zweck und aussichten der operativen spanversteifung in der behandlung der knochen- und...

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Beltr/~ge zur Klinik der Tuberkulose, Bd. 105, S. 243--248 (1951). Aus der Abteilung fiir Knochen- und Gelenktuberkulose (Leitender Facharzt: Dr. W. LEGAL) des Tuberkulosekrankenh~uses Kutzenberg (Chefarzt: Dr. H. Ho~MA~). Zweck und Aussichten der operativen Spanversteifung in der Behandlung der Knochen- und Gelenktuberkulose. Von WILtIEI,M LEGAL. (Eingegangen am 17. November 1950.) Weml man sich mib der operativen Spanversteifung in der Bchandlung der Knochen- und Gelenktuberkulose befaBt, mu~ man sich zun~chst e~nmal dariiber klar werden: Was bezwecken wir, und was l~Snnen wir erreichen ?. Wir mfissen vor ahem die Grenzen des Erreichbaren einzuschs wissen, u;ad wir mfissen dementsprechend unsere Indikationsstellung vornehmen. Bei der Knochen- und Gelenktuberkulose liegt ja eine besondere, vielleicht die grSi3te therapeutische Schwierigkeit in der langen Krankheits- und Be- handlungsdauer. Das Wesen der orthop~dischen Behandlung beruht auf den Begriffen der Ruhigstellung und Entlastung. Ohne diese Mafnahmen ist die Ausheilung des 5rtliehen tuberkulSsen Knochen-Gelenkprozesses nicht mSglich. Auf konservativem Wege erreichen wit d~ese Ers der ]~uhigsteltung und Entlastung -- mitunter allerdings nur in einem AusmaS, das hinter unseren Wfinschen zuriickb!eibt -- z.B. dutch Gipsverbiinde, Gipsbetten und horizontale Bettruhe. Daft wir diese Ma~nahmen meist jahrelang anwenden miissen, um den tuberkulSsen Knochen-Gelenkprozef zur ausreiehenden Vernarbung oder Heilung kommen zu lassen, ist eine bekannte Tatsaehe. Und wir kennen auch die uner- frenlichen Folgen zur Geniige, wenn die unbedingten Erfordernisse des ,,Lange genug" nieht erffil]t werden. Jahrelanges Hinziehen des floriden Stadiums mit nicht wieder gut zu machenden Dauersehi~den fiir Leben und Funktion, Rfick- fiille, bei denen man wieder yon vorn anfangen muB, zahlreiche kurzfristige, immerhin jeweils auch Wochen und Monate dauernde klinische Behandlungen, die nutzlos, aber -- zusammengerechnet -- viel kostsi~ieliger sind als ein erfolg- Versprechendes Hei]verfahrcn, erfoigversprechend insofern, wenn es nut lange genug und konsequent durehgeffihrt ~vird, unnStig lange Arbeitsun/'ahigkeit und Invalidit~t, unnStig lange Stiirungen der Sehul- und Berufsausbildung, kurz unn6tig lange, schwerste soziale Sehiiden fiber Jahre hinaus, das sind die Kennzeichen einer unzureiehenden Behandlung, ganz abgesehen yon den see]ischen Sch~den, die ein solches ,,ewiges Kranksein" fiir den Patienten und seine Um. gebung mit sich bringt. Und all das ist g!ficklicherweise in der Mehrzah! der F~ile nieht n6tig! Richtige Behandlung heift vor allem ,,lange genug" ! Die 5ffentlichen Versicherungstr~ger sollten diese Tatsache nicht vergessen oder zur Kenntnis nehmen! Es lohnt sich auch fiir sie! Es ergibt sich nun yon selbst, daft es unser ~irztliches Bestreben sein muff, die Behandlungszeit m6glichst abzukfirzen -- ohne Schaden fiir den Kranken- und ein mSg]ichst sicberes Behandlungsergebnis zu erzielen.

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Page 1: Zweck und Aussichten der operativen Spanversteifung in der Behandlung der Knochen- und Gelenktuberkulose

Beltr/~ge zur Klinik der Tuberkulose, Bd. 105, S. 243--248 (1951).

Aus der Abteilung fiir Knochen- und Gelenktuberkulose (Leitender Facharzt: Dr. W. LEGAL) des Tuberkulosekrankenh~uses Kutzenberg (Chefarzt: Dr. H. Ho~MA~).

Zweck und Aussichten der operativen Spanversteifung in der Behandlung der Knochen- und Gelenktuberkulose.

Von WILtIEI,M LEGAL.

(Eingegangen am 17. November 1950.)

Weml man sich mib der operativen Spanversteifung in der Bchandlung der Knochen- und Gelenktuberkulose befaBt, mu~ man sich zun~chst e~nmal dariiber klar werden: Was bezwecken wir, und was l~Snnen wir erreichen ?. Wir mfissen vor ahem die Grenzen des Erreichbaren einzuschs wissen, u;ad wir mfissen dementsprechend unsere Indikationsstellung vornehmen.

Bei der Knochen- und Gelenktuberkulose liegt ja eine besondere, vielleicht die grSi3te therapeutische Schwierigkeit in der langen Krankheits- und Be- handlungsdauer. Das Wesen der orthop~dischen Behandlung beruht auf den Begriffen der Ruhigstellung und Entlastung. Ohne diese Mafnahmen ist die Ausheilung des 5rtliehen tuberkulSsen Knochen-Gelenkprozesses nicht mSglich. Auf konservativem Wege erreichen wit d~ese Ers der ]~uhigsteltung und Entlastung - - mitunter allerdings nur in einem AusmaS, das hinter unseren Wfinschen zuriickb!eibt - - z.B. dutch Gipsverbiinde, Gipsbetten und horizontale Bettruhe. Daft wir diese Ma~nahmen meist jahrelang anwenden miissen, um den tuberkulSsen Knochen-Gelenkprozef zur ausreiehenden Vernarbung oder Heilung kommen zu lassen, ist eine bekannte Tatsaehe. Und wir kennen auch die uner- frenlichen Folgen zur Geniige, wenn die unbedingten Erfordernisse des ,,Lange genug" nieht erffil]t werden. Jahrelanges Hinziehen des floriden Stadiums mit nicht wieder gut zu machenden Dauersehi~den fiir Leben und Funktion, Rfick- fiille, bei denen man wieder yon vorn anfangen muB, zahlreiche kurzfristige, immerhin jeweils auch Wochen und Monate dauernde klinische Behandlungen, die nutzlos, aber - - zusammengerechnet - - viel kostsi~ieliger sind als ein erfolg- Versprechendes Hei]verfahrcn, erfoigversprechend insofern, wenn es nut lange genug und konsequent durehgeffihrt ~vird, unnStig lange Arbeitsun/'ahigkeit und Invalidit~t, unnStig lange Stiirungen der Sehul- und Berufsausbildung, kurz unn6tig lange, schwerste soziale Sehiiden fiber Jahre hinaus, das sind die Kennzeichen einer unzureiehenden Behandlung, ganz abgesehen yon den see]ischen Sch~den, die ein solches ,,ewiges Kranksein" fiir den Patienten und seine Um. gebung mit sich bringt. Und all das ist g!ficklicherweise in der Mehrzah! der F~ile nieht n6tig! Richtige Behandlung he i f t vor allem ,,lange genug" ! Die 5ffentlichen Versicherungstr~ger sollten diese Tatsache nicht vergessen oder zur Kenntnis nehmen! Es lohnt sich auch fiir sie!

Es ergibt sich nun yon selbst, daft es unser ~irztliches Bestreben sein muff, die Behandlungszeit m6glichst abzukfirzen - - ohne Schaden fiir den K r a n k e n - und ein mSg]ichst sicberes Behandlungsergebnis zu erzielen.

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244 WILHELM LEGAL:

Die operative Spanversteifung bringt uns diesen Bestrebungen ohne Zweifel n~her. Das, was wir mit ihr bezwecken, kSrmen wir glficklicherweise auch er- reiehen. ~u wir night mit der Spanversteifung bezweeken und erreichen wollen, well es unmSglich ist, ist die radikale und schnelle Ausheilung des 6rtlichen Tuberkuloseprozesses, wie wir es etwa mit einer Kniegelenksresektion erreichert kSnnen; aber wir schaffen fiir das ganze gegenw~irtige und zukfinftige Krankheits- geschehen der Knochen- und Gelenktuberkulose die giinstigsten Heilungsvoraus- setzungen.

Die bezweckten und erreichbaren Vorteile der operativen Spanvers~eifung mind dureh folgencle Gesichtspunkte gekennzeiehnet:

1. Wit k6nnen die strenge Liegezeit und Fixationsbehandlung in Gipsver- bdnden abk~rzen.

Ist der eingepflanzte Knochenspan erst einmal" eingeheilt und konso]idiert, so haben wir dadurch ohne Zweifel eine exaktere Ruhigstellung und Entlastung am Erkrankungsbezirk ~erreicht, als wit es jemals dutch fixierende Verb~nde erreichen k6nnen. Der Erkrankungsherd ist knSehern iiberbriickt und jegliche Bewegungs- und BelastungsmSglichkeit ist aufgeboben. Der konsoIidierte Span isb die sicherste und dauerhafteste Erfiillung der Forderung nach Ruhigsgellung und Entlastung. Er verhindert jegliche schadenstiftende Unterbrechung der exakten Fixation, wie sie bei der Gipsbehandlung, z. B. durch Gipsbruch, beim Gipswechsel, bei der Pflege yon Spondylitiskranken, die im Gipsbett liegen, tells vorkommen kSnnen, teils nie ganz vermeidbar sind. Wir wfirden uns ja selbst Liigen strafen im Hinbliek auf die Prinzipien der Ruhigstellung und Entlastung, wenn wir deren Vernachli~ssigung nieht als sch~dlich und krankheits- verl~ngernd, deren exakte Befolgung night als niitzlich und krankheitsverkiirzend ansehen wollten. Die vollendete knScherne Ankylose den tuberkulSsen Gelenkes aber stellt die sicherste ErfiiUung der Forderung nach P~uhigstellung und Ent- lastung dar.

Noch wesentlieher erscheint mir der folgende Gesichtspunkt: W~hrend wir ohne Span ja mit der Lockerung der Fixations- und Entlastungsperiode sehr zuriickha]tend sein miissen und diese Zeit lieber 3 oder 4 Monate liinger aus- dehnen miissen als einen Monat zu kurz, wie ja dabei iiberhaupt die Bestimmung des Termins zum Aufstehen oder gar Zur ~reigabe derlverbliebenen Beweglichkeit eine sehr veran{wortliche Schwierigkei~ bedeutet, kSnnenwir be!m spanversteiften Gelenk oder Wirbels~ulenabschnitt )vesentlieh groBziigiger denken und handeln, und diese GroBziigigkeit spart uns in der -Tat sehr vie] Zeit. Bei dem dureh Span- versteffung viillig und sieher ankylosierten Herd kSnnen wir ja, wenn wir der~ Kranken nun anfstehen ]assen, weder gegen das Gebot der Ruhigstellung noch der Entlastung verstoi~en, denn beide sind ja in der Regel nunmehr permanent. Es ist selbstverst~ndlich; dab wir bei unseren weiteren Ma~nahmen natiirlich auf den Grad der Aktivit~t des Prozesses Riicksieht nehmen miissen, besonders auf die begleiteuden Weichteilver~nderungen.

Es ist mehrfach die Ansicht vertreten worden, dab die intrafo]~ale Spannung sich direkt giinstig auf die Reparations- und Ausheilungsvorg~nge auswirke im Sinne eJner ,,Eutrophie" (HIBBS) oder eines ,,biologischen Reizes" (HEL~'- MEY~.R). - - Ieh m6chte diese theoretischen Annahmen night ablehnen und halte sie fiir durchaus mSglich, glaube aber, dab fiir die Gesetzm~l~igkeit dieses Vor-

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Spanversteifung in der Behandlung der Knochen- und Gelenktuberkulose. 245

ganges noch kein sicherer Beweis erbracht ist. Ich selbst habe allerdings in einigen F~llen auch auffallend schnelle Reparat.ionsvorgiinge gesehen, besonders ein- drucksvoll einmal bei einer Coxitis. Bei dieser war auffallend, dag 6 Monate nach der Operation gerade im Spanbereich und seiner ngheren Umgebung sch6ne Knochenanbau- und Ankylosierungsvorg~nge nachweisbar waren, gewissermaflen wie ein dicker Mantel um den Span herum, w~hrend die spanweiten, ja aber auch ankylosierten Gelenkanteile am oberen und unteren Pfannenrand diese auf- fallend guten Konsolidierungsvorg~nge noeh nicht in diesem Ma6e zeigten. Ich mSchte aber zun~ichst aus Einzelbeobachtungen, die wohl n0eh nicht als Regel anzusehen sind, keine zu weitgehenden Schlfisse ziehen.

2. Wir kgnnen durch die Spanverstei]ung des tuberkul6sen Prozesses die Rezidiv- ge/ahr au/ ein Mindestmafl beschrdnken.

Wir kennen ja alle die leider nicht seltenen Rezidive, die gerade die nichb kn6chern ankylosierten Spondylitisherde und die nicht knSchern ankylosierten Gelenkruinen befallen. Gerade die minimalen Wackelbewegungen bei ~Iteren inaktiven ProZessen, die regelm~igen, wenn auch winzigen Traumatisierungen des t~glichen Lebens sind ja hitufig ffir die Exacerbationen verantwortlich zu machen. Die Strapazen der Fliichtlinge und Ausgewiesenen sind leider heute gar zu h~ufige Riickfallsursachen. Es liegt auf der Hand, dab die Ausschaltung der genannten Wackelbewegungen und chronischen Traumatisierungen die Rezidivgefahr auf ein Minimum beschr~nkt. Ich halte dies ]i~r eine der wichtigsten Aufgaben der operativen Spanverstei]uug. Ich glaube, dafJ wir mit ihr unseren Kranken fiir ihr ferneres Leben einen guten Schutz mitzugeben in der Lage sind, soweit es wenigstens den 5rtlichen Prozel~ betrifft.

3. Wit k6nnen die Tragzeit yon orthopiidischen Hil]smltteln abkiirzen und die Hil/smittel selbst verein/achen.

Der ungespante Knochen- und Gelenkprozel3 erfordert auch naeh seiner Inaktivierung noeh eine Ruhigstellung und Entlastung ffir mehrere Jahre im Sttitzapparat. Das gespante GeIenk, bzw. der gespante Wirbels~ulenabschnitt, wenn erst einmal ausreiehende Inaktivitiit und Ankylosierung erreicht sind, braueht aus mechanisehen Grtinden tibcrhaupt keine Entlastung mehr. Die Belastungist ffir den konsolidierten Span und die Spanankylose wohl praktiseh bedeutungslos. Der St(itzapparat soll ledig!ieh die Spanankylose noch fiir einige ZeR siehern. Die Tragezeit orthopi~discher Hilfsmittel l~Bt sich durch die ge- lungene Spanversteifung auf etwa 1/a der sonst erforderlichen Zeit verringern. Der Kranke mit ungespantem Herd muB seSnen Stiitzapparat 3, 4oder m'ehr Jahre tragen,: beim :erfolgreic~h.gespanten Herd wird meist 1 Jahr geniigen. Da dieEntlastung nicht mehr erforderlich erscheint, k6nnen die Apparate oft weniger umfangreich sein, und besonderes orthop~disehes Sehuhwerk kann dann oft wegfallen. Die Vorteile sind auch im Hinblick auf die Kosteneinsparung be- tr~chtlich, wovon die 5ffentlichen Versicherungstr~ger meist den Gewinn haben werden. Schliel~lich wird dem Leiehtsinn der ungespanten Patienten vorgebeugt, die gerade in den sp~teren Jahren der Apparattragezeit gar zu gern das Hilfsmittel vorzeitig fortlassen.

d. Wir erreichen mit der Spanankylosierung eine absolute Belastungs/iihigkeit und schmerzlose Gebrauchs/i~higkeit.

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246 W~L~,~ L~AL:

Ein wirklich lest versteiftes, aber belastungsf~higes und im Gebraueh schmerz- loses Gelenk ist unvergleiehlich wertvoller ffir die l%nkti0~ als ein mehr oder minder (sowieso meist minder !) bewegliehes Gelenk, das bei jeder Beanspruehung Schmerzen verursacht nnd damit auch in seiner Belastungsf~ihigkei$ stark ge- st6rt is$. Dieser orthop~dische Grundsatz finder bei der Spanversteifungsfrage seine voile Best~tigung. Wie oft heilen die tuberkul6sen Gelenke mit schwersten Gelenkruinen aus! Mei.st ist dabei die Beweglichkeit nur gering und fiir die Funktion ohnehin belanglos. Aber ein solches Gelenk ist nicht funk$ionstiichtig und schmerzt. Es kann zu schweren unspezifischen Reizzust~nden kommen, die augerdem ailergrSgte differentialdiagnostische Sehwierigkeiten bereiten kSnnen, da sie yon echten Rezidiven mitunter schwer zu unterscheiden sein werden. ]:)as inaktive spanversteifte Gelenk aber ist schmerzlos und be- lastungsf~hig. Dureh die rechtzeitige, gelungene operative Spanversteifung wird der Entstehung yon funktionsuntiiehtigen Gelenkruinen yon vornherein vor- gebeugt.

5. Durch die Spanverstei/ung kSnnen wir sekundgire Gelenkkontrakturen und sonstige Fehlstellungen verhi~ten.

]:)as kn6chern ankylosierbe Gelenk kann in der Regel seine Stellung spoutan niemals mehr ~ndern. Das nieht kn6chern versteifte Gelenk, die fibr5se Ankylose, aber neigt h~ufig zur Fehlstellung, selbst dann, wenn diese schon einma] durch eine Osteotomie beseitigt gewesen sein sollte. Ieh erinnere an die Beuge- und Adduktionskontrakturen bei alten Coxitiden, und ich erinnere an die kindlichen, kn6chern destruierten Kniegelenkstuberkulosen, die mit Subluxation und Beuge- kontraktur ausgeheilt sind, und deren Fehlstellung sehr zum Kummer yon Kind, Eltern und Arzt dauernd riickf/illig werden kann. Hier ist meines Erachtens die operative Spanversteifung die Methode der Wahl. Sie ist in der Lage, all diesem Kontrakturiibel yon vornherein vorzubeugen.

Etwas anders liegen die Dinge allerdings bei der Wirbelsiiulentuberkulose, wobei die extrafokale Spanversteifung exzentriseh a n einer sehw/ieheren Stelle, n/imlieh ziemheh weitab yon der erkrankten und statisch wichtigen Wirbel- k6rperreihe, erfolgt. K. It. BAu~.I~ and JE~N~g haben n/~mlieh nachgewiesen, dab bei Kindern - - nieht beim Er~;achsenen - - aueh ein ideal eingeheilter Span die sp/ttere Deformierung, niimlieh den Gibbus, nicht verhiiten kann. Der Span hat sieh bei Kindern als ein modell/erf/~higes Gebilde erwiesen. Die Wirbels/iulen- form wird beim waehsenden Organismus nieht durch clie dorsa]gelegene, ankylo- sierte Dornfortsatzreihe, sondern dureh die ventralen Deformierungen der er- krankten WirbelkSrper bestimmt. ,,Nieht der Span diktiert das Waehstum und die Form der Wirbels/~ule, sondern der Krankheitsherd der Wirbels/iule diktiert dem Span seine Form und seinen weiteren Umbau." K. H. BAUEn und JENNER haben auch festgestellt, d~B der beim Kinde eingeheilte Albee-Span das L~ingen- wachstum nicht anfzuhalten vermag. Der Span w~chst also mit und paBt sich dem Wachstum der statischen Hauptkomponente der Vr n/~mlich der Wirbelk6rperreihe, an. Die Modellierf/~higkeit des Spans beim Kinde seheint /ibrigens der Grund gewesen zu sein, weshalb seinerzeit (es war bereits 1933) K. H. BAU~,R and JE~h'ER die Berechtigung der operativen Spanversteifung an der Wh'bels/iule in Frage stellten. Die Einw~nde yon K. H. BAueR und JENNER beziehen sieh aber ~ wohlgemerkt ! - - nur auf Kinder und Jugendliehe, wie aus

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den ver6ffentliehten F~tllen hervorgeht. Beim Erwachsenen hat sieh bei ihnen die kn6cherne Spanankylose als dauerhaft erwiesen. Es liegt ja auf der Hand, daft diese I)inge unsere Indikationsstellung weitgehend beeinflussen mfissen. Da~ bei der Indikationsstellung zur operativen Spanversteifung, insbesondere beziig- Iich des Zeitpunktes der Operation, noeh andere Erw~gungen ma]gebend sein mfissen, sei in diesem Zusammenhang nur nebenbei erw~hnt; es kann darauf im Rahmen des Themas dieser Arbeit nieht n~her eingegangen werden 1. Soviel aber sei gesagt, dab meines Erachtens die yon K. H. B.~uv.R und J~NNER gei~uBerten Bcdenken gegen die operative Spanversteifung bei der Wirbels~ulentuberkulose nur zum Tell zu Rech~ bestehen, ngmlieh in dem oben besprochenen Sinne, wogegen uns eine strenge Indikationsstellung schiitzen kann, es sei denn, dab man um der anderen Vorteile der Spanversteifung willen nicht die Gefahr einer sp~teren Deformit~t in Kauf nehmen will. Die Verallgemeinerung einer ab- lehnenden Haltung dfirfte heute aber - - eben wegen der anderen genannten Vortei]e - - nicht mehr gerechtfertigt sein. Im iibrigen glaube ich hinsichtlich der yon K. H. B A v ~ und JE~rER angefiihrten Bedenken, daft der konsolidierte Span doch der drohenden :Deformi~t ein gewisses Gegengewich~ entgegen- stellen diirfte und sie vielleicht wenigstens zu verz6gern und in der Stiirke zu hemmen vermag; erst wenn der sekund~re deformierende Knochenumbau an den WirbelkSrpern starker sein sollte als die Leistungsf'ahigkeit der Span- ankylose, wfirde es zur Deformit~t kommen, die sieh andererseits ohne Span vielleicht noeh sti~rker entwickeln k6nnte. Da man in den letzten Jahren auBer- d e m wohl meist dazu iibergegangen ist, nieht nur die Dornfortsatze, sondern vor allem die WirbelbSgen zu verspanen, wird die Ankylose n~her an den Er- krankungsherd und die fiir die Statik mal3gebliche, deformit~tsgeFahrdete Wirbel- kSrperreihe herangeriickt, wodurch die Modellierf~higkeit des Spans - - zum Vorteil der weiteren Entwieklung des Kra~flcheitsprozesses - - beeintriichtigt werden diirfte.

Wenn wit ja aueh aus jahrzehntelangen Erfahrungen wissen, dab die Knochen- und Gelenktuberkulose auch ohne operative Spanversteifung gut ausheilen kann, so diirfen wir wohl doeh die mannigfaehen Vorteile, die wir durch die Operation unseren Kranken bieten k6nnen, diesen nicht vorenthalten und sollten bei gegebener Indikation den Eingriff anraten und vornehmen, dessen l~isiko und Unannehmlichkeiten - - gemessen an den Vorteilen - - gering sind.

Zusammen/assung.

Die bezweckten und erreiehbaren Vorteile der operativen Spanversteifung in der Behandlung der :Knochen- und Gelenktuberkulose sind dutch folgende Gesichtspunkte gekennzeichnet:

a) Abkfirzung der strengen Liegezeit und Fixati0nsbehandlung in Gips- verb~nden.

b) l~eduzierung der Rezidivgefahr auf ein ~Iindestmal].

1 Auf dem 38. Deutschen Orthopi~denkongrefl in Hannover (September 1950) habe ich meine Meinung zur Indikationsstellung der operativen Spanversteifung in der Behand|ung der Knochen- und Gelenktuberkulose vorgetragen.

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248 WILHELM LEOAL: Behandlung der Knochen- und Gelenktuberkulose.

c) Abk i i r zung der TragezeR yon or thop~dischen H i l f s m i t t e l n u n d Verein- f achung derse lben .

d) E r re i chung e iner abso lu ten Be las tungsf~higke i t und schmerzlosen Ge: b rauchs fah igke i t des e r k r a n k t e n KSrper te i l s .

e) Verhiibung von sekund~ren G e l e n k k o n t r a k t u r e n und sons t igen Deformi- t ~ t e n (Einschr~nkung bei de r k ind l i chen Spondyl i t i s ) .

L i te ra tur .

BAYER U . JENNER: Bruns' Beitr. 3, 157 (1933). - - CALvin: Knochen- und Gelonktuber- kulose. Stuttgart: Ferdinand Enke 1946. - - H~.L~MEY~R: Verh. dtseh, orthop. Ges. 1947. - - HOFF~L~N~-Kumvr: Z. Orthop. 79, H. 2. - - HO~MAN~: Orthopgdie. Heidelberg: Winter 1947. - - LEain: Verh. dtseh, orthop. Ges. 1950. - - PLSTZ: Verh. dtseh. 0rthop. Ges; 1950. - - WE!L: Z. Orthop. 79, H. 2.

Dr. med. WIL]tELM LEG:AL, Leitender Faeharzt der orthop~dischen Abteilung

tier HeilstStte Kutzenberg b. Liehtenfels.