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Zum Geschehen und zur Bekämpfung von Neugeborenendurchfällen bei Kälbern Dr. Bernd Fischer Zentrum für Tierhaltung und Technik 39606 Iden Lindenstr.18 Fon:039390-60 18.06.2013 Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau Sachsen-Anhalt in Iden Fischer, Bernd Arbeitskreis „Futter und Tierfütterung Sachsen-Anhalt“

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Zum Geschehen und zur Bekämpfung von Neugeborenendurchfällen bei Kälbern

Dr. Bernd Fischer

Zentrum für Tierhaltung und

Technik

39606 Iden

Lindenstr.18

Fon:039390-60

18.06.2013

Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau Sachsen-Anhalt in Iden

Fischer, Bernd

Arbeitskreis „Futter und TierfütterungSachsen-Anhalt“

(LKV S-T):Stichprobe 35000 Kalbungen

Verendungen lebendgeborener Kälber

6,9 % Verendungen an lebendgeborenen MilchrindkälbernDarunter:

- 8,3 % in Betrieben mit geringerer ML- 3,6 % in Betrieben mit höherer ML- keinen Einfluss der Herdengröße auf Verluste

Im Mittel sind 44% der Verendungen an neu-geborenen Kälbern auf Verdauungsstörungen

zurückzuführen!

0 1 2 3 4 5 6 7

Behandlungstag

100

105

110

115

120LM in kg mit 6 Monaten; n=3300 Kälber

Antibiotika- behandlung

als Kalb0-1 x 2-4 x > 4 x

BI Färse 1,64 1,76 2,42

ECM 1. Lakt kg 6856 6798 6346

Abgänge 1. Lakt. % 16 25 58

LM-Rückstand bei 4 Beh.- tagen ca. 10 kg im Alter von 6 Mon.+ Behandlungskosten+ Verluste

nach DONOVAN et al. (1998)

Atemwegserkrankungen

Durchfallerkrankungen

nach MÜNCH u. TRILK 2002

Kosten einer (leichten) Durchfallerkrankung beim Kalb ca. 100€:Quelle: MSD Tiergesundheit

12€zusätzl. AKh

7,40€erhöhte Verlustrate

13,60€4 Zusatztage

Aufzucht

30€Medikamente

45€TA-Kosten

Wirtschaftliche Verluste und Kosten

Der Gesamteiweißgehalt (GE) im Blut der Kälber als Gradmesser der Kolostrumversorgung und des

Erkrankungsgeschehens!

2,96,1dKrankentage/ je erkranktes Kalb

668564g/dLMZ Tränkeperiode

1,71,7lKolostrum Erstgabe

1,23,3hKolostrumgabe nach Geburt

417

1664

St.%

Erkrankte Kälber (mit min. zwei Erkrankungen in der Tränkeperiode)

2325Anzahl

60 – <65g/l

<50g/l

MEMerkmalGesamteiweiß in der 1. Lebenswoche

Datenausschnitt aus MAT-Versuch:Futterkamp, Iden, Dummerstorf, 2008

Niedrige GE von < 50g/l: zeigen sicher einen Mangel an Antikörper an.Sehr hohe GE von > 75g/l: deuten auf mögliche Entzündungsreaktionen/erkrankungs-

bedingten Flüssigkeitsverlust hin.

Kolostrumersatz – Möglichkeiten und Grenzen!

AK Herkunft Einsatz HinweisBiestmilch AK vom Rind (z.B. BIOFAKT) Prophyl./Therapie von Co/R/C soll kein BHV1-AK enthalten

Molke aus Biestmilch (z.B. GAMBUL-RCC)

unterstützt Behandlg. gegen infekt. Durchfälle

AK von hyperimmun. Spender (z.B. LOCATIM-Plus) Proph./Therapie gegen Coli/Ro/Co

soll kein BVH1-AK enthalten, Tiere unter Kontrolle, kein Einschleppen fremder Erkrankungen

2. Das Anlegen von Erstgemelksreserven:- von Kühen ab 4. LNR (mit Spindel testen, entsprechend Betriebs-Impfregime) - Wichtig: Hygienisch einwandfrei Abmelken und Sauerlegen. ABER: Sauerlegen macht

aus verdorbenem und keimreichem kein hochwertiges Kolostrum.- unbehandelte Biestmilch abgedeckt im Kühlschrank bei < 4° C bis 5 Tage möglich

1. Kolostrumersatz- und Ergänzungsprodukte - Spezifität und Gehalt der AK

Mutterblutinjektion von Mutter zu Kalb3.- 100-150ml von der Mutter an mehreren Stellen (Brust u. Schulter) unter die Haut des

Kalbes gespritzt. Steigerung der unspez. Abwehr. (BLUKO-Fl. gegen Gerinnung)

1. „Wer zuerst (in den Darm) kommt, mahlt zuerst!“(gilt für das Andocken von Darmkeimen und Biestmilchantikörpern)

2. Hohe Resorptionsraten erreichen?(Hauptmanagementproblem: bakterielle Besiedlung der Biestmilch)

3. Viel, oft und mehrere Tage hilft viel!

4. Darmschranke schließt zeitabhängig. Nach 6h setzen HCL-Produktionim Labmagen und Dünndarmproteasen ein, sie spalten Biestmilch-AK!

5. Kälber mit mangelnder AK-Aufnahme werden doppelt so häufig krank und haben ein 4-fach höheres Abgangsrisiko.

6. Biestmilch ist Medizin, sie enthält neben AK eine Vielzahl nützlicher Stoffe, die das Wachstum der Darmzotten und den Stoffwechsel fördern.

Faustzahl: 200g Antikörper in den ersten 2 hund 300g bis 6h nach der Geburt auseinwandfreier Biestmilch verabreichen!

Kolostrumversorgung bleibt wichtig!

Weil Durchfall als Faktorenerkrankung auftritt,

ist die Kenntnis des Erregerspektrums von Bedeutung!

Eine tägliche Dokumentation von Tränkemenge und

Durchfallgeschehen ist zur Bekämpfung des Durchfalls sehr

sinnvoll!

Infektion mit Infektion mit enteropathogenenenteropathogenen E. E. colicoli• ab 2. Lebenstag bereits Durchfall • hunderte Serotypen, (O- (Oberflächen), K-(Kapsel), H-(Geissel), F-(Fimbrien) Antigene• 7 Gruppen pathogen, wichtiges krank-

machendes Antigen: „F5-Antigen“• Sehr junge Kälber sind betroffen, • schwerer, wässriger Durchfall

(“weiße Ruhr”)• bestandsweise, saisonales Auftreten• Pathogene E. coli:

- sie docken an,- bilden Toxine. z.B. ETEC, STEC, EHEC,

NTEC, usw., Folge: erhöhte Sekretionvon Cl- in den Kryptenregion des Darmlu-mens, Darmzotten bleiben intakt,

- rascher Flüssigkeitsverlust, Blutacidose,Funktionsverlust der Organe Koma,IgG,M gegen E.coli

• Serotypisierung der E.coli sinnvoll, z.B:für Wirkung MTS-Impfung, bestandsspez. Impfstoff -Herstellung

Verlauf pathogener E. coli Ausscheidung bei Vollmilchfütterung

0102030405060708090

100

3 5 7 9 11 13 15Lebenstag

posi

tive

Befu

nde

%

E.coli

ClostridioseClostridiose

• 1. bis 5. Lebenstag relevant • Clostridium perfringens Bakterien, die

Toxine (A-E) bilden und Darmzellenzerstören, Sporenbildner

• neugeborene Kälbern sind anfällig, da zu geringe Mengen an M-D-Enzymen kaumToxine inaktiviert. Folge: rascher Verlaufmit blutigem Durchfall kann (im Ein-zelfall) zu Verendungen in 24h führen.

• ist Bestandteil der Darmflora, kommt imErdboden und fehlvergorenen Silagenvor, vermutlich Aufnahme bei manglen-der Hygiene im Abkalbestall (im Kot vonKühen) u. Hygiene der Kolostrumge-winnung und –lagerung,

• keine Übertragung von Kalb zu Kalb• in akuten Fällen geringe Behandlungs-

erfolge

Durchfallhäufigkeit bei Vollmilchfütterungin den ersten Lebenstagen

0102030405060708090

100

1 2 3 4 5 6Lebenstag

Ant

eil i

n %

Verlauf der Clostridienausscheidung bei Vollmilchfütterung

0102030405060708090

100

3 5 7 9 11 13 15Lebenstag

Posi

tive

Bef

unde

%

RotavirenRotaviren--InfektionInfektion• Durchfälle typisch am 5.-14. LT• bei Monoinfektion: relativ milder Verlauf, • ABER: bei Mischinfektionen schwerer Verlauf

mit hohen Todesraten

Unbehüllte Viren mit doppelstrangiger RNA.7 Serogruppen, beim Kalb:ist Serogr. A wichtig. Virus mit hoher Widerstandskraft gegen Temp. und Säure., 1d Inkubation,3-8d Klinik, 4-6d Regeneration, es kommt zur Immunität. Virus bildet Enterotoxin NSP4. NaCl, Glukose u. Wasserresorpt. sind behindert. Kühe sind typ. Virus-Ausscheider.Mehrere Tage KolostrumTränken! IGA mit lokaler Wirkung

Verlauf der Rota Ausscheidung bei Vollmilchfütterung

0102030405060708090

100

3 5 7 9 11 13 15Lebenstag

Posi

tive

Befu

nde

%

Rota hochRota mittelRota gering

Foto:KASKE u. KUNZ, 2003.

Im Mittel kommen 33% Rota-Viren imKot erkrankter Kälber vor.

KryptosporidioseKryptosporidiose• parasitärer Einzeller, Relevanz hat: Cryptosporidium parvum• kommt als Misch-/Monoinfektion vor• typisch: Klinik in der Mitte der 2. LW

bei vorherigem Rückgang der Tränke-aufnahme

• 4 Tage nach Aufnahme der Oozystenwerden dickwandige, infektiöseOozysten mit Kot ausgeschieden, hoheWiderstandskraft in der Umwelt,

• Durchfall hält bis 7 d an, hohe Todes-raten möglich

• Antibiotika keine Wirksamkeit• bei Mischinfektionen schwerer

Verlauf• immungeschwächte Menschen können

erkranken

Durchfallhäufigkeit bei Vollmilchfütterung

0

10

20

30

40

50

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70

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90

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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15Lebenstag

Ant

eil i

n %

Im Mittel können 60% Kryptosporidienim Kot erkrankter Kälber nachgewiesenwerden.

Verlauf der Oozystenausscheidung bei Vollmilchfütterung

0102030405060708090

100

3 5 7 9 11 13 15Lebenstag

post

ive

Bef

unde

%

Kryp. hochKryp. mittelKryp. gering

Pro- und metaphylaktischer Einsatz von Halofuginon bei Kryptosporidienbefall

Chemotherapeutikum: Halocur®Vorbeuge: bei neugeborenen Kälbern in den ersten 24-48h???Nach Befall: bis 24h nach Einsetzen des Durchfalls, Einsatzdauer: 7 aufeinanderfolgende Tage, Vorbeuge wird empfohlen,wirkt besonders in freien Phase des Parasiten (asexuelle Vermehrung)

Nicht auf leeren Magen, nicht bei Kälbern, die seit mehr als 24h Durchfall haben, nicht bei geschwächten Tieren, dosier- u. zeit-genau verabreichen.

Nachweislich geringere Aus-scheidung bei Einsatz von Ha-locur. Durchfall bleibt, ver-läuft linder, raschere Gene-sung!Einsatz ab 1./2. LT hier nichtsinnvoll, sondern später!

Verlauf des Oozystenachweises (Kryptosporidien)p=0,047

0

20

40

60

80

100

3. 5. 7. 9. 11.

13.

15.

17.

19.

21.

Lebenstag

Ante

il in

%Ohne Halocur

Mit Halocur

Halocureinsatz vom 6.-12. LT

SalmonelloseSalmonellose

• Salmonellen-Bakterien vermehren sichim Darm, heftige Entzündungen mitDurchfall, Fieber u. Krämfen. Ver-drehen der Augen u. des Kopfes, hoheSterblichkeit.

• Beim Vet.-amt anzeigepflichtig! • Kälber erkranken meist von 2-6 LW

Kälber werden zu Dauerausscheidern. Best. Arten von S. sind auf Menschenübertragbar.

• S. sind durch Verkapselung über Jahreinfektiös, auf Weiden bis 3 Mon.

• Einschleppung durch Tierzukauf,Mensch, Haus- und Wildtiere, kotver-schmutze Futtermittel, überschwemmteWeiden

• Behandlung mit Antibiotika

Salmonellen auf XLD-Agar-Platte

Typische unheilvolle Allianz zwischenRotaviren und Kryptosporidien.

Zwei Kälber mit typischen Krankheitsverläufen

LT/Datum Kalb der Kuhnr.: Iglu: LT/Datum Kalb der Kuhnr.: Iglu: LT/Datum Kalb der Kuhnr.: Iglu:Milchtränke Diät Durchfall Milchtränke Diät Durchfall Milchtränke Diät Durchfall

in l in l in l in l in l in lfrüh spät früh spät früh spät früh spät früh spät früh spät früh spät früh spät früh spät

1 1 1

2 2 2

3 3 3

4 4 4

5 5 5

6 6 6

7 7 7

8 8 8

9 9 9

10 10 10

11 11 11

12 12 12

13 13 13

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15 15 15

16 16 16

17 17 17

18 18 18

19 19 19

20 20 20

21 21 21

Datenblatt für zweimalige Tränkeversorgung

IGLU: IGLU: IGLU:Datum Kalb der Kuhnr.: Datum Kalb der Kuhnr.: Datum Kalb der Kuhnr.:

Milchtränke Diät Durchfall Milchtränke Diät Durchfall Milchtränke Diät Durchfallin l in l in l in l in l in l

früh mi. spät früh mi. spät früh mi. spät früh mi. spät früh mi. spät früh mi. spät früh mi. spät früh mi. spät früh mi. spät

Geb. Geb. Geb.

2. 2. 2.

3. 3. 3.

4. 4. 4.

5. 5. 5.

6. 6. 6.

7. 7. 7.

8. 8. 8.

9. 9. 9.

10. 10. 10.

11. 11. 11.

12. 12. 12.

13. 13. 13.

14. 14. 14.

15. 15. 15.

16. 16. 16.

17. 17. 17.

18. 18. 18.

19. 19. 19.

20. 20. 20.

21. 21. 21.

Datenblatt für dreimalige Tränkeversorgung

Durchfallbekämpfung!

Wie das Kalb „retten“?

- Elektrolyt-u. Wasserverluste ausgleichen 5% Flüssigkeitsverlust suppiger Kot;10% Flüssigkeitsverlust wässriger Kot;

ab 15% Flüssigkeitsverlust der LM Festliegen- metab. Acidose bekämpfen,(Carbonat, Acetat) - Energie zuführen, Wärmeverlust vermeiden

- Diätfutter über Milchtränke verabreichen?Zusätzlich Wasser anbieten!

- bei nicht geschwächten, nicht ausgezehrtenKälbern: Milch für 1 Tag absetzen.

Reinigung & Desinfektion:

- Ausmisten genügt nicht für eine wesentliche Keimreduzierung,

- 80 bis 100 bar Warmwasser, 100 bis 130 bar Kaltwasser,

- Desinfekt.-methoden, mit Hochdruck sehr effektiv,

-Desinfektionsmittel aus DVG-Liste wählen (sind auf Wirksamkeit geprüft)! Bei Mischinfektionen breites Spektrum des Desinf.mittels wählen:Mittel mit zwei Komponenten oder bei nicht kombinierbaren Mitteln nacheinander desinfizieren

- Nur auf trockene Haltungsausrüstung/Flächen mit 0,4l/m2 desinfizieren bei 2h Einwirkzeit,

- Kältefehler ab unter 20°C beachten, gilt auch für Wassertemp., bei Desinfekt.-mitteln mit organischen Säuren ist Ausbringungstemp. nicht von Bedeutung.

- Sehr effektiv: 2-3x/Jahr Ortswechsel der Iglus vornehmen,

- Belegruhe der Iglus 14 Tage zu empfehlen,