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Klimawandel – ein Thema für die Sicherheitspolitik?
Prof. Dr. Michael BrzoskaInstitut für Friedensforschung und
Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg
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Gliederung
1. Klimawandel und Sicherheit – ein Modethema?
2. Wissensstand und Zukunftsprognosen
3. Pfade zur Gewalt
4. Konfliktprävention und -management
5. Klimawandel als globales Konfliktrisiko
6. Verharmlosung oder Versicherheitlichung?
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1. Klimawandel und Sicherheit – ein Modethema?
Nobelpreiskomitee 2007: Extensive climate changes may alter and threaten the living conditions of much of mankind. They
may induce large-scale migration and lead to greater competition for the earth’s resources. Such changes will place particularly heavy burdens on the world’s most vulnerable countries. There may be increased danger of violent conflicts and wars, within and between states.
Europäische Union 2008Ratsbeschluss 13/14. März 2008. Annahme Bericht der EU-Kommission und des Hohen Repräesentanten Javier Solana.
„In der Europäischen Sicherheitsstrategie wird anerkannt, dass die globale Erwärmung und der Kampf um die natürlichen Ressourcen miteinander verknüpft sind..“Klimawandel „wirkt wie ein "Verstärker", so dass die Hauptgefahr darin besteht, dass Klimawandel die Staaten und Regionen überfordert, die bereits mit anderen Problemen zu kämpfen haben: So können beispielsweise klimabedingte Dürreperioden in afrikanischen Staaten, in denen Armut und Krankheit herrschen, schlechtere Ernten zur Folge haben. Dies verstärkt Hunger und Elend, so dass die Menschen eventuell nur noch Flucht in wohlhabendere Lände ala Aussweg sehen.“
Begriffsklärungen
KonfliktePositionsunterschiede über Werte, Instrumente oder Ziele
GewaltAnwendung von Zwangsmitteln zur Willensdurchsetzung
Insbesondere physische Zwangsmittel
Zur Beeinträchtigung von Leib und Leben
Organisierte GewaltGewaltanwendung durch Gruppen zur Durchsetzung politischer Ziele
SicherheitGrad der Wahrscheinlichkeit massiver Veränderung zum Schlechteren
insbesondere durch Einwirkung (von Gewalt) von außen
begrenzt auf existenzielle Bedrohungen
Gefahren für Staaten und/oder Individuen (nationale/menschliche Sicherheit)
FriedenZustand der Abwesenheit organisierter Gewaltanwendung auch bei Konflikten
2. Wissensstand und Zukunftsprognosen
WissensstandMakroquantitative Untersuchungen
– Probleme: Datenmangel, Methoden
Qualitative Fallstudien
- Probleme: Generalisierbarkeit, Komplexitätsreduktion
jeweils aktuell/historisch
Zukuntsprognosen- Szenario-Analyse
- Probleme: Wahl der Schätzparameter, Trends
- “worst case” Analysen
- Probleme: Wahrscheinlichkeiten, Schwellenwerte, Kipppunkte
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3. Pfade zur Gewalt
Szenarien des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltfragen, Gutachten 2007, Welt im Wandel – Sicherheitsrisiko Klimawandel)
1. Wasserknappheit
2. Verschlechterung der Versorgung mit Nahrungsmitteln
3. Extremwetter/Naturkatastrophen
4. MigrationWeiteres Szenario:
5. Konflikte über Ressourcenzugewinne (Beispiel Arktis)
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3. 1. Wasserknappheit
3.1. Empirische Evidenz
Historische AnalysenZahlreiche Fälle von Konflikten, auch mit
organisierter Gewalt (Gleick)
FallstudienWichtiger Faktor in Kombination mit anderen in
vielen Fällen (Jordan-Tal, Sudan/Darfur …)
Makro-statistische AnalysenKein gesicherter Zusammenhang zwischen
Wasserknappheit und bewaffneten Konflikten (Gleditsch, Wolf)
3.1. Theoretische Überlegungen
“Malthusianer” vs “Kornukopianer”Begrenztheit natürlicher RessourcenProduktivitätssteigerungen durch technischen ForschrittArbeitsteilung und Handel als Vermehrer von Reichtum
Langsame versus rasche VeränderungenLangfristig Anpassungsfähigkeit höher
Direkter und indirekter Wasserverbrauch (“virtual water”) Handel als Ausgleichsmechanismus (Barnaby)
Wasser als Quelle von Kooperation 1948-2000: Grenzgewässer: 1228 kooperative, 507
konfliktive Ereignisse, 157 Verträge; 37 Ereignisse mit Gewaltanwendung (davon 30 im Jordantal) (Aaron Wolf)
3.2. Verschlechterung der Ernährungslage
Verursachungskette
3.2. Empirische Evidenz
Historische AnalysenZahlreiche Fälle (Diamond)Statistischer Zusammenhang
FallstudienNahrungsmittelmangel ein Faktor in einigen
Konflikten,Hungersnöte nur in nicht-Demokratien
(Sen/Dréze)
Makro-statistische Analysen Zusammenhang Armut-Krieg aber: nicht die
ärmsten Regionen in den ärmsten Ländern, wichtig: Mobilisierung
Paleo-temperature variation and its impact on Europe (red) and China (green), A.D. 1500–1800
Zhang D. D. et.al. PNAS 2007;104:19214-19219
©2007 by National Academy of Sciences
3.2. Krieg und Armut (nach Collier/Humphreys)
3.2. Bewaffnete Konflikte und die Staaten mit sehr armer Mehrheitsbevölkerung (1 Millionen Ärmsten der Weltbevölkerung)
3.3. Extremwetter/Naturkatastrophen
http://www.preventionweb.net/files/8906_Brecht1.pdf
3.3. Empirische Ergebnisse
Historische AnalysenZahlreiche Fälle (Diamond)
FallstudienUnterschiedliche Ergebnisse, Beispiel
Tsunami Weihnachten 2005 (Sri Lanka, Aceh)
Macro-statistische AnalysenNachweisbarer Zusammenhang mit
Erdbeben und Vulkanausbrüchen (Nel and Rightards, 2007)
3.4. Migration
3.4. Migration
Historische AnalysenZahlreiche Fälle (vor allem in Zeiten der Abkühlung, z.B. spät-römische
Völkerwanderung)
FallstudienUnterschiedliche Ergebnisse. sowohl für
Klmawandel – Migration als auch Migration – Konflikt
(Beispiele: Sahel 1980er/1990er, Bangladesh)
Makro-statistische AnalysenUnterschiedliche Ergebnisse (Reuveny 2007, Salehyan 2008) 21
3.5. Konflikte über Ressourcenzugewinne
3.5. Empirische Evidenz
Historische AnalysenRessourcenkonflikte häufige Kriegsursache
FallstudienWichtiger, aber nicht alleiniger Faktor in
vielen Fällen (Klare)
Statistische AnalysenRessourcenreichtum, mindestens Öl, erhöht
die Wahrscheinlichkeit innerstaatlicher Kriege (Collier; Ross)
4. Konfliktprävention und -management
1. Drei Modelle des Zusammenhangs von Klimawandel und Gewalt
2. Umschlag in organisierte Gewalt
4. Konfliktmanagement
5. Beispiel: Tuareg-Krieg in Mali
4.1. Drei Modelle des Zusammenhangs von Klimawandel und Gewalt
1. Deterministisches ModellKlimwandel führt über Umweltveränderungen und
Konfliktintensivierung zu organisierter Gewalt
2. AdaptionsmodellKlimwandel führt zu Umweltveränderungen, an die (auch
vorbeugende) Anpassung möglich und nötig ist. Bei nicht-ausreichender Anpassung kommt es zu Konfliktintensivierung zu organisierter Gewalt
3. GesellschaftsmodellKlimawandel führt über Umweltveränderungen zu
Konflikten, deren Intensität und Art des Austrags von gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Faktoren abhängig ist.
4.2. Umschlag in organisierte Gewalt
Einflussfaktoren (ENCOP 1999):• Organisierbarkeit der Unzufriedenen
• Verfügung über Waffen
• Konflikttoleranz der Benachteiligten
• Optionen und Alternativen der Akteure
• Traditionelle Konfliktbearbeitungskapazität
• Staatliche Konfliktbearbeitungskapazität
Verstärkend: Verquickung von Konflikt-Faktoren
• Ethnische Konfliktlinien
• Horizontale Ungleichheit (Stewart)
• Politisches System (Hegre et al)
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4.3. Konfliktmanagement
StrukturenGesellschaftliche OrganisationPolitisches SystemStaatengemeinschaft
InstitutionenStaatliche InstitutionenTraditionale InstitutionenAd hoc VermittlungExterne Akteure
KompensationsmöglichkeitenVerteilungsspielräume“trade-offs”
4.3. Konfliktmanagement
4.4. Beispiel: Tuaregkrieg Anfang 1990er in Mali
AusgangspunkteHistorische Rivalitäten
Ressourcenknappheit/Wassermangel
Verhalten der libyschen Regierung
BeendigungVermittlung durch Älteste
Staatliche Integrationsmaßnahmen für Tuareg
Ausbau der Bewässerungslandwirtschaft
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5. Klimawandel als globales Konfliktrisiko?
5.1. “Hot spots” des KlimawandelsÜberlagerung Klimawandel, ungünstige Strukturen,
schwache Institutionen (“schwache Staaten”)
5.2. Überforderung von Strukturen, Institutionen und Kompensationsmechanismen
National – “zerfallende und zerfallene Staaten”
International – Zusammenbruch regionaler und internationaler
Institutionen– Überforderung von Kompensationsspielräumen
5.3. Internationale Konflikte über Verteilung von Kosten Vermeidung von KlimwandelAnpassungsmaßnahmen
5.1. “Hot spots” nach WBGU
5.2. Zonen hoher Gewaltwahrscheinlichkeit nach Smith und Vivekananda (International Alert)
Smith and Vivekananda, International Alert, London 2006
5.3. Internationale Konflikte über Verteilung von Kosten
6. Verharmlosung oder “Versicherheitlichung”?
Anzeichen von VerharmlosungKyoto-Protokoll und NachfolgeverhandlungenVerhandlungen über Anpassungsmaßnahmen,
Kompensationsspielräume
“Versicherheitlichung”Autoritative Bezeichnung eines Problems als
“Sicherheitsproblems” zur Rechtfertigung exzeptioneller Maßnahmen (“Notstand”)
» Anwendung von Gewalt» Aufbau militärischer Kräfte» Abschottung gegen Migration
Anzeichen von VersicherheitlichungÜberzogene Wahrnahme von Klimawandel als
Sichereheitsproblem (im Gegensatz zu Armuts- oder Verteilungsproblem) ?
Klimawandel als Thema für Streitkräfte ?
6. Klimawandelstrategie des britischen Verteidigungsministeriums 2008
MOD Climate Change Vision“Effective delivery of defence capability that is robust to climate change and does not substantially contribute to its causes.”
Elemente:–Beitrag zur nationalen Verteidigung–Beitrag zur Sicherung von Frieden und Stabilität in der Welt–Verminderung des eigenen “Carbon footprint”
7. Zusammenfassung
Hohes Potential für Gewaltkonflikte Lokal („hot spots“)
National („failing states“)
Überlastung regionaler und globaler Institutionen
aber auch
weiter Spielraum für
Minderung der Konfliktintensität durch Minimierung des Klimawandels und Anpassungsmaßnahmen
Stärkung von Mechanismen/Institutionen der Konfliktprävention und des Konfliktmanagements
Zukunftsaussagen vor allem abhängig von Ausmaß des Klimawandels (und seiner Folgen)
Lokaler, nationaler, regionaler und globaler Stabilität 36
6. Bewaffnete Konflite 1946-2007
PRIO/Uppsala data, www.pcr.uppsala.se