142 das hinterland von kotor - michael müller verlag · pdf filedas hinterland von kotor...

11
142 Das Hinterland von Kotor Das Hinterland von Kotor In 32 engen Haarnadelkurven windet sich ein schmales Asphaltband von Kotor hinauf zum Krstac-Pass. Diese 32 Kurven (gefühlt rund 320) sind mehr als ein bloßer Verkehrsweg, sie sind die Passage zu einem völlig anderen Gesicht Montenegros. Nebenbei sind sie auch eine Bergrennstrecke, davon zeugen die in klassischer Race- track-Manier gehaltenen rotweiß karierten Einfassungsmauern der Kehren und die spontanen Trainingseinheiten, die die Montenegriner hier gerne absolvieren. Na- türlich empfehlen wir keine Beteiligung an der Hatz nach der Bestzeit, schon allein weil sich dann das immer großartigere Panorama nur schlecht erschließt, außer- dem sind die Straßen Montenegros auch im gemächlichen Tempo herausfordernd genug ganz besonders hier. Hinter der Passhöhe die Natur ist mittlerweile recht karstig geworden beginnt dann unvermittelt die Bergwelt. Das Meer ist nicht einmal mehr eine ferne Ahnung (Luftlinie ist es nicht einmal 2 km entfernt), und das Leben der wenigen hier ansässigen Menschen wird von den harten Regeln landwirtschaftlicher Selbstversorgung unter Gebirgsbedingungen bestimmt. Der (wenngleich vergangene) Reichtum der Seeleute und Händler der boka hat die Schwelle des Krstac nie überschritten. Auch der Tourismus hat das gebirgige Hinterland der Küste noch nicht erreicht, und für einen längeren Aufenthalt ist das Gebiet um die alte Hauptstadt Cetinje in keiner Weise gerüstet. Aber für Ausflüge in die großartige Natur und verwickelte Geschichte Montenegros sind das Küstengebirge und seine kleine Metropole glän- zend geeignet. Das Njego-Mausoleum auf dem Jezerski Vrh Das terlan Das H terlan Kotor

Upload: phamkhuong

Post on 07-Feb-2018

248 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

142 Das Hinterland von Kotor

Das Hinterland von KotorIn 32 engen Haarnadelkurven windet sich ein schmales Asphaltband vonKotor hinauf zum Krstac-Pass. Diese 32 Kurven (gefühlt rund 320) sind mehrals ein bloßer Verkehrsweg, sie sind die Passage zu einem völlig anderenGesicht Montenegros.

Nebenbei sind sie auch eine Bergrennstrecke, davon zeugen die in klassischer Race-track-Manier gehaltenen rotweiß karierten Einfassungsmauern der Kehren und diespontanen Trainingseinheiten, die die Montenegriner hier gerne absolvieren. Na-türlich empfehlen wir keine Beteiligung an der Hatz nach der Bestzeit, schon alleinweil sich dann das immer großartigere Panorama nur schlecht erschließt, außer-dem sind die Straßen Montenegros auch im gemächlichen Tempo herausforderndgenug � ganz besonders hier. Hinter der Passhöhe � die Natur ist mittlerweilerecht karstig geworden � beginnt dann unvermittelt die Bergwelt. Das Meer istnicht einmal mehr eine ferne Ahnung (Luftlinie ist es nicht einmal 2 km entfernt),und das Leben der wenigen hier ansässigen Menschen wird von den harten Regelnlandwirtschaftlicher Selbstversorgung unter Gebirgsbedingungen bestimmt. Der(wenngleich vergangene) Reichtum der Seeleute und Händler der boka hat dieSchwelle des Krstac nie überschritten.

Auch der Tourismus hat das gebirgige Hinterland der Küste noch nicht erreicht,und für einen längeren Aufenthalt ist das Gebiet um die alte Hauptstadt Cetinje inkeiner Weise gerüstet. Aber für Ausflüge in die großartige Natur und verwickelteGeschichte Montenegros sind das Küstengebirge und seine kleine Metropole glän-zend geeignet.

Das Njego�-Mausoleum auf dem Jezerski Vrh

Dasterlan

Das HterlanKotor

Das Hinterland von Kotor 143DasHinterland

vonKotor

Anfahrt In Kotor biegt man auf dem Wegzum Verbindungstunnel an der letzten Mö-glichkeit (nach dem Friedhof) beim großenGemüsemarkt rechts ab. Nach einigen langgezogenen Kurven erreicht man nach ca.300 m zunächst den Grat des Vrmac. Wie-der hinunter ginge es nach Tivat, rechtsüber eine kleine Straße auf die Westseitedes Vrmac und nach Gornja Lastva, linksweist ein Schild nach Cetinje � hier beginntdie eigentliche Passstraße.Sehenswertes Nach wenigen Kilometernbergauf lohnt ein kleiner Abstecher zumThurmfort Gora�da (Abzweig beschildert).Hier haben die österreichischen Besatzer1870 eine ziemlich große und stark gesi-cherte Befestigung errichtet, deren militäri-scher Zweck aber einigermaßen rätselhaftist: Für einen Beobachtungsposten ist derTrutzbau zu weit von der Küstenlinie zu-rückgezogen (der Blick über das Beckenvon Tivat und die Lu�tica, besonders in denMinuten vor Sonnenuntergang, ist dennochmärchenhaft), Geschützstellungen sind

nicht zu erkennen (und wären aus dem glei-chen Grund wohl auch sinnlos), und auchein Gefängnis wird es, angesichts desGrundrisses und der großen Fenster, ehernicht gewesen sein. Vielleicht war ja ein-fach noch ein wenig Geld im k. u. k. Etat�Dalmatien� über, das verjuxt werdenmusste�Zipline Njegu�i: Unmittelbar vor demKrstac-Pass lässt sich der Weg zwischenden Haarnadeln der legendären Bergstraßeauch abkürzen, allerdings nur von obennach unten: Dafür lässt man sich miteinem Klettergeschirr an ein Drahtseil ein-haken und saust die 420 m direttissima zueiner etwas tiefer gelegenen Plattform hin-unter. Je weniger Wagemut, desto besser� dann kribbelt es beim Überqueren der180 m tiefen Schlucht erst so richtig imBauch. Die Action und der sagenhafte Blickauf das spielzeugklein weit unten liegendeKotor ist die 10 � unbedingt wert. In Betriebvon Mai bis September.

Njegu�iSchon kurz hinter dem Krstac-Pass steht das Ortsschild, bis zum Dorf auf einer ge-schützten Hochebene sind es aber noch einige Kilometer. Njegu�i ist heute eine we-nig stimmungsvolle Anhäufung bäuerlicher Zweckbauten, aber ein kulinarischesErzeugnis und ein historisches Ereignis haben den Weiler tief im kollektiven Be-wusstsein der Montenegriner verankert. Bei Ersterem handelt es sich um einenwohlschmeckenden Schinken (→ Kasten, S. 144), bei Letzterem um den Umstand,dass hier 1811 (oder 1813, die Quellen sind nicht eindeutig) der legendäre Dichter-fürst Petar II. aus der Dynastie der Petrović geboren wurde; später erhielt der alsFürstbischof von Cetinje mit quasiköniglicher Macht regierende Modernisierer desLandes den Beinamen Njego�. Sein Geburtshaus im hinteren Teil des Dorfes kannheute besichtigt werden, wovon während der Schulzeit vor allem SchülergruppenGebrauch machen. Das zweistöckige Anwesen ist eher schmucklos, sticht aber imUmfeld der sehr einfachen Neubauten deutlich hervor. Auf zwei Stockwerken sindGegenstände aus Petars Jugend ausgestellt, es dominieren aber Erinnerungsstücke,die sich thematisch um sein bekanntestes Werk Gorski Vijenac (�Der Bergkranz�)gruppieren.

Lange hat sich Njego� in Njegu�i nicht aufgehalten, seine Ausbildung erhielt er inden Klöstern von Cetinje und Herceg Novi, seinen staats- und weltmännischenSchliff in Wien und St. Petersburg. Die Regierungsgeschäfte übernahm Petar II. be-reits im Alter von 17 (bzw. 19) Jahren (1830), seine Modernisierungsleistung be-stand vor allem in der Institutionalisierung des Landes: Unter anderem wurde un-ter seiner Ägide erstmals ein Senat einberufen, ein Schulsystem begründet und dieErhebung von Steuern zur Finanzierung einer modernen Verwaltung angeordnet.Auf dem Gebiet von Kunst und Wissenschaft tat er sich neben seiner Belletristikmit einer Grammatik und einem Wörterbuch des Serbischen hervor. Bereits 1851

144 Das Hinterland von Kotorstarb Njego� an den Folgen einer Lungenentzündung in Cetinje, begraben wurde erauf dem 1655 m hohen Jezerski Vrh hoch über seiner Geburtsstadt (→ Lovćen,S. 145). Seine bis heute ungebrochene Popularität verdankt der Fürstbischof weni-ger seinem literarischen Werk als vielmehr seinen Bemühungen um eine panserbi-sche nationale Entität und Identität � besonders heute, im Kielwasser des vorgeb-lich an der Ethnienfrage entzündeten Bürgerkriegs, hat das ziemlich Konjunktur.

Wurst und KäseWeltanschaulich und politisch völlig unbelastet ist der Schinken, der vor Ortgeräuchert und getrocknet wird � kaum ein Restaurant im Land, das unterder Rubrik �Vorspeisen� auf njegu�ki pr�ut verzichten würde. In Njegu�ikann man die fantastischen Schweinebeine direkt beim Erzeuger kaufen undin kleinen Verköstigungsstellen auch probieren. Qualitativ und geschmack-lich muss sich der Schinken aus Njegu�i hinter den Top-Erzeugnissen auswesteuropäischen Betrieben sicher nicht verstecken, die meist recht kräftigeRäucherung und lange Trocknungsphase lassen ihn stark an Spitzenproduk-te aus dem Schwarzwald und Südtirol erinnern. Lediglich den Fettmantelwürden wir uns gelegentlich etwas dünner wünschen, aber Magerkeit warauf dem Balkan noch nie ein Qualitätskriterium. Der Weg zum EU-Quali-tätssiegel G. U. (geschützte Ursprungsbezeichnung) ist allerdings noch weit,denn Schweineställe sucht man in Njegu�i bislang vergeblich, die Tierestammen aus den großen Mastbetrieben Hollands, der serbischen Vojvodinaund Zentralserbien. Die strengen � politisch motivierten � Importrichtli-nien haben diese feine Wurstware bislang aus unseren heimischen Kühlthe-ken ferngehalten.

Nicht ganz so berühmt wie der Schinken, aber ebenfalls eine weitverbreiteteDelikatesse ist der njegu�ki sir, der mittelfest gereifte Käse aus dem Bergdorf.Die säuerliche Note und dichte Konsistenz ähneln dem norditalienischenFontina, der njegu�ki sir ist allerdings deutlich kräftiger. Häuf ig wird dieserKäse auch in kleine Würfel geschnitten und für mehrere Monate in Olivenöleingelegt.

Einkaufen Pr�ut und sir annoncierenSchilder an jedem Haus mit angebauterRäucherkammer, also praktisch der ganzenBausubstanz des Orts. Kaufinteressentenwerden voller Stolz an den vollgepacktenGestellen mit reifendem Schweinefleischvorbeigeführt, auch Kostproben werdengerne gereicht. Der Preis für einen ganzenSchinken (ganz kleine Exemplare liegen beica. 5 kg, größere bringen bis zu 9 kg auf dieWaage) rangiert zwischen 8 � und 12 �/kg,einige wenige Betriebe offerieren auch re-�anin, d. h. aufgeschnittene Ware.Besiegelt wird der Deal in jedem Fall mit ei-nem scharfen rakija. Und wie immer gilt:kneifen dürfen nur Frauen. Einen bestimm-ten Erzeuger können wir nicht empfehlen,

ich habe immer nur Top-Qualitäten bekom-men, allenfalls lohnt sich die Frage nachdem länger gereiften Stoff (der natürlich einwenig teurer ist).Den besten Käse habe ich nicht hier oben,sondern auf dem Markt in den Altstadt-mauern Kotors gefunden. Dort gibt es ihnauch mit Pfeffer, Kräutern und Nüssen ver-feinert, allerdings ist er mit ca. 20�25 �/kgauch recht teuer.Njego�eva rodna kuća (GeburtshausPetar II. Petrović) Offiziell Mo�Fr 9�17 Uhr,sollte doch geschlossen sein: Der Kustoswohnt gleich nebenan. Eintritt 2 �. Wer sichliterarisch entsprechend vorbereiten möch-te, wird sich schwertun, eine deutscheAusgabe des �Bergkranzes� ist derzeit nur

Der Lovćen-Nationalpark 145DasHinterland

vonKotor

antiquarisch erhältlich. Am Infostand vordem Haupttor in Kotor kann man aber fürca. 15 � eine Übersetzung des Verseposerstehen.

Übernachten/Essen Mein Tipp:Etno selo Kadmi, endlich eine Zwischen-etappe für die lange Wanderung von Kotorauf den Lovčen! Übernachten in putzigenHolzhütten am Rand der großen Allmende-wiese, nahrhaft schlemmen in der rustika-len Gaststube und am nächsten Morgenweiter mit Wanderung 4 zum Heiligen Berg.Zufahrt am Njego�-Mausoleum. ÜF 15 �,HP 25 � (lohnt sich). ¢ 067-486733.

Im Ortsbereich gibt es drei Gasthäuser, diemit den lokalen Spezialitäten locken. Der

Schinken und der Käse sind überall gut, be-sonders stimmungsvoll ist aber keine derGaststätten. Eine Platte Geräuchertes solltenicht mehr als 7 � kosten.

Kod Pera na Bukovicu, ca. 2 km hinterNjego� auf dem Weg zum Čekanje-Passnach Cetinje gelegenes Gasthaus, das net-ter und obendrein noch etwas billiger alsdie drei im Ort gelegenen ist (¢ 041-760055).Seit 130 Jahren gibt es �Bei Pero� Käse,Schinken, hausgebackenes Maisbrot undMedovina � Honigwein aus eigenem An-satz. Ganz Mutige trinken sich auch nochdurch die Schnapspalette des Wirts, be-sonders die enzianartige Tinktur hat es echtin sich.

Der Lovćen-NationalparkDem flüchtig die Küste entlangeilenden Reisenden fällt an dem Gebirgsabschnittzwischen Kotor und Cetinje erst einmal gar nichts Besonderes auf. Sein höchsterGipfel, der Stirovnik, taucht mit 1758 m unter den höchsten Erhebungen des gan-zen Landes erst auf den hinteren Rängen auf. Auch Vegetation und Fauna setzenkeine außergewöhnlichen Akzente. Und doch ist das Massiv des Lovćen für dieMontenegriner keine x-beliebige Hügelkette, sondern die alpine Formulierungihres Nationalbewusstseins � der montenegrinische Olymp. Woher diese Sonder-stellung rührt, lässt sich nicht restlos klären, vermutlich ist im Mythendunst derJahrhunderte ein Selbstläufer daraus geworden. Ausgangspunkt könnte, neben dergeograf ischen Nähe zu den alten Besiedlungskernen Kotor, Cetinje und Budva, dieausgezeichnete Fernsicht gewesen sein: Von hier oben sieht man bis in beinahe alleEcken des Landes, an klaren Tagen im Frühjahr kann man sogar noch das Dur-mitorgebirge � das Dach Montenegros � ausmachen. An diesem überaus privile-gierten Punkt hat sich dann auch der vielbesungene Fürstbischof Njego� beisetzenlassen (nur wenige Kilometer von seinem Geburtsort im Tal entfernt) und damitdie Legende weiter genährt.

Die 64 km² des Lovćen sind als Nationalpark ausgewiesen, lange Zeit ein Status, dereher seinem Rang in der �großen montenegrinischen Erzählung� als dem Land-schaftsschutz geschuldet war. Aber die touristische Erschließung hat auch unterdem Monument des großen vladika eingesetzt, mit Unterstützung von Bergurlaub-prof is aus Österreich hat der Nationalpark auf der Alm Ivanova Korita (1230 m)ein Besucherzentrum bekommen, und auch vernünftige Wanderkarten und Rou-tenbeschreibungen sind nun erhältlich. Nach der Tour muss man auch nichtmehr zum Schlafen an die Küste fahren, dem Wandersmann oder Moutainbikerbietet sich bei den Übernachtungsmöglichkeiten sogar die Wahl zwischen frugalund luxuriös.

Mausoleum von Petar II.: Hier muss die 360°-Postkarte erfunden worden sein! Vonder hinteren Aussichtsplattform des großzügigen Grabstätten-Komplexes auf dem1657 m hohen Jezerski Vrh liegt einem Montenegro buchstäblich zu Füßen. Beientsprechender Witterung sieht man im Südwesten bis zum albanischen �koder

LoNati

146 Das Hinterland von Kotoram Ufer des Skadar-Sees, ein paar Grad weiter nördlich erheben sich die mächtigenGipfel des Prokletije-Gebirges, auch die heutige Hauptstadt Podgorica und die vor-malige Kapitale Cetinje sind klar auszumachen, und die Bucht von Kotor entfaltetsich in ihrer ganzen Schönheit. Nur auf die Adria versperrt der unmittelbar be-nachbarte, etwas höhere Stirovnik mit seiner großen militärischen Funkstation et-was den Blick. Konzipiert wurde das Mausoleum Ende der 60er Jahre vom kroati-schen Bildhauer Ivan Me�trović, fertiggestellt war es 1974; künstlerisch atmet siedeutlich den Geist des späten sozialistischen Realismus. Von einer auch als Park-platz dienenden Plattform 80 m tiefer steigt man durch einen kalten Treppentun-nel zur Ehrenhalle auf den Gipfel. Den Mittelpunkt der Gedenkstätte bildet eineGranitskulptur des Dichterfürsten unter goldenem Mosaikhimmel, bewacht wirdsie von zwei gigantischen weiblichen Steinf iguren in montenegrinischer Tracht.

Darunter bef indet sich in einer vollständig mit hellem Marmor ausgekleidetenKrypta die eigentliche Grabstätte von Njego�. Davor streckt sich die Aussichts-terrasse in Form eines alten montenegrinischen Dreschplatzes über das Gipfel-plateau Petar II. verfügte noch zu Lebzeiten seine Beisetzung an diesem Ort undließ hierfür 1845 auch eine bescheidene Kapelle errichten. 1916 demonstriertendie Österreicher ihre Macht an dieser Pilgerstätte des montenegrinischen Natio-nalismus und verfügten die Exhumierung des Leichnams und seine Überführungnach Cetinje, die Kapelle wurde teilweise zerstört. 1925 wurde der Sarkophagwieder heraufgebracht und ruhte einige Jahrzehnte in relativem Frieden. Titoschließlich entdeckte die Wirkmächtigkeit des Symbols Njego� und machtedaraus ein Monument der Einheit Jugoslawiens (Steine und Pläne aus Kroatien,Held aus Montenegro). Die formale Lösung der Aufgabe ist durchaus gelungen,ein menschliches Maß in der Dimensionierung durchaus erhalten geblieben �aus kulturhistorischen Gründen jedoch lohnt die lange Anfahrt hinauf nicht un-bedingt. Aber der Blick!

Information Im neuen Besucherzentrum;die Mitarbeiter bemühen sich rührend, dasSerbisch-Gestammel auswärtiger Gäste zuverstehen, Englisch konnte bei meinem Be-such nämlich keiner. Aber nur Mut, Händeund Füße helfen! ¢ 041-761128, www.nparkovi.me.Verbindungen Der Nationalpark ist einerder ganz wenigen Orte, die von Bussendes ÖPNV nicht angefahren werden. Bis-lang zumindest.Mit dem Auto erreicht man ihn aus Kotorkommend, wenn man man unmittelbar ander Passhöhe rechts abbiegt in eineschmale, unscheinbare Straße (Orientie-rungspunkt ist das große, braune Schild�kotorski � risanski zaliv�, das aber in dieentgegengesetzte Richtung zeigt). Dererst unlängst asphaltierte Weg führt dannauf kürzester Route über die seeseitigeFlanke in den Lovćen und passiert außer-dem den höchsten Aussichtspunkt aufKotor.Aus Cetinje erreicht man den Lovćen überdie nordwestliche Ausfallstraße. An der

ehemaligen italienischen Gesandtschaft(kurz vor der großen Schule) ist der Wegnach links beschildert.Für die Zufahrt zum Nationalpark werden2 � verlangt, kassiert wird von Parkwäch-tern an beiden Zufahrtsstraßen. Wandererkommen ungeschoren davon, mit demFahrrad habe ich es noch nicht probiert.Aktivitäten Neben den naheliegendenBergspäßen Wandern und Mountainbiking(einschlägige Fachmagazine sind begeis-tert, aber eigenes Rad mitbringen, die Leih-räder sind arge Gurken) gibt es jetzt aucheinen spektakulären Hochseilgarten: Auf 6Stahlseilparcours flitzt man mit bis zu45 km/h in 12 m Höhe durch die Baum-kronen des Lovčen. Mutprobe, Gaudi undpraktische Dendrologie! Tickets gibt es inder Rezeption des Nationalparks, sie kos-ten für Zwergerl von 5 bis 8 J. 8 �, für Kinderunter 14 J. 12 �, alle anderen zahlen 18 �.www.avanturistickipark.com.Im Herbst ist der Lovćen natürlich auch einheißes Pilzrevier, bevor man aber die üppiggefüllten Körbe abschleppen darf, braucht

C

Cetinje 147DasHinterland

vonKotor

man für 5 � eine Sammelerlaubnis (giltauch für Kräuter und Blumen).Mausoleum Angeblich (wir bezweifelndas, im Winter liegt hier gelegentlich mäch-tig Schnee) ganzjährig geöffnet: tägl. 9�17 Uhr (während der Sommermonate auchlänger). Eintritt 2 �. Unter der Parkplattformbefindet sich ein Restaurant mit dem orts-üblich fantastischen Panoramablick undden nicht minder ortsüblichen Schinken-und Käseleckereien. Auch im Hochsommerkann es auf dieser Höhe leicht ziemlichfrisch sein � eine Jacke sollte man dabei-haben!Übernachten/Camping **** Hotel Iva-nov Konak, unaufdringlich-gelungene Mi-schung zwischen Rustikalität und moder-nem Komfort, im Service allerdings nochEntwicklungschancen. Gegenüber dem Be-

sucherzentrum. DZ ab 75 �. ¢ 041-230530,www.ivanovkonak.com.Die fünf Bungalows (bis zu 4 Personen) ver-mietet die nette Kollegin vom Besucher-zentrum für 30�40 �. Kontakt s. o.Camper zahlen 3 � für ein kleines und 10 �für ein großes Zelt oder Wohnmobil.Essen & Trinken Ein gutes, deshalbnicht ganz billiges Restaurant gehört zumHotel Ivanov Konak, mehr in die Snack-Fraktion gehört das Bergrestaurant am Fußder Treppenstufen zum Njego�-Mauso-leum. Selbstversorger grillen riesigeFleischberge (Metzgereien sind atemberau-bend billig in Montenegro) an den großenund funktionalen Grillstellen (5 � für die Be-nutzung der Grillstellen, dafür ist aber auchdas Feuerholz mit dabei).

Wanderung 4: Von Njegu�i zum Njego�-Mausoleum → S. 273Kurze und relativ leichte Bergwanderung durch bewaldetes Gebiet

CetinjeDie überschaubare Stadt auf einer Hochebene zu Füßen des Lovćen warbis zur Gründung der Republik Montenegro als Teil des sozialistischenNachkriegsjugoslawien das administrative und intellektuelle Zentrum desLandes. Die Hauptstadtwürde ist einige Kilometer ins Landesinnere nachPodgorica weitergereist, aber von seinen großen Zeiten zehrt Cetinjenoch immer.

Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jh. kam Cetinje richtig zu sich: Jahrhundertelanghatten verschiedene Aggressoren die Stadt ein ums andere Mal heftig gebeutelt,und erst unter den relativ stabilen Bedingungen nach dem Berliner Kongress erleb-te die Stadt in den Bergen ihre Hochblüte. Alle Großmächte Europas und die auf-strebenden Vereinigten Staaten unterhielten im damals nur ca. 2500 Einwohnerzählenden Ort eine Gesandtschaft. Zusammen mit den Repräsentationsbauten desaufstrebenden Hauses Petrović, dessen Mitglieder dem Land erst als Fürstbischöfeund später auch als Könige vorstanden, entwickelte sich um den Kern des altenKlosters ein kompaktes Ensemble des Spätklassizismus. In den zahlreichen zumTeil ziemlich aufwendigen Botschaften, den Palästen und Regierungsgebäuden be-f inden sich heute Museen und die künstlerischen Fakultäten der Universität Mon-tenegros, sodass Cetinje in Kulturdingen immer noch die Führungsrolle vor demeher nüchternen Podgorica behaupten kann. Im Verständnis der Stadtväter spieltCetinje gar mit im Reigen der großen Museumsstädte der Welt � ein überdimen-sionaler Wegweiser zu den bedeutendsten Sammlungen des Planeten lässt da wenigZweifel. Auch wenn das etwas hoch gegriffen ist, lohnt ein Tag Unterbrechung desStrandurlaubs nicht nur für Hardcore-Kulturbeflissene.

148 Das Hinterland von KotorDie Perle des balkanischen Klassizismus, die Cetinje mit seiner wunderbaren Sub-stanz zweifelsohne ist, könnte aber wieder einmal eine neue Politur vertragen. DieStadt macht nicht nur in den Wohnvierteln außerhalb des Stadtkerns einen etwasvernachlässigten Eindruck. Aber Podgorica hält die Stadtf inanzen Cetinjes an derganz kurzen Leine, Grund dafür sind nicht etwa historische Ressentiments, son-dern schlichtes Parteiengezänk: Cetinje wird als einzige Stadt Montenegros von deroppositionellen SNP (Sozialistische Volkspartei) regiert, und das sieht der Muster-demokrat Đukanović nun gar nicht gerne. Außerdem ist es um die industrielleStruktur Cetinjes alles andere als gut bestellt. Die größten Arbeitgeber, das Elektro-gerätewerk Obod und das Fischkonservenwerk im nahe gelegenen Rijeka Crnoje-vića, haben ihren Betrieb eingestellt.

GeschichteCetinje ist eine relativ junge Gründung: 1482 beschloss Ivan Crnojević, Herrscherdes Montenegro-Vorläufers Zeta, seinen Amtssitz von �abljak in der strategischschutzlosen Zeta-Ebene in das sicherere Gebiet in den Bergen zu verlagern � wie sooft waren die Türken wieder einmal im Land. Cetina polje, die Hochebene um dasGebirgsflüsschen Cetina, schien ihm dazu am besten geeignet. Ivan ließ sich einenersten (heute verschwundenen) Hof bauen und bestimmte damit das neue Zent-rum. Diese Stellung wurde zwei Jahre später mit dem Bau des Klosters Cetinjenoch erheblich gestärkt, nun war auch der spirituelle Mittelpunkt an den Fuß desLovćen gerückt. Das monastische Leben blieb für die nächsten 200 Jahre das be-stimmende Element in der Geschichte Cetinjes, denn die Crnojević-Dynastie fandbereits 1499 mit der Unterwerfung durch die Türken ihr schnelles Ende. Bis zurÜbernahme der Fürstbischofswürde durch Danilo Petrović, den Urvater des bis1918 regierenden Petrović-Clans, tat sich in Cetinje dann nicht viel, sieht man ein-mal von der mehrmaligen Einnahme und Zerstörung der Stadt durch wechselndeInteressengruppen ab.

Auch Danilo, def initionsgemäß ja ein Kleriker, begann seine Regentschaft mit ei-nem Klosterneubau. Das war auch nötig, denn die alte Anlage war 1692 völlig zer-stört worden und der Bischofsitz generell in nicht eben präsentablem Zustand. Ge-ändert hat das wenig, zu oft lag Danilos Stadt auf der Hauptkampflinie des Balkans,und 1712 wurde sein Kloster schon wieder geplättet � unverdrossen befahl er denWiederaufbau. Der Aufstieg Cetinjes zum florierenden Regierungssitz kam erst1830 mit dem jungen Petar II. Petrović Njego�. Der Macht- und Reformanspruchdes Dichterfürsten manifestierte sich zunächst im Bau der Biljarda, einer repräsen-tativen Residenz, die zunächst auch das neu geschaffene Organ des Senats sowieTeile der Verwaltung beherbergte.

Der nächste Schub ereignete sich dann zu Beginn der Regentschaft Nikolas I. Mitt-lerweile durfte der höchste Montenegriner sich Prinz nennen, und mit dem neuenTitel zog dann erstmals wirkliches urbanes Leben in Cetinje ein. Die Bevölkerungwuchs bis zum Vorabend der letzten Türkenkriege auf 1500 Einwohner, es entstan-den Schulen, das erste Krankenhaus des Landes und auch Repräsentationsbauten.Nach der Anerkennung Montenegros als selbstständiger Staat 1878 brachte die eu-ropäische Diplomatie ganz neuen Schwung in die Stadt. Die zahlreichen Bot-schaftsbauten und die erstarkende Verwaltung sorgten für einen erheblichen Ge-winn an städtebaulicher Substanz. Mit der Erhebung Montenegros zum Königreich1910 schien sich dieser Trend zu stabilisieren, aber der Erste Weltkrieg legte Ce-

Cetinje 149DasHinterland

vonKotor

tinje in einen Dornröschenschlaf � dieTage als administratives Zentrum wa-ren gezählt. Aus diesem Schlummer istdie Stadt immer noch nicht wiedererwacht, auch der Parlamentsbeschlussvon 1992, der Cetinje formal wiederHauptstadtstatus (zusammen mit Pod-gorica) zuschrieb, konnte daran nichtwirklich etwas ändern.

Wo die Strukturpolitik scheiterte, kamauch die Kunst nicht weiter. So groß-artig der Plan von Marina Abramović,der wohl bedeutendsten Gegenwarts-künstlerin ex-jugoslawischer Abstam-mung (�the artist is present�) auchklang, aus der vergammelten Kühl-schrankfabrik eine vibrierende Künst-lerkolonie zu machen, draus gewordenist nichts. Die Stipendien wurden um-geleitet, die Fabrik fault weiter und diekreative Jugend der Welt kifft dann haltwoanders.

Information Als Touristeninformation fun-giert die Rezeption im Grand Hotel am Sü-dende der Stadt. Für 1 � bekommt man hierauch einen hübsch illustrierten perspektivi-schen Stadtplan in Postergröße. Eine tu-ristička organisacija gibt anscheinend aberdoch, zumindest pflegt sie eine Website:www.cetinje.travel (auch deutsch).Verbindungen Der Busbahnhof befindetsich an der Zufahrt zur HauptverkehrsaderBudva � Podgorica, mindestens stündlichbedienen Busse beide Ziele. Individuell mo-torisierte Besucher benutzen, wenn Siesich nicht das Gekringel über die PässeKrstac und Čekanje zumuten wollen, eben-falls diese Strecke. Entfernung nach Budvaca. 30 km.Apotheke Mehrere in der ul. Njego�evaam Hauptplatz.Einkaufen Markt jeden Tag in der ul. BajaPivljanina (Stadtmitte), darum herum aucheinige Mini-Märkte und Geschäfte.Internet Ein Internetcafé mit einigen (lah-men) Terminals gibt es in der ul. Njego�evaauf halber Höhe zwischen Hauptplatz undehemaliger französischer Gesandtschaft.Krankenhaus Die Bolnica Danilo I. liegtam östlichen Stadtrand in der Nähe desBusbahnhofs.

Parken Auf dem großen Parkplatz amwestlichen Stadtrand beim Stadtpark.Post Das Postamt befindet sich in der ul.Njego�eva an der Stirnseite des großenPlatzes vor Biljarda und Königspalast (TrgKralja Nikole).Übernachten/Essen Cetinje wird fastausschließlich von Tagesgästen auf Exkur-sion angesteuert. Es gibt nur eine einzigeÜbernachtungsmöglichkeit, und die gastro-nomische Infrastruktur erschöpft sich inwenigen (allerdings ziemlich trendigen) Ca-fés. Mit dem Essen sollte man sich bis zurRückfahrt gedulden oder den Tag mit Süß-wasserfisch im nahe gelegenen RijekaCrnojvića beschließen (→ S. 207).*** Hotel Grand 5, am südlichen Stadt-rand. Die großartigsten Zeiten des Grandsind irgendwie vorbei � zwar bemüht mansich im Foyer noch um Grandezza, aberspätestens in den Zimmern merkt man: derLack ist ab am großen Staatsbetrieb (420Betten). Nachdem nun auch der Pool ein-gemottet wurde, wurden die Preise korri-

Bismarcks Außenposten in Cetinje

150 Das Hinterland von Kotor

giert. 65 � für das DZ sind nur aus Nostalgienoch in Ordnung. ¢ 041-312295, www.hotelgrand.me.Restaurant Kole1, richtig viel gutes Essenfür richtig wenig Geld. Mit den gefülltenPfannkuchen für zahme 2,50 � haben ju-gendliche Leser hier ihren Kohlehydratbe-darf für eine ganze Woche gedeckt. Wennmöglich aber draußen sitzen: Die Innenein-richtung macht blind. ¢ 041-231640, www.restaurantkole.me.L�Angolo 3, bei der ehem. britischen Bot-schaft. Hier drängen sich die jungen Kreati-ven aus den umliegenden Kunsthochschu-len. Nett und laut.

Gradska Kafana 2, am Hauptplatz. Plü-schiges Staatscafé mit schöner Freischank-fläche im historischen Kern.Café Parisienne 4, im Stadtpark hinterdem Blauen Palais. Ruhiger Platz unter denBäumen zwischen den malerisch zugewu-cherten Grünflächen.Restaurant Konak 6, ca. 5 km RichtungBudva an der Magistrale. Den großen Hun-ger bei der Besichtigung sollte man sichaufheben und hier auf der Rückfahrt ein-kehren. Hübsches Nationalrestaurant mitden üppigen Spezialitäten des montenegri-nischen Berglands. ¢ 041-761011.

Ein StadtrundgangEin guter Startpunkt für eine Besichtigungstour durch Cetinje ist das MausoleumDanilos I. auf der Anhöhe über dem Kloster. Auf dieser natürlichen Aussichtsplatt-form mit dem malerischen Namen Orlov Kr� (Adlerfelsen) ließ Prinzessin Jelena,

���������

�������

#��� �����

�� ���

����

�������

�����

#���

��������

����� ������

��������

�����

��������

�����

������

�����&���

�����

�����5�� �������

�����

������

!����

������/��

-��-��-��������������������������������������

�������������������� "*����� "*����� "*

������������������$����$����$����

�������������������������������� "*����� "*����� "*

���������������������.�����.�����.�����

���� ��� ���� ��� ���� ���

������������������

/���/���/������������������

������������������ ����� "* ����� "* ����� "*

������������������������������

0������0������0������

���������������������������������

12���12���12���

(����(����(�������������

3�������3�������3�������

4��������4��������4��������5�����5�����5�����

"�����"�����"�����

,��������,��������,��������

���!�����!�����!��

���������������������

��6�� ��6�� ��6��.����.����.����

���%��������%��������%����� �� �� ��

.���� ��.���� ��.���� ��7$���7$���7$��� ������������������

$���$���$���

������������������$���$���$���

���(��;+����(��;+�

�� 9���(�

�� 9���(�

) %���) %���

.�����( �

�� ����� < ����� ���

��� � ��� �� 9 "�&���� ����: ��� &�� ��2��; 4F�����? �2B ����&���@ "�&������ ����

���

���

���

���

���

Cetinje 151DasHinterland

vonKotor

eine der zahlreichen Töchter Nikolas I., um die vorletzte Jahrhundertwende demBegründer der Petrović-Njego�-Dynastie eine luxuriöse Grabstätte errichten. Derkleine Baldachin, der den Sarkophag überwölbt, ist weithin sichtbar, fügt sich abersehr gelungen in das Landschaftsbild ein. Der Reiz der Anlage liegt aber nicht sosehr in ihrer kunsthandwerklichen Ausführung � verantwortlich waren die Franzo-sen Frouchet und Vautière � als vielmehr darin, dass man von hier einen schönenBlick über die ganze Stadt hat. Außerdem hat man nach dem 15-minütigen Auf-stieg den körperlich anspruchsvollen Teil des Rundgangs schon hinter sich.

Des Königs schöne TöchterNikola I. und seine Frau Milena setzten nicht weniger als zwölf Kinder in dieWelt, neun davon waren Töchter. Mit diesem Nachwuchssegen begann Ni-kola, ein geschickter und wendiger Staatsmann im Inneren wie im Äußeren,eine sehr aktive Heiratspolitik, die ihm später den inoff iziellen Ehrentitel�Schwiegervater Europas� eintrug. Der designierte Thronfolger Danilo si-cherte den Anliegen Montenegros am deutschen Kaiserhof durch seineHochzeit mit Prinzessin Jutta von Mecklenburg-Strelitz ein offenes Ohr.Vier der Mädchen wurden in weitere europäische Königshäuser verehelicht:Milica heiratete den russischen Großfürsten Petar Nikolajević Romanov; einAngehöriger einer Seitenlinie dieser Dynastie, Georg Maximilianović vonLeuchtenberg nahm Anastasia zur Frau. Die beiden trennten sich aber wie-der, und Anastasia griff erneut in den Romanow-Topf und zog sich den Prin-zen Nikolai Nikolajević. Prinzessin Jelena gab Kronprinz Vittorio Emmanue-le von Italien das Jawort, und ihre Schwester Ana stärkte die Bande mit Eng-land durch ihre Ehe mit Franz Joseph von Battenburg (im Ersten Weltkrieganglisiert zu Mountbatten). Überflüssig zu sagen, dass eine der Töchterschöner als die andere gewesen sein soll � haben das Königstöchter nicht soan sich?

Wieder unten folgt gleich die nächste Station: Das Kloster Cetinje, geistliches Zen-trum Montenegros über mehrere Jahrhunderte und immer noch Sitz des Metropo-liten, schmiegt sich eng an den Adlerfelsen. Danilo war aber so bescheiden, dieKontinuität des monastischen Lebens nicht sich selbst, sondern dem StadtgründerIvan Crnojević gutzuschreiben � eine Gedenktafel in der Apsis zeugt von dieserAnerkennung. Geweiht ist die Anlage Sv. Petar (ein orthodoxer Heiliger, nicht zuverwechseln mit Petrus), deshalb wird der Komplex auch Manastir Sv. Petra ge-nannt. Kern der Anlage ist die Kirche der Geburt Mariens, ein recht kleiner, ver-schachtelt wirkender Gebetsraum, der den Innenhof nach rechts begrenzt. ImSchiff wird eine Reliquie des Hl. Petar (nämlich der Brustkorb des frommenManns) aufbewahrt. Zwei weitere überaus bedeutende Reliquien bef inden sich inder dunklen Kammer neben dem eigentlichen Kirchenschiff: die Hand Johannesdes Täufers und ein Splitter vom Kreuz Christi. Zum Ensemble heiliger Gegenstän-de zählt auch die Ikone derMadonna von Philermos, die in der engen Kammer abernur selten zu sehen ist, meistens bef indet sie sich in der Blauen Kapelle im VladinDom (→ S. 152). Im Innenhof f indet man noch einen sehr orthodoxen Souvenir-shop � kein Verkauf während des Glockenläutens! � und, linker Hand, einen Au-fenthaltsraum für Pilger (mit einer öffentlichen Toilette). Die übrigen Teile desKlosters sind den Mönchen vorbehalten und Besuchern nicht zugänglich.

152 Das Hinterland von KotorVor dem Eingangstor zum Kloster istein traditioneller montenegrinischerDreschplatz aufgemauert. Im vor-maschinellen Zeitalter taten sich dieBauern eines Dorfs zusammen, umgemeinschaftlich die mühsame Arbeitdes Korndreschens zu erledigen. Da-durch erhielten diese Zweckflächen einewichtige soziale Funktion als Orte derKommunikation. Entsprechend ließFürstbischof Sava (der Nachfolger Da-nilos I.) diese Stätte als Symbol desmontenegrinischen Gemeinschafts-willens errichten, und sein berühmterNachfolger Petar II. verewigte ihn alsSchauplatz zentraler Szenen seines Na-tionalepos Der Bergkranz. Der Durch-messer der kreisrunden Fläche ist iden-tisch mit dem der berühmten �Zaren-glocke� im Hof des Moskauer Kreml undbetont damit die enge Verbundenheitdes russischen Herrschergeschlechtsder Romanovs mit den Petrović-Njego�.Der Dreschplatz, obgleich nur eine Re-konstruktion (die ursprüngliche Anlagewurde 1785 bei einem Türkenüberfallzerstört), ist immer noch ein Ort derAllgemeinheit: Jeden Samstagabendwird dort gemeinschaftlich gefegt undaufgeräumt, um die Klosteranlage fürden Sonntag aufzupolieren.

Das größte Gebäude Cetinjes ist der Vladin Dom (Regierungshaus) ca. 200 m öst-lich des Klosters. Das 1910 zur Krönung Nikolas eingeweihte Gebäude wurde ausdem damals in Montenegro noch unbekannten Werkstoff Stahlbeton gefertigt. Fürdie Gestaltung zeichnete der Italiener Corradini verantwortlich, der zuvor schondie russische und italienische Botschaft entworfen hatte; für den Vladin Dom be-diente er sich aus dem Zitatenschatz des Barock. In den wenigen Jahren des König-reichs Montenegro tagte hier die Nationalversammlung, darüber hinaus hatten dieleitenden Behörden der Staatsverwaltung hier ihre Räumlichkeiten. Heute beher-bergt der ehemalige Regierungssitz die Museen für Geschichte und Kunst Monte-negros: Im linken Flügel bef indet sich das historische Museum, der vordere Teilund der rechte Flügel sind von der Kunstsammlung belegt. Die historische Abtei-lung ist nur mäßig spannend, die Legenden zu den meisten Exponaten sind aus-schließlich auf Serbisch verfasst und auch nicht mehr sonderlich aktuell (Podgoricaheißt hier noch Titograd); in den zeitgeschichtlichen Räumen ist die didaktischeHandschrift des sozialistischen Geschichtsmodells noch überaus deutlich zu spü-ren. Vielversprechender ist ein Besuch der Kunstsammlung, die von den Ikonen-malern des späten Mittelalters bis zur Gegenwart die bemerkenswert lebhaftenMaltraditionen des kleinen Landes dokumentiert. Die internationale Sammlung istrecht schmal, kann aber immerhin mit Werken von Picasso, Chagall und Dalí auf-

Amtssitz des Präsidenten