wissenschaft gegen rassismus

1. Antirassistischer Hochschultag der FHE

1. Antirassistischer Hochschultag der Fachhochschule Erfurt

Prof. Dr. Wolf Wagner

„Wissenschaft gegen Rassismus“


Das Problem: Text aus einer Broschüre der NPD heute

• „Rückzuführen sind vor allem die Nicht-Europäer. Die Mischlinge, die deutsch-nichteuropäischen Beziehungen entstammen, werden das sich renationalisierende Deutschland über kurz oder lang freiwillig verlassen, weil ihnen der nationale Klimawandel nicht paßt. Sie werden sich ‚Heimatländer' suchen, in denen es keine einheitliche Volkssubstanz gibt, in denen die Durchrassung unumkehrbar ist und die damit verbundene ethno-kulturelle Entwurzelung und Bindungslosigkeit allgegenwärtig ist.“


Gliederung

• Geschichte des wissenschaftlichen Rassismus

• Popularisierung und Politisierung des Rassismus

• Der Antirassismus • Die Genomforschung und ihre Folgen


Geschichte des wissenschaftlichen Rassismus

• Mittelalter: Der hohe Geburtsadel ist stolz auf seine „Rasse“, „Race“, „Razza“

• „Rasse“ Kennzeichnung von Unterarten z.B. Entenrassen, Hunderassen



• „Rassismus“ • späte Schöpfung der Gegner des Rassebegriffs• – Magnus Hirschfeld „Racism“• 1933 geschrieben, 1938 veröffentlicht

Mandera, Frauke (2004). Entstehung der Begriffe „Rasse“ und „Rassismus“

- eine kurze Zusammenfassung - Herausgeber: ARiC Berlin e.V. http://ldn-knigi.lib.ru/JUDAICA/Rassebegriff.pdf



• Aufklärung und Philosophie seit dem 17. Jahrhundert

• Einteilung der Menschen nach wissenschaftlichen und nicht theologischen Kriterien

• Weg von der Schöpfungsgeschichte



• 1684 Erste Anwendung auf Menschen durch François Bernier vor der Französischen Akademie der Wissenschaften

• Titel des Textes: „Nouvelle division de la terre par les différentes espèces ou races qui l'habitent“



• Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716) übernimmt den von Bernier geprägten „Rasse"-Begriff ins Deutsche

• Alle Rassen kommen aus einer gemeinsamen Art

• Unterschiede entstehen durch Klima



• Immanuel Kant:• 1775 „Von den verschiedenen Racen der

Menschen zur Ankündigung der Vorlesungen der physischen Geographie im Sommerhalbjahr 1775“ (Kant Werke in zwölf Bänden – Band XI, S. 11-30)

• 1786 „Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft“ – Darin: „Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie“ (Kant Werke in zwölf Bänden – Band IX, S. 144ff)



• Stützt sich auf Georges-Louis Leclerc de Buffons „Allgemeine Historie der Natur“ von 1752

• Buffonsche Regel: „dass Tiere, die miteinander fruchtbare Jungen erzeugen, (von welcher Verschiedenheit der Gestalt sie auch sein mögen) doch zu einer und derselben physischen Gattung gehören“

• = Definition der Naturgattung als von Gesetzen bestimmte Einteilung



• Stützt sich auf Georges-Louis Leclerc de Buffons „Allgemeine Historie der Natur“ von 1752

• „Race“ – erbliche Verschiedenheiten, die sich über lange Zeit und auch bei Versetzung in andere Landstriche erhalten

• „Auf diese Weise sind Neger und Weiße zwar nicht verschiedene Arten von Menschen (…); aber doch zwei verschiedene Rassen“ (S.12 – B129)


Kants Theorie als „teleologisches Naturgesetz“

Stammgattung

Weiße von brünetter Farbe

Erste RasseHochblonde (Nordl. Eur.) von feuchter Kälte

Zweite RasseKupferrote (Amerik.)Von trockener Kälte

Dritte RasseSchwarze (Senegambia)Von feuchter Hitze

Vierte RasseOlivengelbe (Indianer)Von trockener Hitze



• Graf Josef Arthur de Gobineau (1816 - 1882) • Charles Darwin (1809 - 1882) • Francois Galton (1822-1911) prägt 1883

Begriff Eugenik.• Alfred Ploetz (1860 - 1940) und Wilhelm

Schallmeyer (1857 - 1919) begründeten die deutsche „Rassenhygiene".

• „Ausjätung, Ausmerzung und Geburtenverhütung“



• Beispiel Ruanda


Gliederung





Popularisierung und Politisierung des Rassismus

• Houston Stewart Chamberlain (1855 - 1927) – „bekennender Dilettant“ – 1899 „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts"

• Standardwerk des theoretischen Rassenantisemitismus mit großem Einfluss auf Wilhelm II u.v.a.

• Alfred Rosenberg (1893-1946)• Adolf Hitler (1899 – 1945)


Die Sündenbockfunktion des Rassismus

• der „rassisch Fremde“ als Verursacher alles Bösen, eignet sich – weil fremd - für jede Projektion

• dadurch keine Konflikte in der eigenen Gemeinschaft, keine Verteidiger

• Erhöht Ingroup-Konformität • Umso notwendiger je höher

Harmoniezwang in der Gemeinschaft



Die politische Mechanik des Rassismus 1

• Machtkampf innerhalb der Mehrheit• Eine Partei der Mehrheitsgruppe neue

Parole „Die … (jeweilige Minderheit einsetzen) sind unser Untergang“

• Wahlkampf „Nur wir schützen euch gegen ….“

• Gewinnt Stimmen der Rassisten




• Andere Parteien der Mehrheitsgruppe nehmen Thema auf, um Stimmen zurück zu gewinnen

• Thema erhält Legitimität• Minderheitengruppe wehrt sich und

bestätigt damit ihren Sondercharakter• Gewalttätige Übergriffe der Radikalen in

der Mehrheit führen zu Racheakten und Zusammenschluss der Minderheit




• Die Projektion wird zur Wirklichkeit• Die Ausgesonderten werden zunehmend

als sonderbar wahrgenommen• Sanktionen werden allgemein akzeptiert• Wenn sich ausgesonderte wehren:

Bürgerkrieg• Wenn nicht: Massaker, Genocid



Beispiel Nazideutschland: Was sind die Gründe für rechtsradikale Wahlerfolge?

RechtsLinks Mitte

bürgerliche

SPD

1929

KPD

Zentrum u. liberale

NSDAP



Was sind die Gründe für rechtsradikale Wahlerfolge?

RechtsLinks Mitte

bürgerliche

SPD

1930-1932

KPD

Zentrum und liberale

NSDAP




RechtsLinks Mitte

SPD

1932

KPD

Zentrum und Liberale




RechtsLinks Mitte

SPD

1932

KPD

Zentrum und Liberale

NSDAP




NSDAP

RechtsLinks Mitte

1933ff



Beispiele für die Eskalation der Fremdenfeindlichkeit trotz Kontakt

• Weimarer Republik und Nazideutschland, Sudetenkrise

• Indien• Malaysia• Republik Cypern• Nigeria• Sri Lanka• Jugoslawien


Umfrage 1997 in 15 Staaten der EU „% Selbsteinstufung als sehr rassistisch“

22

1614

1210 9 8 8

64 4 3 2 2

0

5

10

15

20

25

B F A DK Fin I D UK GR E IRL P L S

BFADKFinIDUKGREIRLPLS



Aus den Daten 1997 vergleichende Analyse über Entstehungsbedingungen des Rassismus (Winkler

2003)

• Konkurrenztheorie – wer mit Ausländern konkurrieren muss, ist fremdenfeindlich

• Aber: Gruppen mit gleicher Konkurrenzsituation variieren im Grad der Fremdenfeindlichkeit von Land zu Land stark

• Keine hinreichende Erklärung



2003)

• Nationalismustheorie – hohe Identifikation mit der eigenen Nation macht fremdenfeindlich

• Aber: Gruppen mit gleichen Merkmalen in den Ländern, aber unterschiedlichem Nationalismus, zeigten keine signifikanten Unterschiede in der Fremdenfeindlichkeit

• Keine hinreichende Erklärung




2003)• Kontakt- und Projektionstheorie –

Fremdenfeindlichkeit entsteht aus Projektionen, wer Kontakt hat, kann nicht so leicht projizieren

• Wenn alles sonst gleich, nur Ausmaß des Kontaktes unterschiedlich, variiert Fremdenfeindlichkeit in gleicher Weise

• Höchster Erklärungswert und Beeinflussungsfaktor



Ergebnis

• Rassismus kommt aus Provinzialität (Heitmeyer)


1.4. „Die NPD will die Ausländerrückführung.Was ist mit den Kindern gemischtethnischer

Beziehungen (Mischlingen)?"


• Was ist davon zu halten?


Gliederung





Der Antirassismus

Begriffsgeschichte• Rassismus: Magnus Hirschfeld „Racism“

1933 geschrieben, 1938 veröffentlicht• Antirassismus: Sartre „Schwarzer

Orpheus“ 1948• Rassismus zuerst eindeutig definiert als

Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer tatsächlichen oder behaupteten anderen „Rasse“


Der Antirassismus

• Ausweitung des Rassismus-Begriffs auf jede Form der Diskriminierung

• Beispiel Fremdenfeindlichkeit• Beispiel Rassismusvorwurf gegen Israel


Gliederung





Die Genomforschung und ihre Folgen

• Österreichischer Rundfunk meldet heute (http://science.orf.at/science/news/83846)

• „Auch in das höchst kontroversielle Thema der menschlichen Rassen hat die Genomforschung Klarheit gebracht.“

• genetische Unterschiede zwischen den Rassen geringer als zwischen Individuen der gleichen „Rasse“


Die Genomforschung und ihre Folgen

• Bonham, V. E.; Warshauer-Baker, E. & Collins, F. S. (2005). Race and Ethnicity in the Genome Era. The Complexity of the Constructs. American Psychologist 9. Vol. 60, No. 1, 9-15 DOI: 10.1037/0003-066X.60.1.9

• „Current genetic data also refute the notion that races are genetically distinct human populations. There are no gene variants that are present in all individuals of one population group and in no individuals of another. No sharp genetic boundaries can be drawn between human population groups.“


Die Genomforschung und ihre Folgen: Beispiel Nahrungsmittel

• Weiß• Schokolade• Brot• Weißwein• Meerrettich• Sahnesauce

• Schwarz• Schokolade• Brot• Schwarzburgunder• Schwarzwurzel• Tintenfischsauce


1.4. „Die NPD will die Ausländerrückführung.Was ist mit den Kindern gemischtethnischer

Beziehungen (Mischlingen)?"



Rückblick




wissenschaft gegen rassismus

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