zetapotentialmessungen in der papierindustrie – neuere meßmethoden und anwendungen

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Act. Polymerica 31 (1980) Hmft 0 504 BECK, MULLER und RO~OFF: Zetapotentialmessungen in der Papierindustrie - Neuere MeBmethoden und Anwendungen Zetapotentialmessungen in der Papierindustrie - Neuere Mesmethoden und Anwendungen') U. BECK, F. MWLLER und E. ROHLOFF Bayer AC, Farben-Anwendungstechnik/Papier D-5090 Leverkusen-Bayerwerk, Zunachst wird der Stand der Entwicklung fur eine automatische Stromungspotential-Apparatur und eine prrxis- gerechte Ultraschall-Elektrophorese-Apparatur geschildert. Bei der zweiten Methode erschwert hoher Elektrolytgehalt die Anwendung an einer Papiermaschine. Mogliche Auswege werden noch erprobt. Im Labor hat diese Methode jedoch schon vielfaltige Anwendungen ermoglicht, wie z. B. bei Untersuchungen uber die Wirkungsweise von Retentions- mitteln, den EinfluB von Storsubstanzen und die Fullstoff-Aktivierung. NaMepenw yema-nomenyuam e 6y~umcnoiZ npomacuucennocmu - noeeiZuue UaMepumeAbnue Memo& u ux npu- xenenue Horo AJ~R npaKTaKw npw6opa AIR aaewpo@opeaa non ReffcTsueM ynbTpaasyKa. B nocnewenr ciyrae emorroe conepHcaHae anemponmoe aaTpyRHReT n p m e n e m e aTOrO npu6opa Ha 6yMCU'OHeJIaTeJIbHOft Mamme. nponon- Hcam HabIcwieaTb nyTn wa6e~anw~ aTnx aaTpynHeHuff. B na60pa~opHo~ ~acm~a6e HaHHblti MeTon onpaBnan ce61-4 yme BO morwx CnpaRx, Hanpmep, npu aayqeHm MexaHnaMa ReftCTBUri Bogoyaepmweamluax cpencTa, BJIHR- HHR Memamunix Beluecm w amuBaqww HanonHwTeneft . Zeta-potential measurements in the paper industry - Novel methods and applications At first a short review is given with respect to an automatic streaming potential measurement and to the ultrasonic vibration potential method. The ultrasonic vibration method has advantages but the main barrier to a direct appli- cation in a mill is the influence of a great electrolyte concentration. A solution of this problem is of interest. Useful applications of this method in the laboratory are described: basic research with ionic polymers, measurements to the influence of disturbing substances, filler preflocculation. OnMCblBaeTCR COCTORHBe paapa60T~w npa6opa HJIR aBTOMaTKYeCKOl'0 HaMepeHKR llOTeHqUaJla B nOTOKe H npuroJ(- 1. Einleitung Zetapotentialmessungen haben in der Papierindustrie in den vergangenen 10 Jahren eine bewegte Entwicklung durch- laufen: Nach der Befriedigung uber erste meStechnische Erfolge wuchs der Glaube an das ,,alles-kiinnende Zetapotential" zu stapk an. Diese ubertriebene Zuversicht sank wieder ab, als man feststellte, daB weiterfuhrende meBtechnische Neue- rungen nur schwer zu erreichen waren. Heute sind wir bei einer relativ nuchternen Einschatzung der Zetapotential-Messung angelangt [l]. Das Zetapotential kann als eine weitere MeBgroBe betrachtet werden, mit der verschiedene ladungsbestimmte Vorgange bei der Papierherstellung erkannt und optimiert werden konnen [2]. Die Bedeutung des Zetapotentials ist eng mit der Ein- deutigkeit oder Dominanz von Ladungseffekten in der Zell- stoff-Suspension oder in Dispersionen - z. B. Streichfarben - verknupft. Somit ist das Zetapotential nur bei wenigen Systemen die dominierende RichtgroBe; es kann aber haufig nutzliche Hinweise bei Optimierungsproblemen liefern. Dazu werden in diesem Artikel einige Beispiele gebracht. Stopfen. Dann wird, iiber ein Zeitrelais gesteuert, ab- wechselnd Druck auf die beiden Wassersaulen gegeben und dabei das Potential zwischen den Elektroden regi- striert. Nach ca. 3 min wird der Stopfen rnit Wasser zwi- schen den Elektroden herausgespiilt. AnschlieBend beginnt ein neuer MeSzyklus. Die Potential-Werte sind reproduzierbar. Jedoch dauert ein vollstandiger Zyklus vorerst noch 18min. Eine Ver- kiirzung dieser Zeit auf ca. 10 min ist unser Ziel. Es lieBe sich zwar eine weitaus kiirzere Zeit fur die Stopfen-Bildung erreichen, jedoch fiihrt das zu Problemen bei der Elek- troden-Anordnung und der Potential-Messung. 2. MePmethoden Zur Erfassung des Zetapotentials haben wir uns im wesentlichen rnit der Stromungspotential-Methode und mit der Ultraschall-Elektrophorese befalt. Die Stromungs- potential-Methode hat bekanntlich den Vorteil, daB man direkt die Zellstoffsuspension untersuchen kann. Jedoch muB man einen Stopfen bilden. Dies ist ein Nachteil, da es noch keine Apparatur gibt, die einen Stopfen auto- matisch in kurzer Zeit bildet und das MeSprinzip bei- behalt. Wir selbst sind diesem Ziel niiher gekommen. Bild 1 zeigt eine Prinzipskizze einer automatisierten Stromungspotential-Methode. Man liiSt die Zellstoff- suspension iiber das Ventil 1 in die Apparatur einstromen und saugt dabei das Wasser durch die Sieb-Elektroden hindurch. Es bildet sich innerhalb von ca. 10min ein 1) Vortrag auf dem Symposium ,,Elektrokinetische Erschei- nungen" am 8. und 9. November 1979 in Dresden/DDR Bild 1. Schematischc Skizze einer automatischen Strcmungs- potential-Apparatur. E - Sieb-Elektrodc, G - Glasrohr, S - Stopfen, I bis 6 - Steuerventile

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Page 1: Zetapotentialmessungen in der Papierindustrie – Neuere Meßmethoden und Anwendungen

Act. Polymerica 31 (1980) Hmft 0

504 BECK, MULLER und R O ~ O F F : Zetapotentialmessungen in der Papierindustrie - Neuere MeBmethoden und Anwendungen

Zetapotentialmessungen in der Papierindustrie - Neuere Mesmethoden und Anwendungen') U. BECK, F. MWLLER und E. ROHLOFF Bayer AC, Farben-Anwendungstechnik/Papier D-5090 Leverkusen-Bayerwerk,

Zunachst wird der Stand der Entwicklung fur eine automatische Stromungspotential-Apparatur und eine prrxis- gerechte Ultraschall-Elektrophorese-Apparatur geschildert. Bei der zweiten Methode erschwert hoher Elektrolytgehalt die Anwendung an einer Papiermaschine. Mogliche Auswege werden noch erprobt. Im Labor hat diese Methode jedoch schon vielfaltige Anwendungen ermoglicht, wie z. B. bei Untersuchungen uber die Wirkungsweise von Retentions- mitteln, den EinfluB von Storsubstanzen und die Fullstoff-Aktivierung.

NaMepenw yema-nomenyuam e 6y~umcnoiZ npomacuucennocmu - noeeiZuue UaMepumeAbnue Memo& u ux npu- xenenue

Horo A J ~ R npaKTaKw npw6opa AIR aaewpo@opeaa non ReffcTsueM ynbTpaasyKa. B nocnewenr ciyrae emorroe conepHcaHae anemponmoe aaTpyRHReT npmeneme aTOrO npu6opa H a 6yMCU'OHeJIaTeJIbHOft Mamme. nponon- Hcam HabIcwieaTb nyTn w a 6 e ~ a n w ~ aTnx aaTpynHeHuff. B na60pa~opHo~ ~ a c m ~ a 6 e HaHHblti MeTon onpaBnan ce61-4 yme BO morwx CnpaRx, Hanpmep, npu aayqeHm MexaHnaMa ReftCTBUri Bogoyaepmweamluax cpencTa, BJIHR- HHR Memamunix Beluecm w amuBaqww HanonHwTeneft . Zeta-potential measurements in the paper industry - Novel methods and applications A t first a short review is given with respect to an automatic streaming potential measurement and to the ultrasonic vibration potential method. The ultrasonic vibration method has advantages but the main barrier to a direct appli- cation in a mill is the influence of a great electrolyte concentration. A solution of this problem is of interest. Useful applications of this method in the laboratory are described: basic research with ionic polymers, measurements to the influence of disturbing substances, filler preflocculation.

OnMCblBaeTCR COCTORHBe paapa60T~w npa6opa HJIR aBTOMaTKYeCKOl'0 HaMepeHKR llOTeHqUaJla B nOTOKe H npuroJ(-

1. Einleitung

Zetapotentialmessungen haben in der Papierindustrie in den vergangenen 10 Jahren eine bewegte Entwicklung durch- laufen: Nach der Befriedigung uber erste meStechnische Erfolge wuchs der Glaube an das ,,alles-kiinnende Zetapotential" zu stapk an. Diese ubertriebene Zuversicht sank wieder ab, als man feststellte, daB weiterfuhrende meBtechnische Neue- rungen nur schwer zu erreichen waren. Heute sind wir bei einer relativ nuchternen Einschatzung der Zetapotential-Messung angelangt [l].

Das Zetapotential kann als eine weitere MeBgroBe betrachtet werden, mit der verschiedene ladungsbestimmte Vorgange bei der Papierherstellung erkannt und optimiert werden konnen [2]. Die Bedeutung des Zetapotentials ist eng mit der Ein- deutigkeit oder Dominanz von Ladungseffekten in der Zell- stoff-Suspension oder in Dispersionen - z. B. Streichfarben - verknupft. Somit ist das Zetapotential nur bei wenigen Systemen die dominierende RichtgroBe; es kann aber haufig nutzliche Hinweise bei Optimierungsproblemen liefern. Dazu werden in diesem Artikel einige Beispiele gebracht.

Stopfen. Dann wird, iiber ein Zeitrelais gesteuert, ab- wechselnd Druck auf die beiden Wassersaulen gegeben und dabei das Potential zwischen den Elektroden regi- striert. Nach ca. 3 min wird der Stopfen rnit Wasser zwi- schen den Elektroden herausgespiilt. AnschlieBend beginnt ein neuer MeSzyklus.

Die Potential-Werte sind reproduzierbar. Jedoch dauert ein vollstandiger Zyklus vorerst noch 18min. Eine Ver- kiirzung dieser Zeit auf ca. 10 min ist unser Ziel. Es lieBe sich zwar eine weitaus kiirzere Zeit fur die Stopfen-Bildung erreichen, jedoch fiihrt das zu Problemen bei der Elek- troden-Anordnung und der Potential-Messung.

2. MePmethoden

Zur Erfassung des Zetapotentials haben wir uns im wesentlichen rnit der Stromungspotential-Methode und mit der Ultraschall-Elektrophorese befalt. Die Stromungs- potential-Methode ha t bekanntlich den Vorteil, daB man direkt die Zellstoffsuspension untersuchen kann. Jedoch muB man einen Stopfen bilden. Dies ist ein Nachteil, da es noch keine Apparatur gibt, die einen Stopfen auto- matisch in kurzer Zeit bildet und das MeSprinzip bei- behalt. Wir selbst sind diesem Ziel niiher gekommen. Bild 1 zeigt eine Prinzipskizze einer automatisierten Stromungspotential-Methode. Man liiSt die Zellstoff- suspension iiber das Ventil 1 in die Apparatur einstromen und saugt dabei das Wasser durch die Sieb-Elektroden hindurch. Es bildet sich innerhalb von ca. 10min ein

1) Vortrag auf dem Symposium ,,Elektrokinetische Erschei- nungen" am 8. und 9. November 1979 in Dresden/DDR

Bild 1. Schematischc Skizze einer automatischen Strcmungs- potential-Apparatur. E - Sieb-Elektrodc, G - Glasrohr,

S - Stopfen, I bis 6 - Steuerventile

Page 2: Zetapotentialmessungen in der Papierindustrie – Neuere Meßmethoden und Anwendungen

BECK, MULLER und ROHLOFF: Zetapotentialmessungen in der Papierindustrie - Neuere MeSmethoden und Anwendungen

Act. Polymeria 31 (lm) Heft 8 505

Wirksubstanz 402 0,06 % 91

1 I 1 7 - 0

Tabelle 2. Anwendungsmoglichkeiten der Ullraaehull- Elektrophorese

MeSobjekt I ZielKr8Se bez. Ladungseffekte

f g N Avicel 70% Clar

-4 t PH *S8

0 s

arb/. Zfilsloff 20% Clay pH = $9

f ru 40

201 1

0 40 2 $06 % 41

Bild 2. Zetapotential, Flockung und Entwasserung mit Poly- acrylamiden (PAA). (MW - mittlere Molmasse; CHW - Ladungsaquivalentgewicht, Molmasse von 1 Ladungseinheit). Fraktion 1: rel. MW 3, CHW = 300; Fraktion 2: rel. MW

0,8, CHW = 340

Wirksubstanz

Tabelle 1. UltraaehulEElektrophorese

Vorteile I Nachteile

MeSmoglichkeit an Polyelektrolyten alleine, Feststoffen bis zu ca. 2 mm.

Festatoff-Konzentration bis ca.

MeSwerterfassung unmittelbar, Messung kontinuierlich mcglich,

1 %.

~

Vorzeichen des Potentials nicht direkt ersichtlich, Elektrolyte storen Poly- mereffekte

Die Vor- und Nachteile der zweiten MeBmethode, der Ultraschall-Elektrophorese, sind in der Tabelle 1 auf- gefuhrt [3]. Die wesentlichen Vorteile sind: schnelle und kontinuierliche MeBmijglichkeit an kolloidalen Teilchen bis hin zu Fasern. Der wesentlichste Nachteil dieser Methode liegt darin, daB man nicht nur die Potentialwerte an Fest- stoffen, wie Fasern oder Fullstoffen, erfallt, sondern auch Potentialwerte von Elektrolyten. Dies fuhrt bei hoherem Elektrolytgehalt zu einer Dominanz des Elektrolytsignals. Dadurch wiederum geht die Information uber den EinfluB geladener, synthetischer Polymere, wie zum Beispiel Retentionsmittel, verloren. Ob eine geeignete Verdunnung hierbei einen Ausweg bietet, ist noch ungeklart.

Trotz dieses Nachteils hat uns diese Methode bei der Beantwortung pundsatzlicher Fragen und bei der Unter- suchung von Praxisproblemen wertvolle Hilfe geleistet. Im folgenden werden d a m einige Beispiele gebracht.

3. Anwendungen der Ultrmchnll- Elektrophorese

Die miiglichen Anwendungsfalle uberstreichen eine sehr groBe Palette, wie Tabelle 2 wiedergibt.

Pigment-Farbstoff Dispersionsfarbstoff

Latex

Zellstoff Fullstoff

Synth. Hilfsmittel

Storstoffe

FormierungseinfluS Stabilitat der Farbpaste oder der Dispersion Oberflachenladungen, Wechselwirkung mit Fullstoffen, Stabilitat einer Streichfarbe Ladungsstarke, Hilfsmittelverbrauch Ladungsstarke, pH-Abhangigkeit, Hilfsmittelverbrauch, Flockung Zellstoff/Fullstoff, Ladungsstarke, Umladungseffektivitat Blockierungseffekt fur Hilfsmittel

3.1. EinfluP yon rel. Molmasse und Ladungsstcirke der Hilfsmittel

Wie aus zahlreichen Untersuchungen deutlich geworden ist, laBt sich die Retentions- bzw. Flockungswirkung von synthetischen Polymeren mit Hilfe der Mosaikhaftung oder Briickenbildung deuten [4]. Diese Effekte sind letztlich Folgen der Molmassenverteilung und der Ladungsstarke (ausgedriickt als Molmasse von 1 Ladungseinheit oder als charge weight, CHW).

Kationische Polyacrylamide flocken im wesentlichen uber Briickenbildung. Ihre relativ schwache Ladung hat nur sekundaren EinfluB auf ihre Wirkung als Retentions- und Entwasserungs-Hilfsmittel. Bild 2 zeigt hierzu einen Vergleich zwischen einem hochmolekularen und einem niedermolekularen Polyacrylamid bezuglich Zetapotential, Flockung und Entwasserung. Das niedermolekulare Poly- mer wurde durch Zerschlagen der Ketten des hochmoleku- laren Polymers erhalten. Die Anderung der Kettenlange hat nur wenig EinfluB auf die Umladung, da offensichtlich noch immer eine Briickenbildung bei der Zellstoff/Fiillstoff-

-3 r

geN Zellslolf 70% Clay pH 5.8

20 I I I I I -L 0 0,OZ 406 % 41

Wirksubstanz

Bild 3. Zetapotential, Flockung und Entwasserung mit Poly- ethyleniminen (PEI). Fraktion 1: rrl. MW 1,6, CHW = 170; Fraktion 2: rel. MW 0,6, CHW = 150; Fraktion 3: rcl. MW

0,1, CHW = 130

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Act. Polymmria 31 (19W) Heft 8

506 BECK, MULLER und ROHLOFF: Zetapotentialmessungen in der Papierindustrie - Neuere MeBmethoden und Anwendungen

' O t \ \ on Storstoffe gebunden

\

0 92 46 0,6 K 98 Wirksubstonz PEI

Bild 4. Verbrauch an Retentionsmittel durch Adsorption an Holzschliff und an Stiirstoffen

Anlagerung uberwiegt. Allerdings ist die Flockungsstarke deutlich zuruckgegangen. Die veranderte Flockenstruktur, die weniger poros ist, reduziert die Entwasserungsgeschwin- digkeit.

Wenn man nun ahnliche Betrachtungen bei einem Mosaikbildner, z. B. einem Polyethylenimin, durchfuhrt, dann erkennt man einen viel starkeren EinfluD von Mol- masse und Ladungsstarke. Bild 3 zeigt ein Beispiel. Die niedermolekularen Anteile laden zwar starker bzw. effek- tiver um, jedoch ergeben sie bei der Flockung eine viel ungunstigere Struktur. Sie wirken in dieser Hinsicht wie ein Salz, wie zum Beispiel Alaun, und fuhren somit zu einer relativ schlechten Entwasserung. Wenn man dies- bezugliche Untersuchungen noch bei verschiedenen pH- Werten durchfuhrt, stellt man fest, daB fur Mosaikbildner eine optimale Wirkung nur bei geeigneter Abstimmung von Molmasse und Ladungsstarke erreicht werden kann. Zetapotential-Messungen geben fur die Beziehung zwischen Molmasse, Ladungsstarke und Umladungseffektivitat wich- tige Hinweise.

Tabelle 3. Sliirstoffe fur Retentions- und Eniwa"sserungshilfsmitte1

anionisch

Extraktstoffe aus Holz hltpapier Halbzellstoff Zellstoff gestrjchenem AusschuB

Wasserglas Huminslure, Saftbraun Salz-Ionen (z. B. Sulfat-Ionen) Hiiisnii tte!

nichtionisch

Detergentien Dispergier- mittel

kationisch

Al-Ionen Hilfsmittel

3.2. Einflua von Sliirstoffen auf die Hilfsmittelwirkung

Die Wirkung von Retentions-, Entwasserungs- und NaDfest-Hilfsmitteln kann durch geladene Substanzen beeintrachtigt werden. Ob ein ladungsbedingter EinfluS vorliegt, wie stark er ist und ob es geeignete GegenmaD- nahmen gibt, kann man haufig mit einer Zetapotential- hiessung untersuchen.

Zu den Stiirstoffen im weitesten Sinne gehoren nicht nur die in Tabelle 3 genannten Substanzen, sondern unter Umstanden auch ionische Farbstoffe.

Den EinfluD der Storstoffe kann man zum Teil durch geeignete Zusatzstoffe oder verfahrenstechnische h d e - rungen vermindern, zum Teil aber ist es notig, geeignete Typen synthetischer Retentionsmittel auszusuchen und die Reihenfolge der Zugabe zu variieren [5]. Eine starke Beeintrachtigung der Retentionsmittel-Wirkung durch anionische Storsubstanzen ist zum Beispiel bei Holzschliff bekannt.

Bild 4 zeigt den erhohten Verbrauch eines Hilfsmittels durch teilweise Adsorption an den Storsubstanzen. Ent- sprechend sinkt die Umladungseffektivitat der kationi- schen Hilfsmittel. Bild 5 gibt wieder, inwieweit die anioni- sche Ladung des Holzschliff/Sulfatzellstoff-Gemisches durch ein Retentions- und ein NaSfestmittel kompensiert werden kann. Das niedermolekulare NaDfestmittel wirkt in der ,,ungewaschenen" Suspension wenig effektiv. Sobald man die gelosten Storsubstanzen herauswascht, nimmt die Umladungseffektivitat deutlich zu. Aus solchen Vergleichs- messungen kann man die Fracht an Storstoffen fur ver- schiedene Zellstoff- und Holzschliff-Arten bestimmen und geeignete, d. h. wenig storanfallige Hilfsmittel aus- suchen.

Bild 6 zeigt hierzu als Erganzung den negativen EinfluB von storstoff-reichem Schleifereirfickwasser. Oftmals er- weisen sich in solchen Systemen hohermolekulare Hilfs-

Wirksubstanz 002 0.06 % 0.1

70% Holzschliff 30% ungebl. Sulfotallsfoff

pH - 4,s SO'SR - 1,s 95% Aloun

0.02 0.06 x 0.1

- 1,5 I Rild 5. Umladungswirkung mit und ohne Storstoffe. a) nicht

ausgewaschen, b) ausgewaschen

Page 4: Zetapotentialmessungen in der Papierindustrie – Neuere Meßmethoden und Anwendungen

BECK, MULLEB und ROHLOFF: Zetapotentialmessungen in der Papierindustrie - Neuere MeOmethoden und Anwendungen

- 0,294 PAA O , l % PAA O, l% PAA O, l% PAA

Actr Polyrnerica 31 (IPW) Haft 0

507

0,2% PAA + - - + - O, l% PAA + - + - 0,2% PEI + + +t 0,2% FM + - + + +

- - - -

I Avicel la// pH = S,S

rnit Klarwasser

E! P L

I

a02 404 906 908 % 0,l PEI

-24-

Bild 6. EinfluD von Schleifereiriickwasser auf Flockung und Umladung

mittel oder ein Dualsystem aus kationischen und anioni- schen Polymeren als weniger storanfallig.

Ionische Farbstoffe konnen manchmal die vollstandige oder gleichmaDige Adsorption von Retentions- und Ent- wasserungshilfsmitteln behindern. Dadurch kann zum Beispiel die Entwasserungsfahigkeit auf dem Maschinen- sieb deutlich zuruckgehen. Ein Beispiel zeigt Bild 7. Je mehr ein kationischer, substantiver Farbstoff (direct blue 140) zugegeben wurde, desto schlechter wurde die Ent- wasserung. Bei diesem Praxisfall waren ursprunglich 2% Farbstoff und 0,2% eines stark kationischen Entwas- serungshilfsmittels eingesetzt worden. Beide zusammen er- gaben trotz einer gegenseitigen Blockierung eine zu starke Kompensierung der Faserladung (vgl. Bilder 7 und 8). Es traten Redispergierungseffekte auf, die zu verschlech- terter Entwasserung und zu maDiger Farbstoffadsorption fuhrten. Das Problem entstand dadurch, daD der Blau- Farbstoff (Salz eines Kupferphtalocyanins) relativ hoch- molekular war und relativ vie1 basische Stellen enthielt.

d Bild 7. EinfluO eines basischen Farbstoffs auf Entwasserung

und Zetapotential von gebleichtem Zellstoff

Tabelle 4. Vergleich der Hilfsmiitelwirkung auf Urnladung, Aufziehverhulien und Entwcisserung

Zugabe 1 nach I Um- I Aufzieh- I Zugabe vor ladung verhalten 2:;- Farbstoff Farbstoff

Er adsorbierte relativ gut an gebleichtem Zellstoff und machte dadurch dem kationischen Polymer Adsorptions- platze streitig. Ein vollstandiger Austausch des kationi- schen Polymers war nicht mbglich, da es bei relativ ge- ringen Materialkosten gute Trockenfestigkeiten des Papiers ergab. Der Farbstoff wiederum sollte wegen seines speziel- len Farbtons und der guten Ausblutechtheit genommen werden. Somit blieb nur der Ausweg, die Einsatzmenge des kationischen Polymers (PAA) zu reduzieren und statt- dessen noch ein anderes, nicht so stark geladenes Ent- wasserungshilfsmittel einzusetzen.

Mittels Zetapotential-Messungen (Ultraschall-Elektro- phorese) konnten verschiedene Polymere rnit hoher (PE I) und niedriger (FM) Molmasse bezuglich ihrer Ladungs- wirkung gepruft werden (siehe Bild 8). Diese Messungen halfen, unsinnige Hilfsmittel-Kombinationen rnit zu hoher oder zu geringer Umladungswirkung auszuschlieaen und geeignete Zugabefolgen herauszufinden. Entwasserungs- versuche rnit einer spektralphotometrischen Analyse des Filtratwassers lieferten anschlieflend Informationen uber die Entwasserung und uber das Aufziehverhalten des Farbstoffs.

Reprasentative Ergebnisse sind in Tabelle 4 aufgelistet. Die Zugabe der urspriinglichen Menge des kationischen Polyacrylamids (PAA) vor der Farbstoffzugabe verbesserte offensichtlich die Farbausbeute, ergab aber letztlich eine zu schwache Kompensierung der Faserladung. Uni einen KompromiS in Umladung und Farbausbeute zu erreichen, wurden dann nur O,l% PAA vorgelegt und verschiedene Polymermengen noch nach der Farbstoffzugabe zugesetzt.

Wie Tabelle 4 zeigt, konnte keine ideale Kombination gefunden werden, bei der die Farbausbeute und die Ent- wasserung optimale Werte hatten. Jedoch ermoglichte

I PAA 1

.vv

0 Handelswore

Bild 8. Umladungswirkung verschiedener kationischer Polymerc (Polyacrylamid, Polyethylenimin, niedermolekulares Fixier-

mittel)

Page 5: Zetapotentialmessungen in der Papierindustrie – Neuere Meßmethoden und Anwendungen

Act. Polymarica 31 (19W) Heft 8 508 BECK, MULLEB und ROHL~BB: Zetapotentialmessungen in der Papierindustrie -

Neuere MeSmethoden und Anwendungen

-6 I pH = 1

Wirksubs?anz I

$ 1 % 92 I I

Bild 9. Veranderung der Umladungswirkung durch Aktivierung des Fulletoffes. 1 : rel. MW 0,2, CHW = 200; 2 : rel. MW 0,Ol.

CHW = 300

die Zugabe des relativ hochmolekularen PE I eine hinrei- chend hohe Farbstoff-.4dsorption bei optimalen Ent- wasserungswerten. Fur diesen Praxisfall war die gute Entwasserung und damit die hohe Produktionsgeschwin- digkeit wertvoller als eine eventuell hbhere Farbstoff- Ausbeute. Die Zetapotential-Messungen hatten bei der Vorauswahl sehr schnell geeignete Hilfsmittel und eine geeignete Zugabefolge herausfinden lassen.

3.3. Fullstoff-Akliuierung

Ein hoher Fullstoff-Anteil begunstigt die WeiSe, Glatte und Opazitat von Druckpapieren. Jedoch sinken Fiillstoff- Retention und Papierfestigkeit bei steigendem Fullstoff- Eintrag. Aus diesen wirtschaftlichen und papiertechnischen Grunden wird verstarkt versucht, die eingetragene Full- stoffmenge moglichst gut zu retendieren, ohne die Papier- festigkeit zu vermindern. Hierzu gibt es zwei Wege: Ent- weder man flockt den Fullstoff stark vor, bevor er zu der Zellstoff-Suspension gegeben wird, oder man dotiert ihn nur rnit wenig hochmolekularen Polymeren, um die An- lagerung an die Fasern zu erhohen, ohne die Moglichkeit der Faser-Faser-Bindung wesentlich zu beeintrachtigen [6]. Der zweite Weg, die sogenannte Fullstoff-Aktivierung, fuhrt zu einer gleichmaDigeren Blattbildung, die von Scherkraften wenig beeinfluh wird.

Da es bei diesem Verfahren darum geht, eine moglichst effektive bzw. geeignete Kompensierung der Fiillstoff- und Faserladungen zu erreichen, konnen Zetapotential- Messungen im Labor die Auswahl geeigneter Polymere erleichtern und helfen, gunstige Zugabefolgen zu ermitteln. Bild 9 zeigt hierzu ein Beispiel. Es wurden zwei verschie- dene kationische Polymere zugegeben (Typ PEI), die sich in der Ladung (CHW) und der mittleren Molmasse unterschieden. Bei der ublichen Zugabefolge (Zellstoff- Clay-Polymer) lieBen sich nur geringe Unterschiede in der Umladungswirkung erkennen. Sofern man aber den Clay

erreichte man mit dem hochmolekularen Produkt eine wesentlich effektivere Ladungskompensierung. Weitere Versuche hierzu zeigten, daD solche Effekte insbesondere bei hohermolekularen, nicht zu stark kationischen Poly- meren moglich sind.

Um fur einen Praxisfall entsprechende Moglichkeiten zu untersuchen, wurde die Fullstoff-Aktivierung zum einen mit einem Polyamidamin (PAAM) und zum anderen mit einem kationischen Polyacrylamid (PAA) durchgefuhrt. Bild 10 zeigt die Ergebnisse fur die Ladungskompensierung (Zetapotential) und fur die relative Flockungstendenz bzw. FlockengoSe. Die Aktivierung rnit einer bestimmten Menge eines Polyacrylamids fuhrt zu einem deutlich weniger negativen Zetapotential und starkerer Flockung. Allerdings kann bei einer zu hohen Zugabe der Basis- komponente (PAAM) eine Redispergierung und somit ein Ruckgang in der Flockung auftreten. Eine verbesserte Flockung sollte schlieBlich zu einer besseren Fullstoff- Retention fuhren.

Im Bild 11 ist fur ein Praxissystem aus gebleichtem Zellstoff und Clay die Fullstoff-Retention und das Ent- wasserungsverhalten fur die verschiedenen Polymer- Zusatze wiedergegeben. Aus verschiedenen weiterfuhrenden Untersuchungen ergab sich, daB die rnit @Avicel gefundenen Ladungs- und Flockungseffekte in gleicher Weise bei dem Sulfitzellstoff-System auftraten. Offensichtlich fuhrt die veranderte Ladungskompensierung und die vorab rnit Polymer bedeckte Fullstoff-Oberflache zu einer verstarkten Flockung und schlieDlich zu einer deutlich verbesserten Retention. Die Entwasserung wurde durch die geanderte Flockenstruktur ebenfalls verbessert.

Hierbei zeigte sich ein oftmals anzutreffender Unter- schied. Das Polyacrylamid-haltige System flockt relativ stark, jedoch steigt die Entwasserung bei hoheren PAAM- Zusatzen nicht mehr. Das ,,reine" PAAM-System dagegen

Wirksubstonz PAAM 0,06 % o,l

I I

-6 30% Cloy v pH = $8

I Clay + Iellstoff + 1 / 1 PA A n 7 Clay + I/3PLAM 2eUsroff +7/3PAAM 3. Clef aON% FAA +Ie//sroff + V ~ P A I M c -6

0 $02 0,06 % 0,l Wirksubstonz PAAM

Bild 10. EinfluB der Fullstoff-Aktivierunr auf Flockunz t und 0 0

mit einem Drittel der gesamten Polymermenge aktivierte, Zetapotential

Page 6: Zetapotentialmessungen in der Papierindustrie – Neuere Meßmethoden und Anwendungen

BECK, MULLER und ROHLOBB: Zetapotentialmessungen in der Papierindustrie - Neuere MeBmethoden und Anwendungen

Act. Polymoria 31 (I-) Heft 8 509

G I

10

gebl Sulfifzellstoff :36'SR/

45% Aloun - 30 % Clay

p n . 5 , ~

I I I

0 a02 906 % qr

1 : Clay +ZeUsfoff + l / i PAAH 2: Clay + 1/3PAAM t Zolrrod 2/3 PAAH 3: Clay t aOiS% PAA +&//staff t 1 / 1 PAAH

1

0 002 906 % qr Wirksubstanz PAAM

Bild 11. EinfluD der Fiillstoff-Aktivierung auf Entwasserung und Retention

ergibt sowohl in der Retention als auch in der Entwasserung eine stetige Steigerung.

Durch eine verbesserte Fullstoff-Faser-Anlagerung und Flockungsstruktur lassen sich dann auch erhiihte Festig- keitswerte des Papiers erreichen. Allerdings mussen dazu die Retentionsmittel-Typen und -Konzentrationen ge- eignet auf die Eigenschaften der Faser und Fiillstoffe abge-

stimmt werden. Mit Zetapotential-Messungen kann man dabei die entscheidenden Voruntersuchungen beziiglich der Ladungseffekte durchfuhren.

4. Zusammenfassung

Zetapotential-Messungen an einer Papiermaschine k6nnen bei bestimmten Stoff-Systemen (z. B. Laminatpapieren) zur Produktionssteuerung eingesetzt werden. Dazu konnte entweder nach der Stromungspotential-Methode gemessen werden, wenn man einen gleichmaDigen Faserstopfen reproduzierbar und automatisch bilden konnte, oder nach der Ultraschall- Elektrophorese-Methode, wenn man den EinfluD des Elektro- lytpotentials unterdrucken kiinnte. An der Losung dieser Pro- bleme wird gearbeitet. Im Labor hat die Ultraschall-Elektro- phorese-Methode auf Grund ihrer schnellen MeDwerterfassung und universellen Einsatzmoglichkeit beziiglich TeilchengroBe und -konzentration bereits vielfaltige Anwendungen ergeben. Beispiele zu grundeatzlichen Untersuchungen uber Retentions- mittelwirkungen, uber den EinfluB von Storstoffen und von ionischen Farbstoffen auf Retention und Entwasserung und uber Effekte bei der Fullstoff-Vorflockung werden erlautert.

Literatur

[l] SCHEPPP, W., et al.: Das Papier !29 (1975) Rundgesprach: Grenzflachen und Zetapotential, Baden-Baden 1975.

[2] MELZER, J., et al.: Das Papier 26 (1972) 305-332. HOFFMANN, F., et al.: Das Papier 29 (1975) 529-534.

[3] BECK, U., ZANA, R., und ROHLOFF, E.: Wbl. f. Papierf.

[4] BECK, U., et al.: Wbl. f. Papierf. 106 (1977) 391-398. [5] GUNDEB, W., und AWORN, W.: Wbl. f. Papierf. 108 (1975)

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[6] BREUNIQ, A. : Symposium der Papiertechnischen Stif- tung, Munchen, 1978. SCHWEIZER, G., und WEIOL, J.: ebenda. BOWN, R.: Wbl. f. Papierf. 107 (1979) 195-198.

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581 -592.

493-502.

Eingegangen am 17. Dezember 1979