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Zum Einfluss unterschiedlicher Liganden auf die Quecksilberabscheidung in absorptiven Abgasreinigungsstufen
Von der Fakultät für Ingenieurwissenschaften, Abteilung Maschinenbau der Universität Duisburg-Essen
zur Erlangung des akademischen Grades
DOKTOR-INGENIEURIN
genehmigte Dissertation
von
Margot Bittig aus Kiel
Referent: Prof. Dr.-Ing. Dieter Bathen Korreferent: Prof. Dr.-Ing Burak Atakan
Tag der mündlichen Prüfung: 15. Oktober 2010
III
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Energie- und Umwelttechnik e. V. (IUTA). Das Thema ist erwachsen aus meiner Tätigkeit bei der Deutschen Babcock Anlagen GmbH, später Babcock Borsig Power Environment GmbH. Die Zeit im Anlagenbau hat mein beruf-liches Denken und Wirken geprägt; meine Industrietätigkeit hat einen entscheiden-den Einfluss auf die Ausrichtung der vorliegenden Arbeit.
Ich möchte allen danken, die mich bei der Er- und Bearbeitung des Themas unter-stützt und zum guten Gelingen beigetragen haben.
Mein herzlicher Dank gilt Herrn Prof. Dr. Dieter Bathen, Inhaber des Lehrstuhls für Thermische Verfahrenstechnik an der Universität Duisburg-Essen und Wissenschaft-licher Leiter des IUTA, für seine fachliche Betreuung und Unterstützung und für den Freiraum zur individuellen Ausarbeitung des Themas.
Herrn Prof. Dr. Burak Atakan, Inhaber des Lehrstuhls für Thermodynamik an der Universität Duisburg-Essen, danke ich für die Übernahme des Korreferates. Seine kritischen Anmerkungen haben meine schriftlichen Ausführungen präzisiert und mich daran erinnert, dass es neben dem Gut immer ein Besser gibt.
Ich danke Herrn Prof. em. Dr. Klaus Schmidt, Wissenschaftlicher Berater des IUTA, und Herrn Dr. Stefan Haep, Leiter des Bereichs Luftreinhaltung und Prozessaerosole und Geschäftsführer des IUTA, für die wohlwollende Unterstützung. Die persönliche Akzeptanz und berufliche Anerkennung haben bei der Überwindung von Durststre-cken geholfen. Die mir gewährte flexible Einteilung meiner Arbeitszeit haben mir neben dem Tagesgeschäft und den familiären Verpflichtungen den für die Anferti-gung der vorliegenden Arbeit nötigten Freiraum gegeben.
Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Kollegen und Freund Bernhard Pieper, dem ich dieses interessante Thema verdanke. Sein Sachverstand, seine Geduld bei der Erklärung chemischer Zusammenhänge und seine stete Bereitschaft zur Diskussion haben einen entscheidenden Anteil am Gelingen dieser Arbeit. Wesentliche Beiträge sind aus der Zusammenarbeit mit ihm erwachsen.
Herrn Priv.-Doz. Dr. Michael Luckas möchte ich herzlich danken. Seine Ausführun-gen zur Thermodynamik der Elektrolytlösungen bilden eine wesentliche Grundlage für die vorliegende Arbeit. Für Nachfragen und Diskussionen stand er immer zur Verfügung und hat mir dadurch zu einem tieferen Verständnis der komplizierten Zusammenhänge verholfen.
IV
Meinen Kollegen Gerd Brosig und Achim Hugo danke ich herzlich für die offene Tür und die offenen Ohren. Durch ihren Sachverstand und ihre kritischen Fragen wurde es mir möglich, die eigenen Ausführungen weiter zu entwickeln. Ihre Bereitschaft zur Diskussion und uneingeschränkten Hilfe tun Geist und Seele gut.
Stephanie Henninger danke ich für ihr Engagement. Die Inhalte ihrer Studien- und Diplomarbeit lieferten nützliche Vorarbeiten und Beiträge.
Mein Bedürfnis nach einem kollegialen Miteinander wird am IUTA in besonderem Maße erfüllt. Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen für die freundliche Zu-sammenarbeit.
Finanziell wurde die vorliegende Arbeit unterstützt durch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF). Im Rahmen des Programms zur Förde-rung der Industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) wurden das Projekt Nr. 14882N „Untersuchungen zum Verhalten von Quecksilber zur Optimie-rung der nassen Abgaswäsche“ und das Projekt Nr. 15975N „Untersuchungen zum Verhalten von Quecksilber in der Gaswäsche II - weiterführende Arbeiten zur an-wendungsorientierten Nutzung des theoretischen Modells“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundes-tages gefördert.
Inhaltsverzeichnis
V
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis .................................................................................................... V
Formelzeichen und Indizes ..................................................................................... IX
Kurzfassung ........................................................................................................... XIII
1 Einführung in das Thema ................................................................................. 1
1.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen ............................................................... 1
1.2 Quecksilber: Eigenschaften und Verhalten in Feuerung und Abgasweg ..... 3
1.3 Stand der Technik der absorptiven Abgasreinigung .................................... 5
1.3.1 Abscheidemechanismen bei der Gaswäsche ............................................ 6
1.3.2 Anlagenkonzepte ....................................................................................... 7
1.3.3 Maßnahmen zur Verbesserung der Quecksilberabscheidung ................... 8
1.4 Aufgabenstellung ....................................................................................... 11
2 Grundlagen zur Modellentwicklung ............................................................... 13
2.1 Begriffsdefinitionen ..................................................................................... 13
2.2 Quecksilber-Komplexe in wässrigen Systemen ......................................... 14
2.3 Redoxpotenzial und pH-Wert ..................................................................... 16
2.4 Hg-Abscheidegrad...................................................................................... 19
2.5 Schlussfolgerungen aus theoretischen Betrachtungen .............................. 20
3 Berechnung der Komplexreaktionen ............................................................. 22
3.1 Analyse der Komplexreaktionen am Beispiel Chlorid ................................. 22
3.2 Unterschiedliche Liganden im Vergleich .................................................... 28
3.3 Einfluss unterschiedlicher Liganden in Mehrligandensystemen ................. 31
4 Henry-Verhalten von HgX2-Komplexen.......................................................... 38
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts ............................... 43
5.1 Theoretische Grundlagen ........................................................................... 43
5.1.1 Fugazitätskoeffizient ................................................................................ 44
5.1.2 Aktivitätskoeffizient .................................................................................. 44
5.1.3 Chemische Potenziale ............................................................................. 45
5.1.4 Dampfdruck ............................................................................................. 47
5.2 Stoffdaten ................................................................................................... 48
Inhaltsverzeichnis
VI
5.2.1 Molare Wärmekapazitäten ....................................................................... 48
5.2.2 Standardbildungsenthalpie und freie Standardbildungsenthalpie ............ 49
5.3 Programm zur Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts ....... 53
5.3.1 Ablaufplan des Gibbs-Energie-Minimierungs-Programms ....................... 54
5.3.2 Eingabedaten .......................................................................................... 56
5.3.3 Ergebnisausgabe ..................................................................................... 58
5.3.4 Programmergänzungen ........................................................................... 58
5.4 Validierung des Simulationsprogramms GEMP ......................................... 59
5.4.1 Validierung der Berechnung von Aktivitätskoeffizienten .......................... 59
5.4.2 Validierung der Berechnung von Dampfdrücken ..................................... 60
5.4.3 Überprüfung der Berechnungsgenauigkeit .............................................. 61
5.5 Gleichgewichtsberechnungen mit dem Simulationsprogramm GEMP ....... 63
5.5.1 Vergleich der Gleichgewichtslage in der flüssigen Phase des Systems Hg(II)-X--H2O ............................................................................. 63
5.5.2 Berechnungen des Gas-Flüssig-Gleichgewichts ..................................... 67
5.5.3 Abgas mit einer Ligandenart .................................................................... 69
5.5.4 Nachbildung von realen Wäscherverhältnissen ....................................... 76
5.5.5 Berücksichtigung von elementarem Quecksilber ..................................... 82
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie ........................................ 87
6.1 Beschreibung der Messkampagnen ........................................................... 88
6.2 Überprüfung der Eignung der Daten zur Bestätigung des Modells ............ 90
6.2.1 Fehlerbetrachtung ................................................................................... 90
6.2.2 Bereich der verfügbaren Daten und Parameter ....................................... 95
6.3 Analyse der Messdaten für Hg(II) ............................................................. 101
6.3.1 Einfluss der Temperatur ........................................................................ 101
6.3.2 pH-Wert und Hg(II)-Abscheidegrad ....................................................... 102
6.3.3 Verhältnis Chlorid zu Quecksilber .......................................................... 105
6.3.4 Liganden Bromid und Jodid ................................................................... 109
6.3.5 Aufteilung der Liganden auf die Wäscher.............................................. 110
6.4 Analyse der Messdaten für Hg(0) ............................................................. 112
6.4.1 Hg(0)-Freisetzung .................................................................................. 112
6.4.2 pH-Wert und Hg(0)-Freisetzung ............................................................ 114
6.4.3 Einfluss von SO2 .................................................................................... 115
6.4.4 Einfluss des Redoxpotenzials ................................................................ 116
7 Transfer der Forschungsergebnisse in die industrielle Praxis ................. 118
7.1 Konzepte für bestehende Abfallverbrennungsanlagen ............................ 118
7.2 Konzepte für neue Abfallverbrennungsanlagen ....................................... 121
7.3 Konzepte für Kohlekraftwerke .................................................................. 122
8 Zusammenfassung und Ausblick ................................................................ 125
Inhaltsverzeichnis
VII
Anhang A: Wäscherausführungen ..................................................................... 129
Anhang B: Quecksilbermessungen ................................................................... 134
Anhang C: Verwendete Stoffdaten ..................................................................... 135
Anhang D: Virialgleichung zur Berechnung des Fugazitätskoeffizienten ...... 140
Anhang E: Modelle zur Berechnung von Aktivitätskoeffizienten .................... 142
Anhang F: Berechnung von Dampfdrücken ...................................................... 146
Anhang G: Matrix der Eingabedatei im txt-Format ........................................... 148
Anhang H: Waschwasserbilanz ......................................................................... 149
Literatur ................................................................................................................. 153
VIII
Formelzeichen und Indizes
IX
Formelzeichen und Indizes
Lateinische Formelzeichen:
AA, BA, CA Koeffizienten für die Antoine-Dampfdruckgleichung -
AFKT, BFKT, CFKT, DFKT
Koeffizienten für die Frost-Kalkwarf-Thodos-Dampfdruckkorrelation
-
AW, BW, CW, DW
Koeffizienten für die Wagner-Dampfdruckkorrelation -
AΦ Debye/Hückel-Konstante für den osmotischen Druck kg1/2 mol-1/2
a Aktivität -
aik Anzahl der Atome der Atomsorte k in den Molekülen der Komponente i
-
B 2. Virialkoeffizient -
Bij binärer Virialkoeffizient -
Bij Pitzer-Parameter kg mol-1
B’ij Pitzer-Parameter kg2 mol-2
BL, CL Koeffizienten der Leiden-Virialgleichung -
BB, CB Koeffizienten der Berlin-Virialgleichung -
b Pitzer-Parameter kg1/2 mol-1/2
Cij Pitzer-Parameter kg2 mol-2
cp molare Wärmekapazität J mol-1 K-1
E elektromotorische Kraft (Potenzial) V
E0 Normalpotenzial V
F Faraday-Konstante, F = 9.649·104 C mol-1 C mol-1
fi Fugazität der Komponente i im Gemisch kPa
G freie Enthalpie, (Gibbs-Energie) J
∆fG0 freie Standardbildungsenthalpie kJ
∆fg0 molare freie Standardbildungsenthalpie kJ mol-1
Hi,LM Henry-Koeffizient der Komponente i im Lösungsmittel LM kPa
mLM,iH
molarer Henry-Koeffizient der Komponente i im Lösungsmittel LM
kPa kg mol-1
Formelzeichen und Indizes
X
hi partielle molare Enthalpie der Komponente i J mol-1
∆fh0 molare Standardbildungsenthalpie J mol-1
Im Ionenstärke auf Basis der Molalitäten mol kg-1
Ix Ionenstärke auf Basis der Molenbrüche -
K Gleichgewichtskonstante, Wert für die Einzelreaktion -
k Gleichgewichtskonstante, kumulativer Wert -
M molare Masse g mol-1
mi Molalität der Komponente i = Stoffmenge der Kompopnente i bez. auf die Masse des Lösemittels
mol kg-1
m* Einheitsmolalität, m* = 1 mol kg-1LM mol kg-1
mi Masse der Komponente i kg
ni Stoffmenge der Komponente i mol
P Anzahl der Phasen
p Druck Pa
pc kritischer Druck bar
pVP Dampfdruck bar
p0 Druck im Standardzustand, p0 = 1 MPa Pa
R allgemeine Gaskonstante, R = 8,3145 J/(mol·K) J mol-1 K-1
S Entropie J K-1
∆fs0 molare Entropie im Sinne einer Bildungsentropie J mol-1 K-1
T Temperatur K
T0 Temperatur im Standardzustand, T0 = 298,15 K K
Tc kritische Temperatur K
Tr reduzierte Temperatur -
U innere Energie J
V Volumen m³
v molares Volumen m³ mol-1
v0i molares Volumen der reinen Komponente i m³ mol-1
xi Stoffmengenanteil (Molanteil) der Komponente i in der flüssigen Phase
-
Formelzeichen und Indizes
XI
yi Stoffmengenanteil (Molanteil) der Komponente i in der Gasphase
-
z Ladungszahl -
zkompr Kompressibilitätsfaktor -
Griechische Formelzeichen:
Θij Parameter des Pitzer-Aktivitätskoeffizientenmodells kg mol-1
Φ0i Fugazitätskoeffizient der reinen Komponente i -
Φi Fugazitätskoeffizient der Komponente i im Gemisch -
Ψ Parameter des Pitzer-Aktivitätskoeffizientenmodells kg2 mol-2
α1, α2 Pitzer-Parameter kg1/2 mol-1/2
βij(0), βij
(1), βij(2), Pitzer-Parameter kg mol-1
γi Aktivitätskoeffizient der Komponente i -
ζ dimensionsloses Konzentratonsmaß, z. B. Stoffmengenanteil
-
η eta (Abscheidegrad) -
λij Pitzer-Parameter kg mol-1
µi chemisches Potential der Komponente i J mol-1
µijk Pitzer-Parameter kg2 mol-2
ρPDH Pitzer-Debye-Hückel-Parameter -
ω azentrischer Faktor -
Formelzeichen und Indizes
XII
Indizes:
tiefgestellt
0i reine Komponente i
(aq) wässrige Lösung
(g) gasförmig
(l) flüssig (liquid)
(s) fest (solid)
(P) in einer Phase
c kritische Größe
ges gesamt
i Komponente i
j Komponente j
K alle Komponenten
k Komponente k
kompr Index für den Kompressibilitätsfaktor
LM Lösungsmittel
ox oxidiert
red reduziert
r reduzierte Größe
VP Dampfdruck
hochgestellt
0 Standardzustand bei p0 = 1 MPa und T0 = 298,15 K
E Exzessgröße
ig Referenzzustand „ideales Gas“
ivL Referenzzustand „ideal verdünnte Lösung“
iL Referenzzustand „ideale Lösung“
ref im Referenzzustand
*,m ideal verdünnte Lösung bei mi = 1 mol kg-1LM
* ideal verdünnte Lösung bei xLM = 1
+ Kation
- Anion
Kurzfassung
XIII
Kurzfassung
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Absorption von Quecksilber in einem Abgaswäscher. Der Einfluss der Parameter Temperatur, pH-Wert, Redoxpotenzial und Ligandenkonzentration auf die Quecksilberabscheidung wird diskutiert. Erstmalig wird der Quotient aus Ligandenkonzentration und der Konzentration des zweiwerti-gen Quecksilbers in der Waschflüssigkeit in die Diskussion eingeführt und der Ein-fluss unterschiedlicher Liganden untersucht. Basierend auf Grundlagen von Thermodynamik, Komplex- und Elektrochemie wird ein theoretisches Modell entwickelt, das zu einem verbesserten Verständnis der Vorgänge bei der Absorption von Quecksilber in der Abgaswäsche führt. Untersu-chungen zum Henry’schen Verhalten und zum Gleichgewicht der Komplexreaktionen werden durch Berechnungen des thermodynamischen Gleichgewichts über das Minimum der freien Enthalpie vervollständigt. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, die Einflussparameter in Ursache und Wirkung belastbar zu bewerten. Die theoreti-schen Betrachtungen ergeben einen exponierten Einfluss von Ligandenstärke und Ligandenüberschuss auf die Abscheidung des zweiwertigen Quecksilbers im Ver-gleich zu den Parametern Temperatur, Redoxpotenzial und pH-Wert. Die Ergebnisse werden mit Hilfe von Messdaten validiert, die an Großanlagen ge-wonnen wurden. Die Bedeutung der Ergebnisse für die absorptive Abgasreinigung wird aufgezeigt, Vorschläge zur Optimierung bestehender und zur Konzeption ge-planter Anlagen werden abgeleitet.
Abstract
The subject of this thesis is the absorption of mercury in wet flue gas cleaning sys-tems. The influence of temperature, pH value, redox potential and ligand concentra-tion on the removal of mercury are considered. For the first time, the ratio of the ligand concentration and the concentration of bivalent mercury in the washing liquid is introduced into the study and the influence of different ligands is investigated. A theoretical model is developed based on thermodynamics, complex- and electro-chemistry. This model leads to an improved understanding of the ligand exchange reactions during the washing process. Calculations of thermodynamic equilibrium by minimizing Gibbs-energy complete the investigations with regard to the equilibrium of the mercury complexes and the Hen-ry-behaviour of the volatile species. Proceeding in this way allows both the cause and magnitude of the influencing pa-rameters to be evaluated. The investigations point to the influence of ligand strength and ligand excess in relation to the concentration of bivalent mercury in the washing
Kurzfassung
XIV
liquid as major factors on the removal of bivalent mercury. The influence of tempera-ture, redox-potential and pH value is less significant. The results are validated by data obtained at waste incineration plants during com-mercial operation. The importance of the results to wet flue gas cleaning systems is highlighted. Proposals are made for optimizing existing plants and for the design of prospective new plants.
1 Einführung in das Thema
1
1 Einführung in das Thema
Die Emission gasförmigen Quecksilbers in die Umwelt stellt ein ernstzunehmendes Problem dar, da Quecksilber langfristig im Kreislauf zwischen Erdoberfläche und Atmosphäre verbleibt. Dies führt dazu, dass sich über lokale Emissionen die globale Konzentration des Quecksilbers in der Umwelt erhöht und es sich langfristig über Bioakkumulation in der Nahrungskette anreichert [1].
Zu den Hauptquellen anthropogener Quecksilberemissionen in Industriegesellschaf-ten zählen Verbrennungsprozesse, vor allem Abfallverbrennungsanlagen, Kraftwerke und Zementwerke [2].
1.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen
Aufgrund dieser Ausgangslage hat sich der Gesetzgeber schon früh mit der Begren-zung von entsprechenden Quecksilberemissionen befasst. In Deutschland werden die Emissionen aus Feuerungsanlagen seit 1974 durch die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA-Luft) begrenzt. Mit der 13. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (13. BImSchV) wurde 1983 zudem ein spezi-ell für Kraftwerke geltendes Regelwerk erlassen. Schließlich wurde 1990 mit Einfüh-rung der 17. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (17. BImSchV) für Abfallverbrennungsanlagen eine deutliche Verschärfung der bis dahin geltenden Grenzwerte durchgesetzt. Tabelle 1 zeigt diese Entwicklung in Be-zug auf die Schwermetalle im Überblick [3], [4].
Tabelle 1: Entwicklung der gesetzlichen Emissionsgrenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen
TA-Luft 1974 TA-Luft 1986 17. BImSchV 1990 17. BImSchV 2003 Einheit mg/m³ mg/m³ mg/m³ mg/m³
Bezug im Normzustand, feucht
im Normzustand, trocken
im Normzustand, trocken
im Normzustand, trocken
11 % O2 11 % O2 11 % O2 11 % O2
kontinuierliche Messung TMW HMW Hg 0,03 0,05
Schwermetalle; Angabe als Mittelwert über Probenahme
Klasse I Pb, Cd, Cr, Ni, Hg, Se, Tl, V, Te
Hg, Tl, Cd 0,2 Cd, Tl 0,05 Cd, Tl 0,05
20 Hg 0,05
TMW: Tagesmittelwert HMW: Halbstundenmittelwert
1 Einführung in das Thema
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In der TA-Luft wurde Quecksilber mit der Summe der Schwermetalle der Klasse I erfasst. Mit Einführung der 17. BImSchV wurden die für Abfallverbrennungsanlagen zulässigen Schwermetallemissionen gegenüber anderen Feuerungsanlagen deutlich herabgesetzt und zudem ein Einzelgrenzwert für Quecksilber von 0,05 mg/m³ i. N. tr. festgesetzt. Diese differenzierte Betrachtung der unterschiedlichen Schadstoffe führte zu einer Erhöhung der technischen Standards für Abgasreinigungsanlagen hinter Abfallverbrennungen.
Mit der Novellierung der 17. BImSchV vom 14.08.2003 wurde die EU-Richtlinie 200/76/EG in deutsches Recht überführt. Während die Bestimmungen für die Mit-verbrennung von Abfällen direkt übernommen wurden, wurde der Quecksilbergrenz-wert auf 30 µg/m³ i. N. tr. gesenkt (EU-Richtlinie 50 µg/m³ i. N. tr.).
Im Bereich der mit Stein- oder Braunkohle befeuerten Kraftwerke stellte sich die Frage nach einer effektiven Quecksilberabreinigung lange Zeit nicht. Der Quecksil-bergehalt der Kohlen schwankt stark nach Abbaugebiet, ist aber i. d. R. so niedrig, dass die resultierenden Abgaskonzentrationen weit unter dem Grenzwert liegen. Daran hat auch die Festsetzung eines Quecksilberemissionsgrenzwertes mit der Novellierung der 13. BImSchV von 2004 nichts geändert, für die in Bezug auf die Schwermetalle die Regelungen der 17. BImSchV übernommen wurden.
Für die Mitverbrennung von Abfällen in Kraftwerken bedeutet die Einführung eines festen Grenzwertes von 30 µg/m³ i. N. tr. sogar eine Lockerung der gesetzlichen Auflagen. Bis dato wurde der einzuhaltende Quecksilbergrenzwert über eine Misch-rechnung ermittelt, die anteilig den für Abfallverbrennungen geltenden Grenzwert berücksichtigte. Die daraus resultierenden Werte lagen um den Faktor 2 bis 3 unter-halb des jetzt zulässigen Grenzwertes [5].
Hier wird deutlich, dass im Sinne einer Reduzierung des Gesamtausstosses in die Atmosphäre ein konzentrationsbezogener Grenzwert für Kraftwerke zu kurz greift. Aufgrund der sehr großen Abgasvolumina leisten Kraftwerke auch bei Konzentratio-nen deutlich unterhalb des Grenzwertes einen erheblichen Beitrag an den Gesamt-quecksilberemissionen.
Im Gegensatz zur europäischen Gesetzgebung wird in den USA eine Reduzierung des Gesamtquecksilberausstosses angestrebt. Die Clean Air Mercury Rule (CAMR) der US Environmental Protection Agency (EPA) vom 15.03.2005 hat zum Ziel, die emittierte Quecksilberfracht bis 2010 um 7 t/a und bis 2018 um weitere 23 t/a auf 15 t/a zu senken [6]. Zum Erreichen dieses Zieles werden je nach lokaler Gesetzge-bung z. B. für Kraftwerksneubauten unabhängig vom Konzentrationsniveau Queck-silberabscheidegrade beauflagt. Auch die Einführung einer Verschmutzungsgebühr
1 Einführung in das Thema
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wird diskutiert, um einen wirtschaftlichen Anreiz zur Senkung der Quecksilberemissi-onen zu bieten.
Als Fazit ist festzuhalten, dass auch im Bereich der Kraftwerkstechnik Quecksilber einer definierten Senke zugeführt werden sollte. Sollte die Diskussion frachtbezoge-ner Grenzwerte aufgegriffen werden, die restriktive Genehmigungspraxis im europäi-schen Ausland für Neu-Anlagen mit deutlich abgesenkten Grenzwerten als Standar-danforderungen auch von anderen Ländern inklusive Deutschland übernommen werden oder ein gesetzlicher Grenzwerte für Quecksilber im Gips eingeführt werden, wird der Druck auf die Betreiber steigen, eine verbesserte Quecksilberabscheidung sicher zu stellen.
Dazu kommt, dass aufgrund der Rohstoffsituation die Mitverbrennung von Klär-schlamm und Abfällen in industriellen Anlagen an Attraktivität gewinnt. Anlagen zur Mitverbrennung von Abfällen fallen aber seit 2003 in den Gültigkeitsbereich der 17. BImSchV. Die Mitverbrennung von Abfällen in Zementwerken und sonstigen industriellen Feuerungsanlagen stellt daher neue Anforderungen an die dort instal-lierte Technik besonders in Bezug auf den durch den veränderten Brenn-/Rohstoff erhöhten Eintrag an Quecksilber in diese Systeme [5].
1.2 Quecksilber: Eigenschaften und Verhalten in Feuerung und Abgasweg
Das Element Quecksilber gehört zu den Edelmetallen. Es ist als einziges Metall bei Umgebungsdruck und -temperatur flüssig: Schmelzpunkt -39°C, Siedepunkt +357°C. Auch unterhalb des Siedepunktes kann Quecksilber entsprechend seinem Dampf-druck gasförmig vorliegen. Abbildung 1 zeigt die Dampfdruckkurve von Quecksilber:
1,E-09
1,E-07
1,E-05
1,E-03
1,E-01
-50 0 50 100 150 200 250 300 350
Temperatur [°C]
Dam
pfd
ruck
[P
a]
Dampfdruckkurve
Abbildung 1: Dampfdruckkurve von Quecksilber, Daten aus [7]
Die technisch relevanten Eigenschaften wie z. B. Dampfdruck, Aggregatzustand und Löslichkeit in Wasser sind mit der chemischen Bindungsform gekoppelt, in der das Quecksilber vorliegt. Die in der Praxis gebräuchliche Einteilung aller möglichen Ver-
1 Einführung in das Thema
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bindungsformen des Quecksilbers nach der Oxidationsstufe, auch „Wertigkeit“ ge-nannt, ist in Tabelle 2 wiedergegeben:
Tabelle 2: Quecksilberspezies
Oxidationsstufe Name Kürzel Beispiele
0 elementares oder metallisches Quecksilber
Hg(0) Hg(0)
Quecksilber-Metall
+1 einwertiges Quecksilber Hg(I) Hg2Cl2
+2 zweiwertiges Quecksilber Hg(II) HgCl2, HgBr3
-, HgCl4
2-, Hg3TMT2
Der vom Gesetzgeber verhängte Emissionsgrenzwert umfasst alle Verbindungsfor-men als „Gesamt-Quecksilber“.
Im Hausmüll war Quecksilber im Mittel in Konzentrationen zwischen 2 bis 4 Gramm pro Tonne enthalten, was zu Quecksilberkonzentrationen im Abgas hinter der Ver-brennung von 200 µg/m³ i. N. tr. bis 600 µg/m³ i. N. tr. führte. Durch die Abfallsortie-rung wurden wesentliche Quellen wie Leuchtstoffröhren und Batterien aus dem Hausmüll entfernt, so dass in den letzten Jahren der Gesamteintrag in Siedlungsab-fallverbrennungsanlagen rückgängig war [8].
Die mit dem Brennstoff in die Verbrennung eingetragenen Schadstoffe verteilen sich auf die Austrittsströme Schlacke, Kesselasche, Flugasche und Abgas. Die Aufteilung auf diese Pfade hängt von den thermodynamischen Eigenschaften der jeweiligen Spezies ab und wird vereinfachend durch sogenannte Transferfaktoren charakteri-siert. Zur Bestimmung dieser Transferfaktoren wurden zahlreiche Untersuchungen durchgeführt, z. B. Reimann [9], [10], Belevi [11], Morf [12]. Die Transferfaktoren sind von vielen Parametern abhängig wie z.B. Abfallzusammensetzung, Feuerungssys-tem und Feuerraumgeometrie, Betttemperatur und Rauchgasführung.
Die durch die Verbrennung in die Gasphase überführten Schwermetalle lagern sich mit Ausnahme des Quecksilbers bei den üblichen Kesselaustrittstemperaturen (< 200°C (Anfang Reisezeit) und < 260°C (Ende Reisezeit)) abhängig vom Tempera-turverlauf entlang des Gasweges an den Stäuben an.
Quecksilber hingegen verbleibt zum großen Teil in der Gasphase. Das Quecksil-berinventar im Abfall wird im Feuerraum zunächst vollständig als gasförmiges metal-
1 Einführung in das Thema
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lisches Quecksilber freigesetzt. Beim Abkühlen reagiert das Metall mit im Abgas enthaltenen Chlor Cl2 und Chlorwasserstoff HCl und liegt bei ausreichend hohem Cl-Angebot schon ab Temperaturen kleiner 400°C fast vollständig als Quecksilber(II)-Chlorid HgCl2 vor. Bei chloridarmen und schwefelreichen Brennstoffen wie Klär-schlamm und Kohle verbleibt ein wesentlicher Teil des Quecksilbers in der elementa-ren Form als Hg(0).
Während der Einfluss der Brennstoffzusammensetzung und hier im Wesentlichen der Anteil der Halogenide und des Schwefels auf die Quecksilberspezies messtech-nisch nachgewiesen werden konnten, sind die im Feuerraum und Kessel ablaufen-den Reaktionen noch nicht vollständig aufgeklärt [13], [14], und [15].
Elementares Quecksilber Hg(0) ist kaum wasserlöslich und deshalb wesentlich schwieriger aus dem Abgasstrom abscheidbar als Hg(II), das sich gut in die wässrige Phase überführen lässt. Deshalb ist die Abgaswäsche zur Abscheidung des zwei-wertigen Quecksilbers aus dem Abgasstrom eine etablierte Technik. Alternativ dazu gewinnen adsorptive Verfahren, z. B. die Dosierung von Aktivkohlen in den Ab-gasstrom mit anschließender Abscheidung der Stäube an einem Gewebefilter zu-nehmend an Bedeutung. Diese sind jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Ar-beit und werden deshalb nicht näher diskutiert.
1.3 Stand der Technik der absorptiven Abgasreinigung
Moderne Müllverbrennungsanlagen verfügen über mehrstufige Systeme zur Abreini-gung der Schadstoffe aus dem Abgasstrom. Generell wird zwischen trockenen, qua-sitrockenen und nassen Reinigungsanlagen unterschieden. Inzwischen sind alle Techniken soweit ausgereift, dass vergleichbare Abreinigungsleistungen erzielt wer-den können [16]. Während trockene und quasitrockene Systeme sich durch niedrige Investitions- und Betriebskosten bei vergleichsweise einfacher Anlagentechnik aus-zeichnen, liegen die Stärken der nassen Gasreinigung darin, sehr niedrige Schad-stoffkonzentrationen bei minimiertem Reststoffanfall zu realisieren. Besonders nach Einführung der 17. BImSchV und dem darin verankerten Gebot der Verwertung der anfallenden Reststoffe wurden durch die Möglichkeit der selektiven Abscheidung der Schadstoffe nasse Gasreinigungsverfahren bevorzugt umgesetzt [4]. Die selektive Abscheidung der Schadstoffe ermöglicht eine Aufbereitung dieser zu Wertstoffen (z. B. Kochsalz, Gips und Salzsäure). Wertstoffe aus Abfallverbrennungsanlagen wurden vom Markt jedoch nicht angenommen, so dass die salzhaltigen Abwässer der Wäscher überwiegend aufgetrocknet und die Reststoffe Untertage deponiert werden.
1 Einführung in das Thema
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1.3.1 Abscheidemechanismen bei der Gaswäsche
In einem Abgaswäscher wird das Abgas in intensiven Kontakt mit einer Waschflüs-sigkeit gebracht. Qualität und Quantität der Austauschfläche haben dabei entschei-denden Einfluss auf die Effizienz der Abgasreinigung. Die Abscheidung eines Stoffes aus der gasförmigen in die flüssige Phase erfolgt über die folgenden Teilschritte:
- Konvektion der Schadgasmoleküle aus der Gasphase zur Gasgrenzschicht, - Diffusion der Moleküle durch die Gasgrenzschicht bis zur Phasengrenzfläche, - Übergang der Moleküle in die Waschflüssigkeitsgrenzschicht, - Diffusion der Moleküle durch die Waschflüssigkeitsgrenzschicht, - Diffusion oder Konvektion der Moleküle aus der Waschflüssigkeitsgrenzschicht in
das Innere der Waschflüssigkeit und - (gegebenenfalls) chemische Reaktion in der Waschflüssigkeit.
Abbildung 2 zeigt die schematische Darstellung der Absorption.
pi Flüssigkeits- grenzschicht
ci Gr
Gas-
grenzschicht ci
Phasengrenzfläche
pi Gr
cp
pi Flüssigkeits- grenzschicht
ci Gr
Gas-
grenzschicht ci
Phasengrenzfläche
pi Gr
ccpp
Abbildung 2: Konzentrationsverlauf bei der Absorption, Darstellung aus [17]
Während in technischen Anwendungen der Stofftransport in der Gasphase überwie-gend durch erzwungene Konvektion beeinflusst wird, spielt in Flüssigkeiten der Stofftransport durch Diffusion eine große Rolle und kann zum geschwindigkeitsbe-stimmenden Schritt werden. In der Grenzfläche zwischen Gas und Flüssigkeit kann der Stofftransport nur durch Diffusion stattfinden [18], [19], [20].
Dementsprechend werden Wäscher so konzipiert, dass eine große Stoffaustausch-fläche zwischen Gas und Flüssigkeit angeboten und durch erzwungene Konvektion in der Gasphase stetig das maximal treibende Konzentrationsgefälle zwischen Gas und Flüssigkeit aufrechterhalten wird.
Darüberhinaus kann eine Verbesserung der Wäsche durch Veränderung der das Gleichgewicht beeinflussenden Parameter erfolgen, wie z. B. pH-Wert oder Konzen-trationen der Stoffe in der Flüssigkeit. Durch Zudosierung eines Sorbens können
1 Einführung in das Thema
7
chemische Reaktionen initiiert werden, die den zu absorbierenden Stoff dem Gas-Flüssig-Gleichgewicht entziehen und damit zu einer Verbesserung der Abscheidung führen.
1.3.2 Anlagenkonzepte
Je nach Rohgasbeladung, Reingaszielwert, Waschwasserzusammensetzung und Reststoffqualität kommen unterschiedliche Bauformen zum Einsatz. Im Gegenstrom werden Bodenkolonnenwäscher, Füllkörperwäscher und Sprühturm- oder Düsenwä-scher betrieben, Beispiele für Gleichstromwäscher sind Radialstromwäscher und Venturiwäscher. Im Anhang A sind beispielhaft die Prinzipskizzen und Funktionsbe-schreibungen eines Venturiwäschers ohne Neutralisationsmittelzudosierung, eines Sprühturmwäschers zur Erzeugung von Gips und eines Füllkörperwäschers zur Ab-scheidung von SO2 unter Zudosierung von Natronlauge abgebildet.
Venturiwäscher werden bevorzugt als erste Waschstufe eingesetzt. Vorteile sind die sichere Abkühlung der noch heißen Abgase bis auf Kühlgrenztemperatur und die gute Abscheidung von Feinstäuben. Die Durchmischung des Gases mit der Flüssig-keit wird durch einen im Vergleich zu anderen Bauformen hohen Druckverlust er-zeugt, der sich nachteilig auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt.
Ist die Waschflüssigkeit mit Feststoffen beladen, kommt ein Sprühturm- oder Sprühdüsenwäscher zum Einsatz. Dieser Wäschertyp hat sich z. B. als Komponente zur Rauchgasentschwefelung hinter Kohlekraftwerken bewährt. Bei Einsatz einer calciumhaltigen Base entsteht mit dem zu Sulfat oxidierten Schwefeldioxid des Ab-gases Gips.
Füllkörperwäscher kommen bei nahezu feststofffreien Waschlösungen zum Einsatz. Außerdem muss das Gas bei Eintritt in den Wäscher nahezu gesättigt sein, um eine thermische Schädigung der Einbauten durch heiße Abgassträhnen auszuschließen. Beispiele für den Einsatz hinter Abfallverbrennungsanlagen sind ein zweistufiges System zur Erzeugung von Rohsalzsäure ohne Neutralisationsmittel oder die Abrei-nigung von SO2 unter Zudosierung von Natronlauge in einer Waschstufe.
In der industriellen Praxis haben sich mehrstufige Systeme etabliert. Die Kombinati-on unterschiedlicher, hintereinander geschalteter Wäschertypen ermöglicht die se-lektive Abscheidung der Schadstoffe aus dem Abgas bei Auswahl des für die jeweili-gen Betriebsbedingungen und Zielvorstellungen der Betreiber optimalen Systems.
Obwohl inzwischen aufgrund des hohen Investitions-, Betriebs- und Wartungsauf-wandes auf die Umsetzung einer Wäsche zugunsten trockener und quasitrockener Systeme verzichtet wird, sind immer noch 42 der rund 65 in der Bundesrepublik
1 Einführung in das Thema
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Deutschland betriebenen Siedlungsabfallverbrennungsanlagen (Stand 2007) mit einer ersten sauren Wäsche und mindestens einer nachgeschalteten, neutral betrie-benen Waschstufe ausgestattet. Dabei dient die erste Waschstufe der Abscheidung der sauren Schadstoffkomponenten wie HCl und HBr. In der zweiten Waschstufe wird dann das noch im Abgas verbliebene SO2 abgeschieden.
Abgasreinigungen hinter Kohlekraftwerken sind in der Bundesrepublik und im euro-päischen Ausland mit einem Wäscher zur Entschwefelung ausgestattet. Es finden sich auch Anlagen, die zusätzlich über einen sauer betriebenen Vorwäscher verfü-gen. Welt-weit gesehen bestehen Abgasreinigungen hinter Kohlekraftwerken noch zu einem großen Teil aus trockenen Systemen.
1.3.3 Maßnahmen zur Verbesserung der Quecksilberabscheidung
Ohne weitere Maßnahmen kann nur zweiwertiges Quecksilber gut durch eine Wä-sche abgeschieden werden. Deshalb ist für Anlagen, bei denen Quecksilber hinter der Verbrennung zu einem erheblichen Anteil in der elementaren Form vorliegt (wie z.B. Klärschlammverbrennungsanlagen und Kohlekraftwerke), die Oxidation des Quecksilbers in der Gasphase erste Maßnahme zur Verbesserung der Abscheidung. Verfahren zur Oxidation des Quecksilbers sind deshalb auch das bestimmende Thema im Bereich der Kraftwerkstechnik, was z. B. die Beiträge auf dem MEGA-Symposium 2008 in Baltimore zeigen [21], [22], [23], [24], [25], [26].
Untersuchungen, die sich mit dem Verhalten von Quecksilber in Wäschern zur Ent-schwefelung (Flue Gas Desulphurisation, FGD) befassen, wurden von Gutberlet et al. durchgeführt. Versuche an Großanlagen von 1992 [27] stellen den Einfluss oxi-dierender und reduzierender Verhältnisse im Absorber auf die Löslichkeit von bzw. auf die Wiederfreisetzung bereits gelösten Quecksilbers heraus. Durch Drosselung der Oxidationsluftmenge an einem Kalksteinwäscher kann das aus dem Abgas ab-geschiedene SO2 nicht mehr vollständig zum Sulfat oxidiert werden. Mit steigender Sulfitkonzentration und niedrigem Redoxpotenzial (als Mischpotenzial) steigt daher der im Reingas gemessene Quecksilberwert. Die unbefriedigende Quecksilberab-scheidung des dem Kalksteinwäscher vorgeschalteten, sauer betriebenen Vorwä-schers wird auf einen unzureichenden Stofftransport zurückgeführt.
Ein weiterer Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen der Quecksilberabschei-dung und dem Redox-Potenzial der Waschflüssigkeit findet sich im Bereich der Son-dermüllverbrennung im Beitrag von Keller [28]. Hier wird das Potenzial des Redox-paares Hg2+/Hg0 in Gegenwart von überschüssigem Chlorid aus der Nernst’schen Gleichung (Gl. 1) und den Komplexbildungskonstanten berechnet.
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9
red
ox0
a
aln
Fz
TREE ⋅
⋅
⋅+= Gl. 1
Die Differenz zwischen dem berechneten Potenzial und dem mit Hilfe einer Redox-elektrode gemessenen Mischpotenzial der Waschflüssigkeit wird zu den hinter einer zweistufigen Wäsche (sauer/neutral) gemessenen Gesamt-Quecksilberkonzentratio-nen in Beziehung gesetzt. Die Quecksilberemission ist umso geringer, je größer diese Potenzialdifferenz ausfällt. Leider werden die Anteile von Hg(II) und Hg(0) an der Gesamt-Quecksilberemission im Reingas ebenso wenig mitgeteilt wie die Kon-zentrationen der Quecksilber-Spezies im Rohgas bzw. zwischen den Waschstufen und damit die Anteile der einzelnen Waschstufen an der Gesamt-Abscheideleistung. Damit kann der beobachtete Netto-Effekt ursächlich nicht vollständig erfasst werden.
Im Bereich der Abfallverbrennung dient die Einstellung eines niedrigen pH-Wertes in der ersten Waschstufe neben der Unterdrückung der SO2-Abscheidung auch der Verbesserung der Quecksilberabscheidung. Diese Vorgehensweise basiert auf wis-senschaftlichen Untersuchungen, aus denen der Schluss gezogen wurde, dass ein niedriger pH-Wert eine gute Quecksilberabscheidung gewährleiste, siehe z. B. Vogg 1984 [29].
Als Konsequenz wurde eine saure Wäsche zur Sicherstellung einer guten Quecksil-berabscheidung als „Beste verfügbare Technik“ festgeschrieben. Laut dem Refe-rence Document on the Best Available Techniques for Waste Incineration, Juli 2005, S. 374 [30] kann durch die Einstellung eines pH-Wertes < 1 ein Abscheidegrad von zweiwertigem Quecksilber von > 95 % erreicht werden.
Damit wird ein eindeutiger Zusammenhang zwischen pH-Wert und Hg-Abscheidegrad unterstellt, der die Auslegung eines Wäschers auf einen Hg-Abscheidegrad erlaubt.
Demgegenüber wird im wissenschaftlichen Umfeld schon seit mehreren Jahren diskutiert, dass der pH-Wert auf die Konzentration von zweiwertigem gasförmigem Quecksilber im Reingas hinter einer betrachteten Waschstufe keinen Einfluss hat. Die wichtigsten Veröffentlichungen dazu sind im Folgenden zusammengefasst:
Bereits 1986 fanden Braun, Metzger und Vogg [31], [32], dass die Komplexbildung einen Einfluss auf die Abscheidewirksamkeit von Nasswaschverfahren haben muss. Aufgrund der hohen Chloridkonzentrationen hinter Abfallverbrennungsanlagen wird vor allem die Bildung der Quecksilberchlorokomplexe HgCl2, HgCl3
- und HgCl42-
erwartet. Auch das Vorhandensein von Quecksilberbromo- und -jodokomplexen wird nicht ausgeschlossen, allerdings wird die Konzentration dieser Komplexe als ver-nachlässigbar klein eingeschätzt. Laboruntersuchungen ergeben eine Abhängigkeit
1 Einführung in das Thema
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des Quecksilbergehaltes der flüssigen Phase vom pH-Wert für konstante Chlorid-konzentrationen. Die Freisetzung von Quecksilber aus der flüssigen Phase wird auf eine mögliche Reduktion des zweiwertigen Quecksilbers zu elementarem durch gelöstes SO2 zurückgeführt. Dabei wird vermutet, dass es zur Bildung von einwerti-gem Quecksilber als Hg2Cl2 und nachfolgender Disproportionierung zu HgCl2 und Hg(0) kommt. Zur Verbesserung der Quecksilberabscheideleistung von Abgaswä-schern werden eine niedrige Waschwassertemperatur, die Zugabe von oxidierenden Additiven sowie das Vorschalten eines Wasserquenches vor die Wäsche zur Ver-meidung des Kontaktes von quecksilberhaltigem Wäscherkreislaufwasser mit dem heißen Abgas empfohlen.
Die Schlussfolgerungen, die Braun, Metzger und Vogg [31], [32] aus ihren Untersu-chungen ableiteten, werden bis heute zur Beschreibung des Verhaltens von Queck-silber in der Wäsche herangezogen, wie z. B. die im Jahr 2000 vom Landesumwelt-amt Nordrhein-Westfalen veröffentlichte Studie [33] oder die Studie von Gebhard [34] aus 2005 zeigen.
1992 wiesen Pieper und Fahlenkamp [35] auf den Einfluss durch Chlorid und stärke-re Komplexbildner sowohl auf die Gas-Flüssig-Gleichgewichtslage und damit die Abscheideleistung, als auch auf die Lage der Redoxpotenziale, also auf die Um-wandlung in metallisches Quecksilber hin, das als Gas freigesetzt wird. Gezielte Untersuchungen zum Einfluss der Komplexbildung unabhängig vom pH-Wert finden sich hier jedoch nicht.
Die Aussage, dass der pH-Wert aus thermodynamischer Sicht die Komplexbildung nicht beeinflusst, findet sich 1998/99 in den Arbeiten von Krissmann et al. [36] und Krissmann [37]. Für das Stoffsystem SO2-HgCl2-HCl-H2O wurden fehlende Stoffda-ten experimentell ermittelt. Die theoretischen Betrachtungen führten zur Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts unter Berücksichtigung der Quecksil-berchlorokomplexe HgCl3
- und HgCl42-.
2003 bestätigten Kanefke et al. [38] durch Labormessungen, dass der Partialdruck von Hg(II)-Halogeniden über ihrer wässrigen Lösung nicht vom pH-Wert abhängt.
Weitere systematische Untersuchungen zum Verhalten von Quecksilber in wässri-gen Systemen finden sich bei Kanefke [15]. Diese Untersuchungen nehmen die theoretischen Betrachtungen der eigenen Arbeiten aus 2005 auf [39] und veröffentli-chen erstmals experimentelle Ergebnisse zur Komplexierung und zur Reduktion gelöster Quecksilberkomplexe im Vergleich von Chlorid und Bromid als mögliche Liganden. Ausgehend vom Verfahren der bromgestützten Oxidation des Quecksil-bers in der Verbrennung [40] finden sich hier vorrangig Untersuchungen zum Verhal-ten der Quecksilberbromokomplexe.
1 Einführung in das Thema
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Zunächst führt die Untersuchung der Temperaturabhängigkeit des Hg(II)-Dampfdrucks über der Waschlösung zur experimentellen Ermittlung der Henry-Koeffizienten sowohl für HgCl2 als auch für HgBr2. Eine Berechnungsvorschrift wird aus dem Gesetz nach Clausius-Clapeyron und dem Henry’schen Gesetz abgeleitet und an die empirischen Daten angepasst.
Kanefke postuliert, dass die Komplexierung des gelösten zweiwertigen Quecksilbers bis zur Löslichkeitsgrenze des betrachteten Quecksilberkomplexes nur vom Ligan-denangebot abhängt. Die absolute Hg(II)-Konzentration hat keinen Einfluss auf die Komplexierung. Seinen Untersuchungen zu Folge reichen für das System HgCl2-HCl-H2O 16,45 g/l Cl- aus, um das im Wasser gelöste Hg(II) zu 95 % zu komplexie-ren. Dieses gilt bis zu einer Konzentration von 10 g/l Hg(II) als HgCl2. Bei Vorlage von HgBr2 werden 6,27 g/l Br- zur 95 %igen Komplexierung des Hg(II) benötigt. Im System HgBr2-HCl-H2O wurde die Hg(II)-Konzentration bis zu 1 g/l angehoben. Die Labormessungen zeigen, dass es dabei unerheblich ist, ob das für die Komplexie-rung bereitgestellte Halogenid als Säure oder als Salz dem System zudosiert wird. Als weiteres Ergebnis wird festgehalten, dass sowohl die Zudosierung von Chlorid als auch die Zudosierung von Bromid zur Überführung des HgBr2 in anionische Komplexe führt. Für die Komplexierung sind allein die Art und die Konzentration des komplexbildenden Liganden entscheidend, die Art des molekular gelösten Quecksil-bers ist unerheblich.
Berechnungen des thermodynamischen Gleichgewichts zeigen, dass die Reduzie-rung von zweiwertigem gelöstem zu elementarem Quecksilber durch Sulfit begüns-tigt ist. Diese Voraussage konnte für HgCl2 und HgBr2 durch Labormessungen bestä-tigt werden. Demgegenüber weisen die experimentellen Untersuchungen den Ein-fluss der Komplexbildung auf die Reduktion des Hg(II) zu Hg(0) nach. Mit steigen-dem Komplexierungsgrad nimmt die Menge des reduzierten Quecksilbers und damit die im Abgas gemessene Quecksilberkonzentration ab. Bei vollständiger Komplexie-rung des gelösten Quecksilbers zum HgX4
2- ist die Freisetzung von elementarem Quecksilber durch sulfitische Reduktion zu vernachlässigen. Das Redoxpotenzial eignet sich dabei nicht als Maß, aus dem Aussagen zur Reduzierbarkeit abgeleitet werden können.
1.4 Aufgabenstellung
Diese Ausführungen machen deutlich, dass das Verhalten von Quecksilber in Ab-gaswäschen noch nicht vollständig verstanden wurde. Wesentliche Einflussparame-ter können bisher in Ursache und Wirkung nicht belastbar zugeordnet werden. Der Komplexbildung wird ein Einfluss eingeräumt, die Ansätze beschränken sich jedoch auf die Bildung von Quecksilberkomplexen mit nur einer Ligandenart.
1 Einführung in das Thema
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Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, ein theoretisches Modell zur Beschreibung des Verhaltens von Quecksilber in Abgaswäschen zu entwickeln, das zu einem verbes-serten Verständnis der komplizierten Vorgänge führt. Insbesondere soll es ermögli-chen, den Einfluss unterschiedlicher Liganden auf die Komplexbildung des Quecksil-bers zu qualifizieren.
Die Validierung des Modells soll anhand von in der Literatur verfügbaren Daten er-folgen.
Aus den Ergebnissen der Modellrechnungen sollen Maßnahmen zur Optimierung bestehender und geplanter Anlagen abgeleitet werden.
2 Grundlagen zur Modellentwicklung
13
2 Grundlagen zur Modellentwicklung
2.1 Begriffsdefinitionen
Komplex und Liganden
Das Wort „Komplex“ leitet sich vom lateinischen Partizip „complexus“ des Verbs „complecti“ ab, und bedeutet „umarmen, umschließen“.
Ein Komplex, auch Koordinationsverbindung genannt, wird durch Anlagerung von ein- oder mehratomigen Gruppen an ein Zentralatom (meist ein Metallion) gebildet. Die angelagerten Moleküle oder Ionen werden als Liganden bezeichnet. Im Komplex HgCl4
2- ist Hg2+ das Zentralatom und Cl- sind die Liganden.
Löslichkeit
Die Eigenschaft eines Stoffes, sich in einem Lösungsmittel homogen zu verteilen (als Atome, Moleküle oder Ionen), wird als Löslichkeit bezeichnet.
Der Begriff „Löslichkeit“ wird dabei zum einen verwendet, um qualitativ zu beschrei-ben, wie gut sich ein Stoff in einem Lösemittel verteilt. Ein Stoff kann schwer löslich, begrenzt löslich oder leicht (unbegrenzt) löslich in dem Lösemittel sein.
Zum anderen wird der Begriff „Löslichkeit“ dazu verwendet, die maximale Konzentra-tion des einen Stoffes in dem anderen anzugeben, in dem das Gemisch unter Gleichgewichtsbedingungen noch einphasig ist.
Je nach dem, um welche Stoffe es sich handelt, gibt es unterschiedliche Berech-nungsvorschriften zur Ermittlung der Löslichkeit. Die Löslichkeit von Gasen in Flüs-sigkeiten z. B. wird durch den Koeffizienten aus der in der Flüssigkeit gelösten Gas-menge (die im Diffusionsgleichgewicht mit dem Gasraum steht) bezogen auf den Druck des Gases angegeben. Die Löslichkeit von Feststoffen ist diejenige, bei der gerade kein Feststoffrückstand als zusätzliche Phase verbleibt.
Referenzzustand / -system
In der Chemischen Thermodynamik werden die Eigenschaften von Gemischen unter Einführung geeigneter Referenzsysteme auf Reinstoffdaten oder auf ein binäres Referenzgemisch zurückgeführt. Dabei handelt es sich um hypothetische Systeme, in denen die Konzentrationsabhängigkeit exakt definiert ist und sich aus den für die Referenzzustände tabellierten Daten berechnen lässt.
2 Grundlagen zur Modellentwicklung
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Die Stoffdaten sind gewöhnlich für Standardbedingungen (T0 = 298,15 K und p0 = 1 MPa) tabelliert und werden dann Standarddaten genannt.
In der Thermodynamik haben sich das ideale Gas (Index ig), die ideale Lösung
(Index iL) und die ideal verdünnte Lösung (Index ivL) als Referenzsysteme etab-liert. Die dazugehörigen Referenzzustände sind der Reinstoff im Idealgaszustand, als Flüssigkeit und als Feststoff, sowie die ideal verdünnte Lösung bei einer definier-ten Bezugskonzentration [41].
2.2 Quecksilber-Komplexe in wässrigen Systemen
Hg(II) liegt in der Gasphase als linear gebautes X-Hg-X mit kovalenten X-Hg-Bindungen vor. Es löst sich recht gut in Wasser und geht mit den Bindungspartnern X in die Waschflüssigkeit über. In der wässrigen Lösung bleibt die kovalente moleku-lare Struktur des Moleküls erhalten, HgX2 dissoziiert (fast) nicht [42]. Gemäß Gl. 2 steht das undissoziiert gelöste HgX2 im unmittelbaren Gleichgewicht mit seiner Kon-zentration in der Gasphase. X steht hierbei für einen beliebigen Liganden wie z. B. Cl-, Br- oder H2O.
HgX2 (aq) ↔ HgX2 (g) Gl. 2
Sobald das Waschwasser einen Ligandenüberschuss z. B. aus gelösten Säuren oder Salzen enthält, reagiert HgX2 mehr oder weniger unter Bildung nicht flüchtiger, hier anionischer Komplexe zu HgX3
- und HgX42-.
HgX2 (aq) + 2 X-(aq) � HgX3
-(aq) + X
-(aq) � HgX4
2-(aq)
Gl. 3
Die geladenen Spezies nehmen am Gas-Flüssig-Gleichgewicht nicht mehr teil, da sie die flüssige Phase nicht verlassen können, ohne die Elektroneutralitätsbedingung der Phase zu verletzen. Darüber hinaus tragen Ionen eine Hydrathülle, die sie bei der Verdampfung abstreifen müssten. Dazu wäre der Eintrag der Energie erforder-lich, die das System durch die Hydration gewonnen hat (Hydrations-Energie).
Während die ungeladenen Komplexe in der wässrigen Phase lineare Moleküle mit Bindungswinkeln von 180° bilden, ist die räumliche Anordnung der höher koordinier-ten Komplexe nicht vollständig geklärt [43].
Der Sammelbegriff Hg(II)aq umfasst die Quecksilberspezies Hg2+, HgX+, HgX2, HgX3-,
HgX42-. Prinzipiell liegen alle Spezies im Gleichgewicht vor. Sind Liganden im Über-
schuss vorhanden, d. h. das Verhältnis X-(aq) zu Hg2+
(aq) ist >1 sind die Spezies Hg2+
und HgX+ jedoch nicht mehr nachweisbar. Die Gleichgewichtslage hängt vom Ligan-
2 Grundlagen zur Modellentwicklung
15
denangebot ab und verschiebt sich mit steigender Ligandenkonzentration auf die Seite der „durchkomplexierten“ HgX4
2- -Spezies (siehe hierzu Kapitel 3.1).
Eine Aussage über die Gleichgewichtslage der Komplexbildung liefern die Gleichge-wichtskonstanten. Für Komplexreaktionen werden diese in der Literatur häufig als „Stabilitätskonstanten“ und ihr Zahlenwert als „Ligandenstärke“ bezeichnet. In Tabel-le 3 sind eine Reihe für die Quecksilberkomplexbildung interessante Liganden aufge-listet.
Angegeben werden hier die Logarithmen zur Basis 10 der kumulativen Werte. Diese werden im Gegensatz zu den Stabilitätskonstanten Ki der Einzelreaktionen mit ki abgekürzt. Die Werte wurden [44] entnommen.
Tabelle 3: Stabilitätskonstanten von Quecksilber(II)-Komplexen bei 25°C aus [44]
Ligand: F- Cl- Br- J-1 OH- SCN- SO32- S2O3
2- CN-
Name: Fluorid Chlorid Bromid Jodid Hydro-xid
Thio-cyanat
Sulfit Thio-sulfat
Cyanid
log k1 1,56 6,76 9,05 12,87 13,1 22,66 29,27 17,00
log k2 13,16 17,33 23,82 21,7 17,47 24,07 30,80 32,75
log k3 13,99 18,75 27,60 21,2 24,96 32,26 36,31
log k4 15,22 20,01 29,83 21,23 33,61 38,97
Aus den Daten geht hervor, dass Fluorid ein „schwacher“ Ligand und deshalb für die Quecksilberkomplexierung unerheblich ist. Der ungeladene Quecksilberfluorokom-plex HgF2 konnte bisher nicht nachgewiesen werden.
Enthält ein System mehrere Liganden, so kann es neben der Bildung der Komplexe mit nur einer Ligandenart auch zur Bildung von gemischten Komplexen mit unter-schiedlichen Liganden kommen. In den weiteren Betrachtungen werden die Ligan-den Cl-, Br- und J- berücksichtigt.
1 Zugunsten besserer Lesbarkeit wird für Jod das Symbol J verwendet und nicht gemäß internationaler
Konvention I.
2 Grundlagen zur Modellentwicklung
16
2.3 Redoxpotenzial und pH-Wert
Elementares Quecksilber Hg(0) steht in der wässrigen Lösung ebenso wie Hg(II) im Gleichgewicht mit der Gasphase, Gl. 4.
Hg0
(aq) ↔ Hg0
(g) Gl. 4
Gleichzeitig kann das elementare Quecksilber (Oxidationsstufe 0) unter Abgabe zweier Elektronen zum zweiwertigen Quecksilber (Oxidationsstufe +II) aufoxidiert werden. Unter Berücksichtigung von Chloriden lassen sich die Redoxreaktionen mit den Redoxpaaren Hg(0)/HgCl2 (Gl. 5) und Hg(0)/HgCl4
2- (Gl. 6) wie folgt darstellen.
Hg0 + 2 Cl
- � HgCl2 + 2 e
- Gl. 5
Hg0 + 4 Cl
- � HgCl4
2- + 2 e
- Gl. 6
Diese Reaktionen sind vom pH-Wert unabhängig, da sie ohne Wasserstoffionenbe-teiligung ablaufen.
Wichtige Redoxreaktionen in Abgaswäschern hinter Verbrennungsprozessen sind die Reduktion von Sauerstoff zu Wasser (Gl. 7) sowie die Oxidation von Sulfit zu Sulfat (Gl. 8). Anhand der Gleichungen wird deutlich, dass diese beiden Redoxreak-tionen unter Wasserstoffionenbeteiligung ablaufen und damit vom pH-Wert abhängig sind.
O2 + 4 H+ + 4 e
- � 2 H2O Gl. 7
H2O + SO32-
� SO42-
+ 2 H+ + 2 e
- Gl. 8
Ein niedriger pH-Wert im HCl-Wäscher begünstigt somit die Reduktion von Sauer-stoff von der Oxidationsstufe 0 (O2) zur Oxidationsstufe –II (H2O), Gl. 7. Die benötig-ten Elektronen können von Hg(0)-Atomen geliefert werden, die dabei zu Hg(II) oxi-diert werden, Gl. 5. Die Reduktion von Hg(II) zu Hg(0) wird unterdrückt. Die Zusam-menfassung der Teilreaktionen der beiden Redoxpaare liefert die Bruttoreaktion:
2 Hg0 + O2 + 4 HCl � 2 HgCl2 + 2 H2O Gl. 9
Im Unterschied dazu werden bei der Oxidation von Schwefel von der Oxidationsstufe +IV (Schwefeldioxid oder Sulfit) zur Oxidationsstufe +VI (Sulfat) H+-Ionen gebildet (bzw., in einer gleichberechtigten Formulierung, OH--Ionen verbraucht), Gl. 8. Diese unerwünschte Reaktion läuft im neutralen, also weniger sauren Bereich leichter ab, wie z. B. im SO2-Wäscher gegeben. Die Reduktion von Hg(II) zu Hg(0) wird hier begünstigt, Gl. 5 von rechts nach links. Die Zusammenfassung der Teilreaktionen der beiden Redoxpaare liefert die Bruttoreaktion:
2 Grundlagen zur Modellentwicklung
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HgCl2 + SO32-
+ H2O � Hg0 + SO4
2- + 2 HCl Gl. 10
Diese Zusammenhänge können durch die Darstellung der Lage der Redoxpotenziale in Abhängigkeit vom pH-Wert veranschaulicht werden, Abbildung 3. Für die Teilreak-tionen Hg(0)/Hg(II), O(-II)/O und S(IV)/S(VI) sind in der Spannungsreihe Normalpo-tenziale bezogen auf das Potenzial der Normalwasserstoffelektrode NHE tabelliert (ausführlich z.B. [44]). Hier haben bei pH 0 alle beteiligten Spezies die Aktivität 1 mol/l, auch z.B. HgCl2 und Hg(0), wohl wissend, dass diese Konzentrationen in den betrachteten Anwendungen nicht erreicht werden und bei Hg(0) auch nicht erreicht werden können [45]. Für Potenziale, die vom pH-Wert abhängen, sind Werte sowohl für eine Wasserstoffionenaktivität von 1 mol/l, also pH 0, als auch für eine Hydroxyli-onenaktivität von 1 mol/l, also pH 14 gelistet. Dabei handelt es sich um Gleichge-wichtsdaten.
Die Potenzialdifferenzen ∆E0 sind über die Ladungszahl z und die Faraday-Konstante F mit den Gibbs’schen Bildungsenergien ∆fG
0 verknüpft [35]:
∆fG0 = -z
. F
. ∆E
0 Gl. 11
∆fG0 bestimmt die Gleichgewichtslage der betrachteten Reaktion.
Abweichungen vom Gleichgewicht müssen immer mit in Betracht gezogen werden und spielen bei den Redoxreaktionen des Quecksilbers mit Sicherheit eine viel grö-ßere Rolle, als bei den Komplexbildungsgleichgewichten im Zusammenhang mit dem Dampfdruck des HgCl2. Gerade das Redoxpaar O(-II)/O, auch Sauerstoffelektrode genannt, ist ein gutes Beispiel für Abweichungen des gemessenen vom berechneten Potenzial aufgrund einer Hemmung der Einstellung des thermodynamischen Gleich-gewichts [46]. Für die folgende Betrachtung genügen jedoch die Gleichgewichtsda-ten, wie in Abbildung 3 dargestellt.
Je positiver das Normalpotenzial ist, desto stärker ist die Oxidationskraft; je negativer das Normalpotenzial ist, desto stärker ist die Reduktionskraft. Der Abstand zwischen den Redoxpaaren Hg(0)/Hg(II) und O(-II)/O entspricht der treibenden Kraft für die erwünschte Oxidation von Quecksilber durch den Sauerstoff aus dem Rauchgas. Analog entspricht dem Abstand zwischen den Redoxpaaren Hg(0)/Hg(II) und S(IV)/S(VI) die treibende Kraft für die unerwünschte Reduktion von Quecksilber durch das Schwefeldioxid aus dem Rauchgas.
Das Diagramm veranschaulicht qualitativ richtig, was geschieht, wenn der pH-Wert und/oder die Chloridkonzentration und/oder der Ligand variiert werden.
2 Grundlagen zur Modellentwicklung
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O2/H2O
SO42-
/ SO32-
Hg0/HgCl2 0,852
Hg0/HgCl4
2- 0,438
Hg0/HgBr4
2- 0,223
Hg0/HgJ4
2- -0,038
-1,5
-1
-0,5
0
0,5
1
1,5
0 2 4 6 8 10 12 14
pH [ ]
E°
bez
og
en a
uf
NH
E [
V]
Oxidationskraft
Reduktionskraft
H2O
O2
SO32-
SO42-
Abbildung 3: Redoxpotenziale in Abhängigkeit vom pH-Wert
Betrachtet werden zunächst die Normalpotenziale bei einem pH-Wert von 7. Hier liegt das Normalpotenzial der Sauerstoffelektrode mit 0,815 V knapp unter dem des Redoxpaares Hg0/HgCl2. Es existiert also keine treibende Kraft für die Oxidation des elementaren Quecksilbers. Vielmehr überwiegt deutlich die Reduktionskraft des Redoxpaares Sulfit/Sulfat mit einer Potenzialdifferenz zum Hg0/HgCl2 von -1,37 V.
Mit abnehmendem pH-Wert wird der Abstand zwischen den Redoxpaaren Hg(0)/Hg(II) und O(-II)/O größer, der Abstand zwischen den Redoxpaaren Hg(0)/Hg(II) und S(IV)/S(VI) wird kleiner, und zwar jeweils um 59 mV pro pH-Einheit. Bei sonst gleich bleibenden Aktivitätsverhältnissen vergrößert eine pH-Absenkung von 7 auf 0 den Abstand der Linien für die erwünschte und verkleinert ihn für die unerwünschte Reaktion um jeweils 0,413 Volt. Bei pH 0 liegt ein hohes positives Potenzial vor. Mit H2O und SO3
2- liegen die Redoxreaktionen nach Gl. 7 und Gl. 8 auf der Seite der reduzierten.
Eine Erhöhung der Oxidationskraft um 0,414 Volt bringt aber auch die Komplexie-rung von HgCl2 zu HgCl4
2-, die bei der gleichzeitigen Abscheidung von Quecksilber und Chlorwasserstoff immer stattfindet und sich wie erläutert günstig auf die Emissi-on von HgCl2 auswirkt. Eine teilweise oder vollständige Reaktion zu Bromomercura-ten kann weitere 0,215 Volt erbringen. Ein derartiger zusätzlicher Gewinn lässt sich mit allen Liganden realisieren, die mit Hg(II) stärkere Komplexe bilden, als Chlorid.
2 Grundlagen zur Modellentwicklung
19
Beispiele: Jodid, Thiocyanat, Thiosulfat, EDTA, Thioglykolsäure, Thioharnstoff, NH3 (aq) u.a. [47].
Sogar eine Netto-Abscheidung von metallischem Quecksilber in der Wäsche ist möglich, wenn die Gegenwart von starken Komplex-Liganden in hoher Konzentration bezogen auf Hg(II)(aq) die Potenziallage so begünstigt, dass es zur Oxidation des gelösten Hg(0)(aq) kommt. Denn auch beim metallischen Quecksilber steht der Kon-zentration des Hg(0)(g) in der Gasphase eine korrespondierende Konzentration von gelöstem Hg(0)(aq) in der wässrigen Phase gegenüber.
Die Messung des Redoxpotenzials im Wäscher kann als Maß zur Beurteilung heran-gezogen werden, ob reduzierende oder oxidierende Bedingungen im Waschwasser vorherrschen. Die absoluten Zahlenwerte für solche Bereiche sind jedoch für jeden Wäscher individuell zu ermitteln, da es sich bei dem gemessenen Wert um die An-gabe eines Mischpotenzials handelt. Aus den o. g. Zahlenwerten des Normalpoten-zials auf einen für oxidierende Bedingungen günstigen Betriebsbereich eines Wä-schers zu schließen, ist nicht möglich.
In Abgaswäschern hinter Verbrennungsprozessen liegt der pH-Wert der Waschwäs-ser bei Werten < 7. In nachgeschalteten Abwasseraufbereitungsanlagen wird zur Schwermetallabtrennung der pH-Wert in den basischen Bereich angehoben. Das daraus resultierende Angebot an OH--Ionen ist gleichbedeutend mit einer Erhöhung des Ligandenangebots und beeinflusst darüber die Gleichgewichtslage. In [48] wird die Reaktion nach Gl. 12 formuliert:
HgCl2 (aq) + 2 OH-(aq) � Hg(OH)2(aq) + 2 Cl
-(aq)
Gl. 12
Die für die Reaktion angegebene Gleichgewichtskonstante von K=5*108 ist so groß, dass es bei pH-Wert-Anhebungen in den basischen Bereich durchaus zu einem Umbau der im Wäscher gebildeten Quecksilberchlorokomplexe kommen kann und darüber zu einer Freisetzung von Hg(OH)2 in die Gasphase. Entsprechende Unter-suchungen wurden im Labor bereits durchgeführt [49].
2.4 Hg-Abscheidegrad
Der Hg(II)-Abscheidegrad ermittelt sich aus:
η = (Hg(II)Eintritt – Hg(II)Austritt / Hg(II)Eintritt Gl. 13
Er ist damit eine durch die Reingaskonzentration und die aktuelle Rohgaskonzentra-tion errechnete Zahl und keine auslegbare Zielgröße. Die Schwankungen im Ab-scheidegrad verlaufen synchron zur Rohgaskonzentration.
2 Grundlagen zur Modellentwicklung
20
Beeinflussbar ist nur der Reingasgehalt hinter der Wäsche in Abhängigkeit von der Waschwasserzusammensetzung. Dabei gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem pH-Wert einer Hg(II)-Halogenidsalz-Lösung und der mit dieser Lösung im Gleichgewicht stehenden Konzentration von zweiwertigem gasförmigem Quecksilber in der Gasphase. Fällt die Rohgaskonzentration unter die Reingaskonzentration wird der Abscheidegrad negativ. Solche Zustände, die tatsächlich auftreten, sind mit der Modellvorstellung eines vorgebbaren Abscheidegrades nicht zu erklären.
2.5 Schlussfolgerungen aus theoretischen Betrachtungen
Die Betrachtungen zur Modellentwicklung zeigen, dass Quecksilber während des Prozesses der Abgaswäsche Teil mehrerer simultan ablaufender Gleichgewichte ist:
• das Gas-Flüssig-Gleichgewicht sowohl für elementares als auch für zweiwertiges Quecksilber (Henry’sches Gesetz)
• das Gleichgewicht zwischen elementarem und zweiwertigem Quecksilber in der flüssigen Phase (Redox-Reaktionen)
• das Gleichgewicht zwischen den Komplex-Spezies des zweiwertigen Quecksil-bers (Komplex-Reaktionen)
Abbildung 4 zeigt einen Überblick über die zu betrachtenden Gleichgewichte: Nur auf das Gleichgewicht zwischen Hg(0) und HgX2 in der Gasphase wird in den folgenden Ausführungen nicht weiter eingegangen.
Hg(0)(gas) HgX2(gas)
HgX2 (aq)
(Hg Xn)(+2-n)(aq)
Hg(0)(aq)
�� ��
����
����
�� ��
����
Flüssigkeit
Gas
Abbildung 4: Gleichgewichte der Quecksilber-Spezies
Die Gleichgewichte werden im Wesentlichen durch die Parameter Temperatur, Re-doxpotenzial, Ligandenüberschuss (bezogen auf die Konzentration des zweiwertigen
2 Grundlagen zur Modellentwicklung
21
Quecksilbers in der flüssigen Phase) und Ligandenstärke beeinflusst. Während die Temperatur alle Gleichgewichte beeinflusst, wirkt das Redoxpotenzial nur auf das Gleichgewicht zwischen Hg(0) und Hg(II) in der flüssigen Phase. Die Komplexreak-tionen in der flüssigen Phase sind vom Ligandenüberschuss und von der Liganden-stärke abhängig. Um die Auswirkungen der unterschiedlichen Parameter auf die Gleichgewichtslage qualitativ beurteilen zu können, werden die folgenden Berech-nungen durchgeführt:
1. Mit Hilfe der Gleichgewichtskonstanten können die Komplexreaktionen in der flüssigen Phase unter Beteiligung unterschiedlicher Liganden mit variierenden Konzentrationen berechnet werden. Dabei wird vereinfachend ideales Verhalten angenommen.
2. Durch die Berechnung der Henry-Konstanten als Funktion der Temperatur kön-nen Aussagen zur Gleichgewichtslage der Gas-Flüssig-Gleichgewichte unter-schiedlicher HgX2-Spezies abgeleitet werden.
3. Mit Hilfe der Methode der Gibbs-Energie-Minimierung können unterschiedliche Stoffsysteme im Gleichgewicht beschrieben werden. Die Methode berücksichtigt die Komplex-Reaktionen, die Redox-Reaktionen sowie das Henry-Verhalten der flüchtigen Komponenten. Aus den Ergebnissen lassen sich damit qualitative Aus-sagen über die Dominanz der unterschiedlichen Einflussfaktoren ableiten.
3 Berechnung der Komplexreaktionen
22
3 Berechnung der Komplexreaktionen
3.1 Analyse der Komplexreaktionen am Beispiel Chlorid
Für ideal verdünnte Lösungen können die aufeinander folgenden Gleichgewichtsre-aktionsschritte vereinfacht mit Hilfe der Konzentrationen der Produkte und Edukte und der Gleichgewichtskonstanten Ki beschrieben werden. Eckige Klammern be-zeichnen im Folgenden die Konzentration einer Komponente: [i] = ci. Beispielhaft wird hier die Vorgehensweise für das System Hg(II)-Cl--H2O dargestellt. Das Glei-chungssystem wird wie folgt formuliert:
[HgCl+] = K100 · [Hg
2+] · [Cl
-frei] Gl. 14
[HgCl2] = K100 · K200 · [Hg2+
] · [Cl- frei]
2 Gl. 15
[HgCl3-] = K100 · K200 · K300 ·
[Hg
2+] · [Cl
- frei]
3 Gl. 16
[HgCl42-
] = K100 · K200 · K300 · K400 · [Hg2+
] · [Cl- frei]
4 Gl. 17
Dieses Gleichungssystem wird durch die Massenbilanzen für die Quecksilberspe-zies, Gl. 18, und die Chloride, Gl. 19 ergänzt:
[Hgges] = [Hg2+
] + [HgCl+] + [HgCl2] + [HgCl3
-] + [HgCl4
2-] Gl. 18
[Cl-ges] = [Cl
- frei] + [HgCl
+] +2[HgCl2] +3[HgCl3
-] +4[HgCl4
2-] Gl. 19
Für eine bekannte Gesamtkonzentration von Hg(II) und der Konzentration an freien Liganden [X-
frei], hier [Cl-frei] kann daraus die Verteilung der Spezies im Gleichgewicht berechnet werden. Durch Einsetzen ergibt sich die Konzentration von Hg2+ nach Gl. 20 und darüber die Konzentrationen der übrigen Spezies.
[Hg2+
] = [Hgges] / (1+ K100 · [Cl- frei]
+ K100 · K200 · [Cl- frei]
2 +
+ K100 · K200 · K300 · [Cl
- frei]
3
+ K100 · K200 · K300 · K400 · [Cl- frei]
4)
Gl. 20
Die verwendeten Gleichgewichtskonstanten sind in Tabelle 4 dargestellt. In der Lite-ratur sind die Werte für ln(K) zu finden, die abgedruckten K-Werte wurden gerechnet und gerundet. Die Daten entsprechen den log k -Werten aus Tabelle 3. Die berech-nete Zusammensetzung gibt das betrachtete System im Gleichgewicht bei 25°C in Abwesenheit anderer Liganden wieder. Dieser Ansatz gilt nur für ideal verdünnte Lösungen und damit nicht für hohe Ligan-denkonzentrationen. Die im Folgenden abgeleiteten Betrachtungen unterliegen die-
3 Berechnung der Komplexreaktionen
23
ser Vereinfachung und stellen damit nur tendenzielle Zusammenhänge heraus.
Tabelle 4: Gleichgewichtskonstanten der Quecksilberchlorokomplexe bei 25°C aus [47]
Gleichgewichtsreaktion Bezeichnung K ln (K)
Hg2+
+ Cl- � HgCl
+ K100 5,5·106 15,522
HgCl+ + Cl
- � HgCl2 K200 3,02·106 14,923
HgCl2 + Cl- � HgCl3
- K300 7,08 01,958
HgCl3- + Cl
- � HgCl4
2- K400 10 02,303
Abbildung 5 zeigt die berechnete Verteilung der Hg-Chlorokomplexe in Abhängigkeit von der freien Chloridkonzentration. Für die Quecksilberkonzentration wurde eine Vorlage von 50 µmol/l Hg(II)(aq) gewählt. In diesem Größenordnungsbereich liegen Quecksilberkonzentrationen in realen Wäschersystemen. Zu beachten ist, dass die Konzentration der freien Chloride logarithmisch aufgetragen wurde.
Hg-Cl--H2O / Hg = 50 µmol/l
0,E+00
1,E-05
2,E-05
3,E-05
4,E-05
5,E-05
1,E-09 1,E-07 1,E-05 1,E-03 1,E-01 1,E+01
Cl-frei [mol/l]
Ko
nze
ntr
atio
n H
g-S
pez
ies
(aq
)
[mo
l/l]
Hg (2+) HgCl (+) HgCl2 HgCl3 (-) HgCl4 (2-)
Hg2+
(2+)
HgCl+
(+)
HgCl2
HgCl3 -
HgCl4 2-
Abbildung 5: Speziesverteilung des Systems Hg(II)-Cl--H2O in Abhängigkeit vom Chloridüberschuss
Erwartungsgemäß reagiert das zweiwertige Quecksilber mit zunehmendem Chlorid-überschuss zu Quecksilberchlorokomplexen. Zunächst bildet sich HgCl+, das zu HgCl2 weiterreagiert. Das Gleichgewicht verharrt dann über einen weiten Konzentra-
3 Berechnung der Komplexreaktionen
24
tionsbereich des Cl-frei beim ungeladenen Komplex. Die Bildung von HgCl3- setzt erst
mit einer drastischen Erhöhung des Chloridangebotes ein. Dieses spiegelt sich auch in den K-Werten wieder. Eine weitere Erhöhung der Konzentration an freien Chlori-den führt zur Bildung von HgCl4
2-. Die Konzentration an HgCl2 nimmt relativ schnell ab und strebt asymptotisch gegen Null.
Welche Komplexe in welchem Verhältnis zueinander vorliegen ist abhängig von der Konzentration der freien Chloride und unabhängig von der absoluten Quecksilber-konzentration. Für die Komplexbildung ist es dabei egal, ob das Chlorid von einer Säure oder einem gelösten Salz stammt. Aus Gl. 14 ergibt sich:
[ ][ ] [ ]frei1002
ClKHg
HgCl −
+
+
⋅= Gl. 21
Für eine vorgegebene Konzentration an freien Chloriden ist das Verhältnis aus der Konzentration des HgCl+ und der Konzentration des Hg2+ konstant. Dieser Zusam-menhang ist unabhängig von der Gesamtquecksilberkonzentration im System. Ana-log ergibt sich für die anderen Quecksilberspezies:
[ ][ ] [ ]2frei2001002
2 ClKKHg
HgCl −
+⋅⋅=
Gl. 22
[ ][ ] [ ]3frei3002001002
3 ClKKKHg
HgCl −
+
−
⋅⋅⋅= Gl. 23
[ ][ ] [ ]4frei4003002001002
2
4 ClKKKKHg
HgCl −
+
−
⋅⋅⋅⋅= Gl. 24
Abbildung 6 zeigt die Berechnungsergebnisse für Quecksilberkonzentrationen von 5 µmol/l, 50 µmol/l, 500 µmol/l und 5000 µmol/l. Der Auftragung der einzelnen Spe-zies über der Gesamtchloridkonzentration ist die Auftragung über der Konzentration an freien Chloriden gegenübergestellt.
Für eine feste Konzentration an freien Chloriden ergeben sich also für unterschiedli-che Quecksilberkonzentrationen immer dieselben Anteile der unterschiedlichen Quecksilberspezies im Verhältnis zueinander. Dieses wird optisch sichtbar, weil die Skalierung der Ordinate an die maximale Quecksilberkonzentration angepasst wur-de. Die absolute Konzentration der einzelnen Quecksilberspezies hingegen ist unter-schiedlich und ergibt sich aus der Quecksilber-Gesamtkonzentration.
3 Berechnung der Komplexreaktionen
25
Abhängigkeit vom Gesamt-Chlorid Abhängigkeit vom Chlorid-Überschuss
Hg-Cl--H2O / Hg = 5 µmol/l
0,E+00
1,E-06
2,E-06
3,E-06
4,E-06
5,E-06
1,E-07 1,E-05 1,E-03 1,E-01 1,E+01Cl-
g es [mol/l]
Kon
zen
trat
ion
(aq)
[mo
l/l]
Hg-Cl--H2O / Hg = 5 µmol/l
0,E+00
1,E-06
2,E-06
3,E-06
4,E-06
5,E-06
1,E-09 1,E-07 1,E-05 1,E-03 1,E-01 1,E+01
Cl-fre i [mol/l]
Kon
zen
trat
ion
(aq
) [m
ol/l]
Hg-Cl--H2O / Hg = 50 µmol/l
0,E+00
1,E-05
2,E-05
3,E-05
4,E-05
5,E-05
1,E-07 1,E-05 1,E-03 1,E-01 1,E+01Cl-
ges [mol/l]
Ko
nze
ntr
atio
n (a
q)
[mo
l/l]
Hg-Cl--H2O / Hg = 50 µmol/l
0,E+00
1,E-05
2,E-05
3,E-05
4,E-05
5,E-05
1,E-09 1,E-07 1,E-05 1,E-03 1,E-01 1,E+01Cl-frei [mol/l]
Kon
zen
trat
ion
(aq
) [m
ol/l]
Hg-Cl--H2O / Hg = 500 µmol/l
0,E+00
1,E-04
2,E-04
3,E-04
4,E-04
5,E-04
1,E-07 1,E-05 1,E-03 1,E-01 1,E+01
Cl-ges [mol/l]
Kon
zen
trat
ion
(aq
) [m
ol/l]
Hg-Cl--H2O / Hg = 500 µmol/l
0,E+00
1,E-04
2,E-04
3,E-04
4,E-04
5,E-04
1,E-09 1,E-07 1,E-05 1,E-03 1,E-01 1,E+01Cl-
frei [mol/l]
Ko
nze
ntr
atio
n (
aq) [
mo
l/l]
Hg-Cl--H2O / Hg = 5000 µmol/l
0,E+00
1,E-03
2,E-03
3,E-03
4,E-03
5,E-03
1,E-07 1,E-05 1,E-03 1,E-01 1,E+01
Cl-ges [mol/l]
Hg (2+) HgCl (+) HgCl2
HgCl3 (-) HgCl4 (2-)
Kon
zent
ratio
n (
aq) [
mol
/l]
Hg-Cl--H2O / Hg = 5000 µmol/l
0,E+00
1,E-03
2,E-03
3,E-03
4,E-03
5,E-03
1,E-09 1,E-07 1,E-05 1,E-03 1,E-01 1,E+01
Cl-frei [mol/l]
Hg (2+) HgCl (+) HgCl2
HgCl3 (-) HgCl4 (2-)
Kon
zen
trat
ion
(aq
) [m
ol/l
]
Abbildung 6: Speziesverteilung des Systems Hg(II)-Cl--H2O in Abhängigkeit von der Gesamtchloridkonzentration (links) und vom Chloridüberschuss (rechts): Gegenüberstellung der Ergebnisse für unterschiedliche Quecksilberkonzentrationen
3 Berechnung der Komplexreaktionen
26
Neben der Auftragung der Speziesverteilung über der freien Chloridkonzentration ist die Darstellung der Speziesverteilung über der Gesamtchloridkonzentration abgebil-det. Durch diese Darstellung wird der Einfluss der Quecksilberkonzentration sichtbar. Entsprechend der Erhöhung der Quecksilberkonzentration verschieben sich die Kurven für die Spezies HgCl+ und HgCl2 hin zu höheren Chloridkonzentrationen. Das ist zunächst trivial, da Chlorid gemäß Gl. 19 mindestens stöchiometrisch und zusätz-lich freies (nicht an Quecksilber gebundenes) Chlorid in der Lösung vorliegen muss.
Demgegenüber scheint sich der Verlauf der Spezies HgCl3- und HgCl4
2- auch mit steigenden Quecksilberkonzentrationen kaum bzw. gar nicht zu verschieben. Dieses ist jedoch nur dem Umstand geschuldet, dass die für die Komplexierung benötigte Chloridkonzentration bei den hier betrachteten Quecksilberkonzentrationen um Grö-ßenordnungen geringer ist, als die für die weitere Komplexierung als treibende Kraft benötigte Konzentration an freien Chloriden. Der Sachverhalt soll beispielhaft an den Rechenergebnissen für das System Hg(II)-Cl--H2O und einer Quecksilberkonzentra-tion von 50 µmol/l verdeutlicht werden. Von den in Abbildung 5 graphisch dargestell-ten Ergebnissen sind für ausgewählte Abzissenwerte die Ordinatenwerte in der fol-genden Tabelle zusammengestellt. Die Werte werden gerundet wiedergegeben.
Tabelle 5: Auszug aus der Berechnung für das System Hg(II)-Cl--H2O für eine Quecksilberkonzentration von 50 µmol/l
Cl-frei Hg2+ HgCl+ HgCl2 HgCl3- HgCl4
2- Cl-ges Anteil
Cl-frei an Cl-ges
[mol/l] [mol/l] [mol/l] [mol/l] [mol/l] [mol/l] [mol/l] [%]
1,01*10-8 4,7·10-5 2,6·10-6 8,0·10-8 5,8·10-15 5,8·10-22 2,80·10-6 0,36
2,43*10-7 1,5·10-5 2,0·10-5 1,5·10-5 2,6·10-11 6,2·10-17 5,00·10-5 0,49
2,00*10-4 7,5·10-11 8,3·10-8 5,0·10-5 7,1·10-8 1,4·10-10 3,00·10-4 66,67
0,11985 7,3·10-17 4,8·10-11 1,7·10-5 1,5·10-5 1,8· 10-6 0,12 99,87
0,99981 3,8·10-20 2,1·10-13 6,3·10-7 4,5·10-6 4,5·10-5 1 99,98
Die Konzentration an HgCl+ erreicht bei einem Chloridüberschuss von ca. 2,43 · 10-7 mol/l ihr Maximum. Bis dahin werden 20 µmol/l Quecksilber zu HgCl+ und 15 µmol/l zu HgCl2 komplexiert. In diesen Verbindungen sind 50 µmol/l Chloride enthalten, also 5 · 10-5 mol/l. Die Konzentration der freien Chloride beträgt damit < 0,5 % an der Gesamtchloridkonzentration.
3 Berechnung der Komplexreaktionen
27
Die nahezu vollständige Umsetzung des Quecksilbers zu HgCl2 ist bei einem Chlori-düberschuss von ca. 200 µmol/l erreicht. Im Quecksilberdichlorid sind weitere 100 µmol/l Chloride enthalten. Damit werden 2/3 der Chloride als Überschuss benö-tigt und nur 1/3 für die Komplexierung.
Bei einer Chloridgesamtkonzentration von 1 mol/l sind rechnerisch 45 µmol/l des Quecksilbers zu HgCl4
2- umgesetzt. Für diese Komplexierung werden 180 µmol/l Chloride benötigt, also 1,8 · 10-4 mol/l. Das entspricht einem Anteil am Gesamtchlo-rid von 0,02 %. Das Gesamtchlorid besteht also nahezu vollständig aus freien Chlo-riden.
Da der benötigte Chloridüberschuss von der Quecksilberkonzentration unabhängig ist, verändern sich die prozentualen Anteile des freien Chlorids am Gesamtchlorid mit der Quecksilberkonzentration.
Für in Wäscherwässern üblichen Quecksilberkonzentrationen von < 500 µmol/l kann jedoch festgehalten werden, dass der für eine zum HgCl4
2- vollständigen Komplexie-rung benötigte Chloridüberschuss von > 1 mol/l das für die Komplexierung benötigte Chlorid um Größenordnungen übersteigt. Für praktische Anwendungen ist in dem Großteil der Verbrennungsanlagen die Differenz zwischen Cl-frei und Cl-ges innerhalb der Messgenauigkeit.
Bei Chloridkonzentrationen von > 1 mol/l kann der Einfluss der Quecksilberkonzen-tration auf den Grad der Komplexierung nicht mehr „gesehen“ werden, so dass als Empfehlung für praktische Anwendungen eine minimale absolute Chloridkonzentra-tion genügen wird. Diese lässt sich allein aus den Ergebnissen des Gleichgewichts in der flüssigen Phase jedoch nicht ableiten. Da das Ziel die Reduzierung der Queck-silberkonzentration im Gas ist, muss dafür auch das Gas-Flüssig-Gleichgewicht berücksichtigt werden. Dieses ist Gegenstand des Kapitels 5 „Berechnung des ther-modynamischen Gleichgewichts“
3 Berechnung der Komplexreaktionen
28
3.2 Unterschiedliche Liganden im Vergleich
Anhand der Speziesverteilungen kann der Einfluss anderer Liganden X auf die Kom-plexierung bewertet werden. Analog zu Chlorid werden nach Gl. 14 bis Gl. 20 auch für Bromid und Jodid die Speziesverteilungen berechnet. Die dafür benötigten Gleichgewichtskonstanten sind in Tabelle 6 und Tabelle 7 aufgeführt. Die Quecksil-berkonzentration beträgt jeweils 50 µmol/l Hg(II)(aq).
Tabelle 6: Gleichgewichtskonstanten der Quecksilberbromokomplexe bei 25°C aus [47]
Gleichgewichtsreaktion Bezeichnung K ln (K)
Hg2+
+ Br- � HgBr
+ K010 1,12·109 20,838
HgBr+ + Br
- � HgBr2 K020 1,86·108 19,042
HgBr2 + Br- � HgBr3
- K030 2,63·102 5,572
HgBr3- + Br
- � HgBr4
2- K040 18,2 2,901
Tabelle 7: Gleichgewichtskonstanten der Quecksilberjodokomplexe bei 25°C aus [47]
Gleichgewichtsreaktion Bezeichnung K ln (K)
Hg2+
+ J- � HgJ
+ K001 7,14·1012 29,634
HgJ+ + J
- � HgJ2 K002 8,91·1010 25,213
HgJ2 + J- � HgJ3
- K003 6,03·103 8,704
HgJ3- + J
- � HgJ4
2- K004 170 5,135
Die Ergebnisse der Berechnungen in Abhängigkeit von der Gesamt-Ligandenkonzentration und vom Ligandenüberschuss sind in Abbildung 8 und in Abbildung 9 dargestellt. Abbildung 7 zeigt zum Vergleich nochmals die Ergebnisse für das Chloridsystem.
3 Berechnung der Komplexreaktionen
29
Hg-Cl--H2O / Hg = 50 µmol/l
0,E+00
1,E-05
2,E-05
3,E-05
4,E-05
5,E-05
1,E-07 1,E-05 1,E-03 1,E-01 1,E+01Cl-ges [mol/l]
Hg (2+) HgCl (+) HgCl2
HgCl3 (-) HgCl4 (2-)
Ko
nze
ntr
atio
n (a
q) [
mo
l/l]
Hg-Cl--H2O / Hg = 50 µmol/l
0,E+00
1,E-05
2,E-05
3,E-05
4,E-05
5,E-05
1,E-16 1,E-12 1,E-08 1,E-04 1,E+00Cl-frei [mol/l]
Hg (2+) HgCl (+) HgCl2
HgCl3 (-) HgCl4 (2-)
Kon
zen
trat
ion
(aq)
[mo
l/l]
Abbildung 7: Speziesverteilung des Systems Hg(II)-Cl--H2O in Abhängigkeit vom Gesamt-Chlorid (links) und vom Chloridüberschuss (rechts)
Hg-Br--H2O / Hg = 50 µmol/l
0,E+00
1,E-05
2,E-05
3,E-05
4,E-05
5,E-05
1,E-07 1,E-05 1,E-03 1,E-01 1,E+01Br-
ges [mol/l]
Hg (2+) HgBr (+) HgBr2
HgBr3 (-) HgBr4 (2-)
Ko
nzen
tra
tion
(aq
) [m
ol/l
]
Hg-Br
--H2O / Hg = 50 µmol/l
0,E+00
1,E-05
2,E-05
3,E-05
4,E-05
5,E-05
1,E-16 1,E-12 1,E-08 1,E-04 1,E+00
Br-frei [mol/l]
Hg (2+) HgBr (+) HgBr2HgBr3 (-) HgBr4 (2-)
Kon
zen
trat
ion
(aq
) [m
ol/l]
Abbildung 8: Speziesverteilung des Systems Hg(II)-Br--H2O in Abhängigkeit vom Gesamt-Bromid (links) und vom Bromidüberschuss (rechts)
Hg-J--H2O / Hg = 50 µmol/l
0,E+00
1,E-05
2,E-05
3,E-05
4,E-05
5,E-05
1,E-07 1,E-05 1,E-03 1,E-01 1,E+01J-
ges [mol/l]
Hg (2+) HgJ (+) HgJ2HgJ3 (-) HgJ4 (2-)
Kon
zen
trat
ion
(aq
) [m
ol/l]
Hg-J--H2O / Hg = 50 µmol/l
0,E+00
1,E-05
2,E-05
3,E-05
4,E-05
5,E-05
1,E-16 1,E-13 1,E-10 1,E-07 1,E-04 1,E-01J-
frei [mol/l]
Hg (2+) HgJ (+) HgJ2HgJ3 (-) HgJ4 (2-)
Kon
zen
trat
ion
(aq
) [m
ol/l
]
Abbildung 9: Speziesverteilung des Systems Hg(II)-J--H2O in Abhängigkeit vom Gesamt-Jodid (links) und vom Jodidüberschuss (rechts)3
3 Berechnung der Komplexreaktionen
30
Der Vergleich der Abbildungen macht deutlich, dass mit stärker werdendem Ligan-den X ein geringerer Überschuss des Liganden X benötigt wird, um das Quecksilber zu komplexieren. Die Gleichgewichtskonstanten sind dabei ein Maß dafür, wie viel einer Spezies sich bei einer bestimmten Ligandenkonzentration bildet. Je größer die Gleichgewichtskonstante, desto größer ist die Konzentration des Reaktionsproduk-tes. Zur Verdeutlichung sind in Tabelle 8 einige Zahlenwerte der Rechenergebnisse gelistet.
Tabelle 8: Ergebnisse der Berechnungen für unterschiedliche Hg-Speziesverteilungen
Anteil Hg2+ um 50 % auf 25 µmol/l abgesenkt
X-frei X-
ges HgX+ HgX2 HgX3- HgX4
2-
[mol/l] [mol/l] [mol/l] [mol/l] [mol/l] [mol/l]
Chlorid 1,3·10-7 3,2·10-5 1,8·10-5 7·10-6 6·10-12 8·10-18
Bromid 7,7·10-10 2,8·10-5 2,2·10-5 3·10-6 6·10-13 9·10-21
Jodid 1,3·10-13 2,5·10-5 2,4·10-5 3·10-7 2·10-16 5·10-27
Anteil des HgX2 am Gesamtquecksilber > 98 %
X-frei X-
ges HgX+ HgX2 HgX3- HgX4
2-
[mol/l] [mol/l] [mol/l] [mol/l] [mol/l] [mol/l]
Chlorid 2,1·10-5 1,2·10-4 8·10-7 4,92·10-5 7·10-9 2·10-12
Bromid 5,1·10-7 1,0·10-4 5·10-7 4,95·10-5 7·10-9 6·10-14
Jodid 5,8·10-10 9,9·10-5 9,5·10-7 4,90·10-5 2·10-10 2·10-17
Konzentration des HgX2 < 5 µmol/l
X-frei X-
ges HgX+ HgX2 HgX3- HgX4
2-
[mol/l] [mol/l] [mol/l] [mol/l] [mol/l] [mol/l]
Chlorid 0,3198 0,32 5·10-12 4,76·10-6 1,1·10-5 3,5·10-5
Bromid 2,58·10-2 2,60·10-2 9·10-13 4,55·10-6 3,1·10-5 1,5·10-5
Jodid 1,25·10-3 1,40·10-3 4·10-14 4,95·10-6 3,7·10-5 8·10-6
Für alle Liganden gleich und unabhängig von der Ligandenstärke ist die Tatsache, dass die Komplexierung der ungeladenen Spezies zu geladenen Komplexen erst
3 Berechnung der Komplexreaktionen
31
einsetzt, nachdem die gesamte Quecksilbervorlage nahezu vollständig zum ungela-denen Komplex HgX2 reagiert hat. Trotz der Unterschiede in der absoluten Größe der K-Werte ist den betrachteten Liganden gemein, dass die K3- und die K4-Werte im Gegensatz zu den K1- und den K2-Werten klein sind. Das Gleichgewicht verharrt über einen weiten X--Konzentrationsbereich auf der ungeladenen Spezies.
Wie am Beispiel des Systems Hg-Cl--H2O gezeigt, ist der Ligandenüberschuss maß-geblich für die Verteilung der Komplexspezies. Hierbei kommt wiederum die Stärke des Liganden zum Tragen. Während für eine Absenkung des ungeladenen Komple-xes HgX2 auf < 5 µmol/l ein Chloridüberschuss von > 300 mmol/l erforderlich ist, reicht im Bromidsystem ein Überschuss von 25 mmol/l aus. Im Jodidsystem wird dazu nur noch ein Überschuss von ca. 1 mmol/l benötigt.
3.3 Einfluss unterschiedlicher Liganden in Mehrligandensystemen
Unter Anwesenheit verschiedener Liganden entstehen neben den jeweiligen Kom-plexen mit einer Ligandenart auch Mischkomplexe. Nach Griffiths [43] werden jedoch nicht alle theoretisch möglichen Komplexe auch gebildet. Ein Halogenid-Ligand ad-diert sich an einen bereits bestehenden Komplex, wenn er aus einem elektronegati-veren Halogen stammt als der im Komplex vorhandene Ligand, z. B.:
HgBr2 + Cl- � HgClBr2
- Gl. 25
Stammt der hinzutretende Ligand von einem weniger elektronegativen Halogen als der vorhandene, wird der vorhandene Ligand ausgetauscht:
HgCl2 + Br- � HgClBr + Cl
- Gl. 26
Damit entstehen im System Hg(II)–Cl¯–Br¯–H2O außer HgBrCl, HgBr2Cl¯ und HgBr2Cl2
2¯ keine weiteren gemischten Spezies.
Wird das System um Jodid erweitert, müssen zusätzlich die gemischten Komplexe HgClJ, HgClJ2¯, HgCl2J2¯, HgBrJ, HgBrJ2¯ und HgBr2J2¯ berücksichtigt werden. In Tabelle 9 sind die möglichen Quecksilberhalogenokomplexe und in Tabelle 10 die Gleichgewichtskonstanten der gemischten Spezies aufgeführt.
Der von Griffith aufgestellten Regel widerspricht die Bildung der Spezies HgBr3Cl2-, HgJ3Cl2- und HgJ3Br2- (ausgehend vom einfach negativ geladenen Komplex und Addition eines schwächeren Liganden) sowie die Bildung der Spezies HgCl3Br2-, HgCl3J
2- und HgBr3J2- (ausgehend vom zweifach negativ geladenen Komplex und
Austausch eines Liganden durch einen stärkeren) nicht. Zu diesen Komplexen finden sich jedoch keine Aussagen.
3 Berechnung der Komplexreaktionen
32
Kombinatorisch ist auch die Bildung der Quecksilberchlorokomplexe HgJBrCl-, HgJ2BrCl2- möglich. Auch hierzu sind keine Veröffentlichungen bzw. Literaturdaten gefunden worden, so dass für die weiteren Betrachtungen die Spezies nach Tabelle 9 berücksichtigt werden.
Tabelle 9: Mechanismen der Quecksilberkomplexbildung mit Halogenid-Liganden
Ausgangskomplex HgCl2 HgBr2 HgJ2 Addition von
Cl- HgCl3- HgBr2Cl- HgJ2Cl-
2 Cl- HgCl42- HgBr2Cl2
2- HgJ2Cl22-
Br- HgClBr HgBr3- HgJ2Br-
2 Br- HgBr2 HgBr42- HgJ2Br2
2-
J- HgClJ HgBrJ HgJ3-
2 J- HgJ2 HgJ2 HgJ42-
Tabelle 10: Gleichgewichtskonstanten gemischter Quecksilberkomplexe bei 25°C aus [43], [50]
Komplex Bez. ln(K) Komplex Bez. ln(K) Komplex Bez. ln(K)
HgBrCl K110 0,530 HgClJ K101 2,257 HgBrJ K011 1,197
HgBr2Cl- K120 7,299 HgClJ2- K102 2,280 HgBrJ2
- K012 4,421
HgBr2Cl22- K220 0,576 HgCl2J2
2- K202 -1,474 HgBr2J22- K022 1,934
Die Berechnung des Gleichgewichts im System Hg(II)-Cl--Br--J--H2O wird analog zur Berechnung des einfachen Systems Hg(II)-Cl--H2O durchgeführt; das dargestellte Gleichungssystem wird um die zusätzlichen Reaktionen aller reinen Komplexe und der genannten gemischten Komplexe erweitert.
Zunächst wird ein weiterer Ligand berücksichtigt. Abbildung 10 zeigt die Berech-nungsergebnisse für das System Hg(II)-Cl--Br--H2O bei einer Hg(II)-Konzentration von 50 µmol/l, einer Chloridkonzentration von 1 mol/l und unterschiedlichen Bromid-konzentrationen. Dargestellt sind zunächst die Konzentrationen der geladenen Spe-zies. Unter Anwesenheit von Bromid werden die HgCl4
2--Komplexe zu den gemisch-ten Spezies HgClBr2
- und HgCl2Br22- umgebaut. Bei höheren Bromidkonzentrationen
erfolgt die nahezu vollständige Umkomplexierung der Spezies in HgBr42-.
3 Berechnung der Komplexreaktionen
33
Hg-Cl--Br--H2O / Hg = 50 µmol/l, Cl-ges = 1 mol/l
0,E+00
1,E-05
2,E-05
3,E-05
4,E-05
5,E-05
1,E-04 1,E-03 1,E-02 1,E-01 1,E+00 1,E+01
Br-frei [mol/l]
Ko
nze
ntr
atio
n H
g-S
pez
ies
(aq
)
[mo
l/l]
HgCl4 (2-) HgCl3 (-) HgBr4 (2-)
HgBr3 (-) HgClBr2 (-) HgCl2Br2 (2-)
Abbildung 10: Verteilung der geladenen Hg-Spezies im System Hg(II)-Cl--Br--H2O
Die ungeladenen Spezies sind um Größenordnungen geringer konzentriert. Ihr Kon-zentrationsverlauf ist in Abbildung 11 dargestellt.
Hg-Cl--Br--H2O / Hg = 50 µmol/l, Cl-ges = 1 mol/l
1,E-10
1,E-09
1,E-08
1,E-07
1,E-06
1,E-05 1,E-04 1,E-03 1,E-02 1,E-01 1,E+00 1,E+01
Br-frei [mol/l]
Ko
nze
ntr
atio
n H
g-S
pez
ies
(aq)
[mo
l/l]
HgCl2 HgBr2 HgClBr Summe neutrale Spezies
Abbildung 11: Verteilung der ungeladenen Hg-Spezies im System Hg(II)-Cl--Br--H2O
3 Berechnung der Komplexreaktionen
34
Die Abbildung zeigt, dass bei Berücksichtigung von Bromid sowohl die gemischte Spezies HgClBr als auch HgBr2 gebildet werden. Es kommt also zu einer Umkom-plexierung des ungeladenen HgCl2.
Die Bildung der gemischten geladenen Komplexe führt dazu, dass die absolute Kon-zentration der ungeladenen Komplexe schnell absinkt. Ab einem Bromidüberschuss von ca. 50 mmol/l liegt fast ausschließlich HgBr2 als ungeladene Spezies vor. Die Konzentration verharrt auf dem erreichten Niveau. Erst nachdem die geladenen gemischten Komplexe zugunsten der reinen Bromokomplexe in der Konzentration abgesenkt werden, reagiert der ungeladene Quecksilberbromokomplex zu den gela-denen Spezies HgBr3
- und HgBr42-.
Zur Vervollständigung dieser theoretischen Gleichgewichtsbetrachtungen wird das System Hg(II)-Cl--Br--H2O mit Jodid zu einem System mit drei Liganden erweitert. In Abbildung 12 ist das Ergebnis für die geladenen Spezies dargestellt.
Hg-Br--J--H2O / Hg = 50 µmol/l, Cl-ges = 1 mol/l, Br-ges = 1 mol/l
0,E+00
1,E-05
2,E-05
3,E-05
4,E-05
5,E-05
1,E-04 1,E-03 1,E-02 1,E-01 1,E+00 1,E+01
J-frei [mol/l]
Ko
nze
ntr
atio
n H
g-S
pez
ies
(aq)
[mo
l/l]
HgJ4 (2-) HgJ3 (-) HgBr4 (2-) HgBr3 (-)
HgClBr2 (-) HgCl2Br2 (2-) HgBrJ2 (-) HgBr2J2 (2-)
Abbildung 12: Verteilung der geladenen Hg-Spezies im System Hg(II)-Cl--Br--J--H2O
Obwohl das System mit den gewählten Ausgangskonzentrationen (Hg(II) = 50 µmol/l, Cl- = 1 mol/l, Br- = 1 mol/l) Chloride und Bromide im deutlichen Überschuss enthält, verdrängt die Berücksichtigung des stärkeren Liganden Jodid alle anderen, theoretisch möglichen Komplexe. Die Berücksichtigung von Jodid führt zunächst zur Bildung gemischter Hg-J-Komplexe und nicht unmittelbar zur Bildung der Spezies HgJ4
2-. Diese entsteht vorrangig über den zweifach negativ geladenen Bromojodokomplex HgBr2J2
2- und bei ausreichendem Jodidüberschuss. Der nahezu
3 Berechnung der Komplexreaktionen
35
vollständige Umbau aller Quecksilberkomplexe zum HgJ42- ist bei Jodidüberschüs-
sen abgeschlossen, die dem des Einligandensystems Hg(II)-J--H2O entsprechen (vergleiche Abbildung 9).
Der Verlauf der Konzentration der ungeladenen Spezies unter Berücksichtigung von Jodid ist in Abbildung 13 dargestellt. Es zeigt sich, dass die Reaktion zum HgJ2 do-miniert. Die Bildung der ungeladenen gemischten Komplexe findet zwar statt, bleibt aber von untergeordneter Bedeutung. Die Stabilität des HgJ2 führt sogar dazu, dass in einem Konzentrationsbereich des Jodidüberschusses von ca. 1 mmol/l bis ca. 100 mmol/l die Konzentration der ungeladenen Spezies über der im System Hg(II)-Cl--Br--H2O liegt. Erst ab dem Jodidüberschuss, der zu einer Reduzierung der ge-mischten geladenen Komplexe HgBrJ2
- und HgBr2J22- zugunsten der reinen Queck-
silberjodokomplexe führt, sinkt auch die Konzentration der ungeladenen Spezies. Jodid verdrängt die anderen Liganden.
Hg-Cl--Br--J--H2O / Hg = 50 µmol/l, Cl-ges = 1 mol/l, Br-ges = 1 mol/l
1,E-15
1,E-13
1,E-11
1,E-09
1,E-07
1,E-05
1,E-07 1,E-06 1,E-05 1,E-04 1,E-03 1,E-02 1,E-01 1,E+00 1,E+01
J-frei [mol/l]
Ko
nze
ntr
atio
n H
g-S
pez
ies
(aq
)
[mo
l/l]
HgCl2 HgBr2 HgJ2HgClBr HgClJ HgBrJSumme neutrale Spezies
Abbildung 13: Verteilung der ungeladenen Hg-Spezies im System Hg(II)-Cl--Br--J--H2O
Im Folgenden wird die Speziesverteilung im System Hg(II)-Cl--Br--J--H2O für Konzent-rationen berechnet, die aus betrieblichen Messungen an einer Müllverbrennungsan-lage stammen. Kapitel 6 befasst sich ausführlich mit der Auswertung dieser Daten. Abbildung 14 zeigt das Ergebnis der Gleichgewichtsberechnungen für 18 Messpunk-te. Dabei variieren die Konzentrationen der Einzelmesspunkte stark.
3 Berechnung der Komplexreaktionen
36
In Tabelle 11 sind die Schwankungsbreiten sowie der mittlere molare Überschuss (X-/Hg(II)) angegeben:
Tabelle 11: Konzentrationsverhältnisse
Komponente Hg(II) Cl- Br- J-
Konzentration, min. [mol/l] 7,5·10-7 1,2 2,8·10-3 7,9·10-6
Konzentration, max. [mol/l] 7,5·10-6 2,8 9,0·10-3 3,2·10-4
Konzentration, gemittelt [mol/l] 3,1·10-6 1,7 5,3·10-3 1,2·10-4
molarer Überschuss [ ], gemittelt 1 560.000 1.700 40
Obwohl vor allem Chloride aber auch Bromide mit deutlich höheren Konzentrationen als Jodide in die Berechnung eingingen, zeigte es sich, dass im Gleichgewicht die flüchtigen ungeladenen Komplexe im System Hg(II)-Cl--Br--J--H2O zu über 99 % aus HgJ2 bestehen. Der Konzentrationsabstand zu HgCl2 beträgt 2, der zu HgBr2 beträgt 3 Größenordnungen und die gemischten ungeladenen Halogenokomplexe (Abstand zwischen 4 und 6 Größenordnungen) kommen fast nicht vor.
1,E-16
1,E-15
1,E-14
1,E-13
1,E-12
1,E-11
1,E-10
1,E-09
1,E-08
1,E-07
1,E-06
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
Probe
Ko
nze
ntr
atio
n H
g-S
pez
ies
(a
q) [
mo
l/l]
HgCl2 HgBr2 HgJ2 HgBrCl HgClJ HgBrJ
Abbildung 14: Berechnete Verteilung der ungeladenen Quecksilberkomplexe im Waschwasser einer Abfallverbrennungsanlage
3 Berechnung der Komplexreaktionen
37
Nur in den Proben 1, 9, 10 und 11 ist der molare Überschuss des Chlorids groß genug (Cl-/J- > 220.000), dass die ungeladene Spezies HgCl2 überwiegt. In den an-deren Proben überwiegt HgJ2, obwohl der Ligand Jodid nur in Spuren vorliegt. Die-ses Ergebnis unterstreicht den übermächtigen Einfluss der Ligandenstärke auf die Gleichgewichtslage im Vergleich zur Ligandenkonzentration.
Aus den Berechnungen der Gleichgewichtslage der Komplexreaktionen lässt sich darüber hinaus ableiten: Durch die Anwesenheit unterschiedlicher Liganden in der flüssigen Phase wird das als HgCl2 in das System eingetragene Quecksilber zum Teil umkomplexiert. Hinter der Waschstufe ist das zweiwertige Quecksilber aller Voraussicht nach nicht mehr an Chlorid gebunden, sondern an stärkere Komplexbildner. Dieses gilt nicht nur für das Abwasser sondern auch für das zweiwertige Quecksilber im Abgas hinter Wäscher.
Ein experimenteller Befund zum Nachweis der in der Gasphase hinter Wäscher auftretenden Quecksilberspezies wäre ein wesentlicher Baustein zur Überprüfung des in dieser Arbeit entwickelten Modells. Für die weiterführenden Arbeiten sind massenspektrometrische Untersuchungen geplant.
4 Henry-Verhalten von HgX2-Komplexen
38
4 Henry-Verhalten von HgX2-Komplexen
Der Henry-Koeffizient Hi einer Komponente i ist ein Maß für die Löslichkeit dieser Komponente in einem Lösungsmittel LM. Im Referenzsystem der ideal verdünnten Lösung (ivL) ergibt er sich aus der Definition der Fugazität fi einer in einem Lö-sungsmittel LM gelösten Komponente i an der Grenze zur unendlichen Verdünnung:
fiivL
(T,p,xi) = 1xLM
lim→
fi(l) (T,p,{xk}) ≡ xi Hi.LM(T,p)
Gl. 27
xi bezeichnet dabei den Stoffmengenanteil der Komponente i in der Flüssigkeit, xk die Stoffmengenanteile aller Komponenten. Der Henry-Koeffizient ist abhängig vom Druck p, der Temperatur T und der Art des Lösungsmittels LM.
Wird die Molalität mi als Konzentrationsmaß verwendet, gilt analog zu Gl. 27:
fiivL
(T,p,mi) = 1xLM
lim→
fi(l) (T,p,{mk}) ≡ mi mLM,iH (T,p)
Gl. 28
Der Henry-Koeffizient kann aus dem chemischen Potenzial des idealen Gases µ0iig
und dem chemischen Potenzial der ideal verdünnten Lösung µiivL berechnet werden.
Da es sich bei den betrachteten Prozessen um Normaldruckprozesse handelt, d. h. um Prozesse, deren Betriebsdruck bei 1013 mbar liegt, kann die Druckabhängigkeit vernachlässigt werden. Nach Luckas [41] ergibt sich für die ideal verdünnte einmola-le Lösung (mi = 1mol/kgLM, Index *,m) beim Standarddruck p0:
( ) ( )
−⋅=
TR
p,Tµp,Tµexp
m
p)p,T(H
0igi0
0m*,i
*
00m
LM,i Gl. 29
Bei hoher Verdünnung ist der Stoffmengenanteil des Lösemittels nahezu Eins, so dass vereinfachend gilt:
)1xfür(
M
1000xm LM
LM
ii →⋅≈ Gl. 30
Damit ergibt sich aus Gl. 27, Gl. 28 und Gl. 30 für die Umrechnung zwischen den Henry-Koeffizienten:
=LM,i
mLM,i
H
H =
→
i
)l(i
i
)l(i
1x
x
f
m
f
limLM
=→
i
i
1x m
xlimLM
1000
M LM Gl. 31
4 Henry-Verhalten von HgX2-Komplexen
39
Die chemischen Potenziale berechnen sich nach Gl. 32 aus den partiellen molaren Standardbildungsenthalpien ∆fhi
0, den partiellen molaren freien Standardbildungs-enthalpien ∆fgi
0 und den molaren Wärmekapazitäten cp,i der Komponente i sowohl in der Gasphase als auch in der ideal verdünnten Lösung, vergleiche auch Kapitel 5.1.3 „Chemische Potenziale“.
∫∫ −+
−+=
T
T
refi,p
T
T
refi,p0
ref,0if0
ref,0if
0refi
00
dTT
)T(cTdT)T(c
T
T1h
T
Tg)p,T( ∆∆µ Gl. 32
Diese Gleichungen stellen die Basis für ein in Visual Basic erstelltes Programm zur Berechnung des Henry-Koeffizienten einer Komponente i bei einer Temperatur T dar. Im Folgenden werden die Ergebnisse der mit Hilfe von Gl. 32 berechneten Hen-ry-Koeffizienten mit Wasser als Lösemittel für die Spezies HgCl2, HgBr2, HgJ2 darge-stellt und mit in der Literatur verfügbaren Daten verglichen.
Henry-Koeffizienten für die ungeladenen Quecksilberkomplexe mit Wasser als Lö-semittel sind in der Literatur nur unzureichend verfügbar. Messungen von Braun und Dransfeld [51] weisen zwei Werte für HgCl2 aus (bei 60°C und 80°C).
In Labormessungen wurde von Kanefke der Henry-Koeffizient für HgBr2 im Tempe-raturbereich zwischen 40°C und 67°C ermittelt. Für HgCl2 wurde ein Wert bei 60°C gemessen [15]. Darüber hinaus gibt Kanefke eine theoretisch abgeleitete Berech-nungsvorschrift an, die an diese Messpunkte angepasst wurde. Für HgBr2 liegen mit 9 Messpunkten genügend viele Stützpunkte vor, die Anpassung der Berechnungs-vorschrift für HgCl2 wurde mit nur 1 Messpunkt durchgeführt und ist deshalb unter Vorbehalt zu sehen.
0,000
0,005
0,010
0,015
0,020
0,025
0,030
25 35 45 55 65 75 85
T [°C]
H [
bar
]
Messpunkte nach Braun und Dransfeld
Berechnung nach Kanefke
Messpunkt nach Kanefke
berechnet
berechnet ohne cp
Abbildung 15: Vergleich von Henry-Koeffizienten für HgCl2
4 Henry-Verhalten von HgX2-Komplexen
40
Abbildung 15 zeigt den Vergleich der Literaturdaten mit den Ergebnissen der nach Gl. 29, Gl. 31 und Gl. 32 berechneten Henry-Koeffizienten für HgCl2 in Abhängigkeit von der Temperatur.
Die eigenen Berechnungen wurden sowohl mit als auch ohne Berücksichtigung des Terms mit der molaren Wärmekapazität cp für HgCl2 durchgeführt. Die Berechnun-gen ohne cp dienen vorrangig dem Vergleich der Henry-Koeffizienten für HgCl2, HgBr2 und HgJ2, da für HgBr2 und HgJ2 molare Wärmekapazitäten nicht bekannt waren. Wie die graphische Darstellung zeigt, hat die Berücksichtigung bzw. die Ver-nachlässigung der molaren Wärmekapazität auf den errechneten Henry-Koeffizienten im Temperaturbereich bis 70°C einen untergeordneten Einfluss. Bei 50°C wird der Henry-Koeffizient mit Berücksichtigung der molaren Wärmekapazität um ca. 3,5 % höher berechnet als ohne. Bei 70°C liegt die Abweichung immer noch unter 10 %.
Die Werte von Braun und Dransfeld liegen deutlich unterhalb der ermittelten Kurven. Der nach Kanefke ermittelte Verlauf ist bis ca. 60°C in guter Übereinstimmung mit den eigenen Berechnungen. Für höhere Temperaturen liegen die nach Gl. 29, Gl. 31 und Gl. 32 berechneten Henry-Koeffizienten deutlich unterhalb der durch Kanefke abgeleiteten Kurve.
In Abbildung 16 ist der Verlauf der Henry-Koeffizienten von HgBr2 in Abhängigkeit von der Temperatur für die von Kanefke ermittelten Messungen und für die nach Luckas (Gl. 29, Gl. 31 und Gl. 32) gerechneten Werte gegenüber gestellt.
0,00
0,01
0,02
0,03
0,04
0,05
0,06
0,07
0,08
25 35 45 55 65 75 85
T [°C]
H [
bar
]
Berechnung nach Kanefke
Messpunkte nach Kanefke
berechnet ohne cp
Abbildung 16: Vergleich von Henry-Koeffizienten für HgBr2
4 Henry-Verhalten von HgX2-Komplexen
41
Die Kurven stimmen bis ca. 65°C gut überein. Für höhere Temperaturen weist die Kurve nach Kanefke höhere Henry-Koeffizienten aus. Allerdings wurde für die eige-nen Berechnungen die molare Wärmekapazität nicht berücksichtigt. Ein Vergleich zwischen Abbildung 15 und Abbildung 16 liefert deutliche Parallelen in den korres-pondierenden Kurvenverläufen und in der Lage der Kurven zueinander.
Leider war es nicht möglich, die berechneten Kurven zu validieren, weil dazu viel zu wenige experimentell ermittelte Daten vorlagen. Eine Interpretation der Ergebnisse ist deshalb nicht sinnvoll. Der Vergleich zeigt jedoch, dass eine Klärung des Sach-verhaltes dringend erforderlich ist. Wie die weitere Bearbeitung zeigen wird, kann ohne die Kenntnis der erforderlichen Stoffdaten eine Simulation des Verhaltens von Quecksilber in der Wäsche keine belastbaren Ergebnisse liefern.
Trotz dieser unzulänglichen Datenlage liefert ein Vergleich der Henry-Koeffizienten der Quecksilberkomplexe HgCl2, HgBr2 und HgJ2 eine für die weiteren Betrachtun-gen wesentliche Aussage. Abbildung 17 zeigt einen Vergleich der Kurvenverläufe der Henry-Koeffizienten dieser drei Hg-Komplexe in Abhängigkeit von der Tempera-tur, alle Berechnungen wurden ohne cp durchgeführt. Für die Darstellung wurde eine logarithmische Ordinatenaufteilung gewählt, um den Wertebereich vollständig abzu-decken. Es zeigt sich, dass die Flüchtigkeit des ungeladenen HgX2-Komplexes in der Reihe der Halogene zunimmt: HHgCl2 < HHgBr2 < HHgJ2. Dieser Befund wird durch die verfügbaren Messungen und durch die Berechnungen von Kanefke unabhängig vom gewählten Berechnungsverfahren bestätigt [15].
1,E-04
1,E-03
1,E-02
1,E-01
1,E+00
1,E+01
25 35 45 55 65 75 85
T [°C]
H [
bar
]
HgCl2
HgBr2
HgJ2
Abbildung 17: Vergleich der Henry-Koeffizienten für Quecksilberhalogenokomplexe
4 Henry-Verhalten von HgX2-Komplexen
42
Unerwartet sind die Größenunterschiede zwischen den ermittelten Henry-Koeffizienten. Im Temperaturbereich zwischen 25°C und 80°C ergeben sich für den Henry-Koeffizienten für HgCl2 Werte zwischen 1,7·10-4 bar und 1,7·10-2 bar, für HgBr2 liegen die Werte zwischen 4,7·10-4 bar und 5,3·10-2 bar, also um den Faktor 2-3 höher. Die Henry-Koeffizienten für HgJ2 befinden sich im Wertebereich zwischen 0,1 bar und 5,5 bar und damit um mehr als zwei Zehnerpotenzen über den für HgCl2 ermittelten Werten.
Bezogen auf die Praxis bedeutet dieses, dass Jodid zwar die stärksten Hg-Komplexe bildet und wie in Kapitel 3 gezeigt sich bei Anwesenheit von Jodid im System diese Komplexe auch bevorzugt bilden. Es bleibt aber noch zu klären, ob damit auch eine niedrigere Konzentration an HgX2 in der Gasphase erreicht wird oder ob die so viel größere Flüchtigkeit dieser Spezies den positiven Effekt der besseren Komplexie-rung kompensiert bzw. überwiegt.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
43
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
Ziel der folgenden Ausführungen ist es, ein gewähltes System unter Berücksichti-gung aller Phasen (fest, flüssig, gasförmig) zu beschreiben sowie aller Komponen-ten, deren Existenz vorausgesetzt werden kann bzw. deren Bildung aus den vorge-gebenen Systemkomponenten möglich ist. Dazu wird ein in [41] dargestellter Ansatz zur Beschreibung komplexer Gleichgewichte gewählt. Der Begriff „komplexes Gleichgewicht“ benennt dabei die Kombination von Phasen- und chemischem Gleichgewicht mit einer typischerweise großen Anzahl beteiligter Komponenten.
5.1 Theoretische Grundlagen
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass ein abgeschlossenes Sys-tem (d.h. Gesamtmasse m, Volumen V und innere Energie U sind konstant) im thermodynamischen Gleichgewicht ist, wenn die Entropie S maximal ist:
S(U,V,{nK})= max. Gl. 33
Für technische Prozesse, die überwiegend in offenen Systemen stattfinden, können Druck und / oder Temperatur in vielen Anwendungsfällen als näherungsweise kon-stant angesehen werden. Aus Gl. 33 folgt dann, dass die freie Enthalpie G, die eine Funktion von Temperatur T, Druck p und aller Stoffmengen {nK} ist, unter diesen Bedingungen minimal wird:
{ }( ) ∑∑ ==
P
p
K
i
)P(i)P(iK
P
minnn,p,TG µ Gl. 34
Dabei sind ni(P) bzw. µi(P) die Stoffmenge bzw. das chemische Potenzial der Kompo-nente i in der Phase P. Die Summation erfolgt über alle Komponenten KP einer Pha-se und über alle Phasen Pn.
Gl. 34 stellt die Grundbeziehung zur Berechnung von thermodynamischen Gleich-gewichten in isobaren und isothermen Systemen dar. Werden die chemischen Po-tenziale in den verschiedenen Phasen bei gleicher Temperatur und gleichem Druck bestimmt, werden dadurch die Bedingungen für das mechanische und thermische Gleichgewicht implizit erfüllt.
Bei Betrachtung von Elektrolytsystemen werden zusätzlich die Nebenbedingung der Erhaltung der Atomanzahl für jede Atomart (Gl. 35) und die Nebenbedingung der Elektroneutralität aller flüssigen Mischphasen, in denen Ionen auftreten (Gl. 36), erfüllt. Bei diesen Nebenbedingungen handelt es sich um lineare Gleichungen.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
44
0Aan kik
P
p
K
i
)P(i
P
=−∑∑ Gl. 35
Ak ist die Gesamtzahl der im System vorhandenen Atome der Atomsorte k. Der Ko-
effizient aik steht für die Anzahl der Atome der Atomsorte k in den Molekülen der Komponente i.
0zn i)l(i =∑ Gl. 36
Dabei ist ni(l) die Stoffmenge der Komponente i in der Flüssigkeit und zi die Ladungs-zahl der Komponente i in der Flüssigkeit.
5.1.1 Fugazitätskoeffizient
Um Gesetzmäßigkeiten, die für ideale Gase gelten, auch zur Berechnung von Gleichgewichten realer Gase verwenden zu können, werden anstelle der Partialdrü-cke pi die Fugazitäten fi eingesetzt. Es gilt:
fi = Φi . pi Gl. 37
Der dimensionslose Hilfsfaktor Φi beschreibt dabei die Abweichung des Verhaltens des realen Gases vom idealen Gas und wird als Fugazitätskoeffizient bezeichnet. Für ideale Gase wird der Fugazitätskoeffizient zu 1.
Die Bestimmung der Fugazitätskoeffizienten basiert entweder auf Anpassungen an experimentelle Daten oder auf theoretischen Abschätzungen. Zur theoretischen Abschätzung kann die Virialgleichung eingesetzt werden. Ausgehend vom idealen Gasgesetz als einfachste Zustandsgleichung wird dabei der Kompressibilitätsfaktor zkompr in Form eines Polynoms dargestellt, siehe Anhang D.
Bei den betrachteten Prozessen kann die Gasphase näherungsweise als ideal ange-sehen werden, so dass die Fugazitätskoeffizienten für die Gasphase in den durchge-führten Berechnungen zu eins gesetzt werden.
5.1.2 Aktivitätskoeffizient
Für ideale Mischungen gilt, dass sich beim isobaren Vermischen der reinen Kompo-nenten die Temperatur und das Volumen nicht ändern. Voraussetzung dafür ist, dass die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen unterschiedlicher Komponenten sich nicht von denen gleichartiger Komponenten unterscheiden. Im Fall realer Mi-
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
45
schungen ist davon nicht auszugehen. Zur Beschreibung realer Mischungen werden
als Hilfsgrößen die Aktivität ai sowie der Aktivitätskoeffizient γi der Komponente i eingeführt. Die Aktivität ai einer Komponente i in der Mischphase ist gemäß Gl. 38 definiert. Hierin ist f0i die Fugazität in einem frei wählbaren Referenzzustand. Eine sinnvolle Anwendung der Aktivität ist allerdings nur gegeben, wenn die Komponente i im selben Aggregatzustand wie im Referenzzustand vorliegt, [52].
( ) ( )( )p,Tf
}{,p,Tf}{,p,Ta
i0
kiki
ζζ ≡ Gl. 38
ζi ist zunächst ein frei wählbares Konzentrationsmaß, das für die Berechnung einheit-
lich festgelegt werden muss. Durch den dimensionslosen Aktivitätskoeffizient γi wird die Abweichung des Mischungsverhaltens der realen Mischung vom Mischungsver-halten des idealen Gases bzw. der idealen Lösung erfasst. Es gilt:
i
ii
a
ζγ ≡ Gl. 39
Für die durchgeführten Berechnungen wurde die Molalität als Konzentrationsmaß und die ideal verdünnte einmolale Lösung (mi=1mol/kgLM) als Referenzzustand ge-wählt.
Zur Berechnung von Aktivitätskoeffizienten gibt es eine Reihe von Näherungen. Die meisten dieser theoretischen Gleichungen wurden für konkrete Anwendungsfälle entwickelt und enthalten Wechselwirkungsparameter, die durch Anpassung an expe-rimentelle Daten festgelegt werden. Dementsprechend hängen Qualität und Eignung eines Modells für eine konkrete Aufgabenstellung von den verfügbaren Wechselwir-kungsparametern ab.
In der vorliegenden Arbeit werden wässrige Elektrolytsysteme betrachtet. Die Zu-sammensetzung resultiert aus den im Abgas hinter Verbrennungsprozessen enthal-tenen und im Wäscher abgeschiedenen Stoffen sowie den zugesetzten Neutralisati-onsmitteln. Die umfangreichste und hinlänglich abgesicherte Datensammlung für die benötigten Wechselwirkungsparameter für diesen Anwendungsfall ist für das Modell von Pitzer verfügbar. Deshalb wird für die durchgeführten Berechnungen das Modell von Pitzer verwendet, siehe Anhang E.
5.1.3 Chemische Potenziale
Mit der Postulierung der Gibbsschen Fundamentalgleichung führte Gibbs die Mol-menge ni der Komponente i als Zustandsgröße ein:
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
46
∑+−= ii dnpdVTdSdU µ Gl. 40
Damit findet die Änderung der inneren Energie aufgrund von Materialaustausch und Mischungsvorgängen ihre mathematische Berücksichtigung. Das chemische Poten-
zial µi einer Komponente i gibt dabei Auskunft über das Maß der möglichen Ener-gieänderung bei Änderung der dazugehörigen Stoffmenge ni:
jn,V,Si
in
U
∂
∂=µ Gl. 41
Aus Gl. 34 geht hervor, dass zur Berechnung von Phasen- und Reaktionsgleichge-wichten die chemischen Potenziale aller in den verschiedenen Phasen auftretenden Komponenten bekannt sein müssen. Die Berechnung der chemischen Potenziale basiert auf Standarddaten, die für die verschiedenen Standardzustände tabelliert sind. Nach [41] gilt für das chemische Potenzial einer in einer Mischphase gelösten Komponente i mit dem Reinstoffzustand im idealen Gas beim Standarddruck p0:
{ }
+=
00
0p
pxlnRT)p,T()x,p,T( iiig
iki
φµµ Gl. 42
Die Abweichung vom Idealgasverhalten wird dabei durch den Fugazitätskoeffizienten
Φi beschrieben. Gl. 42 gilt grundsätzlich für die Komponente i in einer Mischphase und ist damit nicht auf die Gasphase beschränkt. Für eine nicht auf eine Phase be-schränkte Anwendung von Gl. 42 wird jedoch eine thermische Zustandsgleichung benötigt, die sowohl die Gasphase als auch die flüssige Phase mit hinreichender Genauigkeit beschreibt. Dabei müssen Druck-, Temperatur- und Konzentrationsab-hängigkeit über den gesamten Zustandsbereich gut abgebildet werden. Die für die vorliegende Arbeit relevanten Anwendungen laufen bei unterkritischen Temperaturen und im Normaldruckbereich ab. Für diesen Fall wird die Kombination aus einer ein-fachen Zustandsgleichung zur Beschreibung der Gasphase und einem Aktivitätsko-effizientenmodell zur Beschreibung der flüssigen Phase angewendet.
Unter Einführung des Aktivitätskoeffizienten γi und mit der reinen Komponente im flüssigen Zustand als Referenzzustand ergibt sich das chemische Potenzial der Komponente i in der Flüssigkeit zu:
{ } { }( ))x,p,T(xlnRT)p,T()x,p,T( k0ii)l(i0k)l(i γµµ += Gl. 43
Da es sich bei den betrachteten Prozessen um Normaldruckprozesse handelt, ist der Systemdruck nahe dem Standarddruck und die Druckkorrektur kann vernachlässigt
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
47
werden. Ausgehend von Gl. 40 folgt damit für das chemische Potenzial im Referenz-zustand µi
ref :
( ) ( )p,TTsp,Th)p,T( refi
refi
refi −=µ Gl. 44
Für den Referenzzustand lassen sich die Daten für beliebige Werte von Temperatur und Druck angeben. Üblicherweise sind sie für Standardbedingungen (T=T0=298,15 K und p=p0=1 MPa) tabelliert. Wichtige Stoffdaten im Standardzu-
stand sind die molare Standardbildungsenthalpie ∆fh0, die molare freie Standardbil-
dungsenthalpie ∆fg0 und die molare Standardentropie s
0. Ausgehend von diesem Standardzustand können die kalorischen Daten mit Hilfe der molaren Wärmekapazi-tät bei konstantem Druck auf die Systemtemperatur umgerechnet werden. Unter Vernachlässigung der Druckkorrektur gilt für die partielle molare Enthalpie der Kom-ponente i im Referenzzustand somit:
∫+=
T
T
0refi,p
ref,0if
0refi
0
dT)p,T(ch)p,T(h ∆ Gl. 45
In [41] wird die partielle molare Standardentropie im Sinne einer Bildungsentropie berechnet mit:
0
0if
0if0
ifT
ghs
∆∆∆
−=
Gl. 46
Damit ergibt sich für die partielle molare Entropie der Komponente i:
∫+=
T
T
0refi,p0
if0ref
i
0
dTT
)p,T(cs)p,T(s ∆
Gl. 47
Einsetzen von Gl. 45 und Gl. 47 in Gl. 44 führt zur Berechnungsgleichung für das chemische Potenzial gemäß Gl. 32, vergleiche Kapitel 4.
Die Berechnung der chemischen Potenziale lässt sich somit auf tabellierte Stan-darddaten und Reinstoffeigenschaften sowie auf Aktivitätskoeffizienten zurückfüh-ren.
5.1.4 Dampfdruck
Zur Berechnung des Dampfdrucks einer reinen Komponente im unterkritischen Zu-stand können verschiedene Modelle verwendet werden. Die Korrelationen und die zu berücksichtigenden Gültigkeitsbereiche sind in Anhang F aufgeführt.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
48
5.2 Stoffdaten
Für die Hauptkomponenten des Gases in den betrachteten Systemen sind die kriti-schen Daten sowie die Daten zur Berechnung der Dampfdrücke bekannt. Weiterhin wird die Gasphase als ideal betrachtet, siehe Kapitel 5.1.1. Damit wird der Fugazi-tätskoeffizient in der Gasphase zu 1 gesetzt. Dieses ist möglich, weil die Berechnun-gen für Betriebsdrücke nahe 1 bar = p0 und mäßige Temperaturen (< 80°C) durchge-führt werden.
Zur Berechnung des Minimums der freien Enthalpie werden die freien Bildungsent-halpien, die Bildungsenthalpien sowie die molaren Wärmekapazitäten als molare Standarddaten (bei T0 und p0) benötigt (siehe Gl. 32). Die Datenlage für die betrach-teten Quecksilberspezies ist in Tabelle 12 dargestellt.
Tabelle 12: Übersicht über verfügbare und nicht verfügbare Standarddaten für Quecksilberspezies
Spezies Gasphase (g) Flüssigphase (aq)
∆fhi0 ∆fgi
0 cp i0 ∆fhi
0 ∆fgi0 cp i
0
HgCl2 � � � � � �
HgBr2, HgJ2 � � – � � –
HgBrCl, HgBrJ, HgClJ – – � � � –
HgCl3-, HgCl4
2- � � �
HgBr3-, HgBr4
2-, HgJ3-, HgJ4
2- � � –
HgBr2Cl-, HgBr2Cl22-, HgBrJ2
-,
HgBr2J22-, HgClJ2
- und HgCl2J22-
– � –
– : Daten nicht verfügbar
Leider sind nicht für alle Komponenten, die für die vorliegende Arbeit betrachtet werden müssen, alle Stoffdaten verfügbar. Im Folgenden werden die Auswirkungen fehlender Daten diskutiert.
5.2.1 Molare Wärmekapazitäten
Fehlende Angaben für die molaren Wärmekapazitäten cp führen dazu, dass die Temperaturabhängigkeit des chemischen Potenzials der betreffenden Komponente nicht vollständig abgebildet werden kann.
Für die ungeladenen Quecksilberspezies HgCl2, HgBr2 und HgJ2 wurden in Kapitel 4 die Henry-Koeffizienten berechnet. Der Vergleich der Ergebnisse der Berechnung für
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
49
HgCl2 sowohl mit als auch ohne Berücksichtigung der molaren Wärmekapazität zeigt, dass der Einfluss der molaren Wärmekapazität auf die chemischen Potenziale insbesondere im Temperaturbereich bis 70°C vernachlässigt werden kann.
Zur Untermauerung dieser Annahme sind in Tabelle 13 die Zahlenwerte für das chemische Potenzial nach Gl. 32 und für den Anteil der cp-Terme für die Spezies dargestellt, für die alle Standarddaten (p0 = 1 bar, T0 = 25°C) verfügbar sind.
Tabelle 13: Chemische Potenziale und der Anteil der molaren Wärmekapazitäten
Komponente µ iref nach Gl. 32 Abweichung für cp i
ref = 0
(25°C) (50°C) (70°C) (25°C) (50°C) (70°C)
[kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol]
HgCl2 (g) -141,8 -141,7 -141,8 0 -0,055 -0,175
HgCl2 (aq) -173,2 -169,7 -167,2 0 -0,154 -0,489
HgCl3- (aq) -309,1 -302,1 -296,0 0 0,343 1,089
HgCl42-
(aq) -446,8 -437,5 -429,5 0 0,348 1,104
Für die anderen Quecksilberspezies wird ein vergleichbares Verhalten angenom-men. Die fehlenden molaren Wärmekapazitäten werden für die nachfolgenden Be-rechnungen deshalb zu null gesetzt.
5.2.2 Standardbildungsenthalpie und freie Standardbildungsenthalpie
Die Vertrauenswürdigkeit des Rechenergebnisses für das chemische Potenzial bei fehlenden Standarddaten wird anhand der Beiträge der einzelnen Summanden aus Gl. 32 abgeschätzt. Unter Vernachlässigung der Terme der molaren Wärmekapazität folgt:
−+=
0
ref,0if0
ref,0if
0refi
T
T1h
T
Tg)p,T( ∆∆µ Gl. 48
Für die Spezies HgBrCl(aq), HgBrJ(aq) und HgClJ(aq) wurde das chemische Potenzial für 25°C, 50°C und 70°C errechnet. In Tabelle 14 sind die Ergebnisse nach Gl. 48 mit den Einzelbeiträgen der beiden Summanden gelistet.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
50
Tabelle 14: Vergleich der Beiträge der einzelnen Summanden zum chemischen Potenzial µ iref
Komponente i ∆fgi0 ∆fhi
0 µ iref nach Gl. 48
(25°C) (25°C) (25°C) (50°C) (70°C)
[kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol]
HgClBr(aq) -161,9 -190,4 -161,9 -159,5 -157,6
HgBrJ(aq) -111,7 -117,6 -111,7 -111,2 -110,8
HgClJ(aq) -128,9 -147,3 -128,9 -127,4 -126,1
Beitrag
0
ref,0if
T
Tg∆ Beitrag
−
0
ref,0if
T
T1h∆
(25°C) (50°C) (70°C) (25°C) (50°C) (70°C)
[kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol]
HgClBr(aq) -161,9 -175,5 -186,3 0 16,0 28,7
HgBrJ(aq) -111,7 -121,1 -128,6 0 9,9 17,7
HgClJ(aq) -128,9 -139,7 -148,4 0 12,4 22,2
∆fhi0 und ∆fgi
0 haben jeweils negative Werte, wobei der Betrag des Wertes für ∆fhi0
zwischen 5 und 15 % oberhalb des Wertes für ∆fgi0 liegt.
Bei den betrachteten Spezies folgt der weitaus größte Beitrag zum chemischen Po-
tenzial aus der freien Standardbildungsenthalpie ∆fgi0. Für T>T0 ist der aus dem
ersten Summanden berechnete Wert negativ. Dagegen ist der sich aus dem zweiten Summanden ergebende Wert für T>T0 positiv, so dass der für das chemische Po-tenzial nach Gl. 48 berechnete Wert durch den Beitrag der Standardbildungs-
enthalpie ∆fhi0 erhöht wird (d. h. der Betrag des Wertes wird kleiner), maximal um
15 %, (HgClBr(aq) bei 70°C).
Je negativer das chemische Potenzial einer Komponente ist, desto stabiler ist diese Komponente. Daraus folgt, dass im Gleichgewicht für ein negativeres chemisches Potenzial der betrachteten Komponente eine höhere Konzentration in der betrachte-ten Phase berechnet wird.
Für die gemischten ungeladenen Spezies in der Gasphase ist weder ∆fgi0 noch ∆fhi
0 bekannt. Für die gemischten geladenen Spezies in der flüssigen Phase fehlen An-
gaben zur Standardbildungsenthalpie ∆fhi0. Eine Vernachlässigung dieser Spezies,
d. h. ∆fgi0 = 0, ∆fhi
0 = 0, hätte die folgenden Auswirkungen:
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
51
Gasphase:
HgBrCl(g), HgBrJ(g), HgClJ(g)
Status:
∆fhi0 und ∆fgi
0 sind null. Das chemische Potenzial der jeweiligen Kompo-
nente ist damit null.
Auswirkung
Die partiellen molaren Standardbildungsenthalpien und freien Standard-bildungsenthalpien der übrigen gasförmigen Komponenten sind negativ. Davon ausgehend, dass die Bildungsenthalpien der genannten Spezies ebenfalls negativ sind, wird für die Spezies zwar eine Konzentration in der Gasphase berechnet, aufgrund der Nulleingabe ist das chemische Potenzial im Vergleich zu den übrigen Komponenten jedoch sehr groß (= 0) und damit die berechnete Konzentration zu niedrig.
flüssige Phase:
HgBr2Cl-(aq), HgBr2Cl2
2-(aq),
HgBrJ2-(aq),
HgBr2J22-
(aq), HgClJ2
-(aq),
HgCl2J22-
(aq)
Status:
∆fhi0 ist null.
Auswirkung
Das chemische Potenzial der jeweiligen Komponente wird zu niedrig (im Betrag zu hoch) berechnet. Daraus ergibt sich für die Spezies im Gleich-gewicht eine zu hohe Konzentration in der flüssigen Phase. Da es sich um Spezies in Mehrligandensystemen handelt, beeinflussen alle Komponenten das Gleichgewicht.
Es ist also sinnvoll, die fehlenden Standarddaten abzuschätzen.
Abschätzung der Daten in der Gasphase
Für die gemischten ungeladenen Spezies in der Gasphase werden die Daten als Mittelwert aus den Angaben für die Spezies mit nur einer Ligandenart für die jeweili-ge gemischte Komponente berechnet. Diese Werte sind in Tabelle 15 angegeben.
Tabelle 15: Abschätzung von Standarddaten für die Gasphase, gerechnete Daten kursiv
Komponente i ∆fhi0 ∆fgi
0 Komponente i ∆fhi0 ∆fgi
0
(25°C) (25°C) (25°C) (25°C)
[kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol]
aus Tabelle 36 gerechnet als arithmetischer Mittelwert
HgCl2 (g) -143,1 -141,8 HgClBr(g) -115 -128
HgBr2 (g) -86,6 -113,8 HgBrJ(g) -52 -87
HgJ2 (g) -17,2 -59,9 HgClJ(g) -80 -101
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
52
Abschätzung der Daten in der flüssigen Phase
Für die flüssige Phase fehlen die Daten der partiellen molaren Standardbildungsent-
halpie ∆fhi0 der geladenen gemischten Komplexe. Tabelle 16 zeigt die aus Tabelle 36
entnommenen sowie die abgeschätzten Werte (kursiv). Die Analyse der bekannten
Daten zeigt, dass die prozentualen Unterschiede zwischen ∆fgi0 (aq) und ∆fhi
0 (aq) für
die Komplexe mit nur einer Ligandenart innerhalb der ligandengleichen Komplexe ähnlich sind, für die Chlorokomplexe jedoch im Mittel bei 25 % liegen, für die Bromo-komplexe bei 14 % und für die Jodokomplexe bei 7 %. Unterschiedliche Möglichkei-ten einer Abschätzung durch Mittelwertbildung ergeben Abweichungen, die denen entsprechen, die für die gemischten ungeladenen Komplexe gemessen wurden: 18 % für HgBrCl, 5 % für HgBrJ und 14 % für HgClJ. Deshalb werden diese Abwei-
chungen, die zwischen ∆fgi0 (aq) und ∆fhi
0 (aq) bei den ungeladenen Komplexen mit
unterschiedlichen Liganden auftreten, jeweils für die geladenen Komplexe mit unter-schiedlichen Liganden übernommen.
Tabelle 16: Abschätzung von Standarddaten für die flüssige Phase gerechnete Daten kursiv
Komponente i ∆fhi0
(aq) ∆fgi0
(aq) Komponente i ∆fhi
0(aq) ∆fgi
0(aq)
(25°C) (25°C) ∆ (25°C) (25°C) ∆
[kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol]
HgCl2 -216,3 -173,2 25 % HgBrCl -190,4 -161,9 18 %
HgCl3- -388,7 -309,1 26 % HgBrJ -117,6 -111,7 5 %
HgCl42- -554 -446,8 24 % HgClJ -147,3 -128,9 14 %
HgBr2 -160,7 -143,1 12 % HgBr2Cl- -344 -292,11 18 %
HgBr3- -293,3 -259,4 13 % HgBr2Cl2
2- -500 -424,74 18 %
HgBr42- -431 -371,1 16 % HgBrJ2
- -199 -189,13 5 %
HgJ2 -79,5 -74,9 6 % HgBr2J22- -313 -297,66 5 %
HgJ3- -152,7 -148,5 3 % HgClJ2
- -241 211,181 14 %
HgJ42- -235,1 -211,7 11 % HgCl2J2
2- -387 338,819 14 %
Somit stehen alle für die Rechnungen notwendigen Stoffdaten entweder aus ver-messenen Literaturdaten oder sinnvoll abgeschätzt zur Verfügung.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
53
5.3 Programm zur Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
Als Werkzeug zur Umsetzung der angestrebten Simulationsberechnungen wird eine in Fortran programmierte Routine zur direkten Minimierung der Gibbs-Energie (freie Enthalpie G) verwendet (siehe Gl. 34), die von Herrn PD Dr.-Ing. M. Luckas (Univer-sität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Thermische Verfahrenstechnik) entwickelt wurde. Mathematisch handelt es sich dabei um die Optimierung einer nichtlinearen Zielfunk-tion unter Berücksichtigung linearer Nebenbedingungen. Ein mathematisches Stan-dardverfahren zur Lösung einer solchen Problemstellung ist die Methode der Lag-rangeschen Multiplikatoren. In [41] ist das Verfahren detailliert dargestellt und wird zusätzlich an Beispielen erläutert.
Die zu berechnenden Stoffmengen der einzelnen Spezies sind in den Ausdrücken für das chemische Potenzial enthalten. Die Gesamtzahl der im System enthaltenen Atome der einzelnen Atomsorten ergibt sich aus den Anfangsstoffmengen ni. Zur vollständigen Beschreibung des sich einstellenden Gleichgewichts werden keine kinetischen Reaktionsgleichungen benötigt. Erforderlich sind folgende Stoffdaten aller Komponenten:
- die Fugazitätskoeffizienten, - die Aktivitätskoeffizienten, - die chemischen Potenziale und - die Dampfdrücke.
Damit ist es möglich, unter Vorgabe des Drucks und der Temperatur sowie der be-kannten Eingangsstoffe und der möglichen Ausgangsstoffe ohne genaue Kenntnis möglicher Reaktionswege das System im thermodynamischen Gleichgewicht zu berechnen. Dieses ist für die vorliegende Problemstellung von großem Vorteil, weil in einem Abgaswäscher hinter Verbrennungsprozessen eine Vielzahl von Stoffen vor-liegt. Neben den bekannten Hauptreaktionen gibt es eine große Anzahl möglicher weiterer Reaktionen. Besonders der Einfluss gering konzentrierter Stoffe ist nicht vollständig geklärt. Eine Formulierung aller denkbaren Reaktionen ist also praktisch nicht möglich. Dieses gilt um so mehr für diejenigen Quecksilberkomplexe, von deren Existenz im Abgaswäscher bisher nicht ausgegangen wurde.
Die Berechnungen erfolgen nach den in [41] dargestellten Grundlagen. Zur besseren Handhabung wurde das Programm (Gibbs-Energie-Minimierungs-Programm, im Folgenden GEMP genannt) in eine bedienerfreundliche Oberfläche eingebettet und um eine zentrale Stoffdatendatei (siehe Anhang C) erweitert.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
54
5.3.1 Ablaufplan des Gibbs-Energie-Minimierungs-Programms
Abbildung 18 zeigt den Ablaufplan des Gibbs-Energie-Minimierungs-Programms (GEMP). Über VisualBasic werden die Eingaben vorgenommen, die Excel-Tabellen verwaltet und die Kommunikation mit der Fortran-Routine geführt.
Die Fortran-Routine berechnet das Minimum der Gibbs-Energie im betrachteten System bei vorgegebenem Druck und vorgegebener Temperatur und liefert so die Aufteilung der Komponenten auf die Phasen im thermodynamischen Gleichgewicht. Dieser Programmteil ist von der betrachteten Aufgabenstellung unabhängig.
Durch die benutzergeführte Oberfläche ist es möglich, das Programm auch für ande-re Stoffsysteme zu nutzen. Voraussetzung ist eine weitgehende Verfügbarkeit der benötigten Stoffdaten. Die Übergabe der Daten in Excel-Tabellen erleichtert den Vergleich der Daten und die Auswertung der Ergebnisse.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
55
Stoffdaten.xls
Einlesen der Inputdatei
Input.txt
Fortran starten
Erstellen der Inputdatei
Eingabe des Stoffsystems vom
Benutzer
Matrix aufstellen und lösen
Ergebnisse konvergieren?
Einlesen der Outputdatei
Ausgabe.xls
Umspeicherung der Startwerte
Einlesen der Stoffdaten
Erstellen der Outputdatei
Output.txt
Erstellen des Ergebnisfiles
ja nein
Warten
Fortran beenden
FortranExcel- /
Textdateien Visual Basic
pH-Wert korrekt?
nein ja
Ändern von H2O oder Neutrali-sationsmittel
Endtemperatur / -stoffmenge
erreicht?
Nächste Temperatur / Stoffmenge
nein
ja
Speichern der Tabelle
ENDE
Abbildung 18: Ablaufplan des GEMP
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
56
5.3.2 Eingabedaten
Für die Berechnung werden die folgenden Angaben benötigt:
- Anzahl der verschiedenen Atomsorten A - Atomsorten - Anzahl der Komponenten im Eingang - Spezifikation jeder Komponente im Eingang mit:
chemischer Bezeichnung, Menge [mol], Benennung der Atome - Anzahl der im System vorkommenden Komponenten (Eingang und Ausgang) - Spezifikation jeder Komponente im System mit:
Phase, Komponente, Ladung, Benennung der Atome - kritische Temperatur [K], kritischer Druck [bar], Siedetemperatur [K], azentrischer
Faktor [ ] und kritisches Volumen [cm³/mol] aller nicht geladener Komponenten - partielle molare freie Standardbildungsenthalpien und Standardbildungsenthalpien
aller Komponenten in allen Phasen [kJ/mol] - spezifische Wärmekapazitäten aller Komponenten in allen Phasen [J/mol/K] - Dampfdruckgleichung und die Parameter für die gewählte Gleichung - Faktor für die Startwerte oder Startwerte als Molmenge [mol] - Systemtemperatur [K], Systemdruck [bar] und Benennung des Aktivitätskoeffizien-
tenmodells - Pitzer-Parameter bei Wahl des Pitzer-Modells
Die Übernahme der Daten in die Fortran-Routine erfolgt aus einer Text-Datei, diese ist beispielhaft für einen Abgasstrom mit N2, O2, H2O, CO2 und HCl in Anhang G entsprechend der in der o. g. Liste angegebenen Reihenfolge aufgeführt. Da das Editieren der Daten im unformatierten Text-Format unübersichtlich und umständlich ist, wurde in MS-Excel eine Stoffdatentabelle angelegt, die für eine Vielzahl von Komponenten die benötigten Stoffdaten enthält. Die Tabelle ist im Anhang C abge-bildet. Die Eingabe der Daten reduziert sich damit auf die Angaben:
- Systembedingungen Druck und Temperatur - Eingangsmenge und -zusammensetzung - im System vorkommende bzw. zu berücksichtigende Komponenten - gewähltes Modell zur Bestimmung der Aktivitätskoeffizienten - Startwerte
Die dem Programm zugrunde liegenden thermodynamischen Gleichungen verwen-den die Stoffmengen in der Einheit Mol. Demgegenüber ist es in der Praxis üblich, den Gasdurchsatz von Abgaswäschern in [m³/h] anzugeben, oft mit Bezug auf den Normzustand. Abfallverbrennungsanlagen haben einen Gasdurchsatz von mehreren 10.000 m³/h, Kohlekraftwerke bis zu mehreren 1.000.000 m³/h. Die Abgaszusam-mensetzung wird über die Volumenanteile der drei Hauptkomponenten N2, O2 und
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
57
CO2 angegeben und die Schadstoffe als Beladung mit dem Konzentrationsmaß in [mg/m³ i. N. tr.] Die Vorgabe des Wassergehalts entfällt, da im betrachteten Bilanz-raum das Abgas im wassergesättigten Zustand vorliegt.
Um dem Benutzer die Eingabe der erforderlichen Daten in den für die Betreiber üblichen Einheiten zu ermöglichen, wurde in Visual Basic eine Benutzeroberfläche programmiert. Die Umrechnung der Eingabedaten in die Stoffmengeneinheit Mol erfolgt programmintern. Als Bilanzzeitraum wird eine Millisekunde (ms) gewählt. Damit ergeben sich Stoffmengen, die mit denen früherer Rechnungen vergleichbar sind. Eine Validierung des geänderten Programms mit Hilfe dieser bereits bestehen-den Berechnungen konnte dadurch durchgeführt werden.
Die für die Berechnungen erforderliche Temperaturangabe ist die Systemtemperatur im betrachteten Bilanzraum, also bei gesättigten Bedingungen. Der Einfluss des Wassergehaltes des Abgases vor Wäscher auf die Wäschertemperatur muss vom Benutzer berücksichtigt werden.
Das Waschwasser kann als reines Wasser (H2O) oder aber unter Berücksichtigung der aus dem Abgas abgeschiedenen Schadstoffe angegeben werden. Damit erhöht sich die Stoffmenge im Bilanzraum um die Komponenten des Waschwassers.
Nach Eingabe dieser Daten werden für die angewählten Komponenten im nächsten Schritt die Stoffdaten aus der Stoffdatendatei (siehe Anhang C) herausgelesen. Dieses sind im Einzelnen:
- Anzahl und Art der Atome jeder Komponente, - Zustand der Komponente: g für gasförmig, l für gelöst, s für Feststoff, - Ladung der Komponente, - kritische Temperatur, kritischer Druck, kritisches Volumen, Siedetemperatur und
azentrischer Faktor für die Berechnung des zweiten Virialkoeffizienten und des Dampfdrucks,
- partielle molare freie Standardbildungsenthalpien und Standardbildungsenthalpien für alle drei Zustände zur Berechnung der chemischen Potenziale,
- molaren Wärmekapazitäten für alle drei Zustände, wobei der Gaszustand durch ein Polynom 3. Grades mit vier Polynomkoeffizienten beschrieben wird,
- Koeffizienten für die jeweilige Dampfdruckgleichung und der dazugehörige Index für die Berechnungsgleichung: 0 für Lee-Kesler, 1 für Wagner, 2 für Frost-Kalkwarf-Thodos und 3 für Antoine,
- Pitzer-Parameter β(0), β(1), β(2) und CΦ für die Ionen, bei Wahl von ‚Pitzer’ als GE-Modell zur Berechnung der Aktivitätskoeffizienten.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
58
Anschließend wird die Eingabedatei für die Fortran-Routine im Text-Format erzeugt. Das Programm ermittelt aus den gegebenen Daten die sich im Gleichgewicht einstel-lende Zusammensetzung der flüssigen Phase und der Gasphase.
5.3.3 Ergebnisausgabe
Das Ergebnis der Simulation liefert die Einzelstoffmengen für jede Komponente in jeder Phase im thermodynamischen Gleichgewicht, angegeben in Mol. Die Daten werden zunächst in einer MS-Excel-Tabelle hinterlegt.
Ebenfalls gespeichert werden alle für die Berechnung benötigten und aus den Stoff-daten erzeugten Kenngrößen. Dieses sind im Einzelnen:
- Aktivitäts- und Fugazitätskoeffizienten aller Komponenten, - Lagrange’sche Multiplikatoren, - Gesamtstoffmengen für jede Phase, - pH-Wert, - Ionenstärke, - freie Enthalpie des Gesamtsystems, - Anzahl der benötigten Iterationen und - Abweichungen der Atombilanzen.
Zur leichteren Bewertung der Ergebnisse werden die Daten unter Berücksichtigung des gewählten Bezugszeitraums von 1ms in die Einheiten der Eingabewerte zurück-gerechnet. In der Gasphase sind dies [Vol.-%] und [mg/m³ i. N. tr.] und in der flüssi-gen Phase [mol/l]. Sind Feststoffe im System, werden dessen Konzentrationen in [mol/h] angegeben.
5.3.4 Programmergänzungen
Änderung der Gleichgewichtslage bei Änderung eines Parameters
Für ein gewähltes System ist nicht nur die Gleichgewichtslage an einem definierten Punkt von Interesse sondern auch die Änderung der Gleichgewichtslage bei Ände-rung eines bestimmten Parameters. Für die vorliegende Problemstellung betrifft dieses die Parameter Temperatur und Ligandenkonzentration. Deshalb wurde zu-nächst die Möglichkeit geschaffen, die Temperatur in einem vorzugebenden Wer-tebereich mit einer anzugebenden Schrittweite zu variieren. Dieses erleichtert den Vergleich der Ergebnisse und die graphische Auswertung.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
59
Berücksichtigung von Regelgrößen
Im Betrieb eines realen Wäschers unterliegen Einflussgrößen wie pH-Wert, Leitfä-higkeit oder Dichte Sollwertvorgaben, die in engen Grenzen geregelt werden. Zur Einstellung des pH-Wertes kann entweder die Abflutmenge erhöht oder ein Neutrali-sationsmittel, (hier NaOH oder Ca(OH)2) zum Waschwasser dosiert werden. Diese Vorgehensweise wurde für den pH-Wert im Programm umgesetzt.
Die Möglichkeit, den pH-Wert konstant zu halten, ist für die Bewertung der Ergebnis-se wesentlich, da sonst eine voneinander unabhängige Parameterbetrachtung nicht möglich wäre. So zieht die Veränderung der Temperatur aufgrund der sich ändern-den Wassermenge bei Sättigung automatisch eine Veränderung des pH-Wertes nach sich.
Editierung von Stoffdaten
Die Einbindung der Fortran-Routine in die VisualBasic-Oberfläche beschränkt die Stoffe, für die eine Berechnung möglich ist, auf die in der Stoffdatentabelle enthalte-nen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, in dieser Datendatei bestehende Datensätze zu ergänzen bzw. neue Stoffe in die Datei aufzunehmen.
Die Bearbeitung der Stoffdaten ist ebenfalls mit Hilfe des GEMP möglich. Die Einga-be der Daten erfolgt über eine VisualBasic-Maske, die Daten werden für jede Kom-ponente einzeln angezeigt bzw. müssen für neue Komponenten in die entsprechen-den Felder eingetragen werden.
5.4 Validierung des Simulationsprogramms GEMP
Zunächst wird die Güte der Simulationsergebnisse anhand einiger Vergleiche mit Literaturdaten nachgewiesen. Dazu werden unterschiedliche Parameter überprüft:
5.4.1 Validierung der Berechnung von Aktivitätskoeffizienten
Die Berechnung der Aktivitätskoeffizienten wird anhand der Daten von HCl in wäss-riger Lösung bei 25°C und 50°C geprüft. Die Molalitäten werden von 0,01 mol/kg bis 6 mol/kg bzw. 2 mol/kg variiert. Für die Berechnung wird das Modell nach Pitzer verwendet. Die Literaturwerte zum Vergleich sind [52], [53] entnommen. In Abbildung 19 ist der Aktivitätskoeffizient von HCl über der Molalität aufgetragen. Die Literatur-werte sind als Symbole dargestellt, der berechnete Verlauf wird durch die Kurven wiedergegeben. Das Beispiel zeigt, dass die berechneten Aktivitätskoeffizienten die Literaturwerte gut abbilden.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
60
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0
Molalität m [mol/kg]
Akt
ivit
ätsk
oef
fizi
ente
n [
]
GEMP 25°C
Literaturwerte 25°CGEMP 50°C
Literaturwerte 50°C
Abbildung 19: Vergleich der berechneten Aktivitätskoeffizienten für HCl mit Literaturdaten [52], [53]
5.4.2 Validierung der Berechnung von Dampfdrücken
Zur Überprüfung der in der Software implementierten Dampfdruckberechnung wer-den die berechneten Dampfdrücke von Wasser mit den Angaben in der Wasser-dampftafel [54] verglichen. Die Verläufe der Dampfdrücke über einem Temperaturin-tervall von 283 K bis 523 K sind in Abbildung 20 aufgetragen. Die Ergebnisse der Berechnung liefern eine sehr gute Übereinstimmung mit den Literaturdaten.
0
5
10
15
20
25
30
35
40
273 323 373 423 473 523
T [K]
Dam
pfd
ruck
[b
ar]
Daten aus Wasserdampftafel
GEMP
Abbildung 20: Vergleich der berechneten Dampfdrücke für H2O mit Literaturdaten, [54]
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
61
5.4.3 Überprüfung der Berechnungsgenauigkeit
Die Fortran Routine wurde für vorangegangene Anwendungen an verfügbaren Daten validiert und hat sich bereits in vielen Prozesssimulationen bewährt [55], [56]. Das neu konzipierte GEMP kann als „korrekt programmiert“ gelten, wenn es die Ergeb-nisse vorangegangener Simulationsberechnungen mit ausreichender Genauigkeit abbildet. Daher wird ein Prozessbeispiel nachgerechnet ([41], S. 226–233).
Betrachtet wird ein Rauchgas aus einem fossil befeuerten Kraftwerk. Die Zusam-mensetzung des Rauchgases ist wie folgt:
Tabelle 17: Zusammensetzung des Beispielgases
Komponente Stoffmenge [mol]
Komponente Stoffmenge [mol]
Komponente Stoffmen-ge [mol]
N2 0,78 HCl 1,2·10-4 HF 9,0·10-6
CO2 0,15 SO2 7,0·10-4 Hg(0) 1,9·10-9
H2O 0,132 SO3 5,6·10-6 HgCl2 4,2·10-10
Zunächst wird nur die Löslichkeit der gasförmigen Komponenten in reinem Wasser betrachtet, entsprechend einem Vorwäscher ohne Neutralisationsmittel. Auf die Berücksichtigung von Sauerstoff wird verzichtet.
Für die Gleichgewichtsberechnung dieses Beispiels wurden die folgenden Spezies zugelassen:
H+ Hg(OH)2 HgCl+ Hg22+ HSO4
- S2O52-
OH- HgOH+ HgCl3- HgF+ SO4
2- SO2Cl-
Cl- HgCl+ HgCl42- HF2
- HSO3- HCO3
-
F- Hg2+ HgCl H2SO4 SO32- CO3
2-
Die Betriebsbedingungen sind 50°C bei Normaldruck. Die benötigten Stoffdaten aller Komponenten sind [57] und [58] entnommen. Die Gasphase wird als ideal angese-hen. Wegen des hohen Chloridgehalts ist die wässrige Lösung nicht ideal; die Be-rechnung der Aktivitätskoeffizienten erfolgt mit dem Pitzer-Modell. Tabelle 18 zeigt den Vergleich der Ergebnisse des GEMP mit denen aus [41]:
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
62
Tabelle 18: Vergleich der Ergebnisse des GEMP mit denen aus [41], Beispiel Vorwäscher
Kompo-nente
Stoffmenge flüssige Phase [mol]
Stoffmenge Gasphase [mol]
Aktivitätskoeffizient
[41] GEMP [41] GEMP [41] GEMP
H2O 6,546·10-3 6,547·10-3 0,1254 0,1254 0,998 0,998
HgCl2 < 10-17 4,815·10-18 < 10-17 1,290·10-18 1 1
HgCl3- 1,512·10-16 4,181·10-17 ─ ─ 0,456 0,465
HgCl42- 3,813·10-15 5,411·10-15 ─ ─ 0,043 0,043
Hg(0) 8,896·10-15 8,584·10-15 2,320·10-9 2,320·10-9 1 1
Cl- 1,162·10-4 1,162·10-4 ─ ─ 0,788 0,788
SO2 4,302·10-8 4,303·10-8 6,999·10-4 6,999·10-4 1 1
Sowohl die Aktivitätskoeffizienten als auch die berechneten Stoffmengen in der Gasphase stimmen vollständig überein. In der flüssigen Phase hingegen gibt es Abweichungen in den Ergebnissen. Diese Differenzen werden auf leichte Unter-schiede in den verwendeten kalorischen Standarddaten der geladenen Quecksil-ber(II)-Komplexe zurückgeführt. Die Unterschiede sind absolut gesehen sehr gering, die Größenordnung der errechneten Konzentrationen bleibt erhalten. Auch pH-Wert und Ionenstärke, die hier nicht aufgeführt sind, stimmen gut überein.
Interessant ist die Gleichgewichtslage der Quecksilberspezies. Bei Abwesenheit von Sauerstoff wird annähernd das gesamte zweiwertige Quecksilber zu Hg(0) reduziert, das vollständig gasförmig vorliegt. Ein geringer Anteil des Quecksilbers wird durch Komplexierung mit Chloridionen zum anionischen HgCl4
2-. Durch die Bildung der negativ geladenen Komplexe wird das HgCl2 in der flüssigen Phase umgesetzt und somit aus seinem Gleichgewicht mit der Gasphase gezogen. Dadurch verbleibt kaum zweiwertiges Quecksilber in der Gasphase.
Eine weitere Beispielrechnung, diesmal mit Kalkstein als Neutralisationsmittel zur Simulation eines Kalkstein-Gips-Wäschers für ein Kohlekraftwerk liefert ebenfalls eine gute Übereinstimmung mit den in [41] veröffentlichten Werten. Diese Berech-nung berücksichtigt eine Sauerstoffmenge von 0,06 mol.
Die Beispielrechnungen belegen, dass mit Hilfe des erweiterten Programms zur Minimierung der Gibbs-Energie (GEMP) das thermodynamische Gleichgewicht in einem Abgaswäscher für unterschiedliche Systeme konsistent und korrekt berechnet werden kann.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
63
5.5 Gleichgewichtsberechnungen mit dem Simulationsprogramm GEMP
5.5.1 Vergleich der Gleichgewichtslage in der flüssigen Phase des Systems Hg(II)-X--H2O
Zunächst wird das mit Hilfe der Stabilitätskonstanten (K-Werte) für die Komplexreak-tionen ermittelte Gleichgewicht (siehe Kapitel 3) mit dem Ergebnis verglichen, das sich aus Berechnungen des Minimums der Gibbs-Energie mit Hilfe des GEMP unter Annahme eines idealen Systems (ideal) ergibt. Betrachtet wird das System Hg(II)-Cl-
-H2O mit einer Quecksilberkonzentration von 0,01 mol/l. Die Chloridkonzentration variiert von 0,006 mol/l bis 0,5 mol/l.
Abbildung 21 zeigt den Verlauf der Quecksilberchlorokomplexe in Abhängigkeit der Chloridkonzentration für die zwei Berechnungsarten für 25°C. Die Spezies Hg2+ und HgCl+ wurden nicht dargestellt, da diese Spezies unter Realbedingungen nicht vor-kommen.
Bis zum stöchiometrischen Verhältnis von Hg:Cl- von 1:2 verlaufen die Kurven der beiden Berechnungsarten für die drei betrachteten Quecksilberspezies nahezu de-ckungsgleich. Für höhere Chloridkonzentrationen ergeben die Berechnungen mit GEMP höhere Konzentrationen der Spezies HgCl4
2- und dementsprechend niedrige-re Konzentrationen der Spezies HgCl2 und HgCl3
- als die Berechnungen mit Hilfe der K-Werte. Gemäß GEMP liegt das Gleichgewicht hier stärker auf Seiten des HgCl4
2-.
0,000
0,001
0,002
0,003
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0,00 0,10 0,20 0,30 0,40 0,50
Cl-ges [mol/l]
Ko
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atio
n H
g-S
pez
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(aq)
[m
ol/l
]
HgCl2 K-Werte
HgCl3(-) K-Werte
HgCl4(2-) K-Werte
HgCl2 ideal
HgCl3(-) ideal
HgCl4(2-) ideal
Hg(II) = 0,01 mol/l T = 298 K
Abbildung 21: Verlauf der Konzentrationen der Quecksilber(II)-Chloride in wässriger Lösung in Abhän-gigkeit von der Chloridkonzentration für unterschiedliche Berechnungsmodelle bei 25°C
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
64
0,000
0,001
0,002
0,003
0,004
0,005
0,006
0,007
0,008
0,009
0,010
1,E-04 1,E-03 1,E-02 1,E-01 1,E+00
Cl-frei [mol/l]
Ko
nze
ntr
atio
n H
g-S
pez
ies
(aq
) [m
ol/l
]
HgCl2 K-Werte
HgCl3(-) K-Werte
HgCl4(2-) K-Werte
HgCl2 ideal
HgCl3(-) ideal
HgCl4(2-) ideal
Hg(II) = 0,01 mol/lT = 298 K
Abbildung 22: Verlauf der Konzentrationen der Quecksilber(II)-Chloride in wässriger Lösung in Abhän-gigkeit von der Konzentration der freien Chloride für unterschiedliche Berechnungsmo-delle bei 25°C
Dementsprechend verlaufen die Kurven der einzelnen Quecksilberspezies auch in Abhängigkeit der Konzentrationen der freien Chloride erst dann zueinander versetzt, nachdem die Reaktion des ungeladenen HgCl2 zu anionischen Komplexen einsetzt. Der Konzentrationsverlauf der Spezies in Abhängigkeit der freien Chloridkonzentrati-on ist in Abbildung 22 dargestellt.
Die Konzentrationen der freien Chloride verlaufen ab einer Chloridkonzentration von ca. 0,02 mol/l (Hg:Cl- von 1:2) in sehr guter Übereinstimmung. Lediglich für sehr kleine Konzentrationen weichen die Werte voneinander ab. Die berechneten Kon-zentrationen der beiden Methoden sind in Abbildung 23 in Abhängigkeit der Ge-samtchloridkonzentration dargestellt.
1,E-05
1,E-04
1,E-03
1,E-02
1,E-01
1,E+00
0,00 0,10 0,20 0,30 0,40 0,50
Cl-ges [mol/l]
Cl- fr
ei [
mo
l/l]
Cl(-) frei K-Werte
Cl(-) frei ideal
Hg(II) = 0,01 mol/lT = 298 K
Abbildung 23: Verlauf der Konzentrationen der freien Chloride in wässriger Lösung in Abhängigkeit von der Gesamtchloridkonzentration für unterschiedliche Berechnungsmodelle
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
65
Als Ergebnis der Betrachtungen kann festgehalten werden:
1. Die Berechnung des Minimums der Gibbs-Energie bestätigt den in Kapitel 3 gefundenen Zusammenhang zwischen Quecksilberkonzentration, Gesamtchlorid-konzentration und Konzentration an freien Chloriden in der flüssigen Phase des Systems Hg(II)-Cl--H2O.
2. Für dieselben Gesamtchloridkonzentrationen ergeben sich im interessieren-den Konzentrationsbereich (Hg:Cl- > 1:2) vergleichbare Konzentrationen an freien Chloriden. Die Aufteilung des Quecksilbers auf die einzelnen Spezies liegt bei den Berechnungen mit GEMP deutlich stärker auf Seiten des HgCl4
2-. Diese Verschie-bungen können auf die verwendeten Stoffdaten zurückgeführt werden. Basis der Berechnungen sind zum einen die Stabilitätskonstanten zum anderen die Standard-daten, die unterschiedlichen Quellen entstammen.
Dieser Befund macht deutlich, dass die theoretischen Betrachtungen in der Tendenz die Zusammenhänge im Wäscher wiedergeben. Um die Abweichung zwischen The-orie und Praxis bewerten zu können, besteht die Notwendigkeit, die Ergebnisse an experimentellen Daten zu validieren. Zunächst sind beide Ergebnisse, zum Einen die mit Hilfe der Stabilitätskonstanten zum Anderen die mit Hilfe der Gibbs-Energie-Minimierung ermittelten, gleichwertig. Um dieses Ergebnis zu untermauern, werden ergänzend die Betrachtungen für das System Hg(II)-Br--H2O durchgeführt. Abbildung 24, Abbildung 25 und Abbildung 26 zeigen die entsprechenden Auswertungen:
0,000
0,001
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0,003
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0,00 0,10 0,20 0,30 0,40 0,50
Br-ges [mol/l]
Ko
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n H
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pez
ies
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) [m
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]
HgBr2 K-Werte
HgBr3(-) K-Werte
HgBr4(2-) K-Werte
HgBr2 ideal
HgBr3(-) ideal
HgBr4(2-) ideal
Hg(II) = 0,01 mol/lT = 298 K
Abbildung 24: Verlauf der Konzentrationen der Quecksilber(II)-Bromide in wässriger Lösung in Abhän-gigkeit von der Bromidkonzentration für unterschiedliche Berechnungsmodelle bei 25°C
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
66
0,000
0,001
0,002
0,003
0,004
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0,006
0,007
0,008
0,009
0,010
1,E-05 1,E-04 1,E-03 1,E-02 1,E-01 1,E+00
Br-frei [mol/l]
Ko
nze
ntr
atio
n H
g-S
pez
ies
(aq
) [m
ol/l
]
HgBr2 K-Werte
HgBr3(-) K-Werte
HgBr4(2-) K-Werte
HgBr2 ideal
HgBr3(-) ideal
HgBr4(2-) ideal
Hg(II) = 0,01 mol/lT = 298 K
Abbildung 25: Verlauf der Konzentrationen der Quecksilber(II)-Bromide in wässriger Lösung in Abhän-gigkeit von der Konzentration der freien Bromide für unterschiedliche Berechnungsmo-delle bei 25°C
Auch im Bromidsystem ergibt das mit GEMP ermittelte Gleichgewicht im Vergleich zur Berechnung mit Hilfe der Stabilitätskonstanten höhere Konzentrationen des HgBr4
2-. Der generelle Verlauf der Komplexierung in Abhängigkeit der Bromidkon-zentration wird jedoch bestätigt. Dieses gilt sowohl für die Gesamtbromidkonzentra-tion als auch für die Konzentration an freien Bromiden. Die berechneten Konzentra-tionen an freien Bromiden sind für dieselben Gesamtbromidkonzentrationen im inte-ressierenden Konzentrationsbereich (Hg:Br- > 1:2) nahezu gleich.
1,E-05
1,E-04
1,E-03
1,E-02
1,E-01
1,E+00
0,00 0,10 0,20 0,30 0,40 0,50
Br-ges [mol/l]
Br- fr
ei [
mo
l/l]
Br(-) frei K-Werte
Br(-) frei ideal
Hg(II) = 0,01 mol/lT = 298 K
Abbildung 26: Verlauf der Konzentrationen der freien Bromide in wässriger Lösung in Abhängigkeit von der Gesamtbromidkonzentration für unterschiedliche Berechnungsmodelle bei 25°C
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
67
5.5.2 Berechnungen des Gas-Flüssig-Gleichgewichts
Im Fokus der Betrachtungen liegt das Verhalten von Quecksilber in der Wäsche unter Anwesenheit verschiedener Halogenide. Allen Berechnungen liegt das gleiche Basisgas zugrunde, dessen Zusammensetzung in Tabelle 19 wiedergegeben ist.
Tabelle 19: Zusammensetzung des Basisgases
Komponente Volumenanteil / Konzentration
N2 78 bzw. 84 Vol.%
O2 6 oder 1·10-10 Vol.%
CO2 16 Vol.%
SO2 250 mg/m³ i. N. tr.
SO3 10 mg/m³ i. N. tr.
Für die unterschiedlichen Berechnungen wird das Basisgas ergänzt durch die Quecksilberspezies HgX2; als Liganden werden Cl-, Br- und J- betrachtet. Für Sauer-stoff werden zwei Werte betrachtet: 10-10 Vol.% werden in den Berechnungen ver-wendet, in denen nur HgX2 im System zugelassen wird. Gleichgewichtsreaktionen zwischen HgX2 und Hg(0) werden dadurch ausgeschlossen, Redoxreaktionen wer-den unterdrückt. Damit kann der Einfluss unterschiedlicher Liganden sichtbar ge-macht werden. Für diese Rechnungen wird N2 mit einem Volumenanteil von 84 Vol.% angenommen.
Die Rechnungen mit Hg(0) im System werden sowohl mit der geringen Sauerstoff-menge von 10-10 Vol.% als auch mit einem Sauerstoffgehalt im Abgas von 6 Vol.% durchgeführt. Damit soll die Gleichgewichtslage von Hg(0)-Hg(II) zunächst unabhän-gig von Redoxreaktionen untersucht und demgegenüber der Einfluss des Sauer-stoffs aufgezeigt werden. Der Stickstoffanteil reduziert sich dann bei sonst gleicher Abgaszusammensetzung auf 78 Vol.%.
Schwefel ist in Form von SO2 und SO3 in allen betrachteten Systemen vorhanden.
Die Stoffmenge an H2O im Eingangsstrom ergibt sich zunächst aus der Annahme, dass das Abgas im betrachteten Betriebspunkt wasserdampfgesättigt ist. Zusätzlich zu dieser Wassermenge wird bei einigen Berechnungen die Waschwassermenge im System berücksichtigt. Diese ergibt sich aus einer einfachen Wäscherauslegung und der Massenbilanz um den Wäscher. Eine Beispielbilanz ist in Anhang H abgebildet.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
68
Es werden Rechnungen mit reinem H2O und mit beladenem Waschwasser (bel. Ww) durchgeführt.
Tabelle 20 gibt einen Überblick über die durchgeführten Berechnungen:
Tabelle 20: Übersicht über die Berechnungsvorgaben
Kapitel Eingangsstrom O2 Hg(0) Waschwasser
5.5.3 Basisgas + 1 Ligand 10-10 Vol.% nein H2O
5.5.4 Basisgas + 3 Liganden 10-10 Vol.% nein H2O
5.5.4.3 Basisgas + 3 Liganden 10-10 Vol.% nein bel. Ww
5.5.5.1 Basisgas + 1 Ligand 10-10 Vol.%
6 Vol.% ja bel. Ww
5.5.5.2 Basisgas + 3 Liganden 10-10 Vol.%
6 Vol.% ja bel. Ww
Für alle folgenden Berechnungen gilt:
- Als Systemdruck wird Normaldruck angenommen. - Wegen des hohen Halogenidgehalts kann die wässrige Lösung nicht als ideal ver-
dünnt angesehen werden. Die Berechnung der Aktivitätskoeffizienten aller gelade-nen Spezies erfolgt mit dem Pitzer-Modell. Die Pitzer-Parameter sind [59] entnom-men. Die Aktivitätskoeffizienten aller ungeladenen Spezies werden aufgrund feh-lender Informationen zu Eins gesetzt.
- Die Gasphase wird als ideal betrachtet. - Alle weiteren benötigten Stoffdaten sind aus [57] und [58] entnommen (siehe Ta-
belle 36, Anhang C) bzw. gemäß Tabelle 15 und Tabelle 16 abgeschätzt.
Aufgrund der unterschiedlichen Parameter werden in der graphischen Darstellung der Simulationsergebnisse die wesentlichen Systembedingungen dokumentiert. Abbildung 27 zeigt die Anordnung der Informationen im Diagramm; diese sind im Einzelnen:
- die Legende rechts unten neben dem jeweiligen Diagramm, - variable Systembedingungen rechts oben neben dem Diagramm, wie z.B. pH-Wert,
Sauerstoffvolumenanteil und Temperatur, - die Rohgaswerte am linken Rand der Grafik bei Darstellungen der Gasphase.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
69
0
100
200
300
400
500
600
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Beschriftung der x-Achse
Bes
chri
ftu
ng
der
y-A
chse
Legende
wichtige Berechnungs-informationen
↓ Rohgaswerte
Abbildung 27: Diagrammschema für die Ergebnisdarstellung
5.5.3 Abgas mit einer Ligandenart
5.5.3.1 Berechnungsvorgaben
Das in diesem Abschnitt betrachtete Abgas besteht aus dem Basisgas mit HX und HgX2 als weitere Schadstoffe. X steht dabei für das jeweilige Halogenid (Cl-, Br-, J-). Für alle Berechnungen gelten die gleichen Schadstoffkonzentrationen, 500 mg/m³ i. N. tr. für HX und 0,05 mg/m³ i. N. tr. für HgX2. Der Eingangsstrom wird mit einem Sauerstoffgehalt von 10-10 Vol.% berücksichtigt.
Der pH-Wert wird mit 1 vorgegeben und über die Wassermenge konstant gehalten. Neutralisationsmittel wird nicht zudosiert.
Für die Gleichgewichtsberechnung wird nur zweiwertiges Quecksilber zugelassen. Ansonsten sind die weiteren zugelassenen Komponenten dieselben wie in Kapitel 5.4.3, ohne die Spezies, die Fluorid enthalten.
5.5.3.2 Der Einfluss der Ligandenart auf die Hg-Gaskonzentration
Um zu untersuchen, wie sich die unterschiedlichen Komplexbildungsstärken der Halogenide auf die Konzentration des zweiwertigen Quecksilbers in der Gasphase auswirken, wird zunächst jeweils eine Ligandenart berücksichtigt. Um den Tempera-tureinfluss auf den Henry-Koeffizienten bei der Betrachtung zu berücksichtigen,
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
70
werden die Berechnungen im Temperaturbereich zwischen 25°C und 70°C durchge-führt.
Abbildung 28 zeigt die Reingaskonzentrationen der Schadstoffe in Abhängigkeit von der Temperatur für ein mit HCl und HgCl2 beladenes Abgas.
Erwartungsgemäß verbleibt SO2 unter Sauerstoffmangel bei pH 1 nahezu vollständig in der Gasphase. SO3 ist sehr gut in Wasser löslich und liegt daher fast vollständig in der flüssigen Phase vor. Die Kurve für SO3 ist aufgrund der niedrigen Konzentratio-nen nicht dargestellt. Mit steigender Temperatur steigt die Konzentration von SO3 in der Gasphase entsprechend der Temperaturabhängigkeit des Henry-Koeffizienten.
Die Phasengleichgewichte von HCl und HgCl2 folgen ebenfalls dem Henry’schen Gesetz. Mit steigender Temperatur nimmt die Konzentration des HCl in der Gaspha-se zu. Das Gleichgewicht liegt jedoch so weit auf der flüssigen Seite, dass von den ursprünglichen 500 mg/m³ i. N. tr. an HCl selbst bei höheren Temperaturen weniger als 1 mg/m³ i. N. tr. im Reingas verbleiben. Dieses deckt sich mit Messungen aus der Praxis. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die HCl-Abscheidung in rea-len Wäschern nahe am Gleichgewicht liegt.
Die Kurve von HgCl2 verläuft ähnlich zu der von HCl. Mit steigender Temperatur erhöht sich die Schadstoffkonzentration von HgCl2 im Reingas.
1,0E-06
1,0E-03
1,0E+00
1,0E+03
295 305 315 325 335 345
T [K]
Ko
nze
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n i
n d
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asp
has
e [
mg
/m³
i.N
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]
HCl
HCl (Roh)
HgCl2
HgCl2 (Roh)
SO2
SO2 (Roh)
SO3
SO3 (Roh)
vor / hinter Wäscher
pH 1
1·10-10 Vol.-% O2
nur Hg(II)
Abbildung 28: Schadstoffkonzentrationen im Reingas mit Chlorid als Ligand
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
71
1,0E-06
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1,0E-04
1,0E-03
1,0E-02
1,0E-01
1,0E+00
1,0E+01
1,0E+02
1,0E+03
295 305 315 325 335 345
T [K]
Ko
nze
ntr
atio
n i
n d
er G
asp
has
e [m
g/m
³ i.
N.t
r.]
HCl
HBr
HJ
HX (Roh)
HgCl2
HgBr2
HgJ2
HgX2 (Roh)
vor / hinter Wäscher
pH 1
1·10-10 Vol.-% O2
nur Hg(II)
Abbildung 29: Schadstoffkonzentrationen im Reingas, Vergleich des Ligandeneinflusses
In Abbildung 29 sind zusätzlich die Ergebnisse der analogen Berechnungen für das System mit (ausschließlich) Bromid und für das System mit (ausschließlich) Jodid in Abhängigkeit von der Temperatur dargestellt. Die Kurven für SO2 und SO3 wurden nicht mehr abgebildet, weil sie von der Ligandenart unabhängig sind.
Zunächst fällt auf, dass HCl von den drei Halogenwasserstoffen mit deutlichem Ab-stand der flüchtigste ist. Bei 323 K liegt die Gasphasenkonzentration von HCl bei 0,106 mg/m³ i. N. tr., die von HBr liegt dagegen nur bei 8·10-4 mg/m³ i. N. tr., HJ weist mit 3,7·10-4 mg/m³ i. N. tr. die niedrigste Reingaskonzentration auf.
Für die Komplexbildungsstärke der Halogenide gilt KCl- < KBr- < KJ-, siehe Kapitel 3. Die vorangegangenen Betrachtungen bestätigen, dass weniger Bromid im Vergleich zum Chlorid und weniger Jodid im Vergleich zum Bromid benötigt wird, um eine vorgegebene Menge an Hg(II) vollständig zum HgX4
2- durchzukomplexieren. Bei isolierter Betrachtung der Ligandenstärke auf die Hg-Komplexierung und die sich daraus ergebende Hg(II)(aq)-Konzentration wäre deshalb zu erwarten, dass sich bei gleichem Ligandenangebot der Reingasgehalt gemäß [HgJ2] < [HgBr2] < [HgCl2] einstellt.
Für die Henry-Koeffizienten gilt hingegen HHgJ2 >> HHgBr2 > HHgCl2, so dass sich dar-aus ein gegenläufiger Einfluss auf den Reingasgehalt ergibt.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
72
Abbildung 29 zeigt, dass aus der Hg-Komplexierung mit Bromid die niedrigste Quecksilberkonzentration im Gas resultiert. Im Vergleich zwischen Chlorid und Bro-mid überwiegt also der Effekt der stärkeren Komplexierung den Einfluss der größe-ren Flüchtigkeit des HgBr2-Komplexes. Allerdings verlaufen die Kurven nicht parallel, sondern die Reingaskonzentrationen nähern sich mit steigender Temperatur an. Damit wird der Einfluss der Temperatur auf die Henry-Koeffizienten sichtbar, siehe auch Abbildung 17.
Abbildung 29 zeigt weiter, dass aufgrund des wesentlich höheren Henry-Koeffizienten von HgJ2 die Gaskonzentration des HgJ2 im betrachteten Temperatur-bereich für alle Werte oberhalb der Gaskonzentration des HgBr2 liegt. Ab einer Tem-peratur von ca. 320 K liegt auch die für das Gleichgewicht berechnete Konzentration des HgCl2 im Gas unterhalb derer von HgJ2.
Da der im Realbetrieb geforderte Grenzwert für Hgges gilt, werden die berechneten HgX2-Konzentrationen auf die Konzentration des Quecksilbers im Gas umgerechnet. Abbildung 30 stellt die Hg-Konzentrationsverläufe in Abhängigkeit von der Tempera-tur gegenüber.
Der prinzipielle Verlauf der Kurven zueinander bleibt auch bei Umrechnungen der Konzentrationen auf Hg erhalten. Aufgrund der unterschiedlichen Molmassen ver-schiebt sich der Schnittpunkt der Quecksilberkonzentration des Chloridsystems und der Quecksilberkonzentration des Jodidsystems von ca. 317 K auf ca. 327 K.
1,0E-06
1,0E-05
1,0E-04
1,0E-03
1,0E-02
295 305 315 325 335 345
T [K]
Ko
nze
ntr
atio
n i
n d
er G
asp
has
e [m
g/m
³ i.
N.t
r.]
Hg ausHgCl2 Hg ausHgBr2
Hg ausHgJ2HgCl2
HgBr2
HgJ2
vor / hinter Wäscher
pH 1
1·10-10 Vol.-% O2
nur Hg(II)
Abbildung 30: Quecksilberkonzentrationen im Reingas, Vergleich des Ligandeneinflusses
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
73
5.5.3.3 Der Einfluss der Liganden auf die Quecksilberspeziesverteilung im Waschwasser
Mit den in Abbildung 29 gezeigten Konzentrationsverläufen der HgX2-Spezies in der Gasphase stehen die HgX2-Komplexe in der flüssigen Phase im Gleichgewicht. Die Konzentrationsverläufe sind in Abbildung 31 dargestellt. Die Darstellung zeigt, dass auch die Komplexierung von der Temperatur abhängig ist. Die Konzentration des ungeladenen Komplexes in der flüssigen Phase steigt mit zunehmender Temperatur.
1,0E-10
1,0E-09
1,0E-08
1,0E-07
1,0E-06
298 308 318 328 338 348
T [K]
Ko
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atio
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der
flü
ssig
en P
has
e [m
ol/l
]
HgCl2
HgBr2
HgJ2
pH 1
1·10-10 Vol.-% O2
nur Hg(II)
Abbildung 31: Vergleich der Verteilung der flüchtigen HgX2-Komplexe in den Ein-Liganden-Systemen
Der Temperatureinfluss ist bei Jodid deutlich größer als bei Chlorid. Die HgCl2(aq)-Konzentration steigt von 3,4·10-7 mol/l bei 298 K auf 3,8·10-7 mol/l bei 343 K. Im gleichen Temperaturbereich erhöht sich die HgBr2(aq)-Konzentration von 2,2·10-8 mol/l um mehr als das Dreifache auf 7,0·10-8 mol/l. Für HgJ2(aq) ergibt sich bei einer Temperaturerhöhung von 298 K auf 343 K eine Erhöhung der Konzentration von 1,4·10-10 mol/l auf 1,1·10-9 mol/l und damit um das Achtfache.
Neben dem für die Reingaskonzentration ungünstigen Einfluss steigender Tempera-turen auf den Henry-Koeffizienten wird bei einer Temperaturerhöhung im System zusätzlich das Angebot an flüchtigem zweiwertigem Quecksilber in der flüssigen Phase erhöht. Herauszustellen ist das Ergebnis, dass in Abhängigkeit von der Tem-peratur auch aus einer sehr niedrigen Konzentration von flüchtigen Hg(II)(aq)-Spezies aufgrund des Henry’schen Verhaltens eine hohe Hg(II)-Gaskonzentration resultieren kann.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
74
In Ergänzung zur Abbildung 31 zeigt Abbildung 32 auch die Abhängigkeit der anioni-schen Quecksilber-Halogenokomplexe von der Temperatur.
Im Jodid- und im Bromidsystem nimmt die Konzentration des HgX42- mit steigender
Temperatur zu Gunsten der weniger komplexierten Spezies HgX3- und HgX2 ab. Im
Choridsystem hingegen führt die Temperaturerhöhung nur zu einer Verringerung der HgCl3
--Konzentration, sowohl die Konzentration an HgCl2 als auch die Konzentration an HgCl4
2- nehmen dabei zu. Dieser Befund ist auf die Unterschiede in den Stan-
darddaten ∆fhi0 und ∆fgi
0 zurückzuführen. Hier findet sich eine Parallele zu den Gleichgewichtskonstanten: im Vergleich der betrachteten Halogenide ist nur der K3-Wert für Chlorid kleiner als der K4-Wert, für Bromid und Jodid ist K3 > K4, vergleiche Tabelle 4, Tabelle 6 und Tabelle 7.
0,0E+00
5,0E-07
1,0E-06
1,5E-06
2,0E-06
2,5E-06
3,0E-06
3,5E-06
4,0E-06
4,5E-06
298 308 318 328 338 348
T [K]
Ko
nze
ntr
atio
n in
der
flü
ssig
en P
has
e [m
ol/l
]
HgCl2
HgCl3(-)
HgCl4(2-)
HgBr2
HgBr3(-)
HgBr4(2-)
HgJ2
HgJ3(-)
HgJ4(2-)
pH 1
1·10-10 Vol.-% O2
nur Hg(II)
Abbildung 32: Vergleich der Verteilung aller Quecksilber(II)-Halogenokomplexe in den Ein-Liganden-Systemen
Die Betrachtungen zeigen zum Einen, dass der Henry-Koeffizient mit steigender Temperatur zunimmt, d.h. bei gleicher HgX2(aq)-Konzentration verbleibt mehr HgX2 im Gas. Für die Henry-Koeffizienten der ungeladenen Quecksilber(II)-Halogeno-komplexe gilt HHgCl2 < HHgBr2 << HHgJ2.
Zum Anderen gilt: Je größer die Ligandenstärke ist, desto stärker wird das zweiwerti-ge Quecksilber zum HgX4
2- durchkomplexiert, sodass weniger gelöstes HgX2 mit der Gasphase im Gleichgewicht steht. Mit steigender Temperatur verändert sich die Gleichgewichtslage der einzelnen Spezies zueinander. Für alle Halogenide führt im
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
75
Ein-Liganden-System die Erhöhung der Temperatur zu einer Erhöhung der Konzen-tration der ungeladenen Spezies. Bei den anionischen Spezies ist die Verschiebung uneinheitlich. Die Reihenfolge der Liganden bezogen auf ihre Ligandenstärke (KCl- < KBr- < KJ-) ändert sich bei steigender Temperatur jedoch nicht.
Zusammenfassend kann als Ergebnis herausgestellt werden: Sowohl die Komplexbildungsstärke eines Liganden als auch die Flüchtigkeit des daraus resultierenden Komplexes bestimmen die Verteilung der Spezies auf die Phasen. Die Ligandenstärke liefert ohne Kenntnis des Henry’schen Verhaltens des Liganden keine Aussagen über die zu erwartenden Reingasgehalte.
Eine starke Abhängigkeit des Henry-Koeffizienten von der Temperatur kann dazu führen, dass bei hohen Temperaturen die HgX2-Reingaskonzentration in einem Sys-tem mit einem stärkeren Komplexbildner höher ist als in einem System mit einem weniger starken Komplexbildner. Im Fall von Bromid führt die Flüchtigkeit des Kom-plexes nicht zu einer Erhöhung des Reingasgehaltes. Mit Jodid liegt ein Ligand vor, bei dem bei hohen Temperaturen die Flüchtigkeit des Hg-Komplexes trotz sehr gro-ßer Stabilitätskonstanten eine im Vergleich zu den schwächeren Liganden Bromid und Chlorid höhere Quecksilberkonzentration im Gas bewirkt.
In den betrachteten Ein-Liganden-Systemen ist somit eine niedrige Wäschertempe-ratur vorteilhafter für die Abscheidung von zweiwertigem Quecksilber.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
76
5.5.4 Nachbildung von realen Wäscherverhältnissen
5.5.4.1 Ausgangszusammensetzung und Berechnungsvorgaben
Im nächsten Bearbeitungsschritt wird nun ein System abgebildet, das die drei Halo-genid-Liganden Cl-, Br- und J- enthält. Die Hauptbestandteile des Abgases entspre-chen dem Basisgas gemäß Tabelle 19. Die Schadstoffkonzentrationen werden aus den Messdaten gemittelt, die bereits für die Betrachtungen zum Gleichgewicht der Komplexreaktionen herangezogen wurden (siehe Abbildung 14). Tabelle 21 zeigt die für das Abgas gewählten Schadstoffkonzentrationen:
Tabelle 21: Schadstoffkonzentrationen im Rauchgas
Komponente Konzentration
HCl 600 mg/m³ i. N. tr.
HBr 4 mg/m³ i. N. tr.
HJ 0,21 mg/m³ i. N. tr.
HgCl2 0,01 mg/m³ i. N. tr.
Sauerstoff wird nicht im Abgas berücksichtigt. Auch die Bildung von elementarem Quecksilber wird nicht zugelassen. Der pH-Wert wird mit 0,7 vorgegeben. Quecksil-ber wird als HgCl2 dem System zugegeben, da dieses unterhalb 300°C die dominie-rende Quecksilberspezies im Abgas hinter Verbrennungsanlagen ist [14]. Für die Gleichgewichtsbetrachtung wird die Bildung der folgenden Spezies zugelassen:
H+ Hg(OH)2 HgBr42- HgClJ H2SO4 HCO3
-
OH- HgCl+ HgJ+ HgBr2Cl- HSO4- CO3
2-
Cl- HgCl3- HgJ2 HgBr2Cl2
2- SO42- (Na+)
Br- HgCl42- HgJ3
- HgBrJ2- HSO3
-
J- HgBr+ HgJ42- HgBr2J2
2- SO32-
Hg2+ HgBr2 HgBrCl HgClJ2- S2O5
2-
HgOH+ HgBr3- HgBrJ HgCl2J2
2- SO2Cl-
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
77
5.5.4.2 Berechnungen mit reinem Wasser als Waschlösung
Zunächst wird das System mit H2O als Waschwasser betrachtet. Der pH-Wert wird über eine Anpassung der Stoffmenge an H2O konstant gehalten. Abbildung 33 zeigt die Gaskonzentrationen der Schadstoffe im Gleichgewicht in Abhängigkeit von der Temperatur.
1,E-11
1,E-09
1,E-07
1,E-05
1,E-03
1,E-01
1,E+01
1,E+03
295 305 315 325 335 345 355
T [K]
Ko
nze
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n i
n d
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asp
has
e [m
g/m
³ i.
N.t
r.]
HCl
HCl (Roh)
HBr
HBr (Roh)
HJ
HJ (Roh)
HgCl2
HgCl2 (Roh)
HgBr2
HgJ2
HgBrCl
HgBrJ
HgClJ
vor / hinter Wäscher Betriebsdaten 3 Liganden pH 0,7
1·10-10 Vol.-% O2
nur Hg(II)
Abbildung 33: Schadstoffkonzentration im Reingas in Anwesenheit aller drei Halogenidliganden in Abhängigkeit von der Temperatur, ∆fg
0(g) und ∆fh
0(g) gemäß Tabelle 15, ∆fh
0(aq) gemäß Tabelle 16
Wie die Darstellung zeigt, liefert HgJ2 den größten Anteil an der Quecksilberkonzen-tration im Abgas. Damit wird zunächst das in Kapitel 3 gefundene Ergebnis bestätigt (siehe auch Abbildung 14): Bei Anwesenheit eines starken Liganden auch in gerin-gen Konzentrationen bilden sich vorrangig Hg-Komplexe unter Beteiligung dieses Liganden. Schwächere Liganden nehmen erst bei Vorlage sehr hoher Konzentratio-nen Einfluss auf das Gleichgewicht. Durch den Wäscher kommt es zu einer Um-komplexierung des in den Wäscher eintretenden HgCl2.
Der deutliche Chloridüberschuss bewirkt also nicht, dass in der Gasphase haupt-sächlich HgCl2 vorliegt. Das Bestreben von Jodid, eine Komplexverbindung mit Quecksilber einzugehen, ist demnach so stark, dass sich trotz der Konzentrationsun-terschiede Jodid als führender Ligand durchsetzt. Für Bromid hingegen trifft dies nicht zu. Hier scheint der hohe Chloridüberschuss die geringere Ligandenstärke zu kompensieren. HgBr2 weist mit deutlichem Abstand die geringste Konzentration aus.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
78
Erwartungsgemäß ergeben sich für die gemischten Spezies Konzentrationen, die zwischen denen der Spezies mit nur einer Ligandenart liegen. Da die Standarddaten für diese Spezies abgeschätzt wurden, können daraus quantitativ keine Aussagen über die Konzentrationen gemischter Spezies im Abgas abgeleitet werden. Hierzu wären gemessene Standarddaten erforderlich.
Die Konzentrationsverläufe der einzelnen Quecksilberspezies in Abhängigkeit von der Temperatur unterscheiden sich stark. Die Konzentration des HgCl2 nimmt erwar-tungsgemäß mit der Temperatur zu, dies gilt für alle Spezies mit Chloridbeteiligung. HgBr2 verbleibt mit steigender Temperatur auf einem sehr niedrigen Konzentrations-niveau mit abnehmender Tendenz. Die HgJ2-Konzentration nimmt nur leicht zu. Sie wird für 298 K zu 5 µg/m³ i. N. tr. für 353 K zu 11 µg/m³ i. N. tr. berechnet. Demzufol-ge steigt auch die Gesamt-Quecksilberkonzentration in der Gasphase. Da jedoch HgJ2 die dominierende Quecksilberverbindung bleibt, ist die Gesamtzunahme der Quecksilberkonzentration im Gas nahezu die des HgJ2.
Ausgehend von den Ergebnissen aus den Berechnungen der Ein-Liganden-Systeme ist dieser Befund vollkommen unerwartet. Durch den starken Temperatureinfluss auf den Henry-Koeffizienten wird im Ein-Liganden-System für HgJ2 über den betrachte-ten Temperaturbereich eine Änderung der Konzentration um den Faktor 100 be-rechnet, siehe Abbildung 29. Da die thermodynamischen Randbedingungen (Stoff-daten, Temperaturbereich, Druck) für alle betrachteten Systeme gleich sind, kann dieses Ergebnis nur auf Wechselwirkungen der Liganden untereinander zurückzu-führen sein. Die Berücksichtigung der gemischten Komplexe im System führt demzu-folge dazu, dass der Temperatureinfluss auf die Quecksilberreingaskonzentration stark abgeschwächt wird.
Zur Überprüfung dieser Vermutung ist in Abbildung 34 der Verlauf der Konzentratio-nen der Quecksilberhalogenokomplexe in der flüssigen Phase in Abhängigkeit von der Temperatur dargestellt.
Es zeigt sich, dass bei niedrigen Temperaturen im Waschwasser zunächst der gela-dene Komplex HgClJ2
- am höchsten konzentriert vorliegt. Mit steigender Temperatur nimmt diese Konzentration jedoch zu Gunsten der Spezies HgCl4
2- (und des HgJ2(g)) stark ab. Trotz der Konzentrationserhöhung des HgCl4
2- nimmt die Gesamtkonzen-tration der geladenen Quecksilberhalogenokomplexe mit steigender Temperatur ebenfalls ab. HgJ2 ist der am höchsten konzentrierte ungeladene Komplex. Auch diese Konzentration nimmt mit steigender Temperatur ab.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
79
0,0E+00
5,0E-08
1,0E-07
1,5E-07
2,0E-07
2,5E-07
3,0E-07
3,5E-07
4,0E-07
295 305 315 325 335 345 355T [K]
Ko
nze
ntr
atio
n in
der
flü
ssig
en P
has
e [m
ol/l
]
HgCl4(2-)
HgJ2
HgJ3(-)
HgClJ
HgBr2Cl(-)
HgBr2Cl2(2-)
HgClJ2(-)
HgCl2J2(2-)
Summe anionischeHg-Komplexe
Betriebsdaten3 LigandenpH 0,7
1·10-10 Vol.-% O2
nur Hg(II)
Abbildung 34: Verteilung der Quecksilber(II)-Halogenokomplexe in der flüssigen Phase, Anpassung von ∆fh
0(aq) gemäß Tabelle 16, ∆fg
0(g) und ∆fh
0(g) gemäß Tabelle 15
Als Ergebnis der Betrachtungen kann herausgestellt werden: Der Hg-Reingasgehalt hinter einer Waschstufe ist abhängig von den Konzentrations-verhältnissen der vorliegenden Liganden. Der Einfluss gemischter Komplexe in der flüssigen Phase auf die Konzentration der flüchtigen Quecksilberkomplexe kann so stark sein, dass eine Erhöhung der HgX2-Gaskonzentration mit steigender Tempera-tur abgeschwächt wird. Da Stoffdaten fehlen, ist hier Forschungsbedarf gegeben.
5.5.4.3 Berücksichtigung der gelösten Stoffe im Waschwasser
Im nächsten Bearbeitungsschritt soll der Einfluss des Waschwassers auf die Kom-plexbildung untersucht werden. Zum Vergleich werden Simulationsrechnungen unter Berücksichtigung der im Waschwasser gelösten Stoffe durchgeführt. Für die Be-rechnung der Waschwasserzusammensetzung werden reale Betriebsbedingungen angenommen. Die Waschwasserzusammensetzung ergibt sich aus den in Tabelle 21 angegebenen Abgasbeladungen gemäß der in Anhang H ausgeführten Wä-scherauslegung. Als Bezugszeit wird 1 Millisekunde (ms) verwendet. Zur Regelung des pH-Werts wird NaOH zudosiert. Die für die Waschwasserzusammensetzung berücksichtigten Stoffe sind in Tabelle 22 aufgelistet.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
80
Tabelle 22: Waschwasserzusammensetzung eines HCl-Wäschers
Komponente Stoffmengenstrom [mol/ms]
H2O 0,14
HCl 0,03
HBr 9·10-5
HJ 3·10-6
HgCl2 6·10-8
In Abbildung 35 sind die Schadstoffkonzentrationen im Gas über der Temperatur aufgetragen, Abbildung 36 zeigt die Verhältnisse im Waschwasser.
1,E-13
1,E-11
1,E-09
1,E-07
1,E-05
1,E-03
1,E-01
1,E+01
1,E+03
295 305 315 325 335 345 355
T [K]
Ko
nze
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atio
n i
n d
er G
asp
has
e [m
g/m
³ i.
N.t
r.]
HCl
HCl (Roh)
HBr
HBr (Roh)
HJ
HJ (Roh)
HgCl2
HgCl2 (Roh)
HgBr2
HgJ2
HgBrCl
HgBrJ
HgClJ
vor / hinter Wäscher Betriebsdaten 3 Liganden pH 0,7
1·10-10 Vol.-% O2
nur Hg(II)L/G = 6
Abbildung 35: Schadstoffkonzentrationen im Reingas unter Berücksichtigung der Waschwasserzu-sammensetzung in Abhängigkeit von der Temperatur ∆fg
0(g) und ∆fh
0(g) gemäß Tabelle 15, ∆fh
0(aq) gemäß Tabelle 16
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
81
0,0E+00
5,0E-06
1,0E-05
1,5E-05
2,0E-05
2,5E-05
3,0E-05
295 305 315 325 335 345 355T [K]
Ko
nze
ntr
atio
n in
der
flü
ssig
en P
has
e [m
ol/l
]
HgCl4--
HgJ2
HgJ3-
HgClJ
HgBr2Cl-
HgBr2Cl2--
HgClJ2-
HgCl2J2--
Summe anionischeHg-Komplexe
Betriebsdaten3 LigandenpH 0,7
1·10-10 Vol.-% O2
nur Hg(II)
Abbildung 36: Verteilung der Quecksilber(II)-Komplexe in der flüssigen Phase unter Berücksichtigung der Waschwasserzusammensetzung ∆fh
0(aq) gemäß Tabelle 16; ∆fg
0(g) und ∆fh
0(g) gemäß Tabelle 15
Die Berücksichtigung der Schadstoffe im Waschwasser verändert die Gleichge-wichtslage deutlich. Erwartungsgemäß steigt mit einer Erhöhung der Gesamtmenge an Halogenwasserstoffen die Konzentration dieser in der Gasphase. Die Konzentra-tion der Quecksilberverbindungen im Gas ist jedoch deutlich niedriger als im System mit reinem Wasser als Waschwasser, siehe Abbildung 33. HgJ2 bleibt die dominie-rende Quecksilberverbindung im Gas. Mit steigender Temperatur nimmt diese ab, so dass die Gesamtquecksilberkonzentration im System abnimmt.
Der Vergleich der flüssigen Phase zeigt, dass die Konzentration der geladenen Quecksilberspezies deutlich höher ist, als im System mit reinem Wasser, siehe Ab-bildung 34. HgCl4
2- ist dabei die Spezies mit der höchsten Konzentration und wird mit steigender Temperatur bevorzugt gebildet.
Die Betrachtungen zeigen, dass eine Erhöhung des Ligandenangebots im System durch die Berücksichtigung der Waschwasserzusammensetzung die Konzentration an geladenen Quecksilberspezies in der flüssigen Phase erhöht und sich damit der Quecksilbergehalt im Gas reduziert. Für die weiteren Gleichgewichtsberechnungen zum Mehrligandensystem wird deshalb die Waschwasserzusammensetzung berück-sichtigt.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
82
5.5.5 Berücksichtigung von elementarem Quecksilber
Während die bisherigen Berechnungen ohne elementares Quecksilber durchgeführt wurden, wird nun die Bildung von Hg(0) zugelassen.
Das verwendete Abgas setzt sich aus dem Basisgas gemäß Tabelle 19 und den Schadstoffen gemäß Tabelle 21 zusammen. Das Waschwasser enthält zusätzlich zum Wasser die in Tabelle 22 genannte Zusammensetzung. Die zugelassenen Komponenten werden um Hg(0) erweitert.
Da mit GEMP das thermodynamische Gleichgewicht berechnet wird, ist es gleichgül-tig, in welcher Spezies Quecksilber in die Ausgangszusammensetzung eingeht. Deshalb wird Quecksilber weiterhin im Eingangsstrom als HgCl2 angegeben.
5.5.5.1 Entstehung von elementarem Quecksilber im Ein-Liganden-System
Zunächst sollen die Ein-Linganden-Systeme betrachtet werden mit einem Sauer-stoffanteil im Abgas von 1·10-10 Vol.%. Abbildung 37 zeigt den Anteil von Hg(0) am Gesamtquecksilber im System.
Für das Chlorid- und das Bromidsystem liegt Quecksilber im Gleichgewicht fast aus-schließlich als Hg(0) vor. Offensichtlich reicht die Komplexbildungsstärke dieser Liganden nicht aus, um Quecksilber in der komplexierten Form in der flüssigen Pha-se zu halten. Jodid hingegen ist bei niedrigen Temperaturen aufgrund der sehr ho-hen Stabilitätskonstanten in der Lage, das Quecksilber zu einem sehr großen Anteil zu komplexieren.
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
302 312 322 332 342 352
T [K]
Mo
lan
teil
vo
n H
g(0
) am
Hg
ges.
[%
]
Iodid-System
Chlorid- undBromidsystem
1·10-10 Vol.-% O2
pH 1
Abbildung 37: Entstehung von Hg(0) im Ein-Liganden-System bei geringem Sauerstoffanteil
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
83
Mit zunehmender Temperatur steigt der Anteil des Hg(0) am Gesamtquecksilber. Dies verdeutlicht den Temperatureinfluss auf die Komplexbildung. Mit steigender Temperatur verbleibt mehr Quecksilber als ungeladenes HgJ2 in der Waschflüssig-keit und steht damit dem Gleichgewicht zwschen Hg(II) und Hg(0) zur Verfügung, vergleiche Abbildung 31.
Abbildung 38 zeigt den Konzentrationsverlauf der Quecksilberjodokomplexe und des Hg(0). Die Konzentration für Hg(0) ist sowohl in der flüssigen Phase als auch im Gas dargestellt (2. Ordinate).
1,E-13
1,E-12
1,E-11
1,E-10
1,E-09
1,E-08
1,E-07
1,E-06
1,E-05
295 305 315 325 335 345 355
T [K]
Ko
nze
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atio
n i
n d
er f
lüss
igen
Ph
ase
[mo
l/l]
0,001
0,01
0,1
1
10
Ko
nze
ntr
atio
n i
n d
er G
asp
has
e [m
g/m
³ N
. tr
.]
HgJ2
HgJ3(-)
HgJ4(2-)
Hg(0)aq
Hg(0)g
1.10-10 Vol.-% O2
pH 1
Abbildung 38: Verlauf der Quecksilberspeziesverteilung mit Jodid als Ligand unter Berücksichtigung von Hg(0)
Die Konzentration des HgJ42--Komplexes nimmt mit steigender Temperatur zuguns-
ten der Spezies HgJ3- und HgJ2 ab. Damit steht dem Gleichgewicht zwischen HgJ2
und Hg(0) mehr zweiwertiges Quecksilber zur Verfügung, dass zu Hg(0) reduziert und dann in die Gasphase übertreten kann. Die Konzentration des gasförmigen Hg(0) steigt stetig, bis bei 350 K fast das gesamte Quecksilberinventar des Systems in die Gasphase überführt ist.
Die Berechnung des Gleichgewichts mit einem Sauerstoffanteil im Gas von 6 Vol.% ergibt, dass Hg(0) im Gleichgewicht nicht existent ist.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
84
5.5.5.2 Entstehung von elementarem Quecksilber im Drei-Liganden-System
Im Vergleich zu den Berechnungen im Ein-Liganden-System wird abschließend die Verteilung von Hg(0) auf die Phasen im thermodynamischen Gleichgewicht im Drei-Liganden-System untersucht. Die Eingangszusammensetzung entspricht der, in den bereits durchgeführten Berechnungen verwendeten (siehe Tabelle 19: Basisgas, Tabelle 21: Schadstoffe im Gas und Tabelle 22: Waschwasserzusammensetzung).
Im Vergleich ist zu beachten, dass in den Ein-Liganden-Systemen für die Halogen-wasserstoffe eine Eingangskonzentration von 500 mg/m³ i. N. tr. gewählt wurde, also auch für HJ. Die HJ-Konzentration im Eingangsstrom des Drei-Liganden-Systems liegt bei 0,21 mg/m³ i. N. tr.
In Abbildung 39 ist der Anteil des elementaren Quecksilbers (Hg(0)(aq) + Hg(0)(g)) am Gesamtquecksilber (Hg(0) + Hg(II)) über der Temperatur für einen Sauerstoffanteil im Gas von 10-10 Vol.% dargestellt.
98
98,5
99
99,5
100
298 308 318 328 338 348
T [K]
Mo
lan
teil
vo
n H
g(0
) am
g
esam
ten
Qu
ecks
ilb
er [
%]
Betriebsdaten3 Liganden
1·10-10 Vol.-% O2
pH 0,7
Abbildung 39: Hg(0) im Drei-Liganden-System bei geringem Sauerstoffanteil
Der Anteil des elementaren Quecksilbers am Gesamtquecksilber liegt gerundet bei 100 %. Nur ein kleiner Teil des Hg(0) wird mit steigender Temperatur zu zweiwerti-gem Quecksilber oxidiert.
Abbildung 40 zeigt den Konzentrationsverlauf der Quecksilberhalogenokomplexe mit den höchsten Konzentrationen und des Hg(0). Wieder ist die Konzentration für Hg(0)
sowohl in der flüssigen Phase als auch im Gas dargestellt (2. Ordinate). Die anderen Quecksilberkomplexe liegen in Konzentrationen vor, die um Größenordnungen klei-ner sind und sind deshalb nicht dargestellt.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
85
1,E-13
1,E-12
1,E-11
1,E-10
1,E-09
1,E-08
1,E-07
1,E-06
1,E-05
295 305 315 325 335 345 355
T [K]
Ko
nze
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atio
n
in d
er f
lüss
igen
Ph
ase
[mo
l/l]
0,6
0,62
0,64
0,66
0,68
0,7
Ko
nze
ntr
atio
n i
n d
er G
asp
has
e [m
g/m
³ N
. tr
.]
HgCl4(2-)
HgBr2Cl2(2-)
HgClJ2(-)
HgCl2J2(2-)
Hg(0) aq
Hg(0) g
Betriebsdaten3 Liganden
1.10-10 Vol.-% O2
pH 0,7
Abbildung 40: Verlauf der Quecksilberspeziesverteilung im Drei-Liganden-System bei geringem Sau-erstoffanteil unter Berücksichtigung von Hg(0) ∆fh
0(aq) gemäß Tabelle 16; ∆fg
0(g) und ∆fh
0(g) gemäß Tabelle 15
Mit steigender Temperatur wird die Spezies HgCl42- bevorzugt gebildet (vergleiche
Abbildung 36), so dass das Komplexbildungsgleichgewicht immer stärker auf der Seite der geladenen Spezies liegt. Dem HgX2-Hg(0)-Gleichgewicht werden die zwei-wertigen Spezies entzogen, so dass elementares Quecksilber zu zweiwertigem oxi-diert wird. Dazu reicht das geringe Sauerstoffinventar des Systems offensichtlich aus. Die Konzentration des elementaren Quecksilbers in der flüssigen Phase nimmt ab. Über das Gleichgewicht Hg(0)(aq)-Hg(0)(g) wird dadurch dem Gas elementares Quecksilber entzogen. Obwohl die Konzentration des Hg(0) in der flüssigen Phase weiter absinkt, nimmt die Konzentration des Hg(0) in der Gasphase ab ca. 338 K wieder zu. Hier dominiert der Einfluss des mit steigender Temperatur größer wer-denden Henry-Koeffizienten. Die Konzentration des Hg(0) in der Gasphase ist deut-lich höher als im Ein-Liganden-System, weil durch die Berücksichtigung des Wasch-wassers das Quecksilberinventar im betrachteten System deutlich größer ist.
Ergänzende Berechnungen mit einem Sauerstoffanteil im Gas von 6 Vol.% zeigen, dass das Quecksilber vollständig in der oxidierten Form vorliegt. Elementares Quecksilber ist bei diesen Systembedingungen im thermodynamischen Gleichge-wicht nicht existent. Abbildung 41 zeigt den Verlauf der Quecksilberspeziesverteilung in der flüssigen Phase. Das Quecksilber liegt vollständig zweiwertig vor; dement-sprechend erhöhen sich die Konzentrationen der einzelnen Spezies im Vergleich zu Abbildung 40.
5 Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichts
86
1,E-10
1,E-09
1,E-08
1,E-07
1,E-06
1,E-05
1,E-04
295 305 315 325 335 345 355
T [K]
Ko
nze
ntr
atio
n i
n d
er f
lüss
igen
Ph
ase
[mo
l/l]
0,6
0,62
0,64
0,66
0,68
0,7
Ko
nze
ntr
atio
n i
n d
er G
asp
has
e [m
g/m
³ N
. tr
.]
HgCl4(2-)
HgBr2Cl2(2-)
HgClJ2(-)
HgCl2J2(2-)
Hg(0) aq
Hg(0) g
Betriebsdaten3 Liganden 6 Vol.-% O2
pH 0,7
Abbildung 41: Verlauf der Quecksilberspeziesverteilung im Drei-Liganden-System bei 6 Vol.% Sauerstoff unter Berücksichtigung von Hg(0)
Für die Betrachtung mit elementarem Quecksilber kann zusammenfassend festge-halten werden:
Im thermodynamischen Gleichgewicht ist die Abscheidung von elementarem Queck-silber aus dem Gas in die flüssige Phase möglich. Die Gleichgewichtslage ist von der Temperatur und der Wahl der Liganden abhängig.
Die berechneten Gleichgewichte lassen sich jedoch nicht in Übereinstimmung mit den in realen Anlagen gemessenen Werten bringen, auch wenn einzelne Messpunk-te eine Hg(0)-Abscheidung im Wäscher ausweisen. Dies wird ausführlich in Kapitel 6.4 diskutiert. Die realen Wäscherverhältnisse scheinen in Bezug auf Hg(0) entweder das Gleichgewicht nicht zu erreichen, oder die Einstellung des Gleichgewichts wird durch bisher nicht betrachtete Einflussfaktoren gehemmt. Bei der Berechnung des Gleichgewichts mit Hilfe der Gibbs-Energie-Minimierung werden kinetische Effekte nicht berücksichtigt, so dass diese auf das berechnete Ergebnis keinen Einfluss haben.
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
87
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
Der vorliegenden Arbeit vorangegangen war eine Messkampagne, die zum Ziel hat-te, den Einfluss unterschiedlicher Parameter auf den Quecksilberabscheidegrad zu untersuchen. Diese Messkampagne wurde 1995/1996 durchgeführt [60] und liefert einen Datensatz, der zumindestens zum Teil die zur Bestätigung des Modells benö-tigten Parameter beinhaltet. Beprobt wurden Abfallverbrennungsanlagen in Ober-hausen, Offenbach und Ludwigshafen. Abbildung 42, Abbildung 43 und Abbildung 44 zeigen die Prinzipskizzen dieser.
Feuerung/ Kessel
E-Filter
HCl-Wäscher SO2-Wäscher
Prozesswasser
Kalkmilch 10 %ig
Natronlauge 25 %ig
Kamin
Abbildung 42: Blockschaltbild der Abgasreinigung der GMVA Niederrhein (Standort Oberhausen), Stand 1995
Feuerung/ Kessel
E-Filter
HCl-Wäscher SO2-Wäscher
Prozesswasser
Natronlauge 10 %ig
Kamin
Sprüh-trockner
E-Filter
Wärme-tauscher
Abbildung 43: Blockschaltbild der Abgasreinigung der MVA Offenbach, Stand 1995
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
88
Feuerung/ Kessel
Sprüh-trockner
HCl-Wäscher SO2-Wäscher
Prozesswasser
Kalkmilch
Natronlauge 10 %ig
KaminE-Filter
Abbildung 44: Blockschaltbild der Abgasreinigung der MVA Ludwigshafen, Stand 1995
Im Folgenden werden die experimentellen Daten detailliert ausgewertet, um Vorher-sagen, die sich aus den dargestellten theoretischen Zusammenhängen ableiten lassen, damit zu vergleichen. Da das entwickelte Modell und daraus folgend die wesentlichen Parameter zur Beeinflussung der Quecksilberabscheidung im Wäscher bisher nicht zum Stand des Wissens gehörten, ist eine Validierung des Modells mit Hilfe der vorliegenden Daten nicht möglich. Dennoch können viele Aspekte und Ergebnisse der Berechnungen nachvollzogen werden. Zudem liefern die Berechnun-gen aus Kap. 5 Ansätze für die Erklärung wichtiger Phänomene in Abgaswäschen der Industrie.
6.1 Beschreibung der Messkampagnen
Der Normalbetrieb einer Großanlage wird in Bezug auf die Schadstoffe am Kamin überwacht. Darüber hinausgehende Schadstoffmessungen längs des Gasweges sind Ausnahmen, die meistens im Zusammenhang mit besonderen Ereignissen wie Abnahmemessungen, Betriebsstörungen o. ä. stehen.
Wenn Quecksilbermessungen an zweistufigen Wäschersystemen im Roh- und Reingas durchgeführt werden (nicht immer zeitgleich, wie eigentlich erforderlich), so wird dabei meistens vor dem HCl- und hinter dem SO2-Wäscher gemessen, so dass die Anteile der einzelnen Wäscher an der Gesamt-Abscheideleistung nicht individuell zuzuordnen sind. In Wäschern ohne Zugabe von Neutralisationsmittel können dar-über hinaus im Normalbetrieb die Säure- und Salzkonzentrationen dieser Waschstu-fe nicht unabhängig voneinander variiert werden. Daraus folgt, dass ein „niedriger pH-Wert“ im HCl-Wäscher zwangsläufig mit einer hohen Chloridkonzentration korre-liert. Dadurch ergibt sich automatisch eine Signifikanz des Einflusses der Cl-- und der H+-Ionenkonzentration auf die Hg-Abscheidung. Auf diese Weise ist die Vorstellung
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
89
entstanden, dass ein niedriger pH-Wert eine notwendige und hinreichende Voraus-setzung für eine gute Quecksilberabscheidung ist. Bislang wurde nur ein kleiner Teil der möglichen Einflussparameter untersucht.
Die experimentellen Untersuchungen, die nun zur Bestätigung des Modells herange-zogen werden, wurden im laufenden Betrieb durchgeführt. Als Parameter wurden gasseitig zeitgleich im Ein- und Austritt der betrachteten Waschstufe Hg(0) und Hg(II) gemessen, im dazu korrespondierenden Waschwasser wurden Hg(II)(aq), pH-Wert, Temperatur (nicht an der Anlage in Oberhausen), und die Konzentrationen an Hg2+, H+, Na+, Ca2+, Cl-, Br-, SO4
2- sowie der Übergangsmetalle Mn, Fe, Cu als po-tenzielle Redoxkatalysatoren bestimmt. An der Anlage in Oberhausen wurde zusätz-lich die Konzentration an Jgesamt im Waschwasser gemessen.
Die unabhängige Variation der H+ und Cl- Konzentrationen wurde durch Erhöhung bzw. Drosselung der Abflutmengen in möglichst weiten Grenzen verwirklicht, teilwei-se auch durch Umpumpen der chloridreichen Vorwäscherflüssigkeit in den chlo-ridarmen Hauptwäscher, während der pH-Wert durch Regelung eingestellt wurde. Um die Gas-Flüssig-Gleichgewichte nicht zu „stören“ bzw. um aussagekräftige Hg(II)(aq)-Konzentrationen deutlich oberhalb der Nachweisgrenzen im Hauptwäscher zu erhalten, wurde während der Messungen außerdem kein Quecksilber-Fällungsmittel dosiert (TMT, Dithiocarbamat o. ä.).
In Tabelle 23 sind die beprobten Anlagen und die Wäschertypen aufgeführt. Für die weitere Diskussion werden für die Wäscher die in Tabelle 23 gelisteten Abkürzungen eingeführt. In Tabelle 24 ist die Anzahl der durchgeführten Quecksilbermessungen nach Hg(II)- und Hg(0)-Messungen getrennt angegeben.
Tabelle 23: beprobte Anlagen und Wäscher
beprobte Anlage HCl-Wäscher SO2-Wäscher
Oberhausen Anlage A Venturi mit Kalkmilch
HCl A Venturi mit Natronlauge
SO2 A
Offenbach Anlage B Venturi mit Wasser
HCl B Sprüdüsen mit Natronlauge
SO2 B
Ludwigshafen Anlage C Venturi mit Kalkmilch
HCl C Gleichstrom- Füllkör-per mit Natronlauge
SO2 C
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
90
Tabelle 24: Anzahl der durchgeführten Quecksilbermessungen
Anlage A Anlage B Anlage C gesamt
HCl-Wäscher Hg(II) Messungen 17 53 29 99
Hg(0) Messungen 17 54 29 100
SO2-Wäscher Hg(II) Messungen 19 53 18 90
Hg(0) Messungen 19 54 29 102
Dieses Datenmaterial wurde umfangreich ausgewertet. Im Folgenden werden nun die Darstellungen abgebildet und diskutiert, die für die Bestätigung des theoretischen Modells relevant sind.
6.2 Überprüfung der Eignung der Daten zur Bestätigung des Modells
6.2.1 Fehlerbetrachtung
Basis für die Fehlerbetrachtungen sind die Angaben auf den Messprotokollen sowie die Kenntnis der generellen Vorgehensweise gemäß standardisierter Arbeitsanwei-sungen und die gerätespezifischen Gegebenheiten. Zur Ermittlung des Messfehlers müssen die Daten aus der Gasanalytik und die Daten aus der Analytik des Wasch-wassers getrennt betrachtet werden.
6.2.1.1 Gasanalytik
Die Probenahme und die Analyse der Quecksilberkonzentrationen in der Gasphase erfolgte in Anlehnung an die VDI Vorschrift 3868 in der Fassung von 1992.
Das Probegas wird mit Hilfe geeigneter Lanzen isokinetisch abgesaugt und über eine beheizte Leitung und einen Partikelfilter in eine geeignete Absorptionslösung gelei-tet. Die partikelförmigen Schwermetalle (SM) werden auf dem Filter abgeschieden. Sie gehen in die Analyse der gasförmigen Bestandteile nicht mit ein. Die gasförmi-gen Quecksilberspezies werden aus dem Probenahmestrom in die Absorptionslö-sung abgeschieden. Im Labor werden die Absorptionslösungen volumetrisch ver-messen und eine Teilprobe mittels Atomabsorptionsspektrometrie (AAS) analysiert.
Die Quecksilberkonzentration in der Gasphase ergibt sich nach Gl. 49 zu:
P
iiiV
1
1000
1Lmc ⋅⋅⋅= Gl. 49
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
91
mit:
ci = Schwermetallkonzentration in µg/m³
mi = Schwermetallgehalt in µg/l, bestimmt aus der Kalibrierkurve
L i = Analysiertes Teilvolumen in ml
VP = Probeluftvolumen in m³
Zur Bestimmung der Unsicherheiten müssen zusätzlich die Wiederfindungsrate FWF, die Reinheit des Standards FR sowie die Reproduzierbarkeit der Analyse Frep gemäß Gl. 50 berücksichtigt werden.
rep
RWFP
iii FF
1
F
1
V
1
1000
1Lmc ⋅⋅⋅⋅⋅⋅= Gl. 50
mit:
FWF = Wiederfindungsrate
FR = Reinheit des Standards
Frep = Reproduzierbarkeit der Analyse
Die Berechnung der Unsicherheiten erfolgt nach DIN EN ISO 20988 [62]. Dazu wer-den für die einzelnen Parameter die folgenden Annahmen getroffen [61]:
L Das Absorptionsvolumen (L) wird bestimmt, indem die Absorptionslösung in einen Messkolben überführt und das Volumen abgelesen wird. Nach Angabe des Herstel-lers weist der Messkolben eine Unsicherheit von 1,5 ml auf. Es wird angenommen, dass maximal 0,5 ml nicht erfasst werden. Weiterhin wird angenommen, dass die Unsicherheit dreieckverteilt ist, so dass sich ein Unsicherheitsbeitrag u(L) von 0,817 ml ergibt.
Vp Die Unsicherheit des Probenahmevolumens (VP) wurde im Labor durch Mehrfach-messungen bestimmt. Es zeigte sich, dass die maximale Unsicherheit 2 % des Ge-samtvolumens beträgt (bei gasförmigen SM). Im Regelfall wird ein Volumenstrom an der Absaugapparatur von 180 l/h eingestellt, die Probenahmedauer beträgt übli-cherweise 30 min, so dass ein Volumen von 0,09 m³ (entspricht einem normierten Volumen von 0,084 m³ bei T = 20,25°C und p = 1014 mbar) abgesaugt wurde. Die Unsicherheit durch die Normierung des Volumens (pN = 1013 mbar, TN = 297,15 K) beträgt bei den o. a. Messwerten 0,002 m³. Für partikelförmige SM beträgt das ab-gesaugte Volumen in der Regel ca. (2 ± 0,04) m³.
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
92
FWF Die Wiederfindungsrate (FWF) ergibt sich aus Mehrfachbestimmungen von Standard-lösungen bekannter Konzentration. Die Wiederfindung ist das Verhältnis von analy-sierter Konzentration zu vorgegebener Konzentration. Es werden der Mittelwert und die Standardabweichung berechnet. Bei der Unsicherheit wird von einer Normalver-teilung ausgegangen.
Reinheit der Ausgangssubstanzen FR Die Unsicherheit der Reinheit der Ausgangssubstanzen wird nach Herstellerangaben bestimmt. Es wird von einer Rechteckverteilung ausgegangen.
Frep Die Unsicherheit der Wiederholbarkeit der Analyse (Frep) wird durch Mehrfachanaly-sen (N>10) bestimmt. Bei Doppelbestimmungen werden die Differenzen der einzel-nen Bestimmungen durch den Mittelwert der Differenzen dividiert. Die Unsicherheit der Wiederholbarkeit bei Doppelbestimmungen berechnet sich durch Division dieser Differenzen mit √2.
Aus diesen Daten lassen sich die Standardunsicherheit u(y) der Quecksilberkonzen-trationen und die erweiterte Unsicherheit U0,95(y) in Abhängigkeit von der Quecksil-berkonzentration durch Fehlerfortpflanzung ermitteln [61]. Je niedriger die zu analy-sierende Konzentration ist, desto größer ist die prozentuale Abweichung. Für die unterschiedlichen Messwerte ergeben sich also unterschiedliche Unsicherheiten. Diese sind in Tabelle 25 dargestellt.
Tabelle 25: Standardunsicherheit und erweiterte Unsicherheit für gasförmige Quecksilbermessun-gen
Hg
c(i) u(ci) u(ci) U(ci) c(i) u(ci) u(ci) U(ci)
0,419 0,076 18,2 36,5 2,316 0,239 10,3 20,6
1,235 0,123 10,0 19,9 3,210 0,328 10,2 20,4
1,555 0,170 10,9 21,8 4,111 0,416 10,1 20,2
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
93
6.2.1.2 Analytik der flüssigen Phase
Zur Bestimmung der Unsicherheiten einer aus der flüssigen Phase analysierten Konzentration gehen die Parameter gemäß Gl. 51 ein:
( ) rep
RWF
iBlii FF
1
F
1Lmmc ⋅⋅⋅⋅−= Gl. 51
mit:
ci = Ergebnis [µg/l]
mi = Messwert [µg/l]
mBl = Blindwert [µg/l]
L i = Verdünnungsfaktor
FWF = Wiederfindungsrate
FR = Reinheit des Standards
Frep = Reproduzierbarkeit der Analyse
Die Faktoren sind abhängig vom analysierten Stoff. Den Aufzeichnungen der Messprotokolle ließen sich die in Tabelle 26 zusammengestellten Werte entnehmen.
Tabelle 26: Angaben zur Berechnung der Unsicherheiten
Hg Cl- Br-
Blindwert mBl [µg/l] 0,04 0,553 0
u(cBl) [µg/l] 0,055 0,152 0
FWF 1 1 1
u(FWF) 0,04382 0,0207 0,0193
FR 1 1 1
u(FR) 0,001732051 0,00288675 0,00288675
Frep [µg/l] 1 1 1
u(Frep) [µg/l] 0,02345 0,5 0,5
In Abhängigkeit vom Messbereich des Analysegerätes muss die Originallösung ver-dünnt werden. Bei den vorliegenden Daten konnten die Proben bis zu einer Konzent-ration von 50 µg/l vermessen werden. Proben mit höheren Quecksilberkonzentratio-
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
94
nen mussten entsprechend des zu erwartenden Konzentrationswertes so verdünnt werden, dass die Quecksilberkonzentration in der verdünnten Probe < 50 µg/l war. Unter Verwendung der Daten in Tabelle 26 ergeben sich je nach Konzentration und Verdünnungsfaktor die in Tabelle 27 aufgeführten Unsicherheiten.
Tabelle 27: Messunsicherheiten in der flüssigen Phase für Quecksilber
Hg
aus Originallösung Verdünnungsfaktor 10 Verdünnungsfaktor 100
Messwert [µg/l]
cHg [µg/l]
u(cHg) [µg/l]
u(cHg) [%]
cHg [µg/l]
u(cHg) [µg/l]
u(cHg) [%]
cHg [µg/l]
u(cHg) [µg/l]
u(cHg) [%]
0,1 0,06 0,079 131,8 0,6 0,791 131,8 6 9,6 160,5
0,5 0,46 0,090 19,5 4,6 0,900 19,6 46 10,5 22,9
1 0,96 0,119 12,4 9,6 1,201 12,5 96 13,2 13,8
10 9,96 0,915 9,2 99,6 9,263 9,3 996 92,8 9,3
50 49,96 4,599 9,2 499,6 46,551 9,3 4996 465,5 9,3
In dem für Quecksilber relevanten Konzentrationsbereich bis 5000 µg/l und einer damit benötigten Verdünnung von 1:100 hat die Verdünnung auf die Unsicherheiten keinen relevanten Einfluss. Bei Konzentrationen im Messvolumen > 10 µg/l liegt die Unsicherheit < 10 %.
Für Chlorid ergeben sich unter Berücksichtigung der in Tabelle 26 genannten Werte die in Tabelle 28 dargestellten Unsicherheiten. Für Bromid sind die Unsicherheiten in Tabelle 29 aufgeführt.
Die angegebenen Unsicherheiten für Hg(g), Hg(aq), Cl-und Br- werden bei der Auswer-tung der Daten dargestellt.
Darüber hinaus sind für die weiteren Betrachtungen die Parameter Temperatur, pH-Wert und Redoxpotenzial relevant. Nach Herstellerangaben beträgt die Messgenau-igkeit der Elektroden für die Temperatur ± 0,1°C für den pH-Wert ± 0,01 für das Redoxpotenzial ± 2 mV.
Diese Messunsicherheiten sind sehr klein und werden bei der Auswertung der Daten vernachlässigt.
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
95
Tabelle 28: Messunsicherheiten in der flüssigen Phase für Chlorid
Cl-
aus Originallösung Verdünnungsfaktor 200 Verdünnungsfaktor 2000
Messwert [µg/l]
cCl- [mg/l]
u(cCl-) [mg/l]
u(cCl-) [%]
cCl- [mg/l]
u(cCl-) [mg/l]
u(cCl-) [%]
cCl- [mg/l]
u(cCl-) [mg/l]
u(cCl-) [%]
1 0,447 0,2 34,6 89,4 43,4 48,6 894 434,2 48,6
2 1,447 0,2 11,0 289,4 44,1 15,3 2894 441,5 15,3
6 5,447 0,3 4,7 1089,4 61,5 5,6 10894 615,0 5,6
8 7,447 0,4 5,0 1489,4 83,8 5,6 14894 838,2 5,6
10 9,447 0,5 5,7 1889,4 115,9 6,1 18894 1159,2 6,1
Tabelle 29: Messunsicherheiten in der flüssigen Phase für Bromid
Br-
aus Originallösung Verdünnungsfaktor 200 Verdünnungsfaktor 2000
Messwert [µg/l]
cBr- [mg/l]
u(cBr-) [mg/l]
u(cBr-) [%]
cBr- [mg/l]
u(cBr-) [mg/l]
u(cBr-) [%]
cBr- [mg/l]
u(cBr-) [mg/l]
u(cBr-) [%]
1 1 0,0 3,4 200 29,7 14,8 2000 74,8 3,7
2 2 0,1 2,7 400 58,8 14,7 4000 122,0 3,0
6 6 0,2 3,7 1200 178,8 14,9 12000 473,8 3,9
8 8 0,4 4,5 1600 242,2 15,1 16000 761,6 4,8
10 10 0,5 5,5 2000 308,8 15,4 20000 1127,8 5,6
6.2.2 Bereich der verfügbaren Daten und Parameter
Temperatur
Wie die theoretischen Ausführungen zeigen, beeinflusst die Temperatur die Queck-silbergleichgewichte. Leider sind für die Wäscher der Anlage A die Temperaturen nicht mitgeschrieben bzw. protokolliert worden. Die Wäschertemperaturen der Anla-ge B variieren in einem Bereich von 45°C bis 60°C, die der Anlage C von 48°C bis 68°C. Damit wird eine Temperaturspanne von mehr als 20 K abgedeckt. Dieser Wertebereich sollte ausreichen, um signifikante Temperaturabhängigkeiten sichtbar zu machen.
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
96
Chlorid
Die Schwankungsbreite der im Waschwasser gemessenen Chloridkonzentrationen ist in Abbildung 45 und in Tabelle 30 dargestellt. Die Unsicherheiten gemäß Tabelle 28 sind als Fehlerbalken in der Darstellung enthalten, verschwinden jedoch bei der Mehrzahl der Messungen hinter den Symbolen.
100
1000
10000
100000
1000000
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100Messung Nr.
Cl- in
[mg
/l]
HCl A HCl B HCl C SO2 A SO2 B SO2 C
Anlage A Anlage B Anlage C
Abbildung 45: Chloridgehalt im Waschwasser
Tabelle 30: Chloridgehalt im Waschwasser in [mg/l]
HCl-Wäscher SO2-Wäscher Anzahl Messungen
Anlage A 44.000 – 098.300 11.000 – 26.000 18 / 18
Anlage B 21.000 – 048.800 03.260 – 20.400 56 / 56
Anlage C 39.800 – 163.000 00.670 – 52.200 28 / 27
Die Auftragung der Chloridkonzentration macht nicht nur die Schwankungsbreite der HCl-Rohgaskonzentration vor der Wäsche deutlich, sondern zeigt auch, dass je nach Anlagenstandort unterschiedliche Abfallqualitäten verbrannt werden. So lässt sich aus der Darstellung ableiten, dass Anlage A wesentlich homogenerer Abfall zur Verfügung stand, als z. B. Anlage C. Die sehr hohen Chloridkonzentrationen, beson-ders deutlich im SO2-Wäscher der Anlage C sind auf ein gezieltes Eingreifen auf die
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
97
Waschwasserzusammensetzung durch Umpumpen von chloridhaltigem Waschwas-ser aus dem ersten in den zweiten Wäscher zurückzuführen.
Die Daten zeigen, dass innerhalb der Messkampagne eine sehr große Bandbreite unterschiedlicher Wäscherbetriebszustände abgebildet wurde, an denen das theore-tische Modell validiert werden kann.
Bromid
Die Wäscherverhältnisse in Bezug auf Bromid sind analog in Abbildung 46 und Ta-belle 31 dargestellt. Die Unsicherheiten wurden gemäß Tabelle 29 berechnet.
050
100150200250300350400450500550600650700750800
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Messung Nr.
Br- in
[mg
/l]
HCl A HCl B HCl C SO2 A SO2 B SO2 C
Anlage A Anlage B Anlage C
Abbildung 46: Bromidgehalt im Waschwasser
Tabelle 31: Bromidgehalt im Waschwasser in [mg/l]
HCl-Wäscher SO2-Wäscher Anzahl Messungen
Anlage A 220 – 720 130 – 650 18 / 18
Anlage B 074 – 210 037 – 092 56 / 56
Anlage C 157 – 570 052 – 112 10 / 10
Erwartungsgemäß ist das Konzentrationsniveau im Waschwasser für Bromid deut-lich niedriger als das für Chlorid. Unerwartet ist jedoch der Befund, dass die Bromi-
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
98
dabscheidung offensichtlich nicht den gleichen Mechanismen folgt, wie die Chlori-dabscheidung. Dann hätte sich eine zur Abbildung 45 vergleichbare Aufteilung des durch das Gas in die Anlage eingetragenen Bromids auf die beiden Wäscher erge-ben müssen. Während in Anlage B die Bromidkonzentration im HCl-Wäscher erwar-tungsgemäß höher liegt als im SO2-Wäscher, schwanken in Anlage A die Bromid-konzentrationen beider Wäscher im gleichen Größenbereich. In Anlage C kann keine signifikante Erhöhung der Bromidkonzentration durch das Umpumpen des Wasch-wassers nachgewiesen werden, obwohl dieser Eingriff in die Betriebsweise zu einer deutlichen Erhöhung der Chloridkonzentration geführt und in allen Betriebspunkten eine im Vergleich zum SO2-Wäscher höhere Bromidkonzentration im HCl-Wäscher vorgelegen hat.
Festzuhalten bleibt, dass die Daten auch in Bezug auf Bromid eine große Bandbreite an Konzentrationen im Waschwasser abdecken. Die Aufklärung der o.g. unerwarte-ten Abscheide- und Reaktionsmechanismen von Bromid ist nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit und wird deshalb nicht untersucht.
Sulfat
Abbildung 47 und Tabelle 32 zeigen die Sulfatkonzentrationen in den Waschstufen.
100
1000
10000
100000
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Messung Nr.
SO
42- in
[mg
/l]
HCl A HCl B HCl C SO2 A SO2 B SO2 C
Anlage A Anlage B Anlage C
Abbildung 47: Sulfatgehalt im Waschwasser
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
99
Tabelle 32: Sulfatgehalt im Waschwasser in [mg/l]
HCl-Wäscher SO2-Wäscher Anzahl Messungen
Anlage A 540 – 03.400 43.000 – 54.000 18 / 18
Anlage B 220 – 08.150 10.300 – 43.200 56 / 56
Anlage C 300 – 17.900 19.000 – 50.000 28 / 25
In allen Anlagen sind die Sulfatkonzentrationen im SO2-Wäscher höher als im HCl-Wäscher. Herauszustellen ist jedoch, dass auch im HCl-Wäscher das Konzentra-tionsniveau an das von SO2-Wäschern heranreicht. Besonders deutlich wird dieses bei Anlage C. Vergleichbare Ergebnisse lieferte bereits [63].
Quecksilber
Die Konzentrationen von Hg(II) und Hg(0) im Rohgas vor HCl-Wäscher sind in Abbil-dung 48 aufgetragen. Die Unsicherheiten wurden gemäß Tabelle 25 berechnet. Die Schwankungsbreiten innerhalb der einzelnen Wäscher sind Tabelle 33 zu entneh-men. Die zur Verfügung stehenden Messpunkte variieren in der Hg(II)-Konzentration in einem Bereich von 72 µg/m³ i. N. tr. und 3692 µg/m³ i. N. tr. und in der Hg(0)-Konzentration zwischen 2 µg/m³ i. N. tr. und 38 µg/m³ i. N. tr.
1
10
100
1000
10000
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100Messung Nr.
Hg
vo
r H
Cl-
Wäs
cher
[µ
g/m
³ i.
N.
tr.]
Hg(II) A Hg(II) B Hg(II) C Hg(0) A Hg(0) B Hg(0) C
Anlage A Anlage B Anlage C
Abbildung 48: Quecksilberkonzentration im Gas vor HCl-Wäscher
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
100
Tabelle 33: Quecksilberkonzentrationen im Gas vor HCl-Wäscher in µg/m³ i. N. tr.
HCl-Wäscher Hg(II) Hg(0) Anzahl Messungen
Anlage A 089 – 0374 3 – 36 17 / 17
Anlage B 209 – 1339 2 – 26 53 / 54
Anlage C 072 – 3692 3 – 38 29 / 29
Die Daten weisen übliche Konzentrationen und Konzentrationsschwankungen aus. Dass ein großer Datenbereich abgedeckt wird, bietet die Möglichkeit, das erarbeitete Modell in weiten Grenzen zu überprüfen.
Abbildung 49 zeigt die Hg-Eingangskonzentrationen für den SO2-Wäscher, gemes-sen im Übergang vom HCl-Wäscher in den SO2-Wäscher, analog sind die Schwan-kungsbreiten innerhalb der einzelnen Wäscher in Tabelle 34 aufgelistet.
Im SO2-Wäscher liegen die Messpunkte für die Hg(II)-Konzentration bei Werten zwischen 10 µg/m³ i. N. tr. und 2314 µg/m³ i. N. tr., die Hg(0)-Konzentrationen schwanken zwischen 1 µg/m³ i. N. tr. und 546 µg/m³ i. N. tr.
1
10
100
1000
10000
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Messung Nr.
Hg
vo
r S
O2 -
Wäs
cher
[µ
g/m
³ i.
N.
tr.]
Hg(II) A Hg(II) B Hg(II) C Hg(0) A Hg(0) B Hg(0) C
Anlage A Anlage B Anlage C
Abbildung 49: Quecksilberkonzentration im Gas vor SO2-Wäscher
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
101
Tabelle 34: Quecksilberkonzentrationen im Gas vor SO2-Wäscher in µg/m³ i. N. tr.
SO2-Wäscher Hg(II) Hg(0) Anzahl Messungen
Anlage A 10 – 0125 2 – 054 19 / 19
Anlage B 16 – 0328 2 – 546 53 / 54
Anlage C 23 – 2314 1 – 068 18 / 29
Damit liefert die Messkampagne ein erstes nicht erwartetes Ergebnis. Zunächst musste aufgrund des niedrigen pH-Wertes und des großen Ligandenangebotes davon ausgegangen werden, dass die sauer betriebenen HCl-Wäscher zumindes-tens das zweiwertige Quecksilber gut bis sehr gut abscheiden und es in diesen Wä-schern nicht zu einer Freisetzung von Hg(0) kommt. Letzteres wird durch diese Aus-wertung widerlegt.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Daten unterschiedliche Be-triebspunkte mit hohen Schwankungsbreiten der zu untersuchenden Parameter abdecken. Durch die Betrachtung jedes Wäschers als eigenständigen Apparat kann sogar für den pH-Wert ein Wertebereich von ca. 0 bis ca. 8 abgebildet werden. Mit dem Betrieb ohne Neutralisationsmitteldosierung, der Dosierung von Kalkmilch sowie der Dosierung von Natronlauge sind alle gängigen Maßnahmen zur Einstellung des pH-Wertes im Datenmaterial enthalten. Darüber hinaus handelt es sich bei den 6 Wäschern um unterschiedliche Bauformen. Daten aus einem Gips-System fehlen. Dennoch kann ein Modell, das die genannten Betriebszustände konsistent be-schreibt, als allgemeingültig bezeichnet werden.
6.3 Analyse der Messdaten für Hg(II)
6.3.1 Einfluss der Temperatur
Die Auswertungen der Messdaten zeigen, das eine Abhängigkeit der untersuchten Größen Hg(II)-Abscheidegrad, Hg(0)-Freisetzung, Hg(II)-Reingaskonzentration von der Temperatur nicht gefunden werden konnte. Beispielhaft ist in Abbildung 50 die Hg(II)-Reingaskonzentration über der Temperatur dargestellt.
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
102
1
10
100
1000
10000
40 50 60 70
Temperatur [°C]
Hg
(II)
hin
ter
der
bet
rach
tete
n S
tufe
[µ
g/m
³ i.
N.
tr.]
HCl B HCl C SO2 B SO2 C
Abbildung 50: Hg(II)-Reingasgehalt über der Temperatur
Dieses Ergebnis stützt die entwickelte Modellvorstellung. Die theoretischen Betrach-tungen ergaben einen signifikanten Einfluss der Liganden und einen untergeordne-ten Einfluss der Temperatur. Ein Temperatureinfluss kann demzufolge nur sichtbar gemacht werden, wenn alle anderen Parameter konstant sind. Dieses ist unter La-borbedingungen möglich, in der Praxis jedoch unrealistisch. Da sich die Temperatur im Wäscher aus der Abgaszusammensetzung ergibt, lässt die Schwankungsbreite in den gemessenen Temperaturen von ca. 20 K auf stark schwankende Abgaszusam-mensetzungen schließen, die den Einfluss der Temperatur auf die Gleichgewichte überdecken.
Der theoretisch unbestrittene und durch Laborversuche abgesicherte Einfluss der Temperatur auf die Gleichgewichtslage ist deshalb für die Praxis irrelevant. Die Em-pfehlung, für eine Verbesserung der Quecksilberabscheidung die Wäschertempera-tur zu senken, ist nicht zielführend und zudem in der Praxis nur mit erheblichem energetischem Aufwand möglich.
6.3.2 pH-Wert und Hg(II)-Abscheidegrad
Zu Beginn der vorliegenden Arbeit war Stand der Technik, dass zur Einstellung eines guten bis sehr guten Quecksilberabscheidegrades ein niedriger pH-Wert im Wasch-wasser erforderlich ist. In Abbildung 51 sind der pH-Wert und der Abscheidegrad für die Messpunkte der HCl-Wäscher dargestellt.
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
103
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Messung Nr.
Hg
(II)
-Ab
sch
eid
egra
d [
%]
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
3,5
4
4,5
5
pH
-Wer
t [
]
eta Hg(II) A eta Hg(II) B eta Hg(II) C pH A pH B pH C
Anlage A Anlage B Anlage C
Abbildung 51: pH-Wert und Hg(II)-Abscheidegrad der HCl-Wäscher
Bei dem weitaus größten Teil der Messungen lag der pH-Wert des Waschwassers unter 1, bei allen Messungen unter 3. Dennoch schwanken die aus den Roh- und Reingaswerten ermittelten Abscheidegrade zwischen 0 und 98 %, es gibt sogar Messpunkte mit Hg(II)-Freisetzungen (nicht dargestellt). Die Anzahl der Quecksil-bermessungen aufgeschlüsselt nach den unterschiedlichen Befunden ist in Tabelle 35 im Anhang B aufgelistet.
In Ergänzung zu Abbildung 51 sind in Abbildung 52 nur die Abscheidegrade für den Wäscherbetrieb mit pH-Werten < 1 dargestellt. Für Anlage A sind 14 Messpunkte abgebildet, bei der Anlage B wurden 38 Messpunkte bei einem pH-Wert < 1 aufge-nommen und für Anlage C konnten 27 Messungen bei pH-Werten < 1 durchgeführt werden.
An Anlage A konnte nur bei 1 Messung, bei Anlage B bei 4 Messungen und bei An-lage C bei 2 Messungen ein Abscheidegrad > 95 % ermittelt werden. Dieser Befund macht deutlich, dass ein niedriger pH-Wert kein alleiniges Kriterium zur Einstellung einer guten bis sehr guten Quecksilberabscheidung ist.
In Abbildung 53 ist der Hg(II)-Abscheidegrad über dem pH-Wert aufgetragen. Die Darstellung enthält alle Messpunkte mit positiver Hg(II)-Abscheidung. Für Anlage A und Anlage C wurde der pH-Wert der SO2-Wäscher nicht mitgeschrieben. Um das Spektrum der Abscheidegrade auch für diese Messungen sichtbar zu machen, wur-de der pH-Wert für Anlage A auf 7,5 und für Anlage C auf 7 gesetzt.
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
104
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Messung Nr.
Hg
(II)
-Ab
sch
eid
egra
d i
n [
%]
HCl A HCl B HCl C
Anlage A Anlage B Anlage C
Abbildung 52: Hg(II)-Abscheidegrad für HCl-Wäscher mit einem pH-Wert < 1
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
pH [ ]
Hg
(II)
Ab
sch
eid
egra
d [
%] HCl A
HCl B
HCl C
SO2 A
SO2 B
SO2 C
Abbildung 53: Hg(II)-Abscheidegrad in Abhängigkeit vom pH-Wert (alle Wäscher)
Auch im Bereich hoher pH-Werte können Hg(II)-Abscheidegrade von über 85 % nachgewiesen werden. Die in den SO2-Wäschern ermittelten Hg(II)-Abscheidegrade streuen jedoch wesentlich stärker, als die der HCl-Wäscher und liegen im Mittel bei niedrigeren Werten.
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
105
Die Darstellungen in Abbildung 51, Abbildung 52 und in Abbildung 53 machen deut-lich, dass es keinen funktionalen Zusammenhang zwischen dem Hg(II)-Abscheidegrad und dem pH-Wert in der Waschstufe gibt. Die sichere Einhaltung eines geforderten Hg-Abscheidegrades (z. B. > 95 %) über die Einstellung eines niedrigen pH-Wertes (z. B. < 1) ist nicht möglich. Dieses Ergebnis stimmt gut mit dem theoretisch entwickelten Modell überein.
6.3.3 Verhältnis Chlorid zu Quecksilber
Die in Kapitel 3 durchgeführten Berechnungen zeigen einen funktionalen Zusam-menhang zwischen der Aufteilung der Quecksilberspezies in der flüssigen Phase und der Konzentration an freien Liganden (für Chlorid siehe Abbildung 6). Eine ge-schlossene, von der Hg(II)(aq)-Konzentration unabhängige Darstellung ergibt sich in der Auftragung der Hg(II)(aq)-Spezies über der Konzentration der freien Liganden unter Normierung auf die Quecksilbergesamtkonzentration. Eine exakte Validierung dieser Berechnungen läßt sich anhand der Messdaten nicht durchführen, weil als Messwerte nur die Gesamtkonzentrationen an Quecksilber, Chlorid und Bromid vorliegen und auch die einzelnen Hg(aq)-Spezies nicht vermessen wurden.
Die folgenden Überlegungen führen zu einer alternativen Darstellung: Messtechnisch erfasst wurde die Konzentration des zweiwertigen Quecksilbers in der Gasphase Hg(II)(g). Diese steht im Gleichgewicht mit der flüssigen Phase. Bei konstanter Temperatur ist der Henry-Koeffizient konstant, so dass die Konzentration des Hg(II)(g) mit steigender Ligandenkonzentration abnehmen sollte entsprechend dem Verlauf der Kurve der Konzentration des ungeladenen Komplexes in der flüssi-gen Phase, siehe Abbildung 7. Die maximale Hg(II)(aq)-Konzentration, gemessen im HCl-Wäscher der Anlage C, beträgt 419 µmol/l, die minimale in den HCl-Wäschern gemessene Cl-(aq)-Konzentration ist 592 mmol/l. Daher wird der für die Komplexbildung benötigte Chlo-ridanteil vernachlässigt und die Chloridgesamtkonzentration in der flüssigen Phase auf die Quecksilbergesamtkonzentration in der flüssigen Phase bezogen.
Für Chlorid wird der Quotient QCl gemäß Gl. 52 definiert:
QCl = [Cl-] / [Hg
2+]
Gl. 52
Die eckigen Klammern stehen für die Konzentration.
Abbildung 54 zeigt die Hg(II) Reingaskonzentration über dem Quotienten QCl. Die Darstellung enthält alle Messpunkte unabhängig davon, ob es zu einer Hg(II)-Abscheidung oder einer Hg(II)-Freisetzung über den Wäscher gekommen ist. Nicht dargestellt sind 14 Messpunkte des SO2-Wäschers der Anlage B; hier liegen die
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
106
Werte für den Quotienten QCl zwischen 33.000 und 59.000 mol/l / mmol/l bei Hg(II)-Reingaswerten < 30 µg/m³ i. N. tr. Darüber hinaus sind in Abbildung 55 die Mess-punkte bis zu einem Quotienten QCl von 500 mol/l / mmol/l stärker aufgelöst darge-stellt.
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
0 500 1000 1500 2000
Cl-/Hg2+ in [mol/l]/[mmol/l]
Hg
(II)
hin
ter
der
bet
rach
tete
n S
tufe
[µ
g/m
³ i.
N.
tr.]
HCl A
HCl B
HCl C
SO2 A
SO2 B
SO2 C
"Ausgleichskurve"
Abbildung 54: Hg(II)-Reingasgehalt über dem Verhältnis QCl
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
0 100 200 300 400 500
Cl-/Hg2+ in [mol/l]/[mmol/l]
Hg
(II)
hin
ter
der
bet
rach
tete
n S
tufe
[µ
g/m
³ i.
N.
tr.]
HCl A
HCl B
HCl C
SO2 A
SO2 B
SO2 C
"Ausgleichskurve"
Abbildung 55: Hg(II)-Reingasgehalt über dem Verhältnis QCl, Ausschnitt aus Abbildung 54
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
107
Unabhängig von der Wäscherbauart, unabhängig von der Wäscherfunktion (1. oder 2. Stufe), damit zwangsläufig unabhängig vom pH-Wert und trotz unterschiedlicher Betriebstemperaturen findet sich der eindeutige Zusammenhang zwischen der Gas-konzentration des zweiwertigen Quecksilbers hinter einer Waschstufe und dem Chlo-ridüberschuss, dargestellt durch das Verhältnis QCl. Eine durch die Messpunkte gedachte Ausgleichkurve hat den gleichen Verlauf wie der Konzentrationsverlauf des flüchtigen HgCl2(aq) in Abbildung 7. Diese gedachte Ausgleichskurve ist in Abbildung 54 (versetzt) und in Abbildung 55 dargestellt.
Die einzelnen Anlagenstandorte lassen sich unterschiedlichen Bereichen der Kurve zuordnen. Hier werden die standortspezifischen Unterschiede in der Abfallzusam-mensetzung sichtbar. Gleichzeitig fügen sich die einzelnen Abschnitte in eine ge-schlossene Kurve, wodurch die Allgemeingültigkeit der Darstellung unterstrichen wird.
Auch die Berücksichtigung der Unsicherheiten sowohl für den gemessenen Rein-gasgehalt Hg(II)(g) als auch im Verhältnis QCl können den funktionalen Zusammen-hang nicht in Frage stellen. Die in Abbildung 56 gezeigte Punkteschar beinhaltet für jeden Messpunkt einen aus den Unsicherheiten berechneten minimalen und maxi-malen Datenpunkt.
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
0 100 200 300 400 500
Cl-/Hg2+ in [mol/l]/[mmol/l]
Hg
(II)
hin
ter
der
bet
rach
tete
n S
tufe
[µ
g/m
³ i.
N.
tr.]
Abbildung 56: Hg(II)-Reingasgehalt über dem Verhältnis QCl, Berücksichtigung der Messunsicherhei-ten
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
108
Daraus lässt sich eine für die Praxis wesentliche Aussage ableiten: Messpunkte mit hohen Hg(II)-Konzentrationen sind nicht zwangsläufig auf einen schlechten Stoffaustausch zurückzuführen. Solange ein System mit hohen Quecksil-berreingasgehalten auf der Kurve liegt ist die Ertüchtigung der Anlage durch die Optimierung der Düsen oder die Nachrüstung von Füllkörpern nicht zielführend. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass zunächst die Zusammensetzung der Waschwäs-se bekannt sein muss, bevor in physikalische Ertüchtigungsmaßnahmen investiert wird.
Anhand der Messungen kann auch gezeigt werden, dass die Chloridkonzentration im Waschwasser ohne Bezug zur gelösten Quecksilberkonzentration Hg(II)(aq) keine Aussage über den zu erwartenden Hg(II)-Reingasgehalt erlaubt. Abbildung 57 zeigt die Hg(II)-Reingaskonzentration aufgetragen über der Chloridkonzentration des Waschwassers.
0
500
1000
1500
2000
2500
0 1000 2000 3000 4000 5000
Cl-ges in [mmol/l]
Hg
(II)
hin
ter
der
bet
rach
tete
n S
tufe
[µ
g/m
³ i.
N.
tr.]
HCl A HCl B HCl C SO2 A SO2 B SO2 C
Abbildung 57: Hg(II)-Reingasgehalt über der Chloridkonzentration des Waschwassers
Auch bei sehr hohen Chloridkonzentrationen im Waschwasser finden sich hohe bis sehr hohe Hg(II)-Konzentrationen im Gas hinter der Stufe. Die Einstellung eines hohen Chloridgehaltes allein führt also nicht zur sicheren Unterschreitung eines Hg-Reingasgehalts.
Zusammenfassend liefern die Messungen folgende Aussagen:
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
109
• Es gibt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Hg(II)-Reingas-konzentration hinter der Waschstufe und dem Ligandenüberschuss hier dargestellt als Verhältnis aus der Chloridkonzentration im Waschwasser und der Konzentration des gelösten zweiwertigen Quecksilbers im Waschwasser Hg(II)(aq).
• Dieser Zusammenhang findet sich für alle Wäscher, die üblicherweise hinter Ver-brennungsanlagen betrieben werden, unabhängig von Bauart, Ausrüstung und Fahrweise.
6.3.4 Liganden Bromid und Jodid
In Analogie zur Darstellung in Abbildung 54 zeigt Abbildung 58 die Hg(II)-Reingaskonzentration über dem Verhältnis QBr mit:
QBr = [Br-] / [Hg
2+]
Gl. 53
Die Darstellungen in Abbildung 54 und Abbildung 58 können nicht exakt verglichen werden, weil zu einigen Quecksilbermessungen keine korrespondierenden Bromid-konzentrationen im Waschwasser ermittelt wurden und dieses leider einen großen Teil der hohen Hg(II)-Reingaswerte betrifft.
0
500
1000
1500
2000
2500
0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000
Br-/Hg2+ in [mmol/l]/[mmol/l]
Hg
(II)
hin
ter
der
bet
rach
tete
n S
tufe
[µ
g/m
³ i.
N.
tr.]
HCl A HCl B HCl C SO2 A SO2 B SO2 C
Abbildung 58: Hg(II)-Reingasgehalt über dem Verhältnis QBr
Dennoch lässt sich der zwischen der Hg(II)-Reingaskonzentration und dem Verhält-nis QCl gefundene Zusammenhang auch für den Liganden Bromid und den damit berechneten Quotienten QBr bestätigen. Besonders ist hervorzuheben, dass die
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
110
Bromidkonzentration im Mittel um den Faktor 1000 niedriger ist als die Chloridkon-zentration. Die Geschlossenheit der Darstellung lässt sogar den Schluss zu, dass der Verlauf weniger durch Nebeneinflüsse „gestört“ ist und die Bromidkonzentration die leitende Einflussgröße ist, während die Chloridkonzentration schon zu den se-kundären Einflussgrößen gehört. Dafür spricht auch, dass die in Abbildung 54 einge-zeichnete Ausgleichskurve im Bereich niedriger Quotienten einen steilen Konzentra-tionsverlauf aufweist, vergleiche Abbildung 7 und Abbildung 8.
6.3.5 Aufteilung der Liganden auf die Wäscher
Gasförmige Halogenwasserstoffe sind gut in Wasser löslich. Deshalb ist davon aus-zugehen, dass das mit dem Abgas in den Wäscher eingetragene HCl und HBr nahe-zu vollständig in der ersten Waschstufe verbleibt und nur ein geringer Anteil in die nachfolgende zweite Waschstufe gelangt. Deshalb wurde die These formuliert, dass die in Abbildung 58 dargestellte Korrelation zwischen der Hg(II)-Reingaskonzentration und dem Quotienten QBr nur deshalb dieses eindeutige Er-gebnis liefert, weil es einen Zusammenhang zwischen der Chlorid- und der Bromid-konzentration im Wäscher gibt.
Abbildung 59 zeigt die molare Chloridkonzentration im Waschwasser bezogen auf die korrespondierende molare Bromidkonzentration aufgetragen für alle Messpunkte. Anhand dieser Darstellung lässt sich keine Korrelation zwischen den beiden Größen ableiten. Vielmehr wird deutlich, dass die Konzentrationen abhängig vom Abfallinput vollkommen unabhängig voneinander schwanken.
0
250
500
750
1000
1250
1500
1750
2000
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Messung Nr.
Cl- /
Br- [
]
HCl A HCl B HCl C SO2 A SO2 B SO2 C
Anlage A Anlage B Anlage C
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
111
Abbildung 59: Unabhängigkeit der Chlorid- und Bromidkonzentrationen im Waschwasser
In Ergänzung dazu ergeben die Daten einen weiteren unerwarteten Sachverhalt. Unter der Annahme, dass HCl und HBr in den Wäscherstufen nahezu vollständig aus dem Abgas abgeschieden werden, ergibt sich das Gesamtinventar an Cl- und Br- aus der Summe der Konzentrationen beider Waschstufen einer Anlage. Diese Summenbildung ist zulässig, weil die Messungen zeitgleich für die erste und die zweite Waschstufe durchgeführt wurden. Die Vernachlässigung des Sumpfvolumens ergibt für die Daten einer Anlage denselben Fehler, so dass sich die qualitative Ver-teilung der Halogene auf die beiden Waschstufen ermitteln lässt.
In Abbildung 60 ist der prozentuale Anteil der Chloridkonzentration einer Waschstufe an dem Gesamtchloridinventar beider Wäscherstufen für alle Messpunkte darge-stellt. Erwartungsgemäß findet sich der größte Teil im HCl-Wäscher wieder. Die an Anlage C gefundenen Ergebnisse müssen z. T. aus der Betrachtung herausgenom-men werden, weil hier in den normalen Wäscherbetrieb eingegriffen wurde durch Umpumpen von HCl-Waschwasser in den SO2-Wäscher. Im Mittel finden sich mehr als 70 % der Chloride in der ersten Waschstufe wieder.
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Messung Nr.
Cl- /C
l- ges
amt in
[%
]
HCl A HCl B HCl C SO2 A SO2 B SO2 C
Anlage A Anlage B Anlage C
Abbildung 60: Verteilung des Chloridinventars auf die Wäscher
Die Aufteilung der Bromide auf die beiden Waschstufen hingegen weicht davon deutlich ab, siehe Abbildung 61. Nur zwischen 50 % und 70 % der Bromide finden sich im Waschwasser der ersten Waschstufe wieder, 30 % bis 50 % werden erst in
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
112
der zweiten Wäscherstufe abgeschieden. Eine Erklärung hierfür konnte innerhalb der vorliegenden Arbeit nicht gefunden werden, zumal systematische Messungen im Nachhinein nicht möglich waren. Das Ergebnis unterstreicht aber die Unabhängigkeit der beiden Parameter Chlorid und Bromid und die Notwendigkeit, den Einfluss der Halogenide auf die Abscheidung von Quecksilber in der Wäsche unabhängig vonei-nander zu untersuchen.
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Messung Nr.
Br- /B
r- ges
amt in
[%]
HCl A HCl B HCl C SO2 A SO2 B SO2 C
Anlage A Anlage B Anlage C
Abbildung 61: Verteilung des Bromidinventars auf die Wäscher
6.4 Analyse der Messdaten für Hg(0)
6.4.1 Hg(0)-Freisetzung
Abbildung 62 und Abbildung 63 zeigen die Freisetzung von Hg(0), ermittelt aus der Differenz der Hg(0)-Gaskonzentration hinter der betrachteten Stufe und der Hg(0)-Gaskonzentration vor der betrachteten Stufe.
In Abbildung 62 sind alle Messpunkte dargestellt. Die Mehrzahl der Messungen liefert Ergebnisse zwischen 50 µg/m³ i. N. tr. und -30 µg/m³ i. N. tr. Auffallend ist jedoch, dass es in Anlage B vermehrt zu einer sehr hohen Freisetzung von Hg(0) von mehreren 100 µg/m³ i. N. tr. kommt. Hierbei liefert die über den HCl-Wäscher gemessene Freisetzung die höchsten Werte.
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
113
-500
50100150
200250300350
400450500
550600
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Messung Nr.
Hg
(0)
Fre
iset
zun
g [
µg
/m³
i. N
. tr
.]
HCl A HCl B HCl C SO2 A SO2 B SO2 C
Anlage A Anlage B Anlage C
Abbildung 62: Hg(0)-Freisetzung über der Zeit , alle Messpunkte
-30
-20
-10
0
10
20
30
40
50
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Messung Nr.
Hg
(0)
Fre
iset
zun
g [
µg
/m³
i. N
. tr
.]
HCl A HCl B HCl C SO2 A SO2 B SO2 C
Anlage A Anlage B Anlage C
Abbildung 63: Hg(0)-Freisetzung, Ausschnitt
Der in Abbildung 63 dargestellte Ausschnitt der Messpunkte zeigt, dass die Hg(0)-Freisetzung über die Wäscher stark streut. Zunächst ist kein systematischer Unter-
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
114
schied zwischen den HCl-Wäschern und den SO2-Wäschern erkennbar. Abbildung 63 zeigt auch, dass entgegen einer in Fachkreisen vertretenen Meinung Hg(0)-Abscheidung in Wäschern auch ohne Zugabe von Oxidationsmitteln auftreten kann, wenn die Redoxpotenziallage von Sauerstoff (durch einen niedrigen pH-Wert) und/oder die von Quecksilber (durch Komplexbildung) für eine Hg-Oxidation günstig liegen, siehe hierzu auch Tabelle 35, Anhang B.
6.4.2 pH-Wert und Hg(0)-Freisetzung
In Abbildung 64 ist die Hg(0)-Freisetzung hinter der betrachteten Stufe über dem pH-Wert aufgetragen. Dargestellt sind alle Messungen, bei denen eine Freisetzung von Hg(0) über dem Wäscher ermittelt wurde.
0,1
1
10
100
1000
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
pH [ ]
Hg
(0)
Fre
iset
zun
g [
µg
/m³
i. N
. tr
.]
HCl A HCl B HCl C SO2 A SO2 B SO2 C
Abbildung 64: Hg(0)-Freisetzung über dem pH-Wert
Für die Mehrzahl der SO2-Wäschermessungen, aber nur für ca. die Hälfte der HCl-Wäschermessungen kann eine Hg(0)-Bildung über den Wäscher nachgewiesen werden. Dieses belegt die hemmende Wirkung des HCl-Wäscherbetriebs bei niedri-gen pH-Werten < 3 auf die Reduktion von Hg(II) zu Hg(0).
Sobald es jedoch zu einer Freisetzung von Hg(0) kommt, kann keine Abhängigkeit vom pH-Wert festgestellt werden. Die Menge an freigesetztem Hg(0) ist vom Wä-scherbetrieb unabhängig. Vielmehr wird hier die Abhängigkeit vom Anlagenstandort und damit von der Rohgaszusammensetzung und dem sich daraus ergebenden Ligandenangebot in der Waschflüssigkeit deutlich.
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
115
6.4.3 Einfluss von SO2
Bisher herrscht die Ansicht vor, dass das Schwefeldioxid im Rauchgas als der von der Menge her bedeutendste reduzierende Stoff unter den Bedingungen im SO2-Wäscher zweiwertiges Quecksilber besonders wirksam zu metallischem reduziert.
Zweifelsohne behindert der niedrige pH-Wert im HCl-Wäscher den Stoffübergang des SO2 in die flüssige Phase, in der sich die Hg(0)-Bildung abspielt. Allerdings ist das im Rauchgas vorhandene SO2 gerade im HCl-Wäscher noch unvermindert ge-genwärtig. Darüber hinaus wurde durch Messungen gefunden [63], dass immerhin 2,5 bis 20 % des gasförmigen SO2 im HCl-Wäscher abgeschieden werden. Damit ist auch im HCl-Waschwasser das Angebot an vierwertigem Schwefel ausreichend groß, um zu einer Reduzierung des zweiwertigen Quecksilbers führen zu können.
Zur Überprüfung dieser These ist in Abbildung 65 die Konzentration an über der jeweiligen Wäscherstufe freigesetztem Hg(0) in Abhängigkeit vom Sulfatgehalt im Waschwasser dargestellt.
0,1
1
10
100
1000
10 100 1000 10000 100000
SO42- [mg/l]
Hg
(0)-
Fre
iset
zun
g [
µg
/m³
i. N
. tr
.]
HCl A HCl B HCl C SO2 A SO2 B SO2 C
Abbildung 65: Hg(0)-Bildung in Abhängigkeit vom Sulfatgehalt im Waschwasser
Sulfat mit Schwefel in der Oxidationsstufe +VI ist selbst kein Reduktionsmittel. Sulfat, das im HCl-Wäscher gefunden wird, ist jedoch aus abgeschiedenem SO2 durch Oxidation von im Waschwasser gelöstem Sulfit entstanden. Der niedrige pH-Wert hat das SO2 also nicht daran gehindert, die Phasengrenze Gas-Flüssigkeit zu über-
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
116
winden. Das Zwischenprodukt Sulfit ist ein wirksames Reduktionsmittel für Hg(II). Vierwertiger Schwefel „fehlt“ im HCl-Wäscher also mitnichten.
Eine Korrelation zwischen der Hg(0)-Freisetzung und dem Sulfatgehalt ist aber nicht zu erkennen. Sollte Sulfit an der Reduktion des zweiwertigen Quecksilbers zu Hg(0) maßgeblich beteiligt sein, so reicht offensichtlich schon eine Konzentration von we-nigen mg/l dafür aus.
6.4.4 Einfluss des Redoxpotenzials
Besonders im Kraftwerksbereich ist das Redoxpotenzial eine wichtige Größe, die Auskunft darüber liefert, ob oxidierende oder reduzierende Bedingungen im Wäscher vorliegen.
In Abbildung 66 ist die Freisetzung an elementarem Quecksilber durch die Wasch-stufe über dem Redoxpotenzial aufgetragen. Leider wurde das Redoxpotenzial nur an drei Wäschern mitgeschrieben.
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
-400 -300 -200 -100 0 100 200 300 400
Redoxpotenzial in [mV]
Hg
(II)
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n S
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[µ
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N.
tr.]
HCl A HCl B HCl C SO2 A SO2 B SO2 C
Abbildung 66: Hg(II)-Reingasgehalt in Abhängigkeit vom Redoxpotenzial
Die Darstellung macht offensichtlich, dass es nicht möglich ist, einen funktionalen Zusammenhang zwischen der Menge an reduziertem Quecksilber und dem mit einer Redoxelektrode gemessenen Mischpotenzial abzuleiten.
6 Analyse experimenteller Daten aus der Industrie
117
Laut Modellvorstellung entspricht der Unterschied zwischen den Redoxpotenzialen dem treibenden Gefälle für die erwünschte Oxidation bzw. die unerwünschte Reduk-tion im Gleichgewicht Hg(0)/Hg(II). Der am Wäscher gemessene Wert gibt das Mischpotenzial des Waschwassers an, also die Summe der Redoxpotenziale aller Redoxpaare. An diesem Mischpotenzial ist der Beitrag der Quecksilberspezies auf-grund der geringen Konzentration nur sehr klein. Den Hauptbeitrag liefern die Re-doxpaare O(0)/O(-II) und S(IV)/S(VI). Für die Oxidation und Reduktion von gelöstem Quecksilber ist jedoch das Potenzial in der Mikroumgebung der gelösten Hg-Atome und –Ionen von Bedeutung. Darauf haben die Konzentrationen der verschiedenen Liganden einen entscheidenden Einfluss, vergleiche Kapitel 2.3. Änderungen dieser „Mikro-Redoxpotenziallagen“ werden von den in Wäschern eingesetzten Redox-Elektroden vermutlich nicht einmal erfasst.
Ein möglicher Einfluss des Redoxpotenzials kann also nur bei sonst gleichbleiben-den Bedingungen sichtbar gemacht werden. Für jeden Wäscher individuell kann es möglich sein, einen für die Quecksilberabscheidung optimierten Redoxpotenzialbe-reich zu ermitteln. Die Nennung nur eines bestimmten Redoxpotenzialbereichs, um eine gute Quecksilberabscheidung zu gewährleisten, ist nicht möglich.
7 Transfer der Forschungsergebnisse in die industrielle Praxis
118
7 Transfer der Forschungsergebnisse in die industrielle Praxis
7.1 Konzepte für bestehende Abfallverbrennungsanlagen
Von den rund 70 in Deutschland betriebenen Müllverbrennungsanlagen sind 42 mit einer ersten sauren Wäsche zur Abscheidung von HCl und Schwermetallen, im Be-sonderen Hg und mindestens einer nachgeschalteten, neutral betriebenen Wasch-stufe zur Abscheidung von SO2 ausgestattet.
Aufgrund des niedrigen pH-Wertes und des normalerweise großen Liganden-Angebots bietet der erste Wäscher gute Bedingungen für die Hg-Komplexierung und die Unterdrückung der Bildung von Hg(0) aus Hg(II). Ohne regulierende Maßnahmen ergibt sich das Verhältnis von Hg(II) und Ligand - überwiegend Cl- und Br- - jedoch weitgehend aus der Rauchgaszusammensetzung und ist damit vom System vorge-geben.
Die Zusammensetzung der HCl-Waschflüssigkeit bestimmt die Konzentrationen an HCl und Hg(II) im Reingas hinter dem sauren Wäscher und damit das Verhältnis von HCl und Hg(II) im Rohgas vor dem SO2-Wäscher. Die HCl-Gleichgewichts-konzentration im Gas ist aber auch hinter einer stark sauren Wäsche sehr klein. Deshalb wird die Hg-Komplexierung im SO2-Wäscher durch das geringe Liganden-angebot erschwert, und gleichzeitig die Reduktion des Hg(II)(aq) zu Hg(0)(aq) durch den pH-Wert im schwach sauren Bereich zusätzlich begünstigt.
Generell gilt: Zur Optimierung der Waschstufe in Hinblick auf die Hg-Reingaskonzentration muss die Konzentration des flüchtigen undissoziierten HgX2 in der Waschflüssigkeit und damit der Hg(II)-Partialdruck minimiert werden.
Die im Folgenden gewählten Beispiele stellen für den genannten Anwendungsfall übliche Wäschersysteme dar. Anhand dieser Beispiele werden im Betrieb realisier-bare Maßnahmen aufgezeigt, mittels derer das Verhältnis Ligand/Hg(II)(aq) gesteuert werden kann, um so die flüchtigen Spezies in nicht flüchtige Komplexanionen zu überführen.
Beispiel A Ein zweistufiges Wäschersystem einer Klärschlammverbrennung wird mit Natronlauge betrieben, die zweite Stufe verfügt über eine Fällungsmitteldosie-rung.
7 Transfer der Forschungsergebnisse in die industrielle Praxis
119
Problem: Der geforderte Hg-Reingaswert kann nicht sicher hinter der zweiten Waschstufe eingehalten werden. Ein schlechter Stoffaustausch wird als Ursache ausgeschlossen.
Unter den gegebenen Systemvoraussetzungen kann die Lösung des Problems durchaus in der Anhebung des pH-Wertes der ersten Stufe liegen, ggf. bis in den neutralen Bereich. Die Dosierung des Fällungsmittels kann dann direkt in die erste Stufe erfolgen. Der nach Fällung extrem niedrigen Restkonzentration an Hg(II)(aq) steht ein großes Ligandenangebot gegenüber, so dass Hg(II)(aq) sicher „durchkom-plexiert“ werden kann. Dadurch wird trotz des hohen pH-Wertes wirksam einer Re-duktion vorgebeugt. Die zweite Stufe steht als Feinreinigung zur Verfügung und ist für diese Anwendung wahrscheinlich mehr als ausreichend. Damit wird deutliches Potenzial zur Reduzierung der Gesamtemissionen gewonnen.
Aufgrund der feststofffreien Fahrweise ist nicht mit betrieblichen Problemen (Anba-ckungen) zu rechnen.
Führt die Ertüchtigung dazu, dass auf eine trockene Feinreinigung verzichtet werden kann, entfallen Investitionskosten von mehreren Mio. € sowie die Personal- und Betriebskosten für diesen zusätzlichen Anlagenteil.
Beispiel B Betrachtet werden soll das gleiche Problem wie in Beispiel A, allerdings werden beide Stufen mit Kalkmilch betrieben, der zweite Wäscher dient der Gipser-zeugung. Eine Anhebung des pH-Wertes in der ersten Stufe ist wegen des Auftre-tens von Anbackungen nicht möglich. Die Abflut aus dem ersten Wäscher wird in einer Abwasseraufbereitungsanlage mit Neutralisation und Schwermetallabtrennung gereinigt.
Hier liegt die Problemlösung in einer Erhöhung des Ligandenüberschusses in der ersten Waschstufe. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten:
Option 1: Durch die Abwasseraufbereitungsanlage entsteht ein an Chlo-rid/Bromid/Jodid reicher und an Quecksilber und anderen Schwermetallen armer Abwasserstrom. Nach erfolgter Abtrennung des Schwermetallhydroxidschlamms und der Feststoffe kann eine Teilrückführung dieses Abwasserstromes in das Wäscher-system erfolgen. Durch die Erhöhung des Ligandenangebots verschiebt sich das Gleichgewicht zum durchkomplexierten HgX4
2-. Anders als die Fällung ist die Kom-plexierung vom pH-Wert unabhängig, eine Veränderung der Wäschereinstellungen ist also nicht erforderlich.
Die Komplexierung des Quecksilbers hat gegenüber der Fällung auch den Vorteil, dass die Hg-Liganden-Komplexe als gelöste Ionen aus dem Gips ausgewaschen
7 Transfer der Forschungsergebnisse in die industrielle Praxis
120
werden können. Gefälltes Hg hingegen verbleibt als Feststoff im Gips und kann zu Problemen bei der Verwertung führen.
Option 2: Wenn z. B. die Rückführung des ausgeschleusten Waschwassers in den Wäscher nicht möglich ist, kann das Ligandenangebot auch durch die zusätzliche Dosierung von Komplexbildnern vergrößert werden. Selbstverständlich können auch rauchgaseigene Inhaltsstoffe wie HCl oder HBr bzw. deren Salze diesen Zweck erfüllen. Wenn jedoch das Ligandenangebot durch hinzuzukaufende Verbrauch-schemikalien erhöht werden soll, dann empfiehlt es sich, dabei Komplexbildner mit deutlich größeren Stabilitätskonstanten zu verwenden (Tabelle 3), um die zu dosie-rende Menge klein halten zu können.
Der Nachweis der Wirksamkeit der verschiedenen Komplexbildner und die Benen-nung geeigneter Dosiermengen ist Gegenstand weiterführender Arbeiten. Belastbare Aussagen sind bislang nicht möglich.
Option 3: Ebenfalls denkbar ist die Kombination mit Verfahren zur Oxidation von metallischem Quecksilber im Rauchgasstrom zwischen Feuerraum und Wäsche. Handelt es sich bei dem verwendeten Oxidationsmittel um einen potentiellen Ligan-den wie z. B. bei dem von Vosteen et al. [1] entwickelten Verfahren zur bromgestütz-ten Oxidation, so erfüllt das Brom unabhängig von der in das Rohgas zudosierten Verbindungsform die Funktion eines erwünschten Komplexbildners im Wäscher, weil alle Verbindungsformen im Waschwasser letztlich als Bromid verbleiben.
Beispiel C Unabhängig vom Wäschersystem kann ein starker Ligand auch in sehr kleinen Konzentrationen der Reduktion des zweiwertigen Quecksilbers vorbeugen, die Oxidation des elementaren Quecksilbers fördern und den Partialdruck der unge-ladenen Quecksilberspezies senken. In Hinblick auf die Redoxreaktionen steigt die Wirksamkeit des Liganden mit steigender Ligandenstärke.
Der Nutzen eines Liganden hängt jedoch auch vom Dampfdruck des daraus resultie-renden ungeladenen Quecksilberkomplexes ab. Im Fall von Jodid kann es durch den hohen Dampfdruck von HgJ2 trotz der Absenkung der Hg(II)(aq)-Konzentration zu einer unerwartet hohen Hg(II)-Konzentration im Gas hinter der Waschstufe kommen. Bei hohen Jodidkonzentrationen kann die Absenkung des Jodidangebotes z. B. durch Oxidation zum Jodat zu einer Verbesserung der Quecksilberabscheidung führen.
Bei der Bewertung starker Liganden muss die der Wäsche nachgeschaltete Abwas-serreinigung in die Betrachtungen mit einbezogen werden. Der Quecksilberpfad
7 Transfer der Forschungsergebnisse in die industrielle Praxis
121
muss bis zur vorgesehenen Senke sicher beherrscht werden. Dieses kann die Aus-schleusung des Quecksilbers über die Filterstäube bei interner Eindampfung oder die Auskoppelung eines quecksilber- und schwermetallreichen Schlamms aus der Abwasserreinigung sein. In jedem Fall muss sicher gestellt sein, dass auch in Ge-genwart starker Liganden das Quecksilber aus der flüssigen Phase abgetrennt wer-den kann, z. B. durch Fällung, ohne dass es zurück in den Gaspfad entweicht.
7.2 Konzepte für neue Abfallverbrennungsanlagen
Aus den theoretischen Modellbetrachtungen lassen sich Aussagen und Maßnahmen für die Konzeptfindung neuer Anlagen ableiten:
Zunächst und vorrangig entfällt für eine gute Quecksilberabscheidung die Notwen-digkeit eine saure Waschstufe bauen zu müssen. Die logische Konsequenz im Be-reich der Gaswäsche ist das Einwäscherkonzept. Allerdings ist immer zu beachten, dass der Ligandenüberschuss im Verhältnis zum Hg(aq) ausreichend sein muss. Da dieses Verhältnis in erster Näherung durch die Abfallzusammensetzung bestimmt wird, sollte grundsätzlich die Möglichkeit der Erhöhung des Ligandenangebots gege-ben sein, sei es durch Rückführung, externe Dosierung von Komplexbildnern oder Dosierung eines Fällungsmittels.
Bei der Errichtung neuer Gasreinigungsanlagen werden z. Z. trockene bzw. quasi-trockene Anlagen bevorzugt. Diese Entwicklung kann durch folgende Randbedin-gungen beeinflusst werden:
Mit einer normalen trockenen bzw. quasitrockenen Abgasreinigungsanlage können die Grenzwerte der 17. BImSchV sicher eingehalten werden. Hält die Tendenz an, die Einhaltung deutlich niedrigerer Grenzwerte zu fordern, beeinflusst z. B. durch die Genehmigungspraxis in den Niederlanden, stoßen diese Anlagen an ihre Leistungs-grenzen. Die Ergänzung durch ein weiteres Gewebefilter ist dann ein mögliches und z. Z. angebotenes Konzept. Dieses ist allerdings aus energetischen Gründen umstrit-ten. So zählt eine Anlage mit zwei hintereinander geschalteten Gewebefiltern auf-grund des hohen Energieverbrauchs laut den Best Available Technique Reference Documents (BREF) nicht zur besten verfügbaren Technik [30].
Nach wirksam werden der Technischen Anleitung Siedlungsabfall (TASi) Mitte 2005 entwickelten sich die HCl und SO2-Schadstoffbeladungen im Rohgas hinter Sied-lungsabfallverbrennungsanlagen hin zu deutlich höheren Werten. Die Notwendigkeit hoher Abscheidegrade wird dadurch weiter hervorgehoben. Bei einem Anstieg der Schadstoffe im Abfall führt dieses auch zu einer überproportionalen Erhöhung der Verbrauchs- und Reststoffmengen und damit der Kosten.
7 Transfer der Forschungsergebnisse in die industrielle Praxis
122
Sollte sich neben der derzeit diskutierten Energieeffizienz zur Bewertung einer Anla-ge eine Kennzahl zur stofflichen Verwertung gemäß einem Faktor (eingebrachte Müllmenge/anfallender Reststoff) etablieren, werden nasse Reinigungsverfahren wieder interessant.
Ein interessantes Anlagenkonzept ist die Kombination aus einer trockenen bzw. quasitrockenen Reinigungsstufe mit einer Stöchiometrie nahe 1 und einer nachge-schalteten einfach ausgeführten Wäsche [64], [65].
Eine Wäsche als Feinreinigung ist im Invest deutlich günstiger (ca. 3 Mio. € zu ca. 4 Mio. €) und im Betrieb nicht teurer als eine Gewebefilterstufe mit Additivzugabe, bietet jedoch die bekannten Vorteile.
Generell muss bei der Planung zukünftiger Anlagen beachtet werden, dass eine Waschstufe nicht auf einen Abscheidegrad ausgelegt werden kann. Beeinflussbar ist nur der Reingasgehalt hinter der Wäsche in Abhängigkeit von der Waschwasserzu-sammensetzung, nicht jedoch ein Abscheidegrad entsprechend:
η = (HgEintritt – HgAustritt) / HgEintritt
7.3 Konzepte für Kohlekraftwerke
In Kohlekraftwerken entscheiden die betrieblichen Randbedingungen darüber, ob und in welchem Maß Quecksilber ein Problem darstellt oder nicht. Das mit dem Brennstoff in die Abgasreinigungsanlage eingetragene Quecksilber wird hier auf die Austrittsströme Reingas, Gips, Schlamm und Abwasser aufgeteilt.
Reingas
Für die in Deutschland betriebenen Kohlekraftwerke ist die Einhaltung des gesetzli-chen Quecksilber-Emissionsgrenzwertes von 30 µg/m³ i. N. tr. problemlos möglich. Zum einen sind die hier eingesetzten Kohlen quecksilberarm, zum anderen verfügen deutsche Kraftwerke über mehrstufige Abgasreinigungsanlagen mit mindestens einer nassen Stufe.
Weltweit gesehen gibt es jedoch technische und gesetzliche Rahmenbedingungen, die eine Verbesserung der Quecksilberabscheidung erforderlich machen. Dieses sind:
- niedrige Grenzwerte, - die Verbrennung von Kohlen mit hohem Quecksilberanteil, der nicht nur die Ge-
samtkonzentration von Quecksilber im Abgas erhöht, sondern auch den Anteil an elementarem Quecksilber,
7 Transfer der Forschungsergebnisse in die industrielle Praxis
123
- das Bestreben, die aus Kraftwerken in die Atmosphäre insgesamt ausgestoßene Quecksilberfracht zu reduzieren.
Das vorgestellte Modell ermöglicht es, über die Kenntnis der Wäscherverhältnisse die Quecksilberabscheidung in der nassen Stufe zu erhöhen. Auch für Kalkstein-Gips-Wäscher gilt: zur Absenkung des Hg-Reingasgehalts hinter der Waschstufe muss die Konzentration an gelösten ungeladenen Hg(II)-Komplexen in der Wasch-suspension verringert werden. Dazu ist auch hier die Erhöhung des Ligandenange-bots durch Dosierung eines starken Komplexbildners bzw. durch eine Rückführung des halogenidreichen Abwassers nach Gipsentwässerung und Schwermetallfällung denkbar.
Darüber hinaus hängen die Maßnahmen, die zur Verbesserung der Quecksilberab-scheidung getroffen werden, wesentlich von der Reststoffverwertung ab.
Gips
Wird Braunkohle als Brennstoff eingesetzt, werden die anfallenden Reststoffe in Deutschland meist in den ausgebaggerten Tagebau verfüllt. Hier ist die Dosierung eines Fällungsmittels zu empfehlen, das im neutralen Waschwasserbereich das Verhältnis von Ligand/Hg(II) durch Minimierung der Hg(II)(aq)-Konzentration sehr effektiv maximiert. Die Quecksilberkonzentration im Gips und überschüssiges Fäl-lungsmittel im Waschwasser sind nicht von Belang, wenn das Gemisch aus Flug-asche, Gips und Abwasser in den Tagebau verfüllt wird.
Erst bei der Verwertung des Gipses in weiterverarbeitenden Industrien ist die genaue Kenntnis der Waschwasserzusammensetzung von besonderer Bedeutung. Das trifft in Deutschland i. d. R. auf Gips aus Steinkohlekraftwerken zu. Während die Fällung von Quecksilber zu einer Erhöhung der Quecksilberkonzentration im Gips führen kann, bleiben die komplexierten Quecksilberspezies in Lösung und können aus dem Gips ausgewaschen werden.
Bisher nicht geklärt ist die Frage, welche Mechanismen zum Einbau des gelösten Quecksilbers in das Gips-Kristallgitter führen. Hier besteht Forschungsbedarf.
Abwasser
In der Abwasserbehandlungsanlage wird der pH-Wert des Abwassers bis in den basischen Bereich mit pH 8 - 12 angehoben. Damit ist die Konzentration an OH--Ionen nicht mehr vernachlässigbar. Mit dem Liganden OH- bilden sich Quecksilber-Hydroxid-Komplexe. Der Austausch der Liganden zwischen den Quecksilberkomple-xen ist von der Ligandenstärke und der Ligandenkonzentration abhängig. Während im Rahmen der ausgewerteten Messungen in Wäschern bis pH 8 keine Auswirkung
7 Transfer der Forschungsergebnisse in die industrielle Praxis
124
auf die Reingaskonzentrationen feststellbar waren, könnten Hg-Emissionen bei pH-Werten, wie sie in Abwasserbehandlungsanlagen auftreten, auf Bildung von ungela-denem Hg(OH)2 oder HgXOH zurückzuführen sein [49]. Damit ist eine zusätzliche Hg(II)-Emission im Umfeld der Abwasserreinigungsanlage möglich mit entsprechen-den Konsequenzen für den Arbeitsschutz.
In jedem Fall muss in der Abwasserbehandlungsanlage sicher gestellt sein, dass die Schwermetallfällung auch Quecksilber aus „seinem Komplex“ herauslöst, um es aus dem Abwasser abscheiden zu können.
Bei Verwendung von sehr starken Liganden wie Cyanid muss durch Versuche ge-klärt werden, ob die Fällung des Hg aus diesen starken Komplexen noch möglich ist oder ob „Maskierung“ des zu fällenden Schwermetalls eintritt. Bei aller Vorsicht, mit der die Dosierung eines so toxischen Liganden wie Cyanid als potenzielles Additiv (vorzugsweise z.B. aus den wenig toxischen Blutlaugensalzen) erwogen werden sollte, sei hier darauf hingewiesen, dass Cyanid, anders als z.B. Bromid, chemisch (z.B. oxidativ) zerstört und damit aus dem Abwasser entfernt werden kann.
Um die Deponiekosten gering zu halten, sollte der größte Teil des Schlamms in die Verbrennung zurückgeführt werden. Dazu muss ein geschlossener Quecksilberkreis-lauf vermieden werden. Dieses kann durch eine stufenweise Schwermetallfällung erreicht werden, die zunächst unter Zudosierung von Kalk einen quecksilberarmen Schlamm erzeugt und anschließend mit Hilfe von sulfidischen Fällungsmitteln eine kleine Menge an quecksilberreichem Schlamm zur Deponierung auskoppelt [66].
8 Zusammenfassung und Ausblick
125
8 Zusammenfassung und Ausblick
Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung eines theoretischen Modells zur Be-schreibung des Verhaltens von Quecksilber in Abgaswäschen. Das Modell soll es ermöglichen, wesentliche Einflussparameter in Ursache und Wirkung belastbar zu bewerten. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Einfluss unterschiedlicher Liganden auf die Komplexbildung des Quecksilbers.
Das theoretische Modell wird mit Hilfe der Grundlagen aus Thermodynamik, Kom-plex- und Elektrochemie entwickelt. Dem Modell liegen folgende Ansätze zugrunde: Das zweiwertige Quecksilber, das hinter Abfallverbrennungsanlagen überwiegend als HgCl2 auftritt, tritt im Wäscher in die flüssige Phase über, dissoziiert dabei nicht, sondern bleibt kovalent gebunden. Es steht im Gleichgewicht mit der Gasphase gemäß dem Henry’schen Gesetz. Mit im Überschuss vorhandenen Liganden X bildet der HgX2-Komplex geladene, in den vorliegenden Betrachtungen anionische Komplexe und wird so dem Gleichgewicht mit der Gasphase entzogen. Somit bestimmt die Konzentration des zweiwertigen gelösten Quecksilbers in der Waschflüssigkeit die Konzentration des zweiwertigen Quecksilbers im Gas hinter der Waschstufe. Der pH-Wert der Waschstufe hat darauf keinen Einfluss.
Es werden Berechnungen zum Henry’schen Verhalten der ungeladenen Quecksil-berhalogenokomplexe, zum Gleichgewicht der Komplexreaktionen und zum thermo-dynamischen Gleichgewicht durchgeführt. Das thermodynamische Gleichgewicht wird dabei über das Minimum der freien Enthalpie (Gibbs-Energie) mit Hilfe einer in Visual Basic und Fortran programmierten Routine berechnet.
Zusammenfassend kann als Ergebnis herausgestellt werden:
Die Komplexbildungsstärke eines Liganden und die Flüchtigkeit des daraus resultie-renden Komplexes bestimmen die Verteilung der Spezies auf die Phasen. Die Lig-andenstärke liefert ohne Kenntnis des Henry’schen Verhaltens des Liganden keine Aussagen über zu erwartende Reingasgehalte.
Zu Beginn der Arbeit existierte die These, dass das im Abgas im deutlichen Über-schuss im Vergleich zum Quecksilber vorhandene Chlorid der für die Komplexierung verantwortliche Ligand ist und dass Bromid ebenfalls relevant sein könnte. Dagegen kann als ein Ergebnis der vorliegenden Arbeit herausgestellt werden, dass starke Komplexbildner auch in sehr niedrigen Konzentrationen einen Einfluss auf die Gleichgewichtslage haben. Im Wäscher kommt es zu einer Umkomplexierung des zweiwertigen Quecksilbers. Die auftretende Speziesverteilung ist vorrangig abhängig von der Ligandenstärke und der Konzentration der freien Liganden im Waschwasser.
8 Zusammenfassung und Ausblick
126
Die Parameter Temperatur, Redoxpotenzial und pH-Wert nehmen nur nachrangig Einfluss auf die Gleichgewichtslage.
Unter Anwesenheit mehrerer Liganden treten im thermodynamischen Gleichgewicht in der Gasphase sowohl HgX2- als auch HgXY-Moleküle auf. In der flüssigen Phase überwiegen die anionischen Komplexe. Ihre Stabilitätskonstanten sind so groß, dass sie die Konzentration der ungeladenen Komplexe HgX2(aq) und HgXY(aq) stark absen-ken und damit entscheidenden Einfluss auf die Konzentration an zweiwertigem Quecksilber im Gas nehmen.
Mit steigender Temperatur nehmen die Henry-Koeffizienten der ungeladenen Kom-plexe zu, so dass sich bei konstanter Speziesverteilung in der flüssigen Phase höhe-re Gaskonzentrationen ergeben würden. Mit steigender Temperatur verschiebt sich aber auch die Gleichgewichtslage in der flüssigen Phase. In Ein-Liganden-Systemen führt der Einfluss der Temperatur zu einer Erhöhung der Konzentration der ungela-denen Komplexe in der flüssigen Phase. Diese nehmen am Gleichgewicht mit der Gasphase teil, was wiederum zu einer Erhöhung der Konzentration von Hg(II) im Gas führt.
Im Mehrligandensystem hingegen bestimmen die anionischen Komplexe und deren Wechselwirkungen die Gleichgewichtslage. Je nach Ligandenangebot kann dieser Einfluss überwiegen und eine Erhöhung der Quecksilberkonzentration im Gas mit steigender Temperatur verhindert werden. Für Simulationsberechnungen ist dabei die Kenntnis der Stoffdaten wesentlich. In der Praxis zeigt sich aufgrund der Überla-gerung der gegenläufigen Temperaturabhängigkeiten der für die Quecksilberab-scheidung relevanten Parameter und der Schwankungen im Ligandenangebot keine Temperaturabhängigkeit der Hg(II)-Reingaskonzentration.
Die durchgeführten Berechnungen zeigen, dass Hg(0) bei ausreichendem Sauerstof-füberschuss auch unter Anwesenheit von vierwertigem Schwefel im thermodynami-schen Gleichgewicht vollständig zu Hg(II) oxidiert wird. Dieses kann aus der Praxis jedoch nicht bestätigt werden. Es steht zu vermuten, dass weitere, bisher nicht be-rücksichtigte Parameter Einfluss auf das Verhalten von Hg(0) nehmen, bzw. dass die Einstellung des Hg(0)/Hg(II)-Gleichgewichts kinetisch gehemmt ist. Die Anwesenheit von S(IV) führt im Gleichgewicht nicht zur Reduktion von zweiwertigem in elementa-res Quecksilber. Die Messungen zeigen, dass die Abscheidung von Hg(0) in der Wäsche unter geeigneten Randbedingungen möglich ist. Dieser Befund konnte an einzelnen Messpunkten bestätigt werden.
Auf Basis der erarbeiteten Ergebnisse werden Vorschläge zum Betrieb bestehender und zur Konzeption geplanter Abgasreinigungssysteme entwickelt. Wesentlich für den Erfolg von Ertüchtigungsmaßnahmen ist dabei die genaue Kenntnis des zu
8 Zusammenfassung und Ausblick
127
betrachtenden Systems. Maßgeschneiderte Lösungen zur Verbesserung der Queck-silberabscheidung können nur in Kenntnis des sich aus den Rohgasbestandteilen einstellenden Ligandeninventars entwickelt werden.
Die Bestätigung des Modells erfolgt an Messdaten, die aus industriellen Großanla-gen stammten. Diese Daten stützen die wesentlichen Kernaussagen des Modells. Zur vollständigen Validierung sind die Daten in der Parameterauswahl und Mess-genauigkeit jedoch nicht ausreichend. Dazu bedarf es Messungen an Großanlagen mit einer angepassten Parameterauswahl sowie begleitende Labormessungen. Bis-her kann die verfügbare Quecksilberanalytik eine Zuordnung des gemessenen gas-förmigen Quecksilbers zu den Spezies nicht leisten. Hier ist eine Weiterentwicklung bestehender Systeme bzw. eine Neuentwicklung erforderlich.
Ein wesentlicher Schwachpunkt der Simulationsrechnungen ist die lückenhafte Stoffdatensituation. Die Ergebnisse der Berechnungen werden deshalb nur qualitativ bewertet. Eine quantitative Aussage im Sinne einer Vorausberechnung der zu erwar-tenden Verhältnisse im Waschwasser und im Abgas hinter Wäscher ist derzeit nicht möglich. Weiterführende Arbeiten haben die Ermittlung der fehlenden Stoffdaten zum Ziel.
128
Anhang A
129
Anhang A: Wäscherausführungen
Venturiwäscher
max.
min.
FI
RohgasEintritt
zur Verdüsung
zum Ringspalt
Tropfenabscheider-Spülwasser
ReingasAustritt
pH
Abschlämmung
LI
Prozesswasser
Überlaufrinne
Kehle mit Blende
Konfusor
Diffusor
Notwasser
Der in der Abbildung dargestellte einbaulose Niederdruck-Venturiwäscher wird be-vorzugt als erste Waschstufe eingesetzt und dient vorrangig zum Abkühlen der Rauchgase bis auf Sättigungstemperatur durch Teilverdampfung der umlaufenden Waschflüssigkeit und zur weitgehenden Abscheidung der Halogenide, der Schwer-metalle und des Reststaubes. Das Abgas tritt axial in die Sättigungszone des Wäschers ein, wird im Gleichstrom mit einer großen Waschflüssigkeitsmenge beaufschlagt und durch eine Teilverdamp-fung der umlaufenden Waschflüssigkeit bis auf den Taupunkt abgekühlt. Salze und Feststoffe werden dabei aufkonzentriert. Im oberen Teil der Sättigungszone sind die Waschwasserdüsen angeordnet. Der Wäscherquerschnitt wird unterhalb der Düsenebene verengt. Dieser Konfusor ist mit einer umlaufenden Überlaufrinne ausgestattet. Der engste Querschnitt des Wä-schers, die sogenannte Kehle, bildet gleichzeitig den Abschluss des Wäscherkopfes. Die Kehle ist zur Verstärkung der Turbulenzen mit einer Blende ausgestattet.
Anhang A
130
Die Sättigerdüsen werden über die Wäscher-Kreislaufleitung mit Waschwasser aus dem Wäschersumpf beschickt. Eine Stichleitung aus der Kreislaufleitung führt Waschflüssigkeit in die um den Konfusor umlaufende Überlaufrinne. Über deren Wehrkante läuft ein Rieselfilm über die Konfusorwände bis zur Venturi-Kehle ab. Der Rieselfilm ist notwendig, um beim Heiß-Kaltübergang in der Sättigungszone Anba-ckungen aus gelösten Salzen sowie suspendierten Stoffen zu vermeiden und um die Sättigerwände zu kühlen. Unterhalb der Verdampfungszone, etwa im Bereich der turbulenten Wechselwirkung zwischen Rauchgas und Flüssigkeit, kommt es zu einer weiteren Dispergierung der Waschflüssigkeit, wodurch große Stoffaustauschflächen gebildet werden. Die Bildung der für die Sorptionsvorgänge erforderlichen Phasengrenzfläche wird durch den Einbau der Blende in die Kehle des Venturiwäschers verbessert, die die notwendigen Turbulenzen bei geringen Druckverlusten erzeugt. Hier erfolgt die Ab-scheidung von gasförmigen Schwermetallen (vorzugsweise Quecksilber-Chlorid). Im Kehlenbereich kommt es ferner zur Abscheidung von Staubpartikeln, die auf-grund von Trägheitseffekten an die Oberfläche der Waschflüssigkeit gelangen. Anschließend passiert das Gas den Diffusor. Im Diffusor wird durch Entspannung des Gases ein Teil der Bewegungsenergie wieder in Druck umgesetzt. Dabei kommt es zu einer intensiven Querbewegung der Flüssigkeitstropfen. Nach Austritt aus dem Diffusor wird das Gas um 180° umgelenkt. Nach einer weite-ren 90°-Umlenkung verlässt das Gas den Wäscher und passiert einen Lamellen-Tropfenabscheider, der ein Übertreten der hochchloridhaltigen Flüssigkeitströpfchen in die nachfolgenden Komponenten weitgehend verhindert. Die aus dem Abgas abgeschiedenen Schadstoffe werden mit der Abschlämmung von Waschwasser aus dem Wäscher geschleust. Ein Kriterium für die abzuschläm-mende Waschwassermenge kann die Leitfähigkeit als Maß der Konzentration der gelösten Salze in der Waschflüssigkeit sein. Ohne die Zudosierung von Neutralisati-onsmittel kann auch der pH-Wert als Regelgröße herangezogen werden. Auftretende Flüssigkeitsverluste werden durch Prozesswasser ausgeglichen. Die Ausführung des Venturikopfes sowie die Wahl der Waschwasserdüsen stellen sicher, dass die Abkühlung der heißen Abgase mit Eintritt in die Venturikehle abge-schlossen ist. Dementsprechend ist das Material der nachfolgenden Bauteile und Apparate nur auf Sättigungstemperatur ausgelegt. Bei Ausfall des Waschwasser-kreislaufes wird die Abkühlung des Abgases unter eine kritische Temperatur von ca. 80°C durch eine oberhalb der Waschwasserdüsenebene angebrachte Zentral-(Notwasser-)düse sichergestellt.
Anhang A
131
Sprühturm- oder Sprühdüsenwäscher
max.
min.Prozess-wasser
Tropfenabscheiderspülwasser
ReingasAustritt
RohgasEintritt
LI
TS
Abschlämmung
LI
Kalkmilch
pHUC
SO2 Roh - und Reingaskonzentration
Abschlämmung
Der Gegenstromsprühturmwäscher wird bevorzugt als zweite Wäscherstufe einge-setzt und dient der Abscheidung von Schwefeldioxid und Schwefeltrioxid unter gleichzeitiger Bildung von Gips in der Waschflüssigkeit. Des Weiteren werden Rest-gehalte an Chlor- und Fluorwasserstoff abgeschieden. Die Waschsuspension wird mit Umwälzpumpen umgewälzt. Das für die Gipsbildung erforderliche Calcium wird durch pH-Wert geregelte Zugabe von Kalkmilch in den Wäscher eingebracht. Die Abgase treten oberhalb des Wäschersumpfes radial in den Wäscher ein und durchströmen die sogenannte Kontakt- und Sprühzone von unten nach oben. Im oberen Teil dieser Kontakt- und Sprühzone sind in mehreren Ebenen Sprühdüsen installiert, die mit der Waschsuspension (Gips und Calciumhydroxid) aus dem Wä-schersumpf beaufschlagt werden und diese in Form von Tropfen eines definierten Durchmesserspektrums verteilen. Die Kontakt- und Sprühzone stellt somit einen intensiv durchmischten Gas-Flüssigkeitsraum dar, in dem der eigentliche Stoffüber-gang vom Rauchgas zur Waschflüssigkeit stattfindet.
Anhang A
132
Der pH-Wert der Waschflüssigkeit liegt in einem Bereich von 5,5 bis 6, so dass eine Sulfitanreicherung bei maximaler SO2-Abscheidung vermieden wird. Der pH-
Ausgleich erfolgt durch die geregelte Zugabe von Kalkmilch. Im Abgas hinter Abfall-verbrennungsanlagen muss davon ausgegangen werden, dass der SO2-Gehalt im Abgas stark schwankt. Für schnelle Änderungen in der SO2-Rohgaskonzentration ist die Kalkmilchregelung durch den pH-Wert zu träge. Daher wird der Regelung zusätz-lich der Wert der SO2-Roh- und der SO2-Reingaskonzentration aufgeschaltet. Im unteren Bereich des SO2-Wäschers wird die Waschsuspension gesammelt und
mit einem Rührwerk gemischt, um Sedimentationen zu vermeiden. Gleichzeitig wird der Stoffübergang begünstigt, indem die Oxidation vom Sulfit zum Sulfat durch den absorbierten Sauerstoff aus dem Rauchgas und die Auflösung des Absorptionsmit-tels Ca(OH)2 verbessert werden. Bei einem dauerhaften Sauerststoffgehalt im
Rauchgas von kleiner 6 Vol.%tr. muss das Sauerstoffangebot für die Oxidation des
Sulfit zu Sulfat durch das Einblasen von Oxidationsluft erhöht werden. Der Abzug der Reaktionsprodukte erfolgt in Abhängigkeit der Suspensionsdichte. Damit die Kristallisation nicht an den Wänden zu Anbackungen führt und um einen grobkörnigen und gut zu entwässernden Gips zu erhalten, muss zum einen die An-zahl der Kristallisationskeime und damit der Feingipsanteil gering gehalten werden, zum anderen muss ein genügend großes Angebot an Gipspartikeln vorhanden sein. Der untere und obere Grenzwert der Gipssuspensionsdichte wird so eingestellt, dass im Mittel die Gipskonzentration im Wäschersumpf 10 Gew.% beträgt. Dazu wird ein Teil der Waschflüssigkeit über eine Hydrozyklonstufe geführt. Erreicht die Suspensi-onsdichte den unteren Grenzwert, so erfolgt eine Abschlämmung des überschüssi-gen Waschwassers über den Oberlauf des Hydrozyklons. Der feststoffreiche Unter-lauf des Hydrozyklons wird zurück in den SO2-Wäscher geleitet. Hat die Dichte der
Suspension im Wäschersumpf den oberen Grenzwert erreicht, wird Gipssuspension solange aus dem Wäschersumpf abgeschlämmt, bis der untere Grenzwert bzw. der min. Füllstand erreicht ist. Der Wasserbedarf der SO2-Wäsche ist sehr gering, da nur die mit der Gipssuspensi-
on ausgeschleuste Flüssigkeitsmenge ersetzt werden muss. Ein Teil wird mit dem Reaktionsmittel zudosiert. Der restliche Ausgleich der Wasserverluste erfolgt durch Zudosierung des Tropfenabscheiderspülwassers in den Wäschersumpf. Im oberen Bereich des Wäschers werden die Abgase durch einen Grobtropfenab-scheider geleitet und von den mitgerissenen groben Suspensionstropfen getrennt. Die abgeschiedenen Suspensionstropfen fallen in den Wäschersumpf und mischen sich dort mit der Wachsuspension. Nachdem das gereinigte Abgas den SO2-Wäscher verlassen hat, wird es in den
Feintropfenabscheidern von noch verbliebenen Flüssigkeitströpfchen weitestgehend befreit, um nachgeschaltete Anlagenkomponenten vor Verschmutzung zu schützen.
Anhang A
133
Füllkörperwäscher
max.
min.
Prozess-wasser
LI
Natronlauge
pH
UC SO2 Roh- und Reingaskonzentration
mS
Abschlämmung
RohgasEintritt
ReingasAustritt
Tropfenabscheiderspülwasser
Der dargestellte Füllkörperwäscher wird bevorzugt als zweite Waschstufe eingesetzt und dient wie der Sprühwäscher der Abscheidung von SO2 und SO3 sowie von Rest-gehalten an Halogenwasserstoffen. Um eine möglichst große Stoffübergangsfläche zu erhalten, ist die Waschzone mit Gitterfüllkörpern aus Polypropylen bestückt. Das Abgas tritt oberhalb des Wäschersumpfes radial in den Wäscher ein und durch-strömt die Füllkörper von unten nach oben im Gegenstrom zur Waschflüssigkeit. Der pH-Wert der Waschflüssigkeit wird durch geregelte Zugabe von Natronlauge zur Waschflüssigkeit eingestellt. Die Ausschleusung der abgeschiedenen Schadstoffe erfolgt über die Absalzung von Waschflüssigkeit aus dem Wäschersumpf in Abhän-gigkeit von der Leitfähigkeit. Der Füllstand der Waschflüssigkeit im Wäschersumpf wird durch eine geregelte Zuführung von Prozesswasser ausgeglichen. Das Abgas wird am Kopf des Wäschers um 90° umgelenkt und dem nachfolgenden Tropfenabscheider zugeführt. Das Tropfenabscheiderspülwasser wird in den Sumpf abgeleitet.
Anhang B
134
Anhang B: Quecksilbermessungen
Tabelle 35: Anzahl der Quecksilbermessungen
Anlage A B C gesamt
HCl-Wäscher
Hg(II) Messungen
Anzahl gesamt 17 53 29 99
davon - Hg(II)-Abscheidung 17 53 20 90
- Hg(II) η =0 0 0 0 0
- Hg(II)-Freisetzung 0 0 9 9
Hg(0) Messungen
Anzahl gesamt 17 54 29 100
davon - Hg(0)-Abscheidung 9 19 14 42
- Hg(0) η =0 1 6 2 9
- Hg(0)-Freisetzung 720 29 13 49
SO2-Wäscher
Hg(II) Messungen
Anzahl gesamt 19 53 18 90
davon - Hg(II)-Abscheidung 16 46 14 76
- Hg(II) η=0 1 2 0 3
- Hg(II)-Freisetzung 2 5 4 11
Hg(0) Messungen
Anzahl gesamt 19 54 29 102
Davon - Hg(0)-Abscheidung 4 7 2 13
- Hg(0) η =0 1 1 0 2
- Hg(0)-Freisetzung 14 46 27 87
Anhang C
135
Anhang C: Verwendete Stoffdaten
Tabelle 36 a: Teil 1: Standardbildungsenthalpien, [57], [58]
partielle molare Standardbildungsenthalpien
Stoffname ∆fhi0 ( g) ∆fhi
0 (aq) ∆fhi0 (s) ∆fgi
0 (g) ∆fgi0 (aq) ∆fgi
0 (s)
[kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol]
N2 0 10,43457 0 -57,06866 -38,92802 0
O2 0 0 0 0 0 0
CO2 -393,509 -413,8 0 -394,359 -385,98 0
H2O -241,82 0 0 -228,57 0 0
SO2 -296,81 -323,16 0 -300,09 -300,503 0
SO3 -395,72 0 0 -371,06 0 0
HBr -36,4 -121,55 0 -53,45 -103,96 0
HCl -92,307 -167,159 0 -95,299 -131,228 0
HJ 26,48 -55,19 0 1,7 -51,57 0
Br- 0 -121,55 0 0 -103,96 0
Cl- 0 -167,159 0 0 -131,228 0
J- 0 -55,19 0 0 -51,57 0
H+ 0 0 0 0 0 0
OH- 0 -229,99 0 0 -157,24 0
HCO3- 0 -691,99 0 0 -586,77 0
CO32- 0 -677,14 0 0 -527,81 0
Na+ 0 -240,12 0 0 -261,905 0
HSO3- 0 -626,79 0 0 -527,032 0
SO32- 0 -630,44 0 0 -486,092 0
H2SO4 -743,9 0 0 -662,91 0 0
HSO4- 0 -887,34 0 0 -755,91 0
SO42- 0 -909,27 0 0 -744,53 0
S2O52- 0 -972,35 0 0 -808,405 0
SO2Cl- 0 -490,32 0 0 -426,991 0
Anhang C
136
Tabelle 36 a: Fortsetzung Teil 1: Standardbildungsenthalpien, [57], [58]
partielle molare Standardbildungsenthalpien
Stoffname ∆fhi0 ( g) ∆fhi
0 (aq) ∆fhi0 (s) ∆fgi
0 (g) ∆fgi0 (aq) ∆fgi
0 (s)
[kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol] [kJ/mol]
Hg2+ 0 171,1 0 0 164,4 0
HgBr+ 0 6,3 0 0 8,8 0
HgBr2 -86,6 -160,7 -170,7 -113,8 -143,1 -153,1
HgBr3- 0 -293,3 0 0 -259,4 0
HgBr42- 0 -431 0 0 -371,1 0
HgCl+ 0 -18,8 0 0 -5,4 0
HgCl2 -143,1 -216,3 -224,3 -141,8 -173,2 -178,6
HgCl3- 0 -388,7 0 0 -309,1 0
HgCl42- 0 -554 0 0 -446,8 0
HgJ+ 0 43,1 0 0 39,7 0
HgJ2 -17,2 -79,5 -105,4 -59,9 -74,9 -101,7
HgJ3- 0 -152,7 0 0 -148,5 0
HgJ42- 0 -235,1 0 0 -211,7 0
HgBrCl -115 -190,4 0 -128 -161,9 0
HgBr2Cl- 0 -344 0 0 -292,11 0
HgBr2Cl22- 0 -500 0 0 -424,74 0
HgBrJ -52 -117,6 0 -87 -111,7 0
HgBrJ2- 0 -199 0 0 -189,13 0
HgBr2J22- 0 -313 0 0 -297,66 0
HgClJ -80 -147,3 0 -101 -128,9 0
HgClJ2- 0 -241 0 0 -211,181 0
HgCl2J22- 0 -387 0 0 -338,819 0
Hg(OH)2 0 -355,2 0 0 -274,8 0
HgOH+ 0 -84,5 0 0 -52,3 0
Hg(0) 61,317 19,5 0 31,82 37,2 0
Daten abgeschätzt, siehe Kapitel 5.2.2
Anhang C
137
Tabelle 36 b: Teil 2: Molare Wärmekapazitäten, [57], [58] molare Wärmekapazitäten
Stoffname cp(s) cp(aq) cpa cpb cpc cpd
[J/(mol*K)] [J/(mol*K)] [J/(mol*K)] [J/(mol*K)] [J/(mol*K)] [J/(mol*K)]
N2 0 246,10624 31,15 -0,01357 0,0000268 -1,17E-08
O2 0 0 28,1 -3,68E-06 1,745E-05 -1,07E-08
CO2 0 212,0172 19,8 7,34E-02 -5,60E-05 1,72E-08
H2O 0 0 32,24 0,001924 1,055E-05 -3,6E-05
SO2 0 194,8 23,85 0,067 -4,96E-05 1,328E-08
SO3 0 0 19,21 0,1374 -1,18E-04 3,70E-08
HBr 0 0 30,64 -0,0946 1,722E-05 -6,24E-09
HCl 0 0 30,67 -0,007201 1,246E-05 -3,9E-09
HJ 0 0 31,15 -0,01427 2,972E-05 -1,35E-08
Br- 0 0 0 0 0 0
Cl- 0 -247,02 0 0 0 0
J- 0 0 0 0 0 0
H+ 0 117,23 0 0 0 0
OH- 0 -238,65 0 0 0 0
HCO3- 0 0 0 0 0 0
CO32- 0 0 0 0 0 0
Na+ 0 46,4 0 0 0 0
HSO3- 0 -1,9 0 0 0 0
SO32- 0 -263,9 0 0 0 0
H2SO4 0 0 0 0 0 0
HSO4- 0 -84 0 0 0 0
SO42- 0 -293 0 0 0 0
S2O52- 0 -100 0 0 0 0
SO2Cl- 0 58,4 0 0 0 0
Daten abgeschätzt, siehe Kapitel 5.2.1
Anhang C
138
Tabelle 36 b: Fortsetzung Teil 2: Molare Wärmekapazitäten, [57], [58] molare Wärmekapazitäten
Stoffname cp(s) cp(aq) cpa cpb cpc cpd
[J/(mol*K)] [J/(mol*K)] [J/(mol*K)] [J/(mol*K)] [J/(mol*K)] [J/(mol*K)]
Hg2+ 0 292,3 0 0 0 0
HgBr+ 0 0 0 0 0 0
HgBr2 0 0 0 0 0 0
HgBr3- 0 0 0 0 0 0
HgBr42- 0 0 0 0 0 0
HgCl+ 0 0 0 0 0 0
HgCl2 73,93 151 54,039 0,0191 -1,46E-05 3,551E-09
HgCl3- 0 -336,5 0 0 0 0
HgCl42- 0 -341 0 0 0 0
HgJ+ 0 0 0 0 0 0
HgJ2 0 0 61,09 0 0 0
HgJ3- 0 0 0 0 0 0
HgJ42- 0 0 0 0 0 0
HgBrCl 0 0 59,25 0 0 0
HgBr2Cl- 0 0 0 0 0 0
HgBr2Cl22- 0 0 0 0 0 0
HgBrJ 0 0 60,84 0 0 0
HgBrJ2- 0 0 0 0 0 0
HgBr2J22- 0 0 0 0 0 0
HgClJ 0 0 0 0 0 0
HgClJ2- 0 0 0 0 0 0
HgCl2J22- 0 0 0 0 0 0
Hg(OH)2 0 162,7 0 0 0 0
HgOH+ 0 205,5 0 0 0 0
Hg(0) 27,983 200 20,786 0 0 0
Daten abgeschätzt, siehe Kapitel 5.2.1
Anhang C
139
Tabelle 36 c: Kritische Daten, [57] Kritische Daten
Stoffname Tb Tc Pc Vc Omega
[K] [K] [bar] [cm3/mol]
N2 77,4 126,2 33,9 89,8 0,039
O2 90,2 154,6 49,8 73,4 0,021
CO2 0,0 304,1 73,8 93,9 0,239
H2O 373,2 647,3 221,2 57,1 0,344
SO2 263 430,8 77,8 122 0,251
SO3 318,0 491,0 82,1 127,3 0,481
HBr 206,1 36,2 84,4 100,0 0,063
HCl 188,1 324,7 83,1 80,9 0,133
HJ 237,6 424,0 82,0 131,0 0,050
Hg(0) 630,0 1765,0 1510,0 42,7 -0,167
Tabelle 36 d: Parameter der Dampfdruckkurve, [57] Parameter der Dampfdruckgleichung
Stoffname Gleichung VPA VPB VPC VPD
N2 Wagner -6,09676 1,1367 -1,04072 -1,93306
O2 Frost-Kalkwarf-Thodos 31,041 1082,52 -2,761 0,265
CO2 Wagner -6,956 1,197 -3,126 2,994
H2O Wagner -7,76451 1,45838 -2,7758 -1,23303
SO2 Frost-Kalkwarf-Thodos 55,502 4552,5 -3,666 1,32
SO3 Frost-Kalkwarf-Thodos 132,94 10420,1 -17,38 1200
HBr Frost-Kalkwarf-Thodos 28,102 2394,35 -1,843 0,871
HCl Frost-Kalkwarf-Thodos 31,994 2626,67 -3,443 538
HJ Frost-Kalkwarf-Thodos 33,884 3013,08 -2,673 1,23
Hg(0) Lee-Kesler 0 0 0 0
Anhang D
140
Anhang D: Virialgleichung zur Berechnung des Fugazitätskoeffizienten
Der Kompressibilitätsfaktor oder Realgasfaktor zkompr ist ein Maß für die Abweichung eines realen Gases vom idealen Verhalten.
RT
pvzkompr = Gl. 54
Um die Abweichung vorausberechnen zu können, wird der Kompressibilitätsfaktor in Form eines Polynoms dargestellt. Für die Virialgleichung gibt es zwei Formen: Werden die Summanden des Polynoms mit dem Druck gebildet, so handelt es sich um die sog. Berlin-Form:
...p)T(Cp)T(B1z2
BBkompr +++= Gl. 55
Unter Verwendung der Moldichte handelt es sich um die sog. Leiden-Form:
...)T(C)T(B1z2
LLkompr +++= ρρ Gl. 56
Der vierte oder höhere Virialkoeffizienten sind für fast alle praktischen Anwendungen unbekannt, so dass die Gleichung nach dem zweiten oder dritten Glied abgebrochen werden muss. Dann ist die Gültigkeit der Gleichung eingeschränkt. Besteht die Viri-
algleichung aus drei Gliedern, so gilt ρ < ¾ ρkr, besteht sie aus nur zwei Gliedern gilt
ρ < ½ ρkr.
Die zweiten Virialkoeffizienten der beiden Formen lassen sich ineinander umrech-nen. Es gilt:
RT
BB L
B = Gl. 57
Eine häufig angewendete Methode zur Abschätzung des 2. Virialkoeffizienten für unpolare Stoffe ist die von Tsonopoulos. Hierbei wird der Kompressibilitätsfaktor nach Gl. 58 in einen Therm zur Beschreibung einfacher Fluide z(0) und einen Therm zur Beschreibung der Abweichung vom Verhalten einfacher Fluide z(1) aufgeteilt.
r
r
c
c)1()0(kompr
T
p
TR
pB1zzz
+=+= ϖ Gl. 58
Da der zweite Virialkoeffizient nur von der Temperatur abhängt, gilt:
Anhang D
141
( ) ( )r)1(
r)0(
c
c TbTbTR
pBϖ+= Gl. 59
Für die Koeffizienten b(0) und b(1) gibt Tsonopoulos empirische Beziehungen an:
8
r3
r2
rr
)0(
T
000607,0
T
0121,0
T
1385,0
T
33,01445,0b −−−−= Gl. 60
8
r3
r2
r
)1(
T
008,0
T
423,0
T
331,00637,0b −−+=
Gl. 61
Der azentrische Faktor ω ist definiert über:
( ) 000.1plog7,0T
sr
r−−≡
=ϖ Gl. 62
Für den reinen Stoff ergibt sich der Fugazitätskoeffizient dann zu:
B
RT
pln VP
i0 =φ Gl. 63
Für die Komponente i im Gemisch werden die binären Virialkoeffizienten Bij gemäß Gl. 64 benötigt.
−= ∑∑∑
i j
ijji
i
ijii ByyBy2RT
plnφ Gl. 64
Diese ergeben sich ebenfalls aus Gl. 59. Die kritischen Daten lassen sich aus den kritischen Daten der reinen Komponenten unter Anwendung der Mischungsregel nach [57] berechnen. Die dargestellte Methode ist [52] entnommen.
Anhang E
142
Anhang E: Modelle zur Berechnung von Aktivitätskoeffizienten
Das für die vorliegende Arbeit verwendete Programm zur Berechnung der Gleichge-wichtslage bietet zur Berechnung der Aktivitätskoeffizienten das Modell nach Pitzer und das Modell nach Pitzer, Debye und Hückel an. Die dargestellte Ableitung ist [41] und [67] entnommen.
Aktivitätskoeffizientenmodell nach Pitzer (Pitzer)
In Anlehnung an die bekannte Virial-Zustandsgleichung stellte Pitzer die freie Exzes-senthalpie in einer Reihenentwicklung dar.
( ) ( ) kji
i j k
ijkji
i j
mijm
LM
E
mmmmmIIfTRm
G∑∑∑∑∑ ++= µλ Gl. 65
Der erste Summand ist die Erweiterung eines Debye/Hückel-Terms und berücksich-tigt langreichweitige Wechselwirkungen. Die Funktion f(Im) wird berechnet über:
( ) ( ) ( )mm
m Ib1lnb
I4TAIf +−= Φ Gl. 66
Die Debye/Hückel-Konstante für den osmotischen Druck AΦ als Funktion der Tempe-ratur wird dabei mit folgender Näherung angegeben:
( )T
15,27395788,5815,273T0007875695,0
)15,273T(6820223,015,273
Tln5379,183
15,273
15,273Texp864468,2
15,273
15,273Texp44534,61A
22
2
+−+
−−
+
−+
−−=φ
Gl. 67
Die Anpassung gilt im Temperaturbereich 273,15 K ≤ T ≤ 623,15 K.
Der binäre Parameter λij im 2. Summanden von Gl. 65 erfasst die kurzreichweitigen Kräfte zwischen den Komponenten i und j. Für eine gute Beschreibung des realen Mischungsverhaltens müssen die Wechselwirkungen zwischen ungleichartig gelade-nen Ionen als Funktion der Ionenstärke erfasst werden. Die Wechselwirkungen der übrigen Moleküle werden durch einen konstanten Faktor berücksichtigt. Der binäre
Wechselwirkungsparameter λij(Im) wird dementsprechend aufgeteilt in:
Anhang E
143
( ) ( ) jijiji
i j
mijji
i j
mij zzzzfürmmIBmmI ⋅≠⋅=∑∑∑∑λ
(Kation-Anion)
Gl. 68a
( ) ji
i j
ijji
i j
mij mmmmI ∑∑∑∑ = Θλ
(Kation-Kation, Anion-Anion, Ion-Molekül, Molekül-Molekül)
Gl. 68b
Für die Funktion B(Im) wurde von Pitzer die folgende Gleichung als gut geeignet ermittelt:
( ) ( ) ( )[ ]∑
=
−+−+=q
1n
mnmn
m2n
)n(ij)0(
ijmij IexpI11I
2IB αα
α
ββ
Gl. 69
Hierbei handelt es sich um eine empirische Gleichung. Bei geringen Ionenstärken steigt Bij in guter Übereinstimmung mit realen Verhältnissen annähernd linear mit
mI . Angepasst an die gemessenen Verläufe mittlerer Ionenaktivitätskoeffizienten
ergeben sich standardmäßig die folgenden Werte:
standardmäßig: b = 1,2 q = 1 α1 = 2,0 α2 = 0
Elektrolyte, die in zwei zweifach geladene Ionen dissoziieren, sog. 2-2-Elektrolyte zeigen ein davon abweichen Verhalten. Dafür werden die folgenden Werte verwen-det:
2-2-Elektrolyte: b = 1,2 q = 2 α1 = 1,4 α2 = 12
Die Wechselwirkungen zwischen den Komponenten i, j und k werden durch den ternären Parameter µijk berücksichtigt. In Analogie zum binären Wechselwirkungspa-
rameter λij(Im), Gl. 68a und b, wird der ternäre Wechselwirkungsparameter µijk eben-falls für die unterschiedlichen Komponenten entsprechend berechnet:
jijijiij
i j k
kkkji
i j k
ijk zzzzfürmmCzm2
1mmm ⋅≠⋅
= ∑∑ ∑∑∑∑µ
(Kation-Anion)
Gl. 70a
Anhang E
144
kji
i j k
ijkkji
i j k
ijk mmm6
1mmm ∑∑∑∑∑∑ = Ψµ
(Kation-Kation, Anion-Anion, Ion-Molekül, Molekül-Molekül)
Gl. 70b
In fast allen Anwendungsfällen werden die Parameter Θij und Ψijk vernachlässigt. Für den Aktivitätskoeffizienten der gelösten Komponente i in der ideal verdünnten Lö-sung bei mi=1 mol/kg (Index *,m) folgt dann:
∑∑
∑∑∑ ∑ ∑
+
+
++=
∂
∂
=
j k
jkkji
j k
jkkj2i
j j
ijj
k
kkijj2i
i
E
m*,i
Cmmz2
1
'Bmmz2
1CmzmBm2'fz
2
1
n
RT
G
ln γ
Gl. 71
mit:
( )
++
+−== m
m
m
m
Ib1lnb
2
Ib1
IA2
dI
df'f φ
Gl. 72
( ) ( )[ ]
( ) ( )[ ]m2m2
m22
)2(ij
m1m1
m21
)1(ij)0(
ijij
IexpI11I
2
IexpI11I
2B
ααα
β
ααα
ββ
−+−+
−+−+=
Gl. 73
( ) ( )[ ]
( ) ( )[ ]m2m22m22
m22
)2(ij
m1m21m12
m21
)1(ij
ij
IexpI5,0I11I
2
IexpI5,0I11I
2'B
αααα
β
αααα
β
−+++−+
−+++−=
Gl. 74
ji
ij
ij
zz2
CC
φ
= Gl. 75
Anhang E
145
Der Aktivitätskoeffizient des Lösungsmittels ergibt sich zu:
( )
∑∑ ∑
∑∑
−
+−−=
i j
ijii
k
kk
i j
mijijjim0LM
LM
Cmmzm
I'BBmmfIflnM
1000 γγ
Gl. 76
Im ist hier die mit den Molalitäten berechnete und über alle Ionen aufsummierte Io-nenstärke:
∑=i
2iim zm
2
1I Gl. 77
Aktivitätskoeffizientenmodell nach Pitzer, Debye und Hückel (PDH)
Auf Basis der Debye/Hückel-Gleichung, die für den Grenzfall unendlich verdünnter Lösungen aufgestellt wurde, entwickelte Pitzer eine empirische Modifikation zur Berechnung des Ionenaktivitätskoeffizienten in verdünnten Elektrolytlösungen. Da-nach gilt für den auf die ideal verdünnte Lösung bezogenen (Index *) Aktivitätskoeffi-zienten:
( )
+
−++⋅−=
xPDH
5,1xx
2i
xPDH
PDH
2i
LM
PDH*,i
I1
I2IzI1ln
z2
M
1000Aln
ρρ
ργ φ
Gl. 78
Der Debye/Hückel-Parameter AΦ berechnet sich nach Gl. 67. Der Parameter ρPDH ist ein Maß für die Größe der Ionen und damit eine stoffspezifische Größe. Für viele
Elektrolytsysteme liefert jedoch der Wert ρPDH = 14,9 gute Ergebnisse, so dass hier
dieser Wert verwendet wird. Für die auf die Molenbrüche bezogene Ionenstärke Ix gilt:
∑=i
2iix zx
2
1I Gl. 79
Anhang F
146
Anhang F: Berechnung von Dampfdrücken
Zur Berechnung des Dampfdrucks einer Komponente bei der Temperatur T gibt es verschiedene Korrelationen. Bei allen empirischen Korrelationen sind die Gültig-keitsbereiche zu beachten.
Wagner
Die Gleichung nach Wagner ist eine rein empirische Gleichung der Form:
( ) ( ) ( ) ( )
r
6
rW
3
rW
5,1
rWrW
c
VP
T
T1DT1CT1BT1A
P
Pln
−+−+−−= Gl. 80
Aw, Bw, Cw und Dw sind stoffspezifische Parameter, die an experimentelle Sätti-gungsdampfdrücke angepasst werden. Mit der Wagner-Gleichung kann die gesamte Sättigungsdampfdruckkurve mit hoher Genauigkeit beschrieben werden [57].
Antoine
Eine ebenfalls empirische Gleichung ist die Antoine-Gleichung:
TC
BAPlog
A
AAVP10
+−= Gl. 81
Die Anpassung an experimentelle Daten erfolgt über die Konstanten AA, BA und CA. Mit nur einem Parametersatz ist es nicht möglich, die gesamte Sättigungsdampf-druckkurve mit hinreichender Genauigkeit abzubilden. Für kleinere Temperaturberei-che, für die die Konstanten bestimmt werden, ist die Antoine-Gleichung jedoch sehr gut einsetzbar [52].
Lee-Kesler
Mit Hilfe der Lee-Kesler-Gleichung wird der Sättigungsdampfdruck eines Stoffes bei der Temperatur T unter Verwendung der kritischen Temperatur und des azentri-schen Faktors ω berechnet. Die verwendeten Gleichungen sind [57]:
)1()0(
c
VP ffP
Pln ω+= Gl. 82
Anhang F
147
( ) ( )60 1693470288621096486
927145 rr
r
TTT
f ,ln,,
,)( +−−= Gl. 83
( ) ( )61 4357704721136875115
251815 rr
r
TTT
f ,ln,,
,)( +−−= Gl. 84
Frost-Kalkwarf-Thodos
Die Gleichung von Frost-Kalkwarf-Thodos berechnet den Dampfdruck iterativ ge-mäß:
2
VPFKTFKT
FKTFKTVP
T
PDTlnC
T
BAPln ⋅+⋅+−= Gl. 85
Sie findet Anwendung, wenn die Koeffizienten für die Wagner- oder die Antoine-Gleichung nicht bekannt sind.
Anhang G
148
Anhang G: Matrix der Eingabedatei im txt-Format
Beispielgas: Abgasstrom mit N2, O2, H2O, CO2 und HCl
5
H O Cl C N2
5
N2 0.4349572 0 0 0 0 1
O2 3.39219°-2 0 2 0 0 0
H2O 0.1119819 2 1 0 0 0
CO2 8.94118°-2 0 2 0 1 0
HCl 6.85721°-5 1 0 1 0 0
10
g N2 0 0 0 0 0 1
g O2 0 0 2 0 0 0
g H2O 0 2 1 0 0 0
g CO2 0 0 2 0 1 0
g HCl 0 1 0 1 0 0
l H+ 1 1 0 0 0 0
l OH- -1 1 1 0 0 0
l Cl- -1 0 0 1 0 0
l HCO3- -1 1 3 0 1 0
l CO3-- -2 0 3 0 1 0
126.2 33.9 0.039 77.4 89.8
154.6 49.8 0.021 90.2 73.4
647.3 221.2 0.344 373.2 57.1
304.1 73.8 0.239 0 93.9
324.7 83.1 0.133 188.1 80.9
-57.0686614096 0 -38.9280208 0 0 -10.434572
0 0 0 0 0 0
-228.57 0 0 -241.82 0 0
-394.359 0 -385.98 -393.509 0 -413.8
-95.299 0 -131.228 -92.307 0 -167.159
0 0 0 0 0 0
0 0 -157.24 0 0 -229.99
0 0 -131.228 0 0 -167.159
0 0 -586.77 0 0 -691.99
0 0 -527.81 0 0 -677.14
31.15 -0.01357 0.0000268 -0.00000001168 246.10624 0
28.1 -0.00000368 0.00001745 -0.00000001065 0 0
32.24 0.001924 0.00001055 -0.00003596 0 0
19.8 0.07344 -0.00005602 0.00000001715 212.0172 0
30.67 -0.007201 0.00001246 -0.000000003898 0 0
0 0 0 0 117.23 0
0 0 0 0 -238.65 0
0 0 0 0 -247.02 0
0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0
1 -6.09676 1.1367 -1.04072 -1.93306
2 31.041 1082.52 -2.761 0.265
1 -7.76451 1.45838 -2.7758 -1.23303
1 -6.95626 1.19695 -3.12614 2.99448
2 31.994 2626.67 -3.443 538
1
298 1.013 ‚Ideal’/
Anhang H
149
Anhang H: Waschwasserbilanz
In Tabelle 37 sind die Abgasdaten zusammengestellt. Die Eingabedaten sind fett hervorgehoben. Das Abgas ist im betrachteten Bilanzraum gesättigt, so dass der Wassergehalt über die Wasserdampftafel bestimmt wird. Zunächst erfolgt die Um-rechnung der Eingabedaten auf Massen- und Molenströme. Der für die Berechnung benötigte Molenstrom ist auf die Zeiteinheit Millisekunde bezogen [mol/ms].
Tabelle 37: Zusammenstellung der Gasdaten
Feed Massen- Molen- Molen- Eta Gas strom strom strom [%]
Rauchgasmenge i.N.tr m3/h 61359kgtr/h 84495
Rauchgasmenge i.N.f m3/h 70000
Rauchgasmenge i.B. m3/h 83911m3/s 23,31
RG - Temperatur grd C 50
RG - Druck abs. mbar 1000
Wassergehalt Vol - % 12,3i.N. m3/h 8640,8
kg/h 6947,2 g/h 6947203 mol/h 385613 mol/ms 1,1E-01kg/kgtr 0,1
pD mbar 123,4
Gasdichte i.N.tr kg/m3 1,377i.N.f kg/m3 1,207i.B. kg/m3 1,007
Gasbestandteile v O2 Vol-% tr 6,00 g/h 5260938 mol/h 164404,3 mol/ms 4,57E-02 v N2 Vol-% tr 78,00 g/h 59825220 mol/h 2135090 mol/ms 5,93E-01 v CO2 Vol-% tr 16,00 g/h 19409142 mol/h 441006,6 mol/ms 1,23E-01
SchadstoffeHCl mg/m³ N.tr. 600 g/h 36815,52 mol/h 1009,806 mol/ms 2,81E-04 99,00%HBr mg/m³ N.tr. 4 g/h 245,4368 mol/h 3,033529441 mol/ms 8,43E-07 99,00%HJ mg/m³ N.tr. 0,21 g/h 12,885432 mol/h 0,100739844 mol/ms 2,80E-08 99,00%SO2 mg/m³ N.tr. 250 g/h 15339,8 mol/h 239,4599 mol/ms 6,65E-05 95,00%SO3 mg/m³ N.tr. 10 g/h 613,592 mol/h 7,664152 mol/ms 2,13E-06 80,00%Hg(0) mg/m³ N.tr. 0,00 g/h 0 mol/h 0 mol/ms 0,00E+00HgCl2 mg/m³ N.tr. 0,01 g/h 0,613592 mol/h 0,00226 mol/ms 6,28E-10 98,00%
Die Gasdichte wird über die Dichten der Hauptbestandteile N2, CO2, O2 und H2O abgeschätzt. Die Schadstoffe werden nicht als Gasbestandteile sondern als Bela-dung betrachtet. Sie gehen in die Berechnung der Abgasdichte bzw. des Abgasvo-lumen-/-massenstromes nicht mit ein. Die Daten mit Bezug i.B. (in Betrieb) ermitteln sich aus dem Normzustand, z. B.:
[ ] [ ] [ ][ ]mbarp
25,1013
15,273
CT15,273h/³mVh/³mV
Betrieb
Betrieb.f.N.i
.
.B.i
. °+= Gl. 86
Anhang H
150
Zur Abschätzung der Waschwasserzusammensetzung muss für jeden Schadstoff ein Abscheidegrad über die Waschstufe festgelegt werden. Daraus berechnet sich die im Wäscherwasser zu berücksichtigende Schadstofffracht.
Wird Kalkmilch als Neutralisationsmittel eingesetzt, liegen der Bilanz die folgenden Bruttoreaktionen in der flüssigen Phase zugrunde:
Ca(OH)2 + SO2 + ½ O2 � CaSO4 + H2O Gl. 87
Ca(OH)2 + SO2 + ½ O2 + H2O � (CaSO4 · 2 H2O)(s) (Gips) Gl. 88
Ca(OH)2 + 2 HCl � 2 H2O + CaCl2 Gl. 89
Tabelle 38 zeigt die wesentlichen Bestandteile des Waschwassers mit Kalkmilch als Neutralisationsmittel:
Tabelle 38: Waschwasserzusammensetzung mit Ca(OH)2 als Neutralisationsmittel
Dichte g/l 1100 DurchsatzChlorid bez.Summe 15,0% l/ms 4,97E-05
Gips bez.Summe 20,2% Faktor bez. L/GCaCl2 bez. Summe 23% 81,81
L(CaSO4) g/l 2 AngabenpH 1,00 bez. L/G
H2O g/ms 4,78E-02 mol/ms 2,66E-03 1,40E-01davon Reaktions-H2O g/ms 5,07E-03 mol/ms 2,82E-04 1,48E-02
Hydrat-H2O g/ms 5,09E-04 mol/ms 2,83E-05 1,49E-03Verbrauch O2 g/ms 2,13E-04 mol/ms 6,65E-06 3,50E-04
HCl g/ms 4,33E-04 mol/ms 1,19E-05 6,25E-04HBr g/ms 2,88E-06 mol/ms 3,57E-08 1,88E-06HJ g/ms 1,51E-07 mol/ms 1,18E-09 6,24E-08
CaCl2 g/ms 1,48E-02 mol/ms 1,33E-04 7,00E-03CaBr2 g/ms 4,87E-05 mol/ms 3,99E-07 2,10E-05
CaJ2 g/ms 3,90E-06 mol/ms 1,33E-08 6,98E-07CaSO4 (l) g/ms 1,19E-04 mol/ms 8,76E-07 4,62E-05
HgCl2 g/ms 1,53E-07 mol/ms 5,65E-10 2,98E-08
davon Chloride g/ms 9,84E-03 mol/ms 2,78E-04 1,46E-02Bromide g/ms 2,96E-05 mol/ms 8,34E-07 4,39E-05
Jodide g/ms 9,82E-07 mol/ms 2,77E-08 1,46E-06
Summe Liquid g/ms 6,32E-02
Gips g/ms 2,43E-03 mol/ms 1,41E-05 7,44E-04
Summe g/ms 6,56E-02
Ca(OH)2 g/ms 1,10,E-02 mol/ms 1,48E-04 7,81E-03
Anhang H
151
Für die Berechnung wurden die folgenden Annahmen getroffen:
• Das Verhältnis zwischen der durch den Wäscher strömenden Abgasmenge und der im Kreislauf gepumpten Waschwassermenge L/G in [l/m³] wird im nachfolgend aufgeführten Berechnungsbeispiel mit 6 l/m³ festgelegt.
• Zur Berechnung der Abflutmenge wird als Regelkriterium eine Chloridkonzentra-tion von 15 Gew.% vorgegeben.
• Der pH-Wert wird auf einen Wert von 1 berechnet.
• Die Dichte des Waschwassers wird mit 1100 g/l abgeschätzt.
Wird als Neutralisationsmittel Natronlauge eingesetzt, müssen die folgenden Reakti-onen berücksichtigt werden:
2 NaOH + SO2 + ½ O2 � Na2SO4 + H2O Gl. 90
NaOH + HCl � NaCl + H2O Gl. 91
Als betriebliche Regelgrößen werden berücksichtigt, z. B.:
• Das Verhältnis zwischen der durch den Wäscher strömenden Abgasmenge und der im Kreislauf gepumpten Waschwassermenge L/G in [l/m³] wird im nachfolgend aufgeführten Berechnungsbeispiel mit 6 l/m³ festgelegt.
• Zur Berechnung der Abflutmenge wird als Regelkriterium eine Natriumsulfatkon-zentration von 5 Gew.% vorgegeben.
• Der pH-Wert wird auf einen Wert von 1 berechnet.
• Die Dichte des Waschwassers wird mit 1010 g/l abgeschätzt.
Tabelle 39 zeigt die Bilanzierung des Waschwassers mit Natronlauge als Neutralisia-tionsmittel:
Anhang H
152
Tabelle 39: Waschwasserzusammensetzung mit NaOH als Neutralisationsmittel
Dichte g/l g/l 1.010 DurchsatzNa2SO4 bez. Summe 5,0% l/ms 1,83E-04
Faktor bez. L/G15,51
AngabenpH 1,0 bez. L/G
H2O g/ms 1,45E-02 mol/ms 8,05E-04 1,40E-01davon Reaktions-H2O g/ms 5,13E-03 mol/ms 2,85E-04 4,94E-02
Verbrauch O2 g/ms 2,40E-04 mol/ms 7,50E-06 1,30E-03
HCl g/ms 3,28E-04 mol/ms 9,00E-06 1,56E-03HBr g/ms 0,00E+00 mol/ms 2,70E-08 4,69E-06HJ g/ms 0,00E+00 mol/ms 8,97E-10 1,56E-07
NaCl g/ms 1,57E-02 mol/ms 2,69E-04 4,67E-02NaBr g/ms 8,31E-05 mol/ms 8,07E-07 1,40E-04NaJ g/ms 4,02E-06 mol/ms 2,68E-08 4,66E-06
Na2SO4 g/ms 2,13E-03 mol/ms 1,50E-05 2,61E-03HgCl2 g/ms 1,53E-07 mol/ms 5,65E-10 9,81E-08
davon Chloride g/ms 9,84E-03 mol/ms 2,78E-04 4,82E-02Bromide g/ms 2,96E-05 mol/ms 8,34E-07 1,45E-04
Jodide g/ms 9,82E-07 mol/ms 2,77E-08 4,81E-06
Summe g/ms 4,26E-02
NaOH g/h 1,20E-02 mol/h 3,00E-04 5,20E-02
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