In der Tat sind wir überzeugt, dass die vielen aufRechtsformalien bezogenen Einwände der Anfechtungsklagen offensicht-lich unbegründet sind. Das gesamte Vorhaben wurde sehr sorgfältig vor-bereitet. Kritischer ist die Situation bei den Bewertungsrügen, weil inBewertungsthemen nichts offensichtlich ist. Hier müssen wir damit rech-nen, dass die Gerichte auf Basis einer Abwägung entscheiden müssen.Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob es im Freigabeverfahrentatsächlich drei Instanzen geben kann. Das OLG Frankfurt hat jüngst imFall Telekom/T-Online in der Sache zu Gunsten des Unternehmens ent-schieden und bei der Interessenabwägung auch das Gewicht der Anfech-tungskläger in Bezug auf die Höhe ihrer Beteiligung berücksichtigt, aberandererseits die Rechtsbeschwerde beim BGH zugelassen. Es bleibt sehrzu hoffen, dass der BGH die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ver-neint und es im Freigabeverfahren bei zwei Instanzen bleibt. Eine Klar-stellung des Gesetzgebers im Rahmen der Reform des Umwandlungsge-setzes wäre hier wünschenswert. Eine Dauer des Freigabeverfahrens von

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mehr als einem Jahr würde diese Form des Eilverfahrens ad absurdumführen.

Gast

Herr Hemeling, sind als Folge der Umwandlung auch Änderungen derinhaltlichen Ausgestaltung der Aufsichtsratsarbeit beabsichtigt? Stich-wort: Getrennte Vorbesprechung, Frequenz der Sitzung, Dauer der Sit-zung usw.

Dr. Peter Hemeling

Dazu gibt es noch keine konkreten Festlegungen. Es wird Aufgabe desneuen Aufsichtsrats sein, seine innere Ordnung und seine Aufsichtstätig-keit zu gestalten. Die Erwartung ist allerdings, dass die Kommunikationinnerhalb des Aufsichtsrats offener und intensiver wird. Die Arbeit imPrüfungsausschuss der letzten Jahre hat gezeigt, wie es besser gehenkann.

Gast

Herr Dr. Hemeling, eine Frage noch zu dem Zeitpunkt der Informationder Arbeitnehmervertreter seitens der Unternehmensleitung über die Ab-sicht der SE-Gründung. § 4 Abs. 2 SEBG sieht vor, dass die Informationunaufgefordert und unverzüglich nach Offenlegung des Verschmel-zungsplans erfolgt. Dies wird in den Kommentaren oftmals so interpre-tiert, dass auch bereits vorher eine Information erfolgen kann. Das wäreein Einsparpotential hinsichtlich der zeitlichen Abfolge.

Dr. Peter Hemeling

Damit haben wir uns nicht ernsthaft beschäftigt. Die gesetzlichen Be-stimmungen geben vor, dass die Information auch den definitiven Ent-wurf des Verschmelzungsplans umfassen muss. Dieser Entwurf mussauch das Umtauschverhältnis enthalten, kann also erst nach Abschlussder Bewertungsarbeit finalisiert werden. Damit kann das Verfahren zurArbeitnehmerbeteiligung, das mit der formellen Information beginnt, lei-der erst recht spät in die Wege geleitet werden. Diese zeitliche Unzuläng-lichkeit sollte bei einer künftigen Revision der SE-Regelungen Beachtungfinden.

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Gast

Wie sehen Sie die Auswirkungen einer Umwandlung in die SE auf diebestehende Börsennotierung der Allianz AG? Sehen Sie eine Notwendig-keit, eine neue Börsenzulassung zu beantragen?

Dr. Peter Hemeling

Ich denke nicht, dass wir eine Neulassung betreiben müssen. Ich gehevielmehr davon aus, dass eine schlichte Unterrichtung der Börsen überden Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung und Umwand-lung in die SE ausreichen wird. Die Börsen werden dann die Notierungauf SE umstellen. Noch nicht ganz sicher bin ich mir darüber, ob die De-potbanken ihrer Depotkundschaft eine gesonderte Mitteilung über dieUmwandlung in die SE machen. Dies würde natürlich einen Aufwandverursachen, der durch den Rechtsformwechsel an sich nicht gerechtfer-tigt wäre.

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1.4 SE – grenzüberschreitende Verschmelzung –faktische Sitzverlegung

RA Dr. Thomas Bücker,Partner, Freshfields Bruckhaus Deringer

Vielen Dank meine Damen und Herren, vielen Dank Herr Dr. Leven. ImRahmen der Vorbereitung zu diesem Vortrag stieß ich auf eine Präsenta-tion, die ich vor etwa einem Jahr just an dieser Stelle gehalten habe,auch zum Thema SE. Damals hatte man als Referent den Eindruck, alsbegäbe man sich auf ein exotisches Terrain. Der Zuhörerkreis bestandaus ein paar interessierten Kollegen und man redete über Fälle wie dieBrenner-Basis-Tunnel-Gesellschaft oder ein finnisches Elektronikunter-nehmen. Das gestaltet sich in diesem Jahr doch etwas anders.

Die vergangenen zwölf Monate haben in punkto SE viel Neues gebracht.Insbesondere die Allianz-Transaktion – wir haben es heute Morgen ge-hört – hat der Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft eine ganzentscheidende Dynamik gegeben.

Aber es gab auch andere Entwicklungen im europäischen Rechtsrahmen:die Verschmelzungsrichtlinie ist jetzt verabschiedet und die Implementie-rungsphase hat begonnen. Bis Ende 2007 muss die grenzüberschreitendeVerschmelzung in die nationalen Rechtsordnungen umgesetzt sein.

Und es gibt eine weitere Ebene in der europäischen Rechtsentwicklung:der EuGH hat durch das Urteil in Sachen „Sevic Systems AG“, in dem dieHereinverschmelzung eines ausländischen Rechtsträgers auf der Grund-lage des Umwandlungsrechts zugelassen wurde, einen weiteren Meilen-stein gesetzt.

Diese drei Phänomene haben dazu geführt, dass sich das Thema des eu-ropäischen Gesellschaftsrechts seit dem letzten Vortrag vom Rand viel-leicht noch nicht ins Zentrum, aber doch etwas mehr in Richtung Mitteder Betrachtungen bewegt hat.

Diese drei Themen wollte ich heute gerne in diesem Vortrag zusammen-führen, ein Vortrag der also etwas über das eigentliche Thema SE hi-nausgeht und sich auch mit den anderen Perspektiven des europäischenGesellschaftsrechts befasst.

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Ich will zunächst einige Entwicklungslinien im europäischen Gesell-schaftsrecht aufzeigen, auf die Niederlassungsfreiheit und dann auf dieVerschmelzungsrichtlinie eingehen, also bewusst erstmals nicht auf dieSE, sondern erst gegen Ende fragen: Was bleibt unter diesen gegebenenUmständen für die SE eigentlich noch an Anwendungsbereichen undGestaltungsoptionen?

Beginnen wir mit den aktuellen Entwicklungslinien.

Man kann sie recht gut zusammenfassen mit den Begriffen: Konvergenz,Flexibilität und Mobilität. Konvergenz deshalb, weil sich durch die euro-päische Rechtsetzung die nationalen Rechtssysteme annähern, eine Har-monisierung stattfindet. Es gibt etliche Richtlinien und Verordnungen imBereich des Gesellschaftsrecht, die Sie sicherlich kennen: Publizitäts-richtlinie, Zweigniederlassungsrichtlinie, Kapitalmarktrichtlinie, Jahres-abschlussrichtlinie und Bilanzrechtsverordnung, die Richtlinie zur Ver-einheitlichung der Rechnungslegung. All diese Vorgaben haben über dieJahre dazu geführt, dass sich die Rechtssysteme angenähert haben. Es istin der Praxis unübersehbar, dass, wenn man mit Kollegen in ausländi-schen Büros oder mit Klienten im europäischen Ausland spricht, ein ge-wisses Grundverständnis darüber besteht, wie in Europa Gesellschafts-recht funktioniert. Das macht die Sache natürlich sehr viel einfacher. Dasist der eine Aspekt.

Den weiteren Aspekt würde ich unter dem Topos Flexibilität zusammen-fassen. Es gibt ein europäisches, sekundäres Gesellschaftsrecht, wo derGesetzgeber einen europäischen Rahmen schafft für die Rekombinationbzw. Reorganisation über die Grenze. Dazu gehört auch das Thema SE:die SE-Verordnung, die Möglichkeit sich zur SE zu verschmelzen, Unter-nehmen über die Grenze in eine SE einzubringen. Dazu gehört auch dieVerschmelzungsrichtlinie, die ich noch ansprechen will, also, die Mög-lichkeit, sich unter Nutzung der herkömmlichen Gesellschaftsformenüber die Grenze zu verschmelzen. Die Sitzverlegungsrichtlinie gehört e-benfalls dazu. Hier ist das Bemühen des europäischen Gesetzgebers zuerkennen, innerhalb Europas grenzüberschreitend Flexibilität und Mobi-lität zu schaffen.

Mobilität ist auch das Stichwort für die weitere Entwicklungslinie: DieEntscheidungspraxis des EuGH, der im Rückgriff auf die Primärfreihei-ten, auf das Primärrecht, nämlich den EG-Vertrag, seit einigen Jahrenzulässt, dass Gesellschaften auch faktisch über die Grenze wandern kön-nen, bzw. sich aus einem Mitgliedstaat heraus der Rechtsform eines an-deren Mitgliedstaats bedienen können. Auf der Grundlage dieser Recht-sprechung gibt es eine ganz eigenständige „Schiene“, die sich parallel zu

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dem Gesetzgebungsprozess entwickelt, und die ebenfalls zur Mobilisie-rung des Gesellschaftsrechts in Europa beiträgt.

Wenn man diese Entwicklungslinien zusammenfasst, könnte man die Si-tuation etwas plakativ mit dem Diktum der neuen Unübersichtlichkeitbezeichnen. Wenn man die sich bietenden Möglichkeiten übereinanderlegt, ergibt sich ein vielschichtiges Bild: Von der faktischen Sitzverle-gung auf Grund der EuGH-Rechtsprechung bis hin zu einer rechtlichenSitzverlegung, entweder aufgrund der SE-Verordnung oder, wenn Siedann umgesetzt ist, aufgrund der geplanten Sitzverlegungsrichtlinie. Ei-ne grenzüberschreitende Verschmelzung kann auf Grund des SE-Statutsoder der Verschmelzungsrichtlinie oder aber auf der Grundlage derEuGH-Rechtsprechung vollzogen werden. Es gibt mittlerweile hybrideRechtsformen, die nationale und ausländische Rechtsformen miteinanderverbinden, wie z.B. die Limited & Co. KG. Das heißt, wir haben es mit ei-nem Bündel an Möglichkeiten zu tun, sich innerhalb Europas über dieGrenzen zu organisieren und zu reorganisieren.

Ich möchte das nun etwas im Detail ausführen und dabei zunächst aufdie Niederlassungsfreiheit eingehen, also auf den Aspekt, den vor allemder EuGH geprägt hat. Das ist in gewisser Weise die Gegenthese zur SEund zur Regelungstechnik der SE. Wir haben heute Morgen gehört, dassdie SE mit der Norm-Pyramide, dieser Verweisungstechnik, ein sehrkomplexes Werk aus europäischem und nationalem Recht, Satzungsrege-lungen usw. ist. Hier hat der EuGH in sehr simpler Weise einen Gegenak-zent gesetzt, indem er schlichtweg entschieden hat, dass Gesellschaften,die in einem Mitgliedstaat gegründet worden sind, wenn sie ihren fakti-schen Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, durch die Rechtsord-nung dieses Mitgliedstaat, in dem sie dann ansässig sind, anerkanntwerden müssen

Der klassische Zuzugsfall ist der Fall „Überseering“, der von einer hol-ländischen B.V. handelt, die dort gegründet wurde und dann ihre fakti-sche Hauptverwaltung nach Deutschland verlegt hat. Das deutsche Rechthat diese Sitzverlegung herkömmlicher weise nicht anerkannt und derBGH hat der Gesellschaft die Rechtsfähigkeit abgesprochen. Auf Vorlagehat der EuGH entschieden, dass dies nicht zulässig ist, und dass dasdeutsche Recht eine solche hinzugezogene Gesellschaft als rechtsfähigesGebilde anerkennen muss.

Das Urteil „Inspire Art“ ging noch einen Schritt darüber hinaus, indemder EuGH festgestellt hat, dass es möglich sein muss, aus einem Mit-gliedstaat heraus – diskriminierungsfrei – die Rechtsform eines anderen

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Mitgliedstaats zu wählen, und zwar ohne dass man in diesem anderenMitgliedstaat präsent ist.

Bei der vorerst jüngsten Entscheidung des EuGH in diesem Kontext han-delt es sich um den Fall „Sevic Systems“, den ich schon angesprochenhatte. Sevic Systems war eine deutsche Gesellschaft, auf die eine Luxem-burger Gesellschaft verschmolzen werden sollte. Das Registergericht hatsich zunächst zögerlich verhalten. Die Sache wurde schließlich über dasLandgericht dem EuGH vorgelegt, und der EuGH hat auf die Vorlage hinfestgestellt, dass es gegen europäisches Primärrecht verstoße, wenn eineVerschmelzung über die Grenze in einen Mitgliedstaat hinein von diesemMitgliedstaat nicht anerkannt wird. Damit ist also die sogenannte Hin-einverschmelzung auf der Basis des nationalen Rechts anerkannt.

Durch die genannten Urteile hat der EuGH die gesellschaftsrechtlichenGrenzen in Europa eingerissen und den Wettbewerb zwischen denRechtsordnungen und den Gesellschaftsformen freigemacht. Eine GmbHmuss sich heute also grundsätzlich mit einer Limited messen, eine Limi-ted mit einer BV usw.

Hier in Deutschland hat dies zu einer gewissen Limited-Welle geführt,die nach wie vor anhält. Angeblich soll jede Dritte GmbH-Gründung eineLimited-Gründung sein. Es ist fraglich, wie verlässlich solche Zahlensind, aber ich glaube, dass es in Deutschland tatsächlich eine erheblicheAnzahl von Limited-Gründungen zu verzeichnen gibt. Es gibt professio-nelle Anbieter, wie z.B. www.tschüss-deutschland.de oder www.go-limited.de, die das mittlerweile recht günstig im Internet anbieten. Mankann hier eine Limited für 250 Euro im Wege eines „Rundum-Sorglos-Pakets“ erwerben und wenn man rd. 140 Euro mehr drauflegt, bekommtman sie sogar innerhalb von 24 Stunden. Das ist natürlich ein echtesSchnäppchen, wenn man überlegt, was eine GmbH-Gründung alleinedurch das Mindestkapital in Deutschland kostet.

Bislang wurde das überwiegend im Bereich des Handels, in der Bera-tungsbranche aber auch im Baugewerbe genutzt, interessanterweise mitSchwerpunkt in Ostdeutschland. Jedenfalls eher im Bereich des kleinerenGewerbes. Sehr stark war die Resonanz in der juristischen Literatur aufdiese Entwicklung. Es gibt eine große Zahl von Aufsätzen und Praxis-handbüchern, die sich mit diesem Phänomen beschäftigen, vor allem na-türlich mit den durchaus anspruchsvollen Rechtsfragen vom Register-recht bis zur Behandlung der Limited im Rechtsverkehr, der Organhaf-tung, dem Thema der Kapitalerhaltung, des Insolvenzrechts. Da stellensich viele interessante Fragen, die noch weitgehend ungeklärt sind.

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Schließlich kann man feststellen, dass durch den Wettbewerbsdruck auchnationale Reformprojekte, insbesondere in Spanien und in Frankreich,zur Vereinfachung des GmbH-Rechts auf den Weg gebracht worden sind.Auch in Deutschland wird viel darüber diskutiert, ob man die Anforde-rungen an die Gründung von Kapitalgesellschaften herabsetzen soll.

Ich will zwei Praxisfälle kurz vorstellen, die deutlich machen, dass wir esnicht nur in Randbereichen oder in Bereichen, wie ich sagte, des Klein-gewerbes, mit dieser Konstruktion zu tun haben, sondern durchaus auchim Bereich von großen Unternehmen. Auch bei signifikanten Projektenwird mittlerweile zu ausländischen Rechtsformen gegriffen.

Der erste Fall, den ich vorstellen möchte, ist der Fall „Air Berlin“. Ichmuss dazusagen, dass wir als Kanzlei in diesem Fall selbst beratend tätigsind, deswegen bitte ich um Nachsicht, dass ich nicht jedes Detail überHintergründe und Motive wiedergebe. Ich will es im Grunde dabei belas-sen, diesen Fall kurz vorzustellen, um damit zu dokumentieren, dass dieLimited in Deutschland mittlerweile auch in relevanteren Kontexten zumEinsatz kommt.

„Air Berlin“ war von der Ausgangslage her eine deutsche GmbH & Co.KG in einer klassischen Strukturierung. „Air Berlin“ wollte an die Börsegehen. Man hat sich überlegt, in welcher Rechtsform man das idealer-weise tut. Die GmbH & Co. KG ist kein börsenfähiges Vehikel. Man hatsich die Konkurrenz angeschaut und festgestellt, dass die unmittelbarenKonkurrenten alle börsennotierte Plcs waren. Man überlegte daher, obman nicht auch eine Plc nutzen könnte und zwar durchaus im Kontextder bestehenden Co. KG. Man kam dann auf den Gedanken, aus derGmbH & Co. KG schlichtweg eine Plc & Co. KG zu machen mit der Be-sonderheit allerdings, dass diese Plc. Ihren Verwaltungssitz nicht in Lon-don oder Birmingham hat, sondern in Berlin. Das zeigt, wie weit manhier mittlerweile fortgeschritten ist.

Das zweite Beispiel: auch hier sind wir wieder beratend tätig, also auchhier keine wirklichen Hintergründe, sondern abermals lediglich die Er-wähnung des Falls als Beleg für die Relevanz der neuen Möglichkeiten.Ausgangspunkt war das Joint Venture, das letztes Jahr zwischen Ber-telsmann, Gruner + Jahr und der Axel Springer AG im Bereich der Tief-druckaktivitäten gegründet wurde. Auch hier hat man nach einer geeig-neten Rechtsform gesucht, die bestimmten Anforderungen Rechnungtrug. Man ist dann wieder auf das Modell einer Personengesellschaft ge-kommen und hat sich dafür entschieden, eine Limited als Komplementäreinzusetzen. Es gab zwar Geschäftsaktivitäten in UK, die waren abernicht wirklich maßgeblich, sondern der Schwerpunkt lag ganz klar in

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Deutschland. Der Verwaltungssitz liegt auch in Hamburg und die Struk-tur ist ganz ähnlich wie bei Air Berlin. Wir haben eine englische Limited,als Komplementär, die Kommanditisten, und die Prinovis, so heißt diesesJoint Venture: Prinovis Ltd. & Co. KG.

Was ich damit nur sagen will, ist, dass es nicht mehr nur der kleineHandwerker um die Ecke ist, der sich für ausländische Rechtsformen ent-scheidet, sondern mittlerweile sind diese auch angekommen im Bereichetablierter und großer Unternehmen.

Gerade in internationalen Kontexten lohnt es durchaus, einmal darübernachzudenken, ob eine ausländische Rechtsform in Betracht kommt. Ichdenke vor allem an den Bereich der Private-Equity-Transaktionen, daspielen Vehikel, die man für die Akquisition oder für eine Mitarbeiter-Beteiligung einsetzt, oft eine wichtige Rolle. Diese Private-Equity-Strukturen sind immer mehrstufig über verschiedene Jurisdiktionen: oftHolland, oft Luxemburg, aber auch in England, also, da kann mandurchaus darüber nachdenken, auch ausländische Rechtsformen einzu-setzen.

Ich komme zum nächsten Thema meines europäischen Gesamtüberblicks:nämlich die Verschmelzungsrichtlinie. Diese ist im vergangenen Novem-ber in Kraft getreten ist und muss bis Ende 2007 in nationales Recht um-gesetzt werden. Wenn sie umgesetzt ist, ist es möglich, auf der Grundla-ge dieser Richtlinie über die Grenze unter Verwendung der hergebrach-ten nationalen Rechtsformen zu verschmelzen. Ich brauche mich alsonicht mehr, wie heute Morgen gehört, in eine SE umzuwandeln, sondernich kann eben AG auf Plc oder GmbH auf SA verschmelzen, genauso wiewir das auch vom nationalen Recht her kennen. Das Positive an dergrenzüberschreitenden Verschmelzung ist, dass sich das Verfahren imGrunde sehr stark an die Verfahrensschritte, die wir aus dem nationalenRecht kennen, anlehnt. Die nationalen Rechte sind harmonisiert. Daswird letztlich von der Verschmelzungsrichtlinie aufgegriffen, so dassman nicht auf ganz neue Strukturen, sondern, wie bei der SE auch, letzt-lich auf den vertrauten nationalen Baukasten zurückgreifen kann.

Sehen wir uns das einmal im Detail an. Zu einer solchen Verschmelzunggehören: Verschmelzungsplan, das entspricht dem deutschen nationalenVerschmelzungsvertrag; es muss eine Verschmelzungsprüfung stattfin-den; wir haben die Beschlussfassung in den jeweiligen Gesellschafterver-sammlungen; es schließt sich ein Registerverfahren an; es gibt Minder-heitenrechte und dann Anfechtungsmöglichkeiten und Spruchverfahren─ je nach nationaler Gesetzgebung. Aber im Grunde finden sich eben

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diese Elemente, die man hier aus dem deutschem Recht kennt, dort wie-der.

Die Frage der Mitbestimmung, die sich natürlich auch bei der Verschmel-zung in die nationale Rechtsform stellt, ist ganz ähnlich wie bei der SEgelöst. Wir haben heute Morgen schon gehört, wie das funktioniert. Aberdie Auffanglösung, die dann eintritt, wenn man sich nicht einigen kann,die ist insofern etwas weniger strikt ausgestaltet, als die Aufgreifschwel-le, bei der die Auffanglösung überhaupt eingreift, von 25% auf 33,3%der betroffenen Arbeitnehmer heraufgesetzt wurde, d.h. es müssen po-tenziell zunächst einmal mehr Arbeitnehmer überhaupt einem Mitbe-stimmungsstatut unterliegen. Die zweite Begrenzung, die die Verschmel-zungsrichtlinie im Unterschied zur SE vorsieht, ist, dass die nationalenUmsetzungsgesetze vorsehen können, dass die Mitbestimmung im One-Tier-Board-System auf eine Eindrittel-Parität begrenzt bleibt, dass heißt,man kann gegebenenfalls eine paritätische Mitbestimmung vermeiden.

Wenn wir uns ansehen wollen, wie so etwas in der Praxis umgesetztwerden könnte, bietet es sich an, auf den Klassiker, sozusagen auf dieMutter aller transnationalen Kombinationen zurückzugreifen und zuschauen, wie der Fall „Hoechst Rhône-Poulenc“ ablief. Dazu sehen wiruns zunächst an, wie die Ausgangsstruktur war. „Rhône-Poulenc“ und„Hoechst“ wollten ihre Aktivitäten, vor allem ihre Pharmaaktivitäten zu-sammenlegen. Wie hat man das umgesetzt? Weil es eine grenzüber-schreitende Verschmelzung nicht gab, hat man den Weg des Übernah-meangebots beschritten. Man hat von Frankreich aus ─ das hatte steuer-liche Hintergründe, das man es so herum gemacht hat ─ ein Übernahme-angebot an die Hoechst-Aktionäre gerichtet, die ihre Aktien in die „Rhô-ne-Poulenc SA“ eingebracht und dafür Aktien der „Rhône-Poulenc“ er-halten haben, also quasi einen Aktientausch. Was dann zu folgenderStruktur geführt hat: Durch die Einbringung der Aktien war letztlich dieHoechst AG, eine Tochtergesellschaft von „Rhône-Poulenc“ – nach Um-firmierung dann Aventis – geworden. Es entstand eine Art Mutter-Tochterstruktur mit einer gewissen Zahl außenstehender Hoechst-Aktionäre. Kürzlich erst ist nach einem langwierigen Verfahren derSqueeze-Out eingetragen worden.

Wir können uns nun ansehen, wie das Ganze als grenzüberschreitenderVerschmelzungsfall ausgesehen hätte. Zunächst einmal komplizierter!Auf diesem Schaubild stellen sich die Schritte zunächst einmal etwasverwirrend dar.

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Wir haben die einzelnen Elemente, hier den Verschmelzungsplan, diebeiden Unternehmen einigen sich auf die Konditionen der Verschmel-zung, insbesondere auf das Umtauschverhältnis. Das Umtauschverhältnismuss vom gerichtlich bestellten Prüfer geprüft werden. Dann gibt es dieHauptversammlung, bei der die Aktionäre dem Projekt zustimmen müs-sen. Das Barabfindungsangebot an widersprechende Aktionäre, hier inDeutschland erforderlich, sofern die Gesellschaft ihren Sitz über dieGrenze verlegt. Dann die Handelsregister, die involviert sind um das Ver-fahren zu prüfen und freizugeben. Aber: wenn der Prozess abgeschlossenist, hat man nachher eine sehr viel einfachere Struktur. Man hat alsGruppe die ausgeschiedenen Aktionäre, einen einheitlichen, verschmol-zenen Rechtsträger und einen einheitlichen Aktionärskreis.

Insofern kann die grenzüberschreitende Verschmelzung gegenüber denherkömmlichen Strukturen, wie Übernahmeangebot und Squeeze-Out,oder einer sogenannten „Dual Listed Company“ erhebliche Vorzüge bie-ten.

Jetzt komme ich zum abschließenden Teil, nämlich zu der Frage: Was isteigentlich mit der SE? Hat die SE vor dem Hintergrund der geschildertenMöglichkeiten überhaupt eine Zukunft? Ich glaube, die Antwort daraufmuss differenziert ausfallen:

Zunächst einmal in zeitlicher Hinsicht differenziert! Die Verschmel-zungsrichtlinie ist noch nicht umgesetzt, d.h. die grenzüberschreitendeVerschmelzung steht noch nicht zur Verfügung. Wenn sich Unternehmen

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Aktionäre Aktionäre

Hoechst AG

Handelsregister Prüfer Handelsregister

Barabfindungsangebotan widersprechende

AtkionäreZustimmung

Barabfindungsangebot an widersprechende

AktionäreZustimmung

Verschmelzungsplan(einschließlich

Umtauschverhältnis)

Verhandlung von Beteiligungsrechten

Freiga

be Freigabe

Prüfu ngund

Beric ht

Hoechst Rhône-Poulenc – Alternative: Verschmelzung

Rhône-Poulenc S.A.

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bis Ende 2007 auf der Basis eines klar strukturierten Prozesses über dieGrenze verschmelzen wollen, bleibt dafür zunächst nur die SE. Die SEwird insoweit auf jeden Fall noch eine Rolle spielen bis die Verschmel-zungsrichtlinie umgesetzt ist.

Nach Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie erscheint es wahrschein-lich, dass die SE in den Hintergrund tritt und Unternehmen, die einegrenzüberschreitende Verschmelzung anstreben, doch stärker auf die na-tionalen Rechtsformen zugreifen werden.

Der zweite Bereich ist die Sitzverlegung. Derzeit kann man lediglich inForm der SE über die Grenze migrieren. Wenn dann künftig die Sitzver-legungsrichtlinie in Kraft gesetzt und in nationales Recht implementiertist, dann wird es auch möglich sein, mit einer nationalen Rechtsformüber die Grenze zu gehen. Auch in diesem Bereich wird die SE daher ei-nen gewissen Bedeutungsverlust erleiden.

Der dritte Aspekt, den man beachten muss, ist, dass die SE, wie allegrenzüberschreitenden gesetzlichen Kombinationsmöglichkeiten, immerin Konkurrenz zu der vorhin angesprochenen, vom EuGH etablierten ge-sellschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit steht. Bereits jetzt ist esnach der EuGH-Rechtsprechung möglich, über die Grenze zu verschmel-zen, und ich denke, dass je nach Situation, die Unternehmen auch in Zu-kunft diesen Weg gehen werden, z.B. innerhalb von Konzernverhältnis-sen, wenn auf beiden Seiten eine 100%-Beteiligung besteht.

Die Prognose für die SE ist also nicht überwältigend positiv, einfach weilzu viele andere Möglichkeiten bestehen, die Ziele, die man über die SEerreichen kann, anderweitig zu erreichen.

Was bleibt, ist meines Erachtens noch der Bereich der sogenannten SoftFactors. Also dort, wo es nicht primär nur darum geht, eine grenzüber-schreitende Transaktion durchzuführen, sondern wenn man etwas subti-lere Fragestellungen hat, wie z.B. die sogenannten „Flag Issues“, d.h.Fragen der nationalen Befindlichkeiten. Beispiel: Zwei Unternehmen tunsich zusammen und keines will seinen Status, seinen Sitz aufgeben. Hierlassen sich über die SE Kompromisslösungen finden, z.B. eine Ver-schmelzung mit einem übernehmenden Rechtsträger, der dann aber diesupranationale Form der SE annimmt.

Auch der positive, europäische Marktauftritt kann nachhaltig ein Motivfür die SE sein. Viele Unternehmen erwägen die SE tatsächlich deshalb,weil sie sich einen gewissen Profilierungseffekt versprechen. Das war beider Allianz z.B. sicher nicht das treibende Motiv, aber man hat dies alspositiven Effekt mitgenommen. Für Unternehmen, vor allem in Jurisdik-

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tionen außerhalb der EU-Kernstaaten, kann die Rechtsform der SE dazudienen, ein europäisches Profil aufzubauen – nach außen wie nach in-nen, Stichwort: Europäischer Marktauftritt, Europäische Corporate Iden-tity.

Corporate Governance ist sicherlich auch ein Thema. Die Wahlfreiheitzwischen One-tier board und Two-tier board bietet Gestaltungsmöglich-keiten, die für das eine oder andere Unternehmen interessant sein kön-nen.

Letztlich noch ein Klassiker in der Begründung für die Wahl einer SE: dieeinheitliche europaweite Ausgestaltung eines SE-Konzerns, d.h. einheitli-che Firmierung, einheitliches Board-System, einheitliche Administration,einheitlicher Marktauftritt.

Ich komme damit zu einem Schlussresümee des Vortrags:

Der Rechtsrahmen für die Konsolidierung innerhalb Europas gewinnt zu-nehmend an Kontur, sowohl durch die Rechtsprechung des EuGH alsauch durch die europäische Gesetzgebung und deren nationale Umset-zung. Aber eben auch durch Vorreiterfälle wie das Beispiel Allianz, diezeigen, dass auch grenzüberschreitende Strukturmaßnahmen im großenMaßstab erfolgreich umgesetzt werden können.

Der Konsolidierungsdruck innerhalb der Europäischen Gemeinschaft istvorhanden. Die Übernahme- und Fusionsaktivitäten werden an den nati-onalen Grenzen nicht Halt machen. Durch das Nebeneinander der Gestal-tungsformen gibt es hier künftig eine breite Palette an Möglichkeiten,um maßgeschneiderte Konzepte anzubieten, unter den Aspekten „Kos-ten“, „Zeit“, „Transaktionssicherheit“, je nachdem, welche Prioritäten diekonkrete Transaktion verlangt.

Was die SE angeht, so wird sie im harten Wettbewerb mit den nationalenRechtsformen und alternativen Reorganisationsmöglichkeiten stehen.Gleichwohl wird die SE für politisch sensitive Vorgänge das Vehikel derWahl bleiben. Ich bin davon überzeugt: wenn sich zwei wirkliche „BigPlayer“ auf europäischer Ebene zusammen tun, dann wird die SE ganzoben auf der Liste der möglichen Gestaltungsoptionen stehen.

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1.5 Aktuelle Steuerfragen

RA Dr. Michael Brück2,Manager Tax, KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AGWirtschaftsprüfungsgesellschaft

Prof. Dr. Martin Wenz,Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Internati-onales und Liechtensteinisches Steuerrecht, Institut für Fi-nanzdienstleistungen, Hochschule Liechtenstein

Dr. Michael Brück

Meine Damen und Herren, zuerst einmal guten Tag von unserer Seite. Esist schon in der Vorstellung angeklungen, wir beide waren Kollegen beider KPMG in Frankfurt a.M. Herr Professor Wenz hat sich dann aller-dings mehr für die akademische Laufbahn entschieden. Nichtsdestotrotzstehen wir in einem ständigen Austausch, der sich auch schon in mehre-ren Vortragsveranstaltungen manifestiert hat, die wir zusammen bestrit-ten haben. Wir haben uns dementsprechend auch im vorliegenden Fallentschlossen, dieses Thema gemeinsam anzugehen, auch weil wir zweiunterschiedliche Blickwinkel in mehrfacher Hinsicht mit- und einbringenkönnen und möchten. Der eine Jurist, der andere Betriebswirt, pardonumgekehrt, oder der eine in einem EWR/EFTA-Staat ansässig, der anderein einem EU-Mitgliedstaat. Das sorgt schon für viel Diskussionsstoff.

Nun das SEStEG soll eigentlich im Mittelpunkt unseres Vortrages stehen.Das große Problem ist nur, dass es leider immer noch mehr einem Blickin die Kristallkugel gleichkommt. Wir hätten uns sehr gewünscht, dassder endgültige Referentenentwurf bis zu diesem Termin vorliegt. DasBMF hat uns diesen Gefallen leider nicht getan. Ich werde gleich nochauf den weiteren Zeitplan, wie er auch vom BMF dargestellt wird, einge-hen, aber leider, wie gesagt, ist erst in den nächsten Wochen mit demEntwurf zu rechnen.

Wir haben uns das Thema wie folgt aufgeteilt: Herr Professor Wenz wirdIhnen zuerst die Ausgangssituation schildern, dann das Steuerrecht der

2 Seit November 2006 ist Prof. Brück Inhaber des Lehrstuhls für BürgerlichesRecht, Handels-, Wirtschafts- und Steuerrecht an der Heilbronner BusinessSchool.

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SE vorstellen und dabei insbesondere auf die steuerliche Fusionsrichtli-nie und ihre Vorgaben eingehen. Ich übernehme dann den Part, Ihnendie nationale Umsetzung durch das SEStEG darzustellen, vor allen Din-gen die Besteuerung bei Gründung der SE und die Konsequenzen für dielaufende Besteuerung, die allerdings nicht so weitgehend sind. Herr Pro-fessor Wenz wird dann noch die Konsequenzen für die Sitzverlegungund einige Gedanken zur Internationalen Steuerplanung aufzeigen.

Prof. Dr. Martin Wenz

Nun, schauen wir uns die aktuelle steuerliche Situation der Unternehmenin Europa an. Europa wächst zusammen und dehnt sich in alle Himmels-richtungen immer mehr aus. Wir beobachten eine wirtschaftliche, einegesellschaftsrechtliche Integration, sei es über die grenzüberschreitendeVerschmelzungsrichtlinie, die, wie gerade dargestellt, die SE angeblichbald ad absurdum, wovon ich allerdings ganz und gar nicht ausgehe,zumindest aber nationale Rechtsformen in die Nähe der SE führen wird,sei es über die Europäische Aktiengesellschaft. Sollte die Verschmel-zungsrichtlinie im Vergleich zur SE in den Vordergrund treten – umhierauf zumindest kurz einzugehen –, würde sich an den Fragestellungensowie insbesondere den Lösungen relativ wenig ändern, weil das Verfah-ren der Verschmelzungsrichtlinie das der SE ist, kurz gesagt, grenzüber-schreitendes europäisches Gesellschaftsrecht SE-Recht ist.

Wir sehen also Europa zusammenwachsen. Das Problem ist aber, dassdas alles nur für die wirtschaftliche Integration und beispielsweise auchfür das Gesellschaftsrecht gilt, mitnichten aber für das Steuerrecht. Fürdas Steuerrecht sehen wir uns jeden Staat individuell an und habeneigentlich ganz wenige Instrumente wie beispielsweise die bi- oder mul-tilateralen Doppelbesteuerungsabkommen und ein paar EU-Richtlinien,die uns ein bisschen helfen, den jeweiligen Grenzübertritt eines Unter-nehmens besser zu regeln, die mehrfachen nationalen Steueransprücheund Steuersysteme zu synchronisieren und damit auch zu „verkraften“.

Darüber hinaus sind es aus europäischer Sicht im Detail ganz grundle-gende Dinge ─ insoweit hätte man den Vortrag auch Ende der 50er Jahrehalten können ─ nämlich die Ziele des EG-Vertrages, der gemeinsameMarkt, später dann der Binnenmarkt, das allgemeine Diskriminierungs-verbot, die speziellen Grundfreiheiten und das Beihilfeverbot, die aussteuerlicher Sicht von Bedeutung sind. Regelungen also, die wir seitJahrzehnten kennen und die sozusagen das Standardprogramm Europasbei grenzüberschreitenden Fragestellungen aller Art darstellen. BeimSteuerrecht sind wir immer noch auf diesem Stand, da sich seither nichtsehr viel getan hat. Das gleiche gilt für die EWR/EFTA-Staaten, also die

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drei EFTA-Staaten, die auch im Europäischen Wirtschaftsraum, sprich imEuropäischen Binnenmarkt dabei sind, nämlich Island, Norwegen undLiechtenstein. Für die Schweiz gilt dies im Grunde genommen auch,nämlich über die bilateralen Verträge, die sog. Bilateralen I und II, alsauch über das schon etwas ältere Freihandelsabkommen aus dem Jahre1972. Insofern haben wir zwar eine ganzheitlich europäische Situation,im steuerlichen Bereich ist allerdings noch nicht so viel passiert.

Ein paar zusätzliche Hilfskonstruktionen gibt es natürlich schon, dieMutter-Tochter-Richtlinie beispielsweise, die steuerliche Fusions- und dieZinsen-Lizenzen-Richtlinie. Die Fusionsrichtlinie sehen wir uns gleichnoch ein bisschen näher an, wenngleich sie eigentlich mehr eine Konkre-tisierung dessen darstellt, was wir auch unmittelbar aus dem EG-Vertragund dem EWR-Abkommen herauslesen könnten.

Fazit: Wir haben kein europäisches Steuerregime und schon gar keinesspeziell für die SE. Dies folgt auch aus einer Studie von Deloitte aus demJahr 2004, die im Auftrag der Europäischen Kommission erstellt wurde.Sie hat in zutreffender Weise bestätigt, dass ein europäisches Steuerre-gime speziell für die SE nicht anzustreben ist, weil wir andernfalls in ei-ne Beihilfenproblematik hereinkommen und das Ganze zu einer Rechts-formdiskriminierung führen würde, die europarechtlich nicht gedeckt ist.

Nun, was müssen wir uns näher ansehen, um uns der Themenstellungweiter anzunähern: Die relevanten Besteuerungsebenen, die wir uns indiesem Zusammenhang immer ansehen, nämlich die SE-Gründungs-gesellschaften, die SE und deren neue und alte Gesellschafter, zudem dasnationale und das internationale Steuerrecht sowie Fragen der persönli-chen und sachlichen Steuerpflicht. All das sind keine neuen Fragestel-lungen, nur eben in einem neuen Zusammenhang gestellt, im Zusam-menhang mit der SE. Das Gesellschaftsrecht gibt uns die Vorgaben, waszu regeln ist, worauf es ankommt, nämlich die Fragen nach der grenz-überschreitenden Flexibilität und Mobilität der SE, die im Mittelpunktdieser neuen Rechtsform stehen. Zu regeln sind die grenzüberschreitendeGründung entsprechend den unterschiedlichen Formen, die wir heuteVormittag alle kennen gelernt haben, Fragen der laufenden Besteuerungund insbesondere die grenzüberschreitende Sitzverlegung. Bei der Grün-dung und Sitzverlegung im grenzüberschreitenden Bereich ist klar, wor-um es geht. Es geht einerseits um Steuerneutralität, nämlich dass dieseVorgänge möglichst steuerneutral stattfinden sollen und nicht mit einerzusätzlichen Besteuerung einhergehen. Man möchte mit der Umstruktu-rierung, mit der Sitzverlegung oder der Gründung einer SE sozusagennicht auch noch steuerlich zur Kasse gebeten werden und dementspre-chend steuerlich induzierte Transaktionskosten vermeiden, so wie wir es

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auch aus dem Anwendungsbereich des nationalen Steuerrechts kennen.Aus Sicht der Mitgliedstaaten geht es dagegen um die Sicherung des inihrem Hoheitsgebiet gebildeten Steuersubstrats und damit auch der Steu-ereinnahmen.

Sehen wir uns das für die steuerliche Fusionsrichtlinie, die im Zentrumdes Interesses steht, konkret an. Wir sehen im Grunde – wie bereits ange-sprochen – die Fusionsrichtlinie eigentlich mehr oder weniger als Aus-formulierung dessen, was in den europarechtlichen Grundfreiheiten be-reits seit Jahrzehnten formuliert worden ist. Insofern ist es ein Thema,das sehr grundlegend anzugehen ist. Die Fusionsrichtlinie formuliert daskonkret aus. Das Ziel der Fusionsrichtlinie für die Gründung, insbeson-dere was die grenzüberschreitende Fusion und die grenzüberschreitendeSitzverlegung betrifft, ist Steuerneutralität auch und speziell in diesengrenzüberschreitenden Sachverhalten sicherzustellen. Wie soll das funk-tionieren? Indem die stillen Reserven in Bezug auf die Wertsteigerungvon Vermögen bei einem Grenzübertritt, bei einer Hinausverschmelzungoder bei einer Sitzverlegung ins Ausland nicht offen gelegt und geradenicht besteuert werden.

8© 2006 Dr. Michael J.J. Brück, LL.M. – Prof. Dr. Martin Wenz

• Steuerliche Fusions-Richtlinie: 90/434/EWG – 2005/19/EG (2)� Konzeption I: Keine Besteuerung des Aktiv- und Passivvermögens

der einbringenden Gesellschaft, das nach Umstrukturierung tat-sächlich einer Betriebsstätte im Mitgliedsstaat der einbringenden Gesellschaft zugerechnet wird, zum steuerlichen Ergebnis dieser Betriebsstätte zählt und zu Buchwerten fortgeführt wird: Art. 4 Abs. 1 Fusions-Richtlinie

� Konzeption II: Keine Besteuerung des Aktiv- und Passivvermö-gens, das vor der grenzüberschreitenden Umstrukturierung zu einer EU-Betriebsstätte gehörte, deren Ergebnis kraft DBA freistellt ist: Art. 10 Abs. 1 Fusions-Richtlinie

� Konzeption III: Keine Besteuerung des Aktiv- und Passivvermö-gens, das vor der grenzüberschreitenden Umstrukturierung zu einer EU-Betriebsstätte gehörte, deren Ergebnis besteuert wird (Anrechnung der fiktiven Gewinnbesteuerung des Betriebsstätten-staates): Art. 10 Abs. 2 Fusions-Richtlinie

B. Steuerrecht der SENationales, internationales und europäisches Steuerregime (4)

Die Konzeption sieht nicht so aus, ist aber relativ einfach und besteht imWesentlichen aus zwei Punkten: Auf Gesellschaftsebene, also auf Ebeneder beteiligten Gesellschaften, seien es die SE-Gründungsgesellschaftenoder die SE, geht es bei einer Sitzverlegung oder bei einer (weiteren) Ver-schmelzung darum, dass in dem Staat, den man verlässt, eine Betriebs-stätte verbleiben muss, sprich das Besteuerungsrecht in Bezug auf das

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dieser Betriebsstätte weiterhin zuzurechnende nationale Steuersubstratsichergestellt wird. Dann kann Steuerneutralität gewährleistet werden, sodie zugrunde liegende Konzeption, da der Herausverschmelzungs- oderWegzugsstaat keine Schlechterstellung erfährt. Die Konzeptionen zweiund drei, die Sie hier ebenfalls abgebildet finden, beziehen sich nur aufdas Vorliegen von Betriebsstätten in Drittstaaten.

Was passiert darüber hinaus mit dieser Betriebsstätte? Im Vorfeld gebil-dete Rückstellungen, Rücklagen oder auch Verlustvorträge können undwerden grundsätzlich in dieser Betriebsstätte fortgeführt, wie auch beieiner Tochtergesellschaft. Ich sage deshalb `grundsätzlich´, weil wir unsgleich damit befassen werden, wo das gerade nicht der Fall ist, jedenfallswenn wir uns die bislang bekannten Überlegungen des Gesetzgebers an-sehen.

Die letzte Konzeption, Konzeption 6: Keine Besteuerung auf Ebene derGesellschafter. Auch hierbei kann es darum gehen, dass die Nationalstaa-ten Steuersubstrat verlieren. Die Fusionsrichtlinie knüpft hier ganz ähn-lich an. Was passiert hier? Die Gesellschafter werden mit ihren in denAnteilen sich befindenden stillen Reserven nicht besteuert, wenn die Ge-sellschafter die „Buchwerte“, die sie haben, auf ihrer Ebene fortführen.Wie das konkret funktioniert, auch dazu im Einzelnen gleich mehr.

Interessant sind abschließend noch die Fristen zur Umsetzung der steuer-lichen Fusionsrichtlinie. Das bringt einen auf ein generelles, europa-rechtliches um nicht zu sagen individuell-menschliches Problem zurück,

9© 2006 Dr. Michael J.J. Brück, LL.M. – Prof. Dr. Martin Wenz

• Steuerliche Fusions-Richtlinie: 90/434/EWG – 2005/19/EG (3)� Konzeption IV: Rückstellungen und Rücklagen der einbringenden

Gesellschaft werden auf die im Mitgliedsstaat der einbringenden Gesellschaft verbleibende Betriebstätte übertragen und dort fortgeführt: Art. 5 Fusions-Richtlinie

� Konzeption V: Verlustvor- und Verlustrücktrag werden auf die im Mitgliedsstaat der einbringenden Gesellschaft verbleibende Betriebsstätte übertragen und dort gewährt, sofern dies auch national so erfolgt: Art. 6 Fusions-Richtlinie

� Konzeption VI: Keine Besteuerung auf Ebene der Gesellschafterinfolge grenzüberschreitender Umstrukturierung, falls die Anteile zu Buchwerten fortgeführt werden: Art. 8 Fusions-Richtlinie

� Fristen zur UmsetzungFusions-Richtlinie: 01.01.1992

Änderungs-Richtlinie zur Fusions-Richtlinie: 01.01.2006/01.01.2007

B. Steuerrecht der SENationales, internationales und europäisches Steuerregime (5)

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nämlich die Notwendigkeit, in fast all diesen Frage- und Problemstellun-gen nicht zu früh einzusteigen, da man sonst meistens das Ende nichtmehr aktiv miterlebt. Sehen wir uns die steuerliche Fusionsrichtlinie an,die aus dem Jahre 1990 stammt und bis 1992 hätte vollständig umge-setzt werden müssen, was in Bezug auf die grenzüberschreitende Ver-schmelzung allerdings immer noch aussteht und auch auf Seiten der Eu-ropäischen Kommission scheinbar immer noch nicht zu Unbehagen ge-führt hat; das erstaunt um so mehr, als man dort bekanntermaßen ja vielweitergehende Pläne einer gemeinsamen europäischen Steuerbemes-sungsgrundlage für grenzüberschreitend operierende Konzerne verfolgt.Die Änderungsrichtlinie zur steuerlichen Fusionsrichtlinie ist ein biss-chen neuer, sie stammt aus dem Jahr 2005 und hätte – insofern sind wirin Deutschland bereits erneut in Verzug – bis zum 01.01.2006 durch dasangedachte SE-Steuereinführungsgesetz umgesetzt werden sollen, spä-testens ─ was einen Teil der Bestimmungen anbetrifft ─ aber bis zum01.01.2007, was bis dato ebenfalls nicht erfolgt ist. In Bezug auf diesteuerliche Fusionsrichtlinie ist man im Ergebnis also deutlich über 10Jahre in der Umsetzung zurück, weshalb es insofern allerhöchste Zeitwird, dass dies nun endlich erfolgt. Wie das Ganze möglicherweise erfol-gen soll, zeigt Ihnen im Einzelnen nun Dr. Brück.

Dr. Michael Brück

Vielen Dank! Also, sprechen wir über das SEStEG, das Gesetz über steu-erliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der europäischen Gesellschaftund zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften. Ich hatte verspro-chen, Ihnen einen Überblick über den zeitlichen Ablauf zu geben. MitteApril ist der Termin, der uns vom BMF für die Vorlage des angeschnitte-nen Referentenentwurfs avisiert wurde. Dann wird sich im April auchgleich noch die Verbandsanhörung anschließen. Im Mai/Juni etwa solldann die Kabinettsvorlage erfolgen und man hofft auf den Abschluss desGesetzgebungsverfahrens im Herbst 2006, so dass zumindest große Teilezum 1.1.2007 in Kraft treten können. Teilweise soll eine Rückwirkungerfolgen und zwar immer dann, wenn es um Privilegierungen geht. Pri-vilegierungen sollen den Steuerpflichtigen schon ab dem 1.1.2006 zurVerfügung stehen.

Erlauben Sie mir hier noch einen Hinweis. Die Sitzverlegung müsstenach den europarechtlichen Vorgaben aus der Fusionsrichtlinie eigent-lich schon geregelt sein. Auf diesen Teil der Fusionsrichtlinie kann mansich wahrscheinlich jetzt schon direkt berufen, da der deutsche Gesetzge-ber die Umsetzungsfrist, den 1.1.2006, nicht eingehalten hat.

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Auf das SEStEG jetzt etwas näher einzugehen, werden wir nur aus-schnittsweise tun können, da das SEStEG ein sehr umfängliches Werk ist.Wir könnten diesen ganzen Tag heute nur mit diesem Thema bestreiten.Ich werde versuchen, mich in den nächsten Minuten auf die wichtigstenPunkte im Zusammenhang mit der SE zu beschränken.

Was der Gesetzgeber hier versucht hat, ist eine Anpassung der nationa-len steuerlichen Vorschriften, die sich aus den Vorgaben des EU-Rechts,der EU-Fusions- und Verschmelzungsrichtlinie, der SE-Verordnung undinsbesondere der EuGH-Rechtsprechung ergeben. Der Fall Sevic ist vor-hin schon angesprochen worden. Der Fall Sevic soll auch hier Berück-sichtigung finden. Das Ganze steht auch, das muss man vielleicht nocherläutern, in Zusammenhang mit der Neufassung des Umwandlungsge-setzes. Das Umwandlungssteuergesetz wird hier nicht isoliert bearbeitet,sondern der Entwurf zur Änderung des Umwandlungsgesetzes infolgeder Vorgaben durch die Verschmelzungsrichtlinie liegt auch schon vor.Ein entsprechender Entwurf ist vom Bundesjustizministerium schon vor-gelegt worden. Aber da waren bestimmte Abstimmungen zwischen Um-wandlungsgesetz, Entwurf- und Umwandlungssteuergesetzentwurf na-türlich vonnöten.

Was ist nun die Zielsetzung des SEStEG? Professor von Rosen hat ein-gangs gesagt, dass eine Balance zu finden ist, zwischen den Interessendes nationalen Fiskus auf der einen Seite und den Interessen der Unter-nehmen auf der anderen Seite. Aber, wenn wir uns die bisher bekanntenTeile zumindest des SEStEG ansehen ─ da gab es einen Entwurf aus demSeptember, der allerdings nie wirklich als Referentenentwurf veröffent-licht wurde, aus dem kann man so einiges entnehmen. Man muss fest-stellen, dass es vor allen Dingen um die Wahrung des deutschen Be-steuerungsrechts geht. Das steht mit Sicherheit im Vordergrund. DieWahrung des deutschen Besteuerungsrechts ist das Hauptanliegen diesesGesetzes. Natürlich müssen auch die Vorgaben der EU-Fusionsrichtliniebeachtet werden, aber der erste Entwurf lies schon vermuten, dass daseine Vorgabe ist, die man in Einzelregelungen gerne auch mal etwas ausdem Auge verliert. Dementsprechend gab es auch massive Kritik an die-sem „nicht veröffentlichten“ Entwurf, den dann doch jeder Berater in derTasche hatte. Ein Ergebnis dieser Kritik war die Tatsache, dass er letztenEndes noch einmal im BMF kräftig überarbeitet wurde. Diese Überarbei-tung kennen wir nicht. Deswegen muss ich Ihnen auch sagen, dass das,was ich Ihnen gleich noch an konkreten Regelungen vorstellen werde,zum Teil auf Erkenntnisse zurückzuführen ist, die aus Seminarveranstal-tungen, Aussagen von Mitarbeitern aus dem BMF und ähnlichem ge-wonnen wurden.

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Ein weiterer Punkt, der hier Erwähnung finden soll, ist der Versuch, mitdiesem SEStEG einen großen Wurf zu landen. Es sollte zu einer Globali-sierung des Umwandlungssteuergesetzes kommen, indem einheitlicheRechtsgrundsätze für alle inländischen und grenzüberschreitenden Um-strukturierungen geschaffen werden sollten. Das Problem ist, dass dieserAspekt in der Diskussion zwischen den Vertretern des BMF und der Län-der mittlerweile zerrieben wurde. Wir gehen jetzt davon aus, dass dieseGlobalisierung, sprich die gleiche Anwendung der Grundsätze, die ichIhnen gleich vorstelle, auch auf Fälle mit Drittstaaten nicht kommenwird. Das ist zumindest die Aussage der meisten Vertreter aus dem BMFoder auch aus den Ländern, die wir getroffen haben. Da wird man sichwahrscheinlich nicht durchringen können. Das ganze ist als „brüllenderTiger“ gestartet und als Bettvorleger wird es jetzt wahrscheinlich enden.

Ein wichtiger Punkt ist auch die Einführung von allgemeinen Entstri-ckungstatbeständen. Da gehen wir jetzt schon tiefer in die Thematik hin-ein. Dass allgemeine Entstrickungstatbestände im Einkommensteuerge-setz und im Körperschaftssteuergesetz geregelt werden sollen, ist einprägender, wichtiger Umstand, denn einen allgemeinen Entstrickungstat-bestand kannten wir bisher nicht. Wir finden jetzt allgemeine Entstri-ckungstatbestände an drei Stellen: in dem Entwurf eines neuen § 4 Abs.1 EStG für Entnahmen, im § 17 Abs. 5 EStG für maßgebliche Beteiligun-gen und im § 12 KStG die Fälle für die Schlussbesteuerung bei Wegzugs-fällen.

Eine Entstrickung bedeutet in der Regel „Rechtsträgerwechsel durch Ein-zel- und Gesamtrechtsnachfolge“, d.h. die Wirtschaftsgüter werden demdeutschen Besteuerungszugriff entzogen. In diesen Fällen soll dieser all-gemeine Entstrickungstatbestand jeweils greifen. Erfasst werden dabeiauch grenzüberschreitende Nutzungs- und Leistungsentnahmen. Umge-kehrt bedeutet das auch, Nutzungs- und Gebrauchsüberlassung werdendemnächst als Einlagen erfasst. Wichtig ist, und das ist wirklich eine un-glaubliche Neuerung, dass der Wertansatz demnächst nicht mehr dergemeine Wert sein wird, sondern wir werden jetzt mit dem Fremdver-gleichspreis arbeiten, den wir bisher aus dem § 1 AStG kennen. Das isteine Neuerung und dementsprechend, das legt auch diese Änderung imWertansatz nahe, gibt es auch gleichzeitig die Aufgabe der Maßgeblich-keit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Zumindest in diesen Fällendes Umwandlungssteuerrechts. Sie sehen, es ist schon eine kleine Revo-lution. Wir werden uns hier erheblich umstellen und zum Teil auch um-lernen müssen.

Ein weiteres Problem dieser Entstrickung, zumindest in den Fällen, indenen wir über die Fusionsrichtlinie reden, ist, dass Steuerneutralität ge-

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fordert ist. Wie soll die Steuerneutralität in das nationale Recht umge-setzt werden? Steuerneutralität heißt nicht Steuerfreiheit, das muss manganz klipp und klar sagen, das heißt nur aufgeschobene Besteuerung. DieKonsequenz, die der deutsche Gesetzgeber insbesondere aus dem EuGH-Fall „Lasteyrie du Saillant“ gezogen hat, ist, dass man sich auf die Steu-erstundung versteift hat. Das ist allerdings in Absprache auch mit derEuropäischen Kommission erfolgt. Bei „Lasteyrie du Saillant“ handelt essich um den Fall, dass natürliche Personen aus Frankreich nach Belgiengezogen sind und eine dem § 6 AStG ähnliche Regelung in Frankreichgriff und die stillen Reserven in einer Beteiligung zu versteuern waren.Da Deutschland mit dem § 6.1 AStG eine sehr ähnliche Regelung hatte,gab es ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik. AlsErgebnis dieses Vertragsverletzungsverfahrens stand dann die Tatsache,dass man jetzt nach einem BMF-Schreiben den Steuerpflichtigen eineSteuerstundung gewährt. Dieses Prinzip wird auch hier übernommen. DieSteuerstundung als Verwirklichung des Anspruchs auf Steuerneutralität.

So jetzt möchte ich eingehen auf die konkreten Fälle der SE und zwar diesteuerliche Behandlung insbesondere auch der Verschmelzung. Bei derVerschmelzung – ich versteife mich jetzt einmal aus Zeitgründen auf denFall der Hinausverschmelzung – sieht es so aus, dass wir in dem neuen§ 1 Abs. 1a des UmwStG-E als Ausfluss des Falls Sevic diese Ausdeh-nung sehen, dass grenzüberschreitende Verschmelzungen hier miterfasstwerden.

Im Grundsatz passiert jetzt folgendes: es kommt zur Aufdeckung der stil-len Reserven. So wird es dieser neue § 11 Abs. 1 UmwStG vorsehen. Essoll dann allerdings eine Ausnahme von dieser Aufdeckung der stillenReserven geben. Auf Antrag können die Buchwerte eingesetzt und damiteine Aufdeckung der stillen Reserven vermieden werden, wenn folgendeVoraussetzungen erfüllt sind. Wichtig ist, dass sichergestellt wird, dassdie übergehenden Wirtschaftsgüter später noch einer Besteuerung mitKörperschaftssteuer unterliegen, und als zweite Voraussetzung, dass dasdeutsche Besteuerungsrecht auch bei der übernehmenden SE, z.B. durchein Doppelbesteuerungsabkommen, nicht eingeschränkt wird. Die letzteVoraussetzung ist, dass keine Gegenleistung über die Gewährung vonGesellschaftsrechten hinaus erbracht werden darf. Wenn diese Vorausset-zungen erfüllt sind, dann, wie gesagt, soll es zum Ansatz des Buchwertesund keiner Aufdeckung der stillen Reserven kommen.

Ein weiterer Gründungsfall ist die Gründung der Holding-SE. Bei derHolding-SE wird es so aussehen, dass die einzubringenden Anteile anden Gründungsgesellschaften zunächst einmal mit dem gemeinen Wertanzusetzen sind. Aber auch hier gibt es zu diesem Ansatz des gemeinen

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Werts auf Antrag eine Ausnahme. Auf Antrag soll der Buchwert anzuset-zen sein und damit eine Aufdeckung stiller Reserven vermieden werden,wenn die Holding-SE nach der Einbringung der Anteile die Mehrheit derStimmrechte hält und keine Gegenleistung gewährt wird. Wichtig ist indiesem Zusammenhang noch der Hinweis, dass, wenn eine Veräußerungzu einem späteren Zeitpunkt erfolgt, auch – Sie müssen sich vorstellen,dass diese Holding-SE ihren Sitz nicht unbedingt in Deutschland habenmuss – die deutschen Steuerbehörden den Veräußerungsgewinn besteu-ern können und das womöglich gegen die Regelung des eigentlich an-wendbaren Doppelbesteuerungs-Abkommens. Das ist ein „treaty overri-de“, der aber mit einem Verweis auf Art. 8 Abs. 6 der EU-Fusionsrichtlinie gerechtfertigt wird.

Dann haben wir noch den Fall der Gründung einer Tochter-SE. Bei derTochter-SE sieht es so aus, dass die stillen Reserven grundsätzlich bei derEinbringung von Wirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 6 des EStG aufzude-cken und damit zu versteuern wären. Eine Ausnahme wird nur dann ge-macht, wenn es sich um einen Betrieb oder Teilbetrieb handelt, der aufdie Tochter-SE übertragen wird. Dann soll es unter den hier aufgeführtenVoraussetzungen möglich sein, die Buchwerte anzusetzen. Das sind Vor-aussetzungen, die nicht ganz einfach zu verstehen sind. So dürfen diePassivkosten des eingebrachten Betriebsvermögens – ohne Berücksichti-gung des Eigenkapitals – die Aktivposten nicht übersteigen.

Zweite Voraussetzung! Das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich derBesteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmen-den Tochter-SE darf auch hier nicht durch ein DBA eingeschränkt wer-den. Auch hier darf keine Gegenleistung neben der Gewährung von Ge-sellschaftsrechten gewährt werden. Wichtig ist noch der Hinweise, dasshinsichtlich der stillen Reserven ein Korrekturposten zu bilden ist, derauf sieben Jahre hin aufgelöst wird, pro rata temporis.

Die formwechselnde Umwandlung, also der vierte Fall der Gründung ei-ner SE, ist eigentlich der unproblematischste. Hier haben wir die Identi-tätswahrung, der Wechsel des Rechtskleides ist ersichtlich, so dass diesteuerlichen Folgen nicht weiter ins Gewicht fallen.

Noch eine kurze Bemerkung zur laufenden Besteuerung. Die laufendeBesteuerung ist an sich relativ unproblematisch. Bei der laufenden Be-steuerung sehen wir eine ganz normale, unbeschränkende Körperschafts-steuerpflicht. Hier wird die SE in den Katalog des § 1 Abs. 1 des KStGaufgenommen. Das gleiche gilt dann auch für den § 2 Abs. 2 des Gewer-besteuergesetzes.

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Das Einkommen wird genauso definiert wie auch heute schon bei einerdeutschen Aktiengesellschaft. Dividenden erfahren keine besondere Be-handlung. Im Prinzip haben wir die ganze Palette der Themen, die wirheute schon kennen. Auch das Problem, dass wir uns bei der SE in einemBetriebsstättenkonzern befinden und sich dann die typischen Problemeeines Betriebsstättenkonzerns bei der SE stellen.

Haben wir den umgekehrten Fall einer ausländischen SE mit einer inlän-dischen Betriebsstätte, haben wir auch ganz normal den Fall, dass sienach § 2 Nr. 1 KStG beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist und sichdementsprechend keinerlei große Besonderheiten ergeben. Das einzige,das durch das SEStEG geändert wird, ist, dass der § 8 Abs. 2 KStG jetztvorsieht, dass alle Einkünfte im Rahmen dieser beschränkten Körper-schaftssteuerpflicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb behandelt werden.Das ist hier eine Besonderheit.

Einen Punkt habe ich eben vergessen, den möchte ich noch ganz kurzanmerken, und zwar ─ das ist auch noch eine wichtige Neuerung, dievor allen Dingen bei der Verschmelzungsgründung zum Tragen kommt ─die Behandlung von Verlustvorträgen. Sie können davon ausgehen, dassVerlustvorträge entgegen den bisher bekannten Regelungen des § 12Abs. 2 UmwStG in Zukunft nicht mehr übertragen werden können. Dasgilt nicht nur bei der SE-Gründung sondern auch für Inlandsfälle, d.h.wir haben hier eine gemeinschaftsrechtsinduzierte Schlechterstellung in-ländischer Steuerpflichtiger. Ähnlich wie wir das von § 8 a KStG kennen,d.h. hier wird es durch das Gemeinschaftsrecht eine Schlechterstellunggeben.

Prof. Dr. Martin Wenz

Nun kurz noch zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung einer SE. Eineähnliche Fragestellung, wie bei der Gründung einer SE im Wege dergrenzüberschreitenden Verschmelzung, insbesondere der Heraus-verschmelzung, wobei die Lösungen ein bisschen anders bzw. nur ähn-lich aussehen. Sie sollen insbesondere im Körperschaftssteuergesetz, er-gänzend im Einkommensteuergesetz verankert werden.

Betrachten wir eine SE, die ihren Sitz in Deutschland hat und diesen ineinen anderen Mitgliedstaat der EU, beispielsweise die Niederlande, ver-legt, also – der bereits eingeführten Terminologie entsprechend – eineHinaussitzverlegung vornimmt. Die Gesellschafter seien steuerlich inDeutschland ansässig, teilweise auch im EU-Ausland, beispielsweise inden Niederlanden. Hierbei bestehen zwei Problemebenen, diejenige derSE einerseits und diejenige ihrer Gesellschafter andererseits. Es stellt sich

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die Frage, was mit den stillen Reserven auf der Ebene der SE passiert, diein Deutschland gebildet wurden? Sind und bleiben sie steuerverhaftetoder sind sie aufzulösen und zu versteuern. Darüber hinaus geht es umdie Besteuerung der Gesellschafter, nämlich insbesondere um diejenigen,die bereits vor der Sitzverlegung im Ausland ansässig waren, nunmehraber nicht mehr an einer in Deutschland, sondern an einer ebenfalls imAusland ansässigen Gesellschaft (SE) beteiligt sind. Deutschland verliertdurch diesen Wegzug das potenzielle Besteuerungsrecht in Bezug aufdiese Anteile, d. h. auf die in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven,denn nach der Sitzverlegung sind sowohl die Gesellschafter als auch dieGesellschaft selbst steuerlich im Ausland ansässig.

Die europäischen Vorgaben sind in Bezug auf die steuerliche Fusions-richtlinie und deren Änderungsrichtlinie vermeintlich klar, wir haben esmehrfach angesprochen: In Deutschland muss eine Betriebsstätteverbleiben. Dann, so die Fusionsrichtlinie, darf keine Besteuerung aufEbene der SE infolge der Sitzverlegung erfolgen. Ich sage bewusst ver-meintlich ist die Situation klar, denn wir haben nicht nur die Fusions-richtlinie, sondern wir haben eben auch den EG-Vertrag. Vorhin sprachich davon, dass die Fusionsrichtlinie eigentlich mehr das ausformuliert,was im EG-Vertrag sowieso steht, respektive dort herausgelesen werdenkann. Vielleicht nicht ganz, wenn wir uns nämlich wieder den Fall„Lasteyrie du Saillant“ oder auch den Fall „X&Y“ ansehen. Dann wirdklar, dass das Kriterium, welches das sekundäre europäische Recht hiervorgibt, um Steuerneutralität auf Ebene der SE zu gewährleisten, nämlichden Verbleib einer Betriebsstätte im jeweiligen Wegzugstaat, möglicher-weise ebenfalls auf den Prüfstand des EuGH kommt, mithin an denGrundfreiheiten zu messen ist. Im Fall „Lasteyrie du Saillant“ wäre bei-spielsweise diese Bedingung nicht erfüllt gewesen. Das würde bedeuten,dass es eben nicht ganz so klar ist, ob Deutschland die stillen Reserven,die in Deutschland begründet wurden, auch wirklich später einmal be-steuern darf. Stellt man sich den Fall vor, dass die stillen Reserven des-halb in Deutschland gebildet worden sind, weil es in Deutschland spe-zielle Abschreibungsmöglichkeiten gibt, könnte der EuGH Deutschlandentgegnen, verändere doch bitte deine steuerlichen Abschreibungsbedin-gungen, dann kannst du das Problem deiner stillen Reserven ganz ein-fach selber und erheblich milder lösen und es würde gerade nicht desstärker einschränkenden Kriteriums des Verbleibs einer Betriebsstätte imWegzugstaat bedürfen. Insofern ist die Vorgabe durch die steuerliche Fu-sionsrichtlinie eben nicht ganz so klar, wie sie auf den ersten Blick aus-sieht.

Nehmen wir sie aber einmal als Vorgabe, sprich bei einem Verbleib derBetriebsstätte im Wegzugstaat haben wir in jedem Fall Steuerneutralität

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auf Ebene der SE, möglicherweise aber auch darüber hinaus. Dann siehtder Gesetzentwurf zum SE-Steuereinführungsgesetz eine Veränderungdes Entstrickungstatbestandes in § 12 KStG auf der Ebene der Gesell-schaft vor, die ihren Sitz ins Ausland verlegt. Für alle Rechtsformen wirdnunmehr grundsätzlich eine sofortige Besteuerung der stillen Reservenangeordnet. Insofern haben wir, wenn wir uns diesen Gesetzentwurf nä-her ansehen, eine ganz eigenartige Situation. Er differenziert zwischenSE und anderen Rechtsformen. Das könnte insbesondere für aus Deutsch-land wieder wegziehende Limited oder Plc interessant werden. Für die SEhaben wir den Fall, dass das deutsche Besteuerungsrecht gerade nichtuntergeht, wenn die SE eine Betriebsstätte im Inland belässt, sprich unterder Voraussetzung, dass eine Betriebsstätte im Inland verbleibt und dieBesteuerung der darin enthaltenen stillen Reserven sicher gestellt ist,wird im Fall einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung der SE Steuer-neutralität gewährleistet, nicht aber im Fall all der anderen nationalenRechtsformen, obwohl auch insoweit ein Steueraufschub ebenfalls mög-lich wäre.

Sehen wir uns nunmehr noch die Ebene der Gesellschafter an. Auch indiesem Fall geht es um denselben Punkt wie auf Ebene der SE, nämlichum die Aufdeckung und Besteuerung der insoweit in den Anteilen ent-haltenen stillen Reserven im Falle der grenzüberschreitenden Sitzverle-gung einer SE ins Ausland betreffend die im Ausland ansässigen Gesell-schafter. Diese Aufdeckung und Besteuerung der in den Anteilen enthal-tenen stillen Reserven soll im Fall einer SE, wiederum aber nicht im Fallanderer nationaler Rechtsformen ausnahmsweise erst dann eine Besteue-rung in Deutschland nach sich ziehen, wenn diese Anteile tatsächlichveräußert werden.

Abschließend noch zwei Punkte zur internationalen Steuerplanung! Daswar immer eines der großen Themen im Zusammenhang mit der SE:Kann man eigentlich die SE als Instrument der Steuerplanung nutzen?Die Antwort können Sie sich quasi selbst geben. Man muss zunächsteher danach sehen, dass man mit der SE nicht in Steuerfallen besondererNatur reinschlittert, insofern ist es sozusagen erst die zweite Frage, obdie SE auch zum Zwecke der internationalen Steuerplanung genutztwerden kann. Die Antwort hängt natürlich sehr vom jeweiligen Einzelfallab, von den beteiligten Gesellschaften, von der jeweiligen DBA-Situation, davon, ob man sich nur in der EU bewegt oder beispielsweiseergänzend auch in der Schweiz oder in den EWR/EFTA-Staaten.

Zum Teil wird schon von einer Renaissance des Betriebsstättenkonzerns,also des internationalen Einheitsunternehmens gesprochen, wenn näm-lich über die SE bereits bestehende Unternehmen so grenzüberschreitend

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zusammengefasst werden ─ gleiches wäre natürlich auch in Zukunftüber die Verschmelzungsrichtlinie im gesellschaftsrechtlichen Bereichbetreffend nationale Rechtsformen möglich ─, dass man in anderenStaaten nicht mehr über selbstständige Tochtergesellschaften, sondernnur noch über rechtlich unselbstständige Betriebsstätten operiert. Zudem,und dann sind wir der Verschmelzungsrichtlinie vielleicht doch einenSchritt voraus, haben wir natürlich bei der SE immer die Wahl des freienSitzes. Während man sich bei der Verschmelzungsrichtlinie immer füreinen der beiden Sitze der betroffenen Gesellschaften, die sich ver-schmelzen, zu entscheiden hat, können wir bei der SE irgendeinen Mit-gliedstaat der EU oder des EWR als Sitzstaat nehmen, ganz unabhängigdavon, welche Gründungsgesellschaften an der Verschmelzung zur SEbeteiligt sind. Es gilt also europaweit freie Sitzwahl.

Zudem können – unabhängig von der Mutter-Tochter- und der Zinsen-Lizenzen-Richtlinie – im internationalen Einheitsunternehmen Quellen-steuern auf Zinsen, Lizenzen und Dividenden vermieden werden, da der-artige Zahlungsverhältnisse zwischen Stammhaus und Betriebsstättenicht anfallen können. Fragen der Anwendung von Anti-Directive-Shopping-Regeln des nationalen Steuerrechts, die ein vermeintlich miss-bräuchliches Ausnutzen der Mutter-Tochter- und der Zinsen-Lizenzen-Richtlinie verhindern sollen, erübrigen sich im internationalen Einheits-unternehmen ebenfalls. Eine pauschale 5%-Besteuerung konzernintern inForm von Dividenden repatriierter Gewinne kann ebenso vermiedenwerden, sofern sämtliche Konzernstufen durch Betriebsstätten ersetztwerden. Ferner ist ein europaweiter Ausgleich der Gewinne und Verlusteoperativer Betriebsstätten in Abhängigkeit des Sitzstaates des Stamm-hauses einer SE – in Zukunft ggf. sogar unabhängig vom jeweiligen Sitz-staat der SE – möglich, kann ein steuerneutraler Transfer von Einzelwirt-schaftsgütern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte vorgenommenund können Beschränkungen der Gesellschafterfremdfinanzierung ggf.vermieden werden, sofern sich diese neben Tochtergesellschaften nichtauch auf Betriebsstätten beziehen.

Die umfangreiche Nutzung von vergleichsweise vorteilhaften DBA-Netzwerken hängt wiederum mit der Frage der freien Sitzwahl zusam-men. Stellen wir uns ein deutsches und ein französisches Unternehmenvor. Diese können eben bei einer Verschmelzung zur SE, anders als beider Verschmelzungsrichtlinie, den Sitz der SE beispielsweise auch in denNiederlanden wählen, um dann vermeintlich bessere DBA mit Japan oderanderen Staaten anwenden zu können. Zudem kann durch die Wahl ei-nes entsprechenden SE-Sitzstaates auch die Anwendung einer andern-falls maßgeblichen Hinzurechnungsbesteuerung, über die ja nicht alleMitgliedstaaten der EU und des EWR verfügen, vermieden werden,

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In den internationalen Konzernen sieht es – im Vergleich zum internati-onalen Einheitsunternehmen – nicht ganz so vorteilhaft aus. Hier habenwir eher die Regeln, die wir kennen, aber mit der vorgeschalteten Kom-ponente, dass wir bei einem Zusammenschluss, bei einer Restrukturie-rung eines Konzerns, auch den Sitz des Mutter- sowie der Tochterunter-nehmen, die in der Rechtsform einer SE organisiert sind, europaweit freiwählen können. Auch die Allianz hätte natürlich in diesem Zusammen-hang den Sitz, anders als im Rahmen der konkreten Verschmelzung an-gedacht, nicht zwingend in München haben müssen, sondern in irgend-einem anderen EU-, respektive EWR-Staat.

Als Fazit können wir also sagen, wenn das SEStEG einmal da ist, bestehtendlich Klarheit. Professor Rosen hat es vorhin auch angesprochen: Waslange als Hemmschuh für die SE galt, war, dass die steuerlichen Rege-lungen weiterhin unklar waren und die Umsetzung der steuerlichen Fusi-onsrichtlinie ins nationale Recht noch mit einigen Unsicherheiten ver-bunden war. Wenn wir jetzt endlich im Gesetzgebungsverfahren einenSchritt weiter sind, wird diese Unklarheit beseitigt sein. Dabei muss manzwar noch aufpassen, ob einige Regelungen, die zur Kompensation erfol-gen, EU-rechtskonform sind. Da haben wir – wie ausgeführt – unsereZweifel. Die von uns angesprochene Problematik der Übertragung vonVerlustvorträgen kann das Ganze natürlich unattraktiv machen. Hiermuss man erst einmal abwarten, inwieweit das mit der Fusionsrichtliniewirklich vereinbar ist.

Die Globalisierung des Umwandlungssteuergesetzes, die wir uns ge-wünscht haben, wird erst einmal nicht kommen. Aufpassen müssen wirauch auf die unterschiedliche Behandlung von inländischen und auslän-dischen Betriebsstätten. Insofern werden wir noch abwarten müssen, wiedas alles im Einzelnen aussehen wird, aber wir sind guten Mutes, dasswir hierüber in Kürze mehr wissen werden.

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1.6 Rechnungslegung, Prüfung und Offenlegungder SE

Dr. Thomas Nagel,Senior Manager, PricewaterhouseCoopers AG Wirtschafts-prüfungsgesellschaft

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns die heutige Se-minarveranstaltung mit der Wirtschaftsprüfersicht der SE abschließen.Sie werden fragen: Durch was wird die Sicht des Wirtschaftsprüfers aufdie SE bestimmt? Natürlich durch die primäre Aufgabenstellung desWirtschaftsprüfers, die Prüfung der Rechnungslegung von Unternehmen.Dies bildet zugleich den Anknüpfungspunkt für unser Thema: Rech-nungslegung, Prüfung und Offenlegung bei der SE.

Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob es bezüglich der genanntenThemenkreise im Unterschied zu einer deutschen Aktiengesellschaft Be-sonderheiten bei der SE gibt. Ich will dies hinsichtlich der Rechnungsle-gung, also des Jahresabschlusses als Ergebnis des Rechnungslegungspro-zesses vorwegnehmen: Nein, es gibt keine Besonderheiten. Wenn wir al-lerdings den Rechnungslegungsprozess, also die Aufstellung des Jahres-/ Konzernabschlusses betrachten, werden wir auf Abweichungen aufmerk-sam, die aus der Option resultieren, statt einer dualistischen Verwaltungmit Vorstand und Aufsichtsrat eine monistische Struktur mit einem Ver-waltungsrat zu wählen; darauf werde ich später noch eingehender zu-rückkommen.

Meine Ausführungen möchte ich wie folgt gliedern: Zunächst erfolgt ei-ne kurze Einführung in die Rechtsgrundlagen der SE; danach werde ichauf den Jahresabschluss und den Lagebericht der SE eingehen; diesenÜberlegungen folgt die Darstellung von Konzernabschluss und Konzern-lagebericht, an die ein kleiner Exkurs zur SE als Konzernunternehmen,d.h. als Tochter- oder Enkelgesellschaft in einem bestehenden Konzern,anknüpft. Abschließen möchte ich meine Ausführungen mit Erläuterun-gen zur Gründung und Liquidation, also gewissermaßen dem Leben derSE von der Wiege bis zur Bahre.

Lassen Sie uns zunächst auf die Rechtsgrundlagen eingehen. Wie heuteschon mehrfach angeklungen hat der EU-Verordnungsgeber in Art. 61SE-VO festgelegt, dass die Grundlagen der Rechnungslegung der SE dieVorschriften des jeweiligen Sitzstaates der SE sind. Das ist eine ganz ent-

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scheidende Weichenstellung. Dies führt nämlich dazu, dass wir so vieleunterschiedliche Rechnungslegungsvarianten für die SE haben, wie Mit-gliedstaaten in der EU. Zwar besteht grundsätzlich eine Harmonisierungder Rechnungslegung innerhalb der EU, bezogen auf die Umsetzung derEU-Vorgaben in den einzelnen Mitgliedstaaten verbleiben den Mitglied-staaten jedoch Spielräume, die auch genutzt werden; d.h. wir könnenzunächst einmal festhalten, dass es keine EU-einheitliche Rechnungsle-gung der SE gibt.

Von entscheidender Bedeutung ist demnach die Grundentscheidung desVerordnungsgebers, die SE nicht in Konkurrenz zur bestehenden Aktien-gesellschaft zu sehen und sie insoweit demselben Rechnungslegungswerkwie die AG zuzuordnen. In Art. 62 SE-VO wird für Kreditinstitute undVersicherungsunternehmen ebenfalls auf nationales Recht, nämlich dasRecht des Sitzstaates der SE, verwiesen.

Sonderregelungen gibt es im monistischen System. Auf diese werden wirspäter noch etwas genauer eingehen. Wie Sie im Zweifel heute Morgenbereits diskutiert haben, besteht bei der SE die Möglichkeit, die Verwal-tung dualistisch oder monistisch auszugestalten: Dualistisch im Sinneunseres herkömmlichen Systems mit Errichtung eines Vorstands und ei-nes Aufsichtsrats. Monistisch mit einem Verwaltungsrat, der die SE leitet,die Grundlinien ihrer Tätigkeit und deren Umsetzung überwacht, mithindas angelsächsische Board-System abbildet.

06.12.2006Seite 4

WP StB Dr. Thomas Nagel

Monistisches System: Aufstellung, Prüfung und Feststellung

Aufstellung des Jahres-abschlusses

Gewinnverwendungs-beschluss

Prüfung durch Abschlussprüfer

Prüfungsbericht

Aushändigung der Unter-lagen an Verwaltungsrat bzw. Bilanzausschuss und Prüfung

Billigung Keine Billigung

Verweisung an HV

Feststellung Feststellung durch HV

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Lassen Sie uns kurz auf die „Aufstellung, Prüfung und Feststellung“ immonistischen System eingehen. Der Prozess folgt folgendem Muster:Aufstellung des Jahresabschlusses durch die geschäftsführenden Direkto-ren, Prüfung durch den Abschlussprüfer, Prüfungsbericht und Jahresab-schluss werden mit dem Gewinnverwendungsbeschluss dem Verwal-tungsrat ausgehändigt. Wird der Jahresabschluss durch den Verwal-tungsrat gebilligt, ist er festgestellt; erfolgt keine Billigung, besteht dieMöglichkeit, der Hauptversammlung die Feststellung zu überlassen.

Im Grundsatz sind die Verfahrensschritte im dualistischen und monisti-schen System identisch. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch inder Frage der Besetzung von Verwaltungsrat und Aufsichtsrat. Ich werdezu einem späteren Zeitpunkt hierauf noch näher eingehen.

Lassen Sie uns zunächst zur Aufstellung kommen: Die Aufstellung folgtden Rechnungslegungsnormen für Kapitalgesellschaften, ergänzt um dieSonderregelungen im Aktienrecht. Die Sonderregelungen im Aktienrecht§§ 150-161 AktG betreffen im Wesentlichen Regelungen zur gesetzli-chen Rücklage und zur Verwendungsbeschränkung bestimmter Rückla-gen, Regelungen zur Überleitungsrechnung vom Jahresüberschuss aufden Bilanzgewinn, Regelungen zu speziellen Anhangangaben sowie eineRegelung zur Entsprechenserklärung von Aufsichtsrat und Überwa-chungsorgan mit dem Corporate-Governance-Kodex.

Der Jahresabschluss kann auch nach den IFRS aufgestellt werden. Die SEist daher nicht ausschließlich auf die Aufstellung von Jahresabschlüssennach HGB beschränkt. Zuständig für die Aufstellung im dualistischenSystem ist der Vorstand; im monistischen System liegt die Zuständigkeitbei den geschäftsführenden Direktoren.

Die Aufstellung als solche umfasst bei der kleinen Aktiengesellschafti.S.d. § 267 HGB bzw. der kleinen SE, Bilanz, GuV und Anhang, jedochkeinen Lagebericht, der allerdings freiwillig erstellt werden kann. Beii.S.d. § 267 HGB mittelgroßen und großen SEs ist der Jahresabschluss umeinen Lagebericht zu ergänzen. Das ist nichts Neues, entspricht dies dochletztlich den Regelungen, die bei uns ohnehin für Kapitalgesellschaftenbestimmt sind.

Für die Prüfung durch den Abschlussprüfer gilt Folgendes: Bestellt wer-den kann nur ein deutscher Wirtschaftsprüfer bzw. eine deutsche WPG.Was bedeutet das? Das bedeutet, dass die Wirtschaftsprüfungsgesell-schaft bzw. der Wirtschaftsprüfer als WPG bzw. WP in Deutschland zu-gelassen sein muss. Es handelt sich demnach nicht um eine Frage der

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Nationalität. Darüber hinaus muss der Wirtschaftsprüfer eine Teilnahme-bescheinigung am Verfahren der Qualitätskontrolle vorweisen, dem PeerReview, um die Abschlussprüfung durchführen zu dürfen.

Zudem sind die Unabhängigkeitsvorschriften zu beachten. Ohne derenErfüllung kann der Auftrag nicht angenommen werden. Ich weise inso-weit auf die Verschärfung der Unabhängigkeitsvorschriften hin, insbe-sondere auf die Einführung des § 319a HGB, der beispielsweise für kapi-talmarktorientierte Unternehmen vorsieht, dass alle sieben Jahre eine in-terne Rotation des den Auftrag durchführenden Abschlussprüfers statt-finden muss.

Wahl des Abschlussprüfers im dualistischen System durch die Hauptver-sammlung: hier besteht kein Unterschied zum monistischen System. DieBeauftragung erfolgt jedoch im dualistischen System durch den Auf-sichtrat während sie im monistischen System durch den Verwaltungsratvorgenommen wird.

Prüfungsnormen: Zur Anwendung kommen die Prüfungsnormen desHGB, das sind die §§ 316 bis 324a HGB sowie die IDW-Prüfungsstandards. Ergänzend können Abschlussprüfungen auch nachden ISA, den „International Standards on Auditing“, vorgenommen wer-den. Diese „International Standards on Auditing“ sind noch nicht allge-mein verpflichtend. Ich weise insoweit auf die 8. EU-Richtlinie hin, nachder künftig die ISA nach erfolgtem Adoptionsprozess durch die EU-Kommission für die gesamten Mitgliedstaaten verpflichtend Anwendungfinden sollen. Mit der Verabschiedung der 8. EU-Richtlinie ist noch indiesem Jahr zu rechnen. Der Adoption Prozess nach der 8. EU Richtliniebedeutet, dass nach Anerkennung der ISA durch die EU Kommission die„International Standards on Auditing“ in der Fassung, in der sie durchdie EU Anerkennung gefunden haben, für die einzelnen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar verbindlich sind. Die Umsetzung der Richtli-nie in nationales Recht hat bis Ende 2008 zu erfolgen. Mit der Verbind-lichkeit der ISAs ist demnach ab Ende 2008 zu rechnen, sofern die EUKommission den Adoption Prozess bis dahin etabliert hat.

Die Verbindlichkeit der ISA findet ihre Grenze bei nationalen Besonder-heiten. Diese bestehen in Deutschland beispielsweise für die Prüfung desLageberichts sowie die Abfassung des Prüfungsberichts. Sie werden wis-sen, dass die Abfassung und Prüfung eines Lageberichts derzeit interna-tional nicht üblich ist. Gleiches gilt für die Erstellung eines Prüfungsbe-richts. Die „International Standards on Auditing“ gelten weltweit, spe-zielle nationale Besonderheiten werden durch deren verbindliche Einfüh-rung nicht tangiert.

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WP StB Dr. Thomas Nagel

Prüfungsvorschriften

Auditor´s Report, Berichte an AuditCommittee

Auditor´s Report, Bericht an Gover-nance-Gremium

Bestätigungs-vermerk, Prüfungsbericht

Berichterstattung

US-GAAS, PCAOB-AS

ISA§§ 316 ff. HGB, IDW PS

Prüfungs-standards

SEC-Rule zur Independence

IFAC Code of Ethics

§§ 319 ff. HGB, WPO, Berufssatzung

Berufsgrund-sätze

Bei SEC-Regi-strierung des Prü-fungsmandanten

Bei ergänzender Prüfung nach ISA

immerAnwendung

US-VorschriftenInternationale Regelungen

Deutsche Vorschriften

Hier noch eine kurze Zusammenfassung! Sie können sehen, dass dieSpalte „Deutsche Vorschriften“ den derzeitigen Status quo wiedergibt.Nach den deutschen Vorschriften wird über das Ergebnis der Prüfung imBestätigungsvermerk und dem Prüfungsbericht berichtet. Ergänzendkönnen die „International Standards on Auditing“ angewandt werden.Auch hier wird die Prüfung mit einem Bestätigungsvermerk abgeschlos-sen. Die Abgabe eines Prüfungsberichts ist international nicht üblich. DieISA sehen jedoch einen Bericht an das Governance-Gremium vor. Auf-gabe des Berichts an das Governance-Gremium ist das Aufbereiten vonspezifischen Informationen, die für die Überwachung der Unternehmenvon Bedeutung sind. Das können beispielsweise Schwächen im internenKontrollsystem sein, ein Sachverhalt, den wir in den Prüfungsberichtnach deutscher Prägung längst integriert haben.

Der Hintergrund des Berichts ist darin zu sehen, dass international einPrüfungsbericht deutscher Prägung, der sog. „Long Form Report“, nichtbekannt ist. International wird lediglich der Bestätigungsvermerk erteiltund dieser um eine zusätzliche Berichterstattung ergänzt. Daher ist zuverstehen, dass die ISA zusätzlich zum Bestätigungsvermerk den Berichtan die Governance-Gremien vorsehen.

Die SEC-Vorschriften entsprechen im Wesentlichen den ISA. Die Bericht-erstattung über die Prüfung erfolgt im Wege des „Auditor’s Report“ unddem Bericht an das Audit Committee, der letztlich dem Bericht an dasGovernance-Gremium entspricht.

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Kommen wir nun zur Prüfung durch den Aufsichtsrat bzw. den Verwal-tungsrat und zur Feststellung des Abschlusses! Wir haben bereits darübergesprochen. Im dualistischen System erfolgt die Prüfung durch den Auf-sichtsrat, während der Abschluss im monistischen System durch denVerwaltungsrat geprüft wird. Die Feststellung erfolgt im dualistischenSystem durch den Aufsichtsrat oder "ausnahmsweise" die Hauptver-sammlung und im monistischen System durch den Verwaltungsrat oder"ausnahmsweise" die Hauptversammlung.

Zuständig für die Offenlegung sind im dualistischen System der Vor-stand und im monistischen System die geschäftsführenden Direktoren.Zum Inhalt der Offenlegung! Hier ist zu differenzieren: Für kleine undmittelgroße Kapitalgesellschaften sehen die einschlägigen Bestimmungendie Offenlegung von Jahresabschluss, Lagebericht, Bestätigungsvermerk,Gewinnverwendungsbeschluss sowie, und das bitte ich in Ihren Unterla-gen zu ergänzen, den Bericht an das Überwachungsorgan vor. Die Ein-reichung der Unterlagen zum Handelsregister ist im Bundesanzeiger be-kannt zu machen. Im Unterschied zu den kleinen Kapitalgesellschaftensind bei großen Kapitalgesellschaften alle Unterlagen, die eingereichtwerden, vorab im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Die gleichen Re-gelungen gelten für die SE. Ergänzend möchte ich in diesem Zusammen-hang darauf hinweisen, dass auch die Offenlegung eines IFRS-Einzelabschlusses möglich ist, und diese Offenlegung auch die Offenle-gung des HGB Einzelabschlusses ersetzt. Mir ist derzeit allerdings nochkein Fall bekannt, in dem dies praktiziert worden ist.

06.12.2006Seite 9

WP StB Dr. Thomas Nagel

Offenlegung

� Verantwortlich für die Offenlegung- Dualistisches System: Vorstand - Monistisches System: Geschäftsführende Direktoren

� Inhalt und Ort der Offenlegung (§§ 325 ff. HGB)- Kleine und mittelgroße SE: Jahresabschluss oder IFRS-

Abschluss, Bestätigungsvermerk, Gewinnverwendungsbeschluss, Entsprechenserklärung (bei börsennotierten SE) sind zum HR einzureichen (Bekanntmachung im Bundesanzeiger)

- große SE: Unterlagen müssen im Bundesanzeiger veröffentlicht werden

- Nach BilReG: Offenlegung eines IFRS-Einzelabschlusses zulässig (§ 325 Abs. 2a HGB)

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Lassen Sie uns nun zum Konzernabschluss kommen. Die Regelungen zurVerantwortlichkeit für Aufstellung, Prüfung und Offenlegung entspre-chen denen zum Einzelabschluss: Die Billigung erfolgt ebenfalls wiebeim Einzelabschluss im dualistisch System durch den Aufsichtsrat undim monistischen System durch den Verwaltungsrat. Kapitalmarktorien-tierte Unternehmen müssen einen Konzernabschluss nach IFRS aufstel-len.

Nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen haben ein Wahlrecht, denKonzernabschluss nach HGB oder IFRS aufzustellen. Die Bestandteile derKonzernrechnungslegung bilden Bilanz, Gewinn-Verlustrechung, An-hang, Kapitalflussrechnung und die Eigenkapitalveränderungsrechnung.Unterschiede zwischen HGB und IFRS ergeben sich insoweit, als nachdem HGB eine Segmentberichterstattung wahlweise angefügt werdenkann, während nach den IFRS, sofern ein kapitalmarktorientiertes Unter-nehmen vorliegt, zwingend eine Segmentberichterstattung zu erstellenist. Einen Lagebericht müssen alle Unternehmen vorlegen, gleichgültigob sie nach IFRS oder nach HGB bilanzieren.

Ich komme nun zur SE als Konzernunternehmen. Auch hier findet nachder SE-Verordnung deutsches Aktienrecht Anwendung. Die Implikatio-nen für die SE möchte ich am Unterschied zwischen faktischem Konzernund Vertragskonzern näher erläutern.

Beim faktischen Konzern wird die Ausübung der einheitlichen Leitungdurch faktische Herrschaftsinstrumente sichergestellt, beispielsweisedurch Personalunion bei Mutter- und Tochtergesellschaft. Das bedeutet,dass ein Abhängigkeitsbericht zu erstellen ist, in den diejenigen Rechts-geschäfte aufzunehmen sind, die mit dem herrschendem Unternehmenbzw. einem mit ihm verbundenen Unternehmen eingegangen wurdenund Maßnahmen zu nennen sind, die auf Veranlassung eines der vorge-nannten Unternehmen unterlassen wurden. Zu den Rechtsgeschäftenmüssen Leistung und Gegenleistung angegeben werden. Die Maßnahmenmüssen begründet und damit verbundene Vor- und Nachteile dargestelltwerden. Der Abhängigkeitsbericht ist vom Abschlussprüfer zu prüfen.

Im Gegensatz zum faktischen Konzern basiert der Vertragskonzern aufeiner gesetzlich anerkannten Leitungsmacht durch Vertrag, d.h. bei-spielsweise durch Beherrschungsvertrag oder durch Eingliederung. Auchhier ist eine Prüfung des Unternehmensvertrags hinsichtlich der Ange-messenheit einer Garantiedividende sowie der Angemessenheit eineseventuell gezahlten Ausgleichs an Außenstehende, die abgefunden wer-den, und hinsichtlich der Methoden der Ermittlung der Abfindung/des

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Ausgleichs und die Begründung der Angemessenheit der Methode vor-zunehmen. Es handelt sich hierbei um Regelungen, die bereits im natio-nalen Recht verankert sind und auch auf die SE Anwendung finden.

Lassen Sie mich an dem Beispiel des „Abhängigkeitsberichts im monisti-schen System“ noch einmal auf das Thema "monistisches System versusdualistisches System" zu sprechen kommen. Im monistischen Systemwird der Abhängigkeitsbericht durch die geschäftsführenden Direktorenerstellt. Der Verwaltungsrat prüft die Angaben zu den Rechtsgeschäftenund Maßnahmen auf Vollständigkeit und Richtigkeit. In diesem Zusam-menhang ist von nicht unerheblicher Bedeutung, wie der Verwaltungsratbesetzt ist. Weniger als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungsratskönnen zu geschäftsführenden Direktoren bestellt werden. Die geschäfts-führenden Direktoren sind dann auch diejenigen Personen, die die obengenannten Rechtsgeschäfte und Maßnahmen vorgenommen haben. Derentscheidende Punkt ist demnach, dass im monistischen System einer-seits die Möglichkeit besteht, den Verwaltungsrat so auszugestalten, dassdie geschäftsführenden Direktoren einen Teil des Verwaltungsrats bilden.Alternativ besteht die Möglichkeit, den Verwaltungsrat so ausgestalten,dass dem Verwaltungsrat keine geschäftsführenden Direktoren angehö-ren. Es besteht demnach unter der SE eine große Bandbreite an Möglich-keiten der Ausgestaltung des Verwaltungsrats, was im Ergebnis bedeutet,dass der Verwaltungsrat sowohl nach dem monistischen als auch nachdem dualistischen System gestaltbar ist. Die Optionen der Ausgestaltungzeigen zugleich, dass mögliche Interessenkonflikte vorprogrammiertsind; denn nach dem in Kontinentaleuropa verbreiteten dualistischenSystem ist die Trennung zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführunggesetzlich klar getrennt im Unterschied zur möglichen Doppelfunktioneiner Person als Verwaltungsratsmitglied und bestelltem geschäftsfüh-renden Direktor im monistischen System; bei der Ausgestaltung desVerwaltungsrats im monistischen System wird daher die Bestellung vonNicht-Verwaltungsratsmitgliedern zu geschäftsführenden Direktoren("Fremddirektoren") sorgfältig abzuwägen bleiben.

Im Falle einer derartigen "Personenidentität" wird als "Korrektiv" vorge-schlagen, ein Audit Committee einzurichten und dieses mit unterneh-mensunabhängigen Mitgliedern zu besetzen. Die Wahl der Mitglieder er-folgt durch den Verwaltungsrat. Im Audit Committee sollen nach demVorschlag die Nicht-Geschäftsführenden Direktoren, die sog. indepen-dent directors, die Mehrheit, mindestens jedoch eine Stimme mehr als diegeschäftsführenden Direktoren besitzen. Dadurch kann sichergestelltwerden, dass, sofern gewünscht, das Audit Committee mehrheitlich durchden Willen der unabhängigen Directors bestimmt wird. In diesem Fallkann dem Audit Committee beispielsweise die Vorprüfung des Jahresab-

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schlusses auferlegt werden mit dem Ergebnis, dass sich der Verwaltungs-rat faktisch auf die Kenntnisnahme der Ergebnisse der Vorprüfung be-schränkt. Der Verwaltungsrat kann sich dabei jedoch nicht seiner Ver-antwortung entziehen; er ist es, der letztlich die Prüfung als Gesamtor-gan durchführen muss – die Prüfung durch das Audit Committee kannnicht die Prüfung des Verwaltungsrats ersetzen. Entscheidend ist, dassdie konkrete Ausgestaltung des Audit Committee die Möglichkeit eröff-net, auch im monistischen System die Unabhängigkeit von verwaltendenund geschäftsführenden Direktoren zu dokumentieren. Diese Überlegun-gen lassen erkennen, dass die Antwort auf die Frage, welches System zubevorzugen ist, nicht von vornherein auf der Hand liegt – aktuell hatsich die Allianz AG entschieden, das dualistische System auch unter derSE fortzuführen und nicht auf das monistische System zu wechseln.

In der Frage dualistisches oder monistisches System handelt es sich letzt-lich um eine Wertungsentscheidung, die bislang durch die Unterneh-menspraxis zu Gunsten des dualistischen Systems entschieden wurde;was vor dem Hintergrund der in Kontinentaleuropa bestehenden Tren-nung von Überwachungsorgan und geschäftsführendem Organ nur zuverständlich ist. Letztlich wird man aber wohl kaum sagen können, dassdas monistische System schlechter ist als das dualistische System undumgekehrt. Denken Sie beispielsweise an Fälle wie “Enron“ oder “World-com“ einerseits und “FlowTex“ andererseits. Diese Fälle zeigen uns, dasskeines der beiden Systeme per se zu besserem Unternehmensmanage-ment führt, sondern es immer die konkret Handelnden sind, die aus-schlaggebend dafür sind, welche Systemergebnisse erzielt werden. Mankann sich trefflich darüber streiten, welches System in der praktischenUmsetzung, vor dem Hintergrund der konkreten Umstände des Einzel-falls, das bessere Ergebnis erzielen mag. Der Abschlussprüfer steht jeden-falls beiden Verwaltungssystemen indifferent gegenüber.

Lassen Sie mich nun noch kurz auf die aperiodischen Vorgänge zu spre-chen kommen. Als Gründungsformen der SE sind die „Verschmelzung“,die „Gründung einer Holding-SE“, die „Gründung einer gemeinsamenTochter-SE“ und der „Formwechsel“ zu unterscheiden. Ich möchte imFolgenden auf einige Eckpunkte eingehen.

Entsprechend Art. 9 Abs. 1c Ziff. ii EU-VO gelten für die Verschmelzungdie Regeln des deutschen Umwandlungsgesetzes. Nach § 24 UmwG kanndas übergehende Vermögen insgesamt wahlweise entweder mit denBuchwerten aus der Schlussbilanz i.S.d. § 17 Abs. 2 UmwG der übertra-genden Gesellschaft eingebucht oder mit den "allgemeinen" Anschaf-fungskosten nach §§ 253, 255 HGB, die durch den Ausgabebetrag der zu

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gewährenden Anteile bis zum Zeitwert des übergehenden Vermögens zubestimmen sind, angesetzt werden.

12.10.2007Seite 13

W PStB Dr. Thomas Nagel

Rechnungslegung und Prüfung bei Gründung

Gründungsformen

Verschmelzung Gründ ungHolding-SE

Gründ unggemeinsamer

SE-TochterFormwechsel

Rechn un gs leg un gAnsatz des Vermögens

im JA der SEAnwendung von

- § 24 UmwG- § 17 UmwG

Prüfu ng :Ba rabf indung

Umtauschverhäl tn isKapitalau fbri ngung

Rec hnu ng slegu ngBewertung eingebrachter

Anteile JA oder SEAnteilsbilanzi erung bei

Anteil seignern

Prüfu ng :G ründun gsplan/

Umtau schverhä ltnisKapitala ufb ri ngung

Rechn un gs leg un gwi e b ei Holdin g-SE

Prüfu ng :Umtauschverhä ltnisKapitala ufb ri ngung

Rec hnu ng sleg ungBu ch wertfort füh ru ng

i m JA de r SE

Pr üfu ng :Kapital aufb ri ngung

(einschli eßli chRü ckl agen)

Bei Gründung einer deutschen Holding-SE bringen z.B. eine französischeund eine deutsche Aktiengesellschaft ihre Anteile in eine deutsche Hol-ding ein. Hierbei besteht die Möglichkeit, über die in der Gründungsur-kunde bestimmte Regelung zum Umfang der Kapitalerhöhung, festzule-gen, ob bei der Übernehmerin für das eingebrachte Vermögen stille Re-serven aufgedeckt werden oder nicht. Auf Ebene der Einbringenden gel-ten für die Bilanzierung der erhaltenen Anteile die Tauschgrundsätze,d.h. es besteht nur die Wahl zwischen Ansatz zu Buchwerten oder Zeit-werten; ein Ansatz zu Zwischenwerten ist nicht möglich.

Lassen sie mich die Gründung einer gemeinsamen Tochter SE am Bei-spiel der SE-Neugründung verdeutlichen. Ein Beispiel für eine SE-Neugründung ist der Fall, in dem eine niederländische und eine deutscheGesellschaft bereits bestehen und diese eine gemeinsame Tochtergesell-schaft in Deutschland in der Rechtsform einer SE gründen. Auch im Fallder SE-Neugründung findet nach h. M. das Recht des Sitzstaates Anwen-dung. Es sind danach Kapitalaufbringung in der SE und die Angemes-senheit einer vereinbarten Barabfindung durch einen Sachverständigenzu prüfen.

Der Formwechsel ist, wie Sie wissen, nur ein Wechsel des Rechtskleids.Ein Formwechsel in eine SE kann bereits durchgeführt werden, wenn ei-

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ne deutsche AG Mutterunternehmen einer ausländischen EU-Kapitalgesellschaft ist. Die Prüfung derartiger Vorgänge bezieht sich ins-besondere darauf, ob das Vermögen (zu Zeitwerten) der formwechseln-den Gesellschaft das Grundkapital und die Kraft Gesetzes oder Satzungnicht ausschüttungsfähigen Rücklagen deckt. Für die SE gilt insoweit ei-ne Verschärfung als das deutsche Umwandlungsrecht für die AG die Si-cherstellung der nicht ausschüttungsfähigen Rücklagen nicht vorsieht.

Ich komme nun abschließend zur Liquidation. Nach Art. 63 EU-VO fin-den die Vorschriften des Sitzstaates für die Aktiengesellschaft Anwen-dung. Das entscheidende Element der Rechnungslegung bei der Liquida-tion ist die Schlussbilanz der werbenden Gesellschaft. Im Rahmen der Bi-lanzierung in der Schlussbilanz der werbenden Gesellschaft muss daraufgeachtet werden, ob unter der Annahme des Going-Concern bilanziertwerden kann oder nicht. Ein Beispiel: Stellt eine werbende Gesellschaftihre Tätigkeit ein und produziert nicht mehr weiter, dann muss bereits inder Schlussbilanz von einer Bilanzierung zu fortgeführten Anschaf-fungskosten abgewichen werden. Anders verhält es sich, wenn bereitsangefangene Aufträge fertig produziert werden; in diesem Fall ist unterAufrechterhaltung der Going-Concern-Annahme zu bilanzieren; d.h., imletzten Fall besteht Identität zwischen Schlussbilanz und Abwicklungs-eröffnungsbilanz. Im Fortgang des Verfahrens ─ im Regelfall ziehen sichdann diese Abwicklungsverfahren hin ─ sind weiterhin Jahresabschlüsseund gegebenenfalls auch ein Abhängigkeitsbericht zu erstellen. Den fi-nalen Akt bildet die Schlussrechnung. Diese dient der Dokumentation derVerteilung des Liquidationsendvermögens. Die dazwischen liegendenJahresabschlüsse werden unter Periodisierung von Aufwendungen undErträgen erstellt. Der Unterschied zur Schlussrechnung besteht im We-sentlichen darin, dass die Schlussrechnung eine zahlungsbezogene Rech-nung ist. Es muss gezeigt werden, an wen letztlich welches Vermögenausgekehrt wird. Bestenfalls schließt die Liquidationsschlussbilanz mitden Posten Kasse, Bank und Eigenkapital; in diesem Fall wird in derSchlussrechnung gezeigt, wer diese Vermögenswerte erhalten hat. Prü-fungspflicht besteht für Schlussbilanz, Liquidationseröffnungsbilanz undfür die Jahresabschlüsse – sofern eine mittelgroße oder große SE vorliegt– sowie für den Abhängigkeitsbericht, wenn die Voraussetzungen für dieAufstellung gegeben sind.

Für die kleine SE besteht, entsprechend den Regeln des HGB, keine Prü-fungspflicht. Wenn überschaubare Verhältnisse vorliegen, kann bei ein-fach strukturierten Fällen im Einzelfall durch das jeweilige Gericht ent-schieden werden, dass auch bei mittelgroßen oder großen SEs eine Prü-fung unterbleiben kann.

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Was ich Ihnen im Rahmen meiner Ausführungen aufgezeigt habe, wirdfür Sie in großen Teilen eine Wiederholung gewesen sein. Dies liegt, wiebereits ausgeführt, darin begründet, dass die Rechnungslegung der SEden gleichen Prinzipien wie das nationale Recht für die Aktiengesell-schaft folgt; denn vom Gesetzgeber wurden die nationalen Rechnungsle-gungsgrundsätze im Sitzstaat für anwendbar erklärt. Unterschiede zurAktiengesellschaft ergeben sich hinsichtlich der Feststellung und der Bil-ligung von Abschlüssen bei Ausgestaltung der SE wie im monistischenSystem. Dieser Aspekt hat zumindest eine interessante unternehmenspo-litische Komponente. Ob dies letztlich dazu führt, dass, um die größerenFreiheitsgrade der SE zu nutzen, künftig stärker die SE gewählt wird, istwohl sehr schwierig zu beantworten. Die Fakten zeigen momentan, spe-ziell wenn Sie Fälle wie die Allianz betrachten, dass die Entscheidungeindeutig zu Gunsten einer Ausgestaltung nach dem dualistischen Sys-tem getroffen wird. Man wird es der Zukunft überlassen müssen, ob dieMöglichkeit der Öffnung der Unternehmensverfassung hin zum monisti-schen System eine Katalysatorwirkung für die SE entfalten kann. Solltekünftig stärker aus den USA in Europa investiert werden, kann ich mirdurchaus vorstellen, dass aufgrund der größeren Nähe zum Board-System die SE der klassischen AG vorgezogen wird.

Gast

Ist dieser Entwurf eines SEStEG für die Öffentlichkeit erhältlich? Wokann man sich darüber mehr informieren?

Dr. Michael Brück

Ich hatte erwähnt, dass der Entwurf kein veröffentlichter, offizieller Ent-wurf ist. Er geisterte durch die Beraterschaft, die ihn unter der Hand er-halten und dann auch weitergegeben hat. Er ist nicht veröffentlicht wor-den. Sie finden ihn auch nicht im Internet. Das ist misslich. Das ist auchfür die interessierte Öffentlichkeit misslich, aber wir werden uns wohlnoch wenige Wochen gedulden müssen, bis dann der Referentenentwurfendgültig vorliegt und der wird dann auch veröffentlicht.

Gast

Ich würde gerne noch ein steuerliches Thema zur Debatte stellen. HeuteMorgen haben wir gehört, wie die Transaktion Allianz RAS abgelaufenist. Dabei ist kein operatives Geschäft über die Grenze transferiert wor-den. Nichtsdestotrotz stellt sich in dem Zusammenhang das Problem derÜbertragung der stille Reserven, die in den Anteilen, die die RAS an den

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Tochtergesellschaften und insbesondere an den ausgegliederten Tochter-gesellschaften hält, über die Grenze übertragen wurden. Wenn ich diesenVerschmelzungsbericht im Fall der Allianz RAS richtig verstanden habe,hat sich der italienische Fiskus auf den Standpunkt gestellt, dass dasGanze steuerneutral vor sich gehen kann. Eine derartige Steuerneutralitätwäre wohl nur unter dem Betriebsstättenvorbehalt möglich gewesen. Wiesoll so etwas bitte bei reinen Holdinggesellschaften gehen, die im Grundenur Anteile als Unternehmensgegenstand halten, dass ich den Betriebs-stättenvorbehalt erfülle?

Dr. Michael Brück

Die Frage ist berechtigt! Sie hätten im Regelfall eine Aufdeckung derstillen Reserven, weil Sie wahrscheinlich keine Betriebsstätte im Weg-zugsstaat, im Herausverschmelzungs-Staat belassen, die sozusagen alsHolding-Betriebsstätte dort weiter fungiert. Die Lösung würde in denmeisten Staaten sein, dass Sie dann grundsätzlich eine Veräußerungsge-winnbesteuerung hätten, aber im Regelfall eben eine Steuerbefreiung,wie bei uns gem. § 8 b.

Dr. Franz-Josef Leven

Weitere Fragen? Dann habe ich eine Frage an die vier Referenten hieroben und an Herrn Dr. Teichmann. Denken wir einmal an das Jahr 2010:wie viele Unternehmen des HDAX sind dann SEs?

Dr. Thomas Nagel

Wenn Sie mich fragen, so kann ich mir durchaus vorstellen, dass die An-zahl der SEs in Zukunft nachhaltig steigt. Die stärkere WahrnehmungEuropas im Konzert der großen Wirtschaftsräume wird dazu führen, dassdie Bereitschaft zunimmt, dies durch die Wahl der Rechtsform stärkerauch nach außen zu dokumentieren. Dies ist mit Sicherheit eine Entwick-lung, die ihre Zeit braucht; sehen wir doch durch die heutige Diskussionder SE, dass sie nicht von vornherein Vorteile aufweist, die man kurzfris-tig "zwingend" nutzen muss. Zudem wird die SE immer in Konkurrenzzu anderen Möglichkeiten der Strukturierung stehen. Denken Sie an dieThemen Sitzverlegung und Verschmelzungsrichtlinie, durch die der SEPluspunkte genommen werden. Aber ich meine, dass die SE vor demHintergrund der eingangs beschriebenen Veränderung in den Einstellun-gen der Marktteilnehmer durchaus an Bedeutung gewinnen kann undwird.

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Dr. Franz-Josef Leven

Wagen Sie eine Zahl, wie viele von den 110 Unternehmen im Jahr 2010eine SE sind?

Dr. Thomas Nagel

Das ist sehr schwer zu beantworten. Ich möchte eine konkrete Antwortauf diese Frage offen lassen.

Dr. Thomas Bücker

Ich würde mal tippen, wir sind bei 15. Wenn Sie einen längeren Zeitho-rizont, also wenn Sie 2015 gesagt hatten, hätte ich 25 gesagt.

Professor Dr. Martin Wenz

Ich habe meine Diplomarbeit über die Europäische Aktiengesellschaft ge-schrieben. Das war vor 15 Jahren und danach tat sich ganz wenig, nach-dem ich die Arbeit geschrieben hatte, was hoffentlich aber nicht nur dar-an lag. Ich dachte schon, als junger Wissenschaftler, ich hätte gänzlichaufs falsche Pferd gesetzt. Dann kam das Wunder von Nizza, wie es HerrHommelhoff heute morgen beschrieben hat, und nicht nur die Wissen-schaft, die auch, insbesondere aber die Beraterschaft hat dann – in fürmich etwas unverständlicher Weise – gesagt, dass das alles totes Rechtsei und niemals jemand davon Gebrauch machen wird. Wir haben dasProjekt SE auch seither positiv, aber nicht unkritisch durch zahlreicheVeranstaltungen, Vorträge, Publikationen und Inhouse-Fallstudien beiverschiedenen Unternehmen weiterverfolgt, hätten uns allerdings nie-mals getraut, der Praxis – wie im Falle der Allianz AG – ein 30köpfiges,europaweit besetztes, besonderes Verhandlungsgremium der Arbeitneh-merseite vorzuschlagen. Und nun? Jetzt macht es die Allianz einfach;viele Vorurteile der SE gegenüber scheinen auf einmal wie weggewischt.Nun, ich bin ein eher positiv denkender Mensch, insofern denke ich, dasswir im Jahr 2010 bei deutlich mehr als 15 SE landen werden, 20 odernoch mehr. Wenn wir uns vor allem die Konzerne anschauen und anse-hen, was in den Konzernen alles stattfindet, dann müssen das nicht im-mer die Topgesellschaften sein, für die ein passendes Rechtskleid gesuchtwird, sondern das kann irgendwo im Konzern stattfinden, im Joint-Venture-Bereich oder in irgendeiner Untereinheit. Insofern denke ich 20,25, darauf würde ich wetten und sage meine Teilnahme für einen Über-prüfungstermin hiermit bereits verbindlich zu.

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Dr. Michael Brück

Eingedenk der Tatsache, dass die steuerlichen Probleme demnächst hof-fentlich gelöst oder zumindest einmal geklärt sind, weiß ich zumindestaus der eigenen Beratungspraxis, dass viele Gesellschaften so lange war-ten wollen, aber es stehen einige in den Startlöchern. Ich denke, da wer-den wir auch, wenn das SEStEG wirklich Gesetz geworden ist, noch eineÜberraschung erleben, was die Zahl angeht. Ich bin da durchaus optimis-tisch trotz der schweren Konkurrenz, die für die SE aus der Rechtspre-chung des EuGH und der Verschmelzungsrichtlinie erwächst. Ich geheauch davon aus, dass die Zahl eher bei 25 liegen wird.

Dr. Christoph Teichmann

Ich möchte auch kurz erst mal meinen Tipp begründen. Ich denke, dasses sich so entwickeln kann, dass das Label SE eine interessante Sachesein wird. Alle die Unternehmen, die im Dax sind, sind auch internatio-nal, zumindest europäisch aufgestellt. Auf der anderen Seite lohnt sichder Aufwand nicht, wenn man nur das Label haben will. In Fällen wieder Allianz oder anderen, bei denen eine konkrete Transaktion ansteht,steht man vor der Wahl, ob man die SE nehmen soll oder nicht. Ich kannnatürlich genauso aufgrund der 10. Richtlinie verschmelzen, aber dakann man auch gleich noch die SE mitnehmen. Ich würde deswegenauch in der mittelfristigen Perspektive ungefähr ein Viertel tippen.

Dr. Franz-Josef Leven

Herzlichen Dank! Ich schlage vor, dass wir uns im Jahr 2010 hier an die-ser Stelle wieder treffen und sehen, was daraus geworden ist. Wir habendas alles protokolliert und können entsprechend den Preis vergeben.

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2. DAI-Seminar

„Praxisüberlegungen zur Umwandlung“

24. April 2007

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2.1 Was spricht für die Gründung einer SE?

Prof. Dr. Reinhard Marsch-Barner,Syndikus, Deutsche Bank AG

Meine Damen und Herren, ich werde mich jetzt der mir gestellten Fragenach den Motiven für die Gründung einer Europäischen Gesellschaftzuwenden. Bei dieser Betrachtung möchte ich mich mehr generell mitden Vor- und Nachteilen der SE beschäftigen, also weniger auf die bishererfolgten Gründungen in Deutschland eingehen, zumal einige davonspäter im Detail vorgestellt werden.

Die Rechtsgrundlagen, auf denen die SE beruht, kann ich als bekanntvoraussetzen. Die Vor- und Nachteile der SE lassen sich am Besten imVergleich zur Aktiengesellschaft verdeutlichen. Dieser Rechtsform stehtdie SE am nächsten. Für die SE gilt nämlich ergänzend zu den europa-rechtlichen Grundlagen, insbesondere der SE-Verordnung, das nationaleAktienrecht des Staates, in dem sie ihren Sitz hat.

Die SE ist eine supranationale Rechtsform, weil sie auf europäischemRecht beruht, sie ist zugleich aber auch – Herr Dr. Leven hat das bereitsbetont – national geprägt. Es gibt also immer nur eine deutsche, franzö-sische, luxemburgische usw. SE. Nach einer groben Schätzung, die HerrProf. Lutter einmal vorgenommen hat, kann man das nationalstaatlicheElement mit etwa 60% gegenüber dem europäischen Element von etwa40 % gewichten. Dieses Zusammenspiel zwischen europäischem Rechtund, im Falle einer deutschen SE, dem hiesigen Aktienrecht bedeutet eineKomplexität des anwendbaren Rechts, die so bei der AG nicht gegebenist.

Die SE fordert damit, nicht nur weil sie als Rechtsform neu ist, sondernaufgrund dieser Besonderheit in ihrer Struktur, einen besonderen Bera-tungsaufwand. Dieser Gesichtspunkt spricht natürlich nicht von vornher-ein gegen die SE. Für die Anwälte unter uns ist dieser Beratungsbedarfeher etwas Positives, aber er zeigt auch, dass mit der Rechtsform SE invielerlei Hinsicht Neuland beschritten wird.

Die Gründe, die für eine SE sprechen, sind von ganz unterschiedlichemGewicht. Es gibt tragende und eher begleitende Gründe. Herr Dr. Leven

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hat von den „handfesten“ Gründen gesprochen, und mit diesen handfes-ten Gründen möchte ich anfangen.

I. Grenzüberschreitende Verschmelzung

Für die SE spricht zunächst, dass die SE-Verordnung zusammen mit dennationalstaatlichen Ausführungsbestimmungen der zurzeit einzigerechtssichere Weg für eine grenzüberschreitende Verschmelzung ist. Die-se ist möglich, wenn an ihr mindestens zwei Aktiengesellschaften ausverschiedenen Mitgliedstaaten teilnehmen. Wenn eine GmbH sich an ei-ner solchen Verschmelzung beteiligen will, muss sie erst in eine AG um-gewandelt werden. Die beteiligten Aktiengesellschaften können sich, wienach dem UmwG, im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme oderdurch Neugründung zu einer Gesellschaft zusammenschließen, und dieseGesellschaft wird dann im Zuge der Verschmelzung in eine SE umge-wandelt. Im Falle der Allianz war es so, dass die italienische Tochter RASin Mailand auf die Allianz AG in Deutschland verschmolzen wurde. MitEintragung dieser Verschmelzung ins Handelsregister in München wurdedie Allianz AG zur Allianz SE (vgl. Art. 17 Abs. 2 der SE-VO).

Mit der grenzüberschreitenden Verschmelzung können ausländischeTochtergesellschaften wie etwa im Falle der Allianz auf die deutscheMutter AG verschmolzen werden. Auf diese Weise lassen sich die Lei-tungsstrukturen in einem Konzern vereinfachen. Anstelle eines Netz-werks von Tochter-AGs im europäischen Ausland können Niederlassun-gen geschaffen und auf diese Weise eine einheitliche Gesellschaft zu-stande gebracht werden. Dies kann natürlich auch zu Kosteneinsparun-gen führen.

Die beiden Arten der grenzüberschreitenden Verschmelzung durch Auf-nahme oder durch Neugründung werden in Kürze allerdings auch imUmwG vorgesehen sein. Das zweite Änderungsgesetz zum UmwG, dasdemnächst in Kraft treten wird, enthält dazu ausführliche Regelungen3.In das UmwG wird ein neuer Abschnitt 10 mit den §§ 122a bis 122 leingefügt. Nach diesem Abschnitt können sich grenzüberschreitend alleKapitalgesellschaften miteinander verschmelzen.

Die Fragen, die sich dabei im Zusammenhang mit der Mitbestimmungergeben, sind wie bei der SE in einem gesonderten Gesetz geregelt, undzwar in dem Gesetz zur Umsetzung der Mitbestimmungsregelungen bei

3 Inzwischen verkündet, vgl. BGB1. I/2007 S. 542

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der grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG). Dieses Gesetz wurdeschon im letzten Dezember verkündet4.

Mit den neuen Vorschriften im UmwG wird die Richtlinie über die Ver-schmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaatenvom Oktober 2005 in deutsches Recht umgesetzt.

Zuvor hatte schon der EuGH in der bekannten „Sevic“-Entscheidung5 un-ter Hinweis auf die Niederlassungsfreiheit im EG-Vertrag eine Öffnungdes deutschen Umwandlungsrechts für ausländische Rechtsträger ange-mahnt. Es ging damals um die sog. Hereinverschmelzung einer luxem-burgischen AG auf eine deutsche AG.

Die neuen Bestimmungen gehen weiter als die „Sevic“-Entscheidung.Nach den neuen Regelungen im UmwG und im MgVG können sich alleKapitalgesellschaften in Deutschland, also alle GmbH, AG und KGaA,grenzüberschreitend mit den entsprechenden Rechtsformen im europäi-schen Ausland verschmelzen. Die beteiligten Gesellschaften sind dabeifrei, welche Rechtsform sie als Zielgesellschaft wählen. Nur dann, wenndas Ergebnis eine SE sein soll, müssen sie den Weg über die SE-VO ge-hen.

Mit dieser Rechtsentwicklung hat die SE einen Teil ihrer bisherigen Ex-klusivität verloren. Sie ist nicht mehr der einzige Weg für eine grenz-überschreitende Verschmelzung. Aktiengesellschaften aus verschiedenenMitgliedstaaten können danach auch fusionieren, ohne in die Rechtsformder SE zu wechseln. Die italienische Versicherungsgesellschaft RAS hättedanach auf die Allianz auch ohne deren Umwandlung in die SE ver-schmolzen werden können.

Eine kleine Einschränkung ist hier allerdings noch angebracht. Deutsch-land ist das bisher einzige Mitgliedsland, das die Richtlinie über diegrenzüberschreitende Verschmelzung umgesetzt hat. In den meisten an-deren Mitgliedstaaten liegen dazu noch nicht einmal Gesetzentwürfe vor.Die Richtlinie muss auch erst bis Dezember dieses Jahres umgesetzt sein.Es kann also noch einige Zeit dauern, bis die Möglichkeiten einer Ver-schmelzung nach dem UmwG mit der erforderlichen Rechtssicherheit ge-nutzt werden können. Bis dahin bleibt die Exklusivität der SE in Bezugauf die grenzüberschreitende Verschmelzung noch für eine Übergangs-zeit erhalten.

4 BGBI, I/2006 S. 3332

5 EuGH v. 12.12.2005 ZIP 2005, 2311

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II. Sitzverlegung

Ein anderer Vorteil, den gegenwärtig nur die SE bietet – von der EWIVund der Europäischen Genossenschaft abgesehen – ist die Möglichkeitder Sitzverlegung innerhalb der Gemeinschaft. Die Rechtsprechung desEuGH hat zwar auch in diesem Bereich schon zu einer größeren Mobilitätder Gesellschaften geführt. So muss nach der „Überseering“-Entscheidung6 die Verlegung des Sitzes der Geschäftsleitung in einen an-deren Mitgliedstaat von diesem anerkannt werden. Diese Erleichterunggilt allerdings nur für den Zuzug in den anderen Mitgliedstaat. Für denWegzug gelten noch andere Maßstäbe. Diesen kann der Heimatstaat nachder „Daily-Mail“-Entscheidung7nach wie vor beschränken.

Für die GmbH, AG und KGaA will der deutsche Gesetzgeber künftig er-lauben, dass sich die Geschäftsleitung ohne Änderung des Satzungssitzesin einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft niederlässt. Damit solldie gleiche Bewegungsfreiheit geschaffen werden, wie sie für viele aus-ländische Rechtsformen, insbesondere die Limited, schon heute besteht.Zu diesem Zweck sollen im Rahmen der anstehenden GmbH-Reform dieSitzbestimmungen im GmbH-Gesetz und im AktG entsprechend modifi-ziert werden8.

Die SE-VO geht in diesem Punkt aber weiter. Sie erlaubt der SE nicht nurden Sitz der Verwaltung, sondern auch den satzungsmäßigen Sitz zu ver-legen. Beide Sitze müssen bei der SE immer zusammen in demselbenMitgliedsland liegen. Die SE kann damit vollständig aus einem Mitglied-staat wegziehen. Dies ist dann mit einem Wechsel der für die SE zustän-digen Rechtsordnung verbunden.

Die Möglichkeit der Sitzverlegung innerhalb der Gemeinschaft ist einWeg, um für die SE einen aufgrund der Rechtsordnung vorteilhaftenSitzstaat zu wählen. Eine Aktiengesellschaft, die zum Beispiel aus steuer-lichen Gründen erwägt, ihren Sitz in einen anderen EU-Mitgliedstaat zuverlegen, kann dies dadurch erreichen, dass sie sich zunächst in eine SEumwandelt. Anlässlich dieser Umwandlung darf der Sitz der Gesellschaftzwar noch nicht verlegt werden; das ergibt sich aus Art. 37 Abs. 3 derSE-VO. Die Sitzverlegung kann aber unmittelbar im Anschluss an das

6 EuGH BB 2002, 2302

7 EuGH NJW 1989, 2186

8 vgl. die im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts undzur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vorgesehenen Änderungen in§ 4a GmbHG und § 5 AktG

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Wirksamwerden des Formwechsels beschlossen und durchgeführt wer-den.

Die Möglichkeiten, die in dieser Option stecken, sind m. E. noch garnicht ausgelotet, weil die steuerlichen und aktienrechtlichen Unterschie-de, die in den verschiedenen Mitgliedstaaten bestehen und die zu einemWettbewerb der Rechtsordnungen führen können, noch nicht im Einzel-nen systematisch untersucht und miteinander verglichen worden sind.

Allerdings ist die Sitzverlegung einer deutschen SE ins europäische Aus-land auch nicht ganz einfach. Zunächst muss darüber natürlich dieHauptversammlung beschließen. Ihr muss ein Sitzverlegungsplan und einBericht über die Sitzverlegung vorgelegt werden; sodann muss darüberbeschlossen werden. Die Aktionäre, die Widerspruch gegen die Be-schlussfassung zu Protokoll erklären, können eine angemessene Abfin-dung in bar verlangen. Den Gläubigern ist unter bestimmten Vorausset-zungen Sicherheit zu leisten usw.. Es sind also gewisse Bremsen einge-baut, die ein Ausscheiden aus der deutschen Rechtsordnung erschweren.Bei einer börsennotierten Gesellschaft kann als Nachteil hinzukommen,dass mit dem Wegzug aus Deutschland u.U. auch ein Ausscheiden ausdem hiesigen Index, insbesondere dem DAX, verbunden ist.

Unabhängig davon dürfte auch das Privileg der Sitzverlegung nicht aufDauer nur für die SE gegeben sein. Die EU-Kommission plant schon seiteiniger Zeit den Erlass einer Sitzverlegungsrichtlinie, nach der alle Kapi-talgesellschaften innerhalb der EU ihren Satzungssitz in ein anderes Mit-gliedsland verlegen können. Wann mit einem Entwurf zu rechnen ist, istnicht ganz sicher. Angeblich soll er aber noch in diesem Jahr vorgelegtwerden.

III. Monistische Führungsstruktur

Ein anderer Vorteil liegt darin, dass die SE im Moment die einzige Ge-sellschaft ist, die bei der Führungsstruktur ein Wahlrecht zwischen demdualistischen und dem monistischen System eröffnet. Dieses Wahlrechtist im SE-AG näher geregelt. Hinsichtlich der dualistischen Struktur vonVorstand und Aufsichtsrat wird dabei weitgehend auf das Aktienrechtverwiesen. Die monistische Struktur ist dagegen im Einzelnen ausformu-liert. Im monistischen System gibt es nur ein Leitungsorgan, den Verwal-tungsrat. Dieser Verwaltungsrat leitet, wie es in § 22 Abs. 1 SE-AG heißt,die Gesellschaft, bestimmt die Grundlinien ihrer Tätigkeit und überwachtderen Umsetzung. Der Verwaltungsrat vereinigt damit Funktionen vonVorstand und Aufsichtsrat in einem Organ.

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Das SE-AG hat es dabei aber nicht bewenden lassen, sondern zusätzlichvorgeschrieben, dass ein oder mehrere geschäftsführende Direktoren be-stellt werden müssen. Diese Bestellung obliegt dem Verwaltungsrat, dersowohl Externe wie auch eigene Mitglieder zu geschäftsführenden Direk-toren bestellen kann. Diese geschäftsführenden Direktoren haben nachaußen hin eine ähnliche Stellung wie die Vorstandsmitglieder im dualis-tischen System. Im Innenverhältnis sind sie aber den Weisungen desVerwaltungsrates unterworfen. Sie können von diesem auch jederzeitabberufen werden. Insofern ähnelt die Stellung der geschäftsführendenDirektoren derjenigen der GmbH-Geschäftsführer. Die Möglichkeit, an-stelle der gewohnten dualistischen Führungsstruktur von Vorstand undAufsichtsrat einen Verwaltungsrat als einheitliches Leitungsorgan zu e-tablieren, besteht bislang nur bei der SE.

Die EU-Kommission hatte sich zwar in ihrem Aktionsplan zur Moderni-sierung des Gesellschaftsrechts von 2003 dafür ausgesprochen, generellfür die börsennotierten Gesellschaften in der EU ein entsprechendesWahlrecht einzuführen. Dieser Vorschlag ist auch allgemein begrüßtworden, bisher gibt es aber keinerlei Anzeichen für eine Umsetzung die-ses Vorschlags. Einzelne Länder, wie insbesondere Frankreich und Ita-lien, haben ein solches Wahlrecht eingeführt. Dort können schon jetztdie Aktiengesellschaften wählen, ob sie ihre Unternehmensleitung mo-nistisch oder dualistisch organisieren wollen.

Die Wahl eines monistischen Führungssystems kann aus unterschiedli-chen Gründen von Interesse sein. Man kann z.B. an einen ausländischenKonzern denken, dessen Gesellschaften üblicherweise monistisch struktu-riert sind. Für diesen Konzern kann es von Vorteil sein, dass auch dieTochtergesellschaften in Deutschland monistisch organisiert sind. Mankann auch an eine Familiengesellschaft in Deutschland denken, bei derder Vertreter der Mehrheit zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates be-stimmt wird. Dieser Vorsitzende des Verwaltungsrates kann dannzugleich Vorsitzender der Geschäftsführung sein. Er kann somit dieFunktionen eines Chairman und eines CEO im angelsächsischen Sinnemiteinander verbinden. In dieser Rolle kann ihm auch ein Vorschlags-recht für die Bestellung der geschäftsführenden Direktoren eingeräumtwerden. Es kann also eine Machtkonzentration etabliert werden, wie siebei der Aktiengesellschaft nicht möglich ist. Eine solche Machtkonzent-ration wird wohl nur bei kleineren Gesellschaften in Betracht kommen.Bei börsennotierten Gesellschaften dürften die Funktionen von Leitungund Überwachung dagegen zu trennen sein.

Weniger geeignet ist das monistische System allerdings bei Gesellschaf-ten, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen. Der Umfang der

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Mitbestimmung im Aufsichtsrat oder im Verwaltungsrat einer SE kanngrundsätzlich zwar frei ausgehandelt werden. Der Spielraum dafür ist al-lerdings dadurch begrenzt, dass im Falle eines Scheiterns der Verhand-lungen die gesetzlichen Auffangregelungen eingreifen. Wird keine Eini-gung erzielt, gilt unter Umständen die paritätische Mitbestimmung auchfür den Verwaltungsrat. Gehören diesem geschäftsführende Mitgliederan, bezieht sich die Mitbestimmung im Grundsatz auch auf diese. EineBeschränkung der Arbeitnehmervertretung auf nicht geschäftsführendeFunktionen, wie sie aus verfassungsrechtlichen Gründen nahe liegenwürde, ist im Gesetz nicht vorgesehen worden. Eine solche Beschränkunglässt sich praktisch nur dadurch erreichen, dass von vornherein nur Ex-terne zu geschäftsführenden Direktoren bestellt werden. Darin liegt aller-dings eine Art verdeckte dualistische Struktur, so dass man sich fragenkann, ob man dazu unbedingt das monistische System wählen muss.

Angesichts dieser Implikationen ist davon auszugehen, dass von einerGesellschaft, die der Mitbestimmung unterliegt, das monistische Systemnicht gewählt werden wird. Die Gesellschaften, die sich bisher für diemonistische Struktur entschieden haben, sind auch alle Gesellschaften,deren Verwaltungsrat keine Arbeitnehmervertreter angehören.

IV. Corporate Governance

Die übrigen Vorschriften der SE entsprechen weitgehend den Regelungenzur Aktiengesellschaft. Allerdings erlaubt das Recht der SE bestimmteGestaltungen, die im Aktienrecht nicht vorgesehen sind. Das gilt vor al-lem für Gestaltungsmöglichkeiten, die unter dem Gesichtspunkt einerVerbesserung der Corporate Governance von Interesse sein können. Inerster Linie zu erwähnen ist hier die Möglichkeit, den Aufsichtsrat zuverkleinern. Es ist allgemein anerkannt, dass Aufsichtsräte mit 16 oder20 Mitgliedern, wie sie nach dem Mitbestimmungsgesetz bei den größe-ren Gesellschaften vorgeschrieben sind, zu groß sind, um eine effektiveÜberwachung und Beratungstätigkeit auszuüben. Der Referentenentwurf9

zum KonTraG10 von 1996 sah selbst noch die Möglichkeit vor, die Auf-sichtsräte generell auf 12 Mitglieder zu beschränken. Dieser Vorschlag istdamals auf Druck der Gewerkschaften zurückgezogen worden. Inzwi-schen sind die Aufsichtsräte dazu übergegangen, einen großen Teil ihrerArbeit in Ausschüsse zu delegieren. Damit ist das Größenproblem zwarentschärft, aber keineswegs erledigt.

9 Vgl. ZIP 1996, 2129 und 2193

10 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom27.4.1998, BGBI.I S. 786

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Die SE bietet jetzt erstmals die Möglichkeit, die Größe des Aufsichtsratesnach den Bedürfnissen des Unternehmens zu gestalten. Da die SE nichtper se dem Mitbestimmungsgesetz unterliegt – sie ist in § 1 des MitbestGnicht als eine Gesellschaft aufgeführt, die unter dieses Gesetz fällt – gel-ten dessen Vorgaben nicht. Nach der SE-VO muss der Aufsichtsrat auchnur aus mindestens drei Personen bestehen. Eine höhere Zahl muss durchdrei und bei einer paritätischen Besetzung auch durch zwei teilbar sein.Theoretisch könnte also ein mitbestimmter Aufsichtsrat aus lediglichsechs Personen bestehen.

Aus wie vielen Mitgliedern sich der Aufsichtsrat einer SE zusammen-setzt, ist nach der SE-VO in der Satzung festzulegen11. Damit dürfte ei-gentlich klar sein, dass die Entscheidung über die Größe des Aufsichtsra-tes bei den Anteilseignern, d.h. der Hauptversammlung, liegt. Von Ge-werkschaftsseite wird jedoch der Standpunkt vertreten, dass im Rahmender Verhandlungen über die Mitbestimmung auch die Größe des Auf-sichtsrats festgelegt werden könne. Der Wortlaut der SE-VO spricht eherfür einen Vorrang der Satzung. Ich will hierauf aber nicht weiter einge-hen, da dies ein Thema ist, zu dem noch Herr Habersack sprechen wird.

Die Möglichkeit, den Aufsichtsrat im Rahmen einer Umwandlung in dieSE zu verkleinern, stößt offenbar auf großes Interesse. Die Allianz hatdies bei ihrer Umstrukturierung als positiven Nebeneffekt betont. DieBASF hat diese Möglichkeit ausdrücklich als einen der Hauptgründe fürden beabsichtigten Formwechsel angegeben und auch Herr Prof. Wengerhat kürzlich seinen Antrag, die DaimlerChrysler AG in eine SE umzu-wandeln, damit begründet, dass dann der Aufsichtsrat verkleinert würdeund damit überflüssige Kosten eingespart werden könnten.

Beim Aufsichtsrat bestehen noch weitere Gestaltungsmöglichkeiten. Sogibt nach der SE-VO die Stimme des Vorsitzenden des Aufsichtsrates beiStimmengleichheit automatisch den Ausschlag. Es ist also nicht, wienach dem MitbestG, ein zweiter Beschluss erforderlich, bei dem dann derAufsichtsratsvorsitzende sein Zweitstimmrecht einsetzen kann. Für denFall, dass der Aufsichtsratsvorsitzende verhindert ist, kann außerdemvorgesehen werden, dass der Stichentscheid einem Stellvertreter aus denReihen der Anteilseignervertreter zusteht. Auf diese Weise lässt sich dasleichte Übergewicht der Anteilseignerseite zusätzlich absichern.

Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit ist, dass dem Vorsitzenden des Vor-standes ein Vetorecht eingeräumt werden kann. Auch das ist in der mit-

11 Art. 39 Abs. 4, 40 Abs. 3, 43 Abs. 2 SE-VO

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bestimmten AG nicht möglich, weil es dort den Arbeitsdirektor alsgleichberechtigtes Mitglied der Geschäftsleitung gibt. Dieses Gebot derGleichberechtigung wird im Allgemeinen als Hindernis für ein Vetorechtdes Vorstandsvorsitzenden angesehen.

V. Mitbestimmung

Ein weiterer Gesichtspunkt, der für die Gründung einer SE sprechenkann, ist die Möglichkeit, die Mitbestimmung nach dem Drittelbeteili-gungsgesetz oder dem MitbestG zu modifizieren oder durch ein anderesModell zu ersetzen. Eine SE mit Sitz in Deutschland unterliegt per se we-der dem einen noch dem anderen Gesetz. Allerdings sind die an derGründung einer SE beteiligten Unternehmen verpflichtet, über das Mit-bestimmungsstatut mit einer Vertretung der Arbeitnehmer zu verhan-deln. Diese Verhandlungen sind grundsätzlich ergebnisoffen. Sie erlau-ben also – in der Theorie aber auch praktisch – eine Änderung der bishe-rigen Mitbestimmung bis hin zu einem Verzicht auf sie.

Bei der SE-Gründung durch Formwechsel hat der deutsche Gesetzgeberallerdings eine Schranke eingezogen. Im Zuge eines solchen Formwech-sels ist es ausgeschlossen, dass das Verhandlungsergebnis zu einer Min-derung der Mitbestimmungsrechte führen kann. Es soll auf diese Weiseeine Flucht aus der Mitbestimmung verhindert werden. Allerdings lässtsich diese Sperre umgehen, wenn die Gesellschaft nicht über einenFormwechsel, sondern über eine Verschmelzung zur SE wird. Die KonradElectronic SE hat dies im letzten Jahr vorgeführt. Sie ist dadurch zur SEgeworden, dass ihre österreichische Tochter-AG auf sie verschmolzenwurde. Obwohl die Gesellschaft über 2000 Mitarbeiter beschäftigt, gehö-ren ihrem Verwaltungsrat keine Arbeitnehmervertreter an.

Normalerweise wird sich im Verhandlungswege allerdings kaum eineAbschwächung oder gar Abschaffung der Mitbestimmung erreichen las-sen. Das liegt – wie erwähnt – an der gesetzlichen Auffangregelung, diebei einem Scheitern der Verhandlungen eingreift. Es liegt natürlich auchdaran, dass die an den Verhandlungen beteiligten Gewerkschaftsvertretergenau darauf achten, dass die Mitbestimmung nicht ausgehöhlt wird.

Über die Auffangregelung gilt aber immer nur das jeweils schon beste-hende Mitbestimmungsstatut. Dieser Gesichtspunkt ist dann von Bedeu-tung, wenn eine Gesellschaft sich kurz davor befindet, in den Geltungs-bereich des MitbestG zu gelangen. Eine Gesellschaft, die z. B. 1900 Mit-arbeiter beschäftigt und weitere Akquisitionen beabsichtigt, kann, wennsie in die SE wechselt, vermeiden, dass sie in den Geltungsbereich desMitbestG gelangt. Ebenso kann eine Gesellschaft, die dem MitbestG un-

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terliegt und damit rechnet, dass sie bei weiterem Wachstum ihren Auf-sichtsrat von bisher 12 auf 16 oder 20 Mitglieder erweitern muss, durcheinen Wechsel in die SE vermeiden, dass diese Regelungen zum Zugekommen.

Die Mitbestimmung kann somit in bestimmten Konstellationen vermie-den oder auf dem erreichten Niveau eingefroren werden. Möglichkeitenzu einer Modifizierung der Mitbestimmung bestehen allerdings auch beieiner grenzüberschreitenden Verschmelzung nach dem UmwG und demMgVG. Eine grenzüberschreitende Verschmelzung nach diesen Gesetzenkann unter mitbestimmungsrechtlichen Gesichtspunkten sogar vorteil-hafter sein als nach der SE-VO. Der Prozentsatz der Arbeitnehmer, derdie Anwendung der gesetzlichen Auffangregelung auslöst, ist nämlichunterschiedlich hoch. Nach dem SEBG12 muss sich die Mitbestimmungauf mindestens 25% der betroffenen Arbeitnehmer beziehen, nach demMgVG13 liegt dieser Prozentsatz dagegen bei 33 1/3%. Je nachdem, inwelcher Konstellation ein Zusammenschluss stattfinden soll, kann damitbei einer Verschmelzung nach dem UmwG ein größerer Verhandlungs-spielraum gegeben sein. Mehr will ich dazu nicht vortragen, weil HerrHabersack dazu noch Ausführungen machen wird. Für meine Betrach-tungen genügt die Feststellung, dass die SE durchaus geeignet ist, dasbisher doch recht starre System der Mitbestimmung im Aufsichtsrat auf-zulockern.

VI. Europäische Identität

Als weiteres Motiv für die SE wird häufig angeführt, dass diese Rechts-form gut geeignet ist, um die internationale und vor allem europäischeAusrichtung eines Unternehmens zu verdeutlichen und nach innen undaußen zu dokumentieren. Herr Dr. Leven hat am Anfang verschiedeneZitate angeführt, die gerade diesen Gedanken aussprechen. Dieser Ge-sichtspunkt der europäischen Corporate Identity hat unter den bislanggenannten Motiven zwar eher eine nachgeordnete Bedeutung, darf aberdennoch nicht unterschätzt werden.

Der Wechsel in die Rechtsform der SE setzt nicht nur einen formalen Be-zug zu mehreren Mitgliedstaaten in der Europäischen Union voraus, erist auch ein Bekenntnis zur Verankerung in dieser Union. Das supranati-onale Element kann bei einem „Merger of Equals“ auch psychologischhilfreich sein. Für kleinere Gesellschaften kann es außerdem reizvoll sein,

12 § 34 Abs. 1 Nr. 2a SEBG

13 § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MgVG

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sich mit der Rechtsform SE zu schmücken, um damit eine europäischeBedeutung zu demonstrieren, die möglicherweise gar nicht vorhandenist. Solche Marketingaspekte spielen bei größeren Unternehmen natürlichkeine oder nur eine geringe Rolle. Auch hier ist allerdings der Wechsel indie SE immer noch ein Vorgang, der die erhöhte Aufmerksamkeit derMedien sicherstellt.

Die Orientierung auf Europa steht bei der SE auch nicht nur auf dem Pa-pier. Insbesondere, was die Mitbestimmung im Aufsichtsrat und im SE-Betriebsrat betrifft, so sitzen in diesen Gremien auch Arbeitnehmerver-treter aus anderen Ländern. Für die Mitbestimmung im Aufsichtsrat istdiese Europäisierung der Arbeitnehmerbank ein absolutes Novum. DiesesNovum erhöht die Legitimation der Arbeitnehmervertretung im Auf-sichtsrat und ist durchaus geeignet, einen Wandel im Selbstverständnisder Gesellschaft zu bewirken oder zumindest dazu beizutragen.

Der Wechsel in die SE bedeutet schließlich eine Ausrichtung auf europäi-sches Recht als der entscheidenden Grundlage der Gesellschaft. Dies istein Vertrauensvorschuss auf den Bestand der gemeinschaftsrechtlichenRegelungen. Dieses Vertrauen ist in Bezug auf das Aktienrecht wieder-holt erschüttert worden, nachdem das deutsche Aktiengesetz zu einerSpielwiese der Politik geworden ist und wir praktisch jedes Jahr mit neu-en Änderungsvorschlägen rechnen müssen.

Zieht man aus all diesen Überlegungen ein Resümee, so bleiben unterdem Strich einige beachtliche Optionen, die vorerst nur bei der SE gege-ben sind. Dies sind einmal die größere Flexibilität in der Struktur desLeitungsorgans, die erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten in der Corpo-rate Governance (Stichwort: Verkleinerung des Aufsichtsrates), die Mög-lichkeit einer Sitzverlegung ins europäische Ausland und nicht zuletztdas europäische Image. Andere Optionen wie die grenzüberschreitendeVerschmelzung mit der grundsätzlichen Verhandlungsfreiheit bei derMitbestimmung können dagegen bald auch ohne Umweg über die SE ge-nutzt werden. Ob die SE unter all diesen verschiedenen Aspekten die ambesten geeignete Rechtsform ist, muss natürlich letztlich für den jeweili-gen Einzelfall untersucht und entschieden werden.

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2.2 Wie viel Mitbestimmung braucht die SE?

Prof. Dr. Mathias Habersack14,Direktor des Instituts für deutsches und InternationalesRecht des Spar-, Giro- und Kreditwesens, Lehrstuhl für Bür-gerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Wirt-schaftsrecht, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thema meines Referats istmit einem Fragezeichen versehen. Ich will dazu meine persönliche An-sicht erst im Rahmen eines Fazits am Ende des Vortrags zum Besten ge-ben, nach dem wir uns zuvor den Inhalt der Mitbestimmung in der SEvor Augen geführt haben.

I. Einführung

Beginnen möchte ich mit einigen Grundlagen und Grundfragen, wobeiich berücksichtigen werde, was Herr Marsch-Barner bereits vorgetragenhat, so dass wir Doppelungen möglichst vermeiden. Die Zeit ist ohnehinknapp!

1. Herr Marsch-Barner hat schon angesprochen, dass die Mitbe-stimmung in der SE gekennzeichnet ist durch den Vorrang der Ver-handlungslösung. Das ist aus deutscher Sicht durchaus etwas Revo-lutionäres. Sie alle wissen, dass die gesetzliche Mitbestimmung nachden DrittelbeteiligungsG auch nach dem MitbestG, erst recht diejeni-ge nach der Montan-Mitbestimmung, festgezurrt ist und im Prinzipkeinen Raum lässt für Gestaltung und Verhandlung zwischen demOrganwalter der Gesellschaft und den Repräsentanten der Arbeit-nehmer. Im SEBG haben wir nun erstmals dieses privatautonome E-lement, und schon dies – da sollte man klar sehen – ist durchaus et-was, das die SE positiv abhebt gegenüber den Rechtsformen des na-tionalen Rechts. Selbstverständlich muss man – Herr Marsch-Barnerhat das bereits angedeutet – künftig, wenn man Verhandlungslösun-gen über Mitbestimmungsfragen ereichen will, nicht mehr notwendi-gerweise den Weg der SE gehen, es genügt auch eine grenzüber-schreitende Verschmelzung, und jede Gesellschaft die etwas auf sich

14 Seit Oktober 2007 ist Prof. Habersack Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerli-ches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

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hält, zumal wenn Mitbestimmungsfragen sich stellen, verfügt gewissüber eine ausländische Tochtergesellschaft oder kann diese schnellherbeizaubern und sodann über den Weg einer grenzüberschreiten-den Verschmelzung das Verhandlungsverfahren eröffnen. Es ist dieskein Exklusivitätsanspruch mehr der SE. Gleichwohl handelt es sichum eine durchaus sehr bemerkenswerte Entwicklung, die allerdings,auch darauf hat Herr Marsch-Barner bereits hingewiesen, eine gewis-se Einschränkung in inhaltlicher Hinsicht dadurch erfährt, dass sichdas SEBG, das in Ausführung der Richtlinie über die Beteiligung derArbeitnehmer in der SE ergangen ist, die Mitbestimmungssicherungschon auf der Ebene der Verhandlungslösung auf die Fahnen ge-schrieben hat, zu einem Gutteil freilich in Umsetzung entsprechenderVorgaben der Richtlinie, so dass der, der hieran etwas ändern möch-te, seine Forderungen an den europäischen Richtlinien-Geber zu ad-ressieren hat.

Am stärksten haben wir die Mitbestimmungssicherung – auch daraufhat Herr Marsch-Barner bereits hingewiesen – auf der Ebene desFormwechsels, hier gibt es ein strenges Vorher-Nachher-Prinzip wasden Grad der Mitbestimmung betrifft. Wir werden sehen, ein span-nendes Thema ist die Größe des Aufsichtsrats. Insoweit gibt es keineMitbestimmungssicherung. Auch beim Formwechsel kann deshalbder Aufsichtsrat verkleinert werden; eine Einbuße an Mitbestimmungist mit dem Verlust von Mandaten erst dann verbunden, wenn mitdiesem Verlust kein entsprechender Verlust der Anteilseignermandateeinhergeht.

Bezogen auf Verschmelzung und Holding bzw. Tochter-SE darf ichSie auf die im Einzelnen sehr technischen Vorschriften in § 15 Abs. 3SEBG verweisen, wo Sie besondere Voraussetzungen, Schwellenwertefür die Beschlussfassung innerhalb des Verhandlungsgremiums ha-ben, wenn Sie im Verhandlungswege eine Minderung der Mitbe-stimmung erreichen wollen. Hier erfordert die Preisgabe des mitbe-stimmungsrechtlichen Status quo durch das besondere Verhand-lungsgremium eine erhöhte Legitimation in Form einer qualifiziertenBeschlussfassung durch das besondere Verhandlungsgremium.

2. Ein weiteres Kennzeichen der Mitbestimmung in der SE bilden dieAuffangregelungen der §§ 34 ff. SEBG und die Absicherung des mit-bestimmungsrechtlichen Status quo – auch des im Verhandlungswe-ge erzielten – durch die ungemein wichtige Vorschrift des § 18 Abs.3 SEBG betreffend strukturelle Änderungen. Hierauf werde ich imLaufe des Vortrags zurückkommen. Auch diese Vorschrift geht übri-

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gens auf die Ergänzungsrichtlinie zurück, ist also keine Erfindungdes deutschen Gesetzgebers.

Ein weiterer Grundsatz, den ich einleitend erwähnen möchte, lautet,dass die Richtlinie und das SEBG nicht zwischen der dualistisch ver-fassten und der monistisch verfassten SE unterscheiden. Die SE-Richtlinie weist insoweit einen nicht ganz unbeträchtlichen Unter-schied zur Richtlinie über die grenzüberschreitende Verschmelzungauf. Deren Art. 16 Abs. 4 erlaubt es immerhin den Mitgliedstaaten,bei Wahl der monistischen Verfassung der Zielgesellschaft die Mitbe-stimmung auf ein Drittel zu limitieren. Diese Option kennt die SE-Richtlinie nicht, und in der Folge stellt sie sich auch für den deut-schen Gesetzgeber, jedenfalls aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen,erst gar nicht die Frage, ob er für die monistisch verfasste SE gewisseLockerungen in der Mitbestimmung vorsieht. Hier waren ihm jeden-falls gemeinschaftsrechtlich die Hände gebunden. Eine andere Frage,auf die wir noch kurz zurückkommen werden, ist, ob das Verfas-sungsrecht der Mitbestimmung in der monistischen SE Grenzen setzt.

II. Die verhandelte Mitbestimmung

1. Hier muss man zunächst sehen, dass der Abschluss einer Mitbestim-mungsvereinbarung oder ein Beschluss des besonderen Verhand-lungsgremiums, dass eine Mitbestimmungsvereinbarung nicht ge-troffen wird, Eintragungsvoraussetzung der SE ist. Hier stellt sichdas schöne und auch schon instanzgerichtlich erörterte Problem, oban der Durchführung des Verhandlungsverfahrens auch bei Arbeit-nehmerlosigkeit der beteiligten Gesellschaften festzuhalten ist. Einsehr schwieriges Problem, weil dies nicht autonom auf der Basis desdeutschen Rechts, sondern unter Berücksichtigung der klaren Vorga-be des Art. 12 Abs. 2 SE-VO gelöst werden kann. Aus nationalerSicht würde man sagen, dass in Fällen, in denen es gar keine Arbeit-nehmer gibt, auch kein Raum für ein Verhandlungsverfahren ist, unddie Instanzgerichte haben dies im Ergebnis sehr zu Recht tatsächlichauch so entschieden, soweit die Gründungsgesellschaften arbeitneh-merlos sind. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass die zu grün-dende SE über keine Arbeitnehmer verfügen soll. Für diesen Fall istdas Verhandlungsverfahren durchzuführen, und zwar mit Blick dar-auf, dass nach Gründung der SE Arbeitnehmer eingestellt werdenkönnen.

Ob allerdings bei gänzlicher Arbeitnehmerlosigkeit der Gründungs-gesellschaften ein Verzicht auf das vorgeschaltete Verhandlungsver-fahren mit den Vorgaben der SE-VO vereinbar ist, kann definitiv nur

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der EuGH beantworten, denn der hat bekanntermaßen das Ausle-gungsmonopol hinsichtlich der europäischen Vorgaben. Auch dieSE-VO hat allerdings den Fall der Arbeitnehmerlosigkeit nicht be-dacht. Der EuGH müsste dann schon sagen, wie denn ein Verhand-lungsverfahren aussehen soll, wenn es nicht einmal auf der Ebeneder Gründungsgesellschaften Arbeitnehmer gibt. Aber gänzlich aus-geschlossen ist die Unvereinbarkeit der erwähnten instanzgerichtli-chen Rechtsprechung mit dem europäischen Recht deshalb nochnicht.

2. Wichtig ist, dass die Mitbestimmungsvereinbarung als solche keineRechtsquelle gesellschaftsrechtlicher Art ist. Sie ist denn auch in Art.9 der SE-VO nicht genannt. Das macht schon deshalb Sinn, weil siein die Satzung inkorporiert werden muss. Deshalb bestimmt Art. 12Abs. 4 der SE-VO, dass die Satzung nicht in Widerspruch zum Inhaltder Mitbestimmungsvereinbarung stehen darf. Dieses Verbot wirftgewiss große praktische Probleme auf, wenn Sie sich das Beispiel derAllianz SE vor Augen führen. Dort haben die Aktionäre über dieVerschmelzung abgestimmt und damit auch schon über den Sat-zungsentwurf der künftigen Allianz SE, längst bevor das Mitbestim-mungsverfahren durchlaufen war. Wäre es nun im Zuge der Ver-handlung über die Mitbestimmung zu Abweichungen gegenüber demvon den Aktionären bereits gebilligten Satzungsvorschlag betreffenddie Allianz SE gekommen, hätte erneut eine Hauptversammlung derAllianz AG stattfinden und über die Modifikation des Satzungsent-wurfs abstimmen müssen.

Die SE-VO sieht für den Fall übrigens in Art. 12 Abs. 4 S. 2 eine ArtFassungsänderung vor, wie wir sie in § 179 Abs. 1 S. 2 AktG ken-nen. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Option allerdings kei-nen Gebrauch gemacht.

3. Umstritten ist, was überhaupt Gegenstand einer Mitbestimmungsver-einbarung sein kann. Schon der Umstand, dass die Mitbestimmungs-vereinbarung, was ihre gesellschaftsrechtlichen Regelungsgegens-tände betrifft, als solche keine Rechtsquelle ist, vielmehr Art. 12 Abs.4 SE-VO bestimmt, dass die Satzung entsprechend anzupassen ist,zeigt, dass Raum für Mitbestimmungsautonomie nur insoweit be-steht, als auch Satzungsautonomie besteht. GesellschaftsrechtlicheRegelungen können also allenfalls insoweit Gegenstand einer Mitbe-stimmungsvereinbarung sein, als auch der Satzungsgeber diese Ge-genstände regeln könnte. Denn er ist gehalten, die Mitbestimmungs-vereinbarung sodann in der Satzung wieder abzubilden. Deshalbmeine ich, das Fragen über die Bildung und Zusammensetzung von

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Ausschüssen, sonstige Fragen der inneren Ordnung wie die Wahlvon Funktionsträgern nicht Gegenstand einer Mitbestimmungsver-einbarung sein können. Es ist dies die Autonomie des Aufsichtsrats,in die der Satzgeber nicht hineinregieren darf, und in der Folge kön-nen derlei Fragen auch nicht Gegenstand einer Mitbestimmungsver-einbarung sein.

Neben der Satzungsautonomie, meine ich, dass die Mitbestimmungs-relevanz eine weitere Voraussetzung bildet für die Zulässigkeit ge-sellschaftsrechtlicher Regelungen in einer Mitbestimmungsvereinba-rung. Ein Grenzfall bildet insoweit gewiss die Größe des Aufsichts-rats. Sie wissen, dass dies Gegenstand von kontroversen Diskussio-nen im Zusammenhang mit der Allianz SE war, auch im Zusammen-hang mit der BASF hat die Arbeitnehmerseite bereits verlautbarenlassen, dass ihr der Vorschlag eines 12er-Aufsichtsrats ganz garnicht gefällt und man hierüber im Rahmen der Verhandlungslösunggerne sprechen würde. Ich meine allerdings, dass die Größe des Auf-sichtsrats nicht Gegenstand einer Mitbestimmungsvereinbarung seinkann, wohl wissend, dass die Frage kontrovers diskutiert und auchkeineswegs einheitlich beantwortet wird. Es fehlt ihr an der Mitbe-stimmungsrelevanz. Die Satzungsautonomie ist gewiss gegeben, dieMitbestimmungsrelevanz dagegen nicht. Die Gegenansicht stütztsich vor allem auf § 17 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes zur SE. Die-ser § 17 Abs. 2 steht im Zusammenhang mit § 17 Abs. 1, der dieVorgaben zum Aufsichtsrat der SE im Einzelnen wie folgt regelt. DasAufsichtsorgan besteht danach aus drei Mitgliedern, die Satzungkann eine bestimmte höhere Zahl festsetzen. Die Zahl muss durchdrei teilbar sein. Und dann kommt eine Regelung über die Höchst-zahl der Aufsichtsratsmitglieder. Abs. 2 sagt sodann: „Die Beteili-gung der Arbeitnehmer nach dem SE-Beteiligungsgesetz (SEBG)bleibt unberührt“. Aus diesem § 17 Abs. 2 SEAG meint man nunherleiten zu können, dass auch die Größe des Aufsichtsrats als solcheund vor allem auch der Verzicht auf das Drei-Teilbarkeitserfordernis,wie wir es in § 17 Abs. 1 geregelt haben, Gegenstand einer Mitbe-stimmungsvereinbarung sein kann, weshalb etwa bei der Allianz SEin Frage stand, statt des von der Hauptversammlung zunächst gebil-ligten 12er-Aufsichtsrat einen 14er- oder 16er-Aufsichtsrat einzu-führen.

Ich meine, dass der § 17 Abs. 2 diese Auslegung nicht hergibt. § 17Abs. 2 will nur sicherstellen, dass die Vorgaben des SEBG hinsicht-lich des Mitbestimmungsgrades gewahrt bleiben. In der Folge solldie Satzung, wenn die SE – sei es, weil dies verhandelt worden istoder die Auffangregelung dies vorsieht – über eine paritätische Mit-

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bestimmung verfügt, nicht einen Dreier-Aufsichtsrat bzw. einen nurdurch drei teilbaren Aufsichtsrat vorsehen dürfen, also etwa einenaus neun Personen bestehenden Aufsichtsrat. § 17 Abs. 2 SEAGwürde es in diesem Fall gebieten, dass die Zahl der Aufsichtsratsmit-glieder nicht nur durch drei, sondern zusätzlich auch durch zweiteilbar ist. Das ist in meinen Augen die einzige Funktion der Vor-schrift. Dagegen soll § 17 Abs. 2 SEAG nicht Verhandlungen überdie Größe und einen Verzicht auf das Drei-Teilbarkeitserfordernisdes § 17 Abs. 1 SEAG erlauben. Erstaunlicher Weise legt die Gegen-ansicht den § 17 Abs. 2 denn auch nur in dem Sinne aus, dass gera-de das Erfordernis des § 17 Abs. 1 S. 3 SEAG verhandelbar sei. Kon-sequent wäre es hingegen, wollte man in § 17 Abs. 2 eine umfassen-de Grundlage von Mitbestimmungsautonomie auch hinsichtlich derGröße des Aufsichtsrat erblicken, auch die sonstigen Vorschriften,insbesondere die Vorschriften über die Höchstzahl und die Mindest-zahl der Aufsichtsratsmitglieder als dispositiv anzusehen. Das aberwird von niemandem ernsthaft vertreten. Schon dies zeigt meinesErachtens, dass § 17 Abs. 2 SEAG für die Gegenansicht nichts her-gibt und die Vorschrift einzig und allein die Funktion hat, das imVerhandlungswege oder qua Auffangregelung eingreifende Verhält-nis zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmersitzen abzusichern ge-gen Satzungsregelungen, die dieses anteilmäßige Verhältnis nichtwiedergeben können. Aber noch einmal, es ist dies Gegenstand ganzheftiger Kontroversen. Ich will auch nicht verschweigen, dass sich inden Materialien zur Mitbestimmung in der europäischen Genossen-schaft wie auch wortgleich in den Materialien zum MgVG, zum Ge-setz über die Mitbestimmung bei grenzüberschreitender Verschmel-zung, der Passus findet, dass auch die Größe des Aufsichtsrats ver-handelbar sei. Wir alle wissen allerdings, dass der sogenannte Willedes Gesetzgebers – der Referenten, die die Gesetze zimmern – nureinen von mehreren Gesichtspunkten im Rahmen der Auslegung bil-det. Nach meinem Dafürhalten geben die recht diffusen Bemerkun-gen in den Materialien zum SE-BG und zum MgVG keinen Anlass,von der Ihnen vorgestellten Position abzurücken.

Einen Grenzfall bilden Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 S.2 AktG. Allerdings gibt es hinsichtlich der Frage, ob Gegenstand ei-ner Mitbestimmungsvereinbarung etwa sein kann, dass der mitbe-stimmte Aufsichtsrat über die Einstellung von Führungspersonal o-der über die Verlagerung von Betrieben und dergleichen mitzube-stimmen habe, keine besonders ausgeprägte Diskussion. Entschei-dend muss das Kriterium der Mitbestimmungsrelevanz sein. Nach-dem Zustimmungsvorbehalte nicht die Rechte der Arbeitnehmerver-treter, sondern die Kompetenzen des Aufsichtsrats als Organ betref-

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fen, meine ich, dass derlei Abreden in einer Mitbestimmungsverein-barung nichts zu suchen haben, und zwar in Ermangelung ihrer Mit-bestimmungsrelevanz, nicht dagegen mangels Satzungsautonomie.

Sie werden fragen: Was kann man denn überhaupt regeln? Unprob-lematisch ist natürlich der Anteil der Arbeitnehmervertreter. Das istgeradezu das Paradigma einer Regelung innerhalb der Mitbestim-mungsvereinbarung. Unproblematisch ist das Bestellungsverfahrenin Bezug auf die Arbeitnehmervertreter. Dieses ist in § 36 des SEBGfür den Fall, dass die gesetzliche Mitbestimmung greift, sehr kom-plex geregelt und lässt sich sicher anderes regeln. Hier kann manetwa auch die Einbeziehung von Arbeitnehmervertretungen ausDrittstaaten vorsehen, hier kann man die Regelung über die interna-tionale Sitzverteilung modifizieren. All dies ist möglicher Gegens-tand einer Mitbestimmungsvereinbarung. Entsprechendes gilt für dieFestlegung von Neuverhandlungstatbeständen im Sinne des § 18Abs. 3 SEBG.

III. Auffangregelung

Überwiegend wird in dieser Auffangregelung ein Konstruktionsfehler derRichtlinie gesehen, schlicht deshalb, weil die Arbeitnehmerseite in dieVerhandlungen mit höchstem Komfort gehen kann, wenn sie sicher ist,dass sich bei einem Scheitern der Verhandlungen ohnehin der höchsteMitbestimmungsstandard durchsetzt. Allerdings ist die Auffangregelung– wie erwähnt – in der Beteiligungsrichtlinie vorgesehen; sie steht des-halb als solche nicht zur Disposition des nationalen Gesetzgebers.

Die Voraussetzungen für das Eingreifen der Auffangregelung ergebensich im Einzelnen aus § 34 SEBG, und auch hier haben wir die Unter-scheidung wieder zwischen dem Formwechsel und den sonstigen Fällender Gründung der SE. Für den Formwechsel genügt es, dass in eine derbeteiligten Gesellschaften eine Form der Mitbestimmung bestanden hatund die Verhandlungen gescheitert sind. In der Folge setzt sich die Mit-bestimmung in der SE fort. Bei der Verschmelzung, Tochter- und Hol-ding-SE bedarf es zusätzlich des Überschreitens bestimmter Schwellen-werte. SEBG und SE-Richtlinie sind insoweit weniger großzügig als dieRichtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzung, wo der Schwellen-wert bei der Verschmelzung von 25% auf 33 1/3% aufgestockt wordenist.

Die Reichweite der Mitbestimmung ergibt sich in Einzelnen aus § 35SEBG. Auch hier überrasche ich Sie nicht, wenn ich Sie darauf hinweise,dass beim Formwechsel ein strenges Vorher-Nachher-Prinzip gilt. Hier

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gibt es, was den Umfang der Mitbestimmung betrifft, keinerlei Abwei-chungen gegenüber der Gesellschaft, aus der die SE hervorgegangen ist.Das gilt auch beim Wechsel in das monistische System, eine paritätischmitbestimmte AG, die in die SE wechselt und die monistische Verfassungwählt, unterliegt also nach wie vor der paritätischen Mitbestimmung.

Die Mitbestimmungssicherung bezieht sich allerdings nur auf den Anteilder Arbeitnehmervertreter, nicht auf deren Gesamtzahl. Es besteht alsodie Möglichkeit, im Zuge des Formwechsels einer AG mit 20-köpfigem-Aufsichtsrat eine SE mit 12-köpfigem Aufsichtsorgan zu schaffen. BeiEingreifen der Auffangregelung bleibt es bei der Parität unter Berück-sichtigung der verringerten Zahl der Aufsichtsräte. Entsprechendes giltbei Verschmelzung und den übrigen Gründungsfällen, und zwar auch in-soweit unabhängig von der Wahl der monistischen oder der dualisti-schen Verfassung. Herr Marsch-Barner hat bereits darauf hingewiesen,dass es in der SE-VO (Art. 42, 45 und 50 Abs. 2) Mechanismen gibt, diedas leichte Übergewicht der Anteilseignerseite sichern. Ergänzend sei fürdie paritätisch mitbestimmte monistisch verfasste SE auf die Vorschriftdes § 35 Abs. 3 SEAG hingewiesen, wonach bei Stimmrechtsausschlusseines Anteilseignervertreters dessen Stimmrecht vom Verwaltungsrats-vorsitzenden ausgeübt wird; hierdurch soll sichergestellt werden, dassbei Eingreifen eines Stimmverbotes die Parität und das leichte Überge-wicht der Anteilseignerseite gewahrt bleiben. Auch besteht nach demdeutschen Modell der monistisch verfassten SE die Möglichkeit, Dritte(also nicht dem Verwaltungsrat angehörende Personen) zu geschäftsfüh-renden Direktoren zu bestellen, um hierdurch auf der Ebene der nicht ge-schäftsführenden Direktoren die Parität zwischen Anteilseigner- und Ar-beitnehmervertretern zu wahren. Ob dies und § 35 Abs. 3 SEAG ausrei-chen, den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit, der gegenüber der Rege-lung der Mitbestimmung in der monistisch verfassten SE erhoben wird,auszuräumen, bleibt abzuwarten. Wir erinnern uns, dass das Bundesver-fassungsgericht im Zusammenhang mit dem Mitbestimmungsgesetz 76entschieden hat, dass die dort vorgesehene paritätische Mitbestimmungin der dualistisch verfassten AG verfassungsrechtlich unter Berücksichti-gung des leichten Übergewichts, wie es der Anteilseignerseite in Gestaltder Vorschriften über den Aufsichtsratsvorsitzenden zukommt, noch zuakzeptieren ist. Das Ausmaß der Mitbestimmung in der monistisch ver-fassten SE geht schon wegen des sehr viel weitergehenden Kompetenzbe-reichs des Verwaltungsrats gegenüber einem Aufsichtsrat – Initiativrechtgegenüber geschäftsführenden Direktoren, Mitsprache in sämtlichen Fra-gen der Geschäftsführung – deutlich hinaus, weswegen die Frage derVerfassungskonformität dieser Regelung durchaus im Raume steht.

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Nur kurz hinweisen möchte ich Sie auf das Verfahren der Sitzverteilungund der Bestellung der Arbeitnehmervertreter. Hier wissen Sie, dass nach§ 36 SEBG ein Proporz internationaler Art zu wahren ist. Die Sitze wer-den auf die Mitgliedstaaten verteilt, so dass es zur Repräsentanz der aus-ländischen Arbeitnehmer kommt. Leitende Angestellte allerdings erlan-gen nur unter besonderen Voraussetzungen einen Pflichtsitz. Wer alsoauf die Repräsentanz der leitenden Angestellten im Aufsichtsrat Wertlegt, der kann dies nur erreichen, wenn auf die inländischen Arbeitneh-mer mehr als sechs Arbeitnehmersitze entfallen. Das ergibt sich im Ein-zelnen aus §§ 36 Abs. 3 S. 2 6 Abs. 4 SEBG. Das führt de facto vielfachdazu, dass der Pflichtsitz des leitenden Angestellten dann nicht mehr ge-geben ist.

Auf den „Arbeitsdirektor“ – genauer: das für den Bereich Arbeit und So-ziales zuständige Mitglied des Leitungsorgans – hat Herr Marsch-Barnerbereits hingewiesen. Er ist zu bestellen, allerdings verzichtet das SEBG in§ 38 Abs. 2 auf das Erfordernis einer gleichberechtigten Stellung, so dassdem Vorsitzenden des Leitungsorgans in der Tat ein Vetorecht einge-räumt werden kann. Umgekehrt geht die Vorgabe des § 38 Abs. 2 SEBGüber das Drittelbeteiligungsgesetz hinaus, das einen „Arbeitsdirektor“nicht kennt.

Wichtig ist schließlich, dass das MitbestG unanwendbar ist, wie sich imEinzelnen aus § 47 Abs. 1 Nr. 1 SEBG ergibt. Der deutsche Gesetzgeberhätte die subsidiäre Geltung des MitbestG anordnen können, was die Be-schlussfassung im Aufsichtsrat betrifft. Er hat davon Abstand genom-men. In der Folge gelangen die §§ 27 ff., 31 und auch §§ 32, 33 des Mit-bestG nicht zur Anwendung. Die tastsächliche Beschlussfassung undauch die Kompetenzen des mitbestimmten Aufsichtsrats der SE unter-scheiden sich deshalb nicht unerheblich von derjenigen des mitbestimm-ten AG-Aufsichtsrats. Ich brauche das hier nicht im Einzelnen zu referie-ren. Der Sache nach kann man sagen, dass an die Stelle der §§ 27 ff., 31ff. des MitbestG die Beschlussfassung nach dem AktG tritt, allerdings un-ter Berücksichtigung der besonderen Vorgaben der SE-VO und desSEAG.

IV. Besondere Aspekte

Es wurde schon betont, dass die SE keine originär mitbestimmte Rechts-form ist. Anders als Gesellschaften nationalen Rechts verdankt sie ihrenMitbestimmungsstatus und die Tatsache, dass sie mitbestimmt ist, alleindem Umstand, dass eine ihrer Gründungsgesellschaften der Mitbestim-mung unterliegt. Vorbehaltlich struktureller Änderungen, die ich bereitsals solche erwähnt habe, wird deshalb das Mitbestimmungsstatut der

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einmal gegründeten SE eingefroren. Herr Marsch-Barner hat schon dar-auf hingewiesen, dass man das Hineinwachsen in das DrittelbG oder indas MitbestG hierdurch ggf. vermeiden kann. Es ist dies allerdings keineEinbahnstraße. Wenn die Gesellschaft nach nationalem Recht aus derMitbestimmung herausfallen würde, weil sie die Voraussetzungen einermitbestimmten Rechtsform nationalen Rechts nicht mehr erfüllt, bleibtsie als SE grundsätzlich unverändert mitbestimmt. Es kommt also sowohlnach oben als auch nach unten zu einem Einfrieren des Mitbestim-mungsstatuts.

Interessant ist, dass das SEBG eine besondere Vorschrift über die Kon-zernmitbestimmungen nicht kennt. Während nach § 5 MitbestG und § 2Abs. 2 des DrittelbG – Entsprechendes gilt für den Bereich der Montan-mitbestimmung – die Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften der Mut-tergesellschaft zuzurechnen sind, sind bei der SE Veränderungen in derKonzernstruktur allenfalls über §§ 18 Abs. 3 des SEBG abzubilden. In derFrage, wann im Einzelnen eine strukturelle Änderung vorliegt, gibt es imWesentlichen zwei Meinungsströme. Die erste Ansicht, die den Wortlautfür sich hat, meint, dass es sich um eine strukturelle Änderung der SEselbst handeln muss, so dass vor allem der Tatbestand der Verschmel-zung einer Gesellschaft auf die bereits existierende SE eine strukturelleÄnderung darstelle. Die Gegenansicht dagegen meint, dass auch der Be-teiligungserwerb eine strukturelle Änderung darstelle. Das ist freilich vondem geltenden deutschen Recht der Mitbestimmung her gedacht, mithindem Modell der Konzernmitbestimmung nach § 5 MitbestG und § 2 Abs.2 DrittelbG. Das Modell der SE ist indes ein anderes, es kennt keine strik-te Konzernzurechnung, und deswegen ist die erstgenannte Ansicht zufavorisieren, die für das Vorliegen einer strukturellen Änderung – demWortlaut des § 18 Abs. 3 SEBG folgend – eine Änderung der Struktur derSE selbst verlangt. Aber auch das ist eine ganz und gar offene Streitfra-ge.

Eng mit Vorstehendem zusammen hängt die Erkenntnis, dass die Teil-konzernregelung des § 5 Abs. 3 MitbestG auf die SE unanwendbar ist.Nach dieser Vorschrift findet bekanntlich auf der Ebene einer unterhalbder Konzernspitze angesiedelten Gesellschaft die Konzernzurechnungstatt, wenn die Konzernspitze selbst dem MitbestG nicht unterliegt. Daswirft die Frage auf, ob diese Vorschrift auf eine Zwischenholding deut-schen Rechts zur Anwendung gelangt, wenn es sich bei der Konzernspit-ze um eine SE handelt. Am Beispiel der Allianz etwa wäre zu fragen, obdie Allianz Deutschland AG der Vorschrift des § 5 Abs. 3 des MitbestGunterliegt, oder ob für diese Vorschrift schlicht deshalb kein Raum ist,weil die Allianz SE als Konzernspitze der Mitbestimmung nach demSEBG unterliegt. Ich persönlich meine, dass nur Letzteres richtig ist, und

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deute auch das Meinungsbild in diesem Sinne. Im Falle der Allianz hatsich die Frage nicht gestellt, weil die Allianz Deutschland AG ohnehinder Mitbestimmung nach dem MitbestG unterliegt, weil sie als solche ei-ne Vielzahl von Arbeitnehmern hat, die sie in das MitbestG hineinbrin-gen. Aber auch unabhängig von diesem Fall meine ich, dass für das Ein-greifen § 5 Abs. 3 MitbestG in Fällen, in denen die Konzernspitze als SEverfasst ist, aus zwei Gründen kein Raum ist. So enthält Art. 10 SE-VOein besonderes Diskriminierungsverbot, welches es ausschließt, die SEanders zu behandeln als eine AG nationalen Rechts. Ist die Konzernspitzeeine AG, ist § 5 Abs. 3 MitbestG unanwendbar; dann aber kann es ausGründen des europäischen Rechts – eben des Diskriminierungsverbots –nicht anders sein, wenn es sich bei der Konzernspitze um eine SE han-delt. Es kommt hinzu, dass eine Mitbestimmungslücke, wie sie die Teil-konzernregelung des § 5 Abs. 3 MitbestG schließen soll, schon aufgrunddes Mitbestimmungsstatuts der SE nicht besteht. § 5 Abs. 3 hat den Fallvor Augen, dass die Konzernspitze keinerlei Mitbestimmung unterliegt,dass es sich etwa um eine Limited handelt oder um eine Personengesell-schaft oder um eine Stiftung. Die SE als Konzernspitze ist hingegen vomTelos des 5 Abs. 3 MitbestG nicht erfasst, schlicht deshalb, weil die SE inhohem Maße mitbestimmt ist.

V. Wie viel Mitbestimmung verträgt die SE?

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um Regelungen undVorgaben des europäischen Rechts handelt und man einräumen muss,dass der deutsche Gesetzgeber nur vereinzelt über die Mindestvorgabendes europäischen Rechts hinausgegangen ist, muss man sagen, dass dereuropäische Gesetzgeber gut daran täte, die Erfahrungen mit der Mitbe-stimmung bei der SE im Licht der nicht unerheblichen Modifikationen,die die Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer bei grenzüber-schreitender Verschmelzung aufweist, alsbald zu überdenken, und erwird dies wohl auch tun. Ich möchte hinweisen auf einige nicht unerheb-liche Unterschiede. So kann – erstens – die Leitung der Gesellschaft imFalle der grenzüberschreitenden Verschmelzung auf das Verhandlungs-verfahren verzichten und hierdurch den gesamten Prozess der Ver-schmelzung und Neugründung erheblich abkürzen – ein ganz erheblicherpraktischer Vorteil, der nicht auf Kosten der Mitbestimmung geht, da esja bei der Auffangregelung bewendet. Sehr stark ausgeprägt ist – zwei-tens – die Mitbestimmungssicherung auf der Verhandlungsebene – hiersollte man noch einmal überlegen, ob man dem Gedanken der Verhand-lungslösung nicht stärker Rechnung tragen und auch Abschwächungengegenüber dem Ist-Zustand der Mitbestimmung stärker als bislang ak-zeptieren sollte. Die Auffangregelung als „default rule“ ist in meinenAugen – drittens – missglückt. Hier würde ich mich den rechtspolitischen

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Forderungen anschließen, die als Auffangregelung allenfalls eine Drittel-parität vorsehen möchten. Eine Verhandlungslösung im eigentlichenSinne liegt nur vor, wenn man nicht mit dem Höchstmaß an Mitbestim-mungssicherung in die Verhandlungen geht. Damit eng zusammenhän-gend sollte man – viertens – den Gedanken der Richtlinie über diegrenzüberschreitende Verschmelzung, dem nationalen Gesetzgeber beider monistisch verfassten Gesellschaft Erleichterungen zu ermöglichen,aufgreifen. De facto wäre dies keine Einbuße an Mitbestimmung sonderneine Kompensation für die erhöhten Mitspracherechte, die die Arbeit-nehmervertreter im Verwaltungsrat der monistisch verfassten SE haben.

Ein ganz kurzes Fazit also lautet: Die Mitbestimmung in der SE ist, wasdas Ausmaß und auch die Modalitäten betrifft, in vielerlei Hinsicht über-prüfungsbedürftig.

Gast

Die leitenden Angestellten sind nach dem Mitbestimmungsgesetz von1976 mit garantiertem Sitz im Aufsichtsrat vertreten. Die Erfahrungzeigt, dass das in Zukunft nicht mehr so sein wird. Deswegen interessiertmich Ihre These, Herr Professor Habersack, dass es eine strenge Dichoto-mie zwischen den beiden Rechtsquellen – der Satzung und der Mitbe-stimmungsvereinbarung- gibt. Sie liegt im Übrigen auf der Linie dessenwas man aus Frankreich hören kann. In Frankreich gibt es inzwischeneinen Bericht über die damit bisher gewonnene Erfahrung und dort wirddafür plädiert, dieses Junktim als Eintragungsvoraussetzung aufzuheben– das wäre genau in Ihrem Sinne. Dennoch frage ich mich, ob die Ver-hältnisse zwischen diesen beiden Rechtsquellen so einfach gesehen wer-den können und möchte gerne einen Fall dazu bilden.

Was passiert in dem Fall, dass eine Mitbestimmungsvereinbarung ord-nungsgemäß gekündigt ist, in der das Bestellungsverfahren vor Ablaufder Aufsichtsratperiode geregelt worden ist, und es kommt zu keinerweiteren Vereinbarung, weil sich die Verhandlungsparteien nicht auf ei-nen nachfolgende Regelung einigen können. Dann könnte die Bestellungdes nächsten Aufsichtsrates allenfalls dann noch erfolgen, wenn die Sat-zung praktisch die gesamte Mitbestimmungsvereinbarung inkorporierthätte. Dann frage ich mich allerdings, welchen Anwendungsraum dieMitbestimmungsvereinbarung dann noch hat?

An diesem Beispiel sehen sie, dass es möglicher Weise eine engere funk-tionale Verknüpfung zwischen der Satzung, der erforderlichen Änderungund der Mitbestimmungsvereinbarung gibt, so dass sich die klare Formel

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– Vorrang der Satzung – möglicher Weise so nicht aufrecht erhaltenlässt. Legt man diese Überlegungen zugrunde ergibt sich dann die weite-re Frage, ob Ihre Auslegung von § 12 Abs. 4 der SE-VO in Verbindungmit §§ 17 Abs. 1 und Abs. 2 in dieser Stringenz aufrechterhalten werdenkann. Ich gebe zu bedenken, dass § 21 Abs. 3 des SEBG klar davonspricht, dass der Anteil in der Mitbestimmungsvereinbarung festgelegtwerden muss.

Wenn Sie aber meiner These, dass es eine engere funktionale Verknüp-fung zwischen beiden Rechtsquellen gibt, folgen, dann können Sie diebeiden Fragen: Größe des Aufsichtsrates und Anteil unter Umständendoch nicht mehr so getrennt betrachten. Nachschieben möchte ich natür-lich die Bemerkung, dass die leitenden Angestellten per se keine Interes-se an der Aufblähung von Aufsichtsräten haben. Aber es gibt, darum bit-te ich um Verständnis, natürlich doch ein gewisses Interesse die Ein-flussmöglichkeiten zu erhalten. Vielen Dank!

Prof. Dr. Mathias Habersack

Vielen Dank für diesen sehr wertvollen Hinweis! Ich verstehe Sie so, dasses Ihnen vor allem um den Fall geht, dass das Mandat des leitenden An-gestellten ausläuft und auch die Mitbestimmungsvereinbarung gekündigtwird. Ihnen geht es dann um die Frage der Neuwahl und der Ergän-zungswahl des Aufsichtsrats. Insoweit meine ich, dass, wenn eine ent-sprechende Mitbestimmungsvereinbarung über die Zuordnung der Ar-beitnehmersitze nicht mehr besteht, dann natürlich die Auffangregelungeingreifen muss und es keinerlei Vorgaben mehr hinsichtlich der Persondes Arbeitnehmervertreters, der auf die freigewordene Stelle zu wählenist, gibt. In die Satzung kann eine entsprechende Besetzungsregelung na-türlich nicht aufgenommen werden. Es bewendet deshalb in jedem Fallbei § 36 SEBG. Ich glaube, dass dies ungeachtet einer von Ihnen erwoge-nen engeren Verzahnung von Mitbestimmungsvereinbarung und Sat-zung nicht anders beantwortet werden kann.

Gast

Sie sprachen für die Praxis das durchaus interessante Thema an, ob denndie Größe des Aufsichtsrats verhandelbar ist? Ich frage mich, ob das inder Praxis wirklich so eine große Rolle spielt, wenn ich das mit den Ar-beitnehmervertretern verhandeln müsste, mit denen ich ohnehin spre-chen muss, wenn ich die Auffanglösung vermeiden will. Wie soll ich esvermeiden, mit den Arbeitnehmervertretern auch über die Größe desAufsichtsrats zu sprechen, wenn sie sagen, dass das für sie dazu gehöre,dass sie sonst mit uns gar nicht reden?

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Prof. Dr. Mathias Habersack

Also, ich habe bereits den Ablauf angesprochen und vor allem die Vor-schrift des § 12 Abs. 4 SE-VO; mit dem von der Hauptversammlung ge-billigten Satzungsentwurf sind deshalb die Würfel schon gefallen, sofernSie nicht sagen, dass dann eben noch einmal eine Hauptversammlungeinberufen wird, die nunmehr über die geänderten Satzungsbestimmun-gen Beschluss fasst.

Ich räume natürlich ein, selbstverständlich können Sie sich im Vorfeldauch über die Größe des Aufsichtsrats verständigen, keine Frage, und ichdenke auch, dies sollte geschehen soweit es sich anbietet. Es geht aberauch um die Frage, ob das Drei-Teilbarkeitserfordernis des § 17 Abs. 1 S.3 SEAG abdingbar ist, ob sie also auch Zwischengrößen wählen könnenoder ob insoweit die gesetzliche Vorgabe zu respektieren ist, dass dieGröße des Aufsichtsrats durch drei jedenfalls teilbar sein muss und,wenn Sie zu einer paritätischen Mitbestimmung gelangen, zusätzlichdurch zwei.

Gast

Sie hatten in Ihrem Vortrag gesagt, dass es weitgehend unproblematischsei, die Grenzen der Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat abzu-senken, und insoweit auch von einem gewissen privatautonomen Ele-ment gesprochen. Die Privatautonomie hat aber auch ihre Grenzen. In-wieweit besteht eine Grenze, insbesondere im Hinblick auf einen voll-ständigen Verzicht auf die Beteiligung der Arbeitnehmer? Zum Einen alsverfassungsrechtliche Grenze, wenn man die Mitbestimmung zumindestnach nationalem Verfassungsrecht in ihrem Kern, für doch geboten hält,und zum Zweiten dahingehend, ob es nicht auch eine funktionaleSchranke der Autonomie gibt, nämlich vor dem Hintergrund, dass dieArbeitnehmervertreter möglicherweise gar nicht privatautonom handelnsondern als Sachwalter der repräsentierten Arbeitnehmer. Daran anknüp-fend dann die Frage: Inwieweit darf sich ein Sachwalter überhaupt selbstseiner Regelungsmacht begeben?

Prof. Dr. Mathias Habersack

Vielen Dank! Also, ich hatte auch hingewiesen auf die Sicherung desMitbestimmungsstandards bereits im Verhandlungsverfahren, auf der E-bene der Verhandlungslösung durch § 15 des SEBG: Unverzichtbarkeitbei Formwechsel, hohe Schwellenwerte für die Beschlussfassung beiVerschmelzungs-Tochter- und –Holding SE, und ich meine, dass für einezusätzliche Unverzichtbarkeit kein Raum sein kann. Es ist dies die Lö-sung, die die SE-Richtlinie vorsieht, die insoweit 1:1 in das deutsche

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Recht übernommen worden ist. Ihre These, dass es verfassungsrechtlichgeboten sein könnte, im Verhandlungsverfahren und in dem durch dasSEBG eröffneten Rahmen auf Mitbestimmungsrechte zu verzichten, ausdem Grundgesetz herleiten zu wollen, will mir ganz und gar nicht ein-leuchten. Schon bei dem System des deutschen Mitbestimmungsrechtshandelt es sich um einen Flickenteppich; hinzu kommen die gemein-schaftsrechtlich eröffnete Möglichkeit der Wahl der Rechtsform der Limi-ted und die grenzüberschreitende Verschmelzung mit nur befristeter Mit-bestimmungssicherung. All dies zeigt, dass die Annahme eines verfas-sungsrechtlich verbrieften und unverzichtbaren Mindeststandards anMitbestimmung kaum haltbar sein dürfe. Ich meine vielmehr, dass mandie Verhandlungsautonomie ausweiten und insbesondere auch für denFormwechsel in die SE einen Verzicht auf Mitbestimmungsrechte zulas-sen sollte.

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2.3 Die steuerliche Behandlung einer SE

Prof. Dr. Martin Wenz,Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre,Internationales und Liechtensteinisches Steuerrecht, Institutfür Finanzdienstleistungen, Hochschule Liechtenstein15

Es freut mich sehr, dass ich zum Thema SE etwas Positives berichtenkann, auch und speziell aus steuerlicher Sicht. Vor einem Jahr haben wiran dieser Stelle nicht nur darüber Wetten abgeschlossen, wie viele SE esdenn in Zukunft geben möge, sondern wir haben auch darüber gespro-chen, wie die steuerliche Behandlung der SE konkret aussehen wird. Daswar etwas problematisch, da wir die Rechtsgrundlagen – im konkretendas SE-Steuereinführungsgesetz – nicht präsentieren, sondern uns nurauf einen inoffiziellen Entwurf stützen konnten. Das ist jetzt anders: DasSE-Steuereinführungsgesetz wurde erlassen. Sie haben es, zusammen mitdem SE-Ausführungsgesetz und dem SE-Beteiligungsgesetz, in Ihren Ta-gungsunterlagen vorliegen.

Nun, worauf möchte ich eingehen? Ich möchte mich in die Niederungendes Steuerrechts begeben. Insoweit muss ich gleich zu Beginn um Ver-zeihung bitten. Ich kann solche spannenden Fragestellungen, wie sie sichaus der Themengruppe „Corporate Governance“ oder „Gestaltung derMitbestimmung“ ergeben können, die viel pro-aktiver sind, leider nichtansprechen.

Bei der Besteuerung geht es vielmehr darum, wie man – vielleicht einbisschen überspitzt formuliert – das Schlimmste verhindern kann. Kannman z. B. verhindern, dass auf dem Weg in die SE eine Besteuerung er-folgt, mithin ihre Gründung steuerneutral vor sich gehen kann. Wir wer-den uns das im Einzelnen ansehen. Ich starte mit der Ausgangssituation:Wo befinden wir uns heute in Deutschland, in Europa? Ich gehe dannauf das Steuerrecht der SE ein, sofern es ein SE-spezifisches Steuerrechtüberhaupt gibt, respektive auf die allgemeinen Bestimmungen. Dann be-trachten wir die drei Themenschwerpunkte: Gründung, laufende Besteue-rung und grenzüberschreitende Sitzverlegung der SE. Anschließend wer-den noch ein paar Anmerkungen zu Möglichkeiten der internationalenSteuerplanung und ein kurzes Fazit zur Besteuerung der SE folgen, mitdem ich es dann auch spätestens bewenden lassen will. Ich darf alles sa-

15 Frau Dipl.-Kffr. Gabriele Daisenberger, München/Vaduz, danke ich sehr fürdie grundlegende Unterstützung bei der Abfassung des Beitrages.

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gen, nur nicht länger als 25 bis 30 Minuten, wurde mir gesagt. Dement-sprechend ist das Tempo vielleicht nicht ganz so gemütlich wie erhofft.

Beginnen wir mit der Ausgangssituation. Insoweit möchte ich an das,was heute Vormittag bereits gesagt worden ist, anknüpfen. Wir habeneine vollständige Umsetzung der SE-Verordnung und der SE-Richtliniein allen insgesamt 30 Mitgliedstaaten der EU und des EWR zu verzeich-nen, d. h. mittlerweile auch in den beiden neuen EU-MitgliedstaatenBulgarien und Rumänien. Insofern ist dieses Thema „abgehakt“. Das istsehr erfreulich und übertrifft die Erwartungen von vielen, wenn ich dasein bisschen süffisant sagen darf, vor allem der Unkenrufer wegen, die inden letzten 15 Jahren doch sehr zahlreich waren. Ich bekunde gleich,warum ich das so pointiert thematisiere.

Wir haben aktuell nach einer Erhebung des Europäischen NetzwerkesSEEurope, in dem ich als Experte mitarbeiten darf, 102 SE, 97 davon inder EU und 5 in den EWR-Mitgliedstaaten, in Liechtenstein, Island undNorwegen (Stand September 2007). Genau genommen gibt es bislangzwei SE in Liechtenstein, drei in Norwegen und keine in Island. Das istder aktuelle Stand. Da kann man, wenn wir uns z. B. an die Diskussionzur Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) zurück-erinnern, sagen: Das ist nicht viel. Man kann aber auch sagen: Das istnicht wenig. Denn die SE ist keine Rechtsform für Jedermann, sondernsie ist eine Rechtsform, die ganz konkret für den Europäischen Binnen-markt und für grenzüberschreitende Themenstellungen geschaffen wor-den ist. Insoweit glaube ich, dass die SE viel erfolgreicher ist, als es ihrviele zugetraut haben. Insbesondere in Deutschland wurde zum Beispiellange thematisiert, ob die SE, respektive die unter dieser Rechtsform be-triebenen Unternehmen, einen Bogen um Deutschland machen würden.Eine derartige Entwicklung kann man aktuell empirisch nicht bestätigen,ganz im Gegenteil. Von den aktuell 102 bestehenden SE kommen 40 ausDeutschland.

Gestatten Sie mir noch zwei Anmerkungen zum Thema: „Rechtsformspe-zifische Vorteile der SE“: Europa wächst zusammen. Dementsprechendsoll die SE auch speziell eine Rechtsform für den Europäischen Binnen-markt sein. Thematisiert wurden bereits Fragen der grenzüberschreiten-den Gründung und Sitzverlegung sowie der Unternehmensleitung undUnternehmensüberwachung. Hier bietet die SE – und das wird zuneh-mend erkannt – einen interessanten Gestaltungsspielraum.

Der Bereich der Mitbestimmung ist ausführlich angesprochen worden. Eshandelt sich sicherlich um einen der ganz zentralen Bereiche. Ergänzendkommt dann die Besteuerung hinzu, die aber viel weniger pro-aktiv ist.

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Hier geht es darum, Steuerneutralität bei einer grenzüberschreitendenGründung oder Sitzverlegung sicherzustellen. Es geht primär also nichtdarum, irgendwelche Gestaltungsspielräume in besonderer Weise auszu-nutzen oder zu generieren, auch wenn dies nicht heißen soll, dass es der-artige Gestaltungsspielräume hie und da nicht doch gibt.

Unsere Ausgangsposition, nämlich die steuerrechtliche Ausgangslage inEuropa, verändert sich sehr sehr viel langsamer als in anderen Bereichen.Sie haben in der Kaffeepause vielleicht gesehen, dass sich im Betriebs-Berater wieder ein neuer Aufsatz zur Bedeutung des Europäischen Ge-richtshofs im Bereich der Besteuerung in Europa befindet. Der EuGH hateine große Bedeutung, alleine oder gerade deshalb, weil sich aktiv, wennman so will, so wenig tut. Wir haben Richtlinien aus dem Jahre 1990aber nicht viel mehr. Ansonsten gibt es bekanntermaßen die Grundfrei-heiten, das primäre Gemeinschaftsrecht, und damit einen Zustand, denwir – etwas überspitzt formuliert – seit 50 Jahren, sicherlich in etwasveränderter Form, kennen.

Wir haben also nur ein paar Hilfskonstruktionen, einige Steuer-Richtlinien von 1990: die Fusions-Richtlinie, die Mutter-Tochter-Richtlinie und die erst 2003 hinzugekommene Zinsen-Lizenzen-Richtlinie, die allesamt nur im Konzern Bedeutung besitzen. Flankierendkommen die Amtshilfe- und Beitreibungs-Richtlinie sowie das Schieds-abkommen hinzu.

Im EWR sieht es noch dürftiger aus. Denn dort haben wir ausschließlichdas EWR-Abkommen. Dies bedeutet, dass nur die Grundfreiheiten und,adressiert an die Mitgliedstaaten, das Verbot staatlicher Beihilfen ergän-zend zu berücksichtigen sind. Ein bisschen besser ist die Lage in derSchweiz, obwohl dieses Land nicht EWR-, sondern nur EFTA-Mitgliedund nur bilateral an die EU geknüpft ist. Für die Schweiz gilt zumindestdie Mutter-Tocher- und die Zinsen-Lizenzen-Richtlinie, die sie im Zu-sammenhang mit dem Zinsbesteuerungsabkommen für natürliche Perso-nen aushandeln konnte. Allen anderen Partnern der EU im Bereich derZinsbesteuerung natürlicher Personen, Liechtenstein, Andorra, Monacound San Marino, wurde dies dagegen verwehrt.

Das ist die Ausgangslage für die Besteuerung der SE. Insofern gibt eskein oder nur ein wirklich extrem rudimentäres, europäisches Steuerre-gime. Erst recht existiert kein spezifisch auf die SE zugeschnittenes euro-päisches Steuerregime.

Das hat in den SE-Verordnungsvorschlägen früherer Zeit, nämlich ausden Jahren 1970, 1975 und 1989, noch ein bisschen anders ausgesehen.

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Der Umfang steuerlicher Bestimmungen hat dann aber immer mehr ab-genommen und letzten Endes war keine einzige steuerliche Regelung inder SE-Verordnung mehr enthalten. Am Anfang ging es noch um Ansäs-sigkeit, Sitzverlegung, Gewinn- und Verlustausgleich und ähnliche in-ternational bedeutsame Fragen.

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte hat im Jahr 2004 eine um-fassende Studie veröffentlicht, in der relativ dezidiert aufgeführt wurde,dass eine Sonderbehandlung der SE eher ein Beihilfenproblem nach sichziehen als eine gute Lösung darstellen würde. Letztlich bedeutet dies,dass wir zur Besteuerung der SE nur auf die Grundfreiheiten und, imKontext der Themen Gründung und Sitzverlegung, insbesondere auf dieFusions-Richtlinie und die Änderungs-Richtlinie zur Fusions-Richtliniezurückgreifen können.

Was müssen wir uns dabei ansehen? Vier Ebenen, sozusagen zwei Malzwei Ebenen, stehen für uns im Fokus, nämlich die Gründungsgesell-schaften und deren Gesellschafter sowie die SE und deren Gesellschafter.Wir schauen uns diese Ebenen sowohl für das nationale als auch für dasinternationale Steuerrecht nachfolgend genauer an.

Grundlage der steuerrechtlichen Betrachtung ist zunächst immer das, wasuns das Gesellschaftsrecht vorgibt und zulässt: GrenzüberschreitendeFlexibilität und Mobilität in Form von grenzüberschreitenden Ver-schmelzungen, Holding- und Tochter-Gründungen sowie Umwandlungenund schließlich auch die grenzüberschreitende Sitzverlegung. Angesichtsdieser gesellschaftsrechtlichen Vorgaben verfügen wir, wenn man sowill, über keinen eigenen steuerlichen Ansatz, sondern müssen auf dasabstellen, was das Gesellschaftsrecht uns hier anbietet. Diese Vorgabenmüssen wir aber auch im steuerlichen Bereich einer angemessenen Rege-lung zuführen, wodurch das Gesellschaftsrecht auch steuerlich sinnvollergänzt wird.

Zentrale Maßstäbe hierfür sind, wie gesagt, die Grundfreiheiten und, einbisschen konkretisiert, die steuerliche Fusions-Richtlinie, die sich mitFragen der grenzüberschreitenden Fusion, Spaltung, Einbringung, demAnteilstausch und – neuerdings – auch mit Fragen der grenzüberschrei-tenden Sitzverlegung beschäftigt.

Man kann sich zunächst fragen, was die Fusions-Richtlinie eigentlich ist.Diese Richtlinie war lange Zeit nicht vollständig umgesetzt. Sie stammtaus dem Jahr 1990. Erst jetzt im SE-Steuereinführungsgesetz sind dieletzten Teile der Fusions-Richtlinie und die zugehörigen Änderungs-Richtlinien umgesetzt worden. Man kann sich weiter fragen: Braucht

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man diese Fusions-Richtlinie überhaupt oder stellt sie nicht nur eine ArtKonkretisierung dessen dar, was die Grundfreiheiten ohnehin vorgeben?Mit dieser Fragestellung sind wir wieder bei der Rechtsprechung des Eu-ropäischen Gerichtshofs angelangt. Je mehr man sich mit dieser Recht-sprechung beschäftigt, je mehr Urteile wir haben, um so eher kann manzu dem Ergebnis kommen, dass die Fusions-Richtlinie eigentlich nichtsanderes beinhaltet als das, was in den Grundfreiheiten ohnehin steht.Das ist für die EU vielleicht nicht ganz so wichtig. Für die EWR-Staatenist diese Einschätzung dagegen viel wichtiger, weil dort die Fusions-Richtlinie nicht gilt, die Vorgaben des Europäischen Gesellschaftsrechtsaber gleichwohl auch insoweit steuerrechtlich zu begleiten sind.

Die zweite Fragestellung ist, ob die Fusions-Richtlinie nicht vielleichtüber die Grundfreiheiten hinausgeht oder diese gar einzuschränken ver-sucht. Auf dieses Thema werden wir bei der grenzüberschreitenden Sitz-verlegung noch kurz zu sprechen kommen. Befassen wir uns zunächstmit dem Inhalt der Fusions-Richtlinie. Sie behandelt im Grunde zweiThemen. Das eine Thema ist die Sicherstellung der Steuerneutralität beieiner Vermögensübertragung, insbesondere – um zwei prominente Bei-spiele zu nennen – bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung undbei einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung. Das zweite Thema ist dieFrage, wie gewährleistet werden kann, dass die Mitgliedstaaten ihr Be-steuerungsrecht, das sie vor der grenzüberschreitenden Verschmelzungoder Sitzverlegung besaßen, auch nach der Verschmelzung oder nach derSitzverlegung noch ausüben können. Insofern gibt es ein Vorher-/Nachher-Prinzip, von dem im Bereich der Mitbestimmung bereits dieRede war, in einer ein bisschen abgewandelten Form auch im steuerli-chen Bereich.

Den Maßstab für die Beantwortung der zuvor beschriebenen Fragen gibtdie Fusions-Richtlinie wie folgt vor: Die Konzeption I besagt, wenn manso will, dass bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung oder bei ei-ner grenzüberschreitenden Sitzverlegung keine Besteuerung der Gesell-schaft, die ihre Vermögenswerte einbringt oder ihren Sitz verlegt, statt-finden soll. Diese Konzeption kommt immer dann zur Anwendung, wennin dem Staat, in dem am Ende keine Gesellschaft mehr vorhanden ist, ei-ne Betriebsstätte verbleibt, in der die betreffenden Wirtschaftsgüter, alsodas Aktiv- und Passivvermögen, steuerverhaftet bleiben. Das Konzept istrelativ unproblematisch umzusetzen, auch wenn man in Deutschlandsehr sehr lange hierfür brauchte. Wir kommen darauf gleich im Hinblickauf das SE-Einführungsgesetz zurück. Die Konzeptionen II und III bezie-hen sich ausschließlich auf ausländische, also nicht in Deutschland gele-gene Betriebsstätten.

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Daneben regelt die Fusions-Richtlinie auch, was mit Rückstellungen,Rücklagen, Verlustvor- und Verlustrücktragsmöglichkeiten geschieht, diezuvor bestanden haben und jetzt bei einer Gesellschaft nicht mehr beste-hen können, einfach weil diese Gesellschaft nicht mehr existiert. DieseRückstellungen, Rücklagen etc. sind von der jeweils aufnehmenden Ge-sellschaft im Rahmen der verbleibenden Betriebsstätte fortzuführen. EinVerlustvor-/-rücktrag ist in demselben Umfang zu ermöglichen, wie erauch im nationalen Bereich zugelassen wird. Insoweit gilt der Grundsatz,dass der Status quo auch nach der grenzüberschreitenden Verschmelzungoder Sitzverlegung erhalten bleibt.

Als letzten Punkt möchte ich auf die Besteuerung auf der Ebene der Ge-sellschafter eingehen. Eine derartige Besteuerung soll durch eine grenz-überschreitende Verschmelzung oder Sitzverlegung immer dann nichtausgelöst werden, wenn die Buchwerte, über die die Anteilseigner quasiverfügen müssen, fortgeführt werden können, d. h. wenn das Besteue-rungsrecht der jeweiligen Staaten auch insoweit nicht eingeschränktwird.

Sie haben das SE-Steuereinführungsgesetz vor sich. Es ist nicht ganzdünn und es ist auch nicht wenig komplex. Wie schaut die nationaleUmsetzung dieser europarechtlichen Vorgaben konkret aus? Die europa-rechtlichen Vorgaben knüpfen an die gesellschaftsrechtlichen Gestal-tungsmöglichkeiten an. Was gesellschaftsrechtlich möglich ist, soll auchsteuerlich flankierend vorgenommen werden können. Insofern knüpftdas SE-Steuereinführungsgesetz hier unmittelbar an die Richtlinie an, umzum einen steuerliche Hindernisse im grenzüberschreitenden Verhältniszu beseitigen und um zum anderen das nationale Steueraufkommen zusichern. Das klingt zunächst relativ einfach, da man denken könnte, dasnationale Steueraufkommen sei wohl auch in der Vergangenheit schonsichergestellt gewesen. Fehlanzeige! In der Vergangenheit gab es inso-weit – abgesehen von der von der Rechtsprechung entwickelten finalenEntnahmetheorie sowie dem Betriebsstättenerlass der Finanzverwaltung– keine gesetzlich kodifizierten Bestimmungen über eine Entstrickungoder eine Verstrickung, also die Überführung ausländischen Vermögensins Inland oder inländischen Vermögens ins Ausland. Insoweit sieht manauch, wie weit der Weg von unserem nationalen deutschen Steuergesetzzu einem halbwegs europarechtskonformen international ausgerichtetenSteuergesetz ist, wie national wir immer noch im deutschen Steuerrechtdenken und wie sehr der deutsche Steuergesetzgeber von der Panik be-sessen zu sein scheint, stille Reserven ins Ausland zu verlieren und des-halb versucht, jede Möglichkeit der Steuerplanung bereits im Keim zu er-sticken, dabei aber nicht selten über das Ziel hinausschießt.

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Nun, angedacht war eine Art Globalisierung des deutschen Umwand-lungssteuergesetzes, um all diejenigen Sachverhalte, die man vernünfti-ger Weise in Europa gesellschaftsrechtlich geregelt hat, auch steuerlichglobal zu ermöglichen: Sitzverlegungen, die Verbringung von Wirt-schaftsgütern ins Ausland sowie Verschmelzungen etc. Diese Vorschlägesind aber nicht in das SE-Steuereinführungsgesetz aufgenommen wor-den. Vielmehr hat man sich nach einem ursprünglich etwas breiteren ter-ritorialen Ansatz dann wieder sehr stark auf den Bereich der EU undteilweise auch auf den Bereich des EWR beschränkt. Im Gesetz gehen dieRegelungen mitunter durcheinander, z. T. wird auf die EU abgestellt, z. T.ist der EWR erfasst. Gelegentlich hat man den Eindruck, als hätten ganzunterschiedliche Abteilungen an den verschiedenen Passagen mitgewirkt.Das Umwandlungssteuergesetz wirkt insgesamt relativ liberal und mode-rat, das Körperschaftssteuergesetz und das Einkommensteuergesetz wir-ken dagegen eher strikt und begrenzend.

Zunächst ist die Entstrickung von Betriebsvermögen geregelt. Wenn Be-triebsvermögen ins Ausland übergeht, dann greift der Staat auch zukünf-tig auf die darin enthaltenen stillen Reserven zu. Es besteht aber fürWirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die in einen anderen EU-Mitgliedsstaat überführt werden, die Möglichkeit, für die aufgelöstenstillen Reserven einen Ausgleichsposten zu bilden, der im Jahr der Bil-dung und in den folgenden vier Jahren jeweils um 1/5 aufzulösen ist.Diese Ausgleichspostenmethode des § 4g EStG führt nicht zu einemSteueraufschub bis zur Realisierung der stillen Reserven, sondern stelltdurch den Effekt der Steuerstundung mit ratierlicher Zahlung lediglicheine Abmilderung extremer Härten dar. Voraussetzung für den Zugriffdes Staates ist jedoch, dass ihm das Steuersubstrat entgeht. Im Rahmeneiner Verschmelzung, bei der eine Betriebsstätte in Deutschland ver-bleibt, bedeutet dies beispielsweise, dass dem Staat gerade kein Steuer-substrat entgeht, vielmehr die ausländische SE mit ihren deutschen Be-triebsstättengewinnen zukünftig in Deutschland beschränkt steuerpflich-tig sein wird.

Daneben besteht das Problem der Entstrickung bei im Betriebsvermögengehaltenen Beteiligungen. Auch bei im Privatvermögen gehaltenen Be-teiligungen kann eine Entstrickung steuerliche Folgen auslösen. Dabeiholt uns auch wieder das Thema der wesentlichen Beteiligungen ein. Un-klar ist in diesem Zusammenhang, ob sich der Anwendungsbereich desSteueraufschubs für den fiktiven Veräußerungsgewinn der wesentlichenBeteiligung bei einer grenzüberschreitenden SE-Sitzverlegung nach § 17Abs. 5 EStG nur auf die EU oder auch auf den EWR erstreckt. Diese Frageist aktuell noch offen, sollte aber dem Anwendungsbereich der Grund-freiheiten folgend auch den EWR umfassen. Die Verstrickung von Be-

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triebsvermögen beim Transfer vom Ausland ins Inland ist ebenso einFall, der bis dato gesetzlich so nicht geregelt war. Die Neuregelungensind relativ knapp ausgefallen und, wie ich meine, ganz gut gelungen.

Gehen wir über zu den einzelnen Möglichkeiten der Gründung der SE.Die spannendsten Fälle sind sicherlich die grenzüberschreitende Ver-schmelzung verschiedener nationaler Aktiengesellschaften zu einer SEeinerseits und – aus empirischer Perspektive – die Umwandlung einernationalen AG in eine SE andererseits. Bei der Verschmelzung von zweiAktiengesellschaften – interessant ist vor allem der Fall der Heraus-verschmelzung, bei dem eine deutsche AG auf eine ausländische AG imWege der Neugründung oder Aufnahme übergeht und eine SE entsteht –ist nun der international geltende Grundsatz zu beachten, dass die davonbetroffenen stillen Reserven bei der übertragenden Gesellschaft aufzulö-sen und zu besteuern sind. Ausgenommen – und damit gelangen wir inden Anwendungsbereich der SE – sind diejenigen Fälle, in denen inDeutschland eine Betriebsstätte verbleibt, da das deutsche Besteuerungs-recht in diesem Fall hinreichend abgesichert ist.

Probleme, ich will insoweit nur eines anschneiden, kann es natürlichdann geben, wenn in der deutschen AG vorher Beteiligungen bestandenhaben. Diese Probleme sind grundsätzlich nicht so dramatisch, weil die95%ige Freistellung des Veräußerungsgewinns nach § 8b KStG vorgese-hen ist, können sich aber intensivieren, wenn beispielsweise in der deut-schen AG vorher immaterielle Wirtschaftsgüter mit erheblichen stillenReserven vorhanden waren, die dann die Grenze überschreiten. Dannstellt sich natürlich schon die Frage, ob diese Wirtschaftsgüter fortannoch der deutschen Betriebsstätte zuzurechnen und damit steuerverhaftetsind, d.h. Steuerneutralität gegeben ist, oder ob diese Wirtschaftsgüterdem ausländischen Stammhaus der ausländischen SE, nicht zuletzt auf-grund der von der Finanzverwaltung angenommenen Zentralfunktiondes Stammhauses, zuzurechen sind. Auch nicht bilanzierungsfähigeselbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter, beispielsweise ein ori-ginärer Goodwill, sind nach § 11 Abs. 1 UmwStG ausdrücklich mit demgemeinen Wert in die steuerliche Schlussbilanz der übertragenden Ge-sellschaft aufzunehmen. Eine mögliche Zuordnung dieser Wirtschaftsgü-ter zum ausländischen Stammhaus führt wegen der Steuerentstrickungzu einer sofortigen und vollständigen Besteuerung. Es sei noch einmalan den Grundsatz erinnert, dass Steuerneutralität bei grenzüberschrei-tenden Verschmelzungen sichergestellt werden soll. Im Einzelfall mussaber differenziert werden, welche Wirtschaftsgüter davon betroffen sind.Der Teufel steckt hier durchaus im Detail.

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Auf Ebene der Gesellschafter bietet sich im Grunde das gleiche Bild. Diesgilt natürlich nur dann, wenn auf dieser Ebene Steuerpflichten in Bezugauf die im Betriebsvermögen oder im Privatvermögen gehaltenen (we-sentlichen) Beteiligungen bestehen. Auch erfolgt insoweit prinzipiell einesofortige Besteuerung verbunden mit der Möglichkeit des Steuerauf-schubs und damit der Steuerneutralität, wenn die stillen Reserven in denAnteilen steuerverhaftet übergehen. Das ist z. B. bei der Heraus-verschmelzung einer deutschen Aktiengesellschaft in Bezug auf einen inDeutschland steuerlich ansässigen Gesellschafter der Fall, also dann,wenn eine deutsche Aktiengesellschaft im Wege der Aufnahme oderNeugründung auf eine ausländische Aktiengesellschaft verschmolzenwird.

Unproblematisch gestaltet sich – deshalb darf ich auf die Unterlagenverweisen – zudem der Fall der Hineinverschmelzung.

17© 2007 Prof. Dr. Martin Wenz – Hochschule Liechtenstein – Vaduz

GründungVerschmelzung: Hineinverschmelzung durch Neugründung/Aufnahme (1)

D-AG

Ebene der Gesellschaften (1)� Ausländische Aktiengesellschaft

� Steuerliche Schlussbilanz nach dt. Recht� Grundsatz: Gemeiner Wert der übergehenden

Wirtschaftsgüter (§ 11 Abs. 1 UmwStG)� Steuerneutralität durch Buchwertansatz (oder

Zwischenwertansatz) auf Antrag, falls über-tragene Wirtschaftsgüter in deutscher Be-triebsstätte steuerverhaftet bleiben (§ 11 Abs. 2 UmwStG)

� Überführung von bisher in Deutschland nicht steuerverhaftetem Vermögen: Gemeiner Wert (§ 12 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 UmwStG bzw. § 4 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG)

� Zuordnungsproblematik bei Betriebsstätten� Deutsche Aktiengesellschaft

� Keine steuerlichen Folgen: Rechtsformwechsel von D-AG in D-SE

� Neugegründete D-SE� Buchwertverknüpfung: Ansatz der auf die SE

übertragenen Wirtschaftsgüter zum Schluss-bilanzwert beider AG (§ 12 Abs. 1 UmwStG)

Ges D Ges A

A-AG

Vor Verschmelzung

Ges D Ges A

D-SE

Nach Verschmelzung

D-BS A-BS

D-BS A-BS

D-BS

D-BS

A-BS

A-BS

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18© 2007 Prof. Dr. Martin Wenz – Hochschule Liechtenstein – Vaduz

GründungVerschmelzung: Hineinverschmelzung durch Neugründung/Aufnahme (2)

D-AG

Ebene der Gesellschaften (2)� Keine Übertragbarkeit von bestehenden Verlust-

vorträgen der dt. BS der A-AG auf D-SE

Ebene der Gesellschafter� Deutsche Gesellschafter

� Keine steuerlichen Auswirkungen bei Anteilen an D-AG

� Steuerverhaftete Anteile an A-AG: Grundsatz:Gemeiner Wert = Veräußerungspreis der übertragen Anteile = Anschaffungskosten der erhaltenen AnteileAusnahme: Buch- oder Zwischenwertansatz auf Antrag, falls kein Ausschluss/keine Beschränkung des dt. Besteuerungsrechts oder Besteuerungsverbot nach Art. 8 Fusions-Richtlinie

� Nicht steuerverhaftete Anteile an der A-KapG: keine steuerlichen Auswirkungen

� Keine steuerlichen Auswirkungen auf auslän-dische Gesellschafter der D-AG und der A-AG in Deutschland

Ges D Ges A

A-AG

Vor Verschmelzung

Ges D Ges A

D-SE

Nach Verschmelzung

D-BS A-BS

D-BS A-BS

D-BS

D-BS

A-BS

A-BS

19© 2007 Prof. Dr. Martin Wenz – Hochschule Liechtenstein – Vaduz

GründungVerschmelzung: Hineinverschmelzung durch Up-Stream-Merger

D-M-AG

Ebene der aufnehmenden Gesellschaft � 5% des Übernahmegewinns unterliegt als

nichtabziehbare Betriebsausgabe der KSt (§ 12 Abs. 2 UmwStG, § 8b Abs. 3 KStG)

� Vereinbarkeit mit Fusions-Richtlinie fraglich� Unklarheiten bei Übernahmegewinnermittlung,

falls übertragende TG ausländische Gesellschaft

Ges D Ges A

A-TG

Vor Verschmelzung

Ges D Ges A

D-M-SE

Nach Verschmelzung

D-BS

D-BS A-BS

Deshalb kann ich sogleich auf den ergänzenden Sachverhalt, nämlichdenjenigen der grenzüberschreitenden Gründung einer Holding-SE zusprechen kommen. Dieser Fall ist sicherlich nicht ganz so spannend wiederjenige der Verschmelzung. Gleichwohl soll er aber der Vollständigkeithalber kurz abgehandelt werden, obwohl Verschmelzung und Umwand-lung sicherlich die beiden zentralen Fälle bilden, zumal die Errichtungeiner übergeordneten Holding eigentlich auch früher schon möglich war.Dies ist, wie Sie sicherlich wissen, keine SE-Spezifität.

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Auch im Bereich der Gründung der Holding-SE haben wir grundsätzlichauf Ebene der einbringenden Gesellschafter eine Besteuerung der stillenReserven in den Anteilen, die eingebracht werden. Eine steuerneutraleBehandlung durch den Ansatz des Buchwertes auf Ebene der Holding-SEfür die erhaltenen Anteile ist auf Antrag möglich. Auf Ebene der Gesell-schafter führt die Buchwertverknüpfung zu einem Steueraufschub, sodass das gleiche Konzept, welches auch bei der Verschmelzung gilt, An-wendung findet. Dieses Bewertungswahlrecht kann auf Ebene der Gesell-schafter unter der Voraussetzung, dass die Anteile weiterhin steuerver-strickt sind und dass das Besteuerungsverbot nach Art. 8 der Fusions-Richtlinie gilt, sogar unabhängig von der Bewertung der erhaltenen An-teile auf Ebene der Holding-SE ausgeübt werden. Wichtig und interes-sant ist in diesem Kontext auch, dass das Umwandlungssteuergesetz bei-de Fälle, national wie international, jetzt gleichermaßen regelt. Das ist,wenn man von den Niederungen des Steuerrechts ausgeht, ein extremgroßer Fortschritt, denn bislang war das Umwandlungssteuergesetz –von wenigen Ausnahmen abgesehen – ausschließlich national orientiert.Insofern ist auch hier auf der Ebene der Gesellschafter Steuerneutralitätdurch Wahl des Buchwertansatzes möglich. Voraussetzung dafür ist abernach der SE-Verordnung und nach § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG, dass dieHolding-SE nach der Umwandlung jeweils über die Mehrheit der Stimm-rechte an den Gründungsgesellschaften verfügt.

In dem Fall, dass von dem Bewertungswahlrecht auf Ebene der Holding-SE Gebrauch gemacht wird und die Buchwertverknüpfung auf Ebene derGesellschafter zu beachten ist, kann es zu einer Verdoppelung der stillenReserven kommen. Durch die 95%ige Freistellung von Veräußerungsge-winnen auf Beteiligungen nach § 8b KStG relativiert sich in diesem Fallaber eine Doppelbesteuerung der stillen Reserven wieder.

Gehen wir kurz auf die Tochter-SE ein. Betroffen sind Sachverhalte, indenen eine gemeinsame SE-Tochtergesellschaft gegründet wird oder indenen nach der Errichtung der SE durch diese Gesellschaft möglicherwei-se weitere SE-Tochtergesellschaften gegründet werden. Bei einer Grün-dung durch Bareinlage ist das steuerlich völlig unproblematisch, da wirdann keine stillen Reserven haben. Bei der Gründung durch Sacheinla-gen kann es dagegen stille Reserven geben und es kann zur Auflösungderselben bei den Gründungsgesellschaften kommen. Auch hier gilt derbereits vorgestellte Grundsatz: Die stillen Reserven sind bei der Übertra-gung des Vermögens grundsätzlich aufzulösen. Bei der Sacheinlage vonBetrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen besteht aber aufAntrag die Möglichkeit des Steueraufschubs und damit der Steuerneutra-lität. Voraussetzungen für die Bewertung des eingebrachten Betriebsver-mögens zum Buch- oder Zwischenwert auf Ebene der Tochter-SE sind

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die Sicherstellung einer Körperschaftsbesteuerung bei der übernehmen-den SE und die Sicherstellung des deutschen Besteuerungsrechts.Daneben darf das übernommene Betriebsvermögen kein negatives Kapi-tal aufweisen. Auf Ebene der Gründungsgesellschaften ist wiederum dieBuchwertverknüpfung zu beachten. Auf die Problematik der Verdoppe-lung der stillen Reserven hatte ich bereits hingewiesen.

Ich möchte ganz kurz noch einige Bemerkungen zur Umwandlung ma-chen: Insoweit besteht wenig Regelungsbedarf. Man denke an die natio-nale deutsche AG, die fortan als deutsche SE fortgeführt wird. Dies istsozusagen – aus steuerlicher Sicht – der „schönste“ Fall, da es steuerlichkeine Auswirkungen gibt. Diese Konstellation dürfte sicherlich künftigam häufigsten in der Praxis vorkommen. Die damit verbundenen Vortei-le liegen aber eher im gesellschaftsrechtlichen Bereich, insbesondere imBereich der Corporate Governance, wie auch die jüngste Ankündigungder Porsche AG, sich in eine SE umwandeln zu wollen, erkennen lässt.

Kommen wir nun kurz zur laufenden Besteuerung der SE. Bei der laufen-den Besteuerung können wir zwei Fälle unterscheiden. Denkbar ist zu-nächst eine inländische SE mit in- und ausländischen Betriebstätten oderTochtergesellschaften. Diese SE wird grundsätzlich genauso besteuert,wie eine nationale AG. In beiden Fällen gilt das gleiche nationale undinternationale deutsche Steuerrecht. Das kann man positiv wie negativsehen: Positiv wirkt sich vielleicht aus, dass die SE auch an möglichenVerbesserungen durch die Unternehmenssteuerreform 2008, so sie dennvorgesehen sind, vollständig teilnimmt. Sie kann sich genauso am inter-nationalen Steuerwettbewerb beteiligen, wie das bisher schon der Fallwar und unterliegt der Körperschaftssteuer in der üblichen Höhe von25% sowie der Gewerbesteuer.

Eines der insoweit auftretenden Probleme, nämlich die Frage der Zuord-nung von Vermögen zur Betriebsstätte, habe ich bereits angesprochen.Ein zweites Problemfeld ist die Frage, ob eine grenzüberschreitende Ge-winn- und Verlustverrechnung in Zukunft möglich sein wird. Vor demEuGH ist gerade das Verfahren „Lidl Belgium“ anhängig, dessen Ent-scheidung Klarheit bringen wird, ob unsere aktuelle Regelung in Doppel-besteuerungsabkommen, nämlich die Freistellung ausländischer EU-Betriebsstättenverluste, auch in Zukunft Gültigkeit haben wird oder ob inZukunft derartige Verluste im Inland zu berücksichtigen sind.

Kommen wir nun zum umgekehrten Fall, der für die laufende Besteue-rung von Bedeutung ist: eine ausländische SE mit inländischer Betriebs-stätte. Auch hier ist die laufende Besteuerung weitgehend unproblema-tisch. Problematisch sind insoweit allenfalls die Fragen, welche Unter-

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nehmen beteiligt sind, welche immateriellen Wirtschaftsgüter insbeson-dere in den beteiligten Unternehmen bei einer Verschmelzung oder ei-nem ähnlichen Gründungsvorgang enthalten sind, wo sich nach der Ver-schmelzung diese immateriellen Vermögensgegenstände befinden undwelcher Betriebsstätte im Inland oder im Ausland diese zuzurechnensind. Insbesondere ist hier fraglich, ob in einer solchen Konstellation einÜbergang immaterieller Vermögenswerte über die Grenze hinweg statt-findet, da ein solcher Übergang mit einer Besteuerung der darin enthal-tenen stillen Reserven verbunden wäre. Die Antwort auf diese Frage istvon den Umständen des konkreten Falls abhängig und entscheidet ggf.sogar darüber, ob überhaupt eine SE gegründet werden soll bzw. in wel-cher Form.

Einer der wesentlichen Gestaltungsvorteile der SE ist ihre Möglichkeitzur grenzüberschreitenden Sitzverlegung. Dies sei an einem Beispiel dar-gestellt. Eine deutsche SE verlegt ihren Sitz in die Niederlande, „zieht“gewissermaßen zu ihrer niederländischen Betriebsstätte und hinterlässt inDeutschland eine deutsche Betriebsstätte. Dieser Fall gestaltet sich un-problematisch, da er mittlerweile durch die geänderte Fusions-Richtliniegeregelt, mithin in der Änderungs-Richtlinie zur Fusions-Richtlinie ent-halten ist. Hier gilt genau derselbe Maßstab, den wir bereits bei Umstruk-turierungen gesehen haben. Wie auch bei Verschmelzungen, findet auchfür den Fall einer Sitzverlegung auf der Ebene der SE selbst keine Be-steuerung statt, solange und soweit in Deutschland in dem konkretenFall eine Betriebsstätte verbleibt und die darin enthaltenen stillen Reser-ven dort steuerverhaftet sind. Rücklagen, Verluste und ähnliches verblei-ben in der deutschen Betriebsstätte, d.h. sie werden auf Ebene der deut-schen Betriebsstätte fortgeführt. Auf der Ebene der Gesellschafter einerSE erfolgt keine Besteuerung.

Dies ist der Maßstab der Fusions-Richtlinie, der mehr oder weniger 1:1im SE-Steuereinführungsgesetz umgesetzt wurde und zu Änderungen desEinkommenssteuergesetzes und des Körperschaftssteuergesetzes geführthat.

Auf Ebene der SE kommt es durch den Wechsel von der unbeschränktenzur beschränkten Steuerpflicht, wenn er aufgrund des Verbleibs einer Be-triebsstätte in Deutschland denn stattfindet, zu keiner Besteuerung. DieSteuerverhaftung des in Deutschland ursprünglich vorhandenen Vermö-gens, bleibt auch nach der Sitzverlegung bestehen, wenn in Deutschlandeine Betriebsstätte besteht und diese mit weiterhin identischem Vermö-gen ausgestattet ist. Gleiches gilt auch bei immateriellen Vermögensge-genständen, die der deutschen Betriebsstätte nach wie vor zuzurechnensind. Dies ist Voraussetzung dafür, dass wir gesamthaft Steuerneutralität

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haben. Auf die Zurechnungsproblematik gerade bei immateriellen Ver-mögensgegenständen hatte ich hingewiesen. In diesem Zusammenhangsei auch nochmals darauf hingewiesen, dass sich aus der Zurechnungs-problematik aber auch die sofortige Auflösung und Besteuerung vonselbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftgütern ergeben kann.

Auf Ebene der Gesellschafter muss man danach unterscheiden, ob dieBeteiligung von einem Steuerin- oder Steuerausländer gehalten wird undob ein DBA mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters vorliegt. Wei-terhin ist danach zu unterscheiden, ob die Beteiligung in einem inländi-schen Betriebsvermögen oder im Privatvermögen gehalten wird und obes sich bei Beteiligungen im Privatvermögen um eine wesentliche Betei-ligung handelt oder nicht. Im Ergebnis geht es um die Frage, ob das Be-steuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland durch die Sitzverlegungbei den Gesellschaftern eingeschränkt wird oder nicht. Das kann aus-schließlich bei wesentlich beteiligten ausländischen Gesellschaftern,wenn ich es richtig sehe, vor allem bei Gesellschaftern, die in Liechten-stein ansässig sind, zutreffen. Diese besitzen nämlich keine DBA-Befreiung für ihre Veräußerungsgewinne auf wesentliche Beteiligungen.Insofern ist das Problem eher abgemildert, aber es kann gerade in einemerweiterten Europa auch insoweit durchaus Probleme geben.

Gehen wir noch kurz auf die Steuerplanung und die insoweit bestehen-den steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten einer SE ein. Die SE ist, wiegesagt, im Rahmen der Steuerplanung wie jede andere Kapitalgesell-schaft, wie jede andere AG, einsetzbar. Beispielhaft sei hier zuerst eineGestaltungsmöglichkeit herausgegriffen, nämlich das so genannte SE-Einheitsunternehmen, also ein Unternehmen, welches in Zukunft überBetriebsstätten in anderen Mitgliedsstaaten anstelle von rechtlich undsteuerlich separaten Tochtergesellschaften operiert. Insoweit besteht zu-nächst ein kleiner Vorteil im gesellschaftsrechtlichen Bereich, den manab und zu übersieht. Im Gegensatz zu den Regelungen der grenzüber-schreitenden Verschmelzungs-Richtlinie besteht bei der SE die freieSitzwahl in der EU und im EWR, während man bei der Verschmelzungimmer auf einen der Staaten angewiesen ist, in denen die an der Ver-schmelzung beteiligten Gesellschaften ihren Sitz haben.

Im grenzüberschreitenden Verhältnis fallen, wenn man sich unter-schiedliche Beteiligungsquoten ansieht, generell keine Quellensteuernoder ähnliches auf grenzüberschreitende Gewinnrepatriierungen an,selbst wenn man ursprünglich von derartigen Steuern trotz Mutter-Tochter-Richtlinie betroffen war. Auch das Thema „Anti-Directive-shopping“-Regeln hat ein anderes Gesicht, wenn an die Stelle von Toch-tergesellschaften Betriebsstätten treten. Ebenfalls findet die 5%ige-

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Besteuerung repatriierter Gewinne auf Betriebsstätten so keine Anwen-dung.

Ein europaweiter Ausgleich von Gewinnen und Verlusten hängt zum ei-nen aktuell vom jeweiligen nationalen Steuerrecht und zum anderen vonder Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Lidl Belgien“, die ichvorhin bereits angesprochen habe, ab. Ergänzend seien noch einigePunkte aufgelistet, z.B. die Möglichkeit der Vermeidung einer Hinzu-rechnungsbesteuerung. Ob eine solche Besteuerung vermieden werdenkann, hängt stark davon ab, wo die SE in Zukunft ihren Sitz wählt. Stel-len wir uns zwei Gesellschaften vor, die aus zwei unterschiedlichen Steu-erhoheiten kommen, die beide eine solche Hinzurechnungsbesteuerungkennen. In einer solchen Konstellation bestünde die Möglichkeit, denSitz der SE in einem Staat zu nehmen, der keine Hinzurechnungsbesteue-rung kennt.

Der zweite Fall der Steuerplanung bezieht sich auf einen SE-Konzern.Hier bestehen im Prinzip keine Unterschiede zu einem Konzern mit nati-onalen Rechtsformen. Die freie Sitzwahl hatte ich angesprochen.

So komme ich schon zum Fazit meiner Ausführungen. Dieses Fazit fällt,denke ich, erfreulicher aus, als dies normalerweise oder jedenfalls beiden steuerlichen Anmerkungen zur SE bislang der Fall war. Wir verfügenjetzt zumindest über die Rechtsgrundlage, auf die wir seit 1990 warten:die Umsetzung der steuerlichen Fusions-Richtlinie. Sie sehen, Steuer-rechtler sind relativ bescheidene Menschen, die sich schon freuen, wennnach 15 Jahren eine Richtlinie umgesetzt wird, deren Inhalt mehr oderweniger aber auch aus den Grundfreiheiten ablesbar ist.

Dadurch sind wir deutlich weiter gekommen. Wir haben Rechtssicherheitin sehr vielen Bereichen. Es gibt – ein bisschen weiter gedacht – denEinstieg in ein europäisches sowie in ein europa-kompatibles deutschesSteuerrecht. Dies bedeutet für das deutsche Steuerrecht schon sehr viel,auch wenn wir hier noch mehr am Anfang der Entwicklung stehen, aberimmerhin, der Einstieg ist gemacht.

Zuvor bestehende Unklarheiten sind zum Teil geregelt worden. Der Maß-stab der Fusions-Richtlinie ist, wie gesagt, in das deutsche SE-Steuereinführungsgesetz übernommen worden. Was ein bisschen prob-lematisch ist, ist nach wie vor die Frage der Verdoppelung stiller Reser-ven bei Buchwertverknüpfung, insbesondere im Kontext des ThemasEinbringung und Anteilstausch. Dies ist ein altes Thema, das aber aktuellbleibt. Ebenfalls bedeutsam ist die Zuordnung von Vermögensgegens-

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tänden in Bezug auf Stammhaus und Betriebsstätte, insbesondere bei dergrenzüberschreitenden Verschmelzung oder Sitzverlegung.

Wenn man vom Umwandlungssteuergesetz wieder zum Einkommens-steuergesetz, ergänzend auch zum Körperschaftssteuergesetz, zurückgeht,sieht man, dass hier wieder eine etwas restriktivere Handschrift im Ein-kommenssteuergesetz und im Körperschaftssteuergesetz zu erkennen ist.Deutlichster Beleg ist der Entstrickungstatbestand, der schon relativ de-zidiert geregelt ist. Es sei dahingestellt, inwieweit diese Regelung zu-künftig wettbewerbsfähig sein wird oder sein kann und ob wir je nachPerspektive Hoffnung oder Panik haben müssen, dass unsere steuerlichenBemessungsgrundlagen das Weite suchen. Die Unternehmenssteuerre-form ist – soviel nur als Anmerkung – sicherlich ein Schritt in dieseRichtung. Themen wie die Zinsschranke und die konkrete Ausgestaltungder Zinsschranke sind für Ausländer durchaus abschreckend, insbesonde-re wenn ein bisschen konkreter vorgestellt wird, wie solche Zinnsschran-ken funktionieren und welchen Regelungsumfang derartige Schrankenbesitzen. Diese Anmerkung wollte ich mir nicht verkneifen, die Perspek-tive aus dem Ausland hilft ein wenig, den Blick für das Wesentliche zuschärfen.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit zu diesen durchaus raschvorgetragenen Niederungen des nationalen und internationalen deut-schen Steuerrechts. Herzlichen Dank!

Literaturhinweise:

Van Hulle, Karel/Drinhausen, Florian/Maul, Silja (Hrsg.), Handbuch zurEuropäischen Gesellschaft (SE), München: C.H. Beck, 2007.

Theisen, Manuel René / Wenz, Martin (Hrsg.), Die EuropäischeAktiengesellschaft – Recht, Steuern und Betriebswirtschaft derSocietas Europaea (SE), 2. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2005

Wenz, Martin: Die Societas Europaea (SE) – Analyse der geplantenRechtsform und ihre Nutzungsmöglichkeiten für eine europäischeKonzernunternehmung, Berlin: Duncker & Humblot, 1993.

Wenz, Martin (guest ed.), Societas Europaea: Flagship for EuropeanCompany Law – Catalyst for EC Tax Law, European Taxation, Issue 1:Special Issue, Vol. 44 (2004), S. 1-45.

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2.4 Die SE – Vorbereitung und Planung für dieerfolgreiche Umwandlung

RA Dr. Erich Waclawik16,Partner, Flick Gocke Schaumburg

Meine Damen und Herren, ich möchte mit Ihnen über die „Planung undVorbereitung einer erfolgreichen SE-Umwandlung“ sprechen. Falls Siebzw. das Unternehmen, das Sie vertreten, sich zu der Umwandlung in ei-ne SE entschieden haben, wünschen Sie sicherlich eine möglichst schnel-le und im Ergebnis erfolgreiche Umwandlung. Um dies zu gewährleisten,müssen Sie sich überlegen, was zu tun und was gegebenenfalls zu ver-meiden ist. Dem möchte ich im Folgenden nachgehen. Insofern verstehtsich mein Referat als Brückenvortrag zwischen den themenbezogenenVorträgen von heute Vormittag und den Praxisbeispielen, die Ihnen heu-te Nachmittag vorgestellt werden.

I. Die Entscheidung für oder gegen die SE; Struktur des Vortrages

Worum geht es in meinem Vortrag? Es geht zunächst – als erste Stufedes Planungsprozesses − um die Entscheidung für oder gegen die SE.Wenn Sie ihre Aktiengesellschaft in eine SE umwandeln wollen, müssenSie sich erwägen, welche SE-Gründungsvariante Sie bevorzugen. In die-sem Zusammenhang möchte ich zuerst eine terminologische Anmerkungmachen: Die Umwandlung hat im nationalen Gesellschaftsrecht und imRecht der SE eine unterschiedlich weite Bedeutung. Als deutscher Ge-sellschaftsrechtler assoziieren Sie mit dem Begriff der „Umwandlung“das Begriffsverständnis des Umwandlungsgesetzes. Unter dem Oberbeg-riff „Umwandlung“ wird dort die Verschmelzung, die Spaltung, die Ver-mögensübertragung und der Formwechsel verstanden. So weit ist dieUmwandlung im Recht der SE nicht definiert. Umwandlung bedeutetdort, wie Art. 2 Abs. 4 SE-VO zeigt, den Formwechsel einer Gesellschaftin die Rechtsform der SE.

Würde ich mich im Folgenden strikt an das Begriffsverständnis der SE-VO halten, wäre mein Vortrag daher nur auf den Formwechsel fokussiert.Ich möchte ihn jedoch über den Formwechsel hinaus auf die Überlegung

16 Seit August 2007 ist Dr. Waclawik in der Kanzlei Prof. Raeschke-Kessler &Dr. Waclawik tätig.

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ausweiten, ob die Verschmelzung als Alternative zur Umwandlung i.e.S.,also zum Formwechsel, geeignet ist und ob es ratsam sein kann, diesenWeg zu wählen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Umwandlungund der Verschmelzung möchte ich anschließend besprechen und werdedann zu einem Resümee kommen.

Die Entscheidung für oder gegen die Rechtsform der SE ist vor allem dasErgebnis einer Abwägung ihrer Vor- und Nachteile im Einzelfall. Zu Be-ginn möchte ich die wesentlichen Vorzüge der SE ansprechen, die ich aufder nachstehenden Folie aufgelistet habe:

Sie bemerken sicherlich, dass es an dieser Stelle eine weitgehende, aberkeineswegs abgestimmte Übereinstimmung mit dem Vortrag von HerrnProf. Marsch-Barner von heute Morgen gibt. Dies mag man als ein Indizdafür werten, dass es inzwischen einen gewissen Konsens über die Vor-züge einer SE gibt.

Übrigens habe ich im März 2006 mit Herrn Marsch-Barner bereits schoneinmal zu diesem Thema referiert. Auch damals hat er den Einleitungs-vortrag gehalten. Wenn ich mich zurückerinnere und seinen Vortragheute Morgen mit dem vom letzten Jahr vergleiche, muss ich feststellen,dass er immer noch nicht euphorisch über die SE spricht, aber in der Ge-samttendenz der SE gegenüber deutlich positiver gestimmt ist als vor ei-nem Jahr. Das scheint mir symptomatisch zu sein, nicht nur bei HerrnMarsch-Barner, sondern bei vielen Unternehmensjuristen. Man freundet

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sich langsam mit dem Gedanken an die Gründung einer SE an und er-kennt verstärkt ihre Vorzüge.

Bisher gibt es nur wenige SEs in Deutschland. Die Ursache hierfür könn-ten die mit der Umwandlung einer AG in die SE verbundenen Nachteilesein. Diese sollte man im Sinne einer Ausgewogenheit der Darstellungnicht verschweigen. Auch Herr Marsch-Barner hat bereits über dieNachteile gesprochen. Es sei daher zur Vermeidung von Wiederholungennur auf einige wenige Aspekte hingewiesen:

Die unübersichtliche Rechtsquellenstruktur des SE-Rechts ist insbesonde-re bei dem Weg in die SE – weniger hingegen im laufenden Betrieb derRechtsform − ein erheblicher Nachteil. Stets muss man wissen oder prü-fen, was in der SE-Verordnung (SE-VO) steht, was das nationale Ergän-zungsrecht (in Deutschland das SEAG und das SEBG) regelt, inwieweitdie SE-VO durch ihre verschiedenen Verweisungsvorschriften auf natio-nales Recht verweist und was demgegenüber abschließend in der SE-VOgeregelt ist. Hierbei gibt es zahlreiche Zweifelsfragen. Im nationalen Ak-tienrecht gibt es keine vergleichbare Rechtsquellenhierarchie und daherauch keine vergleichbaren Probleme.

Die Auffüllung der vorhandenen Lücken durch die Rechtsprechung wirdnur allmählich erfolgen. Insbesondere wird es bei der höchstrichterlichenRechtsprechung einen Dualismus geben, da hinsichtlich der SE-VO inletzter Instanz nicht der BGH, sondern der EuGH zuständig ist. Die Ein-heitlichkeit der Rechtsprechung, wie sie im nationalen Recht der BGH –jedenfalls in der Tendenz – gewährleistet, ist daher im Recht der SE we-niger abgesichert.

Als einen weiteren Nachteil des SE-Regimes kann man den Numerusclausus der Gründungsformen begreifen, an den man sich halten muss.In der Regel ist ein „Mehrstaatenbezug“ erforderlich. Auch kann eine SE-Gründung bzw. -Umwandlung umständlich und langwierig sein. Letzte-res ist allerdings, wie im Folgenden noch aufzuzeigen ist, nicht zwin-gend.

II. Die Wahl der SE-Gründungsvariante

Wie bereits zu Beginn meines Referats angekündigt, möchte ich im Fol-genden auf die beiden Gründungsformen Verschmelzung und Umwand-lung bzw. Formwechsel näher eingehen. Dies sind allerdings nicht dieeinzigen Möglichkeiten der SE-Gründung. Daneben gibt noch die Hol-ding-SE und die Tochter-SE als gesetzlich geregelte Varianten und mankann sich fragen, ob nicht auch die Verwendung einer Vorrats-SE eineweitere (nicht kodifizierte) Gründungsvariante ist. Die Möglichkeit der

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Gründung einer Vorrats-SE dürfte inzwischen anerkannt sein. SolcheVorrats-SEs gibt es auch schon. Spannend ist, ob, wann und wie bei derVorrats-SE die Arbeitnehmerbeteiligung stattfindet. Aber darüber möchteich heute nicht sprechen, auch nicht über die Holding- und die Tochter-SE. Diese sind keine Umwandlungsformen im engeren Sinne. Die Hol-ding-SE ist vielmehr ein Business-Combination-Instrument und dieTochter-SE ein Joint-Venture-Vehikel.

Nun also zur Umwandlung einerseits und zur Verschmelzung anderer-seits. Wenn man sich nach Abwägung der Vor- und Nachteile dazu ent-schieden hat, eine SE als Konzernobergesellschaft oder eine SE auf nach-geordneter Konzernebene zu gründen, und man begibt sich an die Pla-nung der Umsetzung dieser Entscheidung, muss man sich die Vorausset-zungen der Umwandlung, die in Art. 2 Abs. 4 der SE-VO geregelt sind,vergegenwärtigen. Die umzuwandelnde Gesellschaft muss eine Aktienge-sellschaft sein, andere Kapitalgesellschaftsformen sind nicht zugelassen.Die Aktiengesellschaft muss ferner nach dem Recht eines EU-/EWR-Mitgliedstaates gegründet sein. Sitz und Hauptverwaltung müssen inner-halb der EU bzw. des EWR angesiedelt sein. Die deutsche, inlandsansäs-sige Aktiengesellschaft erfüllt diese Voraussetzungen.

Daneben besteht noch ein weiteres Erfordernis: Seit mindestens zweiJahren muss eine Beteiligung an einer EU-/EWR-Auslandstochtergesell-schaft gehalten werden. Das ist im Grunde die wesentlichste Umwand-lungshürde, allerdings kaum für große Konzerne mit umfangreichem Be-teiligungsbesitz im Ausland. Dabei wird kontrovers diskutiert, ob einesolche Auslandstochtergesellschaft unmittelbar gehalten werden mussoder ob eine mittelbare Beherrschung genügt. Die wohl herrschendeMeinung ist, dass die Auslandstochtergesellschaft unmittelbar gehaltenwerden muss, aber möglicherweise – für diese Auffassung hege ich mehrSympathien − ist auch eine mittelbare Beherrschung ausreichend. ImZweifel entscheidet die Ansicht des Registerrichters.

Da die Hürden bei der Umwandlung nicht sehr hoch liegen, ist die Um-wandlung derzeit und wahrscheinlich auch in Zukunft die Standard-gründungsvariante. Dafür spricht ihre Nutzung bei Fresenius, BASF undwohl auch bei Porsche.

Die Umwandlung ist allerdings nicht ohne Alternative. Die Alternativeist die Verschmelzungsgründung. Die Allianz SE hat dies ins Bewusstseingerufen. Die Verschmelzungsgründung ist letztlich eine Form der Um-wandlung im weiteren Sinne. Deren Voraussetzungen sind in Art. 2 Abs.1 der SE-VO geregelt. An der Verschmelzung müssen mindestens zweiAktiengesellschaften beteiligt sein. Andere Rechtsformen sind auch bei

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dieser Gründungsform nicht zugelassen. Die Beteiligung einer größerenZahl von Aktiengesellschaften ist indessen möglich. Die Aktiengesell-schaften müssen nach dem Recht eines EU-/EWR-Mitgliedstaates ge-gründet sein, und der Sitz sowie die Hauptverwaltung müssen ebenfallsinnerhalb der EU bzw. des EWR liegen. Das alles ist, von der Zahl derbeteiligten Gesellschaften einmal abgesehen, nicht anders als bei derUmwandlung. Haben mindestens zwei Aktiengesellschaften ihren Sitz inverschiedenen EU-/EWR-Staaten, unterliegen sie grundsätzlich auch demRecht verschiedener EU-/EWR-Staaten. Aufgrund der neuen Freizügig-keit für Gesellschaften innerhalb der EU, welche die Rechtsprechung desEuGH in den vergangenen Jahren geschaffen hat, ist das aber nicht un-bedingt zwingend. Im Ausnahmefall ist daher auch die Verschmelzungzweier inlandsansässiger Aktiengesellschaften nach dem SE-Verschmelzungsregime möglich.

Wichtig ist, dass die Voraussetzungen der Verschmelzung − wie bei derUmwandlung − in Art. 2 SE-VO abschließend geregelt sind. Es sind keineweiteren Voraussetzungen zu erfüllen, insbesondere ist keine Konzern-unverbundenheit der beteiligten Gesellschaften erforderlich. Eine Toch-tergesellschaft kann daher auf ihre Muttergesellschaft verschmolzenwerden. Die Allianz AG hat uns dies bei der (Herein-)Verschmelzung ih-rer italienischen Tochter RAS S.p.A. vorgemacht. Allerdings war die RASeine operativ tätige Gesellschaft, jedenfalls bevor ihr operatives Geschäftauf eine neugegründete Tochtergesellschaft ausgegliedert wurde. DieRAS war daher kein bloßes „Verschmelzungsvehikel“. In diesem Sinnekann man jedoch erwägen, im Ausland eine Tochter-Aktiengesellschaftals Special Purpose Vehicle zu gründen, die dann auf die Muttergesell-schaft verschmolzen wird. Diese wird dadurch zur SE, Art. 29 Abs. 1lit. d SE-VO. Das ist nach der herrschenden Meinung zulässig und insbe-sondere auch keine Umgehung der Umwandlungsvorschriften des Art. 2Abs. 4 SE-VO.

Es können im Einzelfall gute Gründe dafür sprechen, die Verschmelzungals Weg in die SE zu wählen. Die Zwei-Jahresfrist, die bei der Umwand-lung im Hinblick auf die Beteiligung an einer Auslandstochtergesell-schaft erfüllt werden muss, ist hier nicht zu beachten. Insofern ist alsodie Verschmelzungsgründung die ggf. schnellere Alternative im Ver-gleich zur Umwandlung.

III. Die SE-Gründung durch Umwandlung (Formwechsel)

Ich möchte jetzt die Umwandlung im engeren Sinne, also den Form-wechsel, mit Ihnen näher betrachten und gehe dabei insbesondere auf diePlanung und Vorbereitung der Umwandlung ein. Welche Schritte muss

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die umzuwandelnde AG durchlaufen, um künftig als SE zu firmieren?Auf folgende wesentliche Punkte möchte ich hinweisen:

Zunächst ist der Entwurf des Umwandlungsplans zu erstellen und zu be-urkunden. Ob die Beurkundung überhaupt erforderlich ist, ist allerdingsstreitig. Es sprechen gute Gründe dagegen, vor allem der Vergleich mitdem Formwechsel nach dem UmwG. Außerdem müssen Sie die Satzungder künftigen SE konzipieren, die Teil des Umwandlungsplans ist, Art. 20Abs. 1 Satz 2 lit. h SE-VO analog.

Ein Abfindungsangebot an (Minderheits-)Aktionäre ist bei der Umwand-lung gesetzlich nicht vorgesehen. Hingegen wird von den §§ 22, 204UmwG, die über Art. 15 Abs. 1 SE-VO anwendbar sind, ein Gläubiger-schutz durch Besicherung gefordert, wenn die Umwandlung die Ein-bringlichkeit der Forderung des Gläubigers gefährdet. Dieser Schutz istbei einer Umwandlung einer AG in die Rechtsform der SE eigentlichnicht notwendig und wohl auch wenig praktisch, da die Umwandlungnicht mit der Sitzverlegung der umgewandelten Gesellschaft in das Aus-land einhergehen darf, Art. 37 Abs. 3 SE-VO.

Neben dem Umwandlungsplan ist die Erstellung eines Umwandlungsbe-richts und die Durchführung einer Umwandlungsprüfung erforderlich. Eswird darüber gestritten, ob man auf Bericht und Prüfung im allseitigenEinverständnis verzichten kann. Für die Publikumsaktiengesellschaft istdas jedoch keine praktisch relevante Überlegung. Nach seiner Erstellungist der Umwandlungsplan durch Einreichung beim Handelregister offen-zulegen. Mit diesem Schritt beginnt der Prozess über die Verhandlungder Arbeitnehmerbeteiligung, die bei der Umwandlung in dem Sinne ob-ligatorisch ist, dass hier nach § 16 Abs. 3 SEBG kein Beschluss über denAbbruch oder die Nichtaufnahme von Verhandlungen gefasst werdenkann.

Ferner muss die Hauptversammlung der umzuwandelnden AG einen Zu-stimmungsbeschluss zum Umwandlungsplan fassen und gegebenenfallszugleich die Aufsichtsräte der Anteilseignerseite bestellen.

Die börsennotierte AG wird im Anschluss an die Umwandlungs-Hauptversammlung häufig mit Anfechtungsklägern konfrontiert werden,d.h. der Zustimmungsbeschluss wird angefochten werden. Die Anfech-tungsklagen müssen vor der Eintragung der Umwandlung abgewiesenoder anderweitig beigelegt sein. Dies dürfte wegen des verständlichenBestrebens, den Umwandlungsprozess möglichst schnell abzuschließen,in der Mehrzahl der Fälle nur gelingen, wenn sich die AG mit den An-fechtungsklägern vergleicht. Auch die Durchführung des auch hier statt-

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haften Freigabeverfahrens dürfte, seinen Erfolg unterstellt, den Umwand-lungsprozess aus der zeitlichen Ideallinie bringen. Nur wenige Vorständesind bereit, hier erhebliche Verzögerungen in Kauf zu nehmen. Im Regel-fall wird daher dem Vergleich im Anfechtungsprozess Vorschub geleistet,was ich persönlich für besonders misslich halte. Schließlich wird die Ein-tragung der Umwandlung ins Handelsregister erfolgen und offengelegtwerden.

Da − den nationalen Fall betrachtet − die Umwandlung einer deutschenAktiengesellschaft vollzogen wird, ist bei der Planung und der Umset-zung der Umwandlung keine zweite (ausländische) Rechtsordnung zubeachten.

Ich möchte jetzt auf die einzelnen Schritte der Umwandlung näher ein-gehen, die ich Ihnen bisher nur in Stichworten dargestellt habe. WelcherZeitbedarf ist für diese notwendig und wie müssen die Schritte aufeinan-der folgen?

Der Umwandlungsplan muss mindestens einen Monat vor dem Tag derHauptversammlung vorliegen, Art. 37 Abs. 5 SE-VO, ferner vor der Ein-leitung der Arbeitnehmerbeteiligung, § 4 Abs. 2 Satz 3 SEBG. Der Um-wandlungsbericht und die Umwandlungsprüfung müssen vor der Einbe-rufung der HV vorliegen, §§ 238 Satz 1, 230 Abs. 2 Satz 1 UmwG,Art. 15 Abs. 1, 37 Abs. 6 SE-VO. Auch die Offenlegung des Umwand-lungsplans muss einen Monat vor dem Tag der HV erfolgt sein, Art. 37Abs. 5 SE-VO. Die Offenlegung ist wichtig, weil sie, wie bereits erwähnt,die Verhandlung über die Beteiligung der Arbeitnehmer einleitet. Unver-züglich nach der Offenlegung des Umwandlungsplans muss eine Auffor-derung zur Bildung des sog. besonderen Verhandlungsgremiums erfol-gen, § 4 Abs. 2 Satz 3 SEBG. Von da an beginnt die 10-Wochenfrist zurWahl der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums zu laufen,§ 11 Abs. 1 Satz 1 SEBG.

Nach ungefähr 2½ Monaten findet daher sodann die konstituierende Sit-zung des besonderen Verhandlungsgremiums statt, § 12 Abs. 1 SEBG.Mit der Einladung zur konstituierenden Sitzung beginnt eine weiterewichtige Frist: Die 6-monatige Verhandlungsperiode über die Beteiligungder Arbeitnehmer, § 20 Abs. 1 SEBG. Dabei handelt es sich um eine Ma-ximalfrist. Kommen die Beteiligten früher zu einem Ergebnis, muss dieVerhandlungsperiode nicht eingehalten werden. Nach den bisherigen Er-fahrungen wird die 6-Monatsfrist jedoch weitgehend ausgeschöpft.Daneben steht es den Beteiligten frei, einvernehmlich bis zu einem Jahr„in die Verlängerung zu gehen“, § 20 Abs. 2 SEBG. Das ist aber in derPraxis nach meiner Kenntnis noch nicht vorgekommen und ist auch

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nicht empfehlenswert. Von der 6-monatigen Verhandlungsperiode istdaher im Rahmen der Planung der Umwandlung auszugehen.

Die Beteiligung der Arbeitnehmer ist auch vor der Offenlegung des Um-wandlungsplans möglich. Allerdings stellt sich die Frage, ob dann ver-nünftig verhandelt werden kann. Der zeitliche Ablauf in der Praxis ist,soweit man das bisher übersehen kann, gegenläufig: Zuerst wird offen-gelegt, dann wird verhandelt. Verschlechterungen sind im Verfahren derUmwandlung nach § 21 Abs. 6 SEBG unzulässig. Auch eine Nichtauf-nahme oder der Abbruch der Verhandlungen ist, wie bereits erwähnt,nach § 16 Abs. 3 SEBG unzulässig.

Ferner muss die Umwandlungshauptversammlung stattfinden und einenZustimmungsbeschluss fassen. Sie ist in der SE-Verordnung nicht nähergeregelt. Ihre Einberufung richtet sich daher nach den über Art. 15 Abs.1 SE-VO anwendbaren allgemeinen Regeln des § 123 AktG und den er-gänzenden Vorgaben der Satzung.

Etwaige Anfechtungsklagen, auch darüber habe ich schon gesprochen,müssen vor der Eintragung abgewehrt oder beigelegt sein, §§ 16 Abs. 2,198 Abs. 3 UmwG, Art. 15 Abs. 1 SE-VO. Es ist weiterhin darauf zu ach-ten, dass der Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat bestellt wird. Es gibt keineAmtskontinuität, was man vielleicht annehmen könnte, da die Umwand-lung identitätswahrend ist. Das ist beim Übergang zum SE-Verwaltungsrat ohne weiteres einleuchtend, da es diesen bei der AG na-tionalen Rechts nicht gibt. Aber auch bei dem Verbleib im dualistischenSystem gibt es keine Amtskontinuität.

Zu unterscheiden ist die Bestellung der Anteilseignervertreter und derArbeitnehmervertreter. Sie werden in der Umwandlungs-HV oder bereitsin der Satzung bestellt, Art. 40 Abs. 2 Satz 2 bzw. 43 Abs. 3 Satz 2 SE-VO. Die SE-VO sieht vor, dass nach Abschluss des AN-Beteiligungsver-fahrens und nach Maßgabe des Verhandlungsergebnisses die Arbeitneh-mervertreter direkt in den Aufsichts- oder Verwaltungsrat gewählt wer-den können, § 21 Abs. 3 Nr. 2 SEBG. Geschieht dies nicht, werden dieArbeitnehmervertreter in der nächsten HV gewählt. Die HV ist gem. § 36Abs. 4 Satz 2 SEBG an die Vorschläge der Arbeitnehmerbank gebunden.Wenn die Voraussetzungen des über Art. 15 Abs. 1 SE-VO anwendbaren§ 104 AktG vorliegen, kommt auch eine Bestellung durch das Gericht inBetracht.

Nachdem die Mitglieder des Aufsichtsrats bzw. des Verwaltungsrats be-stellt sind, werden die Vorstände bzw. geschäftsführenden Direktoren be-stellt. Auch hier gibt es keine Amtskontinuität. Die Bestellung ist noch

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vor der Handelsregisteranmeldung erforderlich, § 246 Abs. 2 UmwG,Art. 15 Abs. 1 SE-VO. Auch die Vereinbarung über die Arbeitnehmerbe-teiligung muss nach Art. 12 Abs. 2 SE-VO noch vor der Handelsregister-anmeldung erfolgen.

Dem schließt sich die HR-Anmeldung (mit Negativerklärung §§ 16Abs. 2, 198 Abs. 3 UmwG) und die Eintragung im Handelsregister nachErledigung der vorgenannten Teilakte an. Bis zu 6 Monate (vgl. die§§ 22, 204 UmwG) nach der Offenlegung der Eintragung der Umwand-lung (Art. 15 Abs. 2, 13 f. SE-VO) greift der Gläubigerschutz. Da mandann aber bereits in der Rechtform der SE angekommen ist, ist dies unterplanerischen Aspekten von eher nachgeordneter Bedeutung.

IV. Die BASF SE als Beispiel einer SE-Umwandlung

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich jetzt diesen Schnelldurchgangdurch die einzelnen Schritte und ihre zeitlichen Abhängigkeiten noch-mals zusammenfassend vergegenwärtigen, wird vor ihrem geistigen Au-ge wahrscheinlich noch kein Gesamtbild entstehen. Deswegen möchteich Ihnen einen Grobfahrplan an dem praktischen Beispiel der BASF AGvorstellen:

Die BASF AG hat am 27. Februar 2007 den Umwandlungsplan ein-schließlich der Satzung beurkundet. Am selben Tag wurde das Projekt imWege der Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht. Anfang März wurde derUmwandlungsplan durch Einreichung zum Handelsregister offengelegt.Die Information der Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen erfolg-te ebenfalls noch im März. Jetzt vollzieht sich der Wechsel von der Ver-gangenheit in die Zukunft. Übermorgen, also am 26. April 2007, wird dieordentliche Hauptversammlung der BASF AG voraussichtlich den Zu-stimmungsbeschluss fassen. Im Juni 2007 läuft die dargestellte 10-Wochenfrist ab; dann sind die Mitglieder des besonderen Verhandlungs-gremiums zu benennen und die konstituierende Sitzung des besonderenVerhandlungsgremiums hat stattzufinden. Irgendwann im Laufe diesesJahres wird man sich hinsichtlich der Anfechtungsklagen vergleichen,sofern solche erhoben werden. Im Dezember läuft die 6-monatige Ver-handlungsperiode ab und wahrscheinlich wird bis dahin die Vereinba-rung über die Arbeitnehmerbeteiligung abgeschlossen sein. Nach derbisherigen Planung wird daher im ersten Quartal 2008 die BASF SE indas Handelsregister eingetragen werden. Das Beispiel zeigt, dass dieUmwandlung einer AG in eine SE binnen Jahresfrist möglich ist.

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V. Die SE-Gründung durch Verschmelzung

Nunmehr möchte ich auf die SE-Verschmelzung und ihren Zeitbedarf zu-rückkommen. Die Verschmelzung kann ich schnell abhandeln, weil esviele Parallelen zur SE-Umwandlung gibt. Was müssen Sie tun, wenn Sieihre Gesellschaft im Wege der Verschmelzung zur SE umwandeln wol-len? Zunächst ist ein Verschmelzungsplan zu erstellen. Im Schrifttum istzum Teil von einem, zum Teil von zwei Verschmelzungsplänen die Rede.Im Zweifel handelt es sich jedoch nur um einen Plan. Die Allianz SE hatim Zuge ihrer Verschmelzungsgründung nach meiner Kenntnis nur einenVerschmelzungsplan beurkundet. Im Verschmelzungsplan war ein nachdem einschlägigen italienischen Recht vorgeschriebenes (Bar-)Abfin-dungsangebot an die Minderheitsaktionäre der RAS vorgesehen. Diesesist im umgekehrten Fall der Hinausverschmelzung nach § 7 SEAG eben-falls erforderlich. Auch sonst war bei der Hineinverschmelzung der RASnach Deutschland das SE-Ergänzungsrecht der anderen betroffenenRechtsordnung, also das italienische Recht, zu beachten.

Auch bei der Verschmelzung gibt es ferner, hier nicht näher darzustel-lende, Gläubigerschutzvorschriften, was angesichts des grenzüberschrei-tenden Charakters des Verschmelzungsvorgangs verständlich ist. Auchbei der Verschmelzung ist zudem über die Arbeitnehmerbeteiligung zuverhandeln. Die Hauptversammlungen der beteiligten Gesellschaftenmüssen Zustimmungsbeschlüsse zum Verschmelzungsplan fassen. An-fechtungsklagen werden möglicherweise erhoben und sind abzuwehrenoder beizulegen. Die Eintragung erfolgt dann in die Handelsregister derbeteiligten Aktiengesellschaften, wie im nationalen Umwandlungsrecht,erst bei dem übertragenden, dann bei dem übernehmenden Rechtsträger.Möglicherweise stellen die ausländischen Jurisdiktionen noch weitereAnforderungen auf, die zu beachten sind. Das sind, meine Damen undHerren, in einem sehr gerafften Überblick die wesentlichen Vorausset-zungen der Verschmelzung nach dem SE-Regime.

Ich möchte nunmehr, wie bei der Umwandlung, den Zeitbedarf und dieAbhängigkeit der einzelnen Schritte der Verschmelzung skizzieren. DieStrukturen sind hier sehr ähnlich wie bei der Umwandlung. Fraglich er-scheint mir, diese Bemerkung sei mir vorab gestattet, ob die Zuleitung anden Betriebsrat nach § 5 Abs. 3 UmwG i.V.m. Art. 18 SE-VO erfolgenmuss oder man darauf verzichten kann. Vielleicht kann Herr Prof. Haber-sack dazu seine Meinung später noch darlegen.

Zunächst sind der bzw. die korrespondierenden Verschmelzungspläne zuentwerfen und zu beurkunden. Dies hat vor der Einleitung der AN-Beteiligung (§§ 4 Abs. 2 Satz 3, 5 SEAG, Art. 21 SE-VO), ferner, wie aus

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einem Verweis in § 5 SEAG auf § 61 UmwG folgt, vor der Einberufungder HV zu erfolgen. Auch die Unternehmensbewertungen sind bis dahinzu erstellen (vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. b SE-VO). Der Verschmelzungsberichtund die Verschmelzungsprüfung muss auch hier vor der Einberufung derHauptversammlung erstellt sein bzw. hat bis dahin stattzufinden, § 63Abs. 1 UmwG, Art. 18 SE-VO. Im Anschluss daran erfolgt die Bekannt-machung der Verschmelzung, §§ 61 UmwG, 5 SEAG, Art. 21 SE-VO. Im„Wegverschmelzungsfall“ ist ein Gläubigerschutz durch die Besicherungetwaig gefährdeter Forderungen vorgesehen. Es ist eine Meldefrist vonzwei Monaten ab der Bekanntmachung der Verschmelzung zu beachten,§§ 8, 13 Abs. 1 SEAG. In einem nächsten Schritt muss über die Beteili-gung der Arbeitnehmer verhandelt werden. Da dies nach demselbenSchema wie bei der Umwandlung abläuft, ist auch hier die dort geschil-derte Zeitplanung einschlägig und der hieraus resultierende Zeitbedarf zuberücksichtigen: Es ist wiederum die 10-Wochenfrist für die Bestimmungder Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums einzuplanen. Fer-ner ist die 6-monatige Verhandlungsperiode in der Projektplanung zuberücksichtigen. Sie kann allerdings abgekürzt werden, wenn man dieVerhandlungen schneller zu einem Ergebnis führen kann. Bei der Pla-nung der Verschmelzung darf man dies jedoch nicht unterstellen. In ei-nem nächsten Schritt folgt die Bestellung der ersten Aufsichts- bzw. Ver-waltungsräte der SE und daran anschließend die Bestellung der Vorstän-de bzw. der geschäftsführenden Direktoren. Die Rechtsgrundlagen hierfürsind die gleichen wie bei der Umwandlung. Die Verschmelzungshaupt-versammlungen der beteiligten Aktiengesellschaften finden ebenfallsnach den allgemeinen Regeln des jeweiligen nationalen Aktienrechtsstatt. Das SE-Regime sieht hier keine besonderen Fristen oder sonstigespezielle Anforderungen vor.

Auch im Fall der SE-Verschmelzung müssen ggf. erhobene Anfechtungs-klagen vor der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister er-folgreich abgewehrt, durch ein Freigabeverfahren überwunden oder ver-gleichsweise beigelegt werden. Die Vereinbarung über die AN-Beteiligung muss nach Art. 12 Abs. 2 SE-VO ebenfalls vor der Handels-registereintragung vorliegen. Sind alle diese Schritte abgeschlossen, soerfolgt die Eintragung im Handelsregister und das im Verschmelzungs-plan enthaltene Abfindungsangebot an die Minderheitsaktionäre kannangenommen werden. Für das Abfindungsangebot ist nach § 7 Abs. 4Satz 1 SEAG eine 2-monatige Annahmefrist vorgesehen. Sie beginnt mitder Handelsregistereintragung der SE, ist also eine der Errichtung der SE„nachlaufende“ Frist.

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VI. Die Allianz SE als Beispiel einer Verschmelzungsgründung

Anhand des prominentesten Beispiels einer SE-Gründung in Deutsch-land, der bereits wiederholt erwähnten Verschmelzungsgründung der Al-lianz SE, möchte ich Ihnen diesen Ablauf der Verschmelzungsgründungveranschaulichen:

Im September 2005 wurde die Verschmelzung der Allianz AG mit ihreritalienischen Tochter RAS S.p.A. im Wege der Ad-hoc-Mitteilung ange-kündigt. Der Verschmelzungsplan wurde im Dezember 2005 beurkundet.Die Informationen an die Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungenerfolgte nahezu zeitgleich. Im Februar 2006 fanden sodann die Ver-schmelzungshauptversammlungen der Allianz und der RAS statt. ImMärz 2006 waren die Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiumsbenannt. Die 10-Wochenfrist war abgelaufen und die konstituierendeSitzung dieses Gremiums fand statt. Im Juli 2006 einigte sich die AllianzAG mit Anfechtungsklägern, die den Zustimmungsbeschluss der Haupt-versammlung angefochten hatten, über einen Vergleich. Im Septemberendete die unverlängerte Verhandlungsperiode. Man ging nicht in dieVerlängerung, sondern traf eine Vereinbarung über die Arbeitnehmerbe-teiligung. Schließlich erfolgte die Eintragung der SE im Oktober 2006.

Als planerische Quintessenz folgt aus diesem Beispiel, dass man denUmwandlungsprozess auch bei einer SE-Verschmelzung in einem Jahrabschließen kann, und das, obwohl die Gründung der Allianz SE bei derVielzahl der Tochtergesellschaften vor allem unter dem Gesichtspunktder Arbeitnehmerbeteiligung ein durchaus komplexer Fall war. Auch derUmstand, dass dies der erste Fall einer in Deutschland praktizierten SE-Verschmelzung war, vereinfachte den Ablauf nicht. Man kann also da-von ausgehen, dass für eine SE-Verschmelzung auch in nicht ganz ein-fach gelagerten Fällen der Zeitbedarf von einem Jahr realistisch ist.

VII. Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Umwandlungs- und Ver-schmelzungsgründung

Nachdem ich Ihnen nun beide Formen der „Umwandlung“ und ihre pla-nerischen Implikationen vorgestellt habe, möchte ich noch eine kurzeGegenüberstellung vornehmen. Wo gibt es Gemeinsamkeiten bei der SE-Verschmelzung und der SE-Umwandlung? Wo gibt es Unterschiede?

Beide Wege in die SE stehen nur der AG offen, wobei allerdings ein vor-geschalteter Formwechsel in die Aktiengesellschaft ohne Wartefrist mög-lich ist. Der Zeitbedarf für Planung und Umsetzung ist in beiden Fällenvergleichbar. Allerdings ist die Verschmelzungsgründung aufgrund derBeteiligung von mindestens zwei Aktiengesellschaften und der Beach-

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tung der Anforderungen verschiedener Jurisdiktionen administrativkomplexer.

Der in beiden Fällen ungefähr ein Jahr dauernde Übergang in die SE istrelativ langwierig. Der wichtigste Grund hierfür ist die Arbeitnehmerbe-teiligung. Die dort anzutreffenden raumgreifenden Fristen, die 10-Wochen- und die 6-Monatsfrist, sind zu beachten. Beide Fristen sind al-lerdings Maximalfristen. Dies gilt insbesondere für die 6-monatige Ver-handlungsfrist, weniger für die 10-wöchige Konstituierungsfrist, bei dernur wenig Einsparpotenzial vorhanden sein dürfte. Wenn sich künftigein gewisser Standard herausgebildet hat, kann eine Vereinbarung überdie Beteiligung der Arbeitnehmer möglicherweise in weniger als sechsMonaten geschlossen werden.

Gemeinsamkeiten gibt es auch bei dem stark fragmentierten Rechtsrah-men der beiden Gründungsvarianten. Insbesondere die Umwandlung istin der SE-VO nur rudimentär geregelt; sie wird allein in Art. 2 Abs. 4und in Art. 37 SE-VO behandelt. Auch gibt es zahlreiche Zweifelsfragenim Detail, die ich in dem für mein Referat gegebenen zeitlichen Rahmennur andeuten konnte. Insgesamt sind aber die Unwägbarkeiten nicht soprohibitiv, als dass man deswegen die SE-Umwandlung als zu unsicherverwerfen müsste. Man muss diesen Unsicherheiten durch sorgfältigePlanung begegnen und mit dem zuständigen Handelsregister rechtzeitigdie SE-Umwandlung abstimmen. Das ist allerdings keine Besonderheitder SE-Gründung, sondern gilt auch für sonstige Umwandlungsprojekte.Besondere Beachtung gilt der Eintragung in das Handelsregister, dennwenn die Eintragung nicht erfolgt, sind die schönste Planung und dieArbeit, die man bis dahin investiert hat, vergeblich gewesen oder wirdzumindest erheblich verzögert.

Die Rechtsformvorteile der SE können mit beiden Gründungsvariantenerlangt werden. Die Verschmelzungsgründung, wie im Fall der AllianzSE, weist darüber hinaus einen Reorganisationsaspekt auf. Man kann mitihr, sofern gewünscht, nicht nur in die Rechtsform der SE überwechseln,sondern zugleich eine (partielle) Konzernrestrukturierung bewerkstelli-gen.

Die Umwandlung bzw. der Formwechsel ermöglicht hingegen den Über-gang in die SE, ohne dass eine Veränderung der Konzernstruktur statt-findet. Das ist in vielen Fällen ein Vorteil der Umwandlung und sicher-lich auch ein Grund dafür, weshalb sie künftig verstärkt praktiziert wer-den wird. Auch die Porsche AG dürfte voraussichtlich diesen Weg wäh-len. Mit der Umwandlungsgründung erhält man somit gewissermaßendie „SE pur“. Dies gilt nicht nur für die Umwandlung der Konzernmut-

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tergesellschaft, sondern auch für SE-Umwandlungen auf nachgeordnetenKonzernstufen.

Dennoch bleibt die Verschmelzung eine mögliche Alternative. Es gibt ausmeiner Sicht zwei Spielarten der SE-Verschmelzung. Entweder ist, nebendem Übergang in die Rechtsform der SE, eine grenzüberschreitende Re-organisation gewollt, wie im Fall der Allianz SE. Steht dieser Reorgani-sationsaspekt im Vordergrund, so erhält man die Rechtsform der SE unddie einzelnen Gestaltungsoptionen, die man dabei hat, wie z.B. die Ver-kleinerung und Europäisierung des Aufsichtsrats oder das auch bei dermitbestimmten SE mögliche Vetorecht des Vorstandsvorsitzenden, quasials legislatorische Zugabe.

Die zweite Spielart der Verschmelzungsgründung ist der Wunsch nacheiner schnellen SE-Umwandlung, obgleich die Voraussetzung des Art. 2Abs. 4 SE-VO im Hinblick auf die erforderliche Auslandsbeteiligungnicht erfüllt ist. Man kann in diesem Fall erwägen, eine Zweck-AG imAusland zu gründen, die auf die deutsche Mutter-AG hoch verschmolzenund diese dabei zur SE wird. Die Verschmelzung ist dann keine echteVerschmelzung im wirtschaftlichen Sinne, sondern wird als Umwand-lungssubstitut benutzt. Auch in diesem Fall gilt dies nicht nur für dieMuttergesellschaft als Objekt der Umwandlung, sondern auch für dienachgeordneten Konzernstufen.

VIII. Resümee

Die SE-Umwandlung kann auf mehreren Wegen angegangen werden.Der Formwechsel, die Umwandlung im engeren Sinne, dürfte bis aufweiteres dominieren. An zweiter Stelle rangiert, aus meiner Sicht, die SE-Verschmelzung. Die Gründung einer Holding-SE ist in Deutschland bis-lang noch nicht erfolgt und die Tochter-SE gibt es bislang erstmals inGestalt der MAN Diesel SE. Diese beiden letztgenannten Gründungsvari-anten sind keine Umwandlungsvorgänge, und deswegen bin ich imRahmen meines Referats auch nicht näher auf sie eingegangen.

Zu betonen ist ferner, dass die bisherigen SE-Umwandlungen eine er-kenntnisreiche Grundlage für die konkrete Projektplanung und-umsetzung bieten. Wenn Sie die Verschmelzungs- bzw. Umwandlungs-pläne verschiedener Gesellschaften nebeneinander betrachten, die bereitsden Weg in die SE beschritten haben oder gerade auf dem Wege dahinsind, dann können Sie sehen, dass manche Absätze wie zufällig wort-gleich sind. Man lernt von den Vorgängern und das vereinfacht die ei-gene Projektplanung und -durchführung ganz erheblich. Der Weg in dieSE wird damit zunehmend leichter.

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Wie die in meinem Referat aufgezeigten Beispiele veranschaulicht undbelegt haben, ist der Übergang in die SE ist binnen Jahresfrist möglich.Dies ist zwar eine relativ lange, aber nach meiner Auffassung keine pro-hibitiv lange Frist. Wesentliche zeitliche Unterschiede zwischen Um-wandlungs- und Verschmelzungsgründung sind hierbei nicht auszuma-chen.

Die Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Umwandlung sind:

Zunächst die Wahl der im Einzelfall geeigneten Gründungsvariante. Ander getroffenen Wahl orientiert sich zweitens die wichtige Detailplanungund die daraus folgende Umsetzung der notwendigen Schritte. Ein weite-rer wesentlicher Erfolgsfaktor ist schließlich auch die laufende Kontrolleder zeit- und ablaufsgerechten Planumsetzung durch den Projektleiter,der sowohl für die Planung als auch für die tatsächliche Umsetzung dereinzelnen Schritte verantwortlich sein sollte.

Alles in allem, meine Damen und Herren, sind daher SE-Umwandlungenkeine Hexenwerke, sondern, wie auch die bisherige Praxis belegt, durch-aus plan- und machbar.

Gast

Sie haben gesagt, man sollte nach Möglichkeit die Anfechtungsklagendurch einen Vergleich beilegen. Das ist schon wieder die Aufforderungzum Klagetourismus für die Hauptversammlung. Warum versucht mannicht, wie bei anderen Umwandlungssachen auch, das im Eilverfahrennach § 16 Abs. 3 UmwG beim Handelsregister einzutragen? Oder gibt eskein vergleichbares Verfahren bei der Umwandlung in die SE?

Dr. Erich Waclawik

Doch, das gibt es schon! Ich möchte auch nicht so verstanden werden,dass ich diesen Anfechtungen und auch den Vergleichen im Anfech-tungsprozess Vorschub leisten möchte. Im Fall der Gründung der AllianzSE hat man sich jedenfalls verglichen, da man das Problem gesehen hat,dass eine SE-Umwandlung jedenfalls bei kapitalmarktorientierten Gesell-schaften innerhalb möglichst kurzer Zeit vollendet werden muss, dasHauptsacheverfahren aber nicht bis zum Ende eines solchen Verfahrenszu bewältigen ist. Es gibt ferner tatsächlich auch hier das Freigabever-fahren, sowohl bei der SE-Verschmelzung als auch bei der SE-Umwandlung. Aber man muss auch im Freigabeverfahren bis zu 6 Mo-nate in erster Instanz rechnen. Dann wird die unterlegene Partei imZweifel in die sofortige Beschwerde gehen. Voraussichtlich ist sodanndas Verfahren bei dem OLG noch einmal drei Monate anhängig. Ich habe

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auch schon Fälle erlebt, wo das Freigabeverfahren durch zwei Instanzenüber ein Jahr gedauert hat. Wenn Sie so viel Zeit haben und so langeausharren können, dann ist es durchaus möglich, dass Sie das Freigabe-verfahren betreiben und zum Erfolg führen. Meine Erfahrung ist aber,dass man schneller zum Ziel kommen möchte. Daher ist man geneigt− was ich persönlich gar nicht wünsche − sich zu vergleichen und einenAnfechtungsprozess auf diesem Weg beizulegen. Dies schließt nicht aus,dass man ein Freigabeverfahren anstrengt und schaut, wie man damitvorankommt. Nur die Erwartung, dass man innerhalb der erwähnten 6-Monatsfrist mit den Arbeitnehmern zu einem Verhandlungsergebniskommt und zeitnah dazu den Freigabebeschluss in zweiter Instanz er-streitet, halte ich für ambitioniert.

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2.5 Praxisbeispiel: Die Umwandlung der FreseniusAG in eine SE

Prof. Dr. Jürgen Götz,Bereichsleiter Recht und Versicherungen, Fresenius AG

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach den Vorträgen des heuti-gen Vormittags wissen Sie im Grunde schon alles über die SE. Deswegenwird manches, was ich Ihnen präsentiere, einen gewissen Wiedererken-nungswert für Sie haben. Diejenigen von Ihnen, deren Appetit auf die SEnoch nicht gestillt ist, werden jetzt gemeinsam mit mir den Weg der Fre-senius AG in eine SE verfolgen können. Ich werde wesentliche Themen,die sich in diesem Zusammenhang stellen, in Frageform adressieren undHintergründe beleuchten.

I. Warum Fresenius SE statt AG?

Zunächst: Warum Fresenius SE statt AG? Ein wesentlicher Beweggrundfür Fresenius war, die bislang praktizierte effiziente Corporate Governan-ce mit einem aus zwölf Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrat fortzuset-zen. Wir haben heute Vormittag schon verschiedentlich über die Themen„Größe des Aufsichtsrats“ und „Anteil der Arbeitnehmervertreter“ ge-sprochen. Die Gesetzgebung zur SE ermöglicht es, die Größe des Auf-sichtsrats in der Satzung zu bestimmen. Die Aufsichtsratsgröße ist alsonicht anhand der Vorgaben des Mitbestimmungsgesetzes festzulegen.Fresenius wäre ohne die Umwandlung in eine SE durch die insbesondereinfolge der Akquisition der HELIOS Kliniken gestiegene Zahl an inländi-schen Arbeitnehmern verpflichtet gewesen, den Aufsichtsrat von 12 auf20 Mitglieder zu vergrößern. All diejenigen unter Ihnen, die Gremienar-beit leisten oder geleistet haben, wissen, dass es sich in einem kleinerenGremium effektiver arbeiten lässt. Der Entscheidungsfindungsprozess istkürzer und der Koordinationsaufwand ist geringer. Insofern ist ein klei-neres Gremium in der schnelllebigen Welt, in der wir uns heute bewegen,ein echter Wettbewerbsvorteil. Diesen Wettbewerbsvorteil möchte sichFresenius durch die Beibehaltung der bisherigen Aufsichtsratsgröße er-halten.

Ein zweiter wichtiger Beweggrund für die Umwandlung ist ein weicherFaktor: Fresenius kann durch die Umwandlung die internationale Aus-richtung des Geschäfts in der Rechtsform abbilden. Die Firmierung als SEunterstreicht die Bedeutung der internationalen, insbesondere der euro-

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päischen Aktivitäten für Fresenius. Für ein Unternehmen mit Sitz inDeutschland ist die SE die „internationalste“ Rechtsform. Als solche för-dert die SE die Herausbildung einer offenen und internationalen Unter-nehmenskultur. Sie ermöglicht zudem die Mitwirkung der europäischenMitarbeiter an der Bestellung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat.Die SE hat auf diese Weise eine Europäisierung der Arbeitnehmerseite imAufsichtsrat zur Folge. Die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unter-nehmen wird damit über Ländergrenzen hinweg gestärkt.

II. Warum Fresenius SE im Wege der Umwandlung?

Die zweite Frage, die sich stellt, lautet: Warum Fresenius SE im Wege derUmwandlung? Diese Frage lässt sich leicht beantworten. Sie ist abstraktheute Vormittag schon verschiedentlich adressiert worden. Die Umwand-lung ist die unkomplizierteste SE-Gründungsform. Die rechtliche undwirtschaftliche Identität der Gesellschaft bleibt erhalten. Damit bleibendie Identität des Rechtsträgers, die Kontinuität seines Vermögens und dieBeteiligung der Aktionäre unangetastet. Aus diesem Grund sind keinebesonderen Gesellschafter- und Gläubigerschutzvorschriften zu beachten.

Ferner ist die Umwandlung die am wenigsten angreifbare SE-Grün-dungsform. Insbesondere das Fehlen von Bewertungsthemen reduziertdas Risiko von Anfechtungsklagen. Ich kann Ihnen mit Freude mitteilen,dass gegen die Umwandlung der Fresenius AG in eine SE keine Anfech-tungsklage anhängig ist. Die Beilegung eines Rechtsstreits durch einenVergleich hat sich als Thema für uns nicht gestellt. Anzumerken ist aller-dings, dass dann, wenn es tatsächlich zu einer Anfechtungsklage kommt,das Freigabeverfahren angesichts der Komplexität des Rechtsrahmens imZweifel kein taugliches Instrument ist, um strittige Fragestellungen inkurzer Zeit zu lösen.

Noch eine kleine Randbemerkung zu der angesprochenen Fragestellung:Die Umwandlung ist eine besonders kostengünstige Variante, um in dieSE zu gelangen. Die Allianz SE hat in ihrer Satzung den Gründungsauf-wand in Bezug auf die Verschmelzung der RAS auf die Allianz mit 95Mio. Euro angegeben. Die BASF rechnet bei ihrer Umwandlung demge-genüber mit einem Gründungsaufwand von bis zu 5 Mio. Euro. Freseniuswird deutlich unter diesen Beträgen bleiben, obwohl – anders als bei derBASF – noch eine außerordentliche Hauptversammlung zu finanzierenwar. Bei Fresenius werden die in der Satzung angegebenen Gründungs-kosten von bis zu 3 Mio. Euro signifikant unterschritten. Sie werden sicham Ende auf ca. 2 Mio. Euro belaufen.

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III. Welche Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich mit der SE?

Welche Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich mit der SE? Es handeltsich dabei um ein Thema, das meine Vorredner schon intensiv adressierthaben. Viele der in diesem Zusammenhang anzusprechenden Aspektehaben keinen konkreten Bezug zur Umwandlung der Fresenius AG in ei-ne SE. Ich werde meine Ausführungen deshalb auf eine kurze Übersichtbeschränken.

Zu den Gestaltungsmöglichkeiten, die eine SE eröffnet, zählt beispiels-weise die identitätswahrende Verlegung des Satzungssitzes innerhalb derEU und des EWR, also das sogenannte Unternehmensverfassungs-Shop-ping. Eine Sitzverlegung anlässlich der Umwandlung in eine SE ist aller-dings unzulässig.

Ein zweites, für mitbestimmte Aktiengesellschaften in meinen Augen e-her theoretisches Thema ist die Möglichkeit der Einführung der monisti-schen Unternehmensverfassung mit einem Verwaltungsrat. Wegen dessich deutlich stärker auswirkenden Einflusses der Arbeitnehmermitbe-stimmung im Verwaltungsrat ist das monistische System für mitbe-stimmte Gesellschaften, zumindest aus Anteilseignersicht, keine attrakti-ve Option. Deswegen nehme ich nicht an, dass wir zukünftig im DAX100 eine größere Zahl von monistisch organisierten Europäischen Gesell-schaften sehen werden.

Ein wichtiges Thema für die Praxis – das zeigen die Beispiele Allianz,Fresenius und BASF – ist dagegen die Möglichkeit, die Aufsichtsratsgrö-ße durch die Satzung zu bestimmen. Das Mitbestimmungsgesetz mit sei-nen Vorgaben zur Aufsichtsratsgröße findet auf die SE keine Anwen-dung. Ein Wermutstropfen sind in diesem Zusammenhang die unter-schiedlichen Meinungen, die zu dem Spannungsverhältnis zwischen derdiesbezüglichen Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers und der Verein-barungsautonomie der Parteien im Rahmen des Arbeitnehmer-beteiligungsverfahrens vertreten werden. Dass die Allianz ihren Auf-sichtsrat im Zuge der SE-Gründung verkleinern konnte und eine Verein-barung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE geschlossen hat,ist dabei sicherlich ein bemerkenswerter Präzedenzfall. Meine Position zudieser Fragestellung – das wird Sie nicht überraschen – ist klar und ein-deutig. Ich teile die Meinung, die Herr Habersack heute Vormittag vorge-stellt hat. Sowohl der Wortlaut der einschlägigen Regelungen als auchderen Sinn und Zweck sprechen dafür, dass die Gestaltungsfreiheit desSatzungsgebers den Vorrang genießt.

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Ein sicher nicht uninteressanter Randaspekt ist, dass in der SE einemstellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden für den Fall der Abwesenheitdes Aufsichtsratsvorsitzenden das Recht zum Stichentscheid eingeräumtwerden kann, sofern er ein Vertreter der Anteilseigner ist. Übrigens istim Falle eines Patts im Aufsichtsrat der SE eine erneute Abstimmung –anders als im Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes – nichterforderlich.

Ein weiterer Randaspekt ist das Vetorecht, das in der SE dem Vorstands-vorsitzenden bei Vorstandsentscheidungen eingeräumt werden kann.Dies ist bei einer dem Mitbestimmungsgesetz unterliegenden Aktienge-sellschaft wegen der gleichberechtigten Stellung des Arbeitsdirektorsnicht zulässig. Ein Arbeitsdirektor ist in der SE nicht vorgesehen. Nachder gesetzlichen Auffanglösung gibt es lediglich die Zuständigkeit fürdas Vorstandsressort „Arbeit und Soziales“. Ein Vetorecht des Vorstands-vorsitzenden einer SE ist daher möglich. Ich messe diesem Aspekt aller-dings keine allzu große Bedeutung bei. Ein Vorstandsvorsitzender, dervon seinem Vetorecht wiederholt Gebrauch machen muss, hat nämlichim Zweifel keine starke Stellung im Vorstand und wird deshalb dielängste Zeit diese Position bekleidet haben. Dem Vetorecht kommt je-doch eine gewisse Symbolkraft zu und kann eine traditionell starke Stel-lung des Vorstandsvorsitzenden in einer Gesellschaft unterstreichen.Deswegen sei es hier erwähnt.

Es besteht ein weiterer Unterschied zwischen der SE und einer AG: In derSE können Organmitglieder für einen Zeitraum von bis zu sechs Jahrenbestellt werden. Der Zeitraum ist in der Satzung festzulegen. Interessantist auch, dass die Bestellung von Vorstandsmitgliedern – anders als imGeltungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes – lediglich der einfachenMehrheit im Aufsichtsrat bedarf. Das komplexe Bestellungsprozedere desMitbestimmungsgesetzes findet keine Anwendung.

Schließlich unterliegt die Ausgestaltung der Beteiligungsrechte der Ar-beitnehmer in der SE einer – eingeschränkten – Vereinbarungsautono-mie. Das Verfahren zur Beteiligung der Arbeitnehmer ist geprägt vondem Grundsatz des Schutzes der erworbenen Rechte der Arbeitnehmer.Aus diesem Grund ist der Spielraum hinsichtlich der Verhandlungsposi-tionen, die die Parteien in dem Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren ein-nehmen, nicht sehr groß. Berücksichtigt man, dass bei einer Umwand-lung in eine SE hinsichtlich aller Komponenten der Arbeitnehmerbeteili-gung zumindest das gleiche Ausmaß gewährleistet werden muss, das inder Gesellschaft besteht, die in eine SE umgewandelt werden soll, dannwird deutlich, dass zwar im Rahmen des Arbeitnehmerbeteiligungsver-fahrens über Vieles geredet werden kann. Die Möglichkeiten, Vereinba-

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rungen zu treffen, die gravierend von dem Ist-Zustand abweichen, sindaber sehr eingeschränkt.

IV. Welche Herausforderungen ergeben sich in der praktischen Umset-zung?

Die aus Ihrer Sicht möglicherweise spannendste Fragestellung in meinemVortrag lautet: Welche Herausforderungen ergeben sich in der prakti-schen Umsetzung? Nach alldem, was Sie heute Vormittag gehört haben,ist es sicher keine Überraschung, dass an erster Stelle die Vielzahl anzu-wendender Rechtsquellen unterschiedlicher Jurisdiktionen mit ihrerkomplizierten Normenhierarchie steht. Dadurch wird ein erhöhterRechtsberatungsbedarf ausgelöst. De facto muss in jedem Land – d.h. inbis zu 30 Ländern, wenn Sie die EU und den EWR in der Gesamtschaubetrachten -, in dem eine Gründungsgesellschaft selbst bzw. über eineabhängige Gesellschaft Mitarbeiter beschäftigt, anwaltliche Beratungeingeholt werden. Dies gilt zumindest hinsichtlich des Arbeitnehmerbe-teiligungsverfahrens. Dieses wird – insbesondere, was die Bestellung derMitglieder des Besonderen Verhandlungsgremiums betrifft – von natio-nalen Vorschriften geprägt.

Trotz oder eher wegen der Komplexität des Regelungsrahmens bestehtkeine ausreichende Rechtssicherheit. Dies sehe ich als ein wesentlichesManko an. Beispielsweise gibt es bei der zentralen Frage der Zuständig-keit für die Festlegung der Aufsichtsratsgröße Ansatzpunkte für unter-schiedliche Meinungen. Ich hatte das vorhin bereits ausgeführt. Fernersind einige regelungsbedürftige Punkte offen geblieben. Dazu zählt dieFestlegung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Bestimmung der Sitzver-teilung im Aufsichtsrat auf die Mitgliedstaaten und deren regelmäßigeÜberprüfung im Fall der gesetzlichen Auffanglösung. Dabei handelt essich um einen problematischen Aspekt für dynamisch wachsende Unter-nehmen. Im Fall der gesetzlichen Auffanglösung wird der Status quozum Zeitpunkt der SE-Gründung eingefroren. Dies kann nicht angemes-sen sein. An der Stelle hat der Gesetzgeber schlicht und einfach einenganz wesentlichen, regelungsbedürftigen Punkt übersehen. Für den SE-Betriebsrat gibt es insoweit übrigens eine ausdrückliche Regelung. Esverbleiben damit nicht voll beherrschbare Risiken für die Eintragung derSE und mögliche Diskussionspunkte für das Verhandlungsverfahren imRahmen des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens. Das ist bedauerlichund erleichtert sicherlich nicht die Verhandlungen.

Die gesetzliche Ausgestaltung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrensist – das wissen Sie, wenn Sie einen Blick in das Gesetz geworfen haben– sehr aufwendig und nicht in jeder Hinsicht zufriedenstellend. Es be-

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ginnt schon mit dem Arbeitnehmerinformationsschreiben nach § 4SEBG. Beim genauen Hinsehen werden Sie feststellen, dass die Vorberei-tung dieses an sich schlichten Schreibens die Sammlung einer Vielzahlan Informationen erfordert, die für die Betroffenen letztlich ohne großenWert sind. Als Beispiel sei die genaue Zahl der Beschäftigten in den ein-zelnen Betrieben in Europa genannt. Das ist in meinen Augen nicht sehrdurchdacht. Die Adressaten werden mit einer Fülle an Daten zugeschüttetund können im Zweifel nur noch mit Mühe das Wesentliche vom Unwe-sentlichen trennen.

Wir haben festgestellt, dass die grundsätzliche Übertragung der Verant-wortung für die Bestellung der Mitglieder des Besonderen Verhand-lungsgremiums auf die Arbeitnehmer eine Bereitschaft zur Initiative un-terstellt, die nicht immer gegeben ist. Nur in wenigen Ländern – so zumBeispiel in Dänemark, in Polen und im Vereinigten Königreich – beste-hen Mitwirkungspflichten der Unternehmensleitung. Hier stellt sich dieFrage: Sind die Arbeitnehmer und ihre Vertreter nicht damit überfordert,innerhalb von 10 Wochen das Besondere Verhandlungsgremium zubestellen? Es darf bezweifelt werden, dass sich der Gesetzgeber der beider praktischen Umsetzung auftretenden Probleme immer bewusst war.

In die gleiche Richtung geht der Hinweis, dass die gesetzlichen Regelun-gen diversifizierten und dezentral organisierten Unternehmensstrukturennicht ausreichend Rechnung tragen.

Interessant und stellenweise auch zum Schmunzeln ist, dass die gesetzli-che Auffanglösung insbesondere beim Thema Mitbestimmung zu kurio-sen Ergebnissen führen kann. Der SE-Betriebsrat kann beispielsweise indie Situation geraten, den Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat für einLand bestimmen zu müssen, das wegen fehlender Initiative der dort be-schäftigten Mitarbeiter kein Mitglied in den SE-Betriebsrat entsandt hat.Dann stellt sich die Frage: Wie soll der SE-Betriebsrat in einem solchenFall einen geeigneten Kandidaten ermitteln und warum sollten die inak-tiven Mitarbeiter des betroffenen Landes im Aufsichtsrat vertreten sein?Für diesen besonderen Fall hat die gesetzliche Auffanglösung keine Vor-sorge getroffen. Es handelt sich dabei nicht nur um eine kuriose, sondernmit Blick auf das Interesse an einer vollständigen und ordnungsgemäßenAufsichtsratsbesetzung durchaus auch um eine missliche Situation.

Ich hatte bereits angesprochen, dass mangels einer regelmäßigen Über-prüfung der Sitzverteilung im Aufsichtsrat – anders als beim SE-Betriebsrat – bei dynamisch wachsenden Unternehmen das Risiko einersukzessiven Verfälschung des Proportionalitätsgrundsatzes besteht.Nehmen Sie ein Unternehmen, das in einem Land einen wichtigen Zu-

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kauf tätigt, aber keine Vereinbarung über eine Überprüfung der Sitzver-teilung im Aufsichtsrat getroffen hat. Dann kann es dazu kommen, dassArbeitnehmer aus Ländern, die nur noch eine Minderheit repräsentieren,dauerhaft für den Vorschlag zur Bestellung der Arbeitnehmervertreter imAufsichtsrat zuständig sind. Darin sehe ich ein Manko.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Umwandlung in eine SE

- eine sorgfältige Planung- eine intensive Abstimmung mit den am Prozess Beteiligten, d.h.

vom lokalen Manager bis zum Registerrichter- eine umfangreiche Dokumentation – das sind die Juristen ge-

wohnt – vom Umwandlungsplan bis zum Nachweis der ord-nungsgemäßen Information nach § 4 SEBG

- eine umfassende juristische Betreuung- die Bereitschaft, nicht nur juristisches Neuland zu betreten und

Risiken in der Durchführung in Kauf zu nehmen, sowie- genügend Zeit und damit im Zweifel einen „langen Atem“

erfordert.

V. Zeitlicher Ablauf der Umwandlung der Fresenius AG in eine SE

Zum Zeitbedarf für eine SE-Umwandlung kann ich sagen, dass sie sichinnerhalb eines Jahres durchführen lässt. Dieser Zeitrahmen dürfte zumallgemeinen Standard werden, wie die bisherigen Beispiele zeigen. Auchdie Gründung der Fresenius SE wird in dem Rahmen liegen. Hier nocheinmal der Zeitplan für den Ablauf der Umwandlung der Fresenius AG ineine SE:

- Wir haben Mitte Oktober 2006 nach den zustimmenden Gre-mienbeschlüssen von Vorstand und Aufsichtsrat das Umwand-lungsvorhaben veröffentlicht.

- Zwei Wochen später haben wir das Arbeitnehmerinformations-schreiben auf der Grundlage der Daten zum 30. September 2006versandt.

- Am 4. Dezember 2006 hat die außerordentliche Hauptversamm-lung der Fresenius AG fast einstimmig dem Umwandlungsvorha-ben zugestimmt.

- Wir haben dann am 16. Januar 2007 die konstituierende Sitzungdes Besonderen Verhandlungsgremiums abgehalten. Damit wurdedie Sechsmonatsfrist für die Verhandlungen über die Beteiligungder Arbeitnehmer in der SE in Gang gesetzt.

- Die gesetzliche Verhandlungsfrist läuft am 16. Juli 2007 ab. ImAnschluss daran werden die Handelsregisteranmeldung sowie die

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Eintragung der Umwandlung erfolgen und damit die FreseniusSE ins Leben treten.

Gast

Zwei Fragen! Es wurde schon mehrfach gesagt, dass keine Verschlechte-rung der Arbeitnehmermitbestimmungsrechte stattfinden soll. Sie sagtenaber gerade, dass die Allianz ihren Aufsichtsrat verkleinert hat, dasscheint mir ein Widerspruch zu sein. Das ist vielleicht bei der Verschmel-zung, die bei der Allianz gewählt worden ist, auch möglich. Wenn Siedas vielleicht noch kurz erläutern würden.

Dann sagten Sie, dass bei der Befragung der Arbeitnehmer hinsichtlichder Rechtsberatung in allen Jurisdiktionen nachgefragt werden muss,ganz egal ob dort direkt Arbeitnehmer beschäftig sind oder nicht. Dasheißt, es reicht also aus, wenn die Gründungsgesellschaft über Tochter-Gesellschaften Arbeitnehmer beschäftigt. Ist das die gesetzliche Voraus-setzung oder wie ist das zu verstehen?

Prof. Dr. Jürgen Götz

Zu Ihrer ersten Frage: Wir müssen sehr sorgfältig unterscheiden zwi-schen qualitativen und quantitativen Kriterien der Mitbestimmung. Obein Aufsichtsrat aus 20 Mitgliedern oder aus 12 Mitgliedern besteht, hatsolange keinen qualitativen Unterschied in der Mitbestimmung zu Folge,wie er paritätisch zusammengesetzt ist. In beiden Fällen sprechen wirvon paritätischer Mitbestimmung. Insofern führt die Reduzierung derAufsichtsratsgröße bei der Allianz von 20 auf 12 zu keiner Beeinträchti-gung der Mitbestimmung. Dies wird im Übrigen auch durch die SE-Richtlinie unterstrichen, die in der Auffangregelung für die Mitbestim-mung festschreibt, dass der Anteil der Arbeitnehmervertreter im Auf-sichtsorgan nicht reduziert werden darf. Die absolute Größe des Organsist davon nicht betroffen. So lange die paritätische Mitbestimmung er-halten bleibt, wird durch eine Reduzierung der Aufsichtsratsgröße dieMitbestimmung qualitativ nicht beeinträchtigt.

Zur Ihrer zweiten Frage: Überall da, wo die Gründungsgesellschaft undihre Tochtergesellschaften Mitarbeiter in Europa beschäftigen, müssenWahlen bzw. die Bestellungsverfahren zum Besonderen Verhandlungs-gremium durchgeführt werden. Das bedeutet tatsächlich, dass Sie auchdann, wenn Sie in einem Land am Ende nur 11 Mitarbeiter haben, letzt-endlich der lokalen Rechtsberatung bedürfen. Sie werden diese im Zwei-fel nicht zentral vornehmen können, weil Ihnen insoweit die Expertisefehlt. Es ist also nicht notwendig, dass die Gründungsgesellschaft selbst

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Mitarbeiter im Ausland beschäftigt. Das wird häufig auch gar nicht derFall sein. Es kommt vielmehr auf die Gründungsgesellschaft und ihreTochtergesellschaften an.

Gast

Ist es taktisch empfehlenswert, nach dem Beschluss des Vorstands die AGin eine SE umzuwandeln, informelle Gespräche mit Vertretern der Ar-beitnehmer aufzunehmen, um über die künftige Gestaltung der Mitbe-stimmung im Aufsichtsrat zu beraten oder sollte man umgekehrt sagen,wir setzen zuerst ein Zeichen und machen die Satzung und dann führenwir die offiziellen Gespräche?

Prof. Dr. Jürgen Götz

Es ist so, dass nicht nur der Vorstand eine Entscheidung trifft, sondernauch der Aufsichtsrat. Formal juristisch muss der Aufsichtsrat der SE-Umwandlung nicht zustimmen. Dies sieht das Gesetz nicht vor. De factostimmt er aber zu, weil er den Vorschlag zur Umwandlung, der an dieHauptversammlung gerichtet ist, mittragen muss. Das war bei der Allianzso, das war bei Fresenius so, das war bei der BASF so. In der Regel er-fahren Sie auch, ob solche Beschlüsse einstimmig erfolgen oder nicht.Soweit mir bekannt ist, sind in allen drei Fällen die Beschlüsse einstim-mig gefasst worden. Das bedeutet, dass die Arbeitnehmerseite zu einemsehr frühen Zeitpunkt mit der Thematik befasst wird. Sie wird deshalb,wenn das Verfahren ordnungsgemäß abläuft, auch hinsichtlich der Mit-bestimmungsfragen sicherlich nicht überrascht. Die Arbeitnehmerseitekann folglich Fragen mit dem Vorstand auch eingehend erörtern, bevorein Beschluss gefasst wird.

Insofern sehe ich keine großen taktischen Varianten. Vielmehr ist imnormalen Ablauf gewährleistet, dass die Arbeitnehmer frühzeitig betei-ligt werden. Ein wichtiger Aspekt ist allerdings, dass es nur die deut-schen Arbeitnehmervertreter sind. Die Europäisierung erfolgt erst späterim Laufe des Gründungsverfahrens. Man muss allerdings fairer Weisesagen, dass, wenn sie als deutsche Aktiengesellschaft auf die Idee kämenund einen französischen Mitarbeiter an den Tisch holten, um ihn zu fra-gen, was er von der Umwandlung hält, er sicherlich zunächst nicht sehrviel mit Mitbestimmungsthemen anfangen könnte. Das deutsche Mitbe-stimmungsmodell ist eben im europäischen Ausland nicht überall glei-chermaßen bekannt und populär. Das muss man sehen! Deshalb ist esauch gerechtfertigt, dass das Ganze am Anfang mediatisiert über denAufsichtsrat läuft.

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Gast

Sie erwähnten, dass nicht in allen Ländern, in denen die Gesellschaftenansässig sind, das Mitbestimmungsmodell aus Deutschland bekannt istund zum Teil etwas der Enthusiasmus fehlt, sich diesem Thema wirklichzu widmen. Die Wahlordnungen, die in Deutschland einschlägig sind,sind nicht wenig kompliziert. Was glauben Sie, wie lange künftig dasWahlverfahren dauern wird, wenn Neuwahlen anstehen? Im Sinne einesVorher-Nachher-Vergleichs, wie viel länger wird das sein? Wie vieleMehrkosten werden verursacht? Haben Sie schon irgendwelche Erfah-rungswerte?

Prof. Dr. Jürgen Götz

Ich nehme an, Sie sprechen von dem Wahlverfahren zum Aufsichtsrat.Insoweit können Sie überhaupt keine pauschale Aussage treffen. Die ers-te wichtige Weichenstellung ist, ob Sie eine Vereinbarung schließen oderob das Ganze nach der gesetzlichen Auffanglösung läuft. Für mich istdieser Aspekt ein ganz Wesentlicher. Warum? Jedes Unternehmen, das indie SE wechselt, sollte ein hohes Interesse an dem Abschluss einer Ver-einbarung haben, weil die gesetzgeberische Lösung für die Mitbestim-mung im Aufsichtsrat, die gesetzliche Auffanglösung also, deutlichschlechter ausgestaltet ist als die für den SE–Betriebsrat. Das heißt nichtim Sinne von „ich finde die Regelung gut oder schlecht“, sondern sie isteinfach fragmentarisch. Es sind wesentliche Regelungsaspekte nicht be-handelt. Ein ganz wichtiger Aspekt ist deswegen für mich das Thema„Wie läuft eigentlich das Bestellungsverfahren zum Aufsichtsrat?“ Diesist in eine Vereinbarung zu gießen. Es muss eine möglichst pragmatische,vernünftige Lösung gefunden werden, die natürlich die Arbeitnehmerin-teressen voll berücksichtigt und in einem überschaubaren Verfahren undin überschaubarer Zeit abgewickelt werden kann.

Wenn Sie die gesetzliche Auffanglösung nehmen, dann hängt es schlichtund einfach davon ab, auf welche Länder die Sitze entfallen und wie diegesetzliche Auffanglösung in diesen Ländern aussieht. Denn die gesetzli-che Auffanglösung in Deutschland verweist auf das nationale Recht derMitgliedstaaten, auf die die Sitze entfallen, und das kann sehr unter-schiedlich ausgestaltet sein. Nehmen Sie beispielsweise unseren Nachbar-staat Frankreich. Frankreich hat, soweit mir bekannt ist, bis heute keinegesetzliche Regelung für die Bestellung eines französischen Arbeitneh-mervertreters in einen deutschen Aufsichtsrat. Das bedeutet, dass dieRückfallposition der gesetzlichen Auffanglösung in Deutschland zumTragen kommt. Danach muss der SE-Betriebsrat einen französischen Ar-beitnehmervertreter bestellen. Natürlich kann man sich fragen, ob es in

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einer solchen Konstellation sinnvoll ist, dass der SE-Betriebsrat für dasBestellungsverfahren zuständig ist.

Gast

Ich gehe davon aus, dass, wenn ich z. B. eine französische Tochtergesell-schaft in eine SE umwandle, ich im Zweifelsfall nur die Arbeitnehmer,die unter dieser Tochter oder in dieser Gesellschaft sind und deren Toch-tergesellschaften befragen muss?

Wenn jetzt aber umgekehrt, wie in Ihrem Fall, Sie aus Frankreich einenArbeitnehmer in den Aufsichtsrat bekommen, aber England und Spanienhaben niemanden, den sie entsenden würden, würde man die Arbeit-nehmer aus diesen Ländern bei der Wahl des französischem Arbeitneh-mervertreters sozusagen mitbeteiligen oder nur die Arbeitnehmer ausFrankreich?

Prof. Dr. Jürgen Götz

Rein theoretisch können Sie alles vereinbaren! Sie haben nahezu absolu-te Gestaltungsfreiheit, was das Benennungsverfahren zum Aufsichtsratangeht. Ich weiß nicht, ob es unbedingt sinnvoll ist, hier eine Urwahl inSpanien und dem Vereinigten Königreich für einen französischen Ar-beitnehmervertreter vorzunehmen. Das ist eine Frage der persönlichenBewertung. Wenn Sie nach der gesetzlichen Auffanglösung gehen, ist esimmer eine rein nationale Lösung. Was das Thema Tochtergesellschaftund Arbeitnehmer angeht, liegen Sie richtig mit Ihrer Annahme.

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2.6 Praxisbeispiel MAN Diesel SE

Dr. Hendrik Höhfeld,Syndikus, MAN AG

Ich freue mich, Ihnen hier über unsere Erfahrungen, die wir bei der Um-wandlung einer Tochtergesellschaft der MAN Aktiengesellschaft, derMAN B&W Diesel AG in Augsburg, in eine SE gemacht haben, referierenzu können.

I. MAN B&W Diesel AG, Augsburg

Zu diesem Zweck darf ich Ihnen zunächst die MAN B&W Diesel SE vor-stellen. Die MAN B&W Diesel AG ist eine hundertprozentige Tochter derMAN Aktiengesellschaft. Zwischen beiden Gesellschaften besteht ein Er-gebnisabführungs- und Beherrschungsvertrag, mit dem die MAN B&WDiesel von der MAN AG beherrscht wird.

Aufgrund der Beherrschungssituation haben sich für uns viele Problemenicht gestellt. Wir mussten keine Anfechtungen fürchten und hätten,wenn es erforderlich gewesen wäre, auch jederzeit einen weiteren Haupt-versammlungsbeschluss herbeiführen können, um auftretende Schwie-rigkeiten zu beseitigen.

Zum Gegenstand des Unternehmens: Die MAN B&W Diesel AG ist einproduzierendes Unternehmen mit verschiedenen Standorten in vielenLändern der EU und des EWR. Dazu gehören, um auf einen der Vorred-ner Bezug zu nehmen, auch „Service- und Betriebsstandorte“ mit nur 7Mitarbeitern. Auch diese Standorte mussten natürlich in das gesamteVerfahren zur Konstituierung des besonderen Verhandlungsgremiumsmit eingebunden werden. Ich komme darauf später noch zurück.

Insgesamt hatte die MAN B&W Diesel AG in Augsburg, in der EU und imEWR 6.700 Mitarbeiter beschäftigt. Damit unterlag und unterliegt dieseGesellschaft dem Mitbestimmungsgesetz von 1976. Damit gilt die paritä-tische Besetzung im Aufsichtsrat.

II. Gründe für die Wahl der SE anstatt der AG

Des Weiteren möchte ich kurz darstellen, warum wir den Weg in eine SEgewählt haben. Diese Frage ist immer wieder an uns herangetragen wor-den. Ausschlaggebend sind auch bei uns die folgenden zwei Punkte ge-wesen:

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Zum einen haben wir versucht, durch die Betonung des europäischenCharakters der supranationalen Rechtsform der SE eine Integrationswir-kung zu erzielen. Die verschiedenen Aktivitäten der MAN B&W DieselAG in Europa werden jetzt nicht mehr durch eine deutsche Holding „re-giert“, sondern haben eine europäische Holding als Muttergesellschaft.

Diese europäische Holding eröffnet die Möglichkeit, dass auch aus-ländische Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat gewählt werdenkönnen. Damit ist eine Europäisierung der Gesellschaft verbunden, die –das war ein wesentliches Ziel – zu einer Integration der verschiedenstenAktivitäten in der Gruppe der MAN B&W Diesel AG führt.

Ein weiterer Grund war, wie heute bereits mehrfach angesprochen wurde,die Möglichkeit zur Verkleinerung des Aufsichtsrates. Wir haben dieseMöglichkeit genutzt und den Aufsichtsrat von 12 Mitgliedern auf 10verkleinert. Dies führte auch zu der Problematik, die Herr Prof. Dr. Ha-bersack heute Morgen angesprochen hat. Allerdings haben wir im Ver-gleich zu Herrn Prof. Dr. Habersack und auch zu Herrn Prof. Dr. Götz ge-nau die entgegengesetzte Auffassung vertreten. Ich komme später daraufzurück.

Ein weiterer Punkt, der auch von meinen Vorrednern erwähnt wurde, istdie Möglichkeit der identitätswahrenden Sitzverlegung der SE innerhalbder EU und des EWR. Dies ist bisher nur in der Rechtsform der SE mög-lich und bietet eine interessante Möglichkeit, um auch im inter-nationalen Umfeld flexibel reagieren zu können. Auch dies war ein we-sentlicher Aspekt, der uns zu einer Umwandlung in eine SE bewegt hat.

III. Errichtung einer SE durch Umwandlung

Ich möchte nun kurz auf die gesellschaftsrechtliche Umsetzung der Er-richtung der SE zu sprechen kommen. Es handelte sich bei uns um einenschlichten Formwechsel, der die einfachste Möglichkeit darstellt, um ineine SE zu gelangen. Man bewegt sich insoweit auf gesellschaftsrechtlichbekanntem Terrain. Abgesehen von den entsprechenden Artikeln der SE-Verordnung, des SEAG und des SEBG finden das deutsche Umwand-lungsgesetz und die Normen zur Gründung einer Gesellschaft aus demdeutschen Aktiengesetz Anwendung, so dass insoweit wenige Problemeauftreten.

Ein weiterer Vorteil ist, dass beim Formwechsel nach dem Umwand-lungsgesetz die rechtliche und wirtschaftliche Identität der Gesellschafterhalten bleibt. Auch das ist ein wichtiger Aspekt gewesen, nicht nur imHinblick auf die technische Umsetzung auf dem Weg in die SE, sondernauch gegenüber den Arbeitnehmervertretern, die großen Wert darauf ge-

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legt haben, dass „sich nichts ändert“. Der Hinweis, dass durch einenschlichten Formwechsel alles „beim alten bleibt“, ist insoweit ein beru-higendes Moment gewesen.

IV. Beteiligung der Arbeitnehmer

Ich komme nun zu dem Punkt, der uns auf dem Weg in die SE am meis-ten beschäftigt hat: Es handelt sich dabei um die Beteiligung der Arbeit-nehmer; d. h. die Initiierung der Bildung des besonderen Verhandlungs-gremiums, die Verhandlungen mit diesem sowie der Abschluss einer Ver-einbarung mit dem besonderen Verhandlungsgremium. Das Verfahrenzur Sicherstellung der Beteiligung der Arbeitnehmer ist, das kann ichgleich vorweg sagen, ausgesprochen aufwendig. Um noch einmal auf diezuvor von Ihnen gestellte Frage zurückzukommen: Das Beteiligungsver-fahren ist in jedem Land durchzuführen.

1. Information der Arbeitnehmervertretungen

Ich beginne mit der Information und der Aufforderung, Mitgliederin das besondere Verhandlungsgremium zu senden. Beides ist über-all dort durchzuführen, wo eine betroffene oder beteiligte Tochter-gesellschaft oder ein betroffener Betrieb vorhanden ist, auch wennes sich nur um einen Service-Betrieb mit wenigen Mitarbeitern han-delt. Sie können dies nicht vermeiden.

Das ganze Verfahren ist im Prinzip schon im Stadium der In-formation der einzelnen Arbeitnehmervertretungen, die in der Regelvon einer SE, von der Bildung eines besonderen Verhandlungs-gremiums und den Wahlvorschriften für dieses Gremium wenig oderkeine Kenntnisse haben, vorweg zu nehmen. Die Mitarbeiter bzw.die Arbeitnehmervertretungen müssen hier geführt werden und dasVerfahren bedarf der Moderation. Das ist notwendig, um den ganzenProzess insgesamt möglichst „schlank“ ablaufen zu lassen.

2. Wahl der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums inner-halb von 10 Wochen (§ 5 – § 11 SEBG)

Nachdem die verschiedenen Arbeitnehmervertretungen über dasVorhaben des Formwechsels in eine SE informiert worden sind, istdie Wahl der Mitglieder, die in das besondere Verhandlungsgremiumzu entsenden sind, der nächste Schritt. Die Wahl richtet sich nachden jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen in den einzelnen Mit-gliedstaaten. Es findet also nationales Recht Anwendung, das – wieSie sich vorstellen können – in ganz unterschiedlicher Weise aus-gestaltet ist. In unserem Fall waren verschiedene Länder betroffen:

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Griechenland, England, Frankreich, Dänemark, Schweden und nochviele mehr. Alle diese Länder sehen unterschiedliche Anforderungenfür die Auswahl der Arbeitnehmervertreter vor, die in das besondereVerhandlungsgremium zu entsenden sind.

In den einzelnen nationalen Rechtsordnungen ist z. B. in unter-schiedlicher Weise geregelt, wie die jeweiligen Unternehmensleitun-gen der Tochtergesellschaft oder der betroffenen Betriebe mit in dasVerfahren einbezogen werden, ob sie das Verfahren moderieren oderden Prozess steuern, d.h. beschleunigen können. Sofern derartigenationale Vorgaben nicht bestehen, ist dringend zu empfehlen, dassSie das Beteiligungsverfahren initiieren und von Beginn an einenstrukturierten Prozess aufsetzen. Nur dieser ermöglicht es Ihnen,schnell und auch tatsächlich innerhalb von 10 Wochen zu einervollständigen Feststellung der in das besondere Verhandlungsgre-mium zu entsendenden Mitglieder zu kommen. Eine Moderation isthier unbedingt empfehlenswert.

Auf dem Weg zur Bildung des besonderen Verhandlungsgremiumsist ein weiterer Aspekt zu berücksichtigen, der das Verfahren, insbe-sondere die nachfolgenden Verhandlungen mit dem besonderenVerhandlungsgremium, nicht unbedingt leichter macht. Die SE-Richtlinie sieht nämlich vor, dass die nationalen Gesetze die Mög-lichkeit der Entsendung von Gewerkschaftsvertretern in das beson-dere Verhandlungsgremium enthalten können. Diese Möglichkeit istteilweise in das nationale Recht einzelner Mitgliedstaaten umgesetztworden, z.B. in Frankreich. In Deutschland ist, soweit mir bekanntist, insoweit die stärkste Regelung dieser Art vorgesehen, und zwarin § 6 Abs. 3 SEBG. Dort ist festgelegt, dass jedes dritte deutscheMitglied des besonderen Verhandlungsgremiums ein Vertreter derGewerkschaft sein muss. Das Besondere in diesem Zusammenhangist, dass es sich nicht unbedingt um einen Gewerkschaftsvertreterhandeln muss, der auch Arbeitnehmer in dem betroffenen Unter-nehmen oder Betrieb ist. Es kann sich vielmehr auch um ein exter-nes Gewerkschaftsmitglied handeln. Das kann unter Umständenproblematisch sein, denn bei den Arbeitnehmervertretern könnenhier jeweils auch unterschiedliche Interessenlagen vorliegen. In un-serem Fall muss ich allerdings sagen, dass die externen Gewerk-schaftsvertreter, die in das besondere Verhandlungsgremium ent-sandt wurden, ausgesprochen konstruktiv waren. Sie haben sehrmitgeholfen, den Prozess der Verhandlung und der Feststellung desErgebnisses zu gestalten und zu einem positiven Abschluss zu brin-gen. Die Gewerkschaftsbeteiligung muss deshalb nicht negativ sein,aber es ist ein „Einfallstor“, das durchaus Sprengkraft entfalten

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kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn man sich vor Augen führt,dass z.B. in Frankreich traditionell verschiedene Gewerkschaftenmiteinander streiten, wer die französischen Mitglieder zu vertretenhat. Die Vertretungsfrage kommt manchmal fast einem nationalenAnliegen gleich, zumal das Problem der Vertretungsberechtigungweitgehend ungeklärt ist.

3. Konstituierung und Verhandlung mit dem besonderen Verhand-lungsgremium (§ 20 SEBG)

Ist nun die 10-Wochenfrist abgelaufen, muss sich das besondereVerhandlungsgremium konstituieren. Dies geschieht in der Regeldadurch, dass die verschiedenen Arbeitnehmervertretungen ihre Er-gebnisse der Wahl an die Leitung der betroffenen Tochtergesell-schaften melden. Sobald das Ergebnis vorliegt, hat die Leitung zuder in eine SE-Form zuwechselnde Gesellschaft, in unserem Fall derVorstand, die Konstituierung des besonderen Verhandlungsgremi-ums festzustellen bzw. zur Konstituierung erneut zu laden. Ab derKonstituierung beginnt die 6-monatige Verhandlungsfrist, auf dieheute Morgen ebenfalls schon mehrfach verwiesen worden ist. DieseFrist ist einmal um weitere 6 Monate auf maximal 12 Monate ver-längerbar; das ist das Maximum.

4. Inhalt der Vereinbarung mit dem besonderen Verhandlungsgremium(§ 21 SEGB)

Nachdem das Wahlverfahren abgeschlossen war, haben wir unsdann mit dem eigentlichen Kern beschäftigt, dem Abschluss einerVereinbarung mit dem besonderen Verhandlungsgremium. Insoweitgibt § 21 SEBG zwar einen Katalog, einen gewissen Rahmen, vor, andem man sich orientieren kann. Dieser Katalog ist aber nur recht ru-dimentär ausgestaltet und bedarf an vielen Stellen der Ergänzung.Überhaupt bedarf das SEBG nach meiner Auffassung an etlichenStellen deutlicher Ergänzungen, weil die verwendeten Bestimmun-gen und Begriffe unpräzise sind oder Sachverhalte, die sich in eineminternationalen Konzern ergeben können, nicht hinreichend berück-sichtigt sind.

Beispielhaft aufgeführt sei das Problem, dass Änderungen innerhalbder formwechselnden Gesellschaft auftreten, die Einfluss auf dieMitarbeiter haben – sog. strukturelle Änderungen i. S. v. § 18 Abs. 3SEBG. Es existieren in der Literatur zwar verschiedene Auffassungendarüber, was eine strukturelle Änderung sein kann. Nur ist dieseFrage nicht abschließend geklärt und öffnet, weil eine Festlegung

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fehlt, grundsätzlich „Tür und Tor“, um in neue Verhandlungen ein-zusteigen. Genau dieses sollte aber vermieden werden, um Ausei-nandersetzungen in der Zukunft zu vermeiden. Die Vereinbarungmit dem besonderen Verhandlungsgremium sollte deshalb vor allemdem Zweck dienen, solche Fragen – wenn möglich – vorab und ab-schließend zu regeln, so dass in Zukunft ein erneuter Verhandlungs-prozess möglichst vermieden wird.

Derartige Unsicherheiten betreffen verschiedene Vorschriften desSEBG, die im Hinblick auf den Inhalt der Vereinbarung mit dem be-sonderen Verhandlungsgremium zwingend zu berücksichtigen sind.Hinsichtlich des Inhalts der Vereinbarung mit dem besonderen Ver-handlungsgremium ist z.B. insbesondere zu berücksichtigen, dassnunmehr nicht nur deutsche Arbeitnehmervertreter in den SE-Betriebsrat oder den SE-Aufsichtsrat gelangen, sondern auch Ar-beitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten. Wenn Sie bisher nur einrein deutsches Verfahren zur Besetzung des Betriebsrates oder desAufsichtsrates kannten, müssen Sie nun Regelungen finden, wie dieArbeitnehmer aus anderen Ländern der EU oder des EWR mit einbe-zogen werden können. Dieser Umstand steigert den Grad der Kom-plexität der Regelungen, die erforderlich sind, um möglichst jedendenkbaren Fall zu erfassen. Insbesondere müssen Sie bedenken, dassdie Gesellschaft, die sich im Wege des Formwechsels in die Rechts-form der SE begibt, nicht statisch in dieser konkreten Unterneh-menssituation verharrt, sondern dass z.B. M&A-Transaktionen undÜbernahmen stattfinden können, Beteiligungen erworben oderStandorte geschlossen werden. In vielerlei Hinsicht besteht daher dieMöglichkeit, dass Beschäftigtenzahlen in einem Mitgliedstaat ab-nehmen oder zunehmen und sich dadurch die Proportionalität inden ggf. neu zu schaffenden Wahlgremien oder Entsendungskreisen,die dann wiederum Vorschläge für die Besetzung des SE-Betriebsrates oder des SE-Aufsichtsrates machen, verändert. Das istein sehr sensibles Thema, das in unserem Fall auch sehr stark vonden Gewerkschaften und den Arbeitnehmervertretern aufgegriffenwurde. Die Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums wis-sen selbstverständlich, dass die beschriebenen Entwicklungen in Zu-kunft eintreten können und sich dann der Proporz bei der Bestim-mung derjenigen Arbeitnehmervertreter, die im SE-Aufsichtsrat oderim SE-Betriebsrat sitzen, ändern kann. Auch das zwingt zu sehr um-fangreichen Regelungen, die eben nicht mehr nur auf die rein deut-schen Verhältnisse, die bekannt sind, zuzuschneiden sind, sondernauch auf die Besonderheiten der übrigen Länder Rücksicht nehmenmüssen.

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5. Verkleinerung des Aufsichtsrats von 12 auf 10 Mitglieder

Als nächstes möchte ich auf die Verkleinerung des Aufsichtsrats von12 auf 10 Mitglieder zu sprechen kommen. Herr Prof. Dr. Habersackhat heute Morgen ausgeführt, dass eine solche Regelung eigentlichnicht in eine Vereinbarung mit dem besonderen Verhandlungsgre-mium aufzunehmen ist, sondern allein durch den Satzungsgeber zubestimmen ist.

Es ist zunächst richtig, dass die Satzung nur von den Gesellschafternfestzusetzen ist. Wenn Sie jedoch einen Blick in § 12 Abs. 4 SEBGwerfen, dann sehen Sie, dass die Satzung nicht im Widerspruch zuden mit dem besonderen Verhandlungsgremium vereinbarten Be-stimmungen stehen darf. Insoweit besteht ein Zusammenhang zwi-schen der Vereinbarung mit dem besonderen Verhandlungsgremiumund der Satzung. Dieser Zusammenhang wurde natürlich auch inden Diskussionen und Verhandlungen mit dem besonderen Ver-handlungsgremium umfangreich erörtert. Insofern ist es nach mei-ner Erfahrung bereits faktisch ausgeschlossen, dass hier keine Beein-flussung des Satzungsgebers durch das besondere Verhandlungs-gremium stattfindet. Der Beeinflussung der Bestimmungen in derSatzung durch die Verhandlungen mit dem besonderen Verhand-lungsgremium haben wir dementsprechend dadurch Rechnung ge-tragen, dass wir dem beim zuständigen Handlungsregister einge-reichten Umwandlungsplan zunächst nur einen Entwurf der Satzungbeigefügt haben.

Im Hinblick auf die Verkleinerung des Aufsichtsrats von 12 auf 10Mitglieder, also auf eine nicht durch drei teilbare Mitgliederanzahl,sind wir im Übrigen der Auffassung, dass § 17 Abs. 1 Satz 3 i.V.m.Abs. 2 SEAG anders auszulegen ist, als Herr Prof. Dr. Habersack diesheute Vormittag vertreten hat. Zum einen sind wir der Auffassung,dass eine Verkleinerung der Mitgliederzahl auf eine nicht durch dreiteilbare nach dem Zweck des Normengefüges der SE-VO und auchder SE-Richtlinie zulässig ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn dieVereinbarungen mit dem besonderen Verhandlungsgremium zur Be-teiligung der Arbeitnehmer eine Kombination zwischen Zahl undAnteil der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat festlegen. Wir sindzudem der Auffassung, dass es hier eine Parallele zum Aktienrechtin § 95 S. 4 AktG gibt, der einen Verweis auf das MitbestG enthält,das wiederum in bestimmten Fällen vorsieht, dass der Aufsichtsrataus einer geraden, nicht durch drei teilbaren Mitgliederzahl besteht.Das waren – neben anderen – die wesentlichen Gründe, die es nachunserer Auffassung ermöglichen, eine gerade und nicht eine durch

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drei teilbare Mitgliederzahl im Aufsichtsrat vorzusehen, und diesenvon 12 auf 10 Mitgliedern zu verkleinern.

Damit komme ich zum nächsten Argument, gegen eine Verkleine-rung des Aufsichtsrats, welches auch für uns eine wesentliche Rollegespielt hat. Wie heute schon mehrfach referiert, ist gerade beimFormwechsel die Berücksichtigung oder Sicherung der Mitbestim-mung ein wesentliches Element im Hinblick auf die Vereinbarungmit dem besonderen Verhandlungsgremium. Das zeigt sich u. a. imKontext des § 21 Abs. 6 SEBG. Dort ist das sog. Vorher-Nachher-Prinzip geregelt, wonach alle Komponenten der Arbeitnehmerbetei-ligung zu berücksichtigen sind, wenn eine SE durch einen Form-wechsel geschaffen wird.

Damit ist allerdings nicht gemeint, dass eine quantitative Betrach-tung erforderlich ist, dass also, wenn vor dem Rechtsformwechselsechs Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat vorhanden waren, auchdanach sechs Arbeitnehmervertreter vorhanden sein müssten. Gebo-ten ist vielmehr eine qualitative Betrachtung, das heißt, wenn vorherParität existiert, dann muss auch danach wieder Parität herrschen.Dementsprechend wurde auch bei der MAN B&W Diesel AG verfah-ren: Bei 10 Mitgliedern haben wir fünf Anteilseignervertreter undfünf Arbeitnehmervertreter im SE-Aufsichtsrat vorgesehen, aller-dings verbunden mit einer kleinen Modifikation: Wir haben den lei-tenden Angestellten im Aufsichtsrat „gestrichen“, weil wir der Auf-fassung sind, dass diese Änderung der Qualität der Arbeitnehmer-vertretung im Aufsichtsrat keinen Abbruch tut. Wenn wir hier dierein qualitative Betrachtung zugrunde legen, d.h. die Parität erhal-ten, dann muss es auch möglich sein, den leitenden Angestellten zuGunsten der übrigen Arbeitnehmervertreter zu streichen. Denn auchder leitende Angestellte ist ein Vertreter der Arbeitnehmerseite. Diessieht jetzt zunächst einmal aus wie ein „Sündenfall“. Nach unsererAuffassung ist es das aber gerade nicht. Denn wir befinden uns ineinem Vertragskonzern, d. h. es besteht ein Beherrschungs- und Er-gebnisabführungsvertrag. In einer solchen Situation sind die Aus-wirkungen, welche die Streichung des leitenden Angestellten zurFolge haben könnten ausgesprochen gering bzw. nicht vorhanden.

V. Zeitlicher Ablauf der Umwandlung der MAN B&W Diesel AGin eine SE

Ich möchte nur noch kurz auf den zeitlichen Ablauf der Umwandlung ineine SE hinweisen. Wir waren nach meiner Auffassung recht schnell. Ichdarf allerdings auch insoweit eine Anmerkung meines Vorredners auf-

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greifen. Es ist dringend erforderlich, dass man die Arbeitnehmerseitemöglichst frühzeitig einbezieht. Denn Sie sind in vielerlei Hinsicht aufderen „Goodwill“ angewiesen. Es hilft ungemein bei der Abwicklung undder Schaffung eines straffen Verfahrens zur Erlangung einer Vereinba-rung mit dem besonderen Verhandlungsgremium, wenn Sie sich vorherabstimmen und insoweit vermeiden, mit „taktischen Finessen“ arbeitenzu müssen. Ein derartiges Taktieren halten Sie nicht durch. Die frühzeiti-ge Arbeitnehmerbeteiligung hat sich bei uns als sehr nützlich erwiesen,da die Arbeitnehmerseite und vor allem die Vertreter der Gewerkschaftausgesprochen gut mitgearbeitet und uns auf dem Weg in die SE unter-stützt haben.

Der Prozess des Formwechsels begann am 1. Dezember 2005, als wir denUmwandlungsplan durch die Einreichung beim zuständigen Handelsre-gister offen gelegt haben. Wir haben zunächst nur einen Entwurf einge-reicht. Auch dies ist möglich. Auf die Einreichung eines Entwurfs habenwir uns deswegen beschränkt, weil wir den Termin für den Hauptver-sammlungsbeschluss nach dem Tag der Unterzeichnung der Vereinba-rung mit dem besonderen Verhandlungsgremiums angesetzt haben. Esbestand damit immer die Möglichkeit, dass aufgrund der Vereinbarungmit dem besonderen Verhandlungsgremium die Satzung in dem einenoder anderen Punkt vom Satzungsgeber angepasst werden musste, z. B.im Hinblick auf die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder.

Direkt am nächsten Tag, am 2. Dezember 2005, haben wir das In-formationsschreiben an die jeweiligen Arbeitnehmervertretungen der be-troffenen Tochterunternehmen und Betriebe versendet, verbunden mitder Aufforderung, das besondere Verhandlungsgremium zu bilden.

Die Ergebnisse dieser Aufforderung sind bei der MAN B&W Diesel AGam 30. Januar 2006 eingegangen. Wir haben dann sofort zur konstituie-renden Sitzung des besonderen Verhandlungsgremiums geladen, die am14. Februar 2006 stattfand.

Danach ist es relativ schnell gegangen. Am 27. April 2006 wurde eineVereinbarung mit dem besonderen Verhandlungsgremium abgeschlossen,in der unter anderem die gerade erläuterten Inhalte berücksichtigt wur-den.

Am 29. Mai 2006 erfolgte dann der Hauptversammlungsbeschluss, am14. Juni 2006 die konstituierende Sitzung des Aufsichtsrats und am 6.Juli 2006 die Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister. Am 28.August 2006 wurde die SE im zuständigen Handelsregister in Augsburgeingetragen.

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Alles in allem dauerte die Umstrukturierung ungefähr ein halbes Jahr.Ich möchte noch einmal betonen, dass dies vor allem daran lag, dass wirmit der Arbeitnehmerseite und deren Vertretern gut zusammenarbeitenkonnten.

Gast

Es hat mich überrascht, dass auf die Frage, welche Konsequenzen dieKündigung einer Mitbestimmungsvereinbarung hat, gerade in Konstella-tionen des Formwechsels auf die gesetzliche Auffanglösung verwiesenwird: Denn § 35 Abs. 1 SEBG bestimmt doch gerade, dass, wenn dieVoraussetzungen der Anwendung der gesetzlichen Auffanglösung vor-liegen, die Regelung zur Mitbestimmung erhalten bleibt, die in der Ge-sellschaft vor der Umwandlung bestanden hat. Heißt das dann, dass dasMitbestimmungsgesetz 1976 wieder anzuwenden ist? Ist das gewollt?

Diese Überlegungen sind für mich das Argument für die These, dass eswohl doch eine offensichtlich engere funktionale Verknüpfung zwischenSatzung und Mitbestimmungsvereinbarung gibt, insofern stimme ich Ih-nen nochmals zu.

Der andere Punkt: Dass Sie den leitenden Angestellten geopfert haben –Sie haben es jetzt betont nicht als Sündenfall bezeichnet – dem kann ichso nicht zustimmen. Das verstehen Sie. Aus Sicht des einzelnen Unter-nehmens ist da immer eine Gefahr gegeben, insbesondere wenn die In-ternationalisierung eine Rolle spielt. Bei der Allianz SE haben wir auchdieses Beispiel, dass tendenziell immer der leitende Angestellte die Ver-handlungsmasse ist. Spielen Sie diese Entwicklung 30-mal bei den DAX-Unternehmen durch, dann ist der leitende Angestellte verschwunden. Derleitende Angestellte war aber 1976 noch ein ganz wichtiges Argument,um die Unternehmensmitbestimmung zur rechtfertigen. Warum gilt daseigentlich nicht mehr? Das ist meine rechtspolitische Rückfrage.

Dr. Hendrik Höhfeld

Vielen Dank für diese Rückfrage, mit der ich gerechnet habe.

Zu der ersten Frage: Meines Erachtens findet über § 35 SEBG, wenn diegesetzliche Auffanglösung angewendet wird, tatsächlich zunächst dasvon Herrn Prof. Dr. Habersack heute Morgen geschilderte Szenario statt.Es greifen die Bestimmungen des SEBG i.V.m. den Bestimmungen derSEVO und des SEAG und – soweit deren Regelungen nicht greifen – dieBestimmungen des MitbestG.

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Wir haben aber versucht insoweit steuernd einzugreifen, indem wir inunserer Vereinbarung mit dem besonderen Verhandlungsgremium eineRegelung gerade für diesen Fall vorgesehen haben. Wenn es zu einerKündigung der Vereinbarung kommt oder wenn die Vereinbarung aus-läuft, dann gilt bis zum Abschluss einer neuen Regelung die bisher gel-tende fort.

Das gilt unter anderem auch für die Bestimmung, dass der Aufsichtsratnur 10 Mitglieder haben soll sowie auch für sämtliche von uns ein-geführten Bestimmungen, um die Wahl der Mitglieder für den SE-Betriebsrat oder den SE-Aufsichtsrat schlank zu gestalten und kon-zernweit gleichermaßen zu organisieren. Auch diese Regelungen geltensolange wie die Vereinbarung Gültigkeit besitzt. Wenn wir keine Verein-barung mehr haben, weil z.B. die 12 Monate abgelaufen sind und mansich nach Ablauf der 12 Monate nicht mehr einigt, was sehr unwahr-scheinlich ist, dann fände allerdings tatsächlich die Auffanglösung des §35 SEBG Anwendung.

Soweit zum ersten Teil ihrer Frage; nun zum zweiten Punkt: Wenn mandas bei allen Unternehmen so durchexerzieren würde, wie Sie es alsSchreckensbild an die Wand gemalt haben, dann würde man natürlicham Ende überall ohne einen leitenden Angestellten dastehen. Ehrlich ge-sagt kann ich mir eine solche Entwicklung aber nicht vorstellen, da derleitende Angestellte nach wie vor noch immer eine bedeutende Funktionhat. Er dient zum einen der Repräsentation der leitenden Angestellten.Zum anderen besitzt er nach wie vor die Funktion des „Entscheiders“, diewir alle kennen, wenn es darum geht zu vermeiden, dass der Vorsitzendeden Stichentscheid ziehen muss. Zumindest das letztgenannte Elementwird nach wie vor erhalten bleiben. Bei uns, ich kann es nur noch einmalbetonen, war und ist es deswegen nicht so problematisch, weil wir einVertragskonzern sind. Dort ist, weil ein Beherrschungs- und Ergebnisab-führungsvertrag existiert, auch die abhängige Gesellschaft gewohnt, dassdie Entscheidungen in der Holding getroffen und diese dann umgesetztwerden. Die Umsetzung erfolgt letztendlich auf der Ebene des Vorstandsund natürlich auch auf der Ebene des Aufsichtsrates, so dass das Schre-ckenszenario, das Sie postulieren, hier nicht eintreten kann.

Gast

Ich habe zwei Fragen. Heute Morgen wurde die Auffassung vertreten,dass der Umwandlungsplan beurkundet werden müsste. Die Frage anHerrn Götz und Herrn Höhfeld: Wurde der Umwandlungsplan in ihremFall beurkundet oder nicht?

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Die zweite, rein praktische Frage: Wurde in der konstituierenden Sitzungdes besonderen Verhandlungsgremiums bereits ein Entwurf der Mitbe-stimmungsvereinbarung, gewissermaßen im Vorfeld der Verhandlungen,vorgelegt oder wurde erst einmal ein „Kennenlernen“ veranstaltet?

Prof. Dr. Jürgen Götz

Das sind ja geradezu intime Fragen! Aus Gründen der rechtlichenVorsicht haben wir den Umwandlungsplan beurkunden lassen. In dieVerhandlungen sind wir ganz bewusst ohne einen Vereinbarungsentwurfgegangen, um Offenheit zu signalisieren und nicht irgendwo bereitsFestlegungen zu treffen. Selbstverständlich galt dies mit derausdrücklichen Maßgabe, dass das, was die Hauptversammlung alsSatzung beschlossen hat, auch umgesetzt wird. Das betrifft insbesonderedie Größe des Aufsichtsrats.

Dr. Hendrik Höhfeld

Wir haben es etwas anders gemacht. Wir sind zunächst einmal mit einemEntwurf des Umwandlungsplanes und allen anderen Informationen, dienotwendig sind, um die Absicht eines Formwechsels zu veröffentlichen,an das Handelsregister herangetreten. Erst nachdem wir eine Vereinba-rung mit dem besonderen Verhandlungsgremium erzielt hatten, wurdedieser Entwurf beurkundet. Das war eine rein prozessökonomische Ent-scheidung, um möglichst schnell den Prozess starten zu können und umnicht mit dem Problem konfrontiert zu werden, dass wir noch einmal ei-ne Hauptversammlung einberufen müssen. Dies wäre bei uns zwar nichtproblematisch gewesen, dadurch konnte jedoch infolge des vorgenann-ten Ablaufs eine weitere Beurkundung vermieden werden.

Zum nächsten Punkt: Wir haben, auch das ist mehrfach heute ange-sprochen worden, schon von dem Moment an, in dem in den Gremienbeschlossen wurde, eine SE durch Formwechsel zu gründen, zu den Ar-beitnehmervertretern Kontakt aufgenommen. Wir haben natürlich schonim Vorfeld versucht, Befindlichkeiten zu ergründen und das Prozedereabzustimmen, damit wir möglichst wenig Zeit verlieren. Dazu gehörteauch, dass wir vereinbarungsgemäß einen ersten Entwurf in der erstenSitzung mit dem besonderen Verhandlungsgremium vorgelegt haben.Dieser Entwurf enthielt unsere ganz offen formulierten Vorstellungen,die wir z. T. auch schon im Vorfeld kommuniziert hatten. Damit verbun-den war die Aufforderung und die Bitte, diesen Entwurf zu kommentie-ren und natürlich mit aller Offenheit über jedes einzelne „Komma“ diesesEntwurfes zu verhandeln. Wir haben aus prozessökonomischen Gründenso verfahren. Dazu muss ich aber auch sagen, dass diese Möglichkeit im

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vorliegenden Fall bestand, weil die Verbindung zu der Arbeitnehmerseitetraditionell ausgesprochen gut ist. Das ist eine Frage des Einzelfalls. Ausmeiner Erfahrung kann ich nur sagen, dass man mit offenen Karten spie-len sollte. Man sollte in den Verhandlungen nicht ein taktisches Szenariokonstruieren. Dies wäre in Hinblick auf die Notwendigkeit, im Rahmender Verhandlung mit dem besonderen Verhandlungsgremium zu einereinvernehmlichen Lösung zu kommen, nachteilig.

Prof. Dr. Jürgen Götz

Ich würde noch gerne eines hinzufügen. Ich glaube, es versteht sich vonselbst, dass die Beziehungen zur Arbeitnehmerseite auch bei Freseniustraditionell gut sind. Die Frage der anzuwendenden Taktik sollte deshalbvon diesem Umstand nicht abhängen.

Gast

Es wurde eben diskutiert, dass alle Länder, in denen Arbeitnehmer vor-handen sind, an dem Verfahren beteiligt werden müssen. Muss auch ausjedem Land tatsächlich ein Vertreter in das besondere Verhandlungsgre-mium entsandt werden? Gilt das selbst dann, wenn Sie eine Servicege-sellschaft haben, in der nur sieben Leute beschäftigt sind? Wenn dies zu-träfe, kann das doch nur zu einer extremen Unverhältnismäßigkeit füh-ren. Wir haben z. B. in Deutschland zehntausend Mitarbeiter, in einemanderen Mitgliedstaat nur sieben. Sind aus Deutschland z.B. in einemsolchen Fall mehr Mitarbeiter zu entsenden? Gibt es irgendeine Art Pro-porz?

Nun die zweite Frage: Reicht es aus, wenn das besondere Verhandlungs-gremium dann mit Mehrheit entscheidet und zustimmt? Ich würde nichtdavon ausgehen, dass man am Ende der Verhandlungen eine einstimmi-ge Entscheidung erzielen kann. Wie ist es bei Ihnen abgelaufen? Gab esda eine überwältigende Mehrheit, eine Zweidrittel-Mehrheit oder wie istentschieden worden?

Dr. Hendrik Höhfeld

Zunächst einmal ist es zutreffend, dass aus jedem Land, in dem ein be-troffener Betrieb oder eine betroffene Tochtergesellschaft ansässig ist, einVertreter entsandt werden muss, auch wenn dort nur sieben Leute be-schäftigt sind.

Das führt in der Tat, damit bin ich bei Ihrer zweiten Frage, zu einer Pro-porzproblematik. Denn wenn Sie auf der einen Seite 1000 Beschäftigtehaben und auf der anderen Seite nur einen, dann ist das ein Ungleich-

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gewicht. Dem wird aber auch Rechnung getragen. Denn die Mitgliedstaa-ten, die mehr Arbeitnehmer stellen, können ein weiteres Mitglied entsen-den. Die Bedeutung dieses Mitglieds wird dann nach verschiedenenSchlüsseln aufgestockt, so dass eine proportionale Verteilung der Arbeit-nehmer in den einzelnen Mitgliedstaaten in dem besonderen Verhand-lungsgremium sichergestellt ist. Ansonsten werden die Beschlüsse desbesonderen Verhandlungsgremiums mit einfacher Mehrheit gefasst. Esgibt allerdings einige Ausnahmen, in denen eine qualifizierte Mehrheiterforderlich ist. Anzustreben ist allerdings, und das haben wir auch im-mer versucht, Einvernehmlichkeit, sodass eine Anfechtung der Vereinba-rung mit dem besonderen Verhandlungsgremium möglichst vermiedenwird. Dieser Bereich ist im Übrigen im SEBG ausgesprochen dürftig gere-gelt und noch völlig ungeklärt. Das ist natürlich ausgesprochen misslich.Angesichts unserer Erfahrungen daher auch der Rat, wenn es irgendwiegeht, Einvernehmlichkeit herzustellen, da sich letztendlich alle in dieserLösung wieder finden müssen. Es ist nicht sinnvoll, wenn Sie in denVerhandlungen plötzlich die Mitglieder aus allen Mitgliedstaaten verär-gern, die dann in ihre Betriebe zurückkehren – wenn es auch nur kleineBetriebe sind – und dann dort erklären, sie seien „über den Tisch gezo-gen worden“. Das führt zu nichts!

Prof. Dr. Jürgen Götz

Vielleicht darf ich ganz kurz ergänzen, dass in diesem Besondern Ver-handlungsgremium eine doppelte Mehrheit erforderlich ist, und zwareinmal nach Köpfen und zum anderen nach vertretenen Arbeitnehmern.Das ist deshalb erforderlich, weil, wie Herr Höhfeld schon ausgeführt hat,Sie die Proportionalität in diesem Gremium nicht anders abbilden kön-nen. Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass im Grundsatz jedes Land einMitglied entsendet und ein zusätzliches Mitglied für jeweils zehn Prozentder gesamteuropäischen Mitarbeiter, die in einem Land beschäftigt wer-den. Es kann beispielsweise vorkommen, dass in zahlreichen Ländern umdie zweitausend Arbeitnehmer beschäftigt werden, die aber nicht zehnProzent der Gesamtarbeitnehmer repräsentieren, weil diese Zahl bei50.000 liegt. Diese 2000 Mitarbeiter sollen aber mehr Stimmkraft besit-zen als die zitierten sieben. Deshalb gilt die so genannte doppelte Mehr-heit – zum einen die Mehrheit nach Köpfen und zum anderen nach ver-tretenen Arbeitnehmern. Damit ist gewährleistet, dass die Proportionali-tät korrekt abgebildet wird.

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2.7 Praxisbeispiel: Mensch und Maschine SoftwareSE

Adi Drotleff,Vorsitzender des Verwaltungsrats, Mensch und MaschineSoftware SE

Hier ein ganz anderer Fall! Wir waren die erste mittelständische börsen-notierte Firma, die sich zur SE entschlossen hat, und das möchte ich Ih-nen hier näher bringen. Ich darf Ihnen ein bisschen was von unserer Er-fahrung mit dem Weg in die SE erzählen. Zunächst einmal gehe ich da-von aus, dass „Mensch und Maschine“ nicht so bekannt ist, wie MANund Fresenius. Nachdem ich davon ausgehe, dass wir nicht so bekanntsind wie MAN und Fresenius, habe ich eine Folie mit unserem Ge-schäftsmodell dabei, damit Sie wissen, was wir tun. Ein bisschen etwashat mein Vorredner schon gesagt, wir beschäftigen uns mit Entwicklungund Vertrieb von CAD/CAM-Software.

Mensch und Maschine (MuM)� Geschäftsmodell:

� Entwicklung & Vertrieb von CAD/CAM-Software� Wertschöpfung zu ca. 45/55% aus Eigenentwicklung/Handel� Kennzahlen 2006:

� Umsatz: EUR 170,3 Mio / Auslandsanteil 75%� EBIT: EUR 7,25 Mio / Umsatzrendite 4,3%� Mitarbeiter: 300 im Konzern

Das sieht in etwa so aus, wie Sie es hier sehen, also CAM ist z.B. Umset-zung von CAD auf Werkzeugmaschinen, da sind wir dann sehr in derNähe von dem was bei MAN gemacht wird. Wir haben eine Wertschöp-fung die zu 45% aus Eigenentwicklung von Software kommt und zu55% aus dem Handel. Das ist ein etwas ungewöhnliches Mischge-

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schäftsmodell. Die Kennzahlen wurden schon gesagt: Umsatz gut 170Mio. Euro. Wichtig ist unser Auslandsanteil-Umsatz, der ist 75%, das istein hauptsächlich internationales Unternehmen. EBIT-Rendite 4,3% und300 Mitarbeiter im Konzern.

Zur Entwicklung vielleicht noch, damit Sie auch sehen, wir machen dasöfter, dass wir irgendwo Pionier sind. Die Firma wurde zunächst mal vor23 Jahren als Ein-Mann-GmbH gegründet. Ich hatte da 100%. Wir sindorganisch gewachsen, haben nie Venture Capital genutzt.

Wir haben zunächst eine Dekade lang Wachstum in Deutschland ge-macht und in der zweiten Dekade dann internationalisiert, hauptsächlichin Europa und haben uns 1995/96 in eine kleine AG umgewandelt. Wirwaren damals die zweite kleine AG im Handelsregister München. Daswar durchaus auch sehr spannend, das hat über ein Jahr gedauert, biswir eingetragen waren. Wir haben dann eine kleine Mitarbeiterbeteili-gung aufgesetzt und sind dann als 8. Listing an dem Neuen Markt ge-gangen. Heute spricht man von gefühlt, gefühlt war es das 3. Listing amNeuen Markt. Unser Umsatzwachstum seitdem waren 14% p.a. Wir sinddurchaus recht stark, aber auch nicht zu stürmisch gewachsen. Wir ha-ben uns 2006 in eine SE umgewandelt. Die Besitzstruktur vielleicht nochwichtig zu wissen, damit Sie unsere Motivationslage sehen. Gründer undManagement haben immer noch 50% der Aktien, und 50% sind Freeflo-at. Wir notieren im Prime Standard und sind noch Mitglied im GEX.„Noch“ deswegen, weil es diese seltsame Bestimmung gibt, dass manMitglied im GEX nur ist, wenn man bis zu 10 Jahre an der Börse ist,nach 10 Jahren an der Börse fliegt man raus, warum weiß ich nicht.

Dann unser Weg zur SE! Sie sehen hier unsere geografische Struktur, wirhaben Gesellschaft in sieben EU-Staaten plus Schweiz.

Wir haben also eine SE-typische Struktur gehabt und konnten den reinenFormwechsel machen. Ich kann dem zustimmen, das ist der einfachsteWeg. Ich habe es nicht auf der Folie, uns hat das Ganze an externen Kos-ten maximal 40 Tsd. Euro gekostet und das schon inklusive gewissernicht vorhergesehener Kosten.

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Der Weg von MuM zur SE� MuM hatte mit Gesellschaften

in 7 EU-Staaten bereits eine SE-typische Struktur

� Reiner Formwechsel (Art 2 (4) EG-V. 2157)als einfachster Weg in die SE war möglich

� Minimalvoraussetzung: Muttergesellschaft plus eine Tochtergesellschaft in je einem EU-Staat

Der Zeitablauf bei uns war so: Die erste Idee zur Umwandlung kam imHerbst 2005 und zwar auf eine ganz interessante Art, über die Pressemit-teilung der Allianz, die mitgeteilt hat, dass sie nicht in ein monistischesSystem geht. Da sind wir drauf gekommen, dass es ein monistisches Sys-tem gibt und haben uns dann damit beschäftigt. Wir haben dann denHV-Beschluss vorbereitet, das brauche ich nicht auszuführen, das ist ge-nau das gleiche wie bei den anderen. Am 30.5.2006 haben wir den Be-schluss gefasst und die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am7.12.2006. Die Länge der Zeit erkläre ich gleich noch.

Unsere Motivationslage war ganz eindeutig, uns hat das monistischeBoard-System angezogen. Ich persönlich gehöre zu denen, die sagen,dass es ein Web- und Geburtsfehler der kleinen AG vor gut 10 Jahrenwar, dass man das monistische System dort nicht erlaubt hat. Man hatnämlich vergessen, dass das dualistische System für eine Familien AGdenkbar ungeeignet ist. Ich habe z.B. 43% der Aktien, ich habe in derHauptversammlung nicht nur die Mehrheit sondern ich habe eine lockeredreiviertel Mehrheit, da brauche ich nicht mal meine Kollegen dazu, diedann für die restlichen Stimmen bis zu den nominal 50% helfen können.Ich musste mir jetzt 10 Jahre lang immer einen Aufsichtsratsvorsitzen-den wählen, der auf mich aufpassen sollte. Wenn es mir nicht gepassthätte, was auch einmal vorkam, dann hätte ich ihn wieder abwählenkönnen. Das kann man natürlich so eigentlich nicht leben.

Insofern ist das die ideale Board-Struktur für unternehmergeführte Akti-engesellschaften, bei der eben der CEO eine HV-Mehrheit besitzt. Anders

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liegt es natürlich wenn z.B. das Unternehmen in Familienhand ist, wennman sich die Posten verteilen kann, dann muss man das auch nicht sohaben. Außerdem lernen wir gerade von Herrn Piech, dass man auch aufganz anderem Weg eine Gesellschaft beherrschen kann, mit wesentlichweniger Mehrheit. Ich halte bei breit gestreutem Aktienkapital, das mo-nistische System nicht für geeignet. Wenn man noch bedenkt, was heuteganz richtiger Weise gesagt wurde, dass das monistische Board-Systemnur ein Organ besitzt und damit der Aufsichtsrat bzw. der Verwaltungs-rat zum Verwaltungsorgan geadelt wird, dann wird es komplett ungeeig-net.

Bei uns sieht das so aus: Wir haben einen Dreier-Verwaltungsrat, alsodas kleinst mögliche Gremium. Die zwei externen Mitglieder sind vorhe-rige Mitglieder des Aufsichtsrats gewesen, und in das geschäftsführendeDirektorium bin ich entsandt. Auch im AG Recht kann man entsenden,aber eben nur für ein Jahr, in diesem Fall kann man auf Dauer entsen-den. Es muss aber eine Minderheit im Verwaltungsrat sein, also dieMehrheit im Verwaltungsrat darf nicht operativ tätig sein. Die vier Di-rektoren die wir außer meiner Person noch haben, sind natürlich bisheri-ge Vorstände gewesen.

Wir sind eine reine Finanz-Holding. Das haben wir mit der Umwandlungzur SE so gemacht, das war allerdings eine rein zufällige zeitliche Koin-zidenz. Wir haben das operative Geschäft, das noch in der AG vorherdrinnen hing dabei abgespalten. Gott sei Dank haben die Berufsoppo-nenten nicht gemerkt, dass sie da eine viel größere Angriffsfläche gefun-den hätten. Wenn sie uns dort angegriffen hätten, dann wären wir we-sentlich erpressbarer gewesen als bei der reinen Umwandlung, wo es ei-gentlich völlig egal ist wie lange sie dauert.

Vielleicht hier zur Illustration, wir sind zwar mittelständisch, haben abereine durchaus größere Konzernstruktur. Man sieht schon, dass hier dieSE sozusagen par excellence auch abgebildet ist. Wir haben ca. 20 direktund indirekt gehaltene Tochtergesellschaften. Wir haben uns dann ausverschiedenen Gründen auch entschlossen, das Management in eineTochtergesellschaft auszugliedern. Das hat z.B. auch damit zu tun, dasszum damaligen Zeitpunkt, als wir angefragt haben, die BfA der Meinungwar, dass ehemalige Vorstände, wenn sie geschäftsführende Direktoreneiner SE werden, nicht von der Sozialversicherung befreit werden. DieMeinung hat die BfA inzwischen zwar geändert oder sagen wir, sie weißes nicht so recht, aber wir hatten damals die Auskunft, und haben des-wegen die ehemaligen Vorstände in einer Management AG geparkt, da-mit sie eben nicht wieder in die Sozialversicherungspflicht zurück müs-sen. Es sind so kleine Varianten, die man dabei noch auf den Weg mit-

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bekommt, so dass das Endergebnis ein bisschen anders aussieht, als manes ursprünglich gedacht hat.

MuM-Konzernstruktur

Dann zu den Erfahrungen! Wir haben im Wesentlichen zwei Erfahrungengemacht, zwei berichtenswerte. Einmal die Berufsopponenten. Wir ha-ben, wie gesagt, am 30.5. die HV-Entscheidung fast einstimmig mit99,95% gefasst. Es haben auch ausdrücklich alle Kleinaktionärsvertreterzugestimmt. Was ich eigentlich sonst selten erlebe. Die haben sonst im-mer irgendetwas auszusetzen. Die Entscheidung wurde von zunächstzwei Aktionären mit je 2-4 Aktien angegriffen. Später ist dann noch ei-ner mit rein gesprungen in das Verfahren. Hier stellt sich natürlich fürmich schon mal die Frage, das hatte ich vorher mit Herrn Dr. Levenschon besprochen, ob man nicht eine Quote im Gesetz bräuchte, um soetwas zu verhindern, damit wenigstens die Schwelle höher ist.

Interessant für uns war: HV am 30.5., Frist einen Monat. Durch den Wi-derspruch, den man zu Protokoll bekommt, weiß man natürlich, dass ei-ne Klage kommt, das ist recht einfach. Dann ist es spannend, denn nacheinem Monat müsste die Klage kommen. Wir haben, nachdem sie nichtkam, aktiv beim Landgericht München angefragt, und haben dann tat-sächlich nach einer gewissen Hartnäckigkeit erfahren, dass eine Klage daist, und „schon“ Ende August haben wir die Klage auch zugestellt be-kommen. Das heißt, da wurden aus einer Frist von einem Monat schon´mal drei Monate. Und dann hatten wir unwahrscheinliches Glück, dasswir schon Ende Oktober einen Termin zur mündlichen Verhandlung be-kommen haben. Damit wurden aus dem einen Monat schon fünf Monate.

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Wir hatten noch größeres Glück, wir haben nämlich die gleiche Kammerbekommen, was beim Landgericht München, Gott sei Dank, so üblich ist,wie beim Allianz-Fall. Der Richter hat dann vorher angerufen und ge-fragt, ob wir uns nicht genauso vergleichen sollen wie bei der Allianz.Nachdem ich aus der Ohnmacht wieder erwacht bin, ist mir eingefallen,dass wir gut tausendmal kleiner sind als die Allianz und habe dann ge-sagt, okay, also 1.700 Euro würde ich schon investieren, die von der Al-lianz nach meiner Erinnerung gezahlten 1,7 Mio. durch 1000. Wir hattenvorher auch schon einen Aufsichtsratsbeschluss, der sagte, bis 20 Tsd.Euro würden wir einen Vergleich schließen, ansonsten würden wir esdurchziehen, komplett, also bis zur letzten Instanz. Der Gerichtspräsidenthat für die Kläger sehr schlechte Chancen angedeutet. Die Klage war sehrdünn und insofern kann ich auch verstehen, dass sie beim dualistischenSystem keine Klage bekommen haben, denn man hat sich ausschließlichbei dem monistischen System eingehakt und darauf, dass angeblich dieAktionäre nicht ordentlich darüber unterrichtet wurden. Deswegen habenwir dann auch die Auflage bekommen, und akzeptiert, dass wir auf unse-rer Web-Page eine Aufstellung der Unterschiede zwischen dualistischund monistisch aufführen müssen. Also, wenn Sie das interessiert, dann:MUM.de, da finden Sie es unter Investor Relations. Dann hat man gleichan dem Tag der Verhandlung einen gerichtlich protokollierten Vergleichbekommen und jede Klagepartei hat 2.500 Euro Kostenzuschuss bekom-men, musste aber noch Teile der Gerichtskosten tragen. Es hat sich nichtwirklich gelohnt für die Kläger. Da sind wir also mit einem blauen Augedavon gekommen und haben die Handelsregistereintragung am 7.12., al-so gerade noch vor Jahresende, bekommen. Wie gesagt es wäre nichtschlimm gewesen, wenn nicht, aber es ist halt ein bisschen lästig. Beiweniger Glück oder mehr Zeitdruck hätte es auch richtig teuer werdenkönnen. Erstaunlich, wie gesagt, Klagefrist ein Monat, Verzögerung gutsechs Monate, da fragt man sich natürlich schon, ob das deutsche Ge-richtswesen für Aktiengesellschaften immer so ganz ideal ist.

Das Zweite ist auch eine Erfahrung mit dem deutschen Gerichtswesengewesen und zwar die „Mitbestimmung“. Wir sind nicht mitbestim-mungspflichtig. In der gesamten Vorbereitung habe ich ziemlich vieleSeminare besucht und wie heute hat man sich zur Hälfte über Mitbe-stimmung unterhalten. Da habe ich mich kreativ gelangweilt, akade-misch hat es mich schon interessiert, aber es ging mich nichts an, dachteich. Die große Überraschung dann, bei der – aus meiner Sicht – sehrempfehlenswerten Voranfrage beim Registergericht, da stimme ich demHerrn Dr. Waclawik voll zu. Sollte man unbedingt machen. Der Register-richter hat ein Urteil des Amtsgerichts Hamburg, mit Bestätigung durchdas LG Hamburg ausgegraben, dass das besondere Verhandlungsgremi-um zur Mitbestimmung sogar dann zu bilden ist, wenn die SE keine Mit-

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arbeiter hat und auch nicht die Absicht hat Mitarbeiter zu haben. Es han-delte sich um eine SE, eine Tochter der Hamburger Hafenbehörde, diedann nach meinem Kenntnisstand auch prompt nicht zustande kam. Wiesoll man das machen, wenn man gar keine Mitarbeiter hat. Also, muss-ten wir dort rein, wir mussten, da wir keinen Betriebsrat haben, auchnoch einen Wahlvorstand wählen lassen.

Hier wurden wir anders beraten als es heute gesagt wurde, und zwar, dawir keine Auslandsniederlassung mit 10% oder mehr unserer Konzern-Mitarbeiter haben, mussten wir dort keine Wahl veranstalten. Das könnteallerdings sein, dass das dem schlechten Gewissen des Registerrichtersentsprang und dem Druck unseres Rechtsanwalts, denn der Registerrich-ter fand die Entscheidung auch nicht toll, fühlte sich aber daran gebun-den. Unsere englische Niederlassung ist am nächsten dran, ich hätte esmir sehr lustig vorgestellt, den englischen Mitarbeitern zu erklären, dasssie etwas völlig sinnfreies tun müssen. Das ist uns also erspart geblieben.Dann hat man wohl vereinbart, das scheint wohl auch bei uns ein Spezi-alfall gewesen zu sein, dass das besondere Verhandlungsgremium aus ei-nem Mann und einer Frau besteht, und das hat man dann eben in dieserzweistufigen Wahl gewählt. Das musste alles schön dokumentiert wer-den, damit der Registerrichter das in der Akte hat, und das besondereVerhandlungsgremium hat dann mit dem Vorstand verhandelt und bes-tätigt, dass Mitbestimmung nicht anzuwenden ist.

Insofern, den Amtsschimmel gibt es auch bei Gericht. Wir haben natür-lich die Rechtsauskunft bekommen, dass wir uns dagegen auch wehrenkönnten, aber dann hätte es sicher länger gedauert. Es ist so, dass dochsicher die meisten Unternehmen so reagieren würden. Übrigens im vor-liegenden Fall, muss ich noch sagen, dass aus meiner Sicht, das mit die-sen Berufsopponenten, nicht unbedingt die Entscheidung des Unterneh-mens ist – ob man den Berufsopponenten etwas bezahlt – sondern dawirkte auch der Richter mit. Wie bei jedem normalen Zivilgerichtsent-scheid, wenn der Richter sagt, nun einigt euch mal schön, mir schwebenso 2.500 Euro vor pro Klagepartei, und wir würden uns dagegen wehren,dann wissen Sie genau, dann wird die Entscheidung des Zivilgerichtshöchstwahrscheinlich nicht 100 Prozent zu unserem Gunsten ausfallen.Es ist insofern seitens des Unternehmens praktisch keine volle Wahlfrei-heit da, und man ist eben gut beraten, wenn es so glimpflich ausgeht,das dann auch zu machen – auch wenn es eigentlich modernes Raubrit-tertum ist.

Die Zusammenfassung: Die monistische Board-Struktur, die wir gewählthaben ist, aus meiner Sicht, ausschließlich für unternehmergeführte Akti-engesellschaften mit einer HV-Mehrheit beim Vorstand geeignet. Es ist

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sehr gewöhnungsbedürftig, dass man die ganze Nomenklatur ändert,aber das wollte der Gesetzgeber wohl so, damit man eben keine Ver-wechslungsgefahr hat. Dass der Aufsichtsrat nicht mehr Aufsichtsratheißt, dass die geschäftsführenden Direktoren so heißen und nicht mehrVorstände sind, die zwar die gleichen Rechte und Pflichten wie Vorstän-de haben, aber kein Organ mehr bilden, was andererseits sehr praktischist, weil man z.B. bei einer schnellen Entscheidung, die ins Handelsregis-ter muss, nicht mehr alle Unterschriften einholen muss. Es ist uns nichtselten passiert, dass dann unser CTO in Südostasien unterwegs war, dannist es gar nicht so einfach eine Unterschrift zu bekommen. Jetzt brauchenwir nur noch drei Unterschriften, weil nur noch der Verwaltungsrat dieentsprechenden Beschlüsse fasst. Hier hat übrigens auch das SE-Umwandlungsgesetz Lücken, weil da teilweise nur auf das dualistischeSystem abgestellt wurde. Wir konnten nicht einfach die Allianz-Satzungals unsere eigene abschreiben, sondern wir mussten durchaus kreativsein. Hat auch die HV-Beschlüsse beeinflusst, wir mussten alle Beschlüs-se bezüglich Kapitalia, also genehmigten Kapital und bedingten Kapital,noch ´mal fassen und explizit sagen, das ist eben nicht der Vorstand undAufsichtsrat sondern der Verwaltungsrat der ermächtigt wird.

Die juristischen Fallstricke die wir erlebt haben, lassen sich wohl nichtganz vermeiden. Ich denke, dass man nicht darauf bauen kann, dass an-dere Gericht anders entscheiden als die Gerichte in Hamburg. Aber mankann es einplanen und man sollte auch den Zeitplan großzügig halten.Wir haben auch ein Jahr gebraucht, insofern scheint es die Zahl zu sein.MAN Diesel war schneller! Glückwunsch! Was für uns sicher auch posi-tiv war, war die Öffentlichkeitswirkung, zu zeigen, wir sind eine europäi-sche, eine internationale Gesellschaft und wir haben natürlich dadurchauch sehr, sehr viel Presse bekommen, die man normaler Weise in unse-rer Größenordung nicht so leicht bekommt.

Das andere, die leichtere Sitzverlegung ins EU-Ausland, das ist derzeitnicht vorgesehen, aber vielleicht kommt der Appetit beim Essen, das wis-sen wir noch nicht.

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3. Referenten

Prof. Dr. Michael Brück, LL.M. wurde 2006 auf den Lehrstuhl für Bürger-liches Recht, Handels-, Wirtschafts- und Steuerrecht an der Heil-bronn Business School berufen, an der er auch das Amt des Aka-demischen Direktors für den Bereich Business Law innehat. Zuvorarbeitete er seit 1999 als Rechtsanwalt bei KPMG. Er war zu-nächst in der internationalen Steuerabteilung in Frankfurt a.M.tätig, bevor er im Jahr 2000 für 1 ½ Jahre an das German TaxCenter der KPMG LLP in New York City wechselte. Von 2002 bisMärz 2004 war er Assistent des Vorstandes für den Geschäftsbe-reich Steuern und Recht der KPMG Deutsche Treuhand-Gesell-schaft und Assistent des Global Managing Partners Tax & Legalder KPMG International. Seit 2004 hat er ein European Law Deskbei der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft in Köln aufgebaut,das jetzt Teil der European Tax Law Group der KPMG DeutscheTreuhand-Gesellschaft ist. Parallel dazu war er Lehrbeauftragteran der Europa Fachhochschule Fresenius in den Bereichen Han-dels- und Gesellschaftsrecht sowie Internationales Steuerrecht.

Dr. Thomas Bücker ist seit seinem Studium der Rechtswissenschaften inFrankfurt a.M. und Exeter als Rechtsanwalt und Partner bei derinternationalen Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer inFrankfurt a.M. tätig. Seine Schwerpunkte sind das Aktien- undKonzernrecht, das Umwandlungsrecht und die Betreuung vonHauptversammlungen. Er hat mehrfach bei grenzübergreifendenZusammenschlüssen beraten und ist Mitherausgeber eines Pra-xishandbuchs zu grenzüberschreitenden Gesellschaften.

Adi Drotleff gründete 1984 nach dem Studium der Informatik in Mün-chen und ersten Berufserfahrungen bei einem Messtechnik-Anbieter den CAD/CAM-Anbieter „Mensch und MaschineGmbH“, der später zunächst in eine AG und dann in eine SE um-gewandelt wurde. Das Unternehmen ist einer der führendenCAD/CAM-Anbieter Europas mit mehr als 300 Mitarbeitern undeinem Umsatzvolumen von über 170 Mio. Euro.

Prof. Dr. Jürgen Götz ist seit dem 1. April 2005 als Bereichsleiter Rechtund Versicherung bei der Fresenius SE tätig. Er studierte Jura inBonn, München und Frankfurt a.M., wo er auch promoviert wur-de. Nach dem Studium trat er in die Rechtsabteilung der HoechstAG ein. 1997 wurde er zum Leiter der Rechtsabteilung beiHoechst Marion Roussel ernannt, bevor er von 1999 bis 2004 alsVice President, Corporate Secretary und Leiter der Abteilung Le-gal bei Aventis arbeitete. Neben seiner Tätigkeit bei der Fresenius

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SE ist er Honorarprofessor an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität.

Prof. Dr. Mathias Habersack wurde zum 1. Oktober 2007 auf den Lehr-stuhl für Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Wirt-schaftsrecht der Eberhard-Karls-Universität Tübingen berufen.Davor war er o. Professor an der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität. Von 1996 bis 2000 war er Inhaber des Lehrstuhls fürBürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht der UniversitätRegensburg. Seit 2003 ist er Direktor des Mainzer Instituts fürdeutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kredit-wesens. Den Schwerpunkt der Veröffentlichungen von ProfessorHabersack bilden das Gesellschafts- und Bankrecht. Er ist Mit-glied der Schriftleitung der ZHR und des Herausgeberbeirats derZIP sowie Mitherausgeber der NZG, der BKR, eines Handbuchszur Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt und der 3. Auf-lage des Münchener Kommentars zum AktG.

Dr. Peter Hemeling arbeitete von 1986 bis 2001 als Syndikus bei derDresdner Bank in Frankfurt am Main. Schwerpunkte seiner Tätig-keit waren die Bereiche Gesellschafts- und Konzernrecht. Seit Ok-tober 2001 arbeitet er in der Rechtsabteilung der Allianz SE inMünchen. 2004 wurde zum Chefsyndikus der Allianz berufen.

Dr. Hendrik Höhfeld ist seit 2004 Justitiar in der Rechtsabteilung derMAN AG. Er studierte Jura in Passau und München und promo-vierte anschließend an der Universität Potsdam, bevor er alsRechtsanwalt zunächst in der Sozietät Flick Gocke Schaumburgund dann in der Raupach & Wollert-Elmendorff Rechtsanwalts-gesellschaft mbH tätig war.

Reiner Hoffmann arbeitete als Assistent an der wirtschaftswissenschaftli-chen Fakultät der Universität Wuppertal und beim Wirtschafts-und Sozialausschuss der EG, bevor er 1983 als Leiter des ReferatsForschungsförderung zur Hans-Böckler-Stiftung wechselte. 1994wurde er Direktor des European Trade Union Institute in Brüssel.Im Mai 2003 wurde er zum stellvertretenden Generalsekretär derEuropean Trade Union Confederation gewählt und ist dort derzeitverantwortlich für Wirtschafts- und Industriepolitik. Er ist Mit-glied in verschiedenen Beiräten (Max-Planck-Institut für Gesell-schaftsforschung, Köln; Observatoire Social Européen, Brüssel;The Work Life Development Programme, Stockholm) und seit2003 im Aufsichtsrat eines internationalen Chemieunternehmens.

Prof. Dr. Dres. h.c. Peter Hommelhoff übernahm nach der Habilitation inBochum den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- undWirtschaftsrecht an der Universität Bielefeld. Nach seinem Wech-

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sel nach Heidelberg ist er Ordinarius für Bürgerliches Recht, Han-dels- und Wirtschaftsrecht und Rechtsvergleichung. Seit 2001 ister Rektor der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Seine For-schungsschwerpunkte liegen auf den Gebieten des deutschen undeuropäischen Kapitalgesellschaftsrechts, Bilanzrechts und derCorporate Governance. Parallel zu seiner Lehrtätigkeit war er von1983 bis 1998 Richter im Nebenamt zunächst beim OLG Hammund dann beim OLG Karlsruhe. Er ist Mitherausgeber der Zeit-schrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (ZGR). Seit1999 ist er Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der DeutschenBahn AG. Weiterhin ist er Mitglied des Fachbeirats des Max-Planck-Instituts für Ausländisches und Internationales Privat-recht in Hamburg und des Max-Planck-Instituts für Geistiges Ei-gentum, Wettbewerb und Steuerrecht in München.

Prof. Dr. Reinhard Marsch-Barner arbeitet seit 1973 in der Rechtsabtei-lung der Deutschen Bank in Frankfurt a.M. Er ist dort als Syndi-kus und Managing Director vor allem mit der Beratung von Vor-stand und Aufsichtsrat in Fragen des Aktien- und Kapitalmarkt-rechts sowie der Corporate Governance befasst. Er ist Honorar-professor für Aktien- und Kapitalmarktrecht an der Georg-August-Universität Göttingen und Autor zahlreicher Veröffentli-chungen im Bereich des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts.Darüber hinaus ist er Mitautor und Mitherausgeber verschiedenerBücher und Kommentare.

Dr. Thomas Nagel begann 1991 nach Abschluss seiner Banklehre undseines betriebswirtschaftlichen Studiums (Universität Mannheim)bei der PricewaterhouseCoopers AG in Frankfurt a.M. Er ist Steu-erberater und Wirtschaftsprüfer mit Schwerpunkten bei Ab-schlussprüfungen und der Beratung von Wirtschaftsprüfern inFragen der Rechnungslegung und Abschlussprüfung. Seit 2005beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit Risikomanagementund Qualitätssicherung.

Prof. Dr. Christoph Teichmann ist Juni 2007 Inhaber des Lehrstuhls fürBürgerliches Recht, Deutsches und Europäisches Handels-, Ge-sellschafts- und Wirtschaftsrecht sowie Prozessrecht an der Juli-us-Maximilians-Universität Würzburg. Zuvor übernahm er nachseiner Habilitation zum europäischen Gesellschaftsrecht Lehr-stuhlvertretungen in Bielefeld und Würzburg. Seine Forschungs-schwerpunkte liegen auf dem deutschen und europäischen Ge-sellschaftsrecht und der Methodik der zivilrechtlichen Vertrags-gestaltung. In den Jahren 2002 und 2003 hat er das Bundesmi-nisterium der Justiz bei der Abfassung des Gesetzes zur Einfüh-rung der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) beraten. Davorwar er zwei Jahre als Rechtsanwalt in einer international ausge-richteten wirtschaftsorientierten Kanzlei in Frankfurt a.M. tätig.

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Dr. Erich Waclawik ist seit August 2007 in der Kanzlei Prof. Raeschke-Kessler & Dr. Waclawik tätig. Seine Schwerpunkte sind die Bera-tung von Kapitalgesellschaften in gesellschafts- und kapital-marktrechtlichen Fragen, die Begleitung von Restrukturierungensowie die gesellschaftsrechtliche Prozessführung. Nach dem Stu-dium der Betriebswirtschaftslehre und der Rechtswissenschaftensowie einer anschließenden Promotion an der Universität Mann-heim im Jahr 1999 begann er als Rechtsanwalt im FrankfurterBüro der Sozietät Flick Gocke Schaumburg, der er ab 2005 alsPartner angehörte. Seit 2002 ist er Steuerberater und seit 2006Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. 2007 wurde erals Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof zugelassen.

Prof. Dr. Martin Wenz hat seit 2005 die Professur für Betriebswirtschaft-liche Steuerlehre, Internationales und Liechtensteinisches Steuer-recht an der Hochschule Liechtenstein in Vaduz inne. Nach sei-nem Betriebswirtschaftsstudium arbeitete er als Prokurist beiKPMG im Bereich National Tax & Legal, bevor er 2002 Referentdes Post Graduate Program in International Tax Law der Wirt-schaftsuniversität Wien war. Im Januar 2006 hat er die Leitungdes Instituts für Finanzdienstleistungen übernommen. Zu seinenForschungsgebieten gehören neben Fragen der nationalen, inter-nationalen und europäischen Besteuerung von Unternehmen undFinanzinstrumenten vor allem die Entwicklung einer europäi-schen Steuerrechts- und Steuerwettbewerbsordnung sowie dieEinführung und Besteuerung der Europäischen Aktiengesellschaftin den Mitgliedstaaten der EU und des EWR. Er ist Mitglied deseuropäischen Netzwerks SEEurope in Brüssel.

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4. Überblick Rechtsquellen

- Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 überdas Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), Abl. Nr. L 294 vom10. November 2001, S. 1-21.

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2001/l_294/l_29420011110de00010021.pdf

- Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom22. Dezember 2004, Bundesgesetzblatt, Teil I, Nr. 73, vom 28. De-zember 2004, S. 3675-3701.

http://www.bmj.bund.de/media/archive/837.pdf

- Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zu Einführung der Euro-päischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicherVorschriften (SESTEEG), Bundesgesetzblatt, Teil I, Nr. 57, vom 12.Dezember 2006, S. 2782-2806.

http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl106s2782.pdf

Deutsches Aktieninstitut e.V.Niedenau 13-19 60325 Frankfurt am MainTel. 0 69/9 29 15-0 Fax 0 69/9 29 15-12E-Mail [email protected] Internet http://www.dai.de

ISBN 978-3-934579-43

DEUTSCHES AKTIENINSTITU T

Die Societas Europaea (SE) Studien des DAI, Heft 38DEUTSCHES AKTIENINSTITUT