"... es ist die wahl des schönsten"

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“...es ist die Wahl des Schönsten“ Naturdarstellungen in der Druckgraphik des 18. Jahrhunderts aus Marburger Universitätssammlungen

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Naturdarstellungen in der Druckgraphik des 18. Jahrhunderts aus Marburger Universitätssammlungen

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“...es ist die Wahldes Schönsten“

Naturdarstellungen in der Druckgraphik des 18. Jahrhundertsaus Marburger Universitätssammlungen

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“...es ist die Wahldes Schönsten“

Naturdarstellungen in der Druckgraphik des 18. Jahrhundertsaus Marburger Universitätssammlungen

Marburger Universitätsmuseumfür Kunst und Kulturgeschichte

14. März bis 2. Mai 2004

Kreis- und Universitätsmuseum HelmstedtDezember 2004 bis Januar 2005

Page 6: "... es ist die Wahl des Schönsten"

4

Herausgeber:Marburger Universitätsmuseum für Kunst und Kulturgeschichte

Ausstellung und Katalog:Michael Buchkremer Imke Harjes Julian Jachmann Esther Meier Ulf Sölter

Organisation:Ulf Sölter

Druck und Bindung:BOXAN, Kassel

Kataloggestaltung/Satz:Meik Plaßmann, Marburg www.signify.de

Typografie:Elegant Garamond

Umschlagmotiv:Carl Wilhelm Kolbe d.Ä.: „Eiche über See mit jungem Mann“ Kat.Nr. 41

© 2004 Herausgeber und AutorenISBN 3-925430-42-3

Alle Rechte, auch diejenigen der Über-setzung, der fototechnischen Wieder-gabe und des auszugsweisen Abdrucks, vorbehalten.

Abbildungsnachweis:Die Bildrechte an den Abbildungen der Kat.Nr. 44-47 liegen bei dem Bildarchiv Foto Marburg. Die Bildrechte an der Illustration auf S. 61 sowie der Kat.Nr. 65-78 liegen bei Heike Heuser, Universitätsbibliothek Marburg.

Impressum

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6 Vorwort

Paul Jürgen Wittstock

7 Einführung

Ulf Sölter

13 DiE LanDschaft in DEr niEDErLänDischEn Druckgraphik DEs 16. unD 17. JahrhunDErts

Ulf Sölter

23 „DiE wahL DEs schönstEn“. EinführEnDEs zur

LanDschaftsDarstELLung im 18. JahrhunDErt

Michael Buchkremer

35 iDyLLE unD arkaDiEn im wErk Von saLomon gEssnEr unD carL wiLhELm koLbE

Imke Harjes

47 „was hat DEr kupfErstEchEr untEr DEn maLErn zu thun?“ Ein strEit um DiE maLErischE nachahmung DEr natur

Esther Meier

59 saLonmikroskopikEr unD kräutErmärtyrEr: naturDarstELLung unD wissEnschaft im 18. JahrhunDErt

Julian Jachmann

71 kataLog

166 künstLErbiographiEn

169 bibLiographiE

InhaltsverzeIchnIs

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In allen Kunstmuseen gibt es einen Sammlungsbereich, der grundsätz-lich nicht in den Ausstellungsräumen der Öffentlichkeit präsentiert wird. Es sind die graphischen Blätter, also Zeichnungen, Kupferstiche, Radierungen, Holzschnitte und ähnliche Kunstwerke, die in Mappen und Sammlungsschränken aufbewahrt sind und nur auf besonderen Wunsch den Interessenten gezeigt werden. Sie sind ja auch nicht zum Zweck der öffentlichen Präsentation entstanden, sondern waren für die Sammlungen privater Kunstliebhaber gedacht, die ihren kostbaren Besitz alleine oder im Kreis guter Freunde betrachten wollten.

Der wesentliche Grund, Graphiken nicht öffentlich auszustellen, ist aber die Empfindlichkeit der Blätter. Allein schon das Licht kann die Blätter beschädigen oder sogar zerstören, wenn es in großer Helligkeit über längere Zeit auf die Graphiken fällt. Dennoch ist es vertretbar, sie unter günstigen Bedingungen zeitlich befristet auszustellen. Die-se Möglichkeit sollte auch hin und wieder genutzt werden, um den Kunstfreunden Einblick in die sonst verborgenen Schätze der Museen zu geben.

Den Anlass, ausgewählte Blätter der Marburger Universitätssamm-lungen unter dem Thema: „es ist die Wahl des Schönsten - Naturdar-stellungen in der Druckgraphik des 18. Jahrhunderts“ zu zeigen, gab das Interesse einer Gruppe von Doktoranden der Kunstgeschichte. Sie haben sich in einem langfristigen Projekt mit druckgraphischen Naturdarstellungen des 18. Jahrhunderts beschäftigt, sowohl mit hero-ischen, idyllischen und idealen Landschaftsdarstellungen wie auch mit botanischen Darstellungen von naturwissenschaftlichem Anspruch.

Damit gehört auch diese Ausstellung zu den vielen Beispielen der er-freulich engen Zusammenarbeit zwischen dem kunstgeschichtlichen Institut und dem Museum der Universität als guten Nachbarn im Ernst-von-Hülsen-Haus.

Marburg, im Januar 2004

Dr. Paul Jürgen WittstockMuseumsdirektor

vorwort

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eInführung

Alle Blätter, die im Rahmen der Ausstellung gezeigt werden, bilden eine thematische Einheit: sie sind Beispiele für Landschaftsdarstel-lung in der Druckgraphik. Da man sich bei der Auswahl der Blätter an dem Bestand des Universitätsmuseums orientiert hat, konnte das Ergebnis freilich keinen lückenlosen Überblick über die Geschichte und Fortentwicklung dieses, von Künstlern wie Kunsthistorikern viel bearbeiteten Sujets sein. Vielmehr wurden die zeitlichen und topographischen Schwerpunkte da gesetzt, wo man in den Graphik-schubern der Sammlung einen geschlossenen, kunstwissenschaftlich bedeutenden Bestand vorfand. Schon bei Durchsicht des summarisch angelegten Bändchens Verzeichnis der Kupferstiche und Radierungen1, das Friedrich von Hahn 1967 für das Universitätsmuseum erstellt hat, wird deutlich, dass es verschiedene Schwerpunkte innerhalb der Sammlung gibt. So wurde zu verschiedenen Bereichen gezielt gesam-melt und ein eindrucksvolles Konvolut an druckgraphischen Werken zusammengetragen. Auffallend ist, insbesondere bei der deutschen Druckgraphik des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, das Interesse am Thema der Landschaftsdarstellung. Bei der Auswahl der Exponate wurden ergänzend zum Bestand des Universitätsmuseums mehrere botanische Buchwerke aus dem Magazin der Universitätsbibliothek Marburg in die Ausstellung miteinbezogen. Diese begegnen dem Thema der Naturdarstellung nicht grundsätzlich von einer dezidiert künstlerischen Position, sondern sind in der Hauptsache einem na-turwissenschaftlichen Interesse verpflichtet. Der Katalog umfasst ne-ben sämtlichen Ausstellungsobjekten fünf verschiedene Beiträge, die sich dem Thema der Landschaftsgraphik mit Blick auf verschiedene Bereiche des Sammlungsbestands des Universitätsmuseums und der Universitätsbibliothek unter jeweils anderer Fragestellung nähern.

Die Landschaft in der Druckgraphik

Die Geschichte der Landschaftsdarstellung in der Druckgraphik ist - wie auch in der Malerei - eine Geschichte der Beurteilung von Land-schaft und deren Verbildlichung. Soll eine möglichst naturgetreue oder eine stilisierte Landschaft dargestellt werden, ist die Darstellung der Landschaft allein als Bildgehalt ausreichend oder bedarf es eines ikono-graphischen Begleitprogramms als Legitimierung? Welche Landschaft ist überhaupt wert, gemalt bzw. gestochen oder radiert zu werden? Die Beiträge im Katalog gehen eben diesen Fragen nach. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass sich das Motiv der Landschaft als Bildthema in der frühen Neuzeit zu emanzipieren begann, jedoch erst im 17. Jahr-hundert konnte es sich als eigenständiges Sujet durchsetzen. Es gab aber auch immer eine Rückbesinnung auf Landschaftsdarstellungen vorangegangener Künstlergenerationen. So haben sich beispielsweise die deutschen Stecher des 18. Jahrhunderts von den Druckgraphiken der rund hundert Jahre vor ihnen lebenden, niederländischen Künst-ler beeinflussen lassen. Einen Überblick über die Anfänge der Land-schaftsgraphik in den Niederlanden und deren Weiterentwicklung soll der erste Beitrag im Katalog liefern. Die Künstler des 16. Jahrhunderts

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waren noch weitestgehend der durch den Antwerpener Maler Joachim Patinier (1485-1524) erstmals abgebildeten „Weltlandschaft“ verpflich-tet. Im 17. Jahrhundert lösten die Künstler der nördlichen Niederlan-de, die in ihren Arbeiten auf realistische Weise vielfach auch heimische Landschaften skizzierten, die Maler und Druckgraphiker der flämi-schen Südprovinzen in ihrer tragenden Rolle für dieses Bildsujet ab.Künstlerische Arbeiten mit Landschaftsdarstellungen sind nicht im-mer nur Abbild der Natur oder eines bestimmten Landschaftstypus, sondern entsprachen in ihrer Ausführung einem bestimmten zeitge-nössischen Kunst- und Landschaftsverständnis, wie der Essay „Die Wahl des Schönsten“. Einführendes zur Landschaftsdarstellung im 18. Jahrhundert belegt.In dem Aufsatz Idylle und Arkadien wird das Werk des Künstlers und Dichters Salomon Gessner (1730-1788) und das des Malers und Ra-dierers Carl Wilhelm Kolbe (1759-1835) hinterfragt. Gessner setzt die in seiner Idyllendichtung literarisch formulierte Vorstellung Arkadiens in seinen Arbeiten bildlich um. Kolbe löst sich von der Stimmung des behaglichen locus amoenus, die Gessners Werke prägen und die ihm lange als Vorbild dienten. Er zeigt (wieder) große Landschaftsaus-schnitte und vermittelt den Eindruck von Naturgewalt.In dem Beitrag „Was hat der Kupferstecher unter den Malern zu thun?“ wird neben der Frage nach dem Wesen des „Malerischen“ und „Kupfer-stecherischen“ auch der grundsätzlichen Frage der Künstlerausbildung nachgegangen. Der Maler Johann Christian Reinhart (1761-1847) lehnte eine Beteiligung des Kupferstechers Wilhelm Friedrich Gme-lin (1760-1820) bei einem größeren Unternehmen, für das „malerisch radierte Prospecte von Italien“ angefertigt wurden, ab. Einer maleri-schen Naturansicht, so Reinhart, war nur die Radierung angemessen, die technisch nicht vollendet sein musste, sondern vielmehr den Geist des Künstlers zum Ausdruck bringen sollte. Das nötige künstlerische Gefühl sprach er dem Kupferstecher ab.Die Ausstellung beschäftigt sich neben den künstlerischen Einzelblät-tern des Universitätsmuseums zudem mit naturwissenschaftlichen Werken aus dem Bestand der Universitätsbibliothek. An Hand der Il-lustrationen dieser Schriften soll das Verhältnis von künstlerischer und wissenschaftlicher Wahrnehmung und Abbildung von Natur beleuch-tet werden. Dieser Frage ist der letzte Essay Salonmikroskopiker und Kräutermärtyrer: Naturdarstellung und Wissenschaft im 18. Jahrhundert gewidmet.

Provenienz der druckgraphischen Sammlung

Die in der Ausstellung zu sehenden Einzelblätter bilden ein thema-tisch und zeitlich zusammengehöriges Konvolut. Jedoch wurden die einzelnen Werke nicht anlässlich einer Ausstellung zusammengetra-gen. Sie zählen in ihrer Gesamtheit zum Graphikbestand des Marbur-ger Universitätsmuseums.2 1964 berichtete der damalige Direktor des Universitätsmuseums, Carl Graepler, über die Herkunft verschiedener Kunstobjekte, insbesondere in Hinblick auf die Schenkungen anläss-

Einführung

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lich der Einweihung des Jubiläumsbaus, dem Ernst-von-Hülsen-Haus, der im Rahmen der Vierhundertjahrfeier der Philipps-Universi-tät 1927 errichtet worden war. Bezugnehmend auf den Graphikbestand schreibt er: „Von den Geschenken [...] war eines der großzügigsten die Übereignung einer mehrere tausend Blatt umfassenden Sammlung von meist deutschen Holzschnitten und vornehmlich deutschen und niederländischen Kupferstichen und Radierungen durch den ehemali-gen Marburger Kunstgeschichtsprofessor Franz Bock“.3 Zweifelsohne wäre die keinesfalls zufällig entstandene inhaltliche Zusammengehö-rigkeit der Sammlung durch das Wirken eines Professors für Kunst-geschichte leicht erklärbar, jedoch gibt es Grund zur Annahme, dass es sich bei der genannten Person nicht um den zutreffenden Stifter handelt. Am 3. März 1928 wurden sämtliche Schenkungen anlässlich der Errichtung des Jubiläumsbaus seitens des Kurators der Universität genehmigt. Akribisch wurden neben großzügigen, mehrere Gemälde umfassende Spenden und kleine Zuwendungen, wie einzelne Druck-graphiken aufgelistet.4 Keine Erwähnung hingegen fand die vermeint-liche Stiftung Bocks. Weder eine Durchsicht der Akten im Staatsarchiv Marburg, die das Universitätsmuseum und das Kunstgeschichtliche Institut betreffen5, noch die Prüfung der Dokumente, die sich in den Räumen des Hülsenhauses befinden, gaben Aufschluss über eine um-fangreiche Stiftung von Druckgraphiken. Recherchearbeiten haben er-geben, dass die Lebensumstände Bocks den Aufbau einer Sammlung in den Jahren zwischen 1913-1927 ohnehin kaum zugelassen haben können.6 Auch ein Ankauf der Sammlung durch das Museum kann ausgeschlossen werden.7 Auf welchem Wege kamen also die Blätter in das Museum, wenn nicht durch die Schenkung Bocks? Nach Aussage des ehemaligen Direktors, der den oben angeführten Text verfasste, stammt die Annahme, dass es sich um die Stiftung des genannten Pro-fessors handelt, von seinem Amtsvorgänger. Der Name Bock wurde mündlich überliefert, und es gab zu keiner Zeit ein Dokument, das die Tradierung stützt. Da der Name Bock aber nicht durch seine Exklu-sivität besticht, wäre es denkbar, dass es unter Umständen eine andere gleichnamige Person gibt, die als Stifter in Frage kommt. Als Dr. Carl Graepler Ende der 1950er Jahre seinen Dienst als Direktor im Univer-sitätsmuseum aufnahm, hatte er den druckgraphischen Bestand seiner neuen Arbeitsstätte nicht etwa in einem eigens dafür eingerichteten Raum und in Graphikschubern aufbewahrt vorgefunden, sondern sämtliche Druckgraphiken ungeschützt übereinanderliegend in einer Truhe im Depot aufgespürt.8 Erst auf seine Initiative hin wurden die Druckgraphiken fachgerecht untergebracht und inventarisiert. Im Zet-telkatalog des Museums werden sie mit dem Vermerk „alter Bestand“ geführt. Wieso aber hat die Sammlung dieses Dasein fristen müssen, in einer Zeit in der man sich anderenorts über den Wert vergleichbarer Blätter im klaren war? Diese Frage führt zurück auf das Rätsel der ungeklärten Provenienz der Sammlung. Das Fehlen einer Schen-kungsurkunde und eines Kaufvertrags, sowie die Nichterwähnung in offiziellen Dokumenten bekräftigen den Verdacht, dass die Sammlung

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im Verborgenen ihren Weg in das Museum gefunden hat und später in Vergessenheit geraten ist. Bocks gibt es freilich viele, Bocks die eine Graphiksammlung stiften können, hingegen nur wenige. Im Jahr 1917 wird der unweit von Marburg liegenden Stadt Gießen eine Gemäldesammlung gestiftet, der wenige Jahre später noch eine weitere folgte. Bei dem Stifter handelt es sich um einen wohlhabenden Zigarrenfabrikanten, der sich als Kunstmäzen bereits einen Namen gemacht hat – Gustav Bock. In einem Band aus dem Jahre 1918, in dem die Gießener Kunstsammlungen aufgeführt werden, finden auch die beiden Schenkungen Bocks Erwähnung.9 Sie umfassen, um dies vorwegzunehmen, keine Druckgraphiken. Insgesamt werden 115 Kunstobjekte aufgeführt. In der Hauptsache handelt es sich um Ölbil-der, es finden sich aber auch eine Reihe Aquarelle, Zeichnungen und Pastelle darunter. Ein vorrangiges Bildsujet kann man nicht bestim-men, ebenso wurde nicht nur aus einem eng umgrenzten Zeitraum gesammelt. Der politische Machtwechsel in Deutschland führte zu einer Neube-urteilung von Kunst, die sich an Kriterien der Verträglichkeit mit dem Hitlerregime orientierte. Obwohl die Bocks noch vor der Machtergrei-fung der Nationalsozialisten vom Judentum zum Christentum konver-tierten, sollte ihr Vermächtnis an die Stadt Gießen nicht unbeschadet bleiben. Unter einem Vorwand ließen die Nazis die Ausstellungsräume leeren und stellten sämtliche Kunstgegenstände schutzlos ins Freie. In einem Zeitungsartikel der nur wenige Jahre nach Kriegsende erschien, wusste man noch zu berichten: „Der politische Machtwechsel führte zunächst zu einer Ausschaltung der Arbeiten von Max Liebermann und später der gesamten Bockschen Stiftungen, da diese von jüdischer Hand stammten. [...] Es ist das große Verdienst des Giessener Univer-sitätsprofessors Dr. Rauch, der von dieser Maßnahme Kenntnis erhielt, dass die auf der Straße abgestellten Werke sofort eingesammelt und sichergestellt wurden.“10 Die geretteten Kunstwerke wurden so gut es ging gelagert. Der Zeitungsartikel verweist aber auch darauf, dass „ein großer Teil der Museumsbestände verlagert und gerettet werden konn-te“. Da der ehemalige Direktor des Marburger Universitätsmuseums mit Rauch, wie auch mit dem damaligen Museumsdirektor der Stadt Gießen, Dr. Krüger, nach eigenen Angaben bekannt war, ist auszu-schließen, dass es sich bei den Marburger Blättern um ausgelagerte Kunst der Giessener Sammlung handelt, da sie zweifelsohne rückge-führt worden wären. Denkbar ist hingegen, dass die Familie Bock auch in Marburg als Kunststifter in Erscheinung getreten ist. Die Umstände deuten jedoch, wenn dem so sein sollte, auf eine inoffizielle und im Verborgenen vorgenommene Stiftung hin. Möglicherweise wurden Schenkungsunterlagen aber auch vernichtet oder sind schlicht verlo-rengegangen. Die tatsächliche Herkunft der Druckgraphiken aus dem „alten Bestand“ kann somit nicht nachweislich bestimmt werden. Die Überlegungen zur Provenienz sollen einen kunstverbundenen Mäzen in Erinnerung rufen. Wenn nicht der Marburger Schenker, so wird an dieser Stelle doch ein verdienter Bock geehrt.

Einführung

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1 Vgl. Hahn 1967.2 Der Gesamtbestand des Universitätsmuseums beläuft sich

auf ca. 5000 Blätter.3 Vgl. Graepler 1964, S. 8. Constans Franz Bock (Herford

1876-1942? Berlin?) wurde im Juni 1909 in Marburg zum Professor ernannt und war in den Jahren 1909-1913 an der Universität beschäftigt. Vgl. Auerbach 1979, Bd. 2, S. 472.

4 Vgl. Staatsarchiv Marburg, Bestand 310, Acc. 1975/42, Nr. 2180.

5 Vgl. Staatsarchiv Marburg, Bestand 307d, Acc. 1966/10, Nr. 8.

6 Bock wurde 1913 als Professor für Kunstgeschichte an die Königliche Akademie in Posen abgezogen. In den Jahren 1917-1919 hat er noch als Rektor fungiert, wurde aber kurze Zeit später vertrieben. Er kam im Anschluß an die damalige TH Berlin, wo er ab 1921 als Professor tätig war. Der Aufbau einer umfangreichen Graphiksammlung ist aus zeitlichen wie auch finanziellen Gründen nicht denk-bar.

7 Auch hier findet sich kein Dokument in den entsprechen-den Archivalien. Eine Durchsicht der Akten des Univer-sitätsbundes, der als Geldgeber für einen Ankauf in Frage kommen könnte, führte zu keinem Ergebnis. Vgl. Staats-archiv Marburg, Bestand 312, No. 65, 66, 90.

8 Ein Graphikraum war stets ein Desiderat des Museums. Erst durch die laufenden Umbaumaßnahmen am Ernst-von-Hülsen-Haus kann die Einrichtung desselben reali-siert werden.

9 Die erste Stiftung ist nach dem Sohn des Fabrikanten benannt, der im ersten Weltkrieg gefallen ist (Dr. Hans Bock-Gedächtnis-Stiftung). Die zweite Stiftung trägt den Namen des Mäzens (Gustav-Bock-Stiftung) Vgl. Sommer 1918?, S. 5-7.

10 Vgl. Gießener Freie Presse vom 06.09.1949, unpaginiert.

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DIe lanDschaft In Der nIeDerlänDIschen DruckgraphIk Des 16. unD 17. JahrhunDerts

Ulf Sölter „Auf seinen Reisen hat er viele Veduten nach der Natur gezeichnet, so dass gesagt wird, er habe, als er in den Alpen war, all die Berge und Felsen verschluckt und sie, nach Hause zurückgekehrt, auf Leinwände und Malbretter wieder ausgespien, so nahe vermochte er in dieser und anderer Beziehung der Natur zu kommen“1

Der Beitrag soll einen Überblick über die Entstehungs- und Ent-wicklungsgeschichte der niederländischen Landschaftsdarstellung in der Druckgraphik des 16. und 17. Jahrhunderts bieten. Die in der Ausstellung gezeigten Radierungen aus dem Besitz des Universitäts-museums, auf die mehrfach verwiesen wird, stehen indes nur für einen Ausschnitt aus der Geschichte der Landschaftsdarstellung: den Beitrag von Künstlern der nördlichen Niederlande im 17. Jahrhundert.

Die flämische Landschaft

Am Anfang des 16. Jahrhunderts setzt mit der „Weltlandschaft“ Joa-chim Patinirs (um 1485-1524) eine neue Bildgattung ein (Abb.1). Der Landschaft wird in seinem Werk erstmals ein eigenständiger und wich-tiger Stellenwert zugebilligt. Heiligenfiguren werden auf den Bildern, die sakrale Themen beinhalten, quantitativ zurückgedrängt, wie auch in ihrer Bedeutung für die Bildkomposition zunehmend als figürliche Staffage behandelt, statt bestimmendes Sujet zu sein.2 Die Land-schaftsbilder sind geprägt durch eine Fülle von Detailbeobachtungen, die zu einem komplexen Bildgefüge verschmelzen: Die Verbindung von Gebirge und Ebene, Fluss und Meer, von Küste und Landesinne-rem, kultivierten Feldern und ungebändigter Wildnis entsprechen in ihrer Gesamtheit einem „enzyklopädischen Abbild der Welt.“3 Gleich-wohl bestimmte nicht der ästhetische Blick auf die Natur den Beginn der Landschaftsschilderung in Patinirs Kunst. Die Weltlandschaft ist vielmehr Metapher für eine Natur, deren Vielgestaltigkeit von göttli-cher Ordnung zusammengehalten wird und dadurch wieder zu einer Einheit verschmilzt.4 Der Typus der Weltlandschaft wird in abge-wandelter Form auch in den Arbeiten holländischer Künstler des 17. Jahrhunderts erneut aufgegriffen. Jacob van Ruisdael (1628/29-1682) entspricht mit seinen Haarlembildern eben diesem Vorbild. Die von ihm in der Ausstellung zu sehenden Blätter können jedoch nicht mit den Weltlandschaften in Zusammenhang gebracht werden. Sie gehen aus einer Schaffensperiode der frühen 1650er Jahre hervor, in welcher der Künstler einen pathetischen Landschaftsstil entwickelt, der durch große Formen von sterbenden, urwüchsigen Baumriesen (Kat.Nr. 10, 11), Ruinen und Bergschlössern geprägt ist.Es ist naheliegend, die Entstehung der Weltlandschaft auch mit dem Aufblühen des Welthandels und der Eroberung Amerikas im 16. Jahr-hundert in Zusammenhang zu bringen. Die Stadt Antwerpen war ein Zentrum des Fernhandels, und es wurden hier Waren aus aller Welt umgeschlagen. Es scheint fast undenkbar, dass sich die Weltsicht angesichts einer derartigen Öffnung nicht auch in den Bildern der Zeit erkennen lässt. Gleichwohl findet sich in den Arbeiten kaum ein

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Die Landschaft in der niederländischen Druckgraphik

konkreter Rückgriff auf topographi-sche Gegebenheiten, fremdländische Architektur oder die einheimische Bevölkerung der Überseeländer.5

In der Tradition der Weltlandschaf-ten Patinirs stehen auch die Zeich-nungen des Miniaturmalers Hans Bol (1534-1593), dessen Landschaf-ten ein Weltganzes zeigen, das auf die göttliche Schöpfung verweist. Bol war einer von vielen Künstlern, die auf der Flucht vor den spani-schen Invasoren waren. Nach einem Aufenthalt in Antwerpen gelangte er schließlich nach Amsterdam. Sein Lebensweg steht paradigmatisch für eine ganze Künstlergeneration. Bekannt ist er auch wegen seiner

Veduten von flämischen wie holländischen Städten.Pieter Bruegel d.Ä. (1526/1530-1569), dem lange Zeit der Stempel des Bauernbruegel aufgedrückt wurde, konnte in seinem Schaffen die vorgegebene Weltlandschaft überwinden. Seine Bilder, deren Ikono-graphie in der jüngsten Forschung mit christlicher Exegese in Zusam-menhang gebracht wird,6 portraitieren die Natur mit ihren zahlreichen Facetten. Eines seiner bekannten Jahreszeitenbilder schildert beispiels-weise auf überzeugende Art die frostige Atmosphäre eines klirrend-kalten Wintertages. Die Werke zeigen aber keinesfalls real existierende Landschaften – die Bildkomposition folgt der implizierten Aussage. Seine Weltlandschaften unterscheiden sich auch in dem Punkt von den Bildern Patinirs, den das Eingangszitat zu diesem Essay ver-deutlicht: Bruegel verarbeitet in seinen Bildern die Eindrücke seiner Italienreise. Sind seine Alpenpanoramen nach heutigen Maßstäben nicht realistisch zu nennen, so zeichnen sie sich dennoch durch einen hohen Wirklichkeitsgrad aus. Patinirs Gebirgsdarstellungen wirken vielfach wie vergrößerte Steine. Bei Bruegel jedoch wird deutlich, dass der Künstler die Berge selbst gesehen hat. Seit etwa 1580 erfolgte auf breiter Basis die Hinwendung der flämi-schen Malerei zu einem anderen Typus in der Landschaftsdarstellung: dem Waldinterieur. Der Künstler Gillis van Coninxloo (1544-1607), der mit seinen Werken die Abkehr von der Weltlandschaft hin zur schlich-ten Darstellung einer Waldlandschaft repräsentiert, gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Übergangszeit in der niederländischen Land-schaftsdarstellung. In seinen Bildern lässt sich die Abkehr von dem von Patinier hervorgebrachten Bildtypus beispielhaft nachvollziehen: An die Stelle einer phantastischen, aus Felsen und Bergen konstruierten Landschaft tritt mit der Zeit eine schlichtere Form der Landschaftsdar-stellung, die auf Grundlage der Beobachtung der heimischen Natur entsteht. Darüber hinaus verschwindet der kulissenartige Aufbau der

Abb. 1 Joachim Patinier, Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, um 1520, Öl auf Eichenholz, 62 x 78 cm, Gemäldegalerie Berlin

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Abb. 2 Gillis van Coninxloo, Waldlandschaft, 1598. Öl auf Holz, 44 x 63 cm, Sammlung des Fürsten von Lichtenstein Vaduz

Weltlandschaften in seinen Bildern zugunsten eines sich gleichmäßig von vorn nach hinten entwickelnden Bildaufbaus. Schließlich kann man beobachten, dass der Blickpunkt des Betrachters, der zuvor sehr hoch angenommen wurde, immer tiefer gesetzt wird (Abb. 2).Seit etwa 1620 wird die Entwicklung der Landschaftsdarstellung maßgeblich von den Künstlern der nördlichen Niederlande vorange-trieben. Jedoch erlebte die Stadt Antwerpen mit Künstlern wie Peter Paul Rubens (1577-1640), Jacob Jordaens (1593-1678) und Anthonis van Dyck (1599-1641) in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts einen weiteren künstlerischen Höhepunkt.

Die Landschaftsdarstellung in den nördlichen Niederlanden

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ist ein entscheidender Wandel in der Landschaftsdarstellung zu beobachten: Gemalte, imaginäre (Welt-) Landschaften, die den Weg für die neue Bildgattung freimachten, werden zugunsten künstlerischer Arbeiten aufgegeben, in denen rea-listische Elemente überwiegen. Diese Veränderung wird u.a. mit den zeitgeschichtlichen, vor allem den machtpolitischen, Begebenheiten in Zusammenhang gebracht. Durch die Loslösung der nördlichen Provinzen von den wallonischen und flämischen Südprovinzen, die von den Spaniern besetzt wurden, entwickelten sich Wirtschaft und Seehandel in den Niederlanden, nach dem Vertrag über den Waffenstillstand von 1609, zu voller Blü-

te.7 Amsterdam erlebt zu dieser Zeit einen bedeutenden Aufschwung, wie er zuvor im 16. Jahrhundert Antwer-pen beschieden war, das nun seine Vormachtstellung an die nordnieder-ländische Metropole abtreten muss. Das erstarkte und behauptete Nati-onalgefühl bewegte die Künstler der nördlichen Niederlande dazu, ihren Blick auf die heimatliche Landschaft zu richten und sie in ihren Werken, gewissermaßen auch als Zeichen der Verbundenheit, zu reflektieren.8 Bemerkenswert ist, wie viel Raum unfruchtbare Gegenden in der Ikonographie der niederländischen Landschaftsgraphik und Malerei

einnehmen und wie selten zum Beispiel Ansichten der neugewonne-nen Polderlandschaften und der Industrieanlagen an dem Fluss Zaan, also die wirtschaftlich florierenden Orte gezeigt werden.9 Diese Beob-achtung lässt sich wohl mit dem Faktum in Zusammenhang bringen, dass die Landschaftsdarstellung zumeist den Blick eines Städters in den Naturraum wiedergab. Schon im vorangegangenen Jahrhundert waren es die Künstler aus Städten wie Antwerpen, die ihre Eindrücke bildlich festhielten. Im 17. Jahrhundert sind es Künstler aus Haarlem

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und Amsterdam, welche die vielfach kargen Gegenden den bewegte-ren und nach dem Geschmack der Landbevölkerung vielleicht inter-essanteren, vorzogen.Die Beliebtheit profaner Bildgattungen wie der Landschaft in Gra-phik und Malerei in den nördlichen Niederlanden des 17. Jahrhun-derts ist auch vor dem Hintergrund eines fast vollständigen Wegfalls kirchlicher Aufträge nach der Reformation, wie auch als Folge der Entstehung breiter bürgerlicher Käuferschichten zu sehen.10 Die calvi-nistische Lehre beinhaltet jedoch nicht die grundsätzliche Entsagung von Bildern. Calvins Beitrag war der bildenden Kunst auch förderlich, „insofern er nachdrücklich betonte, dass die Welt an sich nicht verdor-ben und verwerflich sei [...] und als solche verdiene sie es, mit aller Aufmerksamkeit untersucht zu werden.“11 Für überzeugte Calvinisten wie den Verleger Claesz. Jansz. Visscher und seine Glaubensgenossen unter den Künstlern entsprach „das genaue Studium und die Dar-stellung der Erde in allen ihren Aspekten – sei es nun ein Plan, ein Stadtportrait, ein Historiengemälde oder eine Serie mit Trachtendar-stellungen – einem unzweifelhaft frommen Zweck.“12

Ein weiterer Grund für das verstärkte Aufkommen einer realistisch nachempfundenen Landschaftskunst wird auch in der motivischen Entsprechung der Werke mit der unverzierten und zielgerichteten Di-rektheit des Wesens der neuen Käuferschaft, der rational und nüchtern denkenden Gesellschaftsschicht der Kaufleute und Bürger, gesehen. Diese fanden wenig Gefallen an einer spielerischen und verschnörkel-ten Bildgestaltung.13

Es stellt sich in Bezug auf die niederländische Landschaftsdarstel-lung im 17. Jahrhundert die vieldiskutierte und zentrale Frage, ob der Bildbetrachter tatsächlich einen realistischen Naturraum vorgeführt bekommt oder nicht. In der Forschung wird mittlerweile fast durch-gehend davon ausgegangen, dass die Maler des goldenen Zeitalters nichts anderes getan haben, „als Teile der Wirklichkeit im Interesse einer neu geschaffenen Scheinwirklichkeit zu kombinieren und eigen-ständig zu bearbeiten.“14 Es besteht derweil kein Zweifel, dass jeder Künstler und jede Künstlergruppierung anderen Einflüssen unterlag und sich dadurch jeweils ein ganz individueller Blick auf den verbild-lichten Naturraum ergab.Überlegungen zur Landschaftsgraphik und der damit verbundenen Frage nach deren Authentizität beschäftigen nicht nur die heutige Kunstwissenschaft, sondern wurden auch von zeitgenössischen The-oretikern besprochen. Im seinem 1604 erschienenen Lehrgedicht Den Grondt der edel vry Schilder-Const lieferte Karel van Mander in einem eigens der Darstellung der Landschaft gewidmeten Kapitel den jun-gen Malern, an die sich sein Buch vor allem richtet, eine Anleitung zum Erstellen eines Landschaftsbildes. Beginnend mit dem Anraten des frühen Aufstehens, um die lohnende Reise in die ländliche Ge-gend möglichst früh antreten zu können, zählt er im folgenden eine ganze Reihe grundlegender, bildkompositorischer Vorgaben auf, die bei der Herstellung eines Landschaftsbildes befolgt werden sollen:

Die Landschaft in der niederländischen Druckgraphik

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die Beachtung des Horizonts im Bild, auf den das Auge des Betrach-ters gerichtet ist;15 die Einhaltung der Luft- oder Farbenperspektive, welche die richtige Abnahme der Farbenstärke zum Hintergrund be-schreibt;16 der Bildvordergrund muss, mit Rücksicht auf die Wirkung der Luftperspektive, kräftig angelegt sein. Bäume sollten das Bild, im Sinne eines Repoussoirmotivs, rahmen, Häuser hingegen an dieser Stelle nicht gezeigt werden, da die Anordnung schwermütig wirken würde;17 Tiefenwirkung soll der Maler durch das behutsame Verbin-den der Malgründe erreichen – eine zu aufdringliche Gestaltung der Perspektive soll vermieden werden.18 Darüber hinaus geht van Mander in seinem Traktat auf viele Detailfragen ein, wie beispielsweise die richtige Baumform und das dazugehörige Kolorit.19

In seinen Ausführungen nimmt der Niederländer deutlich erkenn-bar Bezug auf die Schriften der italienischen Maler und Theoretiker Giovanni Paolo Lomazzo (1538-1600) und Leonardo da Vinci (1452-1519), in denen sie ihre Überlegungen zur Landschaftsdarstellung festhielten.20

Von den älteren niederländischen Malern lobt van Mander die Werke Bruegels, dem man, so der Autor des Grondt, „was die Landschaft an-betrifft, die Palme reichen darf.“21 Von den gegenwärtigen Künstlern entspricht die Malweise Gillis van Coninxloos, der wie oben gezeigt, eine wichtige Rolle bei der Lossagung von dem Bildmotiv der Welt-landschaft einnimmt, dem Landschaftsideal des Theoretikers.22 Der Text des Niederländers ist gleichwohl mehr als nur eine Unterweisung für die folgende Künstlergeneration. Darüber hinaus ist er als eine umfassende theoretische Abhandlung über die Kunst zu verstehen, die sich „auf höchstem theoretischen und literarischen Niveau bewegt“.23 So steht van Manders ganzes Traktat unterschwellig zum einen für den Wettstreit niederländischer Künstler mit den italienischen und zum anderen für einen Wettstreit mit dem italienischen Künstlerbiographen Giorgio Vasari (1511-1574). In der jüngsten Forschung wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Landschaft, trotz des eigenen Kapitels im Grondt, für den Autor nur Beiwerk war.24 Die Einbettung des Absat-zes in eine Abfolge von Beiträgen zu Teilbereichen der Malerei, wie der Darstellung der Affekte oder der Reflexion und der Spiegelung bzw. über wilde und zahme Tiere sowie Vögel, verdeutlicht die Bedeutung und Zugehörigkeit der Landschaftsdarstellung für van Mander.Malt oder radiert ein Künstler eine Landschaft, so stellt sich die Frage, was auf dem Bild tatsächlich dargestellt wird. Es war wiederum van Mander, der in seinem Lehrgedicht die begriffliche Unterscheidung zwischen einer Kunst naer het leven (nach der Natur) und einer Kunst uyt den gheest (aus dem Geist) eingeführt hat. Verschiedene Künstler der Zeit fügten ihren druckgraphischen Arbeiten im Untertitel oder auf Titelblättern den Zusatz naer het leven hinzu, um den Anspruch auf topographische Authentizität zu betonen.25 David Freedberg hält jedoch fest, dass seit Ende der 1610er Jahre die Landschaftsdarstellung zunehmend realistischer wird und spricht der Angabe ihre wortwört-liche Bedeutung ab: „The phrase naer het leven implies that the work

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gives the impression of being lifelike, and that natural phenomena are depicted as if drawn from life.“26 Damit rücken die beiden von van Mander herausgestellten Gegensätze nahe aneinander. Meint doch die Bezeichnung uyt den gheest nicht etwa die Verbildlichung einer reinen Phantasielandschaft, sondern vielmehr die künstlerische Freiheit bei kompositionellen Änderungen und dem Einsatz von Staf-fagefiguren.27 Wie die Ausführungen van Manders zum Bildaufbau einer Landschaftsdarstellung, gehen auch diese Unterscheidungen auf die Überlegungen anderer Kunsttheoretiker zurück. So wurde in der Renaissance zwischen zwei künstlerischen Leistungen unterschieden: der imitatio, der Nachahmung der Natur und der inventio, der kreati-ven Neuerfindung. Die imitatio bezeichnet aber, so die Anschauung zeitbestimmender Künstler wie Michelangelo Buonarotti (1475-1564) und Leonardo da Vinci, nicht nur die einfache Abbildung der Natur, sondern vielmehr die nachgeahmte Wirkung derselben. Giorgio Vasari knüpfte in seinen Schriften an diese Überlegungen an. Der Niederlän-der van Mander hingegen, der stark von Vasari beeinflusst war, vertrat eine andere Position. Für ihn ist der Künstler ein ,Nachäffer der Na-tur‘, wobei sein ,Nachahmen‘ nicht so sehr das Imitieren der Natur in ihrer schöpferischen und formgebenden Funktion bedeutet, sondern vielmehr die getreue Wiedergabe der sichtbaren Welt. In den eigenen Bildern des Autors wird jedoch sichtbar, dass er in vielerlei Hinsicht ein aufrichtiger Anhänger der von den italienischen Denkern der Spät-renaissance vertretenen Auffassung ist, dass der Künstler die Natur in Teilen nachahmt, aber seine eigene Erfindungsgabe die Qualität des Kunstwerks in hohem Maße bestimmt.28

Es waren nicht nur die Theorien zur Landschaftsdarstellung, welche Künstler und Denker in den Ländern nördlich der Alpen faszinierten. Schon im frühen 16. Jahrhundert wurde Italien von wissensdurstigen, jungen Studenten aus England, Frankreich, Deutschland und anderen Nationen besucht. Diese hatten jedoch wenig Interesse an den land-schaftlichen Eindrücken um sie herum, sondern konzentrierten sich auf das Erlernen der Wissenschaften, die an ihren heimischen Univer-sitäten nicht gelehrt wurden. Mit der Zeit wuchs auch die Begeisterung niederländischer Künstler für die mediterranen Gegenden, die historischen Monumente des klassischen Altertums, das Leben der Landbevölkerung in der Cam-pagna und die Stadt Rom.29 Die wiederentdeckten Exempel antiker Kunst übten einen besonderen Reiz auf die jungen Kunstschaffenden aus – vor allem faszinierten sie die Ruinen, als Sinnbilder des Mor-biden. Von der archäologischen Studienreise vollzog sich schließlich ein Umdenken: Die folgenden Generationen der Italienreisenden be-trachteten die Baudenkmäler zumeist nur mehr als Beiwerk, das zum Stimmungsgehalt ihrer arkadischen Landschaften beitrug. Um 1600 hatte sich eine Gruppe niederländischer Künstler, die fiamminghi, in Rom niedergelassen. Sie sicherten sich ihre Existenz durch den Ver-kauf kleinerer Gemälde und Graphiken mit Genreszenen und Land-schaftsdarstellungen. Einer der wohl bekanntesten der Italianisanten,

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einer Gemeinschaft der nicht nur Holländer und Flamen, sondern auch Deutsche und Franzosen angehörten, war Claude Lorrain (1600-1682), der sich mit Herman van Swanevelt (um 1600–1655) in Rom eine Wohnung teilte. Ihre Bilder zeigen jedoch nur bedingt die italie-nische Landschaft ihrer Gegenwart. Insbesondere der Franzose gilt als der Schöpfer und zugleich als der Vollender eines neuen Bildtypus’: der lyrisch-romantischen Ideallandschaft, die als leuchtendes Vorbild weithin stilbildend wirkte (Abb. 3).30

Die in der Ausstellung zu sehenden Blätter Swanevelts (vgl. Kat.Nr. 12-15) stehen denen Lorrains, die mit Vorliebe mittelitalienische Landschaften zeigen, in die er Tempel, Ruinen wie auch prächtige Bäume arrangierte, sehr nahe. Lorrains künstlerisches Oeuvre erfreute sich auch im 18. und 19. Jahrhundert größter Beliebtheit und war viel-fach auch den deutschen Künstlern dieser Zeit bekannt.31

Die italianisierende Landschaftsdarstellung ging zeitlich einer weite-ren Bildgattung voraus, der sogenannten „Bambocciade“, einer itali-anisierenden Genremalerei. Beide Bildtypen wurden in Italien von nordischen Künstlern entwickelt und fanden nach deren Rückkehr in die Heimat Verbreitung und Nachfolge. Der wohl bekannteste der „Bamboccianti“ ist Pieter van Laer (1599-1642?), der auch den Spitz-namen „Bamboccio“32 trug, welcher ihm aufgrund seiner verkrüppel-ten Gestalt gegeben wurde.33 Dieser Spottname wurde schließlich auf die gesamte Bildgattung übertragen. In den späten 1620er Jahren kam van Laer nach Rom. In seinen Werken aus dieser Zeit lässt sich, wie bei anderen Anhängern der „Bambocciade“ auch, beobachten, wie die Ruinenlandschaften allmählich Dorflandschaften weichen, die Dar-stellung berühmter römischer Plätze durch dörfliche Szenerien ersetzt wird, und die Figuren in den Bildern dominanter und zahlreicher wer-den.34 Die wesentliche Neuerung im Werk der „Bamboccianti“ stellt die Ergänzung des idealisierten und zeitlosen Italienbildes, das von den italianisierenden Landschaftsmalern hervorgebracht wurde, um ein mit Geschichtsbewusstsein und innerem, zum Teil kritischem und ironischem Abstand entworfenes zeitgenössisches Italienbild dar.35

Viele der Künstler die sich während ihres Italienaufenthalts intensiv der südlichen Themen angenommen hatten, ließen auch nach ihrer Rückkehr in den heimatlichen Norden nicht von der angeeigneten Malweise ab. Sie besetzten schließlich als Maler für Italianità ein Fachgebiet.36 Ein Maler wie Allart van Everdingen (1621-1675), der an Stelle der arkadischen Landschaften Italiens Erfahrungen und Eindrücke auf seiner Reise nach Skandinavien sammelte und diese in seinen Bildern festhielt, bildet eine Ausnahme unter den niederländi-schen Künstlern (vgl. Kat.Nr. 7-9).Den Bogen zu den Weltlandschaften Patiniers zurück schlägt im ausgehenden 17. Jahrhundert das Werk von Jacob Isaackszoon van Ruisdael. Der offenkundige Symbolgehalt seiner Bilder (vgl. Kat.Nr. 10, 11) knüpft an die Metaphorik in den Landschaften des flämischen Künstlers des vorangegangenen Jahrhunderts an.

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Abb. 3 Claude Lorrain, Idyllische Landschaft, 1670. Öl auf Leinwand, 72 x 96 cm, Alte Pinakothek München

Künstlerische Techniken – Druckgraphik und Malerei

Grundsätzliche motivische Überlegungen zur Landschaftsdarstellung in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts betreffen sowohl die Malerei wie auch die graphischen Künste. Jede künstlerische Technik eröffnet gleichwohl neue Möglichkeiten, sowohl in Bezug auf die Darstellung des Bildsujets, als auch hinsichtlich der Rezeption eines Kunstobjekts. Kupferstiche und Radierungen unterschieden sich insbesondere dadurch von Gemälden, dass sie keine Farben wiederzu-geben vermochten37 und sich auf die Linie als Gestaltungsmittel be-

schränken mussten. Die Radierung hat schließlich die Technik des Kup-ferstichs in der ersten Dekade des 17. Jahrhunderts als wichtigstes Medium für die Landschaftsdarstellung in der Druckgraphik abgelöst – die Radier-nadel ermöglichte eine Loslösung von der streng linearen Handhabung des Grabstichels hin zu einer freien und zeichnerischen Bearbeitung der Druckplatte, die der Unmittelbarkeit des Ausdrucks zugute kam.38 Bei der Erstellung einer Druckplatte für den Kupferstich musste der Künstler mit starker und geübter Hand Linie für Linie aus dem Metall hinausschnei-den. Die Radierung hingegen, die auf einem chemischen Verfahren beruht, ermöglichte ihm, seine

Zeichnung mit einem einer Schreibfeder ähnlichem Werkzeug auf den sogenannten Ätzgrund aufzubringen. Das Bild wurde schließlich durch ein anschließendes Säurebad der Druckplatte auf dem Metall sichtbar gemacht. Im späten 17. Jahrhundert experimentierten Künst-ler wie Allart van Everdingen mit arbeitsintensiven Techniken, die der der Schabkunst ähnlich sind. Ziel seiner Versuche war es, Tonalität erzeugen zu können. Die Druckgraphik unterscheidet sich generell von der Malerei durch das anvisierte Zielpublikum. Die zumeist günstigen, weil in hoher Auflage gedruckten Blätter erreichten einen größeren und breit gefä-cherten Interessentenkreis. Gemälde waren zwar oft vergleichsweise günstig und fanden sich in Haushalten von Geschäftsleuten wie auch bei Handwerkern. Druckgraphiken jedoch waren noch deutlich nied-riger im Preis und wurden deshalb sowohl von den wenig bemittelten, als auch von den wohlhabendsten Bürgern gekauft.39 Aufgrund der großen Verbreitung spielen Druckgraphiken auch eine wesentliche Rolle hinsichtlich ihres Informationsgehalts.40 Es wäre jedoch falsch zu behaupten, dass alle niederländischen Künstler nur deshalb die druck-graphischen Techniken erlernten, um ihre Blätter auf dem Markt im großen Stil vertreiben zu können, und dass der Informationsgehalt der

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Blätter höher einzustufen ist als deren künstlerischer Wert. Namhafte Künstler wie Rembrandt (1606-1669) und Hercules Seghers (1589/1590-1638) arbeiteten bewusst mit der Ästhetik der bloßen Linie. Ihr Ziel war es aber nicht, eine hohe Anzahl gleichartiger und identischer Blätter zu erstellen. Die Effekte, die sie in ihren Kaltnadelradierun-gen durch den fragilen, hochstehenden Metallgrat erreichten, waren schon nach wenigen Abzügen nicht mehr erkennbar.41 Somit stand ein kommerzielles Interesse bei der Wahl der Technik nicht notwendig im Vordergrund. Die Druckgraphik unterschied sich von der Malerei auch darin, dass die Blätter vielfach nicht als Einzelobjekt verkauft wurden, sondern in Form von Serien, Zyklen oder Folgen.42 Freilich können die Einzel-blätter, die beispielsweise einer mehrteiligen Serie von Landschaften zuzuordnen sind, auch allein stehen, ohne dass der Bildsinn verloren geht (Vgl. Kat.Nr. 12, 13). Eine Folge, welche die Schöpfungsge-schichte Blatt für Blatt erzählt, ist vergleichsweise mehr auf die Voll-ständigkeit der zugehörigen Arbeiten angewiesen, da der verbildlichte Erzählfluss unterbrochen wird. Das Einzelblatt erschließt nicht die ganze biblische Geschichte. Es wäre jedoch falsch zu glauben, dass die Landschaftsserien beliebig zusammengestellt wurden. Sie nehmen in ihrer Abfolge Bezug auf die zeitgenössischen literarischen Vorga-ben, die den Gang durch die heimischen Landschaften, auch auf der Grundlage des erstarkten Nationalgefühls, zu einem wichtigen Ge-genstand ihres Schaffens machten. Das Betrachten einer mehrteiligen Landschaftsserie kann somit auch im Lichte eines Spaziergangs durch vertraute Regionen gesehen werden.43 Der Amsterdamer Künstler und Verleger Claes Jansz. Visscher (1587-1652) betitelte eine von ihm nach 1611 herausgegebene Serie von Landschaftsgraphiken mit einer Überschrift, die sehr prägnant das Zielpublikum anspricht und die Funktion der Blätter umreißt: „Verschiedene Ansichten von Dörfern und Wegen stets anmutig kannst Du hier erkennen, wenn Du Freude hast; sättige Deine Augen an diesen flachen Tafeln, in denen Haarlem seine waldige Umgebung anbietet. Hübsche Gegenden, hier könnt Ihr sie geschwind anschauen, Ihr Liebhaber, die Ihr keine Zeit habt weit zu reisen, sie liegen vor der vergnüglichen Stadt Haarlem, kauft sie ohne lange zu zögern.“44

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1 Es handelt sich hier um einen Auszug der Lebensbeschrei-bung Pieter Bruegels d.Ä. aus der deutschen Übersetzung der Künstlervitensammlung Carel van Manders (1548-1606), dem Schilder-Boeck, aus dem Jahr 1604 (die zweite, umfangreichere Auflage erschien 1617). Vgl. Van Mander/Floerke 1906, Bd. 1, S. 255-257.

2 Ausführlich zur Rolle Patinirs in Bezug auf die Emanzipa-tion der Landschaftsmalerei vgl. Zinke 1977.

3 Vgl. Ausst.Kat. Reutlingen/Ulm 1999, S. 47.4 Ausst.Kat. Reutlingen/Ulm 1999, S. 47.5 Vgl. Larsson 1996, S. 9f.6 Vgl. hierzu insbesondere Müller 1999. 7 Eine ausführliche Darstellung der Geschichte der Nieder-

lande in Bezug auf die Landschaftsdarstellung findet sich bei Bakker 1995, S. 9ff.

8 Die o.a. Einschätzung der Wirkung der politischen Ver-änderungen auf die Kunst wird von verschiedener Seite gestützt. Vgl. Freedberg 1980, S. 9.

9 Vgl. Larsson 1996, S. 12.10 Larsson 1996, S. 12.11 Vgl. Bakker 1995, S. 17.12 Bakker 1995, S. 17.13 Vgl. Ausst.Kat. Reutlingen/Ulm 1999, S. 61.14 Vgl. Bakker 1995, S. 8.15 Vgl. Van Mander/Hoecker 1916, S. 201f.16 Van Mander/Hoecker 1916, S. 201f.17 Van Mander/Hoecker 1916, S. 205f.18 Van Mander/Hoecker 1916, S. 207.19 Van Mander/Hoecker 1916, S. 209ff.20 Van Mander orientiert sich an folgenden Schriften der

beiden Italiener, die auch das Bildmotiv der Landschaft behandeln: Giovanni Paolo Lomazzos Trattato dell‘arte della Pittura, Scultura ed Architettura diviso in sette libri, das 1584 erstmals in Mailand erschien und Leonardo da Vincis bekanntes Werk, dem Trattato della Pittura (ca. 1480-1516).

21 Vgl. Van Mander/Hoecker 1916, S. 205.22 Van Mander/Hoecker 1916, S. 342.23 Vgl. Busch 1997, S. 117.24 Busch 1997, S. 117.25 Vgl. Ausst.Kat. Kiel 1996, S. 68.26 Vgl. auch die folgenden Ausführungen bei Freedberg 1980,

S. 10f.27 Vgl. Ausst.Kat. Kiel 1996, S. 68.28 Vgl. Bakker 1995, S. 16.29 Schon um 1550 erschien in den Niederlanden die ers-

te Graphikserie, die ausschließlich Landschaftsmotive zeigte. Es handelte sich dabei um zahlreiche Drucke mit römischen Ruinen, die vermutlich von dem wohl bedeu-tendsten Antwerpener Verleger der Zeit, Hieronymus Cock (1510-1570), verlegt wurden. Wie der Titel verrät, waren die Blätter für Künstler bestimmt, die den Süden noch nicht bereist hatten oder bereisen konnten: „typographicae adumbrationes, in publicum pictorum usum a Hieronimo Cock delineatae (Skizzen, von Hieronymus Cock gezeich-net und zum öffentlichen Nutzen der Maler in den Druck gegeben)“ Vgl. Bakker 1995, S. 13.

30 Vgl. Schälicke 1982, S. 22.31 Als Nachweis seiner bekanntesten Gemälde vereinigte

Lorrain fast 200 seiner Federzeichnungen und Pinsel-skizzen zu einem Konvolut, das, in Mezzotinto-Technik übertragen, im Jahr 1777 publiziert wurde. Die Nachfrage war so groß, dass im 19. Jahrhundert eine zweite Auflage gedruckt wurde.

32 Übersetzungen in das Deutsche, die der italienischen Bedeutung nahe kommen, wären „Tolpatsch“ oder „einfäl-tige Person“.

33 Vgl. Janeck 1968, S. 66.34 Vgl. Repp-Eckert 1991, S. 65.35 Repp-Eckert 1991, S. 66.36 Vgl. Ausst.Kat. Reutlingen/Ulm 1999, S. 95.37 Hercules Seghers (1589-1633/38) experimentierte mit

verschiedenen Techniken des Farbdrucks. Die Verfahren setzten sich jedoch nicht durch. Vgl. Koschatzky 1997, S. 138f.

38 Zur Bedeutung der gewählten künstlerischen Technik und der damit verbundenen Freiheit der Gestaltung bei den deutschen Künstlern des 18. Jahrhunderts vgl. den Aufsatz von Esther Meier in diesem Katalog.

39 Vgl. Freedberg 1980, S. 19.40 Vgl. hierzu auch Ivins 1978. 41 Die Kaltnadeltechnik zeichnet sich durch das seitliche

Verdrängen des Metalls aus, statt wie bei Kupferstich und Radierung die Tiefe durch Ausgraben und Wegätzen zu erreichen. Unter dem entstandenen feinen Metallgrat sammelt sich die später aufgetragene Druckerschwärze, die sich auf dem Abzug als unscharfer, einem Kreidestrich gleichenden Strich ausnimmt. Vgl. Koschatzky 1997, S. 107f.

42 Zur Differenzierung der Bezeichnungen vgl. Hans-Martin Kaulbach: Allegorische Graphikserien. In: Stuttgart 1997, S. 13f.

43 Freedberg führt die literarischen Quellen in Teilen auf. Vgl. Freedberg 1980, S. 15 ff.

44 Zitiert nach Ausst.Kat. Kiel 1996, S. 79. Zur Rolle der Ver-leger bei der Verbreitung von holländischer Landschafts-graphik vgl. Orenstein 1995, S. 36ff.

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„Viele Landschaften machen uns außerordentlich Vergnügen“

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts galt die Landschaft innerhalb der Gattungstheorie eher wenig. Sie musste ihren Platz im unteren Rang, zusammen mit dem Stilleben einnehmen. Landschaften zählten zum petit genre, das der Gemütsergötzung und der Zerstreuung diente. Höchstes Ansehen genossen dagegen mythologische, historische und religiöse Sujets. Die Landschaft wurde hier oft als Hintergrund für die Szenenschilderung eingesetzt. Dennoch waren reine Landschaftsbil-der bei Auftraggebern und Käufern beliebt: Fürsten bestellten Bilder von ihren Ländereien, Residenzen und Gartenanlagen, gleichsam als Besitznachweis. Viele Adlige ließen sich ihre Speisesäle mit Land-schaftsmotiven ausmalen, um sich so der Illusion hingeben zu kön-nen, man speise in der freien Natur. Womöglich war das Tafelgeschirr ebenfalls mit Landschaftsbildern bemalt.1 So schmückte beispielsweise der Maler Pascha Weitsch (1723-1802) ein Tafelservice für den Herzog Carl I. von Braunschweig mit unterschiedlichen Landschaftsmotiven aus dessen Herzogtum. Zur Freude am Dekor gesellt sich für die Herrscherfamilie so die Zufriedenheit über die Vielfalt der eigenen Besitztümer, die man betrachten konnte, ohne sich die Schuhe zu beschmutzen. Die Bequemlichkeit, sich die Landschaft ins Haus zu holen, anstatt dieses zu verlassen und in die Natur selbst zu gehen, galt stets als ein Vorzug des Landschaftsbildes, wie ihn auch einer der be-deutendsten Kunsttheoretiker des 18. Jahrhunderts, Gérard de Laire-sse, in seinem Werk Het groot Schilderboek von 1707 formuliert: „Was kann einem Menschen mehr angenehm seyn, als wenn er, ohne einen Fuß aus seinem Zimmer zu setzen, die gantze Welt durchwandert [...], sonder in die geringste Gefahr zu gerathen, auch von der Sonnen Hit-ze, oder Kälte [...] befreyet bleibt, welche unseren Leib betreffen?“2

Landschaftsbilder sind aber nicht nur Ersatz für Reisen, deren Strapa-zen man sich ersparen möchte, sondern können auch Erinnerungen an Orte, die man bereist hat, festhalten. Gegen Ende des 18. Jahrhun-derts ist die Grand Tour, die quer durch Europa führt und deren Ziel stets Italien ist, nicht mehr das Privileg des Adels, auch das zu Wohl-stand gekommene Bürgertum zieht es in die Ferne. Ein großer Markt für Einzelblätter oder Serien von berühmten Orten sowie für bebil-derte Reiseführer entsteht. Die Druckgraphik ist das ideale Medium, um die große Nachfrage nach Landschaftsbildern und Stadtansichten zu bedienen: Radierungen und Kupferstiche sind schnell und kos-tengünstig herzustellen, und von einer Platte können bis zu mehrere hundert Blatt abgezogen werden. Als Beispiele für solche Folgen von Landschaftsbildern können die Mahlerisch radirten Prospecte von Italien (vgl. Kat.Nr. 56-58) und die beiden Radierungen von Johann Chris-tian Klengel (Kat.Nr. 28-29) angeführt werden, die der Nürnberger Verleger und Kunsthändler Johann Friedrich Frauenholz 1792 anbot. Klengels Arbeiten entsprachen weit eher dem Massengeschmack, sie bedienten die Italienerinnerung des Reisenden, dem der idyllische Gesamteindruck der Gegend womöglich stärker in Erinnerung ge-blieben ist als die besuchten antiken Monumente; und sie weckten bei

„DIe wahl Des schönsten“. eInführenDes zur

lanDschaftsDarstellung Im 18. JahrhunDert

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dem, der nicht reiste, die Vorstellung von einem friedlichen Arkadien als Sehnsuchtsmoment. Die Arbeiten Reinharts und seiner Kollegen hingegen stehen eher für eine Konzeption, die den historischen genius loci beschwört. In den Worten Jakob Philipp Hackerts:„Viele Landschaften machen uns außerordentlich Vergnügen wen si uns gegenden darstellen wo große Thaten geschen sind als Schlach-ten, und andere große Begebenheiten der Geschichte, Wenn Reisende solche Gegenden gesehen haben, und sehn mit Treue und angenehme Wahrheit solche Gemählde vorgestellet so erweket es ihnen die ganze Reihe der Geschichte, andere Gegenden wo Berühmte Männer gelebt und gewohnt haben. Als Horazens Villa bei Tivoli, [...] solche Land-schaften intereßiren öfte Halbe Liebhaber und Kenner.“3

Neben Italien waren die Schweizer Berge ein beliebtes und häufig in Bildern festgehaltenes Reiseziel. Die Schweizbegeisterung geht auf Albrecht von Hallers großes Gedicht Die Alpen von 1732 zurück. Neben monumentalen Naturschilderungen wird die einfache Bergbe-völkerung als unverdorben und mit der Natur in Einklang stehend gepriesen. Das Motiv der Berge kann in Landschaftsbildern des 18. Jahrhunderts immer auch die Vorstellung des republikanischen Frei-heitsgedankens beim Betrachter evozieren, während die Darstellung von Bauern und Bergleuten mit ihren bescheidenen Hütten4 als so-ziale Utopie verstanden werden konnte. Die Idee, dass Bauern und Hirten noch in einem Urzustand moralischer Reinheit leben, ist nicht erst mit den Schriften Jean-Jacques Rousseaus populär geworden, sie ist ein Topos, der seit der Antike tradiert wird. Bereits Horaz und Vergil stellen das einfache Landleben, in dem sich noch Anklänge an ein ver-lorenes goldenes Zeitalter, an Arkadien, finden lassen, in Kontrast zum Leben des Menschen in der Stadt, das durch Unmoral und Korrupt-heit gekennzeichnet ist (vgl. Kat.Nr. 20-21). Im Landschaftsbild des 18. Jahrhunderts – vor allem im Werk Salomon Gessners5 – wird dieses Thema wieder aufgegriffen und als Gegenentwurf zur gesellschaftli-chen Realität gezeigt. In seiner Vorrede zu den Idyllen von 1756 for-muliert Gessner diese Konzeption: Die Idylle „[...] giebt uns Züge aus dem Leben glüklicher Leute, wie sie sich bey der natürlichsten Einfalt der Sitten, der Lebens-Art und ihrer Neigungen bei allen Begegnissen in Glük und Unglük betragen. Sie sind frey von allen den Sclavischen Verhältnissen, und von allen den Bedürfnissen, die nur die unglükliche Entfernung von der Natur nothwendig machet [...] Kurz, sie schildert uns ein goldnes Weltalter, das gewiß einmal da gewesen ist, denn da-von kan uns die Geschichte der Patriarchen überzeugen [...].“6 Dass dieses Wunschbild nur funktioniert, wenn die realen wirt-schaftlichen Nöte der Landbevölkerung, wie sie im 18. Jahrhundert herrschten, ausgeblendet werden, liegt auf der Hand. Auch war den Zeitgenossen die Zweifelhaftigkeit einer solchen Utopie wohl bewusst. Denis Diderot notiert im Salon von 1767 eher skeptisch: „Da wir aus dem engen Kreis unserer Städte, an die uns langweilige Beschäfti-gungen und traurige Pflichten fesseln, nicht in die Wälder, unsere ursprüngliche Heimat zurückkehren können, haben wir einen Teil

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unseres Reichtums geopfert, um die Wälder in die Umgebung unserer Wohnstätten zu verpflanzen. [...] Angesichts der Unmöglichkeit, uns den Arbeiten und Freuden des Landlebens hinzugeben, [...] hinter ei-ner Viehherde herzulaufen und in einer Strohütte zu schlafen, fordern wir mit Geld und guten Worten den Pinsel eines Wouwerman, eines Berghem, eines Vernet dazu auf, uns die Sitten und die Geschichte unserer Vorfahren wieder vor Augen zu führen. So bedecken sich die Wände unserer ebenso prächtigen wie langweiligen Wohnungen mit den Bildern eines Glückes, dem wir nachtrauern [...].“7

„dass die vollkommenste Führerin das Studium der Natur ist“

Der italienische Maler Cennino Cennini (2. Hälfte 14. Jahrhundert) legt dem Künstler in seinem Libro dell’arte das Studium der Natur nahe: „Bemerke, dass die vollkommenste Führerin, welche man haben kann, das beste Steuer, die Triumphpforte des Zeichnens, das Studium der Natur ist.“8 Einige Seiten weiter empfiehlt er dem Künstler ganz konkret Folgendes: „Wenn Du Gebirge in einer guten Weise entwerfen willst, welche natürlich erscheinen, so nimm große Steine, rauh und unpoliert. Und zeichne sie nach der Natur, indem Du ihnen Licht und Schatten verleihst [...].“9

Zweierlei erscheint erstaunlich an der von Cennini beschriebenen Vorgehensweise: Dass er einerseits das Naturstudium betont und dass andererseits das Streben nach der Wiedergabe einer natürlichen Erscheinung den Künstler nicht in die Natur hinaustreibt, um dort seine Bildmotive zu studieren, sondern dass er sie sich gewissermaßen als Miniaturausgabe ins Haus holt, um sie dort „nach der Natur“ zu zeichnen. Der innere Widerspruch, der sich uns bei der Beschreibung dieses „Schwindels“ aufdrängt, ist Cennini selbst offenbar nicht auf-gegangen. Woran liegt das? Hier kommt ein Naturkonzept zum Tra-gen, dessen Entwicklungsgeschichte auf die platonische Philosophie zurückgeht, in der Renaissance wiederbelebt wird und noch bis ins 19. Jahrhundert für die Kunsttheorie weitgehend Bestand hat. Diese ver-wickelte Geschichte soll hier nicht ausgebreitet werden, nur soviel, was für unseren Zusammenhang bedeutsam ist: Die Natur ist unvollkom-men, die Wahrheit und Vollkommenheit steht als Welt der Ideen hinter ihren Erscheinungen. Die Natur mag die Fähigkeit zur Vollkommen-heit haben, aber durch die Zersplitterung in Mannigfaltigkeiten ist sie es nie in einem Objekt. Der Mensch sieht sich berufen, diesen Mangel auszugleichen und das, was als Idee von Vollkommenheit hinter der Erscheinung gedacht werden kann, als Bild zu formen.10 Am bekann-testen ist in diesem Zusammenhang die Zeuxis-Legende, die bereits in der Antike weit verbreitet war. Plinius der Ältere (23/24-79) hat sie in seinem riesigen Kompendium der Naturgeschichte, die in der Neuzeit von Künstlern wegen der zahlreichen erbaulichen und lehrhaften An-ekdoten immer wieder rezipiert worden ist, erwähnt. Im 35. Buch, das sich den Farben, der Malerei und der Plastik widmet, heißt es vom Ma-ler Zeuxis, dass „[...] er seine Gründlichkeit so weit trieb, daß er, in der Absicht, den Bewohnern von Agrigentum ein Bild zu malen, das sie

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im Tempel der Juno Lacinia öffentlich aufstellen wollten, unbekleidete Jungfrauen von ihnen betrachtete und fünf auswählte, um durch die Malerei das wiederzugeben, was er an jeder besonders bewunderns-wert fand.“11 Zeuxis wählt also nicht die schönste Jungfrau als Modell für sein Junobild, sondern fügt ihr Bild aus ausgewählten Details zu einem vollkommenen Gesamtbild. Das Ingenium des Künstlers be-steht in der Fähigkeit einer solchen Kombinatorik, in der Fähigkeit zur Inventio (Erfindung). Diese Auffassungen finden wir auch im 18. Jahrhundert wieder: Der zu seiner Zeit gefeierte Maler und Theore-tiker Anton Raphael Mengs (1728-1779) schreibt in seiner vielbeach-teten Schrift Gedanken über die Schönheit und über den Geschmack in der Malerei von 1762: „Die Natur ist in ihren Hervorbringungen sehr vielen Zufällen unterworfen; die Kunst aber wirket frei [...]. Die Kunst der Malerei kann aus dem ganzen Schauplatze der Natur das Schönste wählen, und die Materie von vielerlei Orten, und die Schönheiten von vielerlei Menschen sammeln.“12 Nach diesem Programm verfahren viele Landschaftskünstler des 18. Jahrhunderts. Wenn Christian Georg Schütz ideale Rheinlandschaften malt (Kat.Nr. 26-27), stellt er eben-falls in einem Bild zusammen, was in der Natur nie gleichzeitig zu se-hen ist, sondern an unterschiedlichen Orten entdeckt und ausgewählt werden muss. Nicht anders verfährt auch Salomon Gessner, wenn er den Künstler „zur Wahl des Schönsten“ rät.13

„nicht einen Haufen hinter einen andern setzen“

Giovanni Paolo Lomazzo (1538-1600) hat in seinem Trattato dell’arte della pittura, scoltura et architettura von 1584 die Regel aufgestellt, dass ein Landschaftsbild in drei Zonen aufgeteilt sein solle: „Der erste Teil soll von nahem sichtbar sein, der zweite soll etwas verschwommen sein, und der dritte soll sich ganz im Unendlichen verlieren, so daß sich der zweite tatsächlich in der richtigen Perspektive mit dem ers-ten verbindet.“14 Werner Busch vermutet, dass Lomazzo diese Lehre aus der Anschauung der Landschaftsbilder der frühen Niederländer gezogen habe, was keineswegs abwegig erscheint.15 Diese Regel wäre also zunächst in der Praxis entwickelt worden, bis sie in der Theorie kanonisch wurde. Auch Karel van Mander gibt dem angehenden Künstler in seinem großen Lehrgedicht16 über die Malerei von 1604 ähnliche Anweisungen zur Aufteilung des Bildraumes. Der Maler soll die Bildgründe „[...] wie Schlangen in einander laufen lassen und nicht einen Haufen hinter einen andern setzen.“17 Der Vordergrund soll nahsichtig wiedergegeben werden, wobei leere und öde Stellen zu vermeiden sind und durch Kräuterstücke aufzulockern sind. Um eine räumliche Spannung und eine überzeugende Perspektive zwischen den einzelnen Bildgründen zu erreichen, soll „[...] der Vordergrund schwer sein, um die andern [Gründe] zurückweichen zu lassen [...].“18 Im Vordergrund platzierte Baumstämme unterstützen diese Wirkung und haben rahmende und den Bildraum begrenzende Funktion. Die Baumkronen sollen nicht in eintöniger Weise wiedergegeben werden, sondern, wie in der Natur, mit verschiedenen Blattarten19. Mittel- und

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Hintergrund können durch Berge, Täler und Flüsse abwechslungs-reich gegliedert werden. Man sieht deutlich, dass es van Mander und den übrigen Theoretikern nicht um die einfache Abbildung eines Naturausschnitts ging, sondern um das Begrenzen eines für das Auge unbegrenzt erscheinenden Naturraums. Die Natur wird zu einem Bild geformt. Es hat immer auch Künstler gegeben, die einen real gesehenen Natureindruck oder Ort gezeichnet oder gemalt haben. Bildausschnitt und Vordergrundgestaltung waren dabei jedoch den beschriebenen kompositorischen Regeln unterworfen. Die Gestaltung war Kunst, nicht die einfache Nachahmung. Die reine Nachahmung nach bestehenden Mustern in Form von Skulpturen oder Stichen bil-dete die unterste Stufe in Zeichenschulen und Akademien.20

„das Buch der Natur verstehen“

Van Mander hat in seinem Lehrgedicht Kompositionsprinzipien für die Landschaftsdarstellung angeführt, die noch im 18. Jahrhundert für Künstler wie Nathe, Hackert, Klengel, Hagedorn und Dietrich (siehe Katalog) verbindlich waren. Dabei müssen sie keineswegs van Man-ders Text selbst gelesen haben. Die Grundgedanken waren Allgemein-gut in Theorie und Künstlerausbildung. Sie konnten zudem an den Werken der Niederländer studiert werden. Ihre große Beliebtheit und Vorbildfunktion im 18. Jahrhundert ist auf den schon bei van Mander eingeführten Topos ihrer Naturwahrheit („nach dem Leben“) zurück-zuführen. Theoretiker wie de Piles, de Lairesse oder Hagedorn heben immer wieder die getreue Naturbehandlung der Niederländer hervor. Noch 1820 fordert Klengel brieflich seinen ehemaligen Schüler Roux in Heidelberg auf, „[...] die Muster, welche die Alten in ihren Werken uns hinterlassen haben, zur Leitung und Richtschnur zu machen! Diese besteht vorzüglich aus ihren radierten Blättern, als Ruysdael, Everdingen [...]“. Und weiter: „[...] man kann nicht eher das Buch der Natur verstehen oder darin lesen, wenn man nicht erst bei diesen oben angeführten Meistern in die Schule gegangen ist.“21

Klengels Worte erinnern an den berühmten Brief über Landschaftsmah-lerey22 von Salomon Gessner. In diesem Text beschreibt Gessner seine Anfangsschwierigkeiten beim Naturstudium: „Ich wollte der Natur allzugenau folgen und sah mich in Kleinigkeiten des Detail verwi-ckelt, die den Effect des Ganzen störten; und fast immer fehlte mir die Manier, die den Gegenständen der Natur ihren wahren Character beybehält, ohne sclavisch und ängstlich zu seyn. [...] Kurz: mein Auge war noch nicht geübt, die Natur wie ein Gemählde zu betrachten. [...]“23 Gessner, der ambitionierte Autodidakt, geht zum Zeichnen di-rekt in die Natur und verliert gewissermaßen den Überblick angesichts der Detailfülle. Um „das Buch der Natur zu verstehen“, wie Klengel schreibt, benötigt der angehende Maler und Zeichner das Vorbild der älteren Künstler, mit dem er den Formenreichtum der Natur differen-zierter wahrnehmen kann. Bildwürdig wird das, was dem bereits in Bildern Gesehenen am ehesten entspricht. Neben den Niederländern wählt sich Gessner zwei ausgewiesene Autoritäten der Landschafts-

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malerei als Führer durch das Dickicht der Natur. Zwei Jahre vor der Veröffentlichung seines Briefes schreibt er an Hagedorn: „Mein Plan war, zu meinen Studien nur das grösseste und beste zu wählen, und in dieser Wahl sehr strenge zu sein; ich suchte bey jedem grossen Künst-ler seine vorzüglichste Stärke, und studirte sie; so kam ich auf Poussin und Lorrin (sic) [...].“24 Mit Nicolas Poussin (1594-1665) und Claude Lorrain (1600-1682) sind zwei Künstler benannt, an denen sich jeder Landschaftsmaler des 18. Jahrhunderts messen musste. Keine Theo-rie der Landschaft, ohne dass auf das leuchtende Vorbild der beiden Franzosen verwiesen wurde.25 Beide waren miteinander befreundet und lebten und arbeiteten in Rom. Poussin ist für seine Landschaf-ten im heroischen Stil berühmt geworden, wobei sich „heroisch“ auf das Zeitalter der antiken Heroen bezieht, nicht auf den Ausdruck der Landschaft. Lorrain für seine idealen Landschaften26, deren lyrisch-atmosphärische Morgen- oder Abendstimmungen viel bewundert und nachgeahmt wurden. Poussins Bildräume sind in Schichten aufgebaut, die der Landschaft einen kulissenhaften Charakter verleihen, und sie als Aktionshintergrund für historische, mythologische oder biblische Figuren erscheinen lässt. Können Poussins Landschaften vom Auge durchwandert werden, ist die Bildwirkung bei Lorrain (vgl. Abb. 3, S. 20) anders, wie Max Imdahl ausführt: „Der simultan überschaubare Raum steht geschlossen als Ganzes da.“27 Lorrain gilt auch als der erste Freilichtmaler, der, dem Beispiel des Malers und Kunsttheoretikers Joachim von Sandrart (1606-1688) folgend, Ölskizzen28 direkt vor der Natur malt und diese dann im Atelier, freilich nach klassischen Regeln, ausarbeitet. Sandrart hat diese Begebenheit in seiner Teutschen Academie ebenso festgehalten, wie er auch die Orte benannt hat, die für viele Künstler, bis ins 19. Jahrhundert hinein, als Landschaftsmo-tive verbindlich werden: Die Gegenden bei Subiaco und Tivoli mit dem Sibyllentempel und den Wasserfällen sowie die Tiberlandschaft mit ihren Bergen und Grotten.29 Da Lorrain und Poussin als Parade-beispiele für die getreue Naturwiedergabe im Bild galten, lag nichts näher, als ihre Werke zu studieren. Druckgraphische Reproduktionen ihrer Werke waren in Künstlerkreisen weit verbreitet und wurden eif-rig nachgeahmt. Diese Vorbilder können so übermächtig werden, dass sie dem Künstler, der nach der Natur zeichnet, gleichsam die Hand zu führen scheinen. Aus dieser Perspektive ist auch die Äußerung des Liebhaberradierers Christian Ludwig von Hagedorn, der als Kunst-theoretiker zu Lebzeiten bedeutend war, zu verstehen. In einem Brief an seinen Bruder verteidigt er seine Versuche (vgl. Kat.Nr. 20-22) gegen den Vorwurf der Nachahmung niederländischer Vorbilder, namentlich Antonie Waterloos: „Meine Gedanken sind original und ich defizire je-dermann, der mich auf einem plagio betreffen soll. [...] ich habe keine Waterloo bei meiner Arbeit gehabt, obwohl ich Waterlooische Kupfer in Dresden habe. Da wir beide die Natur studiert, können wir leicht einander im Ausdruck der Nadel gleich kommen.“30

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„Ich verlange, daß ein jeder Botanikus den Baum sogleich er-kenne“

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bemühen sich einzelne Künstler um ein genaueres Studium der Natur. Wer so ambitioniert war, mehr als nur den Baum in seinem Garten oder das Wäldchen vor der Ortschaft zu zeichnen oder zu malen, musste bis weit vor die Stadt gehen, häufig unwegsames Gelände beschreiten und von guter körper-licher Konstitution sein, wie Jakob Philipp Hackert schreibt. Eine gute Gesundheit sei notwendig, um „[...] die Veränderungen der Witterung zu ertragen, weil der Landschaft Mahler die Sommer Monathe in öden Gegenden zu bringen muß, wo die Natur von Menschen Händen noch nicht verstümmelt ist.“31

Es gab aber noch ein anderes Problem: Wer diese „öden Gegenden“ aufsuchen wollte, brauchte oftmals eine Genehmigung vom Lan-desfürsten oder von einer städtischen Behörde. Viele Gegenden, die heute touristische Attraktionen sind, wie der Harz, das Riesengebirge, der Mittelrhein oder die Sächsische Schweiz, waren im 18. Jahrhun-dert kaum erschlossen und oftmals nur ungenügend topographisch erfasst. Wer sich zeichnend in solchen Gegenden herumtrieb, geriet leicht in den Verdacht, das Gelände nach Bodenschätzen oder nach Passiermöglichkeiten für soldatische Truppen auszukundschaften. Christoph Nathe beschreibt in einem Brief32 die Zwickmühle, in die er gerät, weil er Studien in einem Berggelände betreiben will: Soll er seine Exkursion auf dem Amt anmelden oder lieber nicht? – Sein Zimmerwirt rät ihm ab, weil die Erlaubnis möglicherweise verweigert wird. Prompt wird der Künstler, als er auf eigene Faust durch die Berge streift, ertappt, so dass sein Vermieter auf das Rathaus zitiert wird und Rechenschaft ablegen muss. Die Sache geht jedoch glimpflich aus: Nathe erhält nachträglich die Erlaubnis. Weniger Glück hatte Ha-ckert, als er Sizilien bereiste. Gleich die gesamte Reisegesellschaft, der er angehörte, wurde unter Spionageverdacht vor Gericht verhört, weil der Künstler den Batterieturm einer Festung gezeichnet hatte. Hackert redet sich damit heraus, dass er den Turm irrtümlich für einen großen Töpferofen gehalten habe.33 Hackert und Nathe gehören also zu den Künstlern, die sich auch durch Widrigkeiten nicht abschrecken lassen, bislang unerkundetes Terrain nach neuen Bildmotiven abzusuchen. Letzterer zeichnet beispielsweise Gesteinsformationen im Riesengebirge für wissen-schaftliche Publikationen seines Gönners Adolf von Gersdorf. Für die Chalcographische Gesellschaft in Dessau liefert Nathe zudem topographisch genaue Zeichnungen von Riesengebirgsansichten, die 1803 in Aquatintatechnik gedruckt werden.34 Nathes Verlangen nach Naturtreue geht so weit, dass er in einem Brief vom 19. Februar 1803 an Gersdorf von einer besonderen optischen Konstruktion berichtet: „Ich werde mir sobald Frühling wird, eine Optische Glastafel mit ei-nem festen Augenpunkte zurichten, auf und durch welche ich dan die Bergformen (Horizonte) geradezu zeichnen will, so kan kein Haar an der Richtigkeit des Conturs fehlen.“35 Ob Nathe seinen Plan aus-

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geführt hat, ist in der Literatur nicht überliefert, einzelne Werke, wie die Radierung von der Landeskrone bei Görlitz (Kat.Nr. 35), zeigen aber Nathes Bemühen um Detailgenauigkeit bei der Wiedergabe des Bergkonturs. Nichtsdestotrotz ist der Bildausschnitt nicht willkürlich gewählt, sondern durch mehrfaches Nacharbeiten nach klassischem Muster komponiert worden.Jakob Philipp Hackert legt sein Hauptaugenmerk auf das Studium der Bäume. Die traditionelle, in Zeichenschulen und Akademien gelehrte Wiedergabe des Baumschlags, also des Laubwerks, genügen ihm nicht mehr.36 Seine Forderung an den Maler und Zeichner ist radikal: „Ich verlange, daß ein jeder Botanikus den Baum sogleich erkenne, so wie auch Pflanzen und andere Blätter im Vordergrunde.“37 Das setzt nun sehr genaues Studium voraus. Hackert hat aber keineswegs illustrierte Botanikbücher konsultiert, sondern verschiedene Baum- und Blat-tarten in der Natur immer wieder gezeichnet. Das Ergebnis seiner

Studien hat er als Zeichenunterricht in Form eines Mappenwerks 1802 veröffentlicht.38 Er hat dafür eine Klassifikation der Baumarten ent-wickelt, mit der ein Botaniker kaum etwas anfangen könnte, weil sie ganz auf das Einüben von Formen und Mustern des Zeichenschülers abgestellt ist: „Nach meinem Prin-zip teile ich im allgemeinen alle Bäume überhaupt in drei Klassen ein [...]. Das erste ist der Kastanien-baum. Kann er dessen geschwankige Blätter und Partien zeichnen und gruppieren; so ist es ihm hernach leicht, den Nußbaum, die Esche und alle Bäume, die längliche Blätter haben, zu zeichnen: denn er zieht seine gruppierten Blätter nur mehr oder weniger lang; der übrige Cha-rakter des Baums besteht in seinem Stamm, im Schwung der Äste und in der Form des Ganzen [...]. Hernach kommt der Eichbaum, welcher ein

zackiges Blatt hat. Kann er dies mit Freiheit hinzeichnen, [...] so ist ihm leicht [...] alles was zackige Blätter hat, zu zeichnen. Das dritte Blatt ist die Pappel, welches ein rundes Blatt ist. Hat er dieses genug-sam geübt; so kann er die Linde, die Ulme und alles was runde Blätter hat, hervorbringen [...].“39

Das Titelblatt (Abb. 1) zeigt gemäß diesem Prinzip die Abfolge der Blätter von Kastanie, Eiche und Pappel. Die Einzelblätter mit ihren Stengeln werden in Umrisslinien, weitestgehend ohne Schattierungen wiedergegeben. Daneben sind Blattgruppen abgebildet, bei Eiche und

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Abb. 1 Jakob Philipp Hackert, Principes pour apprendre à dessiner le paysage d‘après nature (Titelblatt, Ausschnitt), 1802

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Pappel abschließend ein Teil des gesamten Baumes. Ein Botaniker hätte gewiss keine Schwierigkeiten, die Einzelblätter zu identifizieren, das Charakteristische ist herausgearbeitet; die Laubgruppierungen wirken jedoch wieder formelhaft und eher ungenau. Das Prinzip erinnert an die Vorgehensweise Cenninis, von der Kleinform auf die Großform zu schließen. Ein Teil des Ganzen – hier das Blatt – wird exakt studiert. Das Charakteristische seiner Form – das Längliche, Ge-zackte oder Runde – definiert Umriss und Volumenerscheinung des gesamten Baumes. Es geht Hackert also nicht um den Baum, wie er realiter an einem bestimmten Ort anzutreffen ist; das Zufällige seiner Form wird in das Idealtypische überführt, das per definitionem schön ist. Hier kann Hackert, so neu seine Forderung nach Naturwahrheit zunächst erschien, sich nicht von den Kunstlehren seiner Zeit lösen. Den Forderungen Johann Georg Sulzers und Hagedorns folgend, soll das Zufällige und Hässliche nicht in die Darstellung eingehen. Der Künstler müsse beim Zeichnen und Malen „[...] Geschmack haben, die Schöne Natur in jeder Arth zu Wählen, Nie muß er die Verstüm-melte Natur nachahmen; sogar wen er die Kranke und Sterbende Na-tur Nachahmet, so muß er die Schöne Wählen [...].“40

„Vom Morahlischen in der Landschaft“

Sowohl die Idyllen- und Arkadienthematik als auch die Darstellung historischer Orte haben eines gemeinsam: Dem Landschaftsbild wird eine Aufgabe übertragen, die über das einfache Darstellen der Natur hinausgeht, es wird Träger von Ideen, die zuvor im Genre des Histo-rienbildes transportiert worden waren. Innerhalb der Kunsttheorie des 18. Jahrhunderts wird diese Entwicklung argumentativ untermauert, vor allem durch Gérard de Lairesse, Roger de Piles und die einflussrei-chen Schriften Hagedorns und Sulzers.41 Sulzers Allgemeine Theorie der schönen Künste (1771-1774) versam-melt unter alphabetisch geordneten Stichwörtern Wissenswertes über Bildende Kunst, Literatur und Musik seiner Zeit. Das Meiste ist von anderen Theoretikern übernommen und zusammengetragen. Das Werk war äußerst erfolgreich und konnte 1792-1799 in stark erweiter-ter Fassung wiederaufgelegt werden. Natur und Landschaft werden in gesonderten Artikeln behandelt, die Sulzers Rezeption der sensualisti-schen Ästhetik, vor allem englischer Philosophen wie Shaftesbury und Berkeley, zeigen: Der Mensch wird von der Schönheit in der Natur angezogen, sie weckt in ihm den Sinn für das moralisch Gute und das Streben nach sittlicher Vollkommenheit. Denn, wie Sulzer schreibt, ist die Natur „[...] nichts anderes als die höchste Weisheit selbst, die über-all ihren Zweck auf das Vollkommenste erreicht. [...] in ihren Werken [ist] alles zwekmäßig, alles gut, alles einfach und ungezwungen, daß weder Ueberfluß noch Mangel darin ist.“42 Und weiter: „Sie hat sehr viel gethan, den sittlichen Menschen vollkommner zu machen, und durch die zwey Hauptempfindungen des Vergnügens und Mißvergnü-gens ihn zum Guten zu reizen und vom Bösen abzuziehen.“43

Die Kunst hat demgemäß die Aufgabe, nicht einfach Dekorativ-Schö-

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nes ins Bild zu setzen, sondern mit der Idee einer vollkommenen Schönheit auf die moralische Verbesserung des Menschen hin zu wir-ken.44 Dies erfordert allerdings einen moralisch gebildeten Künstler, wie ihn auch Hagedorn propagiert: „Wird aber derjenige Künstler, welcher die Empfindungen des Schönen des Edlen und des Erhabe-nen bey uns erwecken will, nicht selbst zuerst von diesen Vorzügen lebhaft gerühret seyn, und, um es zu seyn, gereinigte Begriffe haben müssen?“45 Nur wer das Prinzip einer den Menschen bildenden Natur versteht und sich direkt von der Natur „belehren“ lässt, kann Werke schaffen, in denen die mannigfachen Schönheiten der Natur als Ide-alvorstellung zu einem in sich stimmigen Bild46 versammelt sind, das auf den Betrachter einwirkt. Der Künstler muss dabei von den Gegen-ständen der Natur direkt affiziert worden sein, um diese Erfahrung ins Bild setzen zu können. Kopien nach Werken anderer Künstler müssen daher - als Erfahrung aus zweiter Hand - ihre Wirkung auf den Be-trachter verfehlen.47

Damit wird auch eine Akzentverschiebung innerhalb der Kunstan-schauung und Gattungstheorie offenbar: Der Primat des Histori-enbildes gegenüber dem Landschaftsbild wird hinfällig, wenn nicht die gezeigten Gegenstände, sondern ihre sittliche Wirkung auf den Betrachter entscheidend ist.48 Das Kunstwerk reizt die Einbildungs-kraft des Betrachters, der zu Reflexionen über die Vervollkommnug von Moralvorstellungen angeregt werden soll. Ähnlich formuliert es auch Hackert in einem Abschnitt in seinem an Goethe adressierten Brief über Landschaftsmalerei, der mit „Vom Morahlischen in der Landschaft“ überschrieben ist: „In dir Landschaft herschet nicht allein die Elusion (Illusion) und wahre Nachahmung und Kunst, sondern es ist ofte mit Mohrahl verbunden. Viele Gegenden Gefallen Vorzüglich bloß aus Mohrahlischen Umständen ob sie gleich nicht die Schönsten sind, weil andere Vorstellungen des Zuschauers sich damit verbinden.“49 Hackert empfiehlt u. a. die Darstellung historischer Orte, um diesen Effekt zu erzielen. Bei Sulzer und Hagedorn über-nehmen die Staffagefiguren die Funktion, Handlungen und Affekte anzuzeigen, die die Begegnung mit der Natur angemessen erscheinen lassen und den Betrachter zu Überlegungen anregen, die über das Bild hinausweisen: „Eine einzige Figur, wie etwa Adam, der in einer pa-radiesischen Gegend die Schönheit der Schöpfung bewundert, dabey durch Stellung und Gebehrden merken läßt, daß er die Gegenwart des Schöpfers selbst empfindet, könnte bey einem empfindsamen Men-schen unauslöschliche Eindrüke der Anbetung des allgütigen Schöp-fers hervorbringen.“50 Entscheidend ist dabei aber, dass der Künstler die Staffagefiguren sowohl passend zum Ausdruck des Bildganzen wählt - also keine antiken Heroen vor einen Bauernhof stellt - als auch Figuren zeigt, die überhaupt geeignet sind, eine moralische Wirkung zu befördern. In erster Linie sind dies Personen aus Mythologie, Histo-rie und Religion, womit die klassische Gattungshirarchie letztendlich wieder - in agbewandelter Form - zu ihrem Recht käme.Auch wenn die Schriften Sulzers und Hagedorns im 18. Jahrhundert

„Die Wahl des Schönsten“

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äußerst wirkmächtig waren, blieben ihre Grundgedanken keineswegs unwidersprochen. Der junge Goethe schreibt eine beissend-sar-kastische Rezension zu Sulzers Artikel Schöne Künste (1772), dem Vorabdruck aus der Allgemeinen Theorie. Er steigt gar nicht erst in die verzweigten Konstruktionen von Sulzers idealistischem Gedan-kengebäude ein, sondern hebelt das System an ganz anderer Stelle aus, nämlich an seiner Grundannahme, dass die Natur gut und schön sei. Er bemängelt Sulzers einseitige Betrachtung der Natur, ihm fehlt der Hinweis auf das Schreckliche in ihr, die „ [...] wütenden Stürme, Wasserfluten, Feuerregen, unterirdische Glut und Tod [...].“51 Der Auffassung Sulzers, dass die Natur durch ihre Annehmlichkeiten den Menschen zum Guten bilde, widerspricht er energisch, die Natur här-te allenfalls den Menschen gegen ihre Übel und Schrecknisse ab. Die Welt der Kunst ist für Goethe Gegenentwurf und Ausdruck von Selbst-behauptung des Menschen gegenüber einer als unheimlich wahrge-nommenen, unablässig verschlingenden und gebärenden Natur: „Was wir von der Natur sehen, ist Kraft, die Kraft verschlingt, nichts gegen-wärtig, alles vorübergehend, tausend Keime zertretend, jeden Augen-blick tausend geboren [...]; schön und häßlich, gut und bös, alles mit gleichem Rechte nebeneinander existierend. Und die Kunst ist gerade das Widerspiel; sie entspringt aus den Bemühungen des Individuums sich gegen die zerstörende Kraft des Ganzen zu erhalten.“52

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1 Vgl. Beatrix Frfr. von Wolff Metternich: Landschaftsma-lerei auf Porzellan des 18. Jahrhunderts. In: Wunderlich 1995, S. 271-290.

2 Dt. Ausg. v. 1728-30, Zit. n. Bätschmann 1989, S. 242-243.3 Aus dem Nachlass über Landschaftsmalerei, zit. n. Maul

1997, S. 195. Die Fragmente, bei denen es sich überwie-gend um Briefe des Künstlers an Goethe handelt, wurden zuerst von diesem veröffentlicht, wobei Hackerts fehler-hafte Orthographie und Grammatik verbessert und gele-gentlich Passagen umformuliert wurden. Wo der Wortlaut sinnentstellend von Goethe verändert wurde, wird nach Maul 1997 zitiert, ansonsten, der besseren Lesbarkeit hal-ber, nach Goethe.

4 Zum Motiv der Hütte ausführlich: Schoch, Rainer: Palast und Hütte. Zum Bedeutungswandel eines künstlerischen Motivs zwischen Aufklärung und Romantik. In: Kritische Berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, 17/4 (1989), S. 42-59.

5 Zu Salomon Gessner siehe den Beitrag von Imke Harjes in diesem Band.

6 Gessner 1988, S. 15.7 Diderot 1968, Bd. 2, S. 86.8 Zit. n. Pfisterer 2002, S. 200.9 Zit. n. Pfisterer 2002, S. 116.10 Dieser Gedanke geht allerdings nicht auf Platon zurück.

Für ihn ist das Materielle ein Trugbild, ein Vorhang, den der Philosoph beiseite schieben muss, um zur Wahrheit zu gelangen. Der Künstler ist bei ihm deshalb schlecht ange-schrieben, weil er den trügerischen Schein durch Nach-ahmung verdoppelt und somit den Zugang zur Wahrheit zusätzlich verstellt.

11 Plinius 1978, S. 55.12 Mengs 1762/1995, S. 207.13 Vgl. dazu ausführlicher den Beitrag von Imke Harjes.14 Zit. n. Busch 1997, S. 95.15 Busch 1997, S. 99.16 Vgl. den Aufsatz von Ulf Sölter in diesem Band.17 Van Mander/Hoecker 1916, S. 205.18 Ebd.19 Van Mander/Hoecker 1916, S. 213.20 Vgl. den Aufsatz von Esther Meier in diesem Katalog.21 Beide Zitate in: Steuer 2001, S. 23.22 Vgl. dazu eingehender den Text von Imke Harjes.23 Gessner 1988, S. 174.24 Brief vom 1. April 1768, in: Hagedorn 1797, S. 164.25 Für Definitionen der Begriffe „ideale“ und heroische“

Landschaft und ihre Abgrenzung von „Idylle“ und „arka-discher Landschaft“ siehe Ausst.Kat. Köln 1984, S. 164-173.

26 Zu den klassischen Landschaften von Poussin und Lorrain vgl. Busch 1993, S. 329-334.

27 Imdahl 1958, S. 302.28 Da von diesen Ölskizzen keine einzige überliefert ist, ver-

mutet Werner Busch, dass Lorrain sie im Atelier übermalt habe. Siehe Busch 1997, S. 141-142.

29 Sandrart 1675-1680/1994, Bd. 1, 1. Teil, III. Buch, VI. Kap., S. 71.

30 Zit. n. Stübel 1912, S. 78. 31 In Maul 1997, S. 108.

32 Wiedergegeben bei: Gundmann 1965, S. 55.33 Geschildert im Tagebuch von Henry Knight, das Goethe

in seine Hackert-Biographie aufgenommen hat, vgl. Goe-the, I. Abtlg., Bd. 19 (1998), S. 451-451.

34 Vgl. Ausst.Kat. Dessau 1996, S. 194-199.35 Zit. n. Grundmann 1965, S. 58.36 So kritisiert er auch Poussin wegen des stets gleich ausse-

henden Baumschlags, in: Goethe, I. Abtlg., Bd. 19 (1998), S. 586.

37 Hier zit. n. Goethe, I. Abtlg., Bd. 19 (1998), S. 584.38 „Theoretisch-Practische Anleitung zum richtigen und

geschmackvollen Landschafts-Zeichnen nach der Natur von Philipp Hackert königl. neapolitanischen Hoffma-lers“. Das Werk erschien in deutscher, französischer und italienischer Ausgabe, mit jeweils variierender Blattzahl. Die deutsche Ausgabe, bei Friedrich Campe in Nürnberg und Leipzig erschienen, enthielt 2 Seiten Text und 11 Tafeln mit Umrissradierungen von Bäumen. Dazu Miller/Nordhoff 1997, S. 195.

39 Hier zit. n. Goethe, I. Abtlg., Bd. 19 (1998), S. 581-582.40 In Maul 1997, S. 111. Vgl. Hagedorn 1762, Bd. 1, S. 108:

„Die Aufmunterung zu der Nachahmung der schönen Natur ermahnet uns schon, die Wahl des Häßlichen zu meiden. Sie erwecket unsern gerechten Kaltsinn gegen das Unvollkommene [...].“

41 Vgl. Hagedorn 1762, Bd. 1, S. 335. Diese Entwicklung wird nicht von allen Kunsttheoretikern mitgetragen. Der Vorgänger Hagedorns als Dresdner Galeriedirektor, Carl Heinrich von Heineken, schreibt recht polemisch: „Ich hoffe doch, daß ich mich sehr deutlich ausgedrückt, wenn ich gesagt habe: daß diejenigen, welche die Landschaften den übrigen Arten der Mahlerey und der Zeichnung vor-ziehen, ihre wenige Känntniß und ihren üblen Geschmack verrathen; ohngeachtet ich und alle Kenner schöne Land-schaften hochschätzen. Will nun der Kritikus jemanden, der diesen schlechten Geschmack hat, nahmhaft machen: so kann ich es geschehen lassen. Mich deucht, hier kömmt der Hr. v. Hagedorn wieder ins Spiel.“ In: Heineken 1768-1769, Bd. 2, S. XXI.

42 Sulzer 1771/1774, Bd. 2, S. 809.43 Sulzer 1771/1774, Bd. 2, S. 810.44 Vgl. Sulzer 1771/1774, Bd. 2, S. 811.45 Hagedorn 1762, Bd. 1, S. 131. Auch Sulzer 1771/1774, Bd.

1, S. 53.46 Vgl. Sulzer 1771/1774, Bd. 2, S. 656.47 Sulzer 1771/1774, Bd. 2, S. 811.48 Vgl. Sulzer 1771/1774, Bd. 2, S. 655: „Wie jedes historische

Gemähld in seiner Art gut ist, wenn es eine Scene aus der sittlichen Welt vorstellt, die auf eine merklich lebhafte Weise heilsame Empfindungen erweket, und sittliche Be-griffe nachdrüklich in uns veranlaßet, oder erneuert; so ist auch die Landschaft in ihrer Art gut, die ähnliche Scenen der leblosen Natur vorstellt; fürnehmlich alsdenn, wenn dieselben noch mit übereinstimmenden Gegenständen aus der sittlichen Welt erhöhet werden.“

49 Zit. n. Maul 1997, S. 120.50 Sulzer 1771/1774, Bd. 2, S.654.51 Goethe, I. Abtlg., Bd. 18 (1998), S. 98.52 Goethe, I. Abtlg., Bd. 18 (1998), S. 99.

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Die Worte Idylle und Arkadien erwecken heute bestimmte Assozia-tionen: eine kleine grasende Schafherde in einer baumumstandenen Mulde mit dem musizierenden Hirten, ein junges Paar, das im Schat-ten einer kleinen Baumgruppe an einem Bach lagert oder eine dörfli-che Szenerie in das goldene Licht der Abendsonne getaucht. Bei aller Verschiedenheit dieser Vorstellungen ist den Bildern ihre stille Gelas-senheit, die ungefährdete Ruhe und der Einklang des Menschen mit der Natur gemeinsam – kurz: ihre Sehnsuchtsdimension. Die Schil-derungen stehen im offensichtlichen Gegensatz zu den tatsächlichen Verhältnissen der Gegenwart des Betrachters; und sie sind zeitlos. Die Idylle zeigt nicht eine bestimmte Situation in ihrer zeitlichen Gebun-denheit, sondern präsentiert die Hirtenwelt als einen überzeitlichen, unveränderlichen und immerwährenden Zustand. Der Traum vom verlorenen ursprünglichen und einfachen Landleben wird durch das Wissen um die tatsächliche Gegenwart geradezu provoziert und der Wunsch nach der Wiedergewinnung dieses paradiesischen Zustandes geweckt. Die Idylle kann jedoch nur durch ihren Gegenentwurf – die Stadt – bestehen und gründet sich auf dem Gegensatz von Natur und Kultur, wobei Kultur als Synonym für Verlust und Veränderung, Natur als das Gleichbleibende, das dauerhaft Ursprüngliche stehen.Der Begriff Idylle leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet wörtlich „kleines Bild“, meint in der Antike aber auch kleine selb-ständige Geschichte. Als Gründungsväter der Idyllendichtung gelten Theokrit (300-260 v.Chr.) und Vergil (70-19 v.Chr.). Sie verlegten den Schauplatz der Idyllen in eine imaginäre Landschaft, welcher später, der Bezeichnung Vergils folgend, der Name Arkadien gegeben wurde. Diese Landschaft zeichnet sich durch ihre liebliche Beschaf-fenheit aus; eine Mischung aus Realität und Traum zeigt sich in der Begegnung von Göttern und lebenden Menschen. Damit entsteht ein Arkadienbild fernab der Realität: die griechische Landschaft Arkadien, Zentrum der Peloponnes, ist eine karge, felsige, von Hirten spärlich bevölkerte Gegend.

Salomon Gessner

Als Höhepunkt und gleichzeitiger Endpunkt der Idyllendichtung des Rokoko gilt Salomon Gessner (Zürich 1.4.1730-2.3.1788). Der Schweizer hat als Maler und Dichter der Idylle zu Lebzeiten europa-weite Anerkennung genossen und sich großer Beliebtheit erfreut. In seinen 1756 und 1772 erschienenen Idyllen gelang es ihm wie keinem Anderen, dieser Gattung durch Bild und Wort zu größtem Ruhm zu verhelfen. Die Idyllen wurden zur europäischen Mode und fanden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt weite Verbreitung. Gessner war mit Kleist und Wieland befreundet, arbeitete mit den großen Schwei-zer Zeitgenossen Johann Jakob Bodmer, Johann Caspar Füssli sowie Johann Caspar Lavater zusammen und fand Anklang bei Winckel-mann und Goethe. Lange schwankte der Schweizer, ob er Maler oder Dichter werden solle – und wurde schließlich Verleger und Illustrator eigener und fremder literarischer Werke. Erst im Alter von 30 Jahren

IDylle unD arkaDIen

Im werk von salomon gessner unD carl wIlhelm kolbe

Imke Harjes

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begann der Autodidakt mit der Landschaftsmalerei; hauptsächlich mit Radierungen, teilweise auch Gouachen, hat er seinem literarischen Werk bildlichen Ausdruck verliehen.1 Anscheinend hat sich Gessner der Nachfolge des antiken Dichters und Vorbildes als würdig erwiesen, wird er doch von Zeitgenossen überschwänglich als „neuer Theokrit“ bezeichnet oder als „Sänger des goldenen Zeitalters“. Diesem Urteil schließt sich auch Johann Georg Sulzer in seiner Allgemeinen Theorie der Schönen Künste an und führt in seinem Artikel zum Hirtengedicht Gessner als den besten Schäfer-dichter seit Theokrit an.2

Im Vorwort zu seinen Idyllen greift Gessner den Topos von Arkadien auf, wenn er schreibt, oft reiße er sich aus der Stadt los und fliehe in einsame Gegenden, „[...] dann entreißt die Schönheit der Natur mein Gemüth allem dem Ekel und allen den wiedrigen Eindrüken, die mich aus der Stadt verfolgt haben [...]“ und er fühlt sich „[...] glüklich wie ein Hirt im goldnen Weltalter und reicher als ein König.“3 Schlüs-selbegriffe zu seinem Idyllenverständnis sind „Natur“ und „Gemyth“, die als typisches Vokabular der Empfindsamkeit die gesamte Vorrede durchziehen. „Sie kennzeichnen das neue Naturgefühl und die stark emotional gefärbte, subjektive Komponente, die Gessners Idyllenwelt zugrundeliegen und diese von allen früheren Pastoralen abhebt.“4 Gessner entwirft ein Gegenbild zu seiner Lebenswirklichkeit, in dem die Menschen in einer natürlichen Lebensweise im Einklang mit der Natur leben. Dieser Naturzustand schafft eine konfliktlose Welt, in der die Menschen unreflektiert richtig und gut handeln. Doch übt der Autor indirekt Kritik an seiner Zeit: er versetzt seine Geschichten in ein entferntes Weltalter, da sie dadurch, seiner Argumentation folgend, einen höheren Grad der Wahrscheinlichkeit erhalten, „[...] weil sie für unsre Zeit nicht passen, wo der Landmann mit saurer Arbeit unterthä-nig seinem Fürsten und den Städten den Überfluß liefern muß, und Unterdrückung und Armuth ihn ungesittet und schlau und nieder-trächtig gemacht haben.“5 Seine Kunst entspricht deswegen sowohl im Text als auch in der bildlichen Umsetzung idyllischen und arkadischen Vorstellungen fernab der Realität. In Gessners Kunst sieht man keine hässlichen Dinge oder Furchtbares. Die Idyllen schildern Einfachheit, Natürlichkeit und Unschuld, Ruhe, Zufriedenheit, eine Mäßigung der Leidenschaften und Empfindungen, zärtliche Liebe, Genügsamkeit im Leben, wie es sich vor allem auf dem Lande finden lässt. Arkadien als Land des verlorenen Goldenen Zeitalters stellt sich als eine kleine überschaubare Welt, als locus amoenus dar, die sich aus verschiedenen Elementen zusammensetzt: ein lieblicher Naturausschnitt, durch den ein Bächlein rauscht oder in dem eine Quelle sprudelt, umgeben von üppiger Vegetation. Die Einwohner dieses Traumlandes sind Hirten und Schäfer, die nicht bei der täglichen Arbeit gezeigt werden, sondern wie sie sich ausruhen, tanzen, feiern und musizieren, wie schon der Hirtengott Pan.Der ideale Charakter dieser Wunschwelt wird durch antike Elemente betont und dadurch überhöht, dass sich Pan und mythologisches Per-

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sonal wie Nymphen und Satyrn zu den Hirten gesellen und das Gött-liche der Natur versinnbildlichen. Die Anwesenheit dieser niederen Gottheiten enthebt die arkadische Hirtenwelt endgültig der Realität.6

In der Kunsttheorie des 18. Jahrhunderts ist der ursprünglich literari-sche Begriff des Arkadischen unbekannt. Im Zusammenhang mit der Pastorale finden Bestandteile der heutigen Vorstellung von Arkadien Erwähnung, ohne aber speziell arkadisch genannt zu werden. Roger de Piles unterscheidet 1708 beispielsweise nur die heroische von der pastoralen Landschaft ohne eine weitere Unterteilung der Pastorale in die ideal-arkadische und die bukolische Landschaft oder die Idylle vorzunehmen.7 Eine Trennung von Arkadien und Idylle in der Lite-ratur nimmt erst Herder vor, er lehnt aber Gessners Idyllen ab.8 Auch Hagedorn trifft 1762 keine Unterscheidung zwischen den einzelnen Landschaftsgattungen. Zwar differenziert er zwischen dem heroischen und dem landmäßigen Stil, begründet diese Unterscheidung aber nur aufgrund der jeweiligen Staffage – diese Ansicht ist im 18. Jahrhundert allgemein verbreitet. Speziell den Hirtenszenen widmet Hagedorn ein eigenes Kapitel, in dem er aber nur betont, dass die Hirten in einer in sich abgeschlossenen Landschaft dargestellt werden sollen, also inner-halb eines locus amoenus.9 Gessners künstlerische Intention lässt sich folgendermaßen umschrei-ben: Die beste Form eines Kunstwerks ist für ihn die einfachste, da sie zugleich die deutlichste Form ist, Gestalt und Sinn also am klarsten zur Geltung bringt. Lieblichkeit des Ausdrucks ist schließlich der End-zweck seiner Kunst, die ergötzen und gefallen soll.10

Die von Gessner beschriebene und verbildlichte Natur ist keine vom Menschen künstlich angelegte Umgebung, aber auch nicht die wilde urwüchsige Landschaft, sondern eine Zwischenstufe, ein behaglich anmutender Rückzugsort, der den Bedürfnissen der Menschen ent-gegenkommt und sich in seiner Ausprägung den idyllischen Arkadi-envorstellungen annähert. Die literarisch geprägte Vorstellungswelt Arkadiens und der Idylle findet in Gessners Oeuvre bildliche Umset-zung.

Idyllen in Wort und Bild

In Gessners Werk lässt sich ein äußerst enger Bezug zwischen der schriftlichen Fassung der Idyllen und der bildkünstlerischen Umset-zung beobachten, entsprangen Wort und Bild doch dem selben schöp-ferischen Geist – von Bruno Weber mit dem Ausspruch „Gessner illustriert Gessner“ pointiert zusammengefasst.11 Die frühesten künst-lerischen Arbeiten Gessners sind nicht von seinem dichterischen Werk zu trennen, sie entstanden als Vignetten zur Illustration. In seiner theoretischen Abhandlung, dem Brief über die Landschafts-mahlerey, äußert er: „Noch einen wichtigen Rat muß ich dem Künstler andringen: Die Dichtkunst ist die wahre Schwester der Mahlerkunst [...] Beyde spüren das Schöne und Große in der Natur auf; beyde handeln nach ähnlichen Gesetzen [...] Wie mancher Künstler wür-

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de mit mehr Geschmack edlere Gegenstände wählen; wie mancher Dichter würde in seinen Gemählden mehr Wahrheit, mehr mahlendes im Ausdruck haben, wenn sie die Kenntniss beyder Künste mehr verbänden.“12 Gessners Werk ist als Ausdruck dieser Auffassung von einer unauflösbaren Beziehung von Malerei und Dichtung anzusehen. Die Darstellungen seiner Graphiken entspringen zumeist den poetischen Gedanken seiner Dichtung. Als Beispiel sei aus den Neuen Idyllen von 1772 die Geschichte von Thyrsis vorgestellt: (Abb. 1) „Ein reinliches Körbchen voll glänzender Früchte trug sie [Chloe] an der einen Hand; und schamhaft, auch da wo sie keinen Zeu-gen vermuthet, hielt sie mit der andern das Gewand über den jungen Busen vest; [...] So gieng sie auf der Höhe des Hügels vorüber. Aber zween Äpfel fielen vom Körbgen, und hüpften den Hügel hinunter, gerade auf mich, auf mich zu. [...] Ich nahm sie von der Erde, und drückt´ an meine Lippen sie; und so trug ich sie den Hügel hinauf und gab sie dem Mäd-chen wieder; [...] Aber Chloe blickte nieder, sanfte Röthe überhauchte ihre Wangen; sanft lächelnd, und röther, schenkte sie die schönen

Äpfel mir [...]“13. In der Radierung hat Salomon Gessner seine Worte möglichst genau umgesetzt und für die Illustration den wichtigsten Zeitpunkt der Geschichte – das Zusammentreffen – ausgewählt. Er versetzte die Handlung in eine arkadische Landschaft, um den unver-dorbenen Charakter seiner Protagonisten zu unterstreichen, den er in der schriftlichen Form durch Worte wie „reinlich“, „schamhaft“ oder „schüchtern“ beschreibt.Neben seinem dichterischen Werk äußerte sich Gessner auch zur Kunsttheorie seiner Zeit und schildert seinen Werdegang als Künstler sowie sein Vorgehen beim Komponieren einer idyllischen Idealland-schaft.

Gessners künstlerischer Werdegang — sein „Brief über die Landschaftsmahlerey“

In seinem Brief über die Landschaftsmahlerey vom 10. Januar 1770 be-schreibt Gessner seinen Lernprozess als Malerradierer. Wie er darlegt, hatte er sich wohl mit großem Eifer und auch großer Unbefangenheit ans Werk gemacht und bald feststellen müssen, dass sein „[...] Auge [...] noch nicht geübt [war], die Natur wie ein Gemählde zu be-trachten, und [er] wußte die Kunst noch nicht, ihr zu geben und zu nehmen, da wo die Kunst nicht hinreichen kann.“14 Gessner begann, seinen Blick an Vorbildern zu schulen und studierte nach Beispielen

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Abb. 1 Salomon Gessner, Thyrsis reicht Chloe die ihrem Körbchen entfallenen Äpfel, Folge von zehn Blättern zu den Französischen Schriften von 1773, Radierung, 17,6 x 14 cm

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bekannter Künstler. Bildliche Vorlagen fand er in der Kunstsamm-lung seines Schwiegervaters, des Zunftmeisters und Ratsherren Hans Heinrich Heidegger (1711-1763). Denn dessen „Cabinet ist eins der besten in unsrer Vaterstadt“, wußte Johann Caspar Füssli 1770 zu berichten und fügte ergänzend hinzu: „und enthält vornehmlich die besten Stiche nach der Niederländischen Schule [...]“15. Die malerisch ausgeführten und zum Teil kunstvoll komponierten Landschaftsradie-rungen niederländischer Künstler hauptsächlich des 17. Jahrhunderts übten einen besonderen Einfluss auf Gessner aus. Er zog die Blätter systematisch zum Studium heran und schulte Hand und Auge durch das Abzeichnen einzelner Teile. Bäume kopierte er zuerst nach dem Vorbild von Antonie Waterloo (um 1610-1690), als ihm dieses mit Leichtigkeit von der Hand ging, zog er Stiche von Herman van Swa-nevelt (um 1600-1655) und Nicolaes Pietersz. Berchem (1620-1683) hinzu. Hier wählt er „[...] einen Baum, einem Stamm, ein Gesträuch [...]“16 und kopierte in flüchtigen Entwürfen. Als Vorlage für Felsen wählte er Drucke von Berchem und Salvator Rosa (1615-1673), für Gründe die „[...] grasreichen Gegenden, und die sanften dämmernden Entfernungen [...]“17 Claude Lorrains (1600-1682). Hügel wurden nach Philips Wouverman (1619-1668), Gesträuch, Gras und Kräuter wiederum nach Berchem kopiert und studiert. Nach dieser Schulung seiner Fertigkeiten setzte der Schweizer das Studium nach der Natur fort – „[...] und wie sehr fand ichs leichter!“18 Doch schnell musste er feststellen, dass seinen Entwürfen an Größe und Zusammenhang der Einzelteile fehlte. Immer bestand die Gefahr, sich in Kleinigkeiten und Details zu verlieren. Und so kopierte er erneut nach den Vor-lagen, diesmal jedoch fertigte er „mehr flüchtige als genaue Copien von ihren Landschaften“19 an und versuchte anhand der Vorbilder, die Wirkung der Komposition zu ermitteln. Als äußerst nützlich erwiesen sich Allart van Everdingen (1621-1675), dessen „einfältig“ ländlichen Gegenden mit der „größten Mannigfaltigkeit“ er schätzte, Swanevelts „edle Gedanken“ und Salvator Rosas „wilde Kühnheit“. Besonders hebt er Christian Wilhelm Ernst Dietrich (1712-1774) (vgl. Kat.Nr. 23-24) hervor, als das „[...] gröste Exempel, wie man Nachahmen soll [...].“20 Vorzügliche und wahre Größe aber fand Gessner im Vorbild von Nicolas Poussin (1594-1665) und Claude Lorrain: „es ist nicht blos Nachahmung der Natur, wie man sie leicht findt; es ist die Wahl des Schönsten.“21

Durch diese Schule des Sehens eignete sich der Schweizer die Grund-prinzipien einer ausgewogenen Anordnung der Einzelteile zu einer gelungenen Gesamtkomposition an und sah sich nun gewappnet, ei-gene Bildideen umzusetzen. Seine Teilstudien nach der Natur lassen sich an erhaltenen Skizzen und Zeichnungen verdeutlichen.Die Weidenstudien (Abb. 2-3) sind ein sprechendes Zeugnis dafür, wie Gessner sich einem Gegenstand annäherte: Zunächst versuchte er, sich verschiedene Ansichten des Gegenstandes einzuprägen, damit das Auge sich daran gewöhnt, in der Natur das zu bemerken, was „mah-lerisch schön ist [...]“22. Er übte seine Fähigkeiten sowohl im Detail,

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als auch in der Anordnung mehrerer Bäume. Teilweise studierte er besonders die Rindenstruktur, dann Details wie eine Asthöhle. Die Weidenstudien sind sowohl als Gedächtnisstütze für folgende Kom-positionen entstanden, dienten aber auch der Schulung der zeichneri-schen Fähigkeiten. Wie diese Vorlagen schließlich ihre Umsetzung in die Radierung fanden, verdeutlicht das Blatt Der Jüngling fischt Daphne den Blumenstrauß aus dem Wasser (Abb. 4): Am linken Bildrand steht Daphne, das Kleid sorgsam hochgerafft, damit es nicht nass wird, während sie die Füße zur Kühlung in den kleinen Bach taucht. Sie wähnt sich unbeobachtet, doch hinter drei Weidenbäumen, im Schat-ten verborgen, sitzt ein Jüngling am Bächlein und beobachtet seine Angebetete. Die Weiden sind prominent ins Bild gesetzt und teilen die Komposition in den dunkleren Vordergrund und den von der Sonne erhellten Mittelgrund. Aus den Studien lässt sich kein genaues Vorbild für diese Weidengruppe ermitteln, doch sind alle wichtigen Elemente festgehalten: die knorrigen, leicht gedrungenen Baumstämme mit ih-rer borkigen Rinde, die Verkröpfungen des Stammes am Astansatz, der durch das jährliche Zurückschneiden der jungen Triebe entsteht, und schließlich die belaubten Äste der Baumkrone. Dieses synthetische Vorgehen entspricht den Schilderungen Gessners über sein Studium, wie er es im Brief über die Landschaftsmahlerey dargelegt hat.Diese Schilderung von Methode und Zielsetzung seines Selbststudi-ums erinnert an die Malerausbildung der Zeit. Gessner selbst erwähnt

in seiner theoretischen Schrift die Malerschule von Gerard de Lairesse (1641-1711). Dessen Gründliche Anleitung zur Zeichenkunst, die zunächst 1701 in Amsterdam erschien, ab 1705 auch auf deutsch verlegt wurde, war die am weitesten verbreitete Zeichenlehre. In seinem Text entwirft Lairesse einen Studienplan in zwölf Etappen als Übung für junge Zeichner in Meisterwerkstätten und Schulen. Der Schü-ler wird angehalten, nach den Vorbildern des Buches zu kopieren und so die Feinmotorik der Hand zu schulen. Auch hier findet das Studium an Einzelteilen statt, allerdings steht der menschliche Körper im Mittelpunkt des Interesses – trotzdem wird das Prinzip deut-lich, das Gessner beschreibt. Zunächst wird nach Vorlagen kopiert und die Sicherheit an Einzelteilen und Details geübt, bevor die Ein-bindung in den Kontext stattfindet.23 Christian Ludolph Reinhold (1739-1791) konzipierte in seinem Werk Das Studium der Zeichenkunst und Mahlerey für Anfänger von 1773/4 den Zeichenunterricht nach einem vergleichbaren Grundmuster. Nach der Einübung der Ele-mentarlinien soll sich der Schüler an geome-

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Abb. 4 Salomon Gessner Der Jüngling fischt Daphne den entfallenen Blumenstrauß aus dem Wasser, Folge von zehn Blättern zu den Französischen Schriften von 1773, Radierung, 17,4 x 14,2 cm

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trischen Grundformen schulen, die dann in kleine Genreszenen und schließlich in den sogenannten „Elementarlandschaften“ eingebunden erscheinen, die Reinhold nach Vorbildern der niederländischen und deutschen Kunst entworfen hat. „Die Kunst ist eine Fähigkeit, durch Fleiß, Einsicht und Uebung die schöne Natur nach gewissen Regeln nachzuahmen und sie ins Vollkommene zu setzen.“25

Die Vorstellung, die vollkommene Schönheit sei nicht in der Natur zu finden, sondern entstehe erst durch die Kombination der besten Einzelteile, findet in Anlehnung an die Ideallandschaft in den Zei-chenlehren Ausdruck. Im Gegensatz zur Vedute, dem „Porträt“ einer Landschaft, entsteht die Ideallandschaft durch einen komplexen Kom-positionsprozess, der das Naturstudium bedingt. Die Kombination der Einzelteile zur vollkommenen Schönheit ist die vornehmliche Aufga-be des Künstlers und hier zeigt sich sein Können.26

In den Folgen Landschaften in antikem Geschmack (1767/68) und Zehn Landschaften mit mythologischen Figuren (1769/71) greift Gessner die Ikonographie des typischen Arkadienbildes auf. Hier zieren antike Bauten die Hintergründe und bevölkern Menschen in antikischen Gewändern die Landschaft. Das eigens von Gessner entwickelte Men-schenbild zeichnet sich durch seine idealisierende stereotype Puppen-haftigkeit aus und wurde anhand von antiken Gemmen als Vorlage entwickelt. Er vermeidet individuelle oder charakteristische Züge zu-gunsten eines überpersönlichen Idealstils, wodurch sich die Personen in allen Darstellungen gleichen. Das edle Gemüt, dass Gessner in der Dichtung beschreibt, soll in der Malerei durch die äußere Schönheit seiner Akteure zum Ausdruck kommen. Das gleichförmige äußere Er-scheinungsbild aber lässt seine Gestalten eintönig und realitätsfern er-scheinen. Unterstrichen wird diese Wirklichkeitsferne des arkadischen Lebens zusätzlich durch die antikisierende Stilisierung, die in den wohlklingenden griechischen Namen, den an die Antike erinnernden Kleidung sowie in den antiken Musikinstrumenten wie Lyra und Syrinx ihren Ausdruck findet. Gessners arkadisches Menschenbild bot den Zeitgenossen denn auch Anlass zur Kritik: zwar wurde das „subjektive Empfinden“ und die liebevolle Naturbeobachtung lobend unterstrichen, „die Staffage aber als dem Gipssaal entnommene Schat-tenwesen“27 abgelehnt.

Der besondere Verdienst Gessners besteht darin, den Arkadienge-danken aus der Dichtung gelöst und als Bildthema in die Graphik integriert zu haben. Zwar war während des Barock dieses Motiv in der deutschen Malerei schon heimisch, aber nie von besonderer Relevanz. Durch seine Dicht- und Bildkunst machte Gessner die Idylle zu einem gefragten und beliebten Sujet. Nach Gessners großem Erfolg und der weiten Rezeption der Idyllen werden Arkadien und das Goldene Zeit-alter fast synonym verstanden und stehen für ein friedliches, glückli-ches Sein im Zustand der Unschuld in einer konfliktfreien Welt, die die Einheit von Mensch und Natur beinhaltet.28

Während in der klassizistischen Malerei die Arkadien-Idee ein „Gol-

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Abb. 2 Salomon Gessner, Weidenstudien, Stift auf Papier

Abb. 3 Salomon Gessner, Weidenstudien, Stift auf Papier

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denes Zeitalter“ erlebt, verliert es in der Dichtung zunehmend an Be-deutung. Gessners Idyllen- und Arkadienbild stellt in der deutschspra-chigen Dichtung einen Höhepunkt und das gleichzeitige Ende dar. Herder lehnte als erster und in aller Deutlichkeit die arkadische Idylle ab und formulierte in seiner Abhandlung Theokrit und Geßner einen neuen programmatischen Anspruch an die Idylle: Sie soll nicht das Ideal der Vollkommenheit propagieren und sich nicht die moralische Besserung der Menschen zum Ziel setzen, sondern Naturwahrheit. Die Schilderung charakteristischer ländlicher Züge soll die arkadische Hirtenwelt ersetzen.29

Carl Wilhelm Kolbe d. Ä.

Nicht nur die Idyllen Gessners fanden großen Anklang bei den Zeit-genossen, auch das bildkünstlerische Werk wurde rezipiert. Carl Wil-helm Kolbe zählt zu den Bewunderern Salomon Gessners, und in seinem Werk lassen sich deutliche Einflüsse erkennen.Carl Wilhelm Kolbe, der sogenannte „Eichenkolbe“, wurde am 9. November 1759 als Sohn eines Tapetenmachers in Berlin getauft. Zu-nächst arbeitete er in Dessau und Berlin als Lehrer und Sekretär, bevor er sich 1790 entschloss, ein Kunststudium in der Gipsklasse Carstens’ an der Berliner Akademie zu beginnen. 1795 wurde er ordentliches Akademiemitglied. In seinem graphischen Werk stellt Kolbe vorzugsweise Bäume, beson-ders Eichen dar. In diesem Baum vollzieht sich für ihn die Verschmel-zung von Natur und Arkadien. Die Eiche ist unter den heimischen Gewächsen dasjenige, das die reichsten Verbindungen zum Golde-nen Zeitalter zulässt, nährten sich doch die Arkadier von Eicheln! So schrieb Johann Heinrich Voss: „Vor Ceres Geschenk lebten die Menschen von Baumfrüchten, oder, weil Baum vorzugsweise Eiche bedeutet, von Eicheln.“ Die Eiche dominiert Kolbes Werk und steht zumeist in prominenter Position als ‚Baumporträt’ im Vordergrund der Landschaft. In Dessau boten sich ihm ideale Schaffensbedingungen: „Ungeheure Eichenwälder, die aus mehr als hundertjährigen Stäm-men bestehen, und bis zur Krone hinauf mit dem dichtesten Laub prangen [...]“.30

Als prägende Vorbilder Kolbes sind der niederländische Landschaftler Antonie Waterloo und Salomon Gessner zu benennen. Aus Briefen und seinem selbstverfassten „Lebenslauf“ ergeben sich hinsichtlich der Kunst- und Arkadienauffassung Differenzen zu der des Schweizers, die sich auch in Kolbes graphischem Werk niedergeschlagen haben. Grundlage und Ziel seines Schaffens umschreibt Kolbe folgenderma-ßen: „Und das Bestreben, diese Gegenstände so wahr und lebendig wieder darzustellen, als ich sie innig fühlte, ist mein vorzüglichstes Bestreben gewesen. Alle übrigen Teile der Kunst, Composition, Grup-pierung, Beleuchtung usw. habe ich vor der Hand diesem einzigen untergeordnet. Rien n´est beau que le vrai; le vrai seul est aimable! hat schon Boileau von der Dichtkunst gesagt, und was in Ansehung dieser

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gilt, das gilt auch von dem darstellenden Künstler. Nur Wahrheit und Lebendigkeit im Ganzen wie in den Details, [...] der dem unbefange-nen Zuschauer den unwillkürlichen Ausruf abpreßt: Das ist wirkliche Natur! [...]“.31 Während Gessner in seinem Landschaftsbrief darlegt, wie er insbesondere Komposition und Gruppierung nach radierten Vorlagen studiert und einübt, da ihm die Arbeit nach der Natur nicht ausreicht, betont Kolbe die Gültigkeit des Vorbilds der Natur, nach dem er sich richtet.Und trotzdem benennt Kolbe neben Antonie Waterloo auch Salomon Gessner als Vorbilder für sein Vorhaben, im künstlerischen Ausdruck wahr und schlicht zu sein. Über Gessner schreibt Kolbe: „Wüßte man es nicht aus seinen Gedichten, so würde man es aus seinen radierten Blättern sehen, daß dieser Mann die Natur in jedem Kraut, in jedem Halme fühlte [...].“32 Wie oben beschrieben, konstruiert Gessner seine idyllischen Welten und nutzt einzelne Versatzstücke für die Komposi-tion einer Ideallandschaft. Kolbe bezieht sich eher auf die Idyllenvor-stellung, das Unverfälschte in der Natur und dem Landleben, als auf Gessners künstlerisches Vorgehen. An Waterloo hebt er bewundernd hervor, dass dessen Kompositionen sich in den Waldlandschaften um Dessau finden lassen – hieran fesselte ihn die Ungezwungenheit und das natürliche Abbild der Natur. Kolbe zeichnete nach der Natur und möglicherweise richtete er sich für die Blattaufteilung teilweise nach dem Gesehenen, gewiss jedoch nicht für seine Baumdarstellungen. Diese knorrigen, gewundenen, uralt anmutenden Eichen wird er kaum in dieser kunstvollen Ausfor-mung in der Natur vorgefunden haben. Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass auch er die besten Teile einzelner Bäume zu seinen ‚Idealeichen‘ kombinierte.Dass ihn die Ideenwelt der Gessnerschen Idyllen beeinflusste, lässt sich am Beispiel von Palämons Eiche verdeutlichen. (Vgl. Martens, Nr. 18, Tafel 10) Das Thema stammt aus Gessners Idylle Idas und Mycon: Palämon, ein Schäfer in Arkadien, erfährt von der Armut seines Nach-barn. Er opfert Pan und bittet ihn, seine Herde reichlich zu vermeh-ren, damit er die Hälfte dem Nachbarn überlassen kann. Pan erfüllt die Bitte, und zum Dank pflanzt Palämon eine Eiche. In Gessners Idylle wird diese Geschichte Jahrhunderte später von Idas und Mycon nacherzählt. Die beiden Hirten treffen sich im Schatten des Baumes und rühmen die selbstlose Tat nachbarlicher Hilfe.33 Auch wenn sich Kolbe an Gessners Schriften orientiert hat, werden in dieser Radierung doch die Abweichungen der Arkadienvorstellung von seinem Vorbild deutlich. Der Schweizer beschreibt in der Idylle einen typischen locus amoenus, die Eiche erscheint von steilen Felswänden umgeben, in denen die Ziegen klettern; wilde Rosenbüsche wachsen am Fuße des Baumes – all diese Elemente fehlen in Kolbes Landschaft. Hier steht die gewaltige, bedrohlich schräg gewachsene Eiche in einer Auenland-schaft mit sumpfig verwildertem Gelände und einem Ausblick auf eine Burgruine. Das Liebliche der Gessnerschen Arkadienwelt fehlt. Der Landschaftsausschnitt ist größer gewählt, die Personen sind im

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Vergleich zur sie umgebenden Natur kleiner gezeigt, wodurch der inti-me Charakter der Blätter schwindet. Statt dessen vermittelt Kolbe den Eindruck von Naturgewalt. Kolbe wählte für seine Radierungen teilweise ein fast monumentales Format. Hatte sich die Radierung doch vornehmlich an einen engen Kreis von Sammlern und Liebhabern gerichtet und eine Neigung zum Kleinformat aufgewiesen, steigert er das Format auf die Größe mittle-rer Bildformate.34

Die Kräuterstücke

Neben den Eichendarstellungen ist in Kolbes Schaffen besonders auf die sogenannten Kräuterstücke hinzuweisen. Dabei handelt es sich um die Erfindung eines neuen originellen Bildthemas, das Kompositionen aus wuchernder Sumpf-Vegetation zeigt. Die Kräuter erscheinen im Vergleich zu Personen und sonstigen Attributen unverhältnismäßig groß. Anregungen zu diesen Entwürfen fand Kolbe in Gessners Vig-netten (Abb. 5). In dem 1801 ausgestellten Kräuterstück Et in Arcadia Ego (vgl. Kat.Nr. 46) wird erstmals deutlich, dass diese Sumpfgegenden in Kolbes Inter-pretation Arkadien meinen, auch wenn die Vorstellung von Anfang an in den Kräuterstücken impliziert war. Es handelt sich hierbei um eine sehr persönliche Sichtweise von Kolbe, ist doch die Vorstellung Arka-diens als eine üppige Sumpflandschaft nicht geläufig. Nachvollziehbar wird diese Darstellung durch die Verbindung von Pan und Schilf und den an das Goldene Zeitalter erinnernden Charakter Arkadiens.35 Diese Arkadien-Vorstellung wird durch das im folgenden Jahr ent-standene Kräuterstück mit dem Leierspieler am Brunnen vertieft (vgl. Kat.Nr. 47). Auch wenn die Kräuterstücke auf den ersten Blick pflan-zenreich, üppig und detailliert wirken, so beschränken sie sich doch auf ein bestimmtes Pflanzenrepertoire: etwa zehn bis zwölf unter-schiedliche Pflanzenarten lassen sich pro Blatt unterscheiden und bo-tanisch bestimmen. Als Hauptmotiv der Blätter taucht regelmäßig die Große Klette auf (vgl. Kat.Nr 46, am linken Bildrand), ebenso Schilf, in den meisten Fällen von der Zaunwinde umrankt (vgl. Kat.Nr. 45). Des weiteren sind Wasserampfer, Löwenzahn, Wegerich, Efeu, Bren-nessel, ferner einige Dolden- und Korbblütler vertreten.36 Komplizierte Blüten- und Blattformen fehlen. Die Vegetation ist immer im spätsom-merlichen Zustand dargestellt. Zur Frage, ob und in welchem Maße Kolbe Naturstudien betrieb, schreibt er in seinem „Lebenslauf“ von 1825 (S. 12): „Meine [...] Kräutergruppen habe ich im Ganzen wie in ihren Einzelheiten, meiner alteingerosteten Sitte gemäs, blos aus mei-nem Kopf gesogen; und ich gestehe gern, dass ich Unrecht und sehr Unrecht gehabt. Ihre vielleicht nicht ganz reizlosen Formen mögen das Auge des Nichtkenners bestechen; den prüfenden Blik des Natur-beobachters können sie nicht aushalten.“37 Die Pflanzendarstellungen entsprechen also nicht einer genauen Naturbeobachtung; die zeitglei-chen wissenschaftlichen Untersuchungen und Forschungen übten anscheinend wenig Einfluss auf die Naturstudien Kolbes aus.38

Abb. 5 Salomon Gessner, Schlussvignette zu Daphnis und Mycon in den Contes moraux et nouvelles idylles von 1773, Radierung

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Kolbe und Gessner

Die große Verehrung, die Kolbe Salomon Gessner und dessen Werk entgegenbrachte, führte zu einer „indirekten“ Zusammenarbeit: Im Januar 1805 folgte Kolbe einer Einladung der Buchhandlung Gessner in Zürich, um dort eine Reihe von nachgelassenen Gouachen Salomon Gessners in Radierungen zu reproduzieren. Nach seiner Rückkehr im Sommer 1808 nach Dessau scheint die langjährige Bewunderung für den Schweizer jedoch geschwunden zu sein; Kolbe schreibt als Randnotiz an eine Radierung „Sie werden darin [in der Behandlung des Baumschlages] das Bestreben merken, zu meiner alten, wilderen Manier zurükzukehren. Denn ich fühle wol dass die gessnerschen Niedlichkeiten mich verdorben haben.“39

Hierin, in der Lieblichkeit der Darstellung, scheint der grundlegende Gegensatz zwischen der Arkadienvorstellungen von Gessner und Kol-be zu liegen: Im Werk Gessners wird der Betrachter möglichst nahe an die Szenerie herangeführt, die in einer idyllisch beruhigten Land-schaft liegt. Die Personen in ihrem zeitlosen Stil wirken niedlich und harmlos, alles scheint stillzustehen. Die Radierungen Kolbes hingegen führen dem Betrachter größere Landschaftsausschnitte vor Augen, die zumeist von einer alten knorrigen Eiche beherrscht werden. Die Per-sonen, Anhaltspunkt für den Größenmaßstab, schrumpfen und lassen die Natur gewaltiger erscheinen – Kolbe ‚heroisiert’ die Eichen. Die Dynamik, die von diesen Bäumen ausgeht, und der teilweise unver-stellte Ausblick in die Ferne fehlen den abgeschlossenen Landschafts-räumen Gessners. In der Radierung Et in Arcadia ego lässt Kolbe Vani-tasgedanken anklingen – ein Aspekt, der im Werk des Schweizers von der Darstellung ausgeschlossen bleibt.40

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1 Zum Leben Salomon Gessners vgl. Leemann-van Elck 1930; Ausst.Kat. Köln 1984, S. 76f.

2 Johann Georg Sulzer, Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Bd.2, Leipzig 1792, Reprint 1967, S. 580-622.

3 Gessner 1988, S. 15.4 Maisak 1981, S. 204.5 Gessner 1988, S. 16.6 Ausst.Kat. Köln 1984, S. 66.7 Piles 1708, S. 200ff.8 Johann Gottfried Herder, Über die neuere Deutsche Litte-

ratur. 2. Sammlung von Fragmenten. 1767, Theokrit und Gessner. In: Sämtliche Werke. Hg. v. Suphan. Bd.1. Berlin 1877, S. 341ff.

9 Vgl. Hagedorn 1762, Bd. 1, S. 349-357.10 Maisak 1981, S. 207.11 Weber 1980, S. 107.12 Gessner 1988, S. 184; vgl. Maisak 1981, S. 203: Sie verweist

darauf, dass Gessner in seinem Brief über die Landschafts-mahlerey völlig unbeeinflusst ist von Lessings kritischer Widerlegung der „ut pictura poesis“ –Theorie (Lessing, Laokoon oder über die Grenze der Malerei und Poesie, 1766).

13 Gessner 1988, S. 109.14 Gessner 1988, S, 174.15 Weber 1980, S. 112.16 Gessner 1988, S. 176.17 Gessner 1988, S. 177.18 Gessner 1988, S. 177.

19 Gessner 1988, S. 180. 20 Gessner 1988, S. 179.21 Gessner 1988, S. 179.22 Gessner 1988, S. 176.23 Vgl. Dickel 1987, S. 177-192; Kemp 1979, S. 133f.24 Dickel 1987, S. 219-230.25 Dickel 1987, S. 220.26 Vgl. Busch 1993, S. 329.27 Maisak 1981, S. 212.28 Zur weiteren Entwicklung des Arkadiengedankens in

Kunst und Natur siehe Maisak 1981, S. 213-220.29 Johann Gottfried Herder, Über die neuere Deutsche Litte-

ratur. 2. Sammlung von Fragmenten. 1767, Theokrit und Gessner. In: Sämtliche Werke. Hg. v. Suphan. Bd.1. Berlin 1877, S. 341ff.

30 Martens 1976, S. 14.31 Martens 1976, S. 16.32 Martens 1976, S. 16.33 Gessner 1988, S. 22f.34 Mit ca. 57 x 74 cm gehört die Radierung Die Erfindung

des Gesanges zu den größten Blättern Kolbes, vgl. Martens 1976, S. 119, Nr. 280, Abb. 23.

35 Martens 1976, S. 27.36 Martens 1976, S. 28.37 zitiert nach Martens 1976, S. 28.38 Vgl. Aufsatz von Julian Jachmann in diesem Band.39 Martens 1976, S. 30.40 Ausst.Kat. Köln 1984, S. 66.

Idylle und Arkadien

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Eine Serie von römischen Veduten und Landschaftsbildern bot Anfang der 1790er Jahre Anlass zu einem heftigen Streit. Der Zwist entspann sich zwischen dem Maler Johann Christian Reinhart und dem Kupfer-stecher Wilhelm Friedrich Gmelin und fand in scharfen Wortwechseln, unlauteren Machenschaften und einem bitterbösen Beschwerdebrief Ausdruck. Ausgangspunkt des Zanks bildeten die Mahlerisch radirten Prospecte von Italien. Reinhart teilte im April 1792 dem Nürnberger Verleger Johann Friedrich Frauenholz brieflich mit, dass er sich mit dem Gedanken trage, eine Sammlung von den „schönsten römischen Prospecten und Ruinen malerisch radiert“ herauszugeben.1 Da seine ersten Bemühungen, fünf französische Maler als Mitarbeiter zu ge-winnen, fehl schlugen, bat er seine deutschen Kollegen Christian Al-bert Dies und Jacob Wilhelm Mechau, an dem geplanten Großprojekt teilzunehmen. Innerhalb von nur einem Jahr sollte jeder der Künstler 24 Radierungen von verschiedenen Gegenden Roms und Umgebung anfertigen. Monatlich sollte ein Heft zu je sechs Blättern herausge-geben werden, so dass dem Käufer nach Jahresfrist eine Sammlung von 72 römischen Ansichten vorliegen würde. Letztendlich zog sich die Ausführung über mehrere Jahre hin, und erst 1798 erschienen die letzten Radierungen auf dem Markt; an der Grundkonzeption änderte dies aber nichts.2

Bereits im September 1792 lag das erste, zwölf Blätter umfassende Heft vor (vgl. Kat.Nr. 56-58), und im folgenden Jahr konnte Frauen-holz weitere Graphiken veröffentlichen. Der Erfolg, den die römischen Prospecte hatten, wurde von Kollegen in Rom aufmerksam verfolgt und führte den Kupferstecher Gmelin dazu, Reinhart darum zu bitten, sich an dem Projekt beteiligen zu dürfen. Die sich daraus entwickelnden Streitigkeiten sind durch einen Brief Reinharts an Frauenholz vom 6. Februar 1795 gut belegt.3 Offensichtlich waren dem Nürnberger Verleger die Angelegenheiten bruchstückhaft zu Ohren gekommen, so dass er sich bei Reinhart nach den genauen Vorfällen erkundigte.4 Reinhart berichtete ihm, dass schon bald nachdem die „ersten Hef-te“ erschienen waren, Gmelin seine Mitarbeit angeboten habe, die er jedoch mit den Worten abgelehnt habe, „daß es nicht angehe weil die Sachen malerisch und nicht kupferstecherisch gemacht sein müsten“.5 Zudem seien mit Frauenholz schon die entsprechenden Verhandlun-gen geführt und abgeschlossen worden. Wolle Gmelin dennoch eine ähnliche Sammlung fertigen, stehe es ihm frei, sich mit „einigen an-deren Kupferstechern“ zusammenzuschließen, „weil doch das maleri-sche Radiren ein Ding ist was dem Kupferstecher nicht leicht glückt“. Da Reinhart ihm jegliche Information über den Preis verweigerte und alle Anstrengungen des Kupferstechers, dies in Erfahrung zu bringen, fehl schlugen, hatte Gmelin schließlich bei dem Drucker, der die Pro-beabdrucke erstellte, ungefragt die Kupferplatten der drei Maler ver-messen. In gleicher Größe fertigte er nun seinerseits Ansichten, geleitet von dem Vorsatz, „er wolle sie auch malerisch radieren“. Noch im Jahr 1792 hatte er die ersten Platten gearbeitet (vgl. Kat.Nr. 59-62) und sie Reinhart zur Ansicht vorgelegt, mit der abermaligen Bitte, sich an dem

„was hat Der kupferstecher unter Den malern zu thun?“eIn streIt um DIe malerIsche nachahmung Der natur

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Projekt beteiligen zu dürfen. Da die Antwort wiederum negativ ausfiel, habe Gmelin – so Reinharts Bericht – das falsche Gerücht verbreitet, dass Reinhart, Dies und Mechau ihm zuerst die Mitarbeit zugesagt hatten, so dass er die ersten Platten angefertigt habe. Daraufhin sei er von den drei Malern schmählich im Stich gelassen worden, weshalb er nun ohne Abnahmegarantie auf seinen Radierungen sitze. Reinharts Schilderung der Querelen schließt mit dem empörten Ausruf: „Was hat der Kupferstecher unter den Malern zu thun?“Der Streit um die Ansichten Roms dreht sich um einen lukrativen Auftrag, der für eine längere Zeit ein festes Einkommen sicherte. Das Kernproblem bildete jedoch die Frage nach dem Wesen des „Maleri-schen“ sowie „Kupferstecherischen“ und gipfelte letztendlich in der Suche nach der malerischen Nachahmung der Natur. In dem Zwist stehen sich Reinhart und Gmelin gegenüber. Im tiefsten Grunde aber standen keine persönlichen Antipathien zur Debatte, sondern das zu dieser Zeit vorherrschende Künstlerbewusstsein.

Radierung – Kupferstich

Reinharts vehemente Ablehnung, einen Kupferstecher in die Gruppe von Malern aufzunehmen, resultiert aus den sehr verschiedenen Auf-gaben, die der Druckgraphik – dem Kupferstich und der Radierung – im 18. Jahrhundert zukamen. Reproduktionen von Gemälden wurden meist mit dem Grabstichel gestochen, während Landschaften mittels der Radiernadel gefertigt wurden. Die unnatürliche Handhabung des Grabstichels (Abb. 1) erfordert eine langjährige Übung, und das Ein-

graben der Linien in die Kupferplat-te verlangt Geduld und Genauigkeit. Mit der Radiernadel dagegen lässt sich leicht die Zeichnung auf die mit Harz überzogene Kupferplatte eintragen. Johann Caspar Füssli be-schreibt diese Arbeitsweise treffend: „Das Radiren ist fast nichts anders, als zeichnen, und geschieht eben so leicht.“6 Die einfache Ausführung einer Radierung ließ diese zu einem Medium werden, an dem sich Laien gerne versuchten. Goethe und Hage-

dorn (vgl. Kat.Nr. 20-22) sind die bekanntesten der vielen Dilettanten, die diese Technik für sich entdeckten.An den Kunstakademien in Leipzig und Dresden gehörte seit ihrer Gründung im Jahr 1764 der Kupferstich neben der Malerei, Bildhau-erei und Architektur zum Lehrprogramm. Das Schwergewicht der Ausbildung lag auf der Herstellung von Vignetten und Titelkupfern für den Buchdruck sowie der Reproduktion von Gemälden.7 Dieser Obliegenheit kamen in Dresden die Professoren für Kupferstich, Giuseppe Camerata, Giuseppe Canale und Lorenzo Zucchi, nach.8 Hagedorns Bestrebungen gingen jedoch dahin, auch die Landschafts-

Abb. 1 Denis Diderot, L’ Encyclopédie, Paris 1751, Bd. VII

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graphik zu fördern. Nach längeren Bemühungen konnte er schließlich Adrian Zingg für diese Aufgabe gewinnen, der im Juni 1766 nach Dresden zog.9 Zinggs Arbeitsweise stand der seiner italienischen Kollegen diametral entgegen. Statt Gemälde abzuzeichnen und die Skizze in mühevoller Arbeit mittels des Grabstichels auf die Kupfer-platte zu übertragen, zog er mit seinen Studenten in die freie Natur, um dort zu zeichnen.10 Im Atelier fertigte er nach den eigenen Skizzen Landschaftsradierungen an. Zudem lehnte er entschieden ab, an dem großen, mit Kupferstichen versehenen Galeriewerk mitzuarbeiten, das unter Carl Heinrich von Heinecken, dem Direktor der fürstlichen Ge-mälde- und Kupferstichsammlung, begonnen worden war.11 An dem umfangreichen Bestandskatalog der sächsisch königlichen Galerie, der 1771 auf dem Markt erschien, waren statt dessen Camerate, Canale und Zucchi beteiligt.12

Ein Überblick über die Beurteilung des Kupferstichs und der Radierung in Deutschland fehlt bisher. Für Frankreich hat Norberto Gramaccini die Debatte um die Druckgraphik, die während des gesamten 18. Jahr-hunderts geführt wurde, gründlich aufgearbeitet. Favorisierte man zu Anfang des Jahrhunderts die Radierung, so wurde nach 1750 der Kup-ferstich höher geschätzt und gegen Ende des Jahrhunderts sprach man sich für eine Mischtechnik aus. Begründet wurden die jeweiligen Prä-ferenzen mit dem Charakter der beiden Techniken. Dem Kupferstich sprach man Qualitäten wie klassisch, professionell oder akademisch zu, während die Radierung als malerisch galt und deshalb für weniger bedeutende Themen (petite genre) geeignet sei.13 Dass sich die Wahl der Drucktechnik nach dem darzustellenden Sujet zu richten habe, spiegelt sich in Wiliam Gilpins Abhandlung über Kupferstiche wider, die 1768 aus dem Englischen übersetzt auch in Deutsch erschien.14 Der Autor hebt die freie Linie der Radiernadel hervor, die ein Grab-stichel niemals erzeugen könne. Deshalb sei die Landschaft mit Bäu-men, Blättern, Wolken und Luft „der wahre Gegenstand der Radier-nadel“.15 Die Ansicht Gilpins machte sich auch Johann Caspar Füssli zu eigen, der in seinem 1771 erschienenen Raisonirenden Verzeichniß stellenweise wörtlich die deutsche Übersetzung des englischen Werkes übernimmt. So führt auch er die Passage über die Eignung der Radie-rung für Landschaften auf.16 Die gleiche Überzeugung spiegelt sich noch in Adam Bartschs Kupferstichkunde von 1821 wider. Obwohl er den Kupferstich als die edelste Art der Graphiken preist, räumt er ein, dass er sich für die Anfertigung von Landschaftsbildern nicht eigne, da diese eine freie Ausführung fordere, ja sogar „eine Art von künstlicher Unordnung und Rauhigkeit“. Diese Effekte könnten mit der Radier-nadel aufs Vortrefflichste erzeugt werden, während dem Grabstichel stets eine „Steifheit“ anhafte, die dem Thema nicht entspreche.17

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Naturnachahmung – Kopie

Radierung und Kupferstich wurden zwar die unterschiedlichen Auf-gaben von Landschaftsdarstellung und Reproduktion zugeordnet, dies zog jedoch nicht zwangsläufig eine ungleiche Wertschätzung der Techniken nach sich. Die Wiedergabe von Gemälden wurde im 18. Jahrhundert nicht von vornherein als ein unschöpferischer, auf das bloße Kopieren beschränkter Akt verstanden. In Paris etwa sah man um die Jahrhundertmitte Graphiken nach Gemälden als eine selbstständige Leistung an, da die Übertragung eines Bildes von einem Medium in ein anderes eine geistige Arbeit sei. Der Kupferstich sei keineswegs eine reine Kopie, sondern eine Interpretation und Überset-zung des Gemäldes, die den schaffenden Geist des Stechers erkennen lasse.18

In England dagegen wurde der Reproduktionsgraphik weniger Wert-schätzung entgegen gebracht. So lehnte es die Royal Academy in London grundsätzlich ab, das Kupferstechen in den Lehrplan aufzu-nehmen und Kupferstecher erhielten keine Lehrerlaubnis. Der Maler und königliche Kupferstecher Francesco Bartolozzi wurde deshalb im Mitgliederverzeichnis nur als Maler geführt. Für den Ausschluss dieser Kunstgattung wurde die Begründung gegeben, dass ihr „those intellec-tual qualities of invention and composition“ fehle. Statt dessen liege ihr größter Vorzug allein „in translating with as little loss as possible the original arts of design“.19

Für Deutschland lassen verschiedene Äußerungen von Künstlern und Kunstschriftstellern Tendenzen der Bewertung von Graphik erkennen. Salomon Gessner etwa spielt 1772 in seinem Brief über die Landschafts-malerei auf das Kopieren der Kupferstecher an, wenn er bemängelt, dass ihr hauptsächliches Anliegen darin bestehe, „andere Werke so genau als möglich nachzubilden“.20 Durch das beständige Nachahmen eines fremden Gemäldes würde ihre eigene Erfindungsgabe und „Ein-bildungs-Kraft“ behindert werden. Die Weigerung Zinggs, Reproduk-tionen anzufertigen, zeigt ebenfalls, dass er dies als eine dem Künstler unwürdige Aufgabe ansah. Doch auch in Deutschland verglich man das Anfertigen eines Reproduktionsstiches mit der Arbeit eines Über-setzers. Nach Adam Bartsch ist das Werk des Kupferstechers zu achten, da dieser sich ganz den Geist des Originals zu eigen machen müsse, um eine angemessene Graphik hervorzubringen.21 In seiner Kupfer-stichkunde zählt Bartsch gar die Kopien gleich den Graphiken nach der Natur zu den „Originalen“. Auch die Reproduktionen seien eine Erfindung, denn dabei würden die Farben und Schatten des Gemäldes in ein überzeugendes Liniensystem umgesetzt. Allein die Anfertigung einer Graphik nach einem anderen Kupferstich sei eine „Kopie“, da ohne Anstrengung des Geistes nur das nachgeahmt werde, was bereits vorgedacht worden sei.22

Wenn die verschiedenen Stimmen die reine Nachahmung als einen unzulänglichen künstlerischen Prozess ablehnen, so wenden sie sich nicht gegen die Naturnachahmung, sondern allein gegen das Kopie-ren fremder Kunstwerke. Dass die Darstellung der Landschaft der

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Erfindungsgabe des Künstlers bedarf, war stets unbestritten, und das künstlerische Schaffen der Maler wurde nie bezweifelt.Der Vorgang der Naturnachahmung und die Aufgabe, die dabei dem Künstler zukommt, wurde in vielen theoretischen Schriften behandelt. Ein Blick auf Reinharts Bibliotheksverzeichnis zeigt, dass er mit dieser Fragestellung und den theoretischen Grundlagen wohl vertraut war. Er besaß die beiden Werke, die für die Kunsttheorie des 18. Jahrhun-derts grundlegend waren: die Réflexions critiques sur la poésie et sur la peinture des Abbé Jean-Baptiste Dubos aus dem Jahre 1719 und die 1746 erstmals erschienene Schrift Les beaux arts réduits à un même prin-cipe von Charles Batteux, die Reinhart in einer deutschen Übersetzung vorlag.23

Erfindung heißt für Batteux nichts anderes als „finden, was ist“. Der Künstler erdichtet nichts, sondern beobachtet die Natur, um dort sei-nen Gegenstand aufzufinden.24 Obwohl das Schaffen eines Kunstwer-kes damit zu einer reinen Naturnachahmung wird, bildet der Künstler die Natur doch nicht ab, wie sie ist, sondern nur in ihren vollkom-mensten Teilen. Deshalb strebt er nicht danach, das „Wahre“ darzustel-len, als vielmehr das „Wahrscheinliche“.25 Der Künstler ahmt folglich nicht „sklavisch“ nach, was er vor Augen hat,26 sondern wählt aus den „Vorrathshäusern“ der Natur aus. Die Naturnachahmung beschreibt Batteux als einen rationalen Akt, der aus dem Beobachten, Erkennen des Vollkommenen, dem Herausnehmen und Zusammenfügen zu einer neuen Komposition besteht.27

Erfinden und Nachahmen gehören für Batteux zusammen und entspringen beide dem Studium der Natur. Der Geist des Künstlers befinde sich aber nicht immer in der rechten Stimmung, die zur wah-ren Naturerkenntnis und –nachahmung nötig sei. Nur im Zustand der „Begeisterung“ (enthousiasme) werde seine Seele bewegt und er sei im Stande, die Wirklichkeit unter einem anderen Blick wahrzu-nehmen.28 Die Fähigkeit, angesichts der Natur in eine schöpferische Begeisterung zu geraten, hebt das Bewusstsein des Künstlers über das der übrigen Menschen hervor und lässt ihn zum „Genie“ werden. Die angeborene Anlage, einen schöpferischen Zustand zu erreichen, macht in der letzten Konsequenz alle Regeln und Normen überflüssig. Betonte noch Dubos, dass die Fähigkeiten des Genies der Ausbildung bedürfen,29 so weist Batteux darauf hin, dass das Genie unabhängig von einem Regelwerk sein Werk schafft.30 Das Urteil über das fertige Kunstwerk fällt das Genie mittels seines „Geschmackes“ (goût). Bat-teux greift diesen Begriff von Dubos auf und setzt ihn erstmals in ein Verhältnis zum Genie. Kommt dem Genie der schaffende Moment zu, so befähigt ihn der Geschmack zu einem angemessenen Urteil.31 Da-mit ist der ingeniöse Künstler weder von einem Regelkodex abhängig, noch von der göttlichen Inspiration, sondern unterliegt allein seinem eigenen, urteilenden Verstand.Den Geniegedanken des späten 18. Jahrhunderts hatte sich Reinhart auf verschiedene Weise zu eigen gemacht. Die Liste seines Buchbe-standes, die er vermutlich 1789 vor seiner Abreise nach Rom erstellte,

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zeugt von seinen vielseitigen Interessen theologischer, philosophi-scher, literarischer, kunsttheoretischer und kunsthistorischer Art.32 Die Auseinandersetzung mit dem Geniebegriff kommt auch in den literarischen Werken zum Ausdruck, die Reinhart sein Eigen nannte, wie beispielsweise Lessings Briefe über Literatur. Auffallend zahlreich vertreten sind die Dichter, die zu dieser Zeit als Genie gepriesen wur-den, wie Homer, Hans Sachs, Ossian, Milton oder Shakespeare. Auch Reinharts graphisches und zeichnerisches Werk, besonders aus den Jahren 1786-1789, lässt erkennen, dass er zu dieser Zeit den Gedanken des Sturm und Drang aufgeschlossen gegenüberstand.33 Seine Blätter dieser Jahre spiegeln subjektives Empfinden und Spontaneität wider. Erst in den römischen Jahren wandte er sich dem Klassizismus zu.

Individualität – Technik

Die Ansicht vom frei schaffenden, keinerlei Regeln unterworfenen Künstler findet sich in verschiedenen Kupferstich-Abhandlungen wie-der. So bemerkt Füssli unter Rückgriff auf Gilpin, dass selbst den ra-dierten Blättern der Kupferstecher immer eine gewisse Steifheit anhaf-te und sie selbst in mancherlei Hinsicht „blosse Mechanici“ seien. Die Ausführungen dagegen, welche die Maler selbst radiert haben, seien zwar „bisweilen flüchtig und unrichtig gemacht“, doch zeigten gerade sie das Talent des Künstlers und die „ersten, kühnen Gedanken“ seines frei schaffenden Geistes.34 Eine gewisse Unregelmäßigkeit entspricht demnach dem Genie und betont dessen Individualität. Gerade in der Irregularität offenbart der Künstler sein subjektives Empfinden und setzt sich von dem technisch einwandfreien aber starren Werk des handwerklich geschickten Kupferstechers ab.In diesem Zusammenhang ist ein Briefwechsel zwischen Frauenholz und Reinhart aus dem Jahr 1792 bedeutsam. Die ersten Lieferun-gen der Mahlerisch radirten Prospecte hatten Frauenholz hinsichtlich der Ausfertigung enttäuscht; besonders Mechaus und Dies’ Blätter entsprachen ganz und gar nicht seinen Erwartungen. Hauptsäch-lich bemängelte er die Ausführung von Mechaus Staffagefiguren. Reinharts Verteidigung seiner Kollegen lässt erkennen, dass für ihn die künstlerische Freiheit und die Individualität über einer technisch perfekten Ausführung rangieren: „Dass unsere Arbeiten einander nicht ähnlich sind und nie werden, ist ganz natürlich, da unser Tem-perament, unsere Art zu denken, unsere Empfindung nicht dieselbe ist, ja mich däucht, dem Liebhaber müsse diese Verschiedenheit, diese Individualität mehr gefallen als wenn sich die Blätter zu ähnlich se-hen. [...] Kupferstecherische Vollkommenheit wird bei malerischen Blättern Niemand suchen.“35 Reinhart stellt deutlich den Bezug zwi-schen „malerisch“ radierten Arbeiten und dem subjektiven Empfinden des Künstlers her. Seine Antwort lässt auch den Zusammenhang von Genie und Individualität erkennen. Die Begeisterung des Genies, die durch den Naturanblick ausgelöst wird, findet ihren Niederschlag in einer eigenen Ausdrucksweise. Die Persönlichkeit des Künstlers, die in seinem Werk zum Vorschein kommt, wird dabei höher geschätzt als

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eine feine Ausarbeitung. Demgegenüber steht eine technisch einwand-freie Ausführung, die aber allein auf handwerkliches Geschick statt auf eine geistige Leistung hindeutet. Deshalb weist Reinhart die Vorwürfe Frauenholz als „handwerkmännisch“ zurück.36 Bereits in einem Brief vom 5. Juni 1792 hatte er betont, dass die Folge der römischen Ansich-ten gerade nicht in der gewohnten „glatte[n] kalte[n] Kupferstecher Manier“ gearbeitet werden sollen. Sie seien nämlich nicht für ein brei-tes Publikum bestimmt, sondern für das „Portefeuille der Liebhaber“.37 Die Mahlerisch radirten Prospecte wollen demnach nicht in erster Linie ein Bildführer Roms und Umgebung sein, sondern den Musestunden des Kunstkenners dienen, der die individuelle Ausführung und die treffende Behandlung der Gegenstände goutiert.Wenn Reinhart betont, dass „malerische Blätter“ nicht, wie Kupfersti-che, perfekt ausgearbeitet werden sollen, so weist er dem Malerischen eine bestimmte Technik zu.38 Die eher kalte, etwas harte Linie des Kupferstichs entspricht nicht dem Wesen des Malerischen, das gerade in einer dem Auge wohlgefälligen Unordnung besteht, in einer schein-baren Zufälligkeit der Anordnung und unruhigen Linienführung. Eine unregelmäßige Ausführung gereicht einem malerisch radierten Blatt deshalb nicht zum Nachteil. Die Radierung mit ihren warmen Tönen, der etwas rauen Linie und der freien Zeichnung ist die geeig-nete Technik für solch eine Darstellung.

Maler – Kupferstecher

Im Streit um die römischen Ansichten stehen die graphischen Techni-ken und das schöpferische Vermögen des Künstlers auf dem Prüfstand. Für eine malerische Naturansicht eignet sich nach Reinhart allein die Radierung, und statt einer technisch vollendeten Ausführung soll eher der Geist des Künstlers zum Ausdruck kommen. Letztendlich ging es ihm aber nicht allein um das geeignete Medium und die Ausarbeitung, sondern um den Berufsstand des Ausführenden.Die Debatte um die Graphiken des 18. Jahrhunderts hatte nie die eigenen Arbeiten der Maler betroffen, sondern allein die Werke der Kupferstecher. Bereits Vater und Sohn Jonathan Richardson hatten mit ihrem Essay on the Theory of Painting, der 1715 in England und 1728 in Frankreich erschien, die Blätter der Maler lobend erwähnt, weil Entwurf und Ausführung von einem Künstler stammten.39 Adam Bartsch lenkt mit seinem ab 1803 veröffentlichten Überblickswerk Peintre-Graveur ebenfalls den Blick auf die Werke, die von Malern selbst radiert wurden. Deren Blätter seien zwar „légèrment tracées ou plus terminées“. Gerade dies aber zeige die Nähe zum ersten Entwurf und ermögliche es, den Maler selbst, sein Talent und Geist in der Ra-dierung zu erkennen.40

Die Berufs- und Lebenswege Reinharts, Mechaus, Dies und Gmelins unterschieden sich sehr. Reinhart hatte 1779-1783 an der Leipziger Akademie bei Adam Oeser studiert und 1783/84 in Dresden bei Johann Christian Klengel Privatunterricht erhalten. Während dieser Jahre fer-tigte er vornehmlich Radierungen und Zeichnungen an. Erst nach

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1784 entstanden seine ersten Ölgemälde. Doch Zeit seines Lebens nahmen Radierungen den größten Raum seines Œuvres ein. Mechau hatte mehrere Jahre die Akademien zu Leipzig, Berlin und Dresden besucht, bevor er 1790 nach Rom übersiedelte, um dort unabhängig zu arbeiten. Sein künstlerisches Werk umfasst eine große Anzahl von Radierungen, aber auch einige Landschaftsbilder.41 Dies’ Ausbildung unterschied sich deutlich von der seiner Kollegen. Nachdem er eine dreijährige Lehre bei einem unbekannten Maler in Hannover abge-leistet und für einige Zeit in Düsseldorf und Mannheim geweilt hatte, verbrachte er eine kurze Zeit in der großen Werkstatt des Baseler Kup-ferstechers, Kunsthändlers und Verlegers Christian von Mecheln. Er hielt sich dort jedoch nur drei Wochen auf, um 1775 nach Rom weiter-zureisen.42 Der Maler Dies eignete sich weitgehend als Autodidakt sei-ne Kenntnisse und Fertigkeiten an. Er verkörpert damit das Idealbild eines künstlerischen Genies, das sein angeborenes Talent im Selbststu-dium unabhängig von Meister und Akademieprofessor ausbildet.Ganz im Gegensatz dazu steht Gmelins Vita. Er hatte eine zehnjähri-ge Lehrzeit als Kupferstecher in der Werkstatt Christian von Mechelns absolviert (1776-1786). Während dieser Zeit war er an der Erstellung mehrerer Stichwerke beteiligt, für die er Reproduktionsstiche anfertig-te, wie etwa für das Verzeichnis der Bilder Hans Holbeins d.J.43 Die Landschaftsserien, die er während seiner Zeit in Basel schuf, arbeitete er zwar nach vorangegangenem Studium der Natur. Die Ausführung erfolgte aber im Medium des Kupferstichs.44 Seit seinem Aufenthalt in Rom 1786 hatte Gmelin jedoch auch Landschaften mit der Radier-nadel gefertigt, die er aber häufig abschließend mit dem Grabstichel überarbeitete. Dieses Medium favorisierte er in den kommenden Jahr-zehnten, obwohl er weiterhin Kupferstiche nach Gemälden anderer Künstler fertigte.45 So hatte er zwischen 1788 und 1790 Kopien nach Gemälden Kochs gestochen und den Maler zu diesem Zweck nach Neapel begleitet.Reinharts Ablehnung, mit einem Kupferstecher zusammenzuarbei-ten, zeigt, dass er dem Maler eine herausgehobene Stellung einräumt, die einem handwerklich solide ausgebildeten Stecher von vornherein nicht zusteht. Dessen langjährige Werkstattarbeit befähigt ihn zwar zu technisch einwandfreien Kopien nach Gemälden, offenbart aber gerade sein mangelndes Genie, das für eine angemessene Naturnach-ahmung unabdingbar ist. Allein aufgrund des Lebensweges Gmelins musste Reinharts Urteil über dessen erste Romveduten negativ aus-fallen. Die Radierungen seien „in ihrer Art recht hübsch“, sie zeigten jedoch „nichts weniger als nur einen Grad von malerischem Gefühl“ und ließen statt dessen „einen geschikten Kupferstecher“ erkennen.46

Reinharts Kritik an Gmelins römischen Prospekten ist teilweise berech-tigt. Das erste Blatt – Grotta vulcanica alla punta die Posilipo nel Golfo di Napoli (Kat.Nr. 59) – zeigt noch stark die Spuren des Grabstichels. Karges, mittels feiner Kreuzschraffen geformtes Felsgestein herrschen vor, während Pflanzen, die für eine malerische Ansicht unabdingbar sind, gänzlich zurückgedrängt sind. Wild wucherndes, mit unruhi-

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gen Linien ausgeführtes Gewächs fehlt völlig. Störend wirkt zudem die Spiegelung der Felsen im Wasser am linken Bildrand, die durch strenge Kreuzschraffuren mit dem Grabstichel erzeugt wurde. Dem originellen Motiv der Badenden fehlt dadurch tatsächlich eine male-rische Ausführung. Auch auf den angefertigten Blättern II und III, die Einsiedeleien auf Capri und Ischia zeigen (Kat.Nr. 60), herrscht hartes, kaum bewachsenes Gestein vor. Erst mit dem vierten Blatt der Serie (Kat.Nr. 61), das ebenfalls 1792 entstand, lockert Gmelin die stei-nernen Baumassen durch üppig wuchernde Pflanzen auf.Im Gegensatz zu Gmelins Arbeiten sind die Blätter Dies’ und Me-chaus tatsächlich weit malerischer. Selbst wenn Felsen große Teile der Darstellung beherrschen, wie auf der Radierung Ponte Lupo a Tivoli, welche Dies 1792 fertigte (Abb. 2), ist das Gestein doch nicht hart und kalt wiedergegeben. Zwar ist der schroffe Stein deutlich sichtbar, doch weist er viele Unregelmäßigkeiten auf. Zudem sind die scharfen hell-dunkel Kontraste zugunsten eines gleichmäßigen Schattens zurückge-drängt und eine wild wuchernde Natur umgibt die Felswand von allen Seiten. Die vielen dunklen Partien arbeitete Dies mittels eines engen Netzes von Kreuzschraffuren heraus, welches er mit der Radiernadel anlegte. Ein tiefes, samtartiges Schwarz wird somit nicht durch die

harte Linie des Grabstichels erzeugt, sondern durch eine unterschiedlich starke Ätzung.Mechaus Blatt Ponte Salaro aus dem Jahr 1793 zeigt deutlich, dass auch bei einer eher kargen Landschaft malerische Elemente überwiegen können (Abb. 3). Die weite römi-sche Campagna ist zwar kaum von Pflanzen bewachsen, doch im Vor-dergrund sprießen mannigfaltige Gräser, Sträucher und Bäume. Das Gras und Gebüsch auf der rechten Bildseite ist besonders sanft gestaltet und selbst die Nadeln der emporra-genden Pinie sind nicht spitz und hart, sondern bilden eine weiche Masse. Die tief stehende Sonne erzeugt lange Schatten und taucht das Blatt in ein warmes Licht. Der beschaulichen Abendstimmung ent-sprechen auch die Staffagefiguren, bestehend aus einem Mann, einer Mutter, die einen Säugling hält, so-wie einem Hirten, der ein Lamm auf seinem Arm trägt. Die Idylle setzt sich bis in die ruhige Horizontlinie fort, die nur am rechten Bildrand

Abb. 2 Albert Christian Dies, Ponte Lupo a Tivoli, 1792, Wallraf-Richartz-Museum Köln, Graphische Sammlung

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von Bäumen überschnitten wird. Selbst die etwas zu groß geratenen Figuren, welche die Brücke überqueren, können den malerischen Ein-druck des weiten Landes nicht stören.

Der Streit um die Mahlerisch radir-ten Prospecte von Italien zeugt von den je unterschiedlichen Aufgaben, die Ende des 18. Jahrhunderts der Radierung und dem Kupferstich zu-geschrieben wurden. Nicht zuletzt ist er Ausdruck der verschiedenar-tigen Bewertung der Arbeitsweisen und der Begabungen von Maler und Kupferstecher. Diese Anschau-ung vertrat bezeichnenderweise der Maler-Radierer Reinhart, der sich zu dieser Zeit das Gedankengut des Sturm und Drang zu eigen gemacht hatte. Für das 1826 erschienene Werk zur Ausgrabung eines Tempels zu Bassai aber fertigte er gemeinsam mit Gmelin Radierungen an.47 Die

Käufer schließlich, die Gmelins Blätter erwarben, schätzten dessen Werke überaus. Deshalb kommt Georg Kaspar Nagler 1837 zu dem Urteil: „[Gmelins] Blätter aber verdienen hohe Achtung und den grossen Absatz, den sie gefunden, beweist die warme Theilnahme der Kunstfreunde an diesen Arbeiten.“48

Abb. 3 Wilhelm Friedrich Mechau, Ponte Salaro, 1793, Wallraf-Richartz-Museum Köln, Graphische Sammlung

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1 Andresen 1878, Bd. 2, S. 190.2 Vgl. Schmid 1998, S. 164f.3 Schiller-Nationalmuseum, Deutsches Literaturarchiv Mar-

bach a.N. Zum großen Teil abgedruckt bei Schmid 1998, S. 206-208. Hier, wenn nicht anders vermerkt, zitiert nach Schmid.

4 „[...] außer diesem bin ich Ihnen noch auf einige andre Dinge Antwort schuldig. Das Erste sei gleich, warum ich an Gmelin die Sachen nicht abgegeben habe, und mit ihm auf keine Weise mehr zu thun haben will [...].“ Schiller-Nationalmuseum, Brief Reinharts an Frauenholz 6. Febr. 1795, [fol. 1].

5 Da das erste Heft 1792 erschienen war und Gmelin Ende des Jahres bereits vier Platten gestochen hatte, müssen sich die Begebenheiten im Herbst jenes Jahres ereignet haben.

6 Füssli 1771, S. 50. Abgedruckt bei Gramaccini 1997, S. 79. Diese Stelle entnahm Füssli wörtlich Wiliam Gilpins Abhandlung; vgl. Gilpin 1768, S. 42.

7 Handrick 1975, S. 46-48.8 Altner/Lademann 1990, S. 56.9 Altner/Lademann 1990, S. 56-60.10 Altner/Lademann 1990, S. 62f.11 Manfred 1990, S. 84f.12 Erschienen unter dem Titel: Idée générale d’une collection

complette d’Estampes avec une dissertation sur l’origine de la gravur et sur les premiers livres d’images. Leipzig 1771.

13 Gramaccini 1997, S. 56.14 Wiliam Gilpin. An Essay on Prints. London 1768; in

Deutschland erschienen unter dem Titel: Abhandlung von Kupferstichen, worinn die allgemeinen Grundsätze von den Regeln der Malerey, in so weit sie die Kupferstiche betreffen, abgehandelt [...] aus dem Englischen übersetzt. Frankfurt a.M./Leipzig 1768.

15 Gilpin 1768, S. 46.16 Füssli 1771, S. 53. Abgedruckt bei Gramaccini 1997, S. 80.17 Bartsch 1821, S. 11.18 Gramaccini 1997, S. 100; Gramaccini/Meier, S. 55f.; zum

Vergleich von Reproduktion und Übersetzung in Deutsch-land des 19. Jahrhunderts vgl. Bann 2002.

19 So formuliert in den Minutes der General Assembly von 1812. Lambert, 1987, S. 31.

20 Gessner 1988, S. 181.21 Bartsch 1803, Bd. 1, S. III.22 Bartsch 1821, S. 100-102.23 Charles Batteux. Les beaux arts réduits à un même prin-

cipe. Paris 1773. Nachdruck: Genève 1969. In deutscher Übersetzung erschienen als: Einleitung in die Schönen Wissenschaften. Nach dem Französischen des Herrn Bat-teux, mit Zusätzen vermehrt von Karl Wilhelm Ramler. 2 Bde. Leipzig 1762. Zu Batteux vgl. besonders die auf-schlussreiche Abhandlung von Tavernier 1986; vgl. auch Hennemann 1997; Lütze 1979.

24 Batteux 1762, S. 14.25 Batteux 1762, S. 17.26 Batteux 1762, S. 25.27 Batteux 1762, S. 33; vgl. Tavernier 1986, S. 78-80.

28 Batteux 1762, S. 31f.; Du Bos 1993, S. 175-178. Vgl. Taver-nier 1986, S. 74-76; zu den Zeiten der Produktivität und der Dürre vgl. Lütze 1979, S. 191-207.

29 Vgl. Ortland 2001, S. 682.30 Batteux 1762, S. 91.31 Der Geschmack ist „eine Fertigkeit, das Gute, das Schlech-

te, das Mittelmäßige zu empfinden und mit Gewißheit zu unterscheiden.“ Batteux 1762, S. 54. Vgl. Tavernier 1986, S. 76-78.

32 Das Verzeichnis Reinharts Bücher und Graphiken wird in der Bayerischen Staatsbibliothek zu München aufbewahrt (Cgm 7120) und ist abgedruckt bei Schmid 1998, S. 120-126; dort S. 126-133 zu den vollständigen Titeln und den Ausgaben. Zu Kunst und Geniegedanken im Sturm und Drang gibt eine gute Übersicht Maisak 1988.

33 Vgl. Schmid 1989, S. 77-81.34 Füssli 1771, S. 52; vgl. Gramaccini 1997, S. 80; ebenso

Gilpin 1768, S. 44f.; vgl. auch Bähr 2001, S. 277-279.35 Zitiert nach Schmid 1998, S. 167f.36 Baisch 1882, S. 88.37 Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen, Goe-

the- und Schillerarchiv 96/229, Brief Reinharts an Frauen-holz vom 5. Juni 1792, [fol. 4].

38 Eine Zusammenstellung von Texten zum Malerischen bietet Schwichtenberg-Winkler 1992.

39 Gramaccini 1997, S. 55.40 Bartsch 1803, Bd. 1, S. IV.41 Zur Biographie Mechaus vgl. Nagler 1839, Bd. 8, S. 527-

531; Fröhlich 2002, S. 207-216.42 Zur Biographie Dies’ vgl. Nagler 1836, Bd. 3, S. 388-391;

Andresen 1878, Bd. 3, S. 123-132; Schwichtenberg-Winkler 1992, Bd. 1, S. 234f.; AKL 2000, Bd. 27, S. 270f.

43 Wüthrich 1956, S. 95f. Wie weit Gmelin an dem Katalog der königlichen Galerie zu Wien beteiligt war, den Me-cheln 1782/83 erstellte, ist nicht bekannt. Vgl. Wüthrich 1956, S. 162-167.

44 Zu Gmelins Ansichten aus seiner Baseler Zeit vgl. Wüth-rich 1956, S. 187-190. Zu Gmelins Biographie vgl. Nagler 1837, Bd. 5, S. 243-245; Kircher 1928, S. 10-15. In Rom erteilte Gmelin Zeichenunterricht, z.B. Anfang 1791 Ma-rianne Kraus, der Hofdame des Erbacher Hofes, in deren Gesellschaft auch Dies verkehrte; vgl. Kraus 1996, passim.

45 Veduta delle Cascatelle di Tivoli, 1791; Veduta delle Cas-catelle con la cosidetta Villa di Mecenate a Tivoli, 1792; Ausst.Kat. Rom 1994, S. 254f., Nr. 90, 91. Der Katalog bietet einige Werke Gmelins, die bisher kaum publiziert wurden. 1801 fertigte er zwei Kupferstiche nach Gemälden Claude Lorrains. Nagler 1837, Bd. 5, S. 244. Zu Gmelins Werken, die in Rom entstanden vgl. Palladini 1976.

46 Schmid 1998, S. 207.47 Vgl. Schmidt 1998, S. 317-323.48 Nagler 1837, Bd. 5, S. 243.

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salonmIkroskopIker unD kräutermärtyrer:naturDarstellung unD wIssenschaft Im 18. JahrhunDert

Die Entwicklung der Naturwissenschaft

Die Landschaftsgraphik des 18. Jahrhunderts stand in einem Span-nungsfeld vielfältiger kunstimmanenter Konventionen, Vorbilder und Ideale, die in den anderen Beiträgen dieses Bandes beleuchtet werden. Dennoch bleibt das Motiv Landschaft ein Teil der Natur und ist daher auch von den wechselnden Vorstellungen abhängig, die sich der Mensch von seiner natürlichen Umgebung macht. Ziel dieser Un-tersuchung ist es daher, die bildliche Darstellung von Natur mit den zeitgenössischen naturwissenschaftlichen Theorien zu vergleichen. Neben der Landschaftsgraphik steht dabei auch die Buchgraphik im Zentrum der Betrachtung, da diese Kunst und Wissenschaft verbin-det.Anders als in der Naturwissenschaft der letzten beiden Jahrhunderte sind wissenschaftliche Zäsuren in der Frühen Neuzeit nicht immer klar zu fassen. Selten setzten sich neue Vorstellung abrupt durch, und viele Entdeckungen wurden auf Grund mangelhafter Informa-tionsverbreitung gleich mehrmals gemacht. Statt eine stringente Ent-wicklung zu suchen, müssen daher verschiedene thematische Stränge betrachtet werden, deren Ausprägung und Bedeutung im Laufe der Zeiten variierten. Die Botanik erhielt bereits im 17. Jahrhundert neue Impulse, die sich in ihrer wissenschaftlichen Relevanz jedoch erst langsam entfalteten. Dabei handelte es sich zunächst um neue Formen der Wahrnehmung, welche durch die Erfindung optischer Geräte ermöglicht wurden. Bei diesen handelt es sich um das Teleskop und das Mikroskop, die ab dem späten 16. Jahrhundert neue Bereiche wissenschaftlicher Beobachtung erschlossen. Die starke Vergrößerung des Mikroskops lenkte den Blick auf Mikroorganismen und den Fein-bau von Pflanzen, beispielsweise die Pollenkörner (vgl. Kat.Nr. 66, 73, 74). Ein weiterer wichtiger Impuls ging von der Erforschung fremder Kontinente aus. Der Artenreichtum der Tropen übertrifft die biologi-sche Vielfalt Europas um ein Vielfaches, und die Botaniker sahen sich plötzlich einer unüberschaubaren Menge an Pflanzenarten gegenüber, die sie zu identifizieren und zu benennen hatten.1 Um die bekannten Arten in einer übersichtlichen und memorisierbaren Form zu fixieren, mussten sie in eine systematische Struktur eingeordnet werden. Da die bereits vorhandenen Ordnungsansätze bei weitem nicht ausreichten, entstanden zahlreiche Versuche zu einer neuen Nomenklatur und Taxonomie, das heißt der Klassifizierung von Lebewesen. Einige tra-ditionelle Unterteilungen wie das antike Modell von den drei Reichen der Natur – den Mineralien, Pflanzen und Tieren – blieben bestehen, andere Vorstellungen wie die Trennung von Kräutern und Bäumen mussten exakteren Kategorien weichen.2 Die wissenschaftlichen Disziplinen gewannen an Komplexität und entfernten sich von pragmatischen Anforderungen. Die Botanik löste sich von der höfischen und ökonomischen Gartenkunst und von der Medizin, der sie als Heilkräuterkunde seit der Antike zugeordnet war (vgl. Kat.Nr. 71). Anstelle des Nutzens einer Pflanze stand für den Botaniker jetzt die Frage nach ihrer Position im botanischen System

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in Vordergrund.3 Obwohl sich die Fachleute vermehrt abstrakten Problemen zuwandten, taten sie dies mit so viel Motivation und Auf-opferungsbereitschaft, dass sie sich bisweilen als „Kräuter Märtyrer“ ti-tulierten.4 Andere Wissenschaftszweige näherten sich der Natur durch Empirie und Experimente. In der Botanik fanden Anatomie und ex-akte Quantifizierung Eingang, die als Methoden in der Medizin und Physik entwickelt worden waren. Pflanzen wurden in ihre Einzelteile zerlegt, ihr Stoffwechsel und Wasserhaushalt mittels Messungen un-tersucht (vgl. Kat.Nr. 72).5

Von den zahlreichen Wissenschaftlern, welche diese Entwicklung trugen, ist niemand von so großer Bedeutung und Bekanntheit wie Carl von Linné (1707-1778). Der schwedische Naturforscher veröf-fentlichte 1735 mit seiner Systema naturae ein System, welches die Pflanzen nach ihren Fortpflanzungsorganen identifiziert und ordnet. Es zeigt erstmals die hierarchische Struktur von Klassen, Ordnungen, Gattungen und Arten in der noch heute gebräuchlichen Form. Dieses „Sexualsystem“ war überaus erfolgreich, gänzlich konnte es alternative Methoden allerdings nicht verdrängen.6 Auch die sogenannte „binäre“ Nomenklatur stammt von Linné. Noch heute werden Pflanzen mit einer zweiteiligen lateinischen Bezeichnung nach dem Modell des schwedischen Botanikers identifiziert: Der Name der Gattung und einem Zusatz, der die Art festlegt, beispielsweise Fagus sylvatica für Rotbuche.7

Linnés System war jedoch nicht unumstritten, und im Zentrum die-ses Streites treten verschiedene, oft konträre Grundauffassungen von Natur zu Tage. Seine Kritiker bemängelten vor allem die willkürliche Auswahl der Merkmale zur Bestimmung einer Pflanze. Während sich Linné an Blüten orientierte, berücksichtigten andere Forscher Laub-blätter oder Früchte (vgl. Kat.Nr. 70). Das Ergebnis dieser Bemühun-gen war in jedem Fall ein „künstliches System“, welches jeweils nur einige Teile einer Pflanze bei der Klassifizierung berücksichtigte. Im Gegensatz dazu bestand allgemein der Wunsch nach einem „natür-lichen System“, das der Komplexität eines Lebewesens gerecht wird. Auch Linné gab zu, dass seine Systematik nur eine pragmatische Zwi-schenlösung auf dem Weg zu einem „natürlichen System“ darstellte.8 Dieses setzte sich erst gegen Ende des Jahrhunderts mit dem Modell von Antoine Laurent de Jussieu (1748-1836) durch, der die ganze Pflanze in die Klassifikation einbezog.9

Einen weiteren Streitpunkt bildete das biblische Dogma von der Kon-stanz der Arten, die am Anfang der Welt von Gott geschaffen worden seien. Linné übernahm – wie viele andere Forscher – diese Vorstellung und wurde deswegen von seinem Antagonisten Georges-Louis Leclerc Comte de Buffon (1707-88) angegriffen, der auch Linnés künstliches System ablehnte. Buffon gab ab 1749 eine Histoire Naturelle in 15 Bänden heraus, die sich außerordentlich großer Beliebtheit erfreute (vgl. Kat.Nr. 75, 76). Anders als der wissenschaftlich spröde und streng christliche Linné schrieb Buffon in einer literarisch anspruchsvollen Form und entwickelte statt eines geschlossenen Systems einzelne poin-

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tierte Theorien. Von besonderer Originalität war seine Schöpfungsge-schichte, die von einem Wandel der Natur und der Arten ausging.10 Charles Darwin entwickelte mit seiner Evolutionstheorie diese Vor-stellungen 1859 zu einem konsequenten Modell weiter.11

Der eigengesetzlichen, empirischen Naturwissenschaft stand die me-taphysisch-spekulative Naturphilosophie gegenüber. Gerade im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert gewann die naturphilosophische Be-trachtungsweise durch Schelling und Goethe ein so großes Gewicht, dass wichtige Veröffentlichungen wie die des Naturforschers Christian Konrad Sprengel (1750-1816) von 1793 lange Zeit unbeachtet blie-ben.12 Dieser hatte mit akribischen Beobachtungen die Interaktion der befruchtenden Insekten und der Blüten beschrieben (vgl. Abb. 1).13

Diesen Konflikten liegt ein elemen-tares Problem der Naturbetrachtung zu Grunde, welches immer wieder in Vorreden zu naturwissenschaft-lichen Werken reflektiert wird. Bei diesem Thema handelt es sich um das Verhältnis des Naturganzen zu seinen Teilen und die Stellung des Menschen in der Schöpfung. Die anatomische Zergliederung und das abgezirkelte Blickfeld des mikrosko-pischen Okulars lenkten den Blick der Forschung auf isolierte Details, der dem analytischen Ansatz der Naturwissenschaft entspricht. Die-se zergliedernde Methodik wurde von Denkern abgelehnt, welche die Natur nur in ihrer harmonischen Ganzheit zu erkennen glaubten. So polemisierte Georg von Buquoy gegen die „ekelhaften Zuckungen am Froschapparate“, das heißt ge-gen ein Experiment, mit dem man die Muskeln eines toten Frosches zum Zucken bringt.14 Mit einigen Jahrhunderten Abstand zu dieser Debatte erkennt man heute, dass die analytische naturwissenschaftliche Naturbetrachtung keinen Gegensatz

zur synthetischen Naturphilosophie darstellte. Auch Klassifizierungs-systeme fassen die Natur als eine hierarchisch geordnete Gesamtheit. Gerade im 18. Jahrhundert galten die vorhandenen Systeme als voll-ständig, so dass jede Art einen festen Platz in der Struktur des Ganzen hatte.15 Darüber hinaus machte sich schon Linné Gedanken über Pflanzentopographie, also über den Zusammenhang der Pflanzen mit ihren natürlichen Standorten.16

Abb. 1 Christian Konrad Sprengel,Das entdeckte Geheimnis der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen, Berlin 1793, Taf. 3, Kupferstich, 23,8 x 18,8 cm (Zeichnung von Spren-gel, Stich von Capieux)

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Auch in den Theorien über das Verhältnis des Menschen zur Natur waren die Standpunkte nicht so konträr, wie es die literarische Polemik bisweilen vermuten lässt. Sowohl Linné wie Buffon integrierten den Menschen in ihre Naturvorstellungen. Für den schwedischen Natur-forscher war der Mensch eine Art, die in seinem System in der Nähe von Affe und Faultier seinen Platz hatte. Auch beschrieb er schon an-schaulich, wie der menschliche Körper in den natürlichen Stoffkreis-lauf von Werden und Vergehen eingebunden ist. Buffon wiederum fasste den Menschen als Teil der Naturgeschichte auf und stand ihm nicht mehr jene Sonderrolle zu, die in der biblischen Genesis postu-liert wird.17 Statt einer Vorstellung der Schöpfung als Leiter mit dem Menschen als oberste Sprosse entwickelten sich im 18. Jahrhundert Vergleiche mit einer Landkarte, einem Netz oder einem Uhrwerk, in der jedes Geschöpft eine wichtige Funktion innehat.18

Die botanische Buchillustration

In Hinsicht auf die Botanik ist in den Buchillustrationen der Übergang von einer zweckgebundenen Teildisziplin zu einer eigengesetzlichen Wissenschaft besonders deutlich.19 Seit der Antike wurden Kräuter-bücher herausgegeben, die Pflanzen mit pharmazeutischem Wert beschrieben und abbildeten. Wie das 1719 erschienene Viridarium reformatum von Michael Bernhard Valentini (1657-1729) belegen kann, wurde diese Buchform auch im 18. Jahrhundert tradiert (vgl. Kat.Nr. 71). Die Darstellung der Pflanzen in den Kräuterbüchern war vor allem für den Zweck konzipiert, Heilkräuter wiedererkennen und finden zu können.20 Neben diesen Büchern kamen im 17. Jahrhundert Pflanzenbilder auf, die vor allem eine ästhetische Funktion hatten. Abgesehen von dekorativen Blumenbildern und Stillleben waren dies auch Buchillustrationen, beispielsweise aus dem Bereich der höfischen Gartenkunst. Als Beispiel kann die Continuation der Nürnbergischen Hesperidum von Johann Christoph Volkamer (1644-1720) aus dem Jahre 1714 dienen, welche hauptsächlich Zitrusfrüchte vorstellt (vgl. Kat.Nr. 77). Die monumentalen, plastisch gestalteten Zitronen und Orangen schweben drohend über kleinen, akribisch detaillierten An-sichten von Schlössern und Gartenanlagen, Landschaften und Städten. Diese überraschende Gegenüberstellung soll den Betrachter erstaunen und beeindrucken, ähnlich dem Panoptikum von Kuriositäten in Wunderkammern.21 Oft wurden auch Darstellungen von verschiede-nen Lebewesen in einem Bild kombiniert oder mit schmückendem Beiwerk versehen. So präsentierte Buffon noch Mitte des 18. Jahrhun-derts seine Tierskelette wie Reiterstandbilder auf architektonischen Sockeln (vgl. Kat.Nr. 75, 76).Gerade in Deutschland setzte sich für botanische Buchwerke im 18. Jahrhundert ein neuer Abbildungstypus durch. Jedes Bild zeigt nur eine isolierte Pflanzenart vor meist weißem Hintergrund in dreidi-mensionaler Darstellung. Rahmenschmuck, Insektenstaffage oder anderes Beiwerk entfallen.22 Statt der Mischung aus belehrenden, ästhetischen und dekorativen Funktionen in der Naturdarstellung des

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17. Jahrhunderts sind die botanischen Buchgraphiken stärker auf ihren wissenschaftlichen Gehalt reduziert.23 Auf den ersten Blick scheinen sie sogar eine „objektive“ oder der Photographie äquivalente Darstel-lung einer Pflanze oder ihrer Details zu vermitteln (vgl. Kat.Nr. 70). Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass sie von zeitgenös-sischen botanischen Theorien abhängig waren und diese wiedergeben sollten. So veranlassten die Autoren ihre Zeichner, Stecher und Illumi-natoren, diejenigen Teile der Pflanze hervorzuheben, welche für ihr Klassifikationssystem relevant waren. Für die zahlreichen Buchwerke, die Linné folgen, sind es die Blüten. Diese werden größer, deutlicher und farblich differenzierter ausgebildet als bei der lebendigen Pflan-ze. Darüber hinaus sind die Darstellungen um Detailabbildungen ergänzt, welche die Blüte isoliert und vergrößert zeigen, oft in verschie-denen Entwicklungsstadien oder in Einzelteile zerlegt. Die Einflüsse von Mikroskopie und Anatomie auf die Botanik sind in diesen Fällen besonders gut wahrnehmbar. In dem Werk von Wilhelm Friedrich Frei-herr von Gleichen, genannt Rußworm (1717-1783) Auserlesene mikros-kopische Entdeckungen bey den Pflanzen, Blumen und Blüthen, Insekten und andern Merkwürdigkeiten sind die Darstellungen der Blüten sogar um mikroskopische Abbildungen der Pollen ergänzt (vgl. Kat.Nr. 74). Während einige Merkmale hervorgehoben wurden, entfielen andere, beispielsweise zeigt John Miller (1715-1790) in seinem Werk Illustratio systematis sexualis Linnaei von 1792 (Erstauflage) zwar detailliert die Blüte und Frucht der Pflanze, fast nie hingegen ihre Wurzeln, die für seine Klassifikation – welche sich an Linné orientierte – unwichtig waren (vgl. Kat.Nr. 70).Neben der individuellen Informationswahl ist im 18. Jahrhundert die Tendenz spürbar, in einer Abbildung möglichst viele Merkmale einer Pflanze so deutlich wie möglich wiederzugeben. Die dazu entwickelten Darstellungsstrategien finden sich ebenfalls in dem Werk von Miller, beispielsweise in der Abbildung der Monarda didyma. Die Darstellung zeigt einen klaren Aufbau: Überschneidungen wurden reduziert und stark kontrastierende Farben gewählt. Blüten und Laubblätter sind in verschiedenen Wachstumsphasen abgebildet, um auch Knospen und junge Blätter darstellen zu können. Einige Laubblätter lassen durch Drehung den Blick auf ihre Unterseite zu, andere sind dem Betrachter mit ihrer Oberseite frontal zugewandt, als wären sie gepresste Exemplare in einem Herbarium. Auf diese Weise sind die Formen von Umriss und Blattadern ohne Verzerrung dokumentiert. Auch die Schnittflä-che des Stengels ist dem Betrachter zugewandt und verdeutlicht den Querschnitt, welcher hier eine eigentümliche Kastenform aufweist. Besonders charakteristisch für eine botanische Illustration sind die anatomisch aufbereiteten Details von Blüte und Frucht.24

Die dargestellte Pflanze war also nicht das Portrait eines einzelnen, le-bendigen Exemplares, sondern das Idealbild einer Art in selektiver und partieller Darstellung. Dieser Befund deckt sich mit der Vorgehens-weise bei der Erstellung der Abbildungen. Einer Buchillustration ging in der Regel eine Zeichnung voran, meist ein farbiges Aquarell. Diese

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diente als Vorlage für einen Kupferstich, der nach dem Druck illumi-niert werden konnte.25 Da die aufwändige Handkolorierung den Preis eines Werkes um das Drei- bis Fünffache erhöhte, wurde darauf häufig verzichtet.26 Die drei Arbeitsschritte von Zeichnung, Stich und Kolo-rierung wurden sämtlich von den Autoren oder Herausgebern eines Buches kontrolliert.27 Botaniker wie Trew (s. u.) schulten sogar eigens Zeichner, um ihnen ein besseres Verständnis von den botanischen Mo-tiven zu ermöglichen. Diese Qualifikation erwies sich als um so wich-tiger, als die Künstler seltener vor einem frischen Exemplar arbeiteten denn vor getrockneten oder konservierten Pflanzen.28 Nur Zeichnern mit botanischen Kenntnissen konnte es gelingen, in den bisweilen verfärbten und verformten Pflanzenteilen die Merkmale einer Art zu erkennen und abzubilden. Besonderes Geschick dafür besaß der noch heute bekannte Künstler Georg Dionys Ehret (1708-1770). Von ihm wird berichtet, er habe sich so viele eingelegte Pflanzenexemplare zei-gen lassen, dass ihm von den Dünsten der Konservierungsflüssigkeit schließlich übel geworden sei.29 Eine der Gesundheit weniger abträgli-che Quelle für die Illustrationen waren bereits vorhandene Abbildun-gen. Auch diese wurden nicht abgezeichnet, sondern durch weitere Beobachtungen ergänzt und den Vorstellungen des Autors angepasst.30 Letzterer kontrollierte auch die Arbeit der Stecher und Illuminatoren, wobei besonders die fachgerechte Kolorierung ein Problem darstellte. Wissenschaftler wie Nicolaus Joseph von Jacquin (1727-1817) äußer-ten deutliche Unzufriedenheit über die Arbeit der Illuminatoren, die oft weniger qualifiziert als die Zeichner waren (vgl. Kat.Nr. 69).31

Die Autoren besaßen sehr unterschiedliche Auffassungen über den Wert der Abbildungen und das Verhältnis von Bild und Text. Eine extreme Position vertrat Linné, der Bildern einen wissenschaftlichen Anspruch überhaupt abschrieb. Für ihn war die Sprache eine objek-tivere Ausdrucksmöglichkeit. Allerdings ließ er illustrierte Ausgaben botanischer Werke zu, da sie zu einer Popularisierung der Ideen beitra-gen würden.32 Diese Ansicht war letztlich das Produkt der künstlichen Klassifikationssysteme, da diese ein Lebewesen für die Taxonomie auf wenige, gut verbalisierbare Merkmale reduzierten. Die meisten Auto-ren blieben jedoch bei der Auffassung, dass auch die Gesamtschau ei-ner Pflanze, die sich weit besser mit einem Bild als mit Worten vermit-teln lässt, von wissenschaftlichem Wert sei. Ein gutes Beispiel für ein intensives Bemühen um eine Klärung des Wort-Bild-Verhältnisses ist das erwähnte Werk von Miller. Dieser stellt seinen Abbildungen Listen von Fachbegriffen gegenüber (vgl. Kat.Nr. 70). Als besonders proble-matisch erwies sich dabei die Farbe der Pflanzen, sowohl was ihren wissenschaftlichen Wert, als auch was ihre Darstellung angeht. Nach Linné spielte sie als Bestimmungskriterium nur eine untergeordnete Rolle, da sie nicht bei jedem Exemplar einer Art konstant ist.33 Andere Autoren versuchten hingegen, sie in ihr Kategoriensystem zu integrie-ren und mussten dazu absolute Farbwerte liefern. Ein Beispiel dafür ist das Werk Termini botanici, das Friedrich Gottlieb Hayne (1763-1832) 1799 herausgab. Der Autor stellt hier Farbbegriffe aquarellierten farbi-

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gen Rechtecken als Farbproben gegenüber (vgl. Kat.Nr. 67).34 Ganz im Gegensatz zu Linnés Ansichten legten einige Autoren wie Nicolaus Joseph von Jacquin (1727-1817) in ihren Werken den Schwerpunkt nicht auf den Text, sondern die Abbildungen (vgl. Kat.Nr. 69).35 Werke wie dessen Icones plantarum rariorum belegen, dass auch streng systematischen Werke des 18. Jahrhunderts für ihren ästhetische Wert erworben und sogar gefertigt worden sein konnten. Darauf weist ebenfalls eine Aufforderung Trews hin, der von Ehret eine sowohl wissenschaftlich naturgetreue als auch ästhetisch anspre-chende Abbildung verlangte.36 Der ästhetische Spielraum botanischer Illustrationen wurde unterschiedlich ausgeschöpft. Der schon er-wähnte Sprengel, dessen Ideen und Beobachtungen die Möglichkeiten seiner finanziellen Mittel bei weitem übertrafen, entwarf Tafeln von klaustrophobischer Fülle (vgl. Abb. 1). Im Gegensatz dazu hatte sich Jacquin auf kostbare großformatige Werke spezialisiert und sorgte für eine großzügige Anordnung und optisch ansprechende Form der Mo-tive. Grasbüschel werden strahlenförmig aufgefächert, Rankgewächse in eleganten Linien über das Papier geführt.

Naturwissenschaft und Landschaftsdarstellung

Vergleicht man die Darstellungen der Pflanzen in den botanischen Werken mit der Vegetation in der gleichzeitigen Landschaftsgraphik, so wird zunächst die eklatante Kluft zwischen dem wissenschaftlichen und künstlerischen Sektor offenbar. Das Verfolgen einer strengen Sys-tematik und einer rationalen Grundhaltung hatte dazu geführt, dass sich die wissenschaftliche von der künstlerischen Wahrnehmung löste. Dieser Prozess war weder selbstverständlich, noch verlief er stringent, was naturphilosophische Ansätze im frühen 19. Jahrhundert deutlich machen. So folgte der Naturphilosoph und Maler Carl Gustav Carus (1789-1869) dem Ideal einer Synthese zwischen Wissenschaft und Kunst. Seine in Öl gemalten Landschaften stellen teilweise „geognos-tische“ Strukturen dar, das heißt Felsformationen, die eine bestimmte erdgeschichtliche Theorie wiedergeben. Die Verbindung zwischen Kunst und Wissenschaft suchte er vor allem im Vorgang des Zeich-nens, der für beide Bereiche eine Erkenntnismethode darstellt.37

Auch während der Trennung, die sich zwischen Kunst und Wissen-schaft im 18. Jahrhundert ausbildete, existierten einige verbindende Elemente. Auf abstrakter Ebene hatten Landschaftsgraphiken zu-nächst eine ähnliche Aufgabe wie die wissenschaftlichen Illustrati-onen. Sie lösten Naturphänomene aus dem örtlichen und zeitlichen Kontext, interpretierten und kombinierten sie und machten sie den Besitzern der Werke fast beliebig verfügbar.38 Auch entstammten beide Naturbilder einem ähnlichen bürgerlichen Milieu. Gerade die Bücher der Universitätsbibliothek Marburg repräsentieren das Netzwerk meist bürgerlicher Autoren, Herausgeber und Künstler, die an der Erstel-lung der Werke beteiligt waren.Das Zentrum dieser Entwicklung war im 18. Jahrhundert Nürnberg, und ihr wichtigster Protagonist der Arzt und Naturwissenschaftler

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Christoph Jakob Trew (1695-1769).39 Anstatt zu Forschen hatte sich der Nürnberger Gelehrte primär der wissenschaftlichen Kommunika-tion gewidmet. Er war Mitglied wichtiger naturwissenschaftlicher Ge-sellschaften im In- und Ausland, hielt Kontakt zu bedeutenden For-scherpersönlichkeiten, war einer der Herausgeber einer medizinischen Fachzeitschrift, legte eine systematische naturkundliche Sammlung an und lehrte in öffentlichen Veranstaltungen Anatomie und Botanik. Auch Künstler nahmen an diesen Vorlesungen und Exkursionen teil. Seine größte Bedeutung erlangte Trew jedoch durch die Förderung der naturwissenschaftlichen Illustration. Er beauftragte etliche Künst-ler, darunter den bereits genannten Ehret mit Pflanzenzeichnungen. Auch die in diesem Katalog vertretenen Künstler und Wissenschaftler Ledermüller, Keller, Knorr und die Volkamers (vgl. Kat.Nr. 66, 68, 77) wurden von ihm gefördert oder beeinflusst.40

Trew hatte die Absicht, mit seinen Werken und öffentlichen Lesungen ein möglichst breites Publikum zu erreichen.41 Diese Tendenz ist auch bei anderen Autoren spürbar, insbesondere in den Büchern der heute als „Salonmikroskopiker“ abgewerteten Autoren Wilhelm Friedrich von Gleichen und Martin Frobenius Ledermüller (1719-1769).42 Diese stellen in ihren Werken mikroskopische Beobachtungen aus ihrem Alltag zusammen – bisweilen ohne inhaltlichen Zusammenhang. So sind in dem Buch Mikroskopische Gemüths= und Augen=Ergötzungen Vergrößerungen von Flöhen und Stofffasern ebenso zu sehen wie von Schimmel, Salzen und menschlichen Haaren (vgl. Kat.Nr. 66, 73, 74).43 Auch der Zeichner und Verleger Georg Wolfgang Knorr (1705-1761) konnte mit seinen eher farbenfrohen denn systematischen Werken breite Publikumsschichten begeistern (vgl. Kat.Nr. 68).44 Die Rezipientengruppe dieser Bücher deckte sich mit derjenigen der Landschaftsgraphiken, ist also vor allem im gehobenen, gebildeten Bürgertum zu suchen. Einem Betrachter der Landschaftsdarstellun-gen dürften daher die Grundprobleme der Botanik und die Gestalt einer wissenschaftlichen Abbildung bekannt gewesen sein. Schwach waren hingegen die Verbindungen der Landschaftskünstler zu den Naturwissenschaften ausgeprägt. Die Spezialisierung scheint gerade im deutschen Bereich so stark gewesen zu sein, dass nur wenige Personen, gleichzeitig Landschaften und naturwissenschaftliche Ab-bildungen schufen.45 So ist von dem Illustrator und Herausgeber na-turkundlicher Werke Knorr bekannt, dass er Landschaften zeichnete, und der Landschafts- und Ruinenzeichner Wilhelm Friedrich Gmelin fertigte einige Illustrationen für Werke des Naturforschers Alexander von Humboldt (1769-1859).46

Dabei hatten die Landschaftsgraphiker zumindest der Theorie nach mit einem ähnlichen Problem wie die Wissenschaftler zu tun: dem Verhältnis des Einzelnen in der Natur zu ihrer Ganzheit.47 Diese Dichotomie wurde immer wieder reflektiert, so beschreibt Carus die Landschaft als vielstimmigen Chor aus zahlreichen Einzellebewe-sen.48 Einen anderen Schwerpunkt formuliert der Philosoph Johann Georg Sulzer (1720-1779) für das Verhältnis des Künstlers zur Natur.

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Einerseits diene sie diesem als „Magazin“, aus dem er einzelne Ge-genstände zur Abbildung entnehmen könne, andererseits sei sie das vollkommene, geordnete Ganze, dessen Gesetzmäßigkeiten sich in der Kunst wiederfinden lassen müssen.49 Auch die Systematisierung der Phänomene findet sich in der Kunsttheorie des 18. Jahrhunderts wie-der, hier ist sie jedoch nicht auf biologische Arten, sondern Bildobjekte bezogen. Der Landschaftsmaler Alexander Cozen gab 1771 ein Buch über 32 Baumsorten heraus und klassifizierte Himmels- und Wolken-typen.50 Auch der deutsche Landschaftsmaler Jakob Philipp Hackert (1759-1828) und der bekannte Gartentheoretiker Hirschfeld teilten Pflanzen und Steine in verschiedene Gruppen ein, allerdings nach optischen Gesichtspunkten und stellenweise in explizitem Gegensatz zur wissenschaftlichen Taxonomie.51 Darüber hinaus sollten Pflanzen botanisch zu bestimmen sein, insbesondere die Bäume. Hackert wies die Künstler an, jede Baumart so darzustellen, dass sie ein „Botani-cus“ identifizieren könnte.52 Eine ähnliche Forderung formulierte 1790 der Schweizer Schriftsteller Johann Kaspar Lavater (1741-1801). Der Landschaftsgraphiker Carl Wilhelm Kolbe (1759-1835) äußerte schließlich Bedenken, dass seine Pflanzendarstellungen dem Blick eines „Naturbeobachters“ nicht standhalten könnten.53

In welchem Verhältnis stehen jedoch die Werke zu diesen Postulaten? Im 17. Jahrhundert bevorzugten Künstler wie Poussin oder Lorrain eine lockere, wenig spezifische „Fiederform“ für ihre Bäume.54 Diese Form tritt auch in Graphiken des 18. Jahrhunderts auf, beispielsweise bei Christian W. E. Dietrich gen. Dietricy (1712-1774). Der überwie-gende Teil der Pflanzendarstellung ist jedoch von den verfestigten vegetabilen Texturen geprägt, die sich vor allem bei den niederländi-schen Landschaftsgraphikern finden.55 Das Blattwerk der Bäume ist als dichtes Gespinst feiner Striche wiedergegeben, mit dem die Form der Baumkrone modelliert wird; der meist dunkle Stamm ist wenig differenziert. Nach der Großform der Bäume lassen sich einige wenige Baumgattungen unterscheiden, vor allem Eichen und Weiden.56 Eine etwas differenziertere Darstellungsweise findet sich bei Johann Chris-tian Reinhart (1761-1847). Dieser verwendet nicht nur verschiedene Baumformen, sondern platziert im Vordergrund auch einige Kräuter und Büsche mit ausformulierten Blättern (vgl. Kat.Nr. 49). Ein Ver-gleich seiner Werke zeigt jedoch, dass sich diese Kräuter und Büsche auf wenige Typen beschränken, die eher dem Bedürfnis nach forma-ler Abwechslung als einem botanischen Interesse geschuldet sind. So kombiniert er Schilf, langblättrige Büsche und ein breitblättriges Kraut.Ein anderes Verhältnis zum Pflanzenreich offenbaren hingegen Salo-mon Gessner (1730-1788) und der von ihm beeinflusste Kolbe.57 Bei diesen Künstlern sind Eichen und Weiden, seltener auch Birken und Obstbäume durch ihre Umrissform, die Struktur der Äste und des Laubwerkes und die Oberfläche des Stamms zu unterscheiden (vgl. Kat.Nr. 41, 42). Darüber hinaus ist eine Entwicklung zu einer wach-senden Anzahl identifizierbarer Kräuterarten im Vordergrund festzu-

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stellen. Auf den Blättern Gessners kann man unter anderem Hopfen, Schilf und Zaunwinde erkennen.58 Von diesem Künstler sind auch Pflanzenstudien überliefert, die trotz ihres skizzenhaften Charakters die Grundzüge einer botanischen Zeichnung mit wissenschaftlichem Anspruch erkennen lassen.59 Der von ihm beeinflusste Kolbe steigerte die Genauigkeit der Pflanzendarstellungen um ein Vielfaches, gerade die Blattoberflächen zeigen jetzt eine ausformulierte Struktur. Die Ve-getation entstammt vor allem seinen Studien in der sumpfigen Gegend um Dessau. Als Bäume bevorzugt er in bizarren Formen gewachsene Eichen und Weiden, in den Vordergründen stellt er die riesigen Blät-ter der großen Klette und des Sauerampfers mit Schilf, Zaunwinde, Hopfen und anderen Pflanzen zu dichten vegetabilen Kulissen zu-sammen.60 Die verschlungene Anordnung und die teilweise schon von Insekten zerfressenen Blätter folgen in ihrer Darstellungsart eher Stillleben als wissenschaftlichen Abbildungen.61 Nur selten tritt ein Kraut isoliert in Erscheinung. Allerdings gibt Kolbe Schmetterlinge in einer merkwürdig abstrakten Form wieder, die der Konvention der Buchillustration entspricht: Sie werden mit aufgeklappten Flügeln von oben gezeigt (vgl. Kat.Nr. 46, 68). Gegenüber den monumentalen Bäumen und Kräutern treten die von Kolbe in diese Umgebung einge-fügten Menschen und Tiere zurück. Möglicherweise folgt er auf diese Weise dem neuen Naturverständnis, welches bei Linné und Buffon zu erkennen war.62

Gerade bei Gessner und Kolbe lassen sich zwei Darstellungsmodi unterscheiden, die sich in der Abbildung von Pflanzen herausbilde-ten. Die Gestaltung des Mittel- und Hintergrundes mit den Bäumen musste technisch anders gelöst werden als die Ausformulierung der Kräuter im Vordergrund. Während bei den niederländischen Graphi-kern diese Trennung wenig ausgeprägt erscheint, gestalten Kolbe und Gessner die Vordergründe mit den festen Blattumrissen der Kräuter, während das Blattwerk der Bäume dahinter in aufgelösten Kontu-ren und vereinfachten Formen wiedergegeben ist (vgl. Kat.Nr. 43). Kolbe isoliert schließlich den Vordergrund völlig und wertet ihn als „Kräuterstück“ zu einer eigenen Bildgattung auf. Bei Gessner sind hingegen Bemühungen zu spüren, beide Darstellungsarten zu ver-binden, so zeigen einige in den Vordergrund ragende Äste ein Blatt für Blatt ausdifferenziertes Laubwerk.63 Die Trennung dieser beiden Darstellungsmodi hängt möglicherweise mit der Differenzierung der Wahrnehmungsmöglichkeiten in der Naturwissenschaft zusammen. Die mikroskopische Betrachtungsweise hatte sich neben der Beobach-tung mit dem unbewehrten Auge etabliert, so dass auch in naturwis-senschaftlichen Werken oft mehrere Darstellungsarten nebeneinander erscheinen (vgl. Kat.Nr. 74).64

Abgesehen von der Botanik entwickelten einzelne Künstler Interesse an anderen Naturwissenschaften. Christoph Nathe und Friedrich Wil-helm Gmelin geben ähnlich auffällig wie später Carus Stratigraphien und Felsformationen wieder (vgl. Kat.Nr. 59), und Kolbe verwendet viel Aufmerksamkeit auf die Darstellung von Kühen (vgl. Kat.Nr. 44).

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Dennoch bleiben direkte Einflüsse von der naturwissenschaftlichen Entwicklung auf die Landschaftsdarstellung im 18. Jahrhundert die Ausnahme. Die Künstler und Kunsttheoretiker scheinen lediglich re-lativ spät, also vor allem gegen Ende des Jahrhunderts weit verbreitete wissenschaftliche Theorien und Darstellungsformen gekannt und in Ansätzen auch in ihren Werken reflektiert zu haben.65 Die kompli-zierten Wege der Popularisierung von Wissen und das Verhältnis von kultureller zu naturwissenschaftlicher Bildung können hier nicht nachgezeichnet werden. Künstler wie Gessner und Kolbe waren sich jedoch bewusst, dass ihr Publikum ein differenzierteres Bild von der Natur und den Pflanzenarten gewann, und versuchten diesem in ih-ren Werken gerecht zu werden. Wichtiger als die Darstellung isolierter botanischer Informationen war jedoch auch bei ihnen die Gesamtwir-kung der Landschaft.Im Überblick bieten sich Landschaftsgraphiken und wissenschaftliche Illustrationen als Bilder von der Natur dar, die beide aus dem Studium des Partikulären etwas Universelles abstrahieren, dieses jedoch mit deutlich unterschiedlichen Zielsetzungen. Während sich die Botanik über die Pflanzenarten auf ein ideales Objekt konzentriert, ist die Landschaftsgraphik über die Wirkung des Schönen und Malerischen auf das Subjekt des Betrachters ausgerichtet. Beiden Darstellungsmodi liegt jedoch eine Idealvorstellung vom Verhältnis des Menschen zur Natur zu Grunde. Die Naturwissenschaft geht von einer möglichen Systematisierung und Entschlüsselung der Schöpfung durch den menschlichen Verstand aus, der sich über die Erfüllung seiner Vorstel-lungen von einer sinnvollen Ordnung selbst bestätigen kann. Für die Kunst ist die Natur ein Auslöser von positiven Emotionen im Men-schen, die Potential zu einer ähnlichen Reflexion bieten.66 Auf diese Weise können dem künstlerisch interessierten und populärwissen-schaftlich gebildeten Rezipienten der Naturbilder beide Darstellungs-formen als Möglichkeiten zu affirmativer Kontemplation dienen.

Julian Jachmann

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1 Schiebinger 1998, S. 126-136.2 Geus 1994, S. 734f.; Topper 1996, S. 232f.3 Schnalke 1995 a, S. 99, 117-129; Stafford 1998, S. 255;

Nickelsen 2000, S. 12.4 Laut Valentini hatte sich der bekannte Tournefort, einer

der wichtigsten Systematiker vor Linné, mit diesem Titel versehen (Valentini 1719, Einleitung).

5 Nordenskiöld 1926, S. 255; Morton 1981, S. 248.6 Morton 1981, S. 259-267; Laudan, 1987, S. 70-73; Mägde-

frau 1992, S. 61-77; Klonk 1996, S. 37; Lechtreck 2000, S. 228-252; Howoldt 2002, S. 9-16.

7 Lechtreck 2000, S. 228-252.8 Nordenskiöld 1926, S. 177-195; Lehmann-Haupt 1973, S.

471-502; Geus 1994, S. 734f.9 Morton 1981, S. 301ff.; Mägdefrau 1992, S. 78f.10 Lepenies 1988, S. 70; Geus 1994, S. 735-746; Müller-

Tamm 1995, S. 9-12, 19, 30.11 Nordenskiöld 1926, S. 220-231; Morton 1981, S. 287f.12 Harlan 2002, S. 17-36.13 Nordenskiöld 1926, S. 259, 282-289; Nissen 1966, S. 203;

Morton 1981, S. 32f.; Müller-Tamm 1995, S. 9f., 34f., 154.14 Buquoy 1817, S. III.15 Blumenbach 1782, S. 1-11; Stafford 1998, S. 288.16 Nordenskiöld 1926, S. 218; Klonk 1996, S. 8.17 Morton 1981, S. 238; Lepenies 1988, S. 34f.18 Blumenbach 1782, S. 6-11; Geus 1994, S. 734f.19 Die angegebenen Beispielwerke entstammen dem Bestand

der Universitätsbibliothek Marburg. Eine kunsthistorische Behandlung botanischer Illustrationen ist bisher eher der Ausnahmefall. Die folgenden Ausführungen können sich daher nur auf wenige Autoren stützen, v. a. Nissen, Ludwig und Nickelsen. Es ist allerdings möglich, dass ein aktuelles Projekt der Universität Bern zu neuen Ergebnis-sen führt (einsehbar im Internet: http://penelope.unibe.ch/docuserver/compago/home_bot.html; 1.7.03).

20 Nissen 1950, S. 24; Topper 1996, S. 226-230.21 Nissen 1950, S. 5, 42; Nissen 1966, S. 66-80; Ludwig 1998,

S. 160; Stafford 1998, S. 262-278.22 Mann 1964, S. 21; Nissen 1966, S. 5-7, 164; Nickelsen

2000, S. 161.23 Lechtreck 2000, S. 223-228.24 Nissen 1966, S. 5-7; Nickelsen 2000, S. 44-57, 495-498.25 Nickelsen 2000, S. 13f.26 Nissen 1950, S. 54.27 Schnalke 1995 a, S. 99, 104, 115.28 Zu diesem Schluss kommt vor allem Nickelsen (Nickelsen

2000, S. 85). Allerdings betont Miller, er habe auf die Ab-bildung exotischer Arten verzichtet, da er von diesen keine zuverlässigen Zeichnungen fertigen könnte (Miller 1804, Vorrede). Offensichtlich besaßen die Künstler unterschied-liche Stärken und Präferenzen.

29 Nickelsen 2000, S. 85.30 Nickelsen 2000, S. 27-48, 85, 150.31 Freedberg 1994, S. 245.32 Freedberg 1994, S. 256; Lechtreck 2000, S. 250-252.33 Freedberg 1994, S. 245.34 Nickelsen 2000, S. 72-82.35 Nickelsen 2000, S. 33.36 Schnalke 1995 a, S. 99, 104, 115.37 Nissen 1966, S. 1; Stafford 1998, S. 177f.; Howoldt 2002, S.

9-16.38 Nickelsen 2000, S. 36.39 Pirson 1953.40 Nissen 1950, S. 43; Pirson 1953, S. 449.41 Nissen 1966, S. 168-178; Schnalke 1995 a, S. 117; Schnalke

1995 b, S. 9-19; Ludwig 1998, S. 152; Beyer-Thoma 2002, S. 281-292.

42 Nissen 1950, S. 48; Berg/Freund 1963, S. 1-6; Nissen 1966, S. 179.

43 Ledermüller 1763, Taf. 2-5, 20, 24.44 Ludwig 1998, S. 17245 In England beschäftige Robert John Thornton hingegen

um 1800 für The Temple of Flora v. a. Landschafts- und Portraitmaler (Kemp 1990, S. 133; Klonk 1996, S. 37).

46 Ludwig 1998, S. 172-174, 188.47 Mitchell 1993, S.11f., 16f., 30f.; Busch 1995, S. 209-214;

Müller-Tamm 1995, S. 31-34, 40.48 Müller-Tamm 1995, S. 38.49 Sulzer 1792/1799, S. 507-511; Hohner 1976, S. 23.50 Busch 1995, S. 209-214.51 Hirschfeld 1973, S. A2, 14f., 30; Eschenburg, 1987, S. 107;

Mitchell 1993, S. 32-47; Maul 1997, S. 111-113.52 Maul 1997, S. 112f.53 Martens 1976, S. 9, 25-29; Mitchell 1993, S. 32.54 Martens 1976, S. 38.55 Vgl. den Beitrag von Ulf Sölter in diesem Band.56 Martens 1976, S. 38.57 Vgl. den Beitrag von Imke Harjes in diesem Band.58 Mitchell 1993, S. 30.59 Es handelt sich um die klare Darstellung ganzer Pflanzen

mit Blüten, isoliert, mit wenig Überschneidungen und differenzierten Blattformen. Gessner scheint sogar eine Blüte als vergrößertes Detail wiedergegeben zu haben (Ausst.Kat. Wolfenbüttel 1980, S. 139).

60 Martens 1976, S. 9, 13, 25-29.61 Martens 1976, S. 26.62 Nordenskiöld 1926, S. 220-231; Martens 1976, S. 26.63 Waldkirch 1980, S. 130.64 Lehmann-Haupt 1973, S. 488-502.65 Mitchell 1993, S. 3f.; Klonk 1996, S. 5f.66 Vgl. den Beitrag von Michael Buchkremer in diesem Band.

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Katalog

Die verwendeten Kurztitel bei den Literaturangaben verweisen auf die Bibliographie am Ende des Katalogs.Die angegebenen Blattgrößen bezeichnen immer die Maße der Druckplatte.

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1. sechs verschIeDene lanDschaften mIt flüssen, 1683

Radierungen, alle 14,8 x 19,3 cm Blätter 2-6 entsprechen dem III. Zustand (Hollstein 1949). Das erste Blatt, mit der hinzugefügten Verlegeradresse, stimmt nicht mit dem IV. Zustand überein. Die auf dem ersten Blatt am unteren Blattrand angegebene Bez. N° 72 geht wahrscheinlich aus einer weiteren Änderung der Druckplatte hervor. Bei Hollstein wird ein V. Zustand nach Beseitigung der Verlegeradresse beschrieben wird, die jedoch hier noch vorhanden ist. Das Blatt entspricht einem noch nicht verzeichneten Zwischenzustand (IV.a)

1. blatt: Bez. unten links: G. Valk excudit.; unten mittig: N° 72; unten rechts: Joan: ab Almeloveen inv: et fec: 1 Inv.Nr. 18.857

2. blatt: Bez. unten links im Bild: 1683; unten rechts im Bild: Joan: ab Almeloveen inv: et fec. 2 Inv.Nr. 18.858

3. blatt: Bez. unten rechts im Bild: Joan: ab. Almeloveen inv: et fec: 3 Inv.Nr. 18.859

4. blatt: Bez. unten rechts im Bild: Joan: ab. Almeloveen inv: et fec: 4 Inv.Nr. 18.860 Zustand: an den Ecken Reste einer früheren Klebung sichtbar

5. blatt: Bez. unten rechts im Bild: Joan: ab. Almeloveen inv: et fec: 5 Inv.Nr. 18.861

6. blatt: Bez. unten rechts im Bild: Joan: ab. Almeloveen inv: et fec: 6 Inv.Nr. 18.862

Lit.: Bartsch 1876, Bd.1, S. 299, Nr. 21-26; Bartsch 1978, Bd. 1, S. 289-294, Nr. 21-26; Hollstein 1949, Bd. 1, S. 30, Nr. 21-26.

Die sechs Blätter zeigen Flusslandschaften, die nach eigener Erfin-dung Almeloveens entstanden sind. Die Gegenden sind nicht, wie in anderen Serien des Künstlers, durch eine Bildunterschrift zuordenbar. Möglicherweise hat sich der Holländer von den Rheinansichten auf seiner Deutschlandreise zu dieser Serie inspirieren lassen. Die weitläu-figen Landschaften der sechs kleinformatigen Blätter verbreiten eine idyllische Stimmung.Der niederländische Künstler steht mit seinen druckgraphischen Ar-beiten in der Folge von Künstlern wie Simon de Vlieger (1600-1653) und Jan van de Capelle (vor 1626-vor 1679). In anderen Serien, die wiederum Ansichten holländischer Dörfer nahe seiner Heimatstadt Utrecht zeigen, radierte er nach Arbeiten Herman Saftlevens (1609-1685). Neben einem Doppelportrait des Papstes Clemens X. und dem Theo-logen Gijsbert Voet aus Utrecht (1675) und dem Portrait seines Vaters (1678) zeigt das übersichtliche Oeuvre des Künstlers fast ausschließ-lich Landschaftsdarstellungen, unter denen einige rautenförmige Blätter, die einer Jahreszeitenserie zugehörig sind, aufgrund des unge-wöhnlichen Zuschnitts auffallen.

U.S.

Jan van almeloveen (um 1652 – nach 1683)

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7. Der ast Im wasser

Radierung, 10,3 x 16 cm IV. Zustand (Hollstein 1952) Inv.Nr. 15.658 Zustand: Fleck am linken Blattrand

Lit.: Bartsch 1876, Bd. 2, S. 204, Nr. 79; Bartsch 1978, Bd. 2, S. 176, Nr. 79; Hollstein 1952, Bd. 6, S. 186f., Nr. 79.

Offen und wenig dicht stellen sich die beiden Blätter Der Ast im Wasser und Der Bauer mit dem Hund aus Everdingens Hand dar: Sie haben beide in der linken Bildhälfte vordergründig gearbeitete schroffe Fel-sen, die mit wenigen, schwach belaubten Bäumen bewachsen sind. Das Gestein fungiert als Repoussoirmotiv, das die Tiefenwirkung der Arbeiten erhöht. Die rechte Bildhälfte lässt den Blick in die Ferne zu: Das Blatt mit dem Bauern öffnet sich dem Betrachter zum Tal hin, so dass die Sicht weit ist und die entfernte Stadt in Ihren Ausmaßen erkennbar wird. Dahinter ist ein nah gelegener Fluss vor einer kleinen Bergkette erkennbar. Die andere Radierung rückt die Architektur nä-her an den rechten Bildrand und ist insgesamt weniger stark auf den Blick in die Ferne angelegt. Der auffällige Ast im Bildvordergrund verbindet die beiden Darstellungsebenen miteinander.

Entgegen dem allgemein üblichen Künstlerbestreben, die Campagna Italiens zu bereisen, unternahm Allart van Everdingen 1644 eine Reise nach Norwegen und Schweden, die seine Kunst motivisch nachhaltig beeinflusste. Ende der 1640er Jahre hat er ein umfassendes Repertoire nordischer Sujets mit Bergansichten, Felsen, Wasserszenen und Was-serfällen ausgebildet. Sein druckgraphisches Oeuvre ist in der neueren Forschung unter anderem wegen Everdingens Experimenten mit der Kombination verschiedener Drucktechniken, die sich zeitlich paral-lel der noch jungen Technik des Mezzotintoverfahrens annäherten, stärker beachtet worden. Everdingen wollte sich von der Radiernadel lösen. Das Bemühen, Tonalität statt Linien zu betonen, ist ein Kenn-zeichen der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts. Die Schab-kunst- oder Mezzotintotechnik ermöglicht dem Künstler, aus einer einheitlich dunklen Platte hellere Flächen herauszuholen. Everdingen gilt als Vorbild für eine Reihe deutscher Künstler, wie beispielsweise Christian Wilhelm Ernst Dietrich (vgl. Kat.Nr. 23,24), Johann Christian Reinhart (vgl. Kat.Nr. 48-58) oder auch Ferdinand Kobell.

U.S.

allart van everDIngen (1621-1675)

8. Der bauer mIt Dem hunD

Radierung, 10,4 x 16,3 cm IV. Zustand (Hollstein 1952) Bez.: auf dem Fels rechts unten im Bild sign.: AVE Zustand: Papierrostfleck auf der linken Bildseite Inv.Nr. 15.658

Lit.: Bartsch 1876, Bd. 2, S. 205, Nr. 80; Bartsch 1978, Bd. 2, S. 177, Nr. 80; Hollstein 1952, Bd. 6, S. 186f., Nr. 80.

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9. Der wasserfall beI Der wassermühle

Radierung, 14,3 x 20,4 cm V. Zustand (Hollstein 1952) Bez.: unten rechts neben dem Wasserfall sign.: AVE Inv.Nr. 15.658

Lit.: Bartsch 1876, Bd. 2, S. 218, Nr. 102. Bartsch 1978, Bd. 2, S. 199, Nr. 102. Hollstein 1952, Bd. 6, S. 198f., Nr. 102.

Als Goethe zu Beginn seiner Italienischen Reise im September 1786 in einer Kutsche unterwegs Richtung Sterzing war, kam er „zwischen hohen Felsen, an dem reißenden Etschfluß hinunter. [...] Einige Müh-len zwischen uralten Fichten über dem schäumenden Strom waren völlige Everdingen“ (vgl. Goethe, I. Abteilung, Bd. 15/1 (1993), S. 26), schildert der bekannte Dichterfürst seine Eindrücke. Das Blatt Der Wasserfall bei der Wassermühle steht beispielhaft dafür, dass Goethe sich beim Anblick der durchfahrenen Landschaft zu dem Vergleich mit den Werken Everdingens hinreißen lies. Die Arbeit zeigt einen, durch das tosende Wasser bewegten Ausschnitt einer Waldlandschaft. Der hier gezeigte V. Zustand des Blattes erlaubt kaum noch einen Blick auf den Himmel. Der Erstzustand der Druckplatte ließ den Blick über die Mühle zu, spätere Änderungen brachten Wolken, und schließlich wuchsen zunächst blattlose Äste in die lichte Fläche, die, wie der vor-liegende Druck bestätigt, schließlich auch noch mit vegetabilem Leben erfüllt wurde.

U.S.

allart van everDIngen (1621-1675)

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10. DIe grosse buche, mIt zweI männern unD eInem hunD, 1650/1655

Radierung, 19,2 x 27,6 cm II. Zustand (Hollstein/De Hoop Scheffer 1978 & Slive 2001) Bez.: am unteren Blattrand sign.: JvRuisdael f Inv.Nr. fehlt Zustand: an den Ecken Reste einer früheren Klebung sichtbar

Lit.: Bartsch 1803, Bd. 1, Nr. 2; Bartsch 1978, Bd. 1, S. 302; Hollstein/De Hoop Scheffer 1978, S. 169, No. 2; Slive 2001, S. 604f.

Die Darstellung einer mächtigen Buche, die mit ihrem verschlun-genen, weit sichtbaren Wurzelwerk den schweren Stamm und die ausladenden Äste balanciert, verkörpert Ruisdaels bildliche Betonung der kraftvollen, natürlichen Formen und deren eigenwilligem Wuchs. Auch das zweite Blatt, die Strohhütte auf einem Hügel, zeigt in der linken Bildhälfte die gewaltigen Ausdehnungen der dargestellten, pflanzlichen Gebilde. Den Eindruck, dass die imposanten Naturge-bilde dem Betrachter gegenüber als bildbestimmend in Erscheinung treten, erreicht der niederländische Künstler durch eine scharfe Tren-nung des Vorder- und Hintergrundes. Die Pflanzen scheinen dem Betrachter nahe und greifbar zu sein, da Ruisdael die Linien stark gearbeitet und sie dicht nebeneinander gesetzt hat. Der Hintergrund ist kontrastierend dazu mit wenigen, weiter auseinanderliegenden Linien gearbeitet und lässt darüber hinaus vielfach den Blick auf den Farbton des Blattes zu. Die wenigen, zum Gesamteindruck nicht pas-senden, Haufenwolken auf beiden Blättern wurden später, von einem anderen Künstler, hinzugefügt. Ruisdaels Naturdarstellungen wirken gegenüber den Arbeiten seiner Zeitgenossen, wie beispielsweise die feingliedrige Art der Baumausführung in dem Blatt Das Milchmädchen von Antonie Waterloo (vgl. Kat.Nr. 18), rau und urwüchsig belebt. Diese ausdrucksstarken Motive verleihen Ruisdaels Arbeiten einen über das Bildsujet hinausgehenden Symbolgehalt. Achim Riether erkennt, dass als Zeichen des Wachsens, Reifens, Erblühens und Ab-sterbens die schon halb verdorrten und kahl gewordenen Bäume für einen Lebenszirkel von Werden und Vergehen stehen und sie deshalb sinnbildhaft auf den Ablauf menschlicher Existenz übertragen werden können (Ausst.Kat. Reutlingen/Ulm 1999, S. 66).Die beiden hier gezeigten Blätter gehören zu den bekannteren Radie-rungen des Künstlers. Die Landschaften wurden möglicherweise als zusammengehörige Serie entworfen. Entstanden sind die Drucke in der ersten Hälfte der 1650er Jahre. Sie bilden vermutlich auch den Ab-schluss der kurzen Karriere Ruisdaels als Radierer – Drucke aus den Jahren bis zu seinem Tod im Jahr 1682 sind nicht bekannt.

U.S.

Jacob Isaackszoon van ruIsDael (1628/1629 – 1682)

11. eIne strohhütte auf eInem hügel, 1650/1655

Radierung, 19,7 x 27,7 cm II. Zustand (Hollstein/De Hoop Scheffer 1978 & Slive 2001) Bez.: am unteren Blattrand sign.: JvRuisdael Inv.Nr. 5.981 Zustand: an den Ecken Reste einer früheren Klebung sichtbar nachgedunkelt; oben rechts Verfärbung durch Wasserflecken

Lit.: Bartsch 1803, Bd. 1, Nr. 3; Bartsch 1978, Bd. 1, S. 303; Hollstein/De Hoop Scheffer 1978, S. 170, No. 3; Slive 2001, S. 606f.

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zweI blätter eIner zwölfteIlIgen serIe mIt lanDschaften

12. blatt 1 von 12: lanDschaft mIt eInem karDInal

Radierung, 18,5 x 27,7 cm III. Zustand (Hollstein/De Hoop Scheffer, Keyes, Luyten 1984) Bez. unten links im Bild: Herman van Suaneuelt Inventor fecit; unten, mittig: à Paris chez Mondhare rue St Jacques; rechts unten: cum priuilegio Regis Inv.Nr. 4266

Lit.: Bartsch 1876, Bd. 2, S. 295f., Nr. 83; Bartsch 1978, Bd. 2, S. 287, Nr. 83; Hollstein/De Hoop Scheffer, Keyes, Luyten 1984, S. 85f., Nr. 87.

13. blatt 12 von 12: Das haus auf Dem felsen

Radierung, 18,5 x 27,7 cm V. Zustand (Hollstein/De Hoop Scheffer, Keyes, Luyten 1984) Bez. unten links im Bild: Herman van Suaneuelt Inventor fecit; unten rechts: cum priuilegio Regis Inv.Nr. fehlt Zustand: Blatt ist vergilbt

Lit.: Bartsch 1876, Bd. 2, S. 303, Nr. 94; Bartsch 1978, Bd. 2, S. 298, Nr. 94; Hollstein/De Hoop Scheffer, Keyes, Luyten 1984, S. 90, Nr. 98.

Beide Blätter der zwölfteiligen Serie verdeutlichen in anschaulicher Weise, wie Swanevelt von seinen Ausflügen in die römische Campagna beeinflusst wurde. In der Arbeit Landschaft mit einem Kardinal ist das Studium der verlassenen Ruinen in der Nähe Roms und Tivolis er-kennbar. Die Gestalten des lesenden Kardinals und seiner hinter ihm gehenden Begleiter, auf deren Barmherzigkeit ein im rechten Bildvor-dergrund platzierter Bettler hofft, setzen den Maßstab für die über-menschliche und nahezu bildfüllende Größe des antiken Bauwerks. Rechts neben dem um Almosen Bittenden sind zwei Schatten sichtbar, die möglicherweise an Reisende mit einem geschulterten Wanderstab erinnern sollen. Unter Umständen führt Swanevelt auch hier den beobachtenden und die Szenerie studierenden Künstler, wie auf dem Blatt Der kleine Wasserfall, in das Blatt ein. Vielleicht ist aber auch der außerhalb des Bildes sich befindende Betrachter, dessen Schatten über die Bildkante geworfen wird, gemeint.Auch das weniger imposante Gebäude auf der linken Bildseite der Radierung Haus auf dem Felsen, das Bartsch noch als château erkannt hat, verbildlicht süditalienische Architektur. Hier ist sie jedoch nicht annähernd so bildbestimmend wie in dem oben angeführten Blatt. Der Besuch Italiens durch niederländische Künstler nahm schon im 16. Jahrhundert seinen Anfang. In immer größerer Zahl fuhren sie zu Studienzwecken in den Süden, um die mediterranen Gegenden zu erleben. Seit etwa den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts war die sogenannte grand tour zu einer verpflichtenden Bildungsfahrt gewor-den, von der die Künstler ihre Eindrücke mit in den Norden brachten. Abhängig von seinem aktuellen Aufenthaltsort arbeitete Swanevelt jedoch in einem seiner Umgebung und seinem Umfeld angepassten Stil: „Some of his work can be characterized as Dutch Italianate, others as classically luminist, and still others as French late baroque”, schreibt Andrew Blume in seinem Beitrag zum druckgraphischen Werk des Künstlers (Blume 1994, S.12).

U.S.

herman van swanevelt (um 1600 – 1655)

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14. Der kleIne wasserfall

Letztes Blatt einer vierteiligen Serie mit Landschaften Radierung, 18,4 x 27,4 cm IV. Zustand (Hollstein/De Hoop Scheffer, Keyes, Luyten 1984) Bez. unten rechts im Bild: Herman Van Swaneuelt in. fe. Cum. pr Re Inv.Nr. fehlt Zustand: Reste einer früheren Klebung an den Bildecken sichtbar

Lit.: Bartsch 1876, Bd. 2, S. 293f., Nr. 80; Bartsch 1978, Bd. 2, S. 284, Nr. 83; Hollstein/De Hoop Scheffer, Keyes, Luyten 1984, S. 93ff., Nr. 106.

15. paulus unD antonIus am eIngang zu eIner höhle

Letztes Blatt einer vierteiligen Serie von büßenden Heiligen in einer Landschaft III. Zustand (Hollstein/De Hoop Scheffer, Keyes, Luyten 1984) Radierung, 25,2 x 33,1 cm Bez. unten links im Bild: Herman van Suanevelt Inventor fecit; unten rechts: cum privilegio Regis Inv.Nr. fehlt Zustand: am Bildrand leicht stockfleckig

Lit.: Bartsch 1876, Bd. 2, S. 314, Nr. 110; Bartsch 1978, Bd. 2, S. 314, Nr. 110; Hollstein – De Hoop Scheffer, Keyes, Luyten 1984, S. 56f., Nr. 15.

Die Darstellung des Wasserfalls, eines Bildmotivs, das sich seit Mitte des 17. Jahrhunderts etabliert hat, veranschaulicht Swanevelts Inter-esse für die Lichtregie in seinen Arbeiten. Durch das von links oben einfallende Sonnenlicht bildet der Wasserfall an seinem obersten Grad eine Lichtscheide, welche am rechten Rand eine auffallende Diagona-le ausbildet. Diese bildkompositorischen Feinheiten werden durch die präzisen Beleuchtungen der Baumkronen und des sichtbaren Gesteins verstärkt. Die hier gezeigte Landschaft beruft sich weder auf ein tradi-tionell mythologisches, noch biblisches Sujet. Diese Studie einer idyl-lisch-arkadischen Landschaft lädt den Betrachter zum Verweilen ein – man soll es der Figur an dem sonnigen Platz, am rechten Bildrand gleichtun: hier hat sich der Künstler, der die Stimmungen der römi-schen Campagna in seinem Skizzenblock festhielt, selbst verewigt.

herman van swanevelt (um 1600 – 1655)

Nach Joachim von Sandrarts Beschreibungen in seiner Academie der Bau-, Bild-, und Mahlerey-Künste (1675) wurde Swanevelt von Maler-freunden auch Eremit genannt, weil er von Rom aus auf das Land zog, um die Ruinen, denen man in seinem malerischen wie graphischen Werk begegnet, abzuzeichnen. Er war Mitglied der Schilderbent, einer Vereinigung niederländischer Maler in Rom, bei denen die Vergabe von Spitznamen einem obligatorischen Ritus entsprach. Das Blatt zeigt die beiden Eremiten Antonius und Paulus. Als der 90jährige Antonius durch einen Traum erfährt, dass es einen noch be-harrlicheren Einsiedler als ihn gibt, macht er sich auf die Suche nach dem 110 Jahre alten Paulus. Ein Wolf führt ihn schließlich durch die Wüste zu ihm. Swanevelts Arbeit zeigt die beiden Greise vor der Höh-le des Paulus im Gespräch vertieft. Die Szene ist in eine felsige, durch einen am rechten Bildrand fließenden Bach getrennte Waldlandschaft gebettet. Der auffällige Vogel ist ebenfalls dem sakralen Sujet zugehö-rig: ein Rabe brachte dem Eremiten Paulus täglich ein Brot. Anlässlich des Besuchs soll er jedoch an jenem Tag zwei Laiber herbeigetragen haben. Der Künstler verbildlicht die erhöhte Essensration durch ein augenscheinlich sehr großes Brot.

U.S.

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16. Das Dorf mIt Der kIrche am meeresufer

Radierung, 9,5 x 14,6 cm II. Zustand (Hollstein/Schuckman 1997). Das vorliegende Blatt wurde von der stark ausgedruckten Platte abgezogen, da am Himmel kaum mehr etwas von den ursprünglich radierten Wolken zu erkennen ist. Schuckman hat einen so späten Abzug offenbar nicht gesehen, da er dies bei den Zustandsbeschreibungen nicht aufführt. Bez. oben links im Bild: d Inv.Nr. fehlt

Lit.: Bartsch 1876, Bd. 2, S. 32, Nr. 24; Bartsch 1978, Bd. 2, S. 20, Nr. 24; Bartsch 1992, S. 33, Nr. 24; Hollstein/Schuckman 1997, Bd. 50, S. 82f., Nr. 24.

17. Der bauer auf Dem breIten weg

Radierung, 13,2 x 14,4 cm Zustand IId (Hollstein/Schuckman 1997) Bez. oben rechts im Bild: 5 Inv.Nr. fehlt Zustand: linker Blattrand verfärbt

Lit.: Bartsch 1876, Bd. 2, S. 75f., Nr. 69; Bartsch 1978, Bd. 2, S. 60, Nr. 69; Bartsch 1992, S. 88f., Nr. 69; Hollstein/Schuckman 1997, Bd. 50, S. 162f., Nr. 69

Gliedern sonst die Baumdarstellungen in Waterloos Arbeiten die Bild-fläche, so ist in der Dorfansicht der alles überragende Kirchturm das vertikal aufstrebende und bestimmende Element. Darüber hinaus wird eine Bilddiagonale beschrieben, die sich über die Kirchturmspitze, die Dächer der Wohnhäuser, die Bäume und schließlich die Segelschiffe im Meer von der oberen linken Bildecke nach rechts unten, Richtung Horizont, erstreckt. Waterloo zeichnete Dünen- und Waldgebiete, Wasserschlösser und Herrenhäuser, Dörfer und kleine bäuerliche Siedlungen. Es finden sich unter seinen Arbeiten Motive aus der holländischen Küstenregion und dem Stromgebiet des Niederrheins, in dessen Flusslandschaften und Städten er eindrucksvolle Ansichten fand und in seinen Arbeiten wiedergab. Diese holländischen Gegenden erscheinen in Waterloos Arbeiten vielfach als loci amoeni, als arkadische Orte im Norden.

antonIe waterloo (1609-1690)

Die zwei Bäume geben dem breiten Weg eine Rahmung, ihre Baum-kronen bilden eine Diagonale, die im linken, oberen Bildeck eine Freifläche abteilt. In der Verlängerung des Weges blickt der Betrachter an einem Bauer vorbei auf die Dächer eines hinter Bäumen und Sträu-chern verborgenen Dorfes.Die vorliegende Graphik ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass Druckplatten vielfach verändert wurden. Auf dem ersten Druckzu-stand des Blattes ist im Bildvordergrund eine Reiterfigur, die von einem Bettler um einen Almosen befragt wird, abgebildet. Da die figürliche Staffage nicht mehr gefiel, wurde die Kupferplatte überarbeitet. Von der Gruppe ist auf dem vorliegenden Blatt nichts mehr zu sehen. Zumeist machen sich derartige Manipulationen nicht so augenfällig bemerk-bar. Ausgedruckte Platten wurden nachgestochen, so dass neue, frische Abdrucke gemacht werden konnten, bei Besitzerwechsel wurde ein neuer Verleger oftmals mit dem Zusatz excudit in der Bildunterschrift vermerkt oder es wurden motivische Ergänzungen, wie beispielsweise das Aufbringen von Wolken auf Freiflächen, vorgenommen.

U.S.

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18. Das mIlchmäDchen

Radierung, 13,1 x 14,5 cm Zustand IId (Hollstein/Schuckman 1997) Bez. oben links im Bild: 6 Inv.Nr. nicht lesbar

Lit.: Bartsch 1876, Bd. 2, S. 76, Nr. 70; Bartsch 1978, Bd. 2, S. 61, Nr. 70; Bartsch 1992, S. 90f., Nr. 70; Hollstein/Schuckman 1997, Bd. 50, S. 164f., Nr. 70.

Treten die Bäume Ruisdaels mit ihrer mächtigen, die Vergänglichkeit des Lebens symbolisierenden Urwüchsigkeit in Erscheinung (vgl. Kat.Nr. 10,11), so sind die Bäume in Waterloos Arbeiten zwar dicht im Wuchs und groß in der Erscheinung, keinesfalls aber so gewaltig und beängstigend wie bei seinem Zeitgenossen. Seine Waldlandschaften zeichnen sich durch eine romantisch anmutende Einsamkeit aus, die harmonisch und entspannt in Szene gesetzt wird. So zeigt auch dieses Blatt eine ruhige Waldstimmung mit einer fast das ganze Bild aus-füllenden Baumgruppe: der vordere Baum mit dem schweren Stamm wächst in die linke Bildhälfte, der hintere rechte füllt mit seinem dichten Blätterbewuchs die rechte Bildhälfte. Erst nach genauem Hin-sehen wird deutlich, dass die Baumkronen nicht zusammengehören. Oberhalb der Figurengruppe sind im Hintergrund die Umrisse eines Dorfes sichtbar.Das Motiv der bildbestimmenden Darstellung eines Baumes wie in Waterloos Arbeit wurde von deutschen Künstlern des ausgehenden 18. Jahrhunderts in ihren Druckgraphiken übernommen. (vgl. Kat.Nr. 41-43)Waterloos Arbeiten sind vielfach Studien der Schönheit heimatlicher Landschaften, die nur selten Bezug zu Mythologie oder antiken Moti-ven aufweisen, wie man sie etwa in Herman van Swanevelts Arbeiten (vgl. Kat.Nr. 12) findet. Bei der figürlichen Staffage der Druckgraphi-ken zeigt er die einheimische Bevölkerung. Waterloos Landschaften lassen sich in ihrer schlichten Art auch als paysage intime bezeichnen.

Wegen der Unruhen des 30jährigen Kriegs konnte Waterloo, wie viele andere seiner Zeitgenossen auch, erst nach Abschluss des Westfälischen Friedens im Jahr 1648 größere Reisen antreten, die grand tour nach Ita-lien unternahm er jedoch nicht. Seine Motive suchte er in der Heimat. Gefunden hat er sie in der Umgebung der Städte, die er bewohnte. Das vorliegende Blatt lässt eine italienisch anmutende Imagination des Künstlers, der die römische Campagna nie zu Gesicht bekam, er-kennen. Der Baum teilt die Bildfläche vertikal: in der linken Bildhälfte der weite Blick in die Ferne, rechts die erhöht liegende Architekturan-lage, die sich erst auf den zweiten Blick als nicht südländisch erweist. Ein vergleichbares, nach dem italienischen Original skizziertes Motiv findet sich etwa im Werk seines Zeitgenossen Herman van Swanevelt (vgl. Kat.Nr. 13).

U.S.

antonIe waterloo (1609-1690)

19. Das Dorf auf Dem hügel

Radierung, 12,3 x 20,8 cm Zustand IIc (Hollstein/Schuckman 1997) Bez. oben links im Bild: Antoni Waterloo. f. Inv.Nr. fehlt Zustand: vergilbt

Lit.: Bartsch 1876, Bd. 2, S. 97, Nr. 92; Bartsch 1978, Bd. 2, S. 83, Nr. 92; Bartsch 1992, S. 108, Nr. 92; Hollstein/Schuckman 1997, Bd. 50, S. 198f., Nr. 92.

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Lit. aLLg.: Stübel 1912, S. 76-80, Cremer 1989, S. 152-154

Christian Ludwig von Hagedorn war zunächst Diplomat in kur-fürstlichen Diensten und ab Dezember 1763 Generaldirektor der sächsischen Akademien in Dresden. In seiner freien Zeit radierte er über 50 meist kleinformatige Platten, wobei er sich die Technik auto-didaktisch aneignete. Bei den Motiven handelt es sich, mit Ausnahme von kleinen, skurrilen Porträtköpfen in Rembrandt´scher Manier, um Landschaften.Auch wenn Hagedorn sich seines Amateurstatus durchaus bewusst war, betonte er gegenüber Kritikern, die auf seine stilistische Nähe zu den Werken der Niederländer, insbesondere Antonie Waterloo (Kat.Nr. 16-19), hinwiesen, stets seine künstlerische Eigenständigkeit und Originalität der Komposition. Nicht im getreuen Abbilden eines Landschaftsausschnitts lag für ihn die Kunst, sondern im Arrangement verschiedener Motive zu einer Gesamtkomposition.

Das lateinische Zitat unter dem Bild entstammt dem dritten Teil von Vergils Georgica (etwa 39-29 v. Chr.), dem großen Lehrgedicht über die Landwirtschaft. Die Viehzucht ist das Hauptthema dieses Teils, dessen zweiter Abschnitt die Schilderung einer verheerenden Viehseu-che in Noricum bringt, die der Dichter als ungerechte Himmelsstrafe gegenüber den Bauern beklagt. Diese leben nämlich in Einklang mit der Tier- und Pflanzenwelt und sind nicht, wie der Städter, vom Wein verdorben. Wie das Zitat besagt, erquicken sich Mensch und Tier mit rauschendem Quellwasser.Auch wenn auf Hagedorns Bild Ochsen an einem Fluss zu sehen sind, soll es keine Illustration zu der Vergil-Stelle sein; augenscheinlich ist die Landschaft auch keine italienische, sondern eine nordeuropäische. Die Komposition folgt einem an die Niederländer des 17. Jahrhun-derts angelehnten Schema: Von rechts unten führt ein Weg zu einem Gehöft. Ein dunkel gezeichneter Baum am linken Bildrand dient als Repoussoirmotiv. Mit den Hausdächern und dem Flussufer wird er in eine Dreieckskomposition eingeschrieben, die auf der rechten Seite mit der Baumgruppe ein optisches Gegengewicht erhält. Der Horizont ist niedrig gehalten, der Himmel mit Schäfchenwolken aufgelockert. Die Strichlagen bei der Himmelszeichnung verraten ebenso wie die klein-teilige Strichmanier bei der Wiedergabe des Blattwerks den Einfluss der Niederländer.Mit dem gezeigten Landschaftsmotiv will Hagedorn dem Betrachter Vergnügen am Nachvollziehen seiner Komposition bereiten und mit dem Vergil-Zitat dem belesenen Kenner die antike Konzeption einer natürlichen Harmonie zwischen Mensch und Umwelt in Erinnerung rufen.

M.B.

chrIstIan luDwIg von hageDorn (1712-1780)

20. versuche, nr. 15, 1744

Radierung, 9,8 x 13,0 cm Bez. unten links: No 15. 1744. m Mart.; Mitte: Pocula sunt fontes liquidi atque exercita cursu / Flumine / Virgilius; rechts: HvD Inv.Nr. 6793

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21. versuche, nr. 16, 1744

Radierung, 13,0 x 9,8 cm Bez. unten links: No 16. 1744. m Mart.; Mitte: Queruntur in Sylvis aves / Fontesque Lymphis obstrepunt manantibus. Hor.; rechts: HvD Inv.Nr. 6794

Auch diesem Bild hat Hagedorn einen Vers eines antiken Dichters als Motto beigegeben. Es handelt sich um Vers 26-27 der zweiten Epode des Horaz (65-8 v. Chr.). Die Epode beschreibt eine Träumerei des Städters Alfius, der dem schlecht beleumdeten Beruf des Geldverlei-hers nachgeht. Bildreich beschwört das Gedicht das bescheidene Land-leben und die einfachen, mit dem Lauf der Jahreszeiten in Einklang stehenden Tätigkeiten der Bauern. Mit den hier zitierten Versen wird der locus amoenus, der liebreiche Ort, als Sehnsuchtsmotiv aufgerufen: Zu den rauschenden Bächen singen die Vögel in den Wäldern.Hagedorn bringt mit seiner Landschaftskomposition, die durch ein spannungsvolles Ungleichgewicht zwischen der kleineren Baum-gruppe links und der größeren auf der rechten Seite gekennzeichnet ist, weniger die Anmutung eines antiken Arkadiens, als vielmehr den Topos der reinen, vom Menschen weitgehend unberührten Natur. Die Bildbetrachter – in der Mehrzahl ein bürgerliches, städtisches Publi-kum – sollen sich des Gegensatzes von moralischer Degeneration in der Stadt und unverdorbener, von den Gaben der Natur abhängiger Lebensweise auf dem Lande bewusst werden. Ergänzend zu diesem Gedanken gemahnt der abgestorbene Baumstumpf rechts im Bild an den Kreislauf von Werden und Vergehen allen Lebens.

Ähnlich wie die zwei Jahrzehnte zuvor entstandenen Radierungen der Versuche, hat Hagedorn auch die 8 Blätter aus den Jahren 1765-1766 zu einer Folge zusammengefasst. Sie sind bescheiden als Neue Versuche überschrieben. Sie erschienen in einer Auflage von 100 Exemplaren, und mit dem Erlös wurde das Waisenhaus in Annaberg unterstützt. Der Verkaufserfolg war jedoch bescheiden, was möglicherweise der Anlass für Hagedorn war, in späteren Jahren keine weiteren Radierun-gen mehr anzufertigen.Mit dem Titel Neue Versuche wird angezeigt, dass es Hagedorn um das Experimentieren mit unterschiedlichen Kompositionen ging. Die Mo-tive sind ausschließlich Landschaften, deren wiederkehrende Elemen-te – Baumgruppen, Flüsse und Bäche, Ruinen, Gehöfte sowie Fischer als Staffagefiguren – in immer neuen Konstellationen, in Fern- oder Nahsicht, kombiniert werden. Wie das hier gezeigte Blatt augenfällig macht, hat Hagedorn sich sti-listisch kaum entwickelt. Nach wie vor ist der Einfluss der niederlän-dischen Graphik an der ziselierten Strichführung und am Bildaufbau ablesbar. Der in Nahsicht gezeigte Vordergrund – ein häufig, nicht nur von Hagedorn angewandtes Kompositionsschema – fungiert als Rah-mung für den Ausblick in eine Landschaft an einem See. Den niedrig gehaltenen Horizont markiert ein breit gelagerter Hügel. Durch meh-rere Druckvorgänge wurde das optische Wechselspiel zwischen kräftig gehaltenem Vordergrund mit dem dominant gesetzten Baum und der silbrigen Ferne, in der winzige Architekturmotive erkennbar sind, ef-fektvoll herausgearbeitet.

M.B.

chrIstIan luDwIg von hageDorn (1712-1780)

22. neue versuche, nr. 5, 1765

Radierung, 8,7 x 12,0 cm Bez. unten links: No 5. d. 6. Aug. 1765; rechts: HvD Inv.Nr. 6813 Zustand: Papier gebräunt

Lit.: Cremer 1989, S. 154-155; Ausst.Kat. London 1994, S. 39-40; Ausst.Kat. Frankfurt 1999, Abb. S. 307, Nr. 5

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23. Der eInsIeDler auf Der brücke, 1744

Radierung u. Kaltnadel, 15,0 x 18,7 cm Bez. unten links im Bild: Dietricy 1744; oben rechts: 54 Inv.Nr. 5497

Lit.: Linck 1846, Nr. 146; Michel 1984, S. 186-187

Auf der Spitze eines massigen Felsens ist eine kleine Kapelle zu sehen, die von einem Zaun und von zahlreichen, eng stehenden Bäumen vor neugierigen Blicken verborgen wird. Über einem Fluss, der sich in eine Schlucht ergießt, ist eine hölzerne Brücke mit einem Bildstock gespannt, auf der ein bärtiger Mönch gesenkten Hauptes entlanggeht. Darüber ziehen vom Wind getriebene Wolkenberge hinweg.Die Felsformation mit der Vegetation ist kontrastreich-malerisch ge-halten, die zur Schlucht hin abfallende Felswand leuchtet effektvoll heraus. Kompositorische Anlage und Strichmanier lehnen sich stark an holländische Vorbilder in der Druckgraphik an, während die Kon-trastwirkungen von der Malerei der Rembrandt’schen Schule inspiriert wirken.Dietricys Bild ist dem bukolischen oder pastoralen Stil zuzurechnen, zu dessen Kennzeichen Hirten, aber auch „Einsiedler, die sich zwi-schen Felsen, in dichten Wäldern, an entlegenen Orten [...] verborgen halten“, zählen (so die auf Roger de Piles basierende Definition, die Chevalier de Jaucourt unter dem Stichwort paysage in der Enzyklo-pädie von Diderot und d’Alembert gibt, hier zit. n. Ausst.Kat. Bonn 2002, S. 163). Der bukolische Stil ist dem heroischen Stil entgegen-gesetzt und durch einen gewissen Anekdotenreichtum charakterisiert, der auch die vorliegende Graphik auszeichnet: Das kleine Bild macht durch seine Komposition den Betrachter zum heimlichen, unbemerk-ten Beobachter der Szene.

Eine direkte Vorlage für Dietricys Bild wird sich im Werk Nicolas Poussins (1594-1665) wohl kaum eruieren lassen. Aber das gesamte Arsenal, das sich bei dem französischen Maler in variierter Form fin-det, ist hier versammelt: Ein Gebirgsmassiv mit einfachen Steinbauten samt Turm, ein See oder Fluss, ein einzelner Baum am Bildrand als optisches Gegengewicht zum Bergmassiv. Auch antikisch gekleide-te Figuren, mal hingelagert, mal gestisch bewegt, fehlen nicht. Der silbrig-matte, etwas schwache Druck vermittelt den Eindruck von Ausgewogenheit.Mit dem „heroischen Stil“ hat Dietricy zum höchsten Modus in-nerhalb der Theorie der Landschaftsdarstellung gegriffen. Goethe hat eine treffende Charakterisierung des heroischen Stils geliefert, die auch auf Dietricys Landschaft nach Poussin passt: „Hier nun [bei Poussin und Lorrain] entstand auch die sogenannte heroische Landschaft, in welcher ein Menschengeschlecht zu hausen schien von wenigen Bedürfnissen und von großen Gesinnungen. Abwechselung von Feldern, Felsen und Wäldern, unterbrochenen Hügeln und steilen Bergen, Wohnungen ohne Bequemlichkeit, aber ernst und anständig, Thürme und Befestigungen, ohne eigentlichen Kriegszustand auszu-drücken, durchaus aber eine unnütze Welt, keine Spur von Feld- und Gartenbau, hie und da eine Schaafherde, auf die älteste und einfachste Nutzung der Erdoberfläche hindeutend.“ (Goethe, I. Abtlg., Bd. 22 (1999), S. 534)

M.B.

chrIstIan wIlhelm ernst DIetrIch gen. DIetrIcy (1712-1774)

24. heroIsche lanDschaft In Der art von n. poussIn

Radierung, 14,5 x 18,6 cm Inv.Nr. 5501

Lit.: Linck 1846, Nr. 151

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25. blatt 4 Der folge: ansIchten von Der Insel rügen, 1764

Radierung, 16,3 x 20,3 cm Bez. unten links: Ja: Ph: Hackert. fecit, à Boldewitz en Rugen 1764; unten rechts: No IIII. 2. Zustand, stockfleckig Ein Blatt aus der Folge mit einem anderen Motiv trägt ebenfalls die Nr. 4 (IV), offenbar wurde das hier gezeigte Blatt im ersten Druckzustand als Nr. 3 (III) gezählt Inv.Nr. 6765

Lit.: Lohse 1936, S. 85, Nr. 57; Ausst.Kat. Rom 1994, S. 185, S. 191; Miller/Nordhoff 1997, S. 163, Nr. 41

Jakob Philipp Hackert, der besonders für seine idealisierten Italien-landschaften berühmt werden sollte, weilte von August 1763 bis Mai 1765 auf Gut Boldewitz in Rügen, dem Sommersitz seines Mentors Adolf Friedrich von Olthof. Goethe, Hackerts erster Biograph, dessen Ausführungen auf dem schriftlichen Nachlass des mit ihm befreundeten Künstlers beruhen, weiß von dem Rügen-Aufenthalt zu berichten: „[...] hier radierte Philipp Hackert [...] sechs kleine Landschaften, welche Ansichten der Insel Rügen vorstellen [...]. Er hatte dabei keine andere Anweisung als das Buch von Abraham Bosse: ‚De la manière de graver à l’eau forte et au burin‘; und die Probedrücke wurden, aus Mangel an einer Presse auf Gyps gemacht.“ (Goethe, I. Abtlg., Bd. 19 (1998), S. 418)Goethes Angaben sind hier nicht ganz verlässlich. Man kennt in-zwischen zwölf Radierungen Hackerts mit Rügen-Motiven (dazu: Weidner 1998, S. 16, Anm. 64), wobei unklar ist, wie viele von ihnen zu einer Serie zusammengefasst werden sollten, vermutlich tatsächlich sechs. Dass Hackert mit der Technik der Radierung bis dato nicht bekannt geworden sein sollte, erscheint angesichts der Qualität der Rügen-Radierungen wenig glaubhaft. Die Marburger Radierung, Nr. 4 (IIII) der Folge, zeigt eine Dünen-landschaft mit einer Fischerhütte und Staffagefiguren. Die Figuren links im Bild widmen sich dem Wäschewaschen und Wasserholen. Of-fenbar kommt ein Sturm auf, der Himmel ist bedeckt, und das Laub-werk und die Stämme der Bäume biegen sich im Wind. Eine Frau, die vor einer Hütte zu sehen ist, stemmt sich gegen die Sturmböe und geht auf die zum Bleichen ausgelegte Wäsche zu, wo ein losgelöstes Laken bereits im Wind flattert.Die Wirkung des drohenden Unwetters ist in erster Linie an den Bäumen abzulesen. Die dem Wind zugekehrten Blätter werden von rechts beleuchtet, was vor dem grauen Himmel dramatisch wirkt. Der Himmel ist in Bezug auf Helldunkel-Effekte wenig kontrastreich aus-gearbeitet, aber durch unterschiedliche Strichführung wird auch hier der aufziehende Sturm kenntlich gemacht. Über den Dünen am Ho-rizont scheint bereits der Regen niederzugehen. Von der Bildlogik her verwirrend ist allein die Tatsache, dass die links gezeigten Personen sich von alledem nichts anmerken lassen und das Wasser unbewegt bleibt, wo doch die Frau vor der Bleichwiese bereits mit dem Wind zu kämpfen hat.Hackerts Rügenlandschaften stehen noch unter dem stilistischen Vor-bild der Niederländer, wie an der Strichführung und dem niedrigen Horizont abzulesen ist. Dennoch experimentiert der Künstler schon sehr eigenwillig mit der Komposition. In jedem der sechs Blätter aus der Folge dominiert ein frei stehender Baum das Bildgeschehen. Auch auf den Wanddekorationen für den Festsaal des Gutshauses in Bolde-witz hat der Künstler dieses Prinzip angewandt.

M.B.

Jakob phIlIpp hackert (1737-1807)

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26. rheInlanDschaft, 1783

Radierung, 24,3 x 32,2 cm Bez. unten links: C. G. Schütz fec. (unleserlich) 1783 Inv.Nr. 18.373

Lit.: Ausst.Kat. Frankfurt 1991, Nr. 42, Ausst.Kat. München 1999, S. 192, Abb. 66

Die beiden radierten Rheinlandschaften sind Pendants. Druckgra-phiken bilden im Werk von Schütz die Ausnahme. Es ist durchaus möglich, dass der Künstler mit ihnen ein weiteres Feld auf dem Kunst-markt besetzen und die große Nachfrage nach Landschaftsgraphik bedienen wollte. Möglicherweise erschien ihm aber die Technik zu aufwändig, da er sie nicht weiter betrieb. Die beiden Rhein-Radierun-gen verkauften sich indessen gut. Auch Goethe erstand zwei Blätter für die Weimarer Lehrsammlung.

Silbrig schimmernd verläuft der Fluss am rechten Bildrand in die Fer-ne. Der Betrachterstandpunkt liegt etwa auf der gleichen Höhe wie das Städtchen, das auf einem Felsvorsprung dicht am Fluss gebaut steht. Ein wanderndes Paar nähert sich dem Vordergrund. Am Ufer sind Fischer bei der Arbeit zu sehen.Die dunkel gehaltene, gedrängte Häuseransammlung bildet den Auf-takt zu einem Motiv, das mit dem abgestumpften Felskegel dreifach gesteigert zu alpenartiger Höhe getrieben wird. Durch Ausdünnung der Schraffuren und die allmähliche Reduzierung von Architekturmo-tiven scheinen die Konturen des Felsplateaus in der Ferne wie ein Echo auszuklingen.Dieses Steigerungsschema, ebenso wie das Motiv der sich wie die Finger zweier Hände ineinander schiebenden Landzungen, durch die sich der Fluss hindurchwindet, geht direkt auf Herman Saftlevens (1609-1685) ideale Rheinlandschaften zurück.

Der Betrachterstandpunkt ist hier höher gewählt als im vorangegange-nen Bild, so dass die Tiefenwirkung des Bildraums größer ist. Auf sein Pendant abgestimmt, zeigt dieses Bild die Hügelkette auf der rechten Seite, der Rhein fließt links davon. Der Hintergrund ist dunkler ge-staltet als auf dem ersten Bild; Himmel und Landschaft erscheinen ausgearbeiteter. Das ungewöhnlich große Format und die bisweilen nachlässige Ausführung legen die für Druckgraphik eher untypische Betrachtung aus einer gewissen Distanz nahe. Erst mit einem gewis-sen Abstand des Betrachters zu den Bildern kommt die malerische Wirkung zur Entfaltung.

Beide Rheinlandschaften fußen auf Studien, die Schütz 1750 am Mittelrhein angefertigt hatte. Es sind komponierte Ideallandschaften, in denen alles versammelt ist, was der Rhein dem Reisenden an an-genehmen Prospekten bieten konnte, jedoch nie an einem einzigen Ort und selten so sehr von potenziellen Störungen gereinigt: die hoch ansteigende, sich in den Wolken verlierende Hügelkette und die große Weite mit dem abwechslungsreichen Flusslauf; die Burgruine und das malerische Städtchen; den unbeschwerten Spaziergang sowie das Bild von schaffenden Menschen, scheinbar ohne Last und Qual. Die Wirk-lichkeit in dieser wirtschaftlich verarmten Region – der Rhein war als touristische Attraktion noch nicht entdeckt worden – sah anders aus.

M.B.

chrIstIan georg schütz D. ä. (1718-1791)

27. rheIngegenD mIt weIter ferne, 1783

Radierung, 24,3 x 32,0 cm Inv.Nr. 18.374

Lit.: Ausst.Kat. Frankfurt 1991, Nr. 41; Ausst.Kat. Frankfurt 1992, S. 98, Nr. A 48

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28. lanDschaft mIt römIscher wasserleItung, 1791

Radierung, 19,7 x 26,2 cm Bez. unten Mitte: Aquadotti vecchii presso di Roma; im Bild unten Mitte: Klengel f Inv.Nr. 17.747 Zustand: leicht stockfleckig

Lit.: Nagler 1839, Bd. 1, Nr. 9; Rümann 1934, Nr. 238; Schmid 1998, S. 203-206

Im September 1792 bot der Nürnberger Verleger und Kunsthändler Johann Friedrich Frauenholz auf der Titelblattrückseite der ersten Lie-ferung der Mahlerisch radirten Prospecte von Italien (vgl. Kat.Nr. 56-58) zwei Radierungen mit italienischen Motiven des Dresdner Malers und Graphikers Johann Christian Klengel zum Kauf an. Dieser hatte im Herbst 1790 eine durch den sächsischen Kurfürsten geförderte zwei-jährige Studienreise nach Italien angetreten. Er hielt sich überwiegend in Rom und der näheren Umgebung auf, wo er vor Ort die antiken Ruinen und die Landschaft zeichnete. In Rom traf er auch seinen ehemaligen Schüler Johann Christian Reinhart wieder und vermittelte diesem den Kontakt zu Frauenholz.Auf der ersten Radierung wird die Bild beherrschende Ruine eines an-tiken Aquädukts gezeigt, die dunkel im Gegenlicht steht. Die perspek-tivische Verkürzung übermittelt der verschatteten Arkadenreihe eine Dynamik, die sie wie einen Keil in den Raum hineinragen lässt. Die obere Diagonale wird dabei effektvoll über einen neben dem Aquädukt stehenden Baum verlängert und leitet den Betrachterblick in den flach gestreckten Landschaftsraum, in dem weitere Ruinen sichtbar sind. Die Szenerie wird durch zeitgenössisch gekleidete Staffagefiguren aufgelockert.Bei der Ruine handelt es sich nicht, wie in der Bildunterschrift ange-geben, um ein Bauwerk bei Rom, sondern um die Reste des Aquädukts bei Tivoli (vgl. Schmid 1998, S. 203). Klengel hat sowohl die baulichen Details getreu festgehalten, wie auch die unterschiedlichen Strukturen von Vegetation und Mauer durch differenzierte Strichführung heraus-gearbeitet. Auch wenn einzelne Pflanzenarten nicht identifizierbar sind, besticht an der Ausführung doch die Genauigkeit der Darstel-lung, vor allem im Spiel zwischen Licht und Schatten. Überzeugend wirkt, wie das Licht an den Laibungen der Arkaden gebrochen und über die Kletterpflanzen gestreut wird. Auch die Wiedergabe des Abendhimmels mit den angeleuchteten Wolken lässt auf genaues Na-turstudium schließen.Die Bildkomposition lebt einerseits von dem Kontrast zwischen der hoch aufragenden Ruine und der weiten Landschaft mit dem hohen Himmel; andererseits aus dem Gegensatz von düsteren Arkaden und den wuchernden Pflanzen, die seit Jahrhunderten das Mauerwerk be-setzt halten und es allmählich aufsprengen – ein bekanntes Vergäng-lichkeitsmotiv.

M.B.

Johann chrIstIan klengel (1751-1824)

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29. Der monte testaccIo beI rom, 1791

Radierung, 20,0 x 26,5 cm Bez. unten Mitte: Il monto Testaccio à Roma; unten links: Klengel f a Roma 1791 Inv.Nr. 17.746 Zustand: leicht stockfleckig

Lit.: Nagler 1839, Bd. 1, Nr. 10; Rümann 1934, Nr. 237; Schmid 1998, S. 202-203, Abb. 32

Das Blatt zeigt den aus antiken Trümmern und Scherben gebildeten Monte Testaccio bei Rom, der ein beliebtes, auch in den Reiseführern der Zeit empfohlenes Ausflugsziel war. In seinem Inneren lagen Wein-keller, die zu Gaststätten gehörten.Den Bildraum dominiert eine zentral gesetzte Baumgruppe, welche die einfachen Ausflugslokale am Fuß des Hügels beschattet. Links steigt der grasbewachsene Scherbenhügel an, auf dem Schafe weiden. Zu ihnen gehört der Schäfer, der zusammen mit einem liegenden Kna-ben im Vordergrund zu sehen ist. Schräg in das Bild hinein verläuft ein Weg, den drei Lastesel begehen. Nach rechts öffnet sich der Ausblick in die Ferne mit einer weiteren Baumgruppe und einem Aquädukt. Vom Horizont her steigen Wolken auf.Klengel hat – im Gegensatz zu Künstlern wie Hackert - in Italien nicht zu einem neuen Stil gefunden oder seine künstlerische Hand-schrift entscheidend verändert. Die ziselierte Manier, mit der Klengel die zentrale Baumgruppe und das Gras wiedergibt, zeigt deutlich den Einfluss seines Lehrers Dietrich, genannt Dietricy, und der Niederlän-der. Auch der dunkel gehaltene, rahmende Vordergrund mit der detail-lierter gezeigten Vegetation und den Staffagefiguren ist ein bewährtes und häufig angewandtes Kompositionsschema der Zeit. Klengel ging es um einen Ausgleich zwischen der dominierenden Baumgruppe und der in sanften Auf- und Abwärtsbewegungen verlaufenden Landschaft ringsum.Dem Vergleich mit den künstlerisch reifer erscheinenden Blättern Reinharts und Mechaus hält Klengels Radierung nicht stand: Baum-gattungen können nicht identifiziert werden, obwohl Klengel viel auf sein Naturstudium gab (er soll sogar auf Spaziergängen stets eine Kupferplatte mitgenommen haben, um ein Landschaftsmotiv direkt vor Ort radieren zu können). Auch die aufgebauschte Bewölkung er-scheint unnatürlich und theaterhaft, wobei das häufige Neuansetzen der Radiernadel in den Strichlagen, mit denen der Himmel dargestellt wird, eher unbeholfen wirkt. Das Staffagemotiv mag dem heutigen Be-trachter abgedroschen erscheinen, die pulvrig-weiche Bildatmosphäre unbestimmt. Dennoch traf Klengel mit seinen Radierungen den Ge-schmack seiner Zeitgenossen, die diese in beschaulich-pastorale Stim-mung getauchten Motive hoch schätzten. Der Verleger Frauenholz konnte sie daher auch zu einem hören Preis anbieten als die Arbeiten von Reinhart, Mechau und Dies.

M.B.

Johann chrIstIan klengel (1751-1824)

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30. ansIcht von lauban

Radierung, 15,7 x 19,6 cm Bez. spiegelverkehrt unten links: (Monogramm, ligiert) 1805. ad Naturam. mense Septembr. Laubanae. Inv.Nr. 17.586

Lit.: Rümann 1932, Nr. 73; Scheyer 1965, S. 260

In die kleine Stadt Lauban in der Lausitz zog Nathe 1803, nachdem er 1899 seine Anstellung als Zeichenlehrer in Görlitz gekündigt hatte. Obwohl der charakteristische Brüderturm von Lauban in der Bild-mitte erkennbar ist, handelt es sich bei der Radierung nicht um eine Vedute mit der typischen Ansicht einer Stadt, wie sie beim bürgerli-chen Publikum beliebt war. Nathe hat seinen Betrachterstandpunkt an die Peripherie der Stadt verlegt, wo die Bebauung in die freie Natur übergeht. Der Blick auf die Häuser ist durch Bäume und Buschwerk verstellt. Durch die bildparallele Anordnung sowohl der Vegetation als auch der Häuser sowie die kontrastarme Zeichnung geht von dem Bildganzen eine große Ruhe aus. Nur die hohen Bäume und die bei-den Türme bringen Bewegung in die Horizontlinie. Der Himmel, der mehr als ein Drittel der Bildfläche einnimmt, ist durch die helle, na-hezu unbearbeitete Papierfläche gekennzeichnet. Lediglich zarte Kon-turen, die Quellwolken andeuten, verbinden die Höhenunterschiede von Bäumen, Türmen und Häusern zu einer sanften, imaginären Verlaufslinie. Der spiegelverkehrt gedruckte Text am unteren Bildrand, der Ortsan-gabe und Datierung (September 1805) enthält, charakterisiert das Bild als eine Art Bestandsaufnahme vor der Natur.

Mit der komplizierten Technik der Aquatinta-Radierung hat sich Nathe seit Dezember 1795 beschäftigt. Das Bild wirkt in seinen warmen Brauntönen zunächst wie ein Aquarell oder eine lavierte Tuschzeichnung, wie sie Nathe häufig anfertigte. Der konkrete Anlass für die Beschäftigung mit der Aquatinta-Technik mag für Nathe im stagnierenden Verkauf seiner Radierungen und Zeichnungen gelegen haben. Mit einer Technik, die die Vorzüge der druckgraphischen Ver-vielfältigung mit dem Eindruck eines gemalten oder getuschten Bildes verbindet, ließ sich neues Käuferinteresse wecken. Aber auch Nathes grundsätzliches Interesse an graphischen Experimenten muss ange-führt werden.Dem Betrachter bietet sich ein breiter, links von Bäumen und Bü-schen, rechts von einem Hofflügel samt Schuppen gesäumter Weg dar. Diagonalen, die vom Wegrand, von der Dachtraufe und der sich auftürmenden Vegetation links gebildet werden, führen den Blick ef-fektvoll zu einem gemeinsamen Fluchtpunkt, der rechts vom im Bild-mittelgrund gezeigten Portal mit dem gesprengten Giebel liegt.Während die Bäume und der Turm im Hintergrund in das fast gleich-mäßige Dunkel des nächtlichen Himmels getaucht sind, werden Ge-büsch, Eingang und Giebelseite des Hofes sowie ein Mann mit über dem Arm gelegten Überzieher jäh vom Mondlicht hervorgehoben, das von schräg rechts einfällt (Rümann 1932, S. 33, interpretiert das Licht seltsamer Weise als Sonnenschein). Die doppelt verschattete Längs-seite des Hauses, die unscharfen Konturen sowie die unerklärlichen Lichtbahnen auf dem Weg und das schattenlose Schreiten des Wande-rers erzeugen eine fast gespenstische Stimmung.

M.B.

chrIstoph nathe (1753-1806)

31. wanDerer auf nächtlIchem weg vor eInem gehöft (DIe Dorfstrasse)

Aquatinta in Sepia, 16,4 x 20,0 cm Inv.Nr. 17.645

Lit.: Rümann 1932, Nr.76

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32. sItzenDer mann Im geröll eInes walDbachs (Der walDbach), 1805

Radierung, 12,8 x 18,6 cm Bez. unten rechts im Bild: (Monogramm, ligiert) 1805 signiert unten rechts mit Bleistift: Nathe Inv.Nr. 17.603

Lit.: Rümann 1932, Nr. 75

Der Betrachter muss sich das etwas schwach gedruckte und durch fast völligen Verzicht auf Helldunkel-Kontraste verunklärte Bild zunächst entwirren: Das Blatt ist bis auf einen kleinen Himmelsausschnitt fast gänzlich mit Linien bedeckt, die Vegetation und Gesteinsformationen um einen Waldbach herum zeigen. Ein auf einem Felsen rastender Wanderer, der sich kaum von seiner Umgebung hervorhebt, ist dort zu entdecken. Der Wald wirkt undurchdringlich und unwegsam. Das Auge des Betrachters soll lange beim Bildmotiv verweilen und die Art, wie der Künstler die unterschiedlichen Motive mit differenzier-ter Strichführung versieht, nachvollziehen: gerundete, gezackte oder kurze Linien geben das Blattwerk wieder, ohne dass man die Baumart auf Anhieb benennen könnte; für den rauschenden Bach stehen dyna-misch wirkende Strichbündel und punktierte, aufschäumende Forma-tionen kleiner Wolken zur Verfügung. Besonderes Interesse gilt dem großen Felsbrocken in der Bildmitte. Hier hat Nathe noch die Moos- und Pilzflechte auf der Steinoberfläche gezeigt. Der Künstler hat solche einsamen, abgeschiedenen Orte auf unzähli-gen Wanderungen im Iser- und Riesengebirge bevorzugt aufgesucht. In seinen Briefen empfiehlt er das Wandern ohne Begleitung, weil für ihn nur in der Einsamkeit das Nachempfinden der Natur und ihrer Kräfte möglich schien.

Das Bild vermittelt einen düsteren Gesamteindruck. Die untere Bild-zone, für den die Radierplatte tief geätzt wurde, ist nahezu gänzlich schwarz. Sie verläuft auf der einen Seite zu den eng stehenden Kiefern, die den Bildraum nach links absperren. Rechts geht sie in die üppige Mischvegetation über. Diese Komposition bildet den Rahmen für die anderen Bildmotive: Ein reißender Bach fließt über Geröllformatio-nen hinweg, und auf einem schroffen Felsmassiv erhebt sich trotzig eine Burgruine in den unruhig bewegten Himmel. Die dunklen, sich eng an den Berg schmiegenden Bäume scheinen mit ihrem lodernden Laubwerk jeglichen Zugang zu verweigern. Den Blick in die Ferne versperrt ein weiterer, bewaldeter Hügel. Am Fuß des Massivs ist eine sinnende Frau zu sehen, der auf der anderen Seite ein Angler gegenü-ber gestellt ist.Das Bild ist symbolhaft aufgeladen mit Motiven, deren Gehalt – wie auch die gesamte Komposition – auf die Romantik vorausweist. Der Fluss und die Ruine erscheinen als Sinnbilder von Unbeständigkeit und Vergänglichkeit. Die Staffage vermittelt als Träger von Hand-lungen und Empfindungen dem Betrachter des Bildes Nathes Na-turverständnis. Es sind Figuren bescheidener Selbstgenügsamkeit und melancholischer Kontemplation angesichts einer unwirtlich und abweisend erscheinenden Natur.

M.B.

chrIstoph nathe (1753-1806)

33. flusslanDschaft mIt burgruIne unD angler (Der fIscher)

Radierung, 17,7 x 21,5 cm 2. Zustand Inv.Nr. 17.597

Lit.: Rümann 1932, Nr. 69

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34. wanDerer vor staDtmauer (Das Dorf vor Der lanDeskrone)

Radierung, 10,2 x 16,9 cm 2. Zustand Bezeichnet unten links: Nathe f. Inv.Nr. 17.602

Lit.: Rümann 1932, Nr. 48

Die Horizontlinie teilt das Bild annähernd in zwei Hälften. Die linke untere Bildhälfte nimmt eine hoch ansteigende Wiese ein, an der eine dunkle, ungestalte Stadtmauer ausläuft. Aus einer Mulde steigt ein Wanderer auf einem schmalen Pfad zu einem kurvenreich verlaufen-den Weg hinauf. Dieser führt in ein Dorf, von dem im Mittelgrund des Bildes nur die Dächer der Häuser, eine größere Baumgruppe sowie der von einem Baum hinterfangene Dachreiter einer kleinen Kapelle zu sehen sind. Am Horizont, im Dunst der Ferne, steigt eine Bergkup-pe, die Landeskrone bei Görlitz, auf. Der Himmel wirkt mit seinen von Lichträndern umgebenen, einen Kranz bildenden Wolken sanft bewegt.Das Bild weist Nathe als geübten und schnellen Radierer aus: Baum-gruppen mit wie hingetupftem Laubwerk werden als Volumina ge-staltet; der Vordergrund ist eher grob gearbeitet. Seinen Reiz erhält das Bild aus der sonntäglichen Ruhe, die es vermittelt, und durch das Spiel von Abschottung und Offenheit. Der helle Weg ist eine freundli-che Einladung an den Betrachter, die öde Wiese zu verlassen und das friedliche erscheinende Dorf hinter den Bäumen zu betreten.

Abgebildet ist der gleiche Berg wie in Kat.Nr. 34, hier jedoch aus grö-ßerer Nähe, von einer bewaldeten Anhöhe aus gesehen. Eine schattige Baumgruppe am linken Bildrand rahmt die Landeskrone, die sich vor dem hellen Himmel abhebt. Links unten lagern zwei Wanderer auf Felsen, die von der Sonne beschienen sind. Die lichthelle Oberfläche führt den Blick diagonal zu einem Baumstreifen im Tal, der sich bis zum Fuß des Berges hinzieht. Dazwischen erfasst der Blick des Be-trachters Ansiedlungen, Felder und Wege. Trotz der Genauigkeit, mit der der Verlauf eines Weges oder eines Zaunes, die Häusergiebel und die Baumgruppen wiedergegeben werden, verliert sich das Auge nie in solchen Details, sondern wird stets auf den eigentlichen Bildgegen-stand, die Bergkuppe, zugeführt.In der ersten Druckfassung des Bildes waren die Bäume am linken Bildrand noch weitaus niedriger gehalten. In der letzten Fassung kor-respondiert die Silhouette des Baumes mit dem ansteigenden Kontur des Berges. Nathe hat hier also keine exakte topographische Genau-igkeit für den Betrachterstandpunkt angestrebt, sondern die in eine geschickte Komposition eingefügte Erscheinung des Berges ins Bild gesetzt.Mehrere Ätzvorgänge und Bearbeitungen der Platte mit dem Grab-stichel waren notwendig, um diesen Bildeffekt zu erzielen. Der Bild-vordergrund ist durch Herabätzen der Platte immer dunkler gestaltet worden. Der Vordergrund bildet somit einen Rahmen, durch den das Bergmassiv leuchtend hervortritt. Während in Kat.Nr. 34 der Mensch sich die Landschaft mit ihren Ausblicken wandernd erarbeiten musste, ist hier das mächtige Bergmassiv von Anfang an da, gleichsam ohne sein Zutun, in einer lautlosen, erhabenen Präsenz, die sich für den Blick stets erneuert.

M.B.

chrIstoph nathe (1753-1806)

35. lanDschaft mIt bergsattel (Der grosse berg lanDeskrone), um 1795?

Radierung, 20,8 x 25,7 cm 3. Zustand Inv.Nr. 17.595

Lit.: Rümann 1932, Nr. 50

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36. blatt 2: DreI wassernymphen unD satyr, 1769

Radierung, 11,7 x 14,1 cm Bez. unten links: S. Gessner inv. e. f. 1769; unten rechts: 2 Inv.Nr. 5629

Lit.: Leemann-van Elck 1930, Nr. 24

37. blatt 4: flötenDer amor mIt DreI mäDchen am brunnen, 1770

Radierung, 15 x 18,7 cm Bez. unten links: S. Gessner inv. e. f. 1770; unten rechts: 4 Inv.Nr. 5630

Lit.: Leemann-van Elck 1930, Nr. 26; Bernoulli 1930, S. 78-79

Die dritte Folge von Landschaftsradierungen aus dem Œuvre Salo-mon Gessners zeigt zehn Landschaften mit mythologischen Figuren, die zwischen 1769 und 1771 entstanden. Publiziert wurde sie in Zürich bei David Gessner Gebrüder und bei Orell, Gessner, Füssli & Comp. im September 1771.

Das Blatt zeigt drei schlafende Wassernymphen, die von der schützen-den Wölbung einer Höhle umfangen werden. Ein Satyr beobachtet die friedliche Szene. Er hat den gehörnten Kopf in die Hände gestützt und scheint in den Anblick der Schlummernden versunken. Idyllische Ruhe und Friedlichkeit gehen von dieser Radierung aus. Der Satyr ist nicht, wie sonst üblich, in der Verfolgung oder Bedrängung der Nym-phen gezeigt, sondern eher als Beschützer der Schlafenden.

salomon gessner (1730-1788)Zehn Landschaften mit mythologischen Figuren

An einem Brunnen, der von einem kleinen steinernen Eros bekrönt ist, lauschen drei Mädchen, Quellnymphen oder Chariten – anmutige Göttinnen der Fruchtbarkeit – dem Flötenspiel des Amorknaben. In idyllischer Mittagszeit bestrahlt die Sonne die Szenerie, die durch die wohlgeformten, nach mythologischer Art kaum bekleideten Frauenge-stalten der Realität enthoben erscheint.Ausgeführt ist diese Radierung in der für Gessner typischen klein-teiligen und kritzeligen Manier, wodurch der flächige und statische Eindruck des Blattes entsteht. Das Laub der die Szene begrenzenden Bäume lässt kaum einen Ausblick in die Ferne zu und nimmt dem Blatt die Tiefenwirkung. Gezeigt ist ein abgeschlossener und friedli-cher locus amoenus.

I.H.

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38. blatt 3: Daphne an chloe geschmIegt gesteht alexI Ihre lIebe, 1771

Radierung, 17,5 x 14,1 cm Bez. unten links: S. Gessner inv. e. f. 1771 Inv.Nr. 5637

Lit.: Leemann-van Elck 1930, Nr. 35; Weber 1980, S. 117; Gessner 1988, S. 87-90

Die Radierungen dieser Folge erschienen zunächst in den Contes mo-raux et nouvelles idylles.

Die Bilderfindung dieser Radierung geht auf die dichterischen Aus-führungen in Gessners Idyllen zurück: „Sieh, schon steigt der Mond hinter dem schwarzen Berg hinauf, schon glänzt er durch die obersten Bäume. [...] Sieh, da an der Seite des Felsens, das ist der Garten des jungen Alexis. Komm, lass uns über den Zaun sehn. [...] Dort rieselt das Wasser vom Fels; sieh wie es, ein Bächgen, durch die Schatten des Gartens fliesst. Sieh, auf dem Felsen, wo die Quelle sich stürzt, hat er von Geissblatt eine Laube gepflanzt; da muss man wol ganz die weite Gegend sehen.“ Am Schluss der Idylle heißt es dann: „Schüchtern trat er [Alexis] hin, aber sein Entzücken kann nicht sagen, als Daphne, schamhaft an Chloens Busen geschmiegt, ihm gestund, dass sie ihn liebe.“ Der Höhepunkt der Geschichte ist in der Illustration umge-setzt. Der Zaun ist als gestalterisches Mittel eingesetzt und bewirkt in dem nur als Vordergrund behandelten Raum den Eindruck von Tiefenwir-kung.Auch wenn diese Radierung in enger Anlehnung an die Schriften Gessners entstanden ist, erschien die Folge von zehn Blättern zu den Französischen Schriften auch als eigenständige Folge ohne den Text.

I.H.

salomon gessner (1730-1788)Folge von zehn Blättern zu den Französischen Schriften von 1773

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39. blatt 10: erythIa zerflIesst In Den armen von pan zur Quelle

Radierung, 18,2 x15,1 cm Bez. unten links: S. Gessner f; oben Mitte: 10 Inv.Nr. 5644

Lit.: Leemann-van Elck 1930, Nr. 42; Weber 1980, S. 117; Gessner 1988, S. 104

Das Blatt zeigt die Nymphe Erythia aus dem Gefolge der Artemis und Tochter des Flussgottes Eridanos, wie sie in den Armen Pans zur Quelle zerfließt. Diese Verwandlung wird in einer für die Flüchtende ausweglosen Landschaft gezeigt. Die unmittelbare Nähe der Radie-rung zu den schriftlichen Ausführungen der Idyllen Gessners wird im Vergleich mit dem Text deutlich: „Am äußersten Rand eines Felsens stund sie, bebte zurück, und sah erblassend ins tiefe Thal. Dann rief sie mit ängstlichem Geschrey: O Diana! Schützerin der Keuschheit, o rette, rette mich, dass kein unkeuscher Arm meine Hüften umschlin-ge! Rette, o rette, Diana, Schützerin der Keuschheit! Aber der Gott war an ihrer Ferse schon; schon fühlte seinen Athem, und jetzt seinen schlingenden Arm. Doch die der Liebe ungewogenen Göttin hört´ ihr angstvolles Flehn; Wasser trieft von seinen umschlingenden Armen, und die an sie gedrückte Brust herunter; sie zerschmilzt in seiner Um-armung zur Quelle; schmilzt wie Frühlingsschnee an einem braunen Felsen; schmilzt, trieft von seinen Armen, rieselt sein Knie herunter, rieselt durchs Gras, stürzt von der Felswand, und rieselt schon unten im Thal. Und so entstund Erythia die reine Quelle.“ Die Verzweiflung der Fliehenden und damit einhergehende Dramatik ist nicht ins Bild übertragen.

I.H.

salomon gessner (1730-1788)Folge von zehn Blättern zu den Französischen Schriften von 1773

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40. blatt 9: DIe sehnenDe melIDa auf Der Insel beI Der schafherDe

Radierung, 19,5 x 14,2 cm Bez. unten links: S. Gessner; oben Mitte: 9 Inv.Nr. 1432

Lit.: Leemann-van Elck 1930, Nr. 51

Der Betrachter erblickt die junge, an den bilddominierenden Felsen gelehnte Melida. Ihr Körper ist stark nach links geneigt; den Kopf hat sie in die rechte Hand gestützt und der Blick ist nach unten gerichtet, wodurch sie in sich gekehrt wirkt. Mit der linken Hand umfängt sie eine vom Felsen rankende Schlingpflanze. Die Körperauffassung entspricht dem klassisch orientierten Körper-ideal Salomon Gessners. Im Gegensatz zu der oftmals kritisierten Puppenhaftigkeit seiner Figuren erscheint der Körper der Melida plas-tisch modelliert, auch wenn die Proportionen nicht anatomisch kor-rekt dargestellt sind. Umhüllt ist ihr Körper von einem um die Hüften geschlungenen Tuch in antikisierendem Faltenwurf. Während die linke Bildhälfte durch die geschlossene Felswand in dunklen Farbabstufungen wiedergegeben ist, öffnet sich rechts der Blick über das Meer auf einen durch die beleuchteten Wolken ange-deuteten Sonnenuntergang. Als Anspielung auf die Schäferidylle ist die kleine Schafherde am rechten unteren Bildrand zu verstehenDie vor dem Felsen gezeigte Melida erinnert durch die Bildkompositi-on an Andromeda, die – wie in den Metamorphosen des Ovid berich-tet – von Perseus vom Fels befreit und vor dem Tod bewahrt wird. So erscheint die Geschichte von Melida in mythologischem Gewand und entrückt das Bildgeschehen in ferne arkadische Zeiten des goldenen Weltalters.

I.H.

salomon gessner (1730-1788)Folge von zehn Blättern zum zweiten Band der Französischen Schriften von 1779

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41. eIche über see mIt Jungem mann

Radierung, Überarbeitung mit Grabstichel, 35,9 x 25,6 cm Inv.Nr. 17.108

Lit.: Jentsch 1920, Nr. 188; Martens 1976, S. 93f., Nr. 149

Einem arkadischen Hirten gleich lagert ein junger Mann mit Hut und Stab auf einer umzäunten Weide am Fuße einer großen Eiche. Der knorrige und gewundene Stamm des Baumes neigt sich nach links, wo unter den überhängenden Ästen der Blick in die bewaldete Ferne und auf ein Gewässer freigegeben wird. Die zahlreichen toten Äste, die aus der belaubten Baumkrone ragen, lassen sich ebenso wie der abgestor-bene Baumstumpf als Vanitasmotive deuten. In Kolbes Arkadienwelt wird wiederholt auf die Vergänglichkeit alles Irdischen verwiesen (vgl. Kat.Nr. 46, 47). Dunkel und fast schon bedrohlich steht dieses bilddo-minierende „Baumporträt“ in einer idyllischen Landschaft, die kaum mehr an die lieblichen Arkadienbilder Salomon Gessners erinnert.In diesem ersten Zustand der Radierplatte erscheint der Himmel völ-lig unbearbeitet, im zweiten, hier nicht gezeigten Zustand ist er durch leichtes Wolkenspiel belebt.

I.H.

carl wIlhelm kolbe D. ä. (1759-1835)

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42. grosse weIDe mIt reh Im kräuterwerk

Radierung, Kaltnadel, 36,5 x 26,9 cm Inv.Nr. 17.099

Lit.: Jentsch 1920, Nr. 124; Martens 1976, S. 93, Nr.146

Auch diese Radierung wird von einer Baumdarstellung dominiert: hier zeigt Kolbe uns zwei große, dicht beieinander stehende Weiden. Die knorrigen, alten Stämme sind an dem leicht nach links abfallenden Hügel gewachsen und neigen sich zum linken Bildrand; die Baum-kronen füllen den größten Teil der oberen Blatthälfte aus. Im unteren linken Teil des Laubwerks, kurz über den borkigen Verkröpfungen der Stämme, sind tote Äste zu erkennen – immer wiederkehrendes Zei-chen der Vergänglichkeit in Kolbes graphischem Werk. Besondere Auf-merksamkeit widmete der Radierer der Ausarbeitung des Blattwerks. Die feinen Blätter sind durch kurze, größtenteils parallele Schraffuren angedeutet und unterscheiden sich in ihrem Aussehen deutlich von den sonst dargestellten Eichenblättern. Am vorderen rechten Bildrand sieht man ein Reh, umgeben von sogenanntem Kräuterwerk: kleine Blattpflanzen erscheinen in über-proportionaler Vergrößerung. Diese besondere Darstellungsweise erfährt in den Kräuterstücken (vgl. Kat.Nr. 44-47) seine deutlichste Ausprägung.Ähnlich wie in den Radierungen von Salomon Gessner verdeckt auch Kolbe den Horizont mit Buschwerk und Wald und lässt kaum einen Blick in die Ferne zu. Aber im Gegensatz zu den Blättern des Schwei-zers zeichnen sich die Drucke von Kolbe durch eine stärkere plastische Wirkung aus. Er modelliert die einzelnen Gegenstände aus Licht und Schatten und benutzt dabei stärkere Hell- und Dunkelkontraste. Das Ergebnis ist eine größere räumliche Wirkung und Plastizität des Dar-gestellten.

I.H.

carl wIlhelm kolbe D. ä. (1759-1835)

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43. satyrnfamIlIe In lanDschaft

Radierung, 28,5 x 35,8 cm Bez. unten links: C.W. Kolbe; oben links: 57 Inv.Nr. 17.140

Lit.: Jentsch 1920, Nr. 57; Martens 1976, S. 99, Nr. 187

Dieses Blatt Kolbes vereint die gängigen Elemente einer Idyllenvor-stellung: Prominent im Bild steht auf einem kleinen Abhang, über ei-nem trägen Gewässer, eine Eiche. Am Fuße der Erderhöhung spaziert eine Satyrnfamilie nach rechts aus dem Bild: Zuvorderst reitet ein klei-ner Satyr auf einer Ziege, die ihm folgende Mutter in Rückenansicht trägt einen Früchtekorb auf dem Kopf, der gehörnte Satyrvater hat den Wanderstab über seine rechte Schulter gelegt und an das Ende einen Henkelkrug (Lekythos) gehängt. In dem an die Eiche anschließenden Waldstück erkennt man im Hin-tergrund ein Grab. Der Vordergrund der linken Bildhälfte wird von dem abgestorbenen Stamm eines Weidenbaumes dominiert; inhaltlich schließt dieses Motiv an das Grabmal an und ist als Ausdruck des Vanitasgedankens aufzufassen. Im Hintergrund, von Weiden und anderen Bäumen halb verdeckt, steht auf einer kleinen Erhöhung ein antiker Tempel – ein Monopteros.Die antiken Bauten und das mythologisches Personal entheben das Geschehen der gegenwärtigen Wirklichkeit des Betrachters und sind als Anspielungen auf Arkadien zu lesen. Doch betonen die Motive des Grabes und toten Baumes die Vergänglichkeit allen irdischen Lebens und gehen damit über die Arkadien-Vorstellung Salomon Gessners hinaus.

I.H.

carl wIlhelm kolbe D. ä. (1759-1835)

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44. kuh Im sumpf, 1799/1800

Radierung, 30,3 x 41,3 cm Bez. unten links: C.W. Kolbe del. e. sc. Inv.Nr. 17.192

Lit.: Jentsch 1920, Nr. 237; Martens 1976, S. 26; S. 85, Nr. 89

Die sogenannten Kräuterstücke Kolbes bestechen durch ihre unge-wöhnlichen Proportionen. Die Radierung Kuh im Sumpf entstand zwischen 1799 und 1800 und stellt einen ersten Höhepunkt in der Reihe der Kräuterstücke dar. Hier ist ein geschlossener aber doch reich gestalteter Landschaftsraum aus verschiedenen Blattpflanzen entstan-den – fast ein locus amoenus. Der Einfluss von Salomon Gessner wird in der Entlehnung einzelner Motive aus seinen Vignetten sichtbar, beispielsweise dem von Kletter-pflanzen umschlungenen Schilf (vgl. Abb. 5, S. 44).

Dem Kräuterstück Kuh im Sumpf ähnlich, zeigt dieses Blatt eine liegende Kuh, die im Vergleich zum sie umgebenden Blattwerk stark verkleinert ist. Dominiert wird die Komposition durch die Blätter der Großen Klette und Schilfpflanzen. Am rechten Bildrand in der obe-ren Ecke ist der Stamm eines Baumes erkennbar, an dessen Fuße sich das Kräuterstillleben entfaltet. Erst durch die stark verkleinerte Kuh entsteht die besondere Wirkung des Blattes – das Kräuterwerk alleine könnte als gewöhnliche Detailstudie verstanden werden.

I.H.

carl wIlhelm kolbe D. ä. (1759-1835)

45. kuh Im schIlf

Radierung, Kaltnadel, 29,8 x 41,5 cm Bez. unten links: C.W. Kolbe del. e. sc Inv.Nr. 17.190

Lit.: Jentsch 1920, Nr. 236; Martens 1976, S. 85, Nr.88

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46. et In arcaDIa ego

Radierung, 41 x 52,5 cm Bez. unten rechts: C.W. Kolbe fec.; mittig unten auf den Plattenrand: AUCH ICH WAR IN ARKADIEN; oben rechts: II G; Auf der Rückseite mit Bleistift vermerkt: Auswahl Landschaftsbilder, Radierungen von C.W. Kolbe II. Heft 8 Stck., Berlin 1848. Inv.Nr. 17.189

Lit.: Jentsch 1920, Nr. 23; Martens 1976, S. 26; S. 87, Nr. 96; Ausst.Kat. Köln 1984, S. 130, Nr. 66

Die Radierung Auch ich war in Arkadien wurde Pfingsten 1801 auf der dritten Magdeburger Kunst-Ausstellung gezeigt; hierbei handelt es sich um das erste monumentale Kräuterstück.Inmitten einer üppig wuchernden, überdimensional vergrößerten Sumpfflora steht ein winzig klein anmutendes Paar vor einem Sar-kophag, auf dem sich die Worte „Et in Arcadia Ego“ (Auch ich war in Arkadien) ergänzen lassen. In diesem Topos und in den der Dar-stellung von Schnecken und angefressenem Blattwerk wird erneut der Vanitasgedanke angesprochen. Die Verbindung des paradiesischen Arkadiengedankens mit Sterblichkeitsmotiven erinnert auch an Pflan-zenstillleben, die ebenfalls oft auf Vergänglichkeit deuten.Im Vergleich zu den früheren Kräuterstücken Kuh im Sumpf und Kuh im Schilf hat sich die Darstellungsweise geklärt, die einzelnen Blätter und Pflanzen treten deutlicher und stärker vergrößert hervor und lö-sen sich konsequenter vom menschlichen Maßstab.

Diese in den Jahren 1802-1803 entstandene Radierung zeigt eine neue, aufgelockerte Komposition. Kreiste in dem Blatt Et in Arcadia Ego alles um den im Mittelpunkt stehenden Sarkophag, treten vor die Schilfwand nun drei Motive: ein von einer Eiche überschatteter Brunnen am linken Bildrand, in der Mitte eine von Kletten, Schilf und Hopfen überwucherte Herme und am rechten Rand ein Bündel von Schilfpflanzen. Auf dem Brunnenrand ruht eine junge Frau, die dem Leierspiel des ihr gegenübersitzenden Mannes lauscht. Auch hier finden sich angefressene Blätter und die Natur überwuchert die Zeug-nisse menschlicher Kultur. Das Pärchen sitzt von einer Pflanzenwand umschlossen und sicher geborgen in einem locus amoenus.

I.H.

carl wIlhelm kolbe D. ä. (1759-1835)

47. Junge frau unD zItherspIeler am brunnen, 1802/1803

Radierung, 41,2 x 53 cm Inv.Nr 17.188

Lit.: Jentsch 1920, Nr. 230; Martens 1976, S. 27, S. 87, Nr. 95; Ausst.Kat. Köln 1984, S. 130, Nr. 67

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lIt.: Nagler 1842, Bd. 12, S. 402, Nr. 34-39; Feuchtmayr 1975, S. 79-81; Schmid 1998, S. 152-161

Unter diesem Titel annoncierte Johann Friedrich Frauenholz eine Se-rie von sechs römischen Grabmälern, die Reinhart im Jahr 1792 radiert hatte. Antike Grabdenkmäler übten im 18. Jahrhundert in vielerlei Hinsicht eine Faszination aus. Die mächtigen Bauten führten den Glanz und die kulturellen Leistungen des römischen Reiches vor Au-gen. Zugleich aber gemahnten sie an den unweigerlichen Niedergang und Verfall allen menschlichen Tuns. Der Anblick von Grabbauten war deshalb mit dem Gefühl von Schwermut und Melancholie verbunden. Das zerborstene Mauerwerk und die daraus hervorwachsenden Pflan-zen machten diese Monumente zu einem höchst malerischen Objekt. So wurden Grabmäler nicht nur zu beliebten Reisezielen, sondern waren auch als Nachbildungen in Landschaftsgärten zu finden.Reinhart vereinte die pittoresken Ansichten mit einer genauen Darstel-lung architektonischer Elemente.

Das Grabmal ist an den linken Bildrand gerückt. Es liegt an einer Stra-ße, die daran vorbei diagonal in die Bildtiefe führt. Die beiden Frauen, die den Weg beschreiten, schenken dem Bauwerk jedoch keinerlei Be-achtung. Obwohl das Monument unmittelbar an den Bildrand grenzt, macht es doch einen eher abweisenden, unzugänglichen Eindruck: keine Tür führt in sein Inneres und kein Fenster ermöglicht einen Durchblick. Durch eine unruhige Nadelführung wird die raue Ober-fläche des verwitterten Steins hervorgehoben.

Leicht aus der Bildmitte nach rechts verschoben erhebt sich das noch weitgehend intakte Grabmal. Das unebene Steinwerk ist von Pflan-zen überwuchert. Die Strebepfeiler, die einst den Schub auffangen sollten, stützen nun das gesamte Gebäude, das sich schon leicht nach rechts neigt. Der quer über die gesamte Breite des Bildes verlaufende Weg und die Brückenmauer schafften eine Distanz zum Betrachter. Gleichermaßen erzeugt der Bach im Vordergrund, um den eine üp-pige, sich im Wasser spiegelnde Vegetation gedeiht, einen optischen Abstand.

E.M.

Johann chrIstIan reInhart (1761-1847)Italienische Gegenden mit Ruinen von Grabmälern

49. grabmal an Der vIa nomentana, 1792

Radierung, 15,8 x 21,5 cm Bez.: SEPOLCRO ANTICO IN VIA NOMENTANA Vicino al Ponte Nomentano; rechts im Bild: C. Reinhart f. Romae 1792 Inv.Nr. 17.996

Lit.: Andresen 1878, Bd. 1, S. 288, Nr. 50; Feuchtmayr 1975, Abb. 365

48. grabmal beI tIvolI, 1792

Radierung, 15,5/15,9 x 21 cm Zustand: Blatt bis hart an den Plattenrand beschnitten Bez.: SEPOLCRP ANTICO VJCINO AL TIVOLI; unten links: Reinhart f. 1792 Inv.Nr. 17.990

Lit.: Andresen 1878, Bd. 1, S. 287, Nr. 46; Feuchtmayer 1975, Abb. 363

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50. Inneres Des grabmals Der famIlIe Der nasoner, 1792

Radierung, 15,8 x 21,5 cm Bez.: INTERIORE DEL SEPOLCRO DELLA FAMIGLIA DE NASONI sulla Strada de Terni; unten rechts: C. Reinhart f. Romae 1792 Inv.Nr. 17.991

Lit.: Andresen 1878, Bd. 1, S. 287, Nr. 47; Feuchtmayr 1975, Abb. 364

Das Grabmal der römischen Familie ist eines der wenigen Grabmäler, das Reinhart mit einem spezifischen Namen bezeichnete. Der antike Bestattungsort ist von einem außergewöhnlichen Blickwinkel wieder-gegeben. Reinhart wählte eine Perspektive aus dem Inneren der Gruft nach draußen, so dass sich der Betrachter gänzlich von dem Mauer-werk umgeben wähnt. Die zerklüftete Decke des Bauwerks begrenzt den Blick nach oben, und die Wände beschließen das Blatt zu den Sei-ten. Zudem hat sich im Laufe der Jahrhunderte das Fußbodenniveau so erhöht, dass eine der Nischen weit im Erdreich ruht. Die so entste-hende Beengung wird auch nicht durch die Graböffnung gemildert. Eingestürztes, stark bewachsenes Mauerwerk versperrt einen großen Teil des Eingangs, und auf dem Dach wuchernde Ranken hemmen den Blick nach außen. So wie das Auge kaum in die weite Landschaft schauen kann, so dringt gleichermaßen nur spärliches Sonnenlicht in das Dunkel des Grabes. Allein der Eingangsbereich und ein Teil der Steinplatten werden beschienen, während der Rest des Inneren im Schatten bleibt.

Im Gegensatz zu der beklemmenden Darstellung des Grabmals der Familie Naso herrschen hier Offenheit und Weite vor. Von dem einst polygonalen Monument ist nur noch eine Wand stehen geblieben, während zwei weitere nahezu völlig zerstört sind. So steht nun die ehemalige Innenwand völlig im Freien – das Innere ist zum Äußeren geworden.Reinhart legte der Bildkomposition ein streng symmetrisches Schema zu Grunde. Exakt in der Mitte des Blattes ragen drei Trommeln eines abgebrochenen Säulenschaftes auf. Davor lagert ein Hirte auf einer Anhöhe, die aus Diagonalen gebildet ist, welche von links und rechts auf diesen Punkt zu laufen. Selbst die beiden Kühe, die der junge Wächter hütet, sind spiegelgleich in den Vordergrund gesetzt. Diese höchst unmalerische Strenge wird gemildert, indem das Grabmal aus der Bildmitte nach links verschoben ist. An dieser Seite verriegelt eine Ansammlung von Bäumen den Ausblick, während sich auf der rechten Hälfte des Blattes die Landschaft bis weit in die Ferne erstreckt.

E.M.

Johann chrIstIan reInhart (1761-1847)Italienische Gegenden mit Ruinen von Grabmälern

51. grabmal an Der vIa nevIa, 1792

Radierung, 15,8 x 21,1 cm Bez.: AVANZO D’UN SEPOLCRO IN VIA NEVIA fuor del Porta Pia; unten links: C. Reinhart f. Romae 1792 Inv.Nr. 17.997

Lit.: Andresen 1878, Bd. 1, S. 288, Nr. 5; Feuchtmayr 1975, Abb. 366

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52. grabmal an Der vIa nomentana, 1792

Radierung, 15,9 x 21,2 cm Bez.: SEPOLCRO ANTICO IN VIA NOMENTANA; Spuren einer wegpolierten Bezeichnung unten rechts Inv.Nr. 17.992

Lit.: Andresen 1878, Bd.1, S. 287, Nr. 48; Feuchtmayr 1975, Abb. 367; Mitechell 1989, S. 651; Schmid 1998, S. 156-160

Das namentlich nicht näher bezeichnete Grabmal ist auf einer hohen Substruktionsmauer errichtet, so dass es weit empor ragt. Reinhart unterstreicht das aufragenden Gebäude, indem er dem Betrachter einen tiefer gelegenen Standpunkt zuweist. Von dieser Perspektive aus erscheint der zerfallene Baukörper einzig vom Himmel hinterfangen. Als Gegengewicht setzt Reinhart der Ruine schweres Gewölk entge-gen. Zeit und Witterung haben ihre Spuren an dem Grabmal hin-terlassen: Das Dach ist weitgehend weggerissen, Fenster und Türen sind ausgebrochen und selbst der stützende Unterbau ist unterhöhlt. Die deutlich wahrnehmbaren Spuren der einstigen Bauzier – Pilaster, Kapitelle, Architrav und Gesims – lassen den Zerfall um so stärker hervortreten.In der kargen Landschaft, in der kaum Pflanzen gedeihen, weiden Hirten ihre Schafe und Ziegen. Die Grabruine inmitten der Weite der römischen Campagna, wo Herden gehütet werden und Hirten Flöten spielen, erweckt im Betrachter ein melancholisches Gefühl.

Der Torso des von der Zeit gezeichneten und aufgeborstenen Grab-mals beherrscht große Teile des Blattes. Im Gegensatz zu den anderen Darstellungen ist hier das Spezifische der Architektur nicht klar her-ausgearbeitet. Zwar sind die beiden, um das Grabmal herumlaufenden Konsolenkränze deutlich zu erkennen, doch das Innere des Monu-ments ist unscharf und nur mittels unruhiger Nadelstriche erzeugt. Riesige, schwere Steinblöcke füllen den Bildvordergrund an. Am lin-ken Bildrand, im Schatten eines Felsens, ruht ein Jäger. Ein zweiter hat sich ihm zugewandt und stützt sich auf den Rücken seines Pferdes. Beide Männer wirken vor der gewaltigen Ruine und den Steinmassen wie kleine Figuren.

E.M.

Johann chrIstIan reInhart (1761-1847)Italienische Gegenden mit Ruinen von Grabmälern

53. grabmal In Der nähe Des sklaventurms, 1792

Radierung, 15,9 x 21 cm Bez.: SEPOLCRO ANTICO IN VIA NEVIA dello Torre de Schiavi; unten rechts: Reinhart f. 1792 Inv.Nr. 17.995

Lit.: Andresen 1878, Bd. 1, S. 288, Nr. 49; Feuchtmayr 1975, Abb. 366

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Lit.: Andresen 1878, Bd. 1, S. 301-306 In den Jahren 1792-1799 radierte Reinhart sechs ideale Landschaften in verschiedenen Größen und mit unterschiedlichen Staffagefiguren, die 1809 in Johann Friedrich Frauenholz’ Katalog als „Suite von 6 Landschaften“ angepriesen wurden. Zu einigen der Darstellungen gehört biblisches oder ideales Bildpersonal. Die beiden Blätter mit der Morgen- und Abendlandschaft entstanden in Anlehnung an Gemälde von Claude Lorrain.

Die Darstellung des Abends zeigt eine Gruppe von Jünglingen und Mädchen, die geführt von einem Flöte spielenden Jungen singend und tanzend über eine Brücke ziehen. Auf der rechten Blattseite treibt ein Hirte seine Viehherde zurück in die Stadt. Weitere Personen sind beim Hüten von Schafen, Ruhen unter den Bäumen und anderen ruhigen Verrichtungen zu beobachten. In der Mitte des Vordergrundes sitzt ein alter Mann zusammen mit einem jungen Hirten auf einem Stein. Der Greis kann als Anspielung auf das, dem Abend entsprechenden Le-bensalter verstanden werden.

Johann chrIstIan reInhart (1761-1847)Ideale Landschaften

54. abenDlanDschaft, 1792

Radierung, 28 x 35,6 cm Bez.: Poi cessa colla Sera ogni lavoro; unten links: C. Reinhart inv et fec Romae 1792 gestempeltes Monogramm eines ehemaligen Besitzers unten links: CASAX(LL?) Inv.Nr. 18.002

Lit.: Nagler 1842, Bd. 12, S. 401, Nr. 28; Andresen 1878, Bd. 1, S. 303f., Nr. 77; Feuchtmayr 1975, Abb. 395; Schmid 1998, S. 245-252

55. morgenlanDschaft, 1795

Radierung, 28 x 36 cm Bez.: Sorge il Mattino, e ad util opre invita; unten links: J. C. Reinhart inv. et fect. Romae 1795 gestempeltes Monogramm eines ehemaligen Besitzers unten links: CASAX(LL?) Inv.Nr. 18.001

Lit.: Nagler 1842, Bd. 12, S. 401, Nr. 29; Andresen 1878, Bd. 1, S. 305, Nr. 79; Feuchtmayr 1975, Abb. 395; Schmid 1998, S. 250-252

Die Morgenlandschaft entstand als Gegenstück zum Abend erst drei Jahre nach dessen Fertigung. Dennoch ist der zeitliche Abstand nicht an der Komposition oder Ausführung ablesbar.Die rechts in der Ferne gerade aufgegangene Sonne taucht weite Teile des Blattes in einen hellen Glanz. Die Stadt im Hintergrund ruht im Frühlicht, und der steile Berg am linken Bildrand reflektiert den reinen Schein. Gleichermaßen wird der Weg, der aus der Stadt herausführt, bis an den Bildvordergrund warm beschienen. Die Sonnenstrahlen ergießen sich bis in den Vordergrund über einen ruhenden Hirten und zwei junge Mädchen. Die rechte Bildhälfte ist dagegen sehr dunkel gehalten. Durch die starke Ätzung herrscht hier das Schwarz vor, so dass sich einige, der durch den Bach ziehenden Rinder kaum vom dunklen Untergrund abheben. Diese stark verschatteten Partien riefen Frauenholz’ Kritik hervor, der Reinhart bat, er möge die folgenden Blätter doch heller halten.

E.M.

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Lit.: Nagler 1842, Bd. 12, S. 400f.; Baisch 1882, S. 76-93; Feuchtmayr 1975, S. 79-81; Luther 1988, S. 125-131; Schwichtenberg-Winkler 1992, Bd. 1, S. 277-297; Schmid/Betthauser 1994, S. 31-141; Schmid 1994; Schmid 1998, S. 161-244

Zwischen 1792 und 1789 radierten die Maler Johann Christian Rein-hart, Jacob Wilhelm Mechau und Albert Christian Dies eine Serie von 72 römischen Ansichten, die bei Johann Friedrich Frauenholz in Nürnberg verlegt wurden. Für diese Folge fertigte jeder der drei Maler 24 Blätter an. Die Mahlerisch radirten Prospecte sind einzureihen in die vielen Folgen römischer Veduten, die etwa Giovanni Battista Pirane-si, Giuseppe Vasi oder später auch Joseph Anton Koch vorlegten. Im Gegensatz zu diesen Ansichten wollte Reinhart jedoch nach seinen eigenen Worten „malerische und noch nicht behandelte Gegenstände“ darstellen. Deshalb beschränken sich die Blätter nicht auf Darstellun-gen der Stadt Rom, sondern beziehen auch die Umgebung ein. In der Regel steht ein Gebäude oder eine Ruine im Mittelpunkt. Oftmals aber sind diese nur weit im Hintergrund zu sehen und einige Radierungen sind reine Landschaftsdarstellungen. Bereits diese Zurückdrängung der Architektur zeigt, dass die Folge nicht allein römische Bauwerke zeigen sollte. Die Darstellung der Natur wurde ebenso wichtig erach-tet. So ist jedes der Gebäude eingebettet in die Weite des Landstrichs oder ist von Pflanzen bewachsen, so dass es zu einem Teil der Land-schaft wird.

Mit diesem querformatigen Blatt präsentiert Reinhart eine Landschaft um das südöstlich von Rom, nahe dem Lago Albano gelegene Castel Gandolfo. Das Schloss selbst aber ist weit in den Hintergrund gerückt, so dass der Betrachter es nur aus der Ferne beschauen kann. Den lin-ken Vordergrund des Bildes nimmt statt dessen ein mächtiger, stark belaubter Baum ein. Nahsicht und Fernsicht, exakte Wiedergabe der Blätter und unscharf dargestellte Hügel wechseln sich ab und sind effektvoll einander gegenüber gestellt.Die unbewegten Blätter, der stille See und die ruhigen Wolken vermit-teln die Ruhe eines heißen Nachmittags. Dem entspricht der parallel zum vorderen Bildrand verlaufende Pfad, den das Auge so lange ver-folgen kann, bis dieser sich zwischen den Büschen verliert.Auf dem Weg lagert ein junger Wanderer, und ein Hirt ruht dort mit seinen Ziegen. Die antikisch gekleideten Personen dienen als Staffage und unterstreichen die ruhige Stimmung und das Idyllische der Ge-gend.

E.M.

Johann chrIstIan reInhart (1761-1847)Mahlerisch radirte Prospecte von Italien

56. castel ganDolfo, 1792

Radierung, 27,5 x 36,7 cm Bez.: Castella Gandolfo; unten links: C. Reinhart. fece Roma 1792 Zustand: Wasserränder am linken Plattenrand und in der oberen Hälfte des Bildfeldes Inv.Nr. 17.998

Lit.: Nagler 1842, Bd. 12, Nr. 5; Andresen 1878, Bd. 1, S. 290f., Nr. 52; Feuchtmayr 1975, Abb. 369; Mitchell 1989, S. 652; Schmid//Betthausen 1994, Nr. 2; Arrigoni/Bertarelli 1939, Nr. 4124; Ausst.Kat. Rom 1994, Nr. 123

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57. beI subIaco, 1792

Radierung, 37,4 x 27,8 cm Bez.: A Subiaco; unten links: C. Reinhart fec Roma 1792 gestempeltes Monogramm eines ehemaligen Besitzers unten links: CASAX(LL?) Inv.Nr. 17.999

Lit.: Nagler 1842, Bd. 12, S. 401, Nr. 13, 14 od. 15; Andresen 1878, Bd. 1, S. 293, Nr. 57; Feuchtmayr 1975, Abb. 374; Schmid/Betthausen 1994, Nr. 6

Ein Jäger mit seinem Hund zieht unmittelbar alle Aufmerksamkeit auf sich. Die gespannte Haltung des Jagdhundes, sein konzentrierter Blick und die Kopfwendung des Mannes lenken das Augenmerk des Betrachters zum linken Bildrand. Der Gegenstand, der ihr Interesse erregte, ist jedoch nicht zu sehen.Mann und Hund halten sich in einer schluchtartigen Gegend auf. Nahe an einem Bach, vor einem dunklen, moosbewachsenen Stein-block, umgeben von dichtem Gebüsch und schattenspendenden Bäumen sind sie ganz von der Kühle und Abgeschiedenheit des Ortes eingeschlossen. Ganz im Gegensatz dazu steht der Ausblick in die Weite im oberen Bilddrittel. Zwischen Pflanzen und Abhang werden in weiter Distanz die Häuser von Subiaco sichtbar, die sich an einen Hügel schmiegen und warm von der Sonne beschienen werden.Nicht die Ortschaft Subiaco ist Thema des Bildes, sondern die Ein-samkeit und Stille der Gegend „bei Subiaco“.

Das hochformatige Blatt wird gänzlich von der Ruine beherrscht. Der alte, schon stark zerstörte Gebäuderest versperrt den Blick in die Ferne. Nur durch das offene Fenster in der Mitte wird ein Stück des Himmels sichtbar und am linken Bildrand bieten die eingebrochene Nische und das abgebrochene Mauerwerk einen kleinen Ausblick in die Land-schaft. Obwohl die Ruine das Bild dominiert, ist die Natur keineswegs zurückgedrängt. Vielmehr nimmt sie Besitz von den Überresten der menschlichen Baukunst. Kletterranken überwuchern das Gestein, und Pflanzen aller Art wachsen vor und auf der Ruine. Selbst das Erd-reich hat sich des einstigen Gebäudes bemächtigt, dessen untere Hälfte nun tief im Boden versunken ist. Im Bildvordergrund ragt aus der Erde ein Architrav hervor, der unter dem Bewuchs kaum sichtbar wird.Die exakte Wiedergabe der Architektur, der Nischen, des Kassetten-gewölbes, der Balkenlöcher und Bogenquaderung lässt den Verfall des Gebäudes umso deutlicher hervortreten. Durch die wild wuchernde Vegetation wird die Darstellung zu einer malerischen Ansicht.

E.M.

Johann chrIstIan reInhart (1761-1847)Mahlerisch radirte Prospecte von Italien

58. In Der nähe Des cIrcus caracalla, 1797

Radierung, 38,3 x 27,9 cm Bez.: Vicin’ al Circo di Caracalla; unten links: C. Reinhart fec. Romae 1797 gestempeltes Monogramm eines ehemaligen Besitzers unten links: CASAX(LL?) Inv.Nr. 18.000

Lit.: Nagler 1842, Bd. 12, S. 400, Nr. 3; Andresen 1878, Bd. 1, S. 300, Nr. 73; Arrigoni/Berarelli 1939, Nr. 1463; Feuchtmayr 1975, Abb. 391; Schmid/Betthausen 1994, Nr. 21; Ausst.Kat. Rom 1994, Nr. 121

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Lit.: Kircher 1928, S. 53f.; Luther1988, S. 130f.; Schmid 1998, S. 206-230

Als Gegenprogramm zu Johann Christian Reinharts Mahlerisch radir-ten Prospecten schuf Wilhelm Friedrich Gmelin eine Serie von sechs Ansichten und ließ diese ebenfalls durch den Nürnberger Verleger Frauenholz vertreiben. Im Gegensatz zu Reinharts, Mechaus und Dies’ Blätter, die sich auf Rom und die nähere Umgebung beschränk-ten, widmete Gmelin sich auch anderen Gebieten Italiens, wie Neapel, Capri oder Ischia.

Die „Grotta vulcanica“ stellt das erste Blatt der Serie dar. Im Gegensatz zu den folgenden Radierungen steht hier der harte Fels mit seinen un-terschiedlichen Gesteinsschichten im Mittelpunkt, während Pflanzen, die zu einem weichen, lockeren Anblick beitragen würden, kaum zu sehen sind. Auch die strenge Komposition verleiht dem Bild eine ge-wisse Starre. Die torartige Öffnung ist zwar leicht aus der Mitte nach links verschoben, doch das Wasser stößt hart an den Felsen, so dass Linien entstehen, die vom linken und rechten Bildrand streng auf die Aushöhlung zulaufen. Durch die Felsöffnung, die einen Durchblick ins Weite bietet, fällt Sonnenlicht in die schattige Bucht und beleuchtet das originelle Motiv der drei badenden Männer.

Das Blatt zeigt die Kapelle Santa Maria auf der Insel Capri, die von einem Einsiedler bewohnt wurde. Reisebeschreibungen des 18. Jahr-hunderts priesen den schönen Ausblick, den diese Anhöhe bot (vgl. Stolberg 1822, Bd. 3, S. 144). Gmelin führt den abgelegenen Ort vor Augen und die Sicht über das weite Meer bis hin zum Festland. Er führt den Betrachter vom linken unteren Bildrand über den steilen Weg, an einem ruhenden Wanderer vorbei durch den Torbogen, lässt ihn einen schlafenden Hund sehen, bis er schließlich zur Kapelle ge-langt. Der spitze Turm des Kirchleins korrespondiert mit der schroffen Bergspitze, die in den Himmel ragt. Kreisende Vögel vermitteln das Gefühl von Stille und Einsamkeit.

E.M.

wIlhelm frIeDrIch gmelIn (1737-1820)Six Vues d’Italie gravées à l’eau forte

59. grotte am golf von neapel, 1792

Radierung u. Kupferstich, 27,4 x 37,6 cm Bez.: Grotta vulcanica alla punta di Posilipo nel Golfo di Napoli; unten links: W. F. Gmelin fec. 1792; unten rechts: I. Zustand: am Blattrand stark stockfleckig Inv.Nr. 5293

Lit.: Schmid 1998, S. 210

60. eInsIeDeleI auf caprI, 1792

Radierung u. Kupferstich, 28,1 x 34,5 cm Bez.: Romitorio in cima dell’Isola di Capri; unten links: W. F. Gmelin fec. 1792; unten rechts: III. Inv.Nr. 5295

Lit.: Schmid 1998, S. 210

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61. rotunDe In Der vIlla haDrIan In tIvolI, 1792

Radierung u. Kupferstich, 27,9 x 35,5 cm Bez.: Avanzo rotondo, detto il Ninfeo, colla Bibliotheca nella Villa di Adriano a Tivoli; unten links: W. F. Gmelin fec: Romae 1792; unten rechts: IV. Inv.Nr. 5296

Das vierte Blatt der Serie gibt den Zentralbau eines ehemaligen Nym-phäums der Villa Hadrian in Tivoli wieder. Das Rund des Bauwerks ist das Hauptthema, das in Variationen wiederholt wird. Eingerahmt von Mauerwerk, zu dem der Erboden sanft emporsteigt und das nach oben leicht ausschwingt, wird der Blick in die Rundung der Ruine geführt. Das Dach des Zentralbaus ist weggebrochen, und nur noch die Umfas-sungsmauern begrenzen den einstigen Kultbezirk. Fensterbögen und Nischen greifen die Form noch einmal auf und variieren diese. Eine Zäsur bilden der zylindrisch aufragende Pfeilerrest und die Bäume, die mit der emporragenden Nische im Hintergrund ein Dreieck bilden.Die ineinander gesetzten und miteinander verzahnten, geometrischen Formen werden durch die alles überwuchernden Pflanzen abgemil-dert, und die strenge Ordnung wird dadurch ins Pittoreske verkehrt. Die eingefügten Figuren verleihen der Darstellung eine anekdotische Note.

Herrschte bereits auf dem vierten Blatt der Serie die üppige Vegetation vor, so ist auch die Darstellung der letzten Graphik von der Natur be-stimmt. Der in der Nähe von Palestrina gelegene Tempel nimmt bild-beherrschend das Zentrum des Blattes ein. Die mächtigen Steinreste und das hohe Mauerwerk lassen die einstige Größe und Stärke des Gebäudes erahnen. Nun aber ist es weitgehend zerstört und erinnert nur noch an die vergangene, glänzende Zeit. Im Bildvordergrund sind drei Personen mit dem Sammeln und Bin-den von Reisig beschäftigt. Die winzig erscheinenden Figuren geben den Maßstab für den Tempel. Erst anhand ihrer Körpergröße wird das Ausmaß der Ruine sichtbar.

E.M.

wIlhelm frIeDrIch gmelIn (1737-1820)Six Vues d’Italie gravées à l’eau forte

62. tempel In palestrIna, 1793

Radierung u. Kupferstich, 30,2 x 39,8 cm Bez.: Tempio, detto di Serapide, a Palestrina; unten links: W. F. Gmelin fec: 1793; unten rechts: VI. Inv.Nr. 5298

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Lit.: Nagler 1837, Bd. 4, S. 98; AKL 2002, Bd. 33, S. 56

georg eIsenmann (anfang 18. JahrhunDert)Serie von sechs Landschaften

63. blatt 4: berglanDschaft

Radierung, 17,4 x 23,4 cm Bez. unten links: 4. Inv.Nr. 5559

64. blatt 5: sturmlanDschaft

Radierung, 16,9 x 23,3 cm (Plattenrand beschnitten) Bez. unten links: 5. (Ziffer halb abgeschnitten) Zustand: rechte untere Ecke berieben Inv.Nr. 5560

Der kaum bekannte Nürnberger Maler und Kupferstecher Georg Ei-senmann schuf zu Anfang des 18. Jahrhunderts eine Folge von sechs verschiedenen Landschaftsdarstellungen. Zu der bisher unpublizier-ten Serie gehören neben den beiden ausgestellten Blättern Darstellun-gen von Ruinen und Wasserfällen.

Die Darstellung der Berglandschaft greift das im späten 18. Jahr-hundert beliebte Thema der „schweizer Idylle“ auf. Als Gegenpol zur arkadischen Ideallandschaft entdeckte man die noch weitgehend unberührten Berge und Täler in der Schweiz. Eisenmanns Radierung zeigt keine identifizierbare Gegend, sondern eine frei kombinierte Landschaft. Versatzstückartig sind Berge, Felsen, ein Gebirgssee und eine Ortschaft zusammengefügt. Auf der rechten Seite begrenzt hartes Felsgestein das Bild und im Hintergrund ragt ein karger Gipfel empor, der weit über die Baumgrenze hinausgeht. Vor dem Bergmassiv sind ein Dorf und ein Bergsee zu sehen. Im dunkleren Vordergrund weiden Hirten ihre Herde, andere treiben ihre Tiere den Pfad entlang, dem Dorf zu.Eisenmann schuf einen gestaffelten Bildraum. Der breite Weg im Vordergrund bricht unvermittelt ab. Zur Anhöhe im Mittelgrund führt zwar ein Pfad, doch da dieser um den Hügel herumführt, kann dessen Verlauf nicht verfolgt werden. Der Hintergrund wird ganz vom Gebirge eingenommen, das wiederum abrupt hinter der Ortschaft emporragt.

Eisenmann präsentiert das Tal einer Berglandschaft, über dem sich ein Unwetter austobt. Trotz der beschränkten farblichen Mittel einer Gra-phik wird doch der Eindruck hervorgerufen, dass ein helles, unwirkli-ches Licht die Szenerie beleuchtet. Gerade zuckt ein Blitz am Himmel und die dunklen, schweren Wolkenmassen reißen ein wenig auf und lassen die Sonne hindurch. Ihre Strahlen erzeugen lange Schatten und ermöglichen es, die Zeit des Gewitters auf den späten Nachmittag zu datieren. Unter dem heftigen Sturm neigen sich die Bäume stark zur linken Seite. Die Menschen dagegen versuchen gegen den Wind anzugehen und stemmen sich ihm entgegen. Dadurch entsteht eine reizvolle Spannung zweier sich kreuzender Bewegungsrichtungen.Neben den Lichteffekten und der spannungsreichen Bewegung man-gelt es nicht an anekdotischen Zufügungen. Auf dem Weg, der am See entlang zum Dorf führt, kämpfen drei Männer gegen den Sturm an, der einem von ihnen bereits den Hut weggerissen hat. Im Hintergrund hat ein Blitz in ein Haus eingeschlagen, das lichterloh brennt und sei-ne Umgebung grell erleuchtet.

E.M.

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65. Der naturforscher

Kupferstich, ca. 8 x 10 cm (Bildgröße) Der Naturforscher (Band 1-3). Halle (J. J. Gebauer Witwe und Johann Jacob Gebauer) 1774, 8°; Frontispiz

allegorIen Der naturforschungNaturwissenschaftliche Buchillustrationen aus der Universitätsbibliothek Marburg

66. naturwIssenschaft unD mIkroskopIe

Kupferstich, 20,3 x 13,7 cm; Bez. unten links: Joh: Justin Preissler, Dir: del:; unten rechts: A.W. Winterschmidt excud. Norimb. Martin Frobenius Ledermüller (1719-1769): Mikroskopische Gemüths= und Augen=Ergötzung[en]. Bestehend, in Ein Hundert nach der Natur gezeichneten und mit Farben erleuchteten Kupfertafeln, Sammt deren Erklärung. Nürnberg (Adam Wolfgang Winterschmidt) 1763, 4°; Frontispiz Zeichner: Martin Frobenius Ledermüller, Johann Justin Preißler; Stecher: Adam Wolfgang Winterschmidt

Lit.: Mann 1964, S. 17f.; Nissen 1966, Nr. 1156

Bei diesem Buch handelt es sich um die ersten drei Bände eines na-turkundlichen Periodikums, welches von 1774 bis 1804 erschien. Die teilweise bebilderten Artikel behandeln Themen aus den drei Reichen der Natur – den Mineralien, Pflanzen und Tieren.Das Selbstverständnis der zeitgenössischen Naturkundler findet sei-nen Ausdruck in dem allegorischen Frontispiz. Auf kleinster Fläche entfaltet sich hier eine felsige Küstenlandschaft, in deren Mitte der Naturforscher in modischer Kleidung sitzt und Notizzettel füllt. Die Gegend ist mit zahlreichen Tier- und Pflanzenarten übersät. Wie bei dem Werk Ledermüllers (vgl. Kat.Nr. 66) wird auf die Vielfalt und unterschiedliche Größe der Lebewesen hingewiesen. Ein auffällig platzierter Ameisenbär erinnert darüber hinaus an die Entdeckungen merkwürdiger Lebensformen in fernen Ländern, während ein Brun-nen und ein Vulkan im Hintergrund auf die Geowissenschaften ver-weisen. Obwohl der Forscher auf diese Weise mit der ganzen Vielfalt der Natur konfrontiert wird, strahlt er heitere Gelassenheit aus. Das mag daran liegen, dass ihm Putten als Assistenten zur Seite stehen. Einige bringen neue Untersuchungsobjekte heran, während der rechte Putto vom Forscher eine Weisung zu erhalten scheint. Wahrscheinlich soll er dessen Forschungsergebnisse in ein Buch umsetzen, denn ein solches trägt er unter den Arm geklemmt.

Der Autor dieses Werkes wird heute vor allem als Verbreiter von Wis-sen gewürdigt, da seine Werke einem populärwissenschaftlichen An-satz folgen. So vereinigt Ledermüller in seinem Buch Mikroskopische Gemüths= und Augen=Ergötzungen mikroskopische Abbildungen von verschiedenen alltäglichen Dingen: Tiere, Pflanzen, Stoffgewebe, menschliche Körperteile.Seinem Werk stellt Ledermüller ein allegorisches Frontispiz voran, das ein Panoptikum der zeitgenössischen Naturwissenschaft bildet. Im Zentrum thront die Personifikation der Natur in Gestalt der vielbrüs-tigen Artemis von Ephesos, die von der Zeichenkunst enthüllt wird. Sie hält einen Elefanten und einen Schmetterling als Zeichen für ihr Wirken in großen und in kleinen Geschöpfen. Um die Verkörperung der Natur sind wissenschaftliche Instrumente angeordnet, die teilwei-se von Putten bedient werden. Ein Handmikroskop rechts weist trotz der phantastischen Rocailleformen große Ähnlichkeit mit dem heute gängigen Mikroskoptyp auf. Drei Büsten stellen berühmte mikros-kopierende Wissenschaftler dar: Leeuwenhoek, Swammerdam und Lieberkühn. Das Relief gibt eine Geschichte der antiken Mythologie wieder, der zu Folge die Weberin Arachne von Athena in eine Spinne verwandelt wird. Der Sarkophag mit einer Schmetterlingspuppe als beginnendem Leben davor steht schließlich für die Unvergänglichkeit als Prinzip der Natur. Über der Szene schwebt das Dreieck der Dreiei-nigkeit in einer Wolkenglorie.

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67. nomenklatur von farben unD pflanzenteIlen

Kupferstich, 26 x 20,1 cm; Bez. unten rechts: P: Haas Sculp. Friedrich Gottlob Hayne (1763-1832): Termini botanici iconibus illustrati oder botanische Kunstsprache durch Abbildungen erläutert. Berlin (Wilhelm Oehmigke d. J.) 1799-1807, 4°; Heft 1, Taf. 1 Zeichner: Friedrich Gottlob Hayne, Friedrich Guimpel; Stecher: P. Haas

Lit.: Nissen 1966, Nr. 817

In diesem Werk konzentriert sich Hayne ganz auf die botanische No-menklatur. Es stellt den Versuch dar, möglichst vielen äußeren Merk-malen einer Pflanze eine jeweils vollständige Liste eindeutiger Begriffe zur Beschreibung zuzuweisen. Der Autor berücksichtigt Oberflächen-beschaffenheit, Farbe, Geruch, Geschmack, Maße, klimatische Präfe-renz, Standort und die verschiedenen Teile einer Pflanze.Objektivierung und Systematisierung der Merkmale sind auf die Spit-ze getrieben. In seiner ersten Tafel teilt Hayne selbst die Farbe in eine Reihe von Farbtönen mit fester Bezeichnung auf, obwohl der Wert dieses Bestimmungskriteriums unter Botanikern umstritten war, da die Farbe der Pflanzenindividuen innerhalb einer Art stark variieren kann. Die sorgfältige Gegenüberstellung und Abgleichung von verba-ler und bildlicher Repräsentation weist auf die Kontroverse hin, welche in der Naturwissenschaft um die Benutzung dieser Medien geführt wurde. Während Linné Illustrationen lediglich eine Bedeutung für die Belehrung botanischer Laien einräumte, bestehen die Tafelwerke von Jacquin fast ausschließlich aus Abbildungen (vgl. Kat.Nr. 69).

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68. schmetterlInge

Kupferstich, 34,3 x 23 cm; Bez. unten rechts: G.W. Knorr excudit Norib. Georg Wolfgang Knorr (1705-1761): Deliciae naturae selectae oder auserlesenes Naturalien Cabinet. Nürnberg (Georg Wolfgang Knorr) 1778, 2°; Bd. 1, Taf. C 4 Zeichner: J. L. Colve, B. R. Dietzsch, J. F. Dietzsch, J. C. Keller, C. N. Kleemann, G. W. Knorr, C. Leinberger; Stecher: J. A. Eisenmann, A. Hoffer, G. W. Knorr, J. S. Leitner, S. Leitner jr., J. F. Schmidt, Stör

Lit.: Nissen 1966, S. 181; Ludwig 1998, S. 172f., 188; Beyer-Thoma 2002, S. 281-292

Die Werke des Zeichners und Kupferstechers Knorrs waren schon zu seinen Lebzeiten weniger für ihren wissenschaftlichen Anspruch als für ihren ästhetischen Reiz bekannt. Auch bei den Deliciae naturae selectae handelt es sich um einen Tafelband mit großformatigen illu-minierten Kupferstichen ohne Text. Das Thema ist eine Art virtuelles naturkundliches Museum, welches mit abgezeichneten Exponaten aus verschiedenen bürgerlichen Sammlungen gefüllt wurde. Knorr ließ sich bei seiner Auswahl unter anderem von der ästhetischer Qualität der Stücke leiten. Neben einer große Zahl maritimer Lebensformen finden sich einige Tafeln mit Schmetterlingen, exotischen Tieren und Mineralien. Letztere erfuhren eine außergewöhnlich aufwändige Ko-lorierung mit metallisch glänzenden Farben.Eine Tafel mit Schmetterlingen ist repräsentativ für Knorrs Absichten. Die Tiere sind streng von oben gesehen und werden ohne Beiwerk präsentiert. Allerdings folgt die Anordnung der Exponate keinem neu-tralen Raster, sondern stellt selbst eine geschlossene ornamentale Form dar. Einerseits porträtierte Knorr also seine Gegenstände wirklichkeits-getreu, andererseits versuchte er ihre optische Attraktivität durch die Art der Anordnung zu steigern. Mit diesem populärwissenschaftlichen Ansatz konnte er gleichzeitig ein breites Publikum begeistern und die naturwissenschaftliche Kenntnisse sowie ihre Wahrnehmung fördern.

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69. glaDIolus laccatus

Kupferstich, 43,6 x 18,3 cm Nicolaus Joseph von Jacquin (1727-1817): Icones plantarum rariorum. Wien (Wappler) 1781-1793, 2°; Bd. 2, Taf. 232 Zeichner: Joseph Hofbauer, Ferdinand Bauer, Franz Bauer, Johannes Scharf; Stecher: Jakob Adam

Lit.: Nissen 1966, S. 184-6, Nr. 974; Dolezal 1973, S. 136-172; Nickelsen 2000, S. 468-72; Beyer-Thoma 2002, S. 281-292

Wien entwickelte sich im 18. Jahrhundert durch fürstliche Förderung zu einem Zentrum botanischer Forschung. Hier war der Professor für Botanik und Chemie Nicolaus Joseph von Jacquin tätig, der sich ins-besondere durch die Herausgabe aufwändiger Tafelwerke einen Ruf erwarb. Diese Bücher waren sehr sorgfältig gedruckt und illuminiert und erschienen nur in kleinen Auflagen. Bereits zu Jacquins Lebzeiten wurden sie als Kostbarkeiten gehandelt.Die drei Bände der Icones plantarum rariorum umfassen insgesamt 648 sorgfältig illuminierte Kupferstiche von hoher Qualität, enthalten aber nahezu keinen Text. Die Pflanzen sind mit ihrem Wurzelwerk dar-gestellt und werden bisweilen von einigen vergrößerten Blütendetails begleitet. Ein Vergleich mit dem Werk von John Miller (vgl. Kat.Nr. 70) macht deutlich, dass die Illustrationen von Jacquin weniger kon-sequent auf Wissenschaft und Systematik ausgerichtet sind. Statt des-sen wird hier die ästhetische Tradition barocker Prachtwerke spürbar. Die Pflanzen sind in luxuriöser Farbigkeit gestaltet und mit einem sicheren Gefühl für Proportionen und Umrissformen auf dem Blatt angeordnet. So verwandelt sich ein einfaches Grasbüschel (Bd. I, Taf. 18) durch seine strahlenförmige Anordnung zur Explosion eines vege-tabilen Feuerwerks. Trotz der hohen Ansprüche des Autors variiert die Qualität der Illumination. Besondere Sorgfalt genossen Pflanzen mit farbenprächtigen Blüten, wie dies Gladiolus laccatus belegen kann.

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70. monarDa DIDyma

Kupferstich, 45,3 x 28,5 cm John Miller (ursprünglich Johann Sebastian Müller, 1715-1790): Illustratio systematis sexualis Linnaei. Frankfurt/Main (Varrentrapp und Wenner) 1804, 2°; Taf. 3 Zeichner: John Miller; Stecher: Conrad Felsing

Lit.: Nissen 1966, Nr. 1373; Lechtreck 2000, S. 240f.

Wie schon der Titel betont, beschäftigt sich dieses Werk mit der Dar-stellung von Linnés taxonomischem System, welches im 18. Jahrhun-dert äußerst erfolgreich war. Den überwiegenden Teil des Buches bilden Kupferstiche des Nürnberger Botanikmalers und Stechers John Miller, mit denen die Ordnungen Linnés anhand exemplarischer Ar-ten vorgestellt werden. Die Abbildungen sollen möglichst viele wissen-schaftliche Informationen vermitteln, insbesondere durch zahlreiche separat dargestellte Details. Nach Linnés „Sexualsystem“ waren die Blüten das entscheidende Kriterium zur Klassifizierung einer Pflanze. Miller folgt ihm in der vergrößerten Darstellung der Blüten, ergänzt diese jedoch um eine ähnlich sorgfältige Wiedergabe der Früchte.An der Illustration der Monarda didyma werden die Darstellungsstra-tegien deutlich, mit Hilfe derer die Graphiker den Informationsgehalt der Abbildungen maximierten: unverkürzte Darstellung einiger Blätter sowie Blick auf die Blattunterseite, Vermeidung von Überschneidun-gen, Darstellung des Stengelquerschnitts, deutliche farbliche Differen-zierung der Einzelteile, Abbildung verschiedener Wachstumsstadien von Blüte und Laubblättern und schließlich anatomisch sezierte und vergrößerte Details – links Blüten, rechts Samen. Neben einer Beto-nung der taxonomisch relevanten Teile werden andere ignoriert, so fehlen hier wie auf vielen Tafeln von Miller die Wurzeln der Pflanze.

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71. waID

Kupferstich, 12,7 x 11,2 cm Michael Bernhard Valentini (1657-1729): Viridarium reformatum seu regnum vegetabile, Das ist: Neu=eingerichtetes und Vollständiges Kräuter=Buch. Frankfurt/Main (Heinscheidt) 1719, 2°; Taf. S. 168 Zeichner und Stecher: Matthaeus Merian d. Ä. u. a.

Lit.: Nissen 1966, Nr. 2037; Ausst.-Kat. Frankfurt/Main 1993, Nr. 272; Lechtreck 2000, S. 224f.

Der Autor dieses Werkes, Michael Bernhard Valentini, beschäftigte sich vor allem mit der Medizin. Auch sein Viridarium reformatum steht in der Tradition der Kräuterbücher, die seit der Antike Heilkräuter beschreiben, abbilden und ihre Wirkung erklären. Die Illustrationen dieser Bücher sollten vor allem ein Wiedererkennen der Pflanze er-möglichen, orientierten sich jedoch häufiger an älteren Abbildungen als an der Natur. Das gilt ebenfalls für das Werk Valentinis, welches mit einer heterogenen Mischung von Kupferstichen unterschiedlicher Herkunft illustriert ist. Ein Teil der Stiche war sogar für ein Buch mit gänzlich anderer Funktion geschaffen worden.Ein Beispiel dafür ist die Abbildung der Färberpflanze Waid. Sie stammt von Matthaeus Merian d. Ä. (1593-1650), der durch seine Stadtansichten zu Berühmtheit gelangte. Auch hier widmete der Künstler den Landschaften und Gebäuden im Hintergrund mehr Aufmerksamkeit als den Pflanzen. Die Kupferstiche erschienen erst-mals 1629 in dem Band Der Fruchtbringenden Gesellschaft Vorhaben, Nahmen, Gemaehlde Und Woerter. Jede der Pflanzen repräsentierte auf emblematische Weise ein Mitglied dieser Gesellschaft. Die Textbänder gaben einen Namen und ein Motto wieder, welches die Eigenschaften der Person mit denen des ihr zugeordneten Gewächses verband. Die Uminterpretation der Abbildungen für das Viridarium belegt einen pragmatischen Umgang mit Bildern, aus dem eine hohen Zahl an Illustrationen folgt. Das Viridarium zählt abgesehen von den 223 mo-difizierten emblematischen Stichen 384 Abbildungen.

In diesem Werk beschäftigt sich der französische Autor Duhamel Du-Monceau mit dem Aufbau und dem Stoffwechsel von Pflanzen. Zu diesem Zweck sezierte er Pflanzenteile auf anatomische Weise und vergrößerte sie mit Hilfe eines Mikroskops. Darüber hinaus folgte er der Methodik des Wissenschaftlers Stephen Hales, der bereits 1727 in seinem Buch Vegetable staticks versucht hatte, Stoffwechselprozessen mit Messungen auf den Grund zu gehen und die exakt quantifizieren-de Vorgehensweise der Physik auf die Botanik zu übertragen.Auf der abgebildeten Falttafel wird sein empirisches Vorgehen deut-lich. So misst Duhamel die Sogkraft von Wurzeln oder Ästen, letztere mit und ohne Blättern, an der Pflanze oder von dieser getrennt. Zu diesem Zweck verbindet der Wissenschaftler eine frische Schnittfläche an dem Gewächs über einen Schlauch mit einem Gefäß, in dem sich eine abgemessene Menge Wasser befindet. Auf diese Weise kann er beobachten, wieviel Flüssigkeit die Pflanze in einem bestimmten Zeit-raum aufnimmt. So stellten Hales und Duhamel fest, dass ein Ast mit Blättern (Figur 22) deutlich mehr Wasser verbraucht als ein entlaubter Ast (Figur 24).

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72. experImente zum flüssIgkeItshaushalt Der pflanzen

Kupferstich, 18 x 23,6 cm Henri Louis Duhamel DuMonceau (1700-1782): La Physique des Arbres où il est Traité de l’Anatomie des Plantes et de l’Économie Végétale. Paris (Guerin & Delatour) 1758, 4°; Bd. 2, Buch 5, Taf. 3

Lit.: Nordenskiöld 1926, S. 255; Nissen 1966, Nr. 542; Morton 1981, S. 248

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73. aufbau Des sonnenmIkroskops

Kupferstich, 22,5 x 15,6 cm

74. herbstzeItlose

Kupferstich, 19,7 x 15,8 cm Wilhelm Friedrich Freiherr von Gleichen, gen. Rußworm (1717-1783): Auserlesene mikroskopische Entdeckungen bey den Pflanzen, Blumen und Blüthen, Insekten und andern Merkwürdigkeiten. Nürnberg (Raspe) 1777-1781, 4°; Bd. 1, Taf. 1; Bd. 2, Taf. 20 Zeichner: Wilhelm Friedrich von Gleichen; Stecher: Adam Wolfgang Winterschmidt

Lit.: Nissen 1950, S. 48; Nissen 1966, Nr. 720; Lehmann-Haupt 1973, S. 485; Nickelsen 2000, S. 245-248

Der adelige Gelehrte Gleichen formuliert für sein Werk einen anderen Anspruch als der von ihm als „Justizrath“ angesprochene Ledermül-ler mit seinen Gemüths= und Augen=Ergötzungen (vgl. Kat.Nr. 66). Gleichen wendet sich explizit gegen die bloße Schaulust und versteht mikroskopische Beobachtungen als Teil seiner Theorie über die Be-fruchtung von Lebewesen. Seine Anmerkungen zu mikroskopischen Vorführungen deuten allerdings an, dass auch er vor allem als „Salon-mikroskopiker“ (Nissen 1950, S. 48) von Bedeutung war, indem er sich um die Popularisierung der neuen Sehweisen bemühte.Die illuminierten Kupferstiche seines Werkes geben sorgfältig und akkurat beobachtete Pflanzenteile und Mikroorganismen wieder, die Gleichen im Textteil kurz erläutert. Charakteristisch ist seine Behand-lung der Herbstzeitlose. Neben einer Tafel mit den Zwiebeln widmet der Autor auch der Blüte eine Abbildung. Gleichen zeichnet dabei die Blütenorgane, die Narbe und die Staubblätter in unterschiedlich starker Vergrößerung und fügt eine mikroskopische Ansicht der Pollen hinzu. Letztere ist rund gestaltet wie das Blickfeld des Mikroskops, um die starke Vergrößerung anzuzeigen. Der dunkle Bereich gibt die Ansicht der Pollen in Luft wieder, bei der hellen Fläche schwimmen sie in Wasser.Dem Werk über mikroskopische Entdeckungen ist eine kurze Ab-handlung über das Sonnen- und das Universalmikroskop angehängt. Hier erläutert Gleichen in Text und Bild den Aufbau und die Bedie-nung verschiedener Mikroskoptypen. Das dargestellte Sonnenmikros-kop unterscheidet sich von den heute üblichen Geräten dadurch, dass Sonnenlicht durch einen Spiegel H oberhalb des Objektes gesammelt wurde, das Bild hingegen unter dem Gerät entstand. Die Lichtstrahlen wurden durch den Kondensor F gebündelt und auf den zu betrach-tenden Gegenstand geleitet, der auf der Nadel i fixiert worden war. Das vergrößerte Bild des Untersuchungsgegenstandes entstand auf dem Boden der Camera obscura A, eines lichtdichten Kastens, der in diesem Fall eine Pyramidenform besitzt. Dort konnte das Bild durch eine Klappe betrachtet oder abgezeichnet werden. Der Vorteil dieses Mikroskoptyps bestand in seiner Variabilität. Wurden die Elemente anders zusammengeschraubt, konnte man die Vergrößerung an die Wand eines verdunkelten Zimmers projizieren. Dieses Verfahren war besonders für Vorführungen geeignet und dürfte die Popularität von mikroskopischen Bildern und deren Bekanntheit erheblich gesteigert haben.

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75. rInDerskelett

Kupferstich, 21,4 x 16,5 cm; Bez. unten links: DeSeve delin.; unten rechts C.Baquoy sculp.

76. rInD

Kupferstich, 21,1 x 16,6 cm; Bez. unten links: D.S. del.; unten rechts: Moitte sculp. Georg Louis Leclerc Comte de Buffon (1707-1788) und Louis Daubenton (1716-1800): Histoire Naturelle, Générale et Particulière, avec la Description du Cabinet du Roi. Paris (Imprimerie Royale) 1753, 4°; Taf. 14 u. 23 Zeichner: Jacques de Sève; Stecher: Moitte, C. Baquoy

Lit.: Nordenskiöld 1926, S. 220-231

Die 15 voluminöse Bände umfassende Naturgeschichte von Buffon erfreute sich zu seiner Zeit überaus großer Beliebtheit. Gleichzeitig er-fuhr das ab 1749 erschienene Werk aber auch harte Kritik, insbesonde-re von systematischen Naturwissenschaftlern und Theologen. Ursache für diese Schwierigkeiten waren die pointierten Theorien Buffons. Der Autor erkannte in der Natur nicht das Wirken Gottes sondern mecha-nische Gesetzmäßigkeiten und lehnte die klassifikatorische Aufgliede-rung der Lebewesen nach Linné als eine willkürliche Zerstörung der natürlichen Einheit ab. Auch in seinem Stil war Buffon ein Antipode des Botanikers Linné. Im Gegensatz zu dessen Bemühungen um eine exakte Terminologie kultivierte Buffon eine Schreibform mit literari-schem Anspruch.Die beiden Kupferstiche entstammen dem 1753 erschienenen vierten Band der Naturgeschichte, welcher sich mit vierfüßigen Haustieren beschäftigt. Es handelt sich um die Ansicht eines Rindes und dessen Skelett. Mit der Darstellung des Skeletts auf einem architektonischen Sockel folgt Buffon noch der barocken Tradition, naturwissenschaftli-che Abbildungen mit schmückendem Beiwerk zu versehen. Auch das lebende Rind ist nicht isoliert, sondern in einer Landschaft dargestellt. Diese verweist als landwirtschaftliche Umgebung auf die Lebensum-welt und Nutzung des Zuchttieres.

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77. ceDro D’ollanDa

Kupferstich, 31,2 x 19,7 cm; Bez. rechts unten: Krieg. fe. Johann Christoph Volkamer (1644-1720): Continuation der Nürnbergischen Hesperidum. Nürnberg (Johann Christoph Volkamer und Endter) 1714, 2°; fol. 38r Zeichner: Paul Decker d. J. (?); Stecher: J. G. Beckh, I. C. Dehne, Delsenbach, F. P. Lindner, Jos. à Montalegre

Lit.: Mann 1964, S. 14; Nissen 1966, S. 162-164, Nr. 2078

Wie schon im Vorgänger dieses Werkes, den Nürnbergischen Hesperides konzentriert sich der Nürnberger Patrizier Volkamer auch in der Con-tinuation auf die Sphäre des Gartenwesens von Adel und gehobenem Stadtbürgertum. Thema des Buches sind Zitrusfrüchte, die der Autor mit deutschen und oberitalienischen Schlossveduten und Landschaf-ten kombiniert. Die Abbildungen werden von Texten begleitet, in denen Volkamer hauptsächlich über die Namensgebung der Pflanzen, ihre Kultivierung und ihren Geschmack referiert.Das Werk ist auf die barocke Lust an überraschenden und über-wältigenden optischen Eindrücken ausgerichtet, wie eine Tafel mit einer holländischen Zitrusfrucht belegen kann. Die monumentalen Früchte sprengen den Rahmen des Kupferstiches und sind mit kräftig gekräuselten Blättern und einer plastischen Oberfläche ausgezeichnet. Sie scheinen bedrohlich über winzigen, akkurat gezeichneten Land-schaften und Bauwerken zu schweben, die im unteren Bildabschnitt dargestellt sind. In diesem Fall handelt es sich um das Schloss und den Garten eines Adeligen in der Nähe von Verona.

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78. tal beI verona

Kupferstich, 44,1 x 26,2 cm; Bez. unten links: Leonardus Manzati del.; unten rechts: J. ab Aqua Sc. Ittiolitologia Veronese del Museo Bozziano ora annesso a quello del Conte Giovambattista Gazola e di altri Gabinetti di Fossili Veronesi con la Versione Latina. Verona (Giuliari) 1796, 2°; Bd. 2, Taf. 2 Zeichner: Leonardus Manzati, J. Buffetti; Stecher: Joseph ab Aqua, G. Lancon

Dieses monumentale Werk wurde von der Gesellschaft Veroneser Naturforscher herausgegeben und stellt versteinerte Fische in Kupfer-stichtafeln von außergewöhnlicher Größe vor. Die Abbildungen sind nicht illuminiert, sondern durch dichte Schraffuren gestaltet. Die an-onymen Autoren erläutern die Darstellungen im Text und versuchen, die Stücke in eine Systematik einzuordnen.Dem Tafelband ist ein Kupferstich vorangestellt, welcher dem Leser die Fundorte zeigt, um diese vor Ort finden zu können. Die Gegend ist gleich zwei Mal wiedergegeben. Die untere Darstellung folgt den Konventionen einer Landschaftsdarstellung des 18. Jahrhunderts. Mit einem auffälligen Baum im Vordergrund wird die Tiefenwirkung der Darstellung gesteigert. Demgegenüber wirkt die obere Abbildung stark reduziert. Hier wurde die Landschaft um die botanische Schicht ent-kleidet, nur das topographische Gerippe liegt dem Betrachter in kargen Konturen vor Augen. Landschaft wurde offenbar als eine Überlage-rung verschiedener Strukturen verstanden, die sich von einander tren-nen ließen. Durch die Entfernung der Pflanzen kann die geologische Beschaffenheit der Landschaft durch die Darstellung von Felsformati-onen genauer charakterisiert werden. Dieses Interesse an der Geologie findet sich auch bei einigen Landschaftsgraphikern, beispielsweise Wilhelm Friedrich Gmelin und Christoph Nathe (vgl. Kat.Nr. 59).

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almeloveen, Jan van (um 1652-nach 1683)Maler, Graphiker und Zeichner

Almeloveen wurde als Sohn des Pfarrers Johannes van Almelo-veen in Mydrecht geboren. Vermutlich starb er 1683 in Utrecht, wo er seit 1678 arbeitete. 1680 unternahm er eine Reise nach Deutschland. Bekannt war A. vorwiegend als Stecher, der für verschiedene Verleger arbeitete. Nahezu alle 38 Radierungen Almeloveens sind Landschaften. Mehr als die Hälfte entstand nach Zeichnungen Herman Saftlevens, der ab 1678 großen Einfluss auf sein Schaffen ausübte. Kat.Nr.: 1-6

DIetrIch gen. DIetrIcy, chrIstIan wIlhelm ernst (1712-1774)Maler und Radierer

Geboren am 30.10.1712 in Weimar als Sohn des Malers und Radierers Johann Georg Dietrich. Die erste Ausbildung erhielt Dietrich durch den Vater, 1725 nahm er ein Studium bei dem Dresdner Tier- und Landschaftsmaler Alexander Thiele auf. Ab 1732 signierte er seine Werke mit Dietricy. Von 1743-1744 un-ternahm er eine Italienreise. Ab 1763 bis zu seinem Tode 1774 lehrte er als Professor für Landschaftsmalerei in Dresden.D. galt zu Lebzeiten international als einer der größten deut-schen Künstler. Sein Ruf gründete vor allem auf seiner Fähig-keit, den Stil als vorbildlich geltender Künstler wie Rembrandt, Waterloo, Everdingen, Rosa oder Poussin nachzuahmen.Kat.Nr. 23-24

eIsenmann, georg (anfang 18. JahrhunDert)Maler und Radierer

Zum Leben und Werk Eisenmanns liegen kaum Informationen vor. Weder kennt man seine Lebensdaten noch -stationen und selbst sein künstlerisches Werk ist weitgehend unbekannt. E. war Anfang des 18. Jahrhunderts in Nürnberg tätig und schuf während dieser Zeit Graphiken, wie eine Serie von Jahreszei-ten, wenige Landschaften und Darstellungen der Belagerung der Festungen zu Amberg, Neumark und Rothenberg. Kat.Nr. 63-64

everDIngen, allaert van (1621-1675)Maler, Radierer, Zeichner und Kunsthändler

Everdingen war der Sohn des aus Utrecht stammenden Notars Pieter Cornelisz. van Everdingen. Laut Houbraken war er Schüler von Roelant Savery und Pieter de Molijn. 1644 unter-nahm der junge E. eine für sein weiteres Schaffen bedeutsame Reise nach Norwegen und Schweden. 1646 wurde er Mitglied in der Haarlemer St. Lucasgilde. 1652 zog er nach Amsterdam. Jacob van Ruisdael wurde von E.s naturalistischen Marinege-mälden, die er seit 1640 malte, erkennbar beeinflusst. E. gilt in der Zeit von 1750-1850 als Vorbild für eine Reihe deutscher Künstler.Kat.Nr.: 7-9

gessner, salomon (1730-1788)Dichter, Zeichner, Radierer und Maler

Gessner wurde in Zürich als Sohn des angesehenen Buch-händlers Konrad Gessner geboren. Seine 1749 beim Berliner Buchhändler Spener begonnene Buchhändlerlehre brach er bald gegen den Willen seiner Eltern ab und versuchte, seinen Lebensunterhalt als Landschaftsmaler zu verdienen. 1750 kehrte er nach Zürich zurück und übernahm die Druckerei des Vaters. Zunächst widmete er sich intensiv der Dichtkunst, ab den 1755er Jahren auch der bildenden Kunst. Ein Großteil seines graphischen Werkes besteht aus Titelblättern und Textvi-gnetten. Er starb am 2.3. 1788 in Zürich. Als Maler und Dichter der Idylle besaß G. im 18. Jahrhundert europäischen Rang.Kat.Nr.: 36-40

gmelIn, wIlhelm frIeDrIch (1737-1820)Kupferstecher und Radierer

Gmelin wurde 1737 in Badenweiler i.Br. geboren. Von 1776-1786 absolvierte er eine Lehre als Kupferstecher in Basel in der Werkstatt Christian von Mechelns. Dort war u.a. an der Edition der Werke Holbeins d. J. beteiligt. 1786 zog er nach Rom. Von dort aus unternahm er mit Josef Anton Koch eine Reise nach Neapel, um dort Stiche nach Kochs Gemälden anzufertigen. In Rom wurde er als Stecher von Ansichten Roms und der Umge-bung bekannt und geschätzt. 1814 wurde er als Mitglied in die Akademie San Luca aufgenommen. 1820 verstarb G. in Rom. Kat.Nr. 59-62

hackert, Jakob phIlIpp (1737-1807)Landschaftsmaler und -radierer

Hackert wurde am 15.9.1737 als Sohn des Portraitmalers Phi-lipp Hackert in Prenzlau geboren. Nach dem Anfangsunter-richt bei seinem Vater besuchte Hackert die Berliner Akademie. Er unternahm Reisen nach Schweden und in die Normandie. In Rom, wo H. ab Ende 1768 lebte, entstanden die Idealland-schaften, mit denen sich H. vom Einfluss der Niederländer löste. 1777 reiste er nach Sizilien; ab 1786 war er Hofmaler Ferdinands IV. in Neapel. 1787 schloss H. Bekanntschaft mit Goethe, der 1811 die erste Biographie über ihn herausgab. 1799 musste H. vor den französischen Revolutionstruppen nach Flo-renz fliehen, wo er am 28.4.1807 verstarb. Zu Lebzeiten als Er-neuerer des Landschaftsbildes vom Publikum gefeiert und von Theoretikern wie J. G. Sulzer geschätzt, geriet H. nach seinem Tod rasch in Vergessenheit.Kat.Nr. 25

hageDorn, chrIstIan luDwIg von (1712-1780)Diplomat, Kunstschriftsteller, Sammler, Liebhaberradierer, Akade-mie- und Galeriedirektor

Nach einer Diplomatenlaufbahn, die den am 14.2.1712 in Dresden geborenen Hagedorn in verschiedene deutsche Resi-denzstädte führte, am 24. 12. 1763 Ernennung zum Generaldi-rektor der Künste, Kunstakademien und Kunstsammlungen in

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Dresden. Seine eigene Kunstsammlung beschreibt H. in seinem 1755 publizierten Lettre à un Amateur de la Peinture, avec des Ec-lairissements historiques sur un Cabinet, et les auteurs des tableaux qui le composent. 1762 Veröffentlichung der Betrachtungen über die Mahlerey, die H. im Gelehrtenkreis große Anerkennung ein-bringen. Zahlreiche Zeitschriftenbeiträge zu Fragen der Kunst-kritik und -theorie. Bekanntschaft und Briefwechsel mit u.a. S. Gessner, J. J. Winckelmann, J. G. Sulzer, Fr. Nicolai und J. G. Wille. H. betätigte sich auch als Zeichner und Radierer von Landschaften und Köpfen, dabei stilistisch von den Arbeiten der Niederländer beeinflusst. In den Jahren 1743 bis 1745 und zwischen 1764 und 1766 entstanden die Radierfolgen Versuche und Neue Versuche, letztere 1774 veröffentlicht. H. verstarb am 25.1.1780 in Dresden.Kat.Nr. 20-22

klengel, Johann chrIstIan (1751-1824)Landschafts- und Tiermaler, Zeichner und Radierer.

Klengel wurde am 5.4.1751 als Sohn eines Landwirts in Kes-selsdorf bei Dresden geboren. Ausbildung zum Landschafts-maler und -zeichner bei Chr. W. E. Dietrich, gen. Dietricy 1768-1774. 1771 erste Veröffentlichung einer Radierfolge von 33 Blättern mit überwiegend landschaftlichen Motiven in hollan-disierender Manier. Trat im Herbst 1790 eine zweijährige Stu-dienreise nach Italien an, wo er sich überwiegend in der Um-gebung Roms aufhielt. Auf Empfehlung Chr. L. v. Hagedorns am 1. 3. 1800 Ernennung zum außerordentlichen Professor für Landschaftsmalerei an der Dresdner Akademie. 1802 Veröffent-lichung seiner Lehrschrift über Landschaftszeichnung, Principe de Dessein pour les Paysages. Verstarb nach langjähriger Krank-heit am 19. 12. 1824 in Dresden.Zunächst stark von den Werken der Niederländer angeregt, fand K. in seinen späteren Werken zu einer eigenen Hand-schrift. Sein druckgraphisches Werk umfasst mehr als 400 Ar-beiten. Mit seinen gemalten Nachtstücken sowie den Studien von Sonnenaufgängen und Lichteffekten gilt K. als Vorläufer und Anreger von C. D. Friedrich und C. G. Carus.Kat.Nr. 28-29

kolbe, carl wIlhelm D.ä. (1759-1835)Radierer

Kolbe, der Sohn eines Tapetenmachers, wurde am 9. November 1759 in Berlin getauft. Zunächst war er in Dessau und Berlin als Lehrer und Sekretär tätig, bis er auf Anraten seines Ver-wandten Daniel Chodowiecki 1790 ein Kunststudium in der Gipsklasse von Carstens an der Akademie in Berlin aufnahm. 1796 kehrte er nach Dessau zurück und veröffentlichte seine erste Graphikfolge. Bis 1828 lebte K. als Hauptschullehrer in Dessau. Er verstarb am 10 Januar 1835. Vorbilder des Radie-rers und Zeichners waren der Niederländer Waterloo und der Schweizer Idylliker Gessner. Kat.Nr.: 41-47

nathe, chrIstoph (1753-1806)Landschaftszeichner, -maler, -radierer und -aquarellist.

1753 in Nieder-Bielau geboren, begann Nathe Mitte der 1770er Jahre zunächst ein Jurastudium in Leipzig, parallel dazu nahm er Zeichenunterricht an der Akademie von Fr. A. Oeser, nach Abbruch des Jurastudiums Unterricht bei J. Chr. Klengel in Dresden. August 1783-Ende 1784 Reise in die Schweiz. Ab März 1787 Zeichenlehrer am Gymnasium zu Görlitz. Zahlrei-che Reisen zwecks Naturstudien u.a. ins Riesengebirge, nach Thüringen und Böhmen. Studien im Auftrag seines adligen Gönners Freiherr von Gersdorf und für die Oberlausitzer Ge-sellschaft der Wissenschaften, deren Mitglied er 1798 wurde. N. zog 1803 nach Lauban, nachdem er 1799 seine Anstellung gekündigt hatte.Kat.Nr. 30-35

reInhart, Johann chrIstIan (1761-1847)Maler und Radierer

1761 in Hof/Bayern geboren, begann Reinhart zunächst 1778 das Studium der Theologie in Leipzig. Schon 1779 wechselte er zur Kunstakademie in Leipzig über, wo er bei Fr. A. Oeser Un-terricht erhielt. 1783/84 war er Privatschüler J. Chr. Klengels in Dresden. Nach Reisen durch Sachsen und Böhmen hielt er sich von 1786-89 in Meiningen am Hof des Herzogs Georg Friedrich Karl von Sachsen-Meinigen auf. 1789 reiste er nach Rom. Dort fertigte er mehrere Ölgemälde an, favorisierte jedoch stets die Radierung. R. pflegte eine enge Beziehung zu Schiller, mit dem er in regem Briefkontakt stand, und zu Ludwig Fernow, mit welchem er sich für mehrere Jahre eine Wohnung teilte. 1810 wurde R. als Mitglied der Akademie in Berlin aufgenommen, 1813 der Akademie in San Luca und 1839 als Ehrenmitglied in München. Er starb 1847 in Rom. Kat.Nr. 48-58

ruIsDael, Jacob Isaacksz. van (1628/29-1682)Maler und Radierer

Ruisdael wurde als einziger Sohn von Isaack Jacobsz. van Ruisdael, einem Rahmenhändler, Kunsthändler und Maler, geboren. Vermutlich ging R. bei seinem Vater in die Lehre, ob-wohl in seinen frühen Arbeiten ein Einfluss der Landschaften Cornelis Vrooms zu erkennen ist. 1648 wurde er Mitglied der Haarlemer St. Lucasgilde. Laut Houbraken unternahm R. mit seinem Freund, dem Landschaftsmaler Nicolaes Berchem, u.a. eine Deutschlandreise. Spätestens seit 1657 wohnte er in Amsterdam.Unbekannt ist, wer ihm die Technik des Radierens vermittelte, wahrscheinlich eignete er sich die Kenntnisse autodidaktisch an. Am 14. März 1682 wurde R. in der Haarlemer St. Bavokerk bestattet. Der Landschaftsmaler und Radierer gilt als der wohl wichtigste holländische Landschaftsmaler der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.Kat.Nr.: 10-11

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schütz, chrIstIan georg D.ä. (1718 - 1791)Landschafts- und Genremaler und -zeichner.

1718 in Flörsheim a.M. geboren. Nach Beendigung einer 1731 begonnenen Lehre als Fassaden- und Dekorationsmaler bei Hugo Schlegel Arbeiten an verschiedenen Höfen Deutsch-lands. Um 1740/1743 ließ Schütz sich in Frankfurt am Main nieder. 1750 Reise an den Mittelrhein bis Koblenz, wo er Studi-en für seine im Atelier ausgearbeiteten idealen Flusslandschaf-ten anfertigte. Sch. erlangte beim bürgerlichen wie beim adligen Publikum schnellen Ruhm durch seine Landschaftsbilder, die im Stil von Herman Saftleven (1609-1685) und Jan Griffier d. Ä. (1652-1718) gearbeitet sind. Er unterhielt einen Werkstattbetrieb, in dem er auch seine eigenen künstlerisch talentierten Kinder an-stellte und sie in der Arbeit im niederländischen Stil unterwies, um der großen Nachfrage nach seinen Bildern beizukommen. Nach dem Tod des Künstlers führte sein Sohn Johann Georg die Werkstatt weiter.Kat.Nr. 26-27

swanevelt, herman van (um 1600-1655)Maler, Zeichner und Radierer

Swanevelt wurde in Woerden unweit von Utrecht geboren. 1623 verließ er die Niederlande und ging nach Paris. Nur ein Jahr später lebte er in Rom, wo er sich in der Zeit von 1627-1628 eine Wohnung mit Claude Lorrain geteilt haben soll. Swanevelt war der jüngste der ersten Generation holländischer Landschafts-maler, die im 17. Jahrhundert nach Rom gegangen sind. 1641 kehrte S. mit einem Umweg über Florenz nach Paris zurück, wo er, unterbrochen von wenigen Aufenthalten in seiner Ge-burtsstadt, bis zu seinem Tod tätig war. 1653 wurde er zum Mitglied der königlichen Akademie ernannt.Lange galt S. nur als kopierender Schüler von Claude Lorrain. Erst spät sprach ihm die Forschung künstlerische Eigenstän-digkeit zu und dachte über die Möglichkeit einer umgekehrten Beeinflussung nach.S. war, was sein druckgraphisches Werk angeht, überaus pro-duktiv. Nicht weniger als 118 Arbeiten werden ihm zugeschrie-ben.Kat.Nr.: 12-15

waterloo, antonIe (1609-1690)Maler, Radierer und Kunsthändler

Waterloo wurde 1609 in Lille getauft. Gestorben ist er 1690 im Hiobs-Hospital in Utrecht. Über seine künstlerische Ausbildung ist nichts bekannt. Hou-braken berichtet in De Groote Schouwburgh (1718-1721), dass W. sich seine Kenntnisse und Fähigkeiten autodidaktisch an-geeignet habe.Ab 1630 wohnte W. in Amsterdam. 1640 hielt er sich für seine Hochzeit mit der Gemäldehändlerin Catharyna Stevens van der Dorp in Zevenbergen auf. 1653 bekam er die Bürgerrechte in Leeuwarden, das darauffolgende Jahr war er wiederum in Amsterdam angesiedelt und erst zwanzig Jahre später zog er nach Utrecht, wo er schließlich verstarb. Seine Reisen führten ihn bis nach Polen; in Italien ist er nie gewesen. W. gehörte zu den produktivsten holländischen Landschaftsgraphikern des 17. Jahrhundert; sein malerisches Werk hingegen ist sehr begrenzt.Kat.Nr.: 16-19

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Page 178: "... es ist die Wahl des Schönsten"

“...es ist die Wahl des Schönsten“

Naturdarstellungen in der Druckgraphik des 18. Jahrhundertsaus Marburger Universitätssammlungen

Marburger Universitätsmuseumfür Kunst und Kulturgeschichte

14. März bis 2. Mai 2004

Kreis- und Universitätsmuseum HelmstedtDezember 2004 bis Januar 2005