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Wirkung des Wohlfahrtstaates auf den Lebenslauf Quellen: „Die Institutionalisierung des Lebenslaufs“ von Martin Kohli „Lebensverläufe im Wohlfahrtsstaat“ von Karl Ulrich Mayer und Walter Müller

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Wirkung des Wohlfahrtstaates auf den Lebenslauf

Quellen: „Die Institutionalisierung des Lebenslaufs“von Martin Kohli

„Lebensverläufe im Wohlfahrtsstaat“von Karl Ulrich Mayer und Walter Müller

Gliederung1. Merkmale des modernen Lebenslaufes

2. Wodurch ist die Chronologisierung des Lebens notwendig geworden?

3. Die Rolle des modernen Wohlfahrtsstaates bei der Ordnung, Regulierung und sozialen Definition von Lebensverläufen

4. Diskussion

Merkmale des modernen

Lebenslaufes

= eigenständige gesellschaftliche Strukturdimension

Lebenslauf und Lebensalter

nicht nur zeitliche Abläufe, sondern eine “sozialeTatsache” eigener Art

Lebenslauf = soziale Institution - nach ihm wird Handeln ausgerichtet

(Institution: soziale Wirklichkeit mit Handlungsrechten, Handlungspflichten oder normativer Geltung durch die Gruppen verbindlich wirken oder handeln)

1. Verzeitlichungstarke Zunahme der Bedeutung des Lebenslaufesals soziale Institution

2. ChronologisierungVerzeitlichung ist am chronologischem Lebensalterals Grundkriterium orientiert

3. IndividualisierungProzess der Freisetzung der Individuen aus den ständischen und lokalen Bindungen

Merkmale des modernen Lebenslaufes

4. Erwerbssystem

Dreiteilung in 1. Vorbereitungsphase (Kindheit, Jugend) 2. Aktivitätsphase (Erwachsenenleben) 3. Ruhephase (Alter)

5. Bewegung der Individuen durch das Leben

1. Positionssequenzen (Karriere)

2. biografische Perspektive und Handlungen(Horizonte, Wissensbestände)

Merkmale des modernen Lebenslaufes

Verzeitlichung und Chronologisierung: Historische Befunde

1.LebensdauerChronologisierung des Lebenslaufs

- Vormoderne: Tod konnte jederzeit eintretenLeben schwer vorausplanbar

- Moderne: Verschiebung der Überlebenskurve

Kumulative Überlebenskurven für 1840 – 1980, USA

Verzeitlichung und Chronologisierung: Historische Befunde

1.LebensdauerChronologisierung des Lebenslaufs

- Vormoderne: Tod konnte jederzeit eintretenLeben schwer vorausplanbar

früher: Zufälligkeit von Lebensereignissenheute: vorhersehbarer Lebenslauf

- Moderne: Verschiebung der Überlebenskurvefast vollständiges Verschwinden des Todes aus demfrühen und sogar dem mittleren Erwachsenenalter

2. Familienzyklus

Verzeitlichung und Chronologisierung: Historische Befunde

Vormoderne:

- weniger an bestimmte Altersmarken gebunden

- chronologischer Streubereich war breiter

man kann nicht von Familienzyklus sprechen

Verzeitlichung und Chronologisierung: Historische Befunde

2. Familienzyklus

Moderne:

Empirische Bedingungen für Familienzyklus

- Rückgang der Altersvarianz der Ereignisse

- Abbau der Heiratsbeschränkungen

Standardisierung des Lebenlaufes

- vorangetrieben durch altersgeschichtete Systemeöffentlicher Rechte und Pflichten:

Verzeitlichung und Chronologisierung: Historische Befunde

2. Die Konstitution von AltersgrenzenChronologisierung des Lebenslaufes

Zivil- und Strafrecht

Berechtigungssysteme

Altersschichtung des Arbeitsmarktes

Schulpflicht

Bildungs- und Rentensystem (Dreiteilung)

früher: - keine besondere Beachtung der Altersphase- Übergang in den Ruhestand war nicht mit

chronologischem Alter verbunden

Verzeitlichung und Chronologisierung: Historische Befunde

3. Die Konstitution von AltersgrenzenChronologisierung des Lebenslaufes

heute: - relativ einheitlich beginnende strukturellabgrenzbare Altersphase von beträchtlicherLänge für den überwiegenden Teil der Bevölkerung

- Rolle des höheren Alters

Individualisierung

Früher: analistische Konzeption

Moderne: entwicklungsgeschichtliche Konzeption

- Leben gewinnt seine Struktur aus der Abfolgevon äußeren, historischen und jahreszeitlichenEreignissen

- um das eigene “Ich” organisiert

Prinzip, das das Individuum organisiert und vorantreibtunterschiedlich

Fazit:- starke Zunahme der Bedeutung des Lebenslaufsals soziale Institution

- Am chronologischem Alter orientiert

- Stärkere Individualisierung

- Leben ist planbarer geworden

- Größere Standardisierung der Lebensläufe

Wodurch ist die Chronologisierung des Lebens

notwendig geworden?

Vier gesellschaftliche Probleme, auf die die Institutionalisierung des Lebenslaufes

antwortet:

• 1. Rationalisierung• 2. soziale Kontrolle• 3. Suksession• 4. Integration

1.Rationalisierung

• Rationalisierung staatlicher Leistungssysteme chronologisches Alter eignet sich gut für diese

Art von Rationalisierung, Leben und Durchlauf der Individuen durch soziale Systeme wird berechenbar

• Konstitution von Altersgrenzen: Schulpflicht, Renteneintritt etc. nach diesen Kriterien organisiert

• Chronologisches vs. funktionales Alterfunktionales Alter für den Wohlfahrtstaat nicht

organisierbar

Rationalisierung: Ebene des Individuums

• Chronologisierung des Lebenslauf ergibt Bezugsachse für eigene methodische Lebensführung

• Selbsttypisierung und Fremdtypisierung: Chronologisierung des Lebenslaufes ist die Grundlage

• Lückenloser Lebenslauf wichtiges Kriterium zur Fremdtypisierung

• Typisierung erstreckt sich nicht nur auf Vergangenheit auch auf Zukunft

2. Soziale Kontrolle

• In vor modernen Lebensformen erfolgte soziale Kontrolle über stabile Zugehörigkeit zur Familie und zum Stand (äußere Kontrolle)

• Übergang zur Moderne bedeutet Pluralisierung und Mobilisierung des Lebens Folge: Vergesellschaftung auf individueller Ebene

• Lebenslauf als Ablauforientierung funktionale Äquivalent zur früheren äußeren Kontrolle

• Soziale Kontrolle soll nicht nur durch monetäre Versorgung gegeben werden, auch durch Erwartbarkeit

3. Suksession

• Historische Veränderungen von Nachfolgereglungen durch Ausweitung der wohlfahrtsstaatlichen Regelungen

• In vormodernen Gesellschaften hatte nur der Primat im Haushalt ein Gewicht, das Personal wurde aus dem familial verfügbaren Stamm gewählt

• Familiale und ökonomische Suksession fielen zusammen

• Nachfolge ist jetzt freier Prozess• Durch freie externe Suche entstehen Kohorten

mit beliebigen Zeitabständen und unterschiedlichen zeitlichen Bezugspunkten

Suksession II• Verrentung Wohlfahrtsstaat hat legitime

Lösung gefunden ältere Arbeitskräfte auszusortieren und junge Kräfte einzuführen

4. Integration

• Vormoderner Haushalt: Kontinuität des Primaten• Berufliche und familiale Übergänge ergaben sich direkt

aus der Notwendigkeit der Produktion im Haushalt• Bsp. Kopplung von Ehefähigkeit und wirtschaftlicher

Lage wurde rechtlich verankert• In industrieller Ökonomie ist der individuelle Lebenslauf

die neue zentrale Reglungsebene• Für Individuen und Betriebe stellt sich die Aufgabe der

Vereinbarung von betrieblicher und familialerLaufbahnen

Rolle des Wohlfahrtsstaates bei der Ordnung, Regulierung und sozialen Definition

von Lebensverläufen

1. Beziehung zw. Entwicklung des modernenWohlfahrtsstaates und Strukturen des Lebensver-laufs?

2. Modalitäten und Mechanismen, mit denen Staats-aktivitäten das Leben beeinflussen?

3. Einfluss der monetären Anreizsysteme des Staatesauf individuelle Lebensentscheidungen?

4. Wie wirkt sich das Handeln des Staates als Einkommenverteiler und Anbieter von Berufs-optionen im ÖD auf die Ausprägung von Lebens-verläufen aus?

1.Beziehung zw. Entwicklung des Wohlfahrtsstaates und Strukturendes Lebensverlaufs?

1. Differenzierung

- Paralleler Prozess

Auflösung des traditionellen Haushaltes

Segmentierung/soziale Rollen des Individuums

staatliche Regulierung der einzelnen Bereiche

1.Beziehung zw. Entwicklung des Wohlfahrtsstaates und Strukturendes Lebensverlaufs?

- Paralleler Prozess

2. Individualiserung

Individuum als Objekt der Staatstätigkeit

Akteur mit Rechten und Pflichten

2. Modalitäten und Mechanismen, mit denen Staatsaktivitäten das Leben beeinflussen

1. Gesetzliche Altersnormen

2. soziale Sicherungssysteme

2. Modalitäten und Mechanismen, mit denen Staatsaktivitäten das Leben beeinflussen

Zu 1.

- Bsp.: Verbot der Kinderarbeit, Schuleintritt, Heiratsalter, Verrentungsalter

2. Modalitäten und Mechanismen, mit denen Staatsaktivitäten das Leben beeinflussen

Zu 1.

- These: gesetzliche Vorschriften alleine habenselten eine hochstrukturierende Wirkungauf den Lebensverlauf. Nur wenn mitanderen Instrumenten des staatlichenHandelns kombiniert.

- Beispiel: Bismarck und Bevölkerungsgruppe Rentner oder Ausbildungsphase

2. Modalitäten und Mechanismen, mit denen Staatsaktivitäten das Leben beeinflussen

Zu 2.

- gesetzlich verankert, monetaristisch, universalistisch und routinisiert

- Fristen “kontinuierlicher Fluss des Lebens“ wird zur Serie von Situationen, Stati(erwerbstätig/arbeitslos; krank, invalide, im Ruhestand etc.), auch Chronologisierung

- Periodisierung des Lebens durch gesetzliche Definition der Übergänge und Wechsel

- Standarisierung, Homogenisierung- Alterssegmentierung

3. Einfluss der monetären Anreizsysteme auf individuelle Lebensentscheidungen

- zu erwarten: Individuen verändern unter wohlfahrts-staatlicher Intervention ihre Lebensorientierung

- Substantive/ funktionale Rationalität

- Wo Geldanreize da sind, ist es fürs Individuum funktional rational diese zu nutzen

Schwächung eigenständiger Lebensorientierung, Bsp. Eigenheim

4. Wie wirkt sich das Handeln des Staates als Einkommensverteiler und als Anbieter von Berufspositionen im Öffentlichen Dienst auf die

Ausprägung von Lebensverläufen aus?

- Versorgungsklasse

- Frage: Unterscheiden sich Lebensverläufe dieserPersonen wesentlich von denen, die andere Art desEinkommens beziehen?

kein großer Unterschiedwichtig: größerer Teil qualifizierte Berufe mit höherem Einkommen für Frauen

- Kollektives Schicksal?eher nein

Fazit

- Staat definiert alle Ein- und Austritte in unterschiedlichen Lebensphasen.

öffentliche Ereignisse

- Kontinuität, Kalkulierbarkeit, Verfügbarkeit

- Segmentierung, Sequenzierung, Struktur

- Individualisierung

- substantiell rationales Handeln wird geschwächt

Anstatt Wissensfragen

• Welche Schlussfolgerungen/welches Fazit kann man aus den Vorträgen ziehen?

Fazit: der Zusammenhang von chronologischem Lebenslauf und

Wohlfahrtstaat• Wohlfahrtsstaat nimmt Einfluss durch

Sozialversicherung, gesetzliche Altersnormen und Alterssegmentierung

• Individualisierung Staat übernimmt die Rolle der Familie

• Wohlfahrtsstaat schafft eine Heterogenität in der Homogenität

• W. ist orientiert am chronologischen und nicht am funktionalen Alter

• W. beeinflusst durch monetäre Anreize Lebensentscheidungen der Individuen

DISKUSSION- Widersprechen sich Individualisierung und Standardisierung von Lebensläufen in der modernen Gesellschaft?

- Wer bestimmt den Lebenslauf eines Individuums? Staat, Markt oder Familie?

- Diskutieren Sie die Aussage: „Der Wohlfahrtsstaatermöglicht durch seine eingreifenden Maßnahmenin den individuellen Lebenslauf (Schulpflicht, Renten-eintrittsalter) einer größeren Zahl der BevölkerungChancen, die sie ohne diese Maßnahme nicht hätte.“