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Wien Studie zur Complete Mobility Verkehrsberatung, konzepte und lösungen für den öffentlichen und privaten Sektor Vorläufige Version 20. Mai 2009 Siemens AG Erstellung: MRC Europe toronto ottawa kingston halifax brisbane sydney auckland edinburgh leeds brüssel

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Wien

Studie zur Complete Mobility

Verkehrsberatung

, ‐konzepte und

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en öffentlichen

 und

 privaten

 Sektor 

Vorläufige Version

20. Mai 2009

Siemens AG

Erstellung: MRC Europe toronto  ottawa  kingston halifax  brisbane  sydney  auckland  edinburgh  leeds brüssel

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Wien: Studie zur Complete Mobility

Vorläufige Version

20. Mai 2009

Rue d’Idalie, 11-13 Brüssel Tel. +32 (0) 2 639 62 57 E-Mail: [email protected] www.mrcmh.com 

Geschäftsführer Steve Cassidy Prof. George Hazel OBE Ken Gosselin Eingetragen in Brüssel

Siemens AG

Erstellung: MRC Europe

   

         

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Fallstudie Wien Vorläufige Version

MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen i  

INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis........................................................................................................ i

1 Management-Zusammenfassung ................................................................... 1

2 Das Konzept der Complete Mobility ............................................................... 3

3 Warum Wien als Fallstudie?.......................................................................... 12

4 Neu überarbeiteter Index der Complete Mobility ........................................ 14

5 Wien: Grundlagen der Complete Mobility.................................................... 20

6 Wien: Leistung der Complete Mobility......................................................... 25

7 Wien: Complete Mobility in der Praxis......................................................... 29

8 Wien: globale Stadt der Zukunft ................................................................... 42

LISTE DER ABBILDUNGEN Abbildung 1 – Globale Trends...................................................................................... 6 Abbildung 2 – Regionale Bevölkerungsentwicklung in Österreich 2001-

2008. ......................................................................................................... 7 Abbildung 3 – Bevölkerung ausländischer Nationalität zum 1.1.2008......................... 9 Abbildung 5 – Erster Mobility-Index 2008 .................................................................. 12 Abbildung 6 – Aktualisierter Mobility Index 2009 ....................................................... 17 Abbildung 7 – Städterangfolge mit aktualisierter Mobilitätsbewertung ...................... 18 Abbildung 8 – Zeitleiste bis zum Erfolg ...................................................................... 22 Abbildung 9 – Urbanes Wachstum in Wien zwischen 1958 und 1997 ...................... 24 Abbildung 10 – Vergleich der Indikatoren für Fahrgastorientierung .......................... 26 Abbildung 11 – Vergleich der Indikatoren für Effizienz .............................................. 27 Abbildung 12 – Vergleich der Indikatoren für Nachhaltigkeit ..................................... 28 Abbildung 15 – der Wiener Masterplan Verkehr: Intelligent Mobility ......................... 42 Abbildung 16 – Bahnhof Atocha, Madrid.................................................................... 45 Abbildung 17 – CityCard in Nottingham..................................................................... 46

LISTE DER TABELLEN Tabelle 1 – Indikatoren............................................................................................... 14 Tabelle 2 – Wiens Ergebnis im aktualisierten Index .................................................. 25 Tabelle 3 – Beispiele für Complete Mobility ............................................................... 29 Tabelle 4 – Intelligent Mobility und Complete Mobility ............................................... 43

   

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Fallstudie Wien Vorläufige Version

MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen ii  

Danksagungen  Wir möchten allen danken, die uns bei diesem Bericht unterstützt und dazu beigetragen haben. Besonderer Dank gilt:  Frau Winkler,  Herrn  Schremmer,  Prof.  Knoflacher,  Herrn  Stranz,  Frau  Kossina,  Dr.  Zeschmar‐Lahl,  Herrn Deußner, Herrn Ablinger, Herrn Höfling, Herrn Cremer, Herrn Sattler und den Studenten von der TUW  für  ihre Tätigkeit als "Testfahrgäste". 

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Fallstudie Wien Vorläufige Version

MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 1

 

1 MANAGEMENT-ZUSAMMENFASSUNG Aufgrund der von Siemens und MRC McLean Hazel Ltd durchgeführten, umfassenden Untersuchungen hat sich ein  tiefes Verständnis der Herausforderungen  entwickelt, denen  sich  Städte heute und  in der  Zukunft  stellen müssen. Globale Schlüsseltrends führen zu einem radikalen Wandel des Beförderungsbedarfs und eröffnen einen neuen Markt für Infrastruktur und Dienste in den Bereichen Personen‐ und Frachtmobilität sowie Luftfahrt. Man hat die Schlüsselrolle der Mobilität und Beförderung für die erfolgreiche Stadt der Zukunft erkannt und eine klare Vision  eines  an  den  künftigen  Herausforderungen  orientierten Mobilitätssystems  definiert  ‐  das  Konzept  der Complete Mobility.   Mit dem im Jahre 2008 erstellten Index für Complete Mobility wurde in 46 Städten weltweit eine Beurteilung der Fortschritte  im  Bereich  Complete  Mobility  ermöglicht.  Dieser  Index  setzt  sich  aus  11  quantitativen  und qualitativen  Indikatoren  zusammen,  darunter Maßnahmen  zur  lokalen und  externen  Erschließungsqualität,  zu externen  Effekten  und  Finanzen.  Die  Daten  für  die  quantitativen  Indikatoren  stammen  aus  der  Datenbank "Millenium  Cities"  von  UITP,  in  der  Daten  aus  dem  Jahr  1995  verwendet  werden.  Ein  internationales Expertenteam wurde zur Beurteilung der qualitativen Indikatoren eingesetzt. 46 Städte weltweit wurden an allen 11 Indikatoren gemessen, und ein durchschnittliches Scoring wurde für jede Stadt errechnet. Dieses Endergebnis wurde  dann  dem  Pro‐Kopf‐BIP  jeder  Stadt  gegenübergestellt,  um  so  die  positive  Beziehung  zwischen  der wirtschaftlichen  Leistung  und  Complete  Mobility  zu  veranschaulichen.  Wien  belegte  im  Index  von  2008 zusammen mit einer anderen Stadt den dritten Platz und erzielte damit ein sehr gutes Ergebnis.  Diese  Studie  legt  einen  aktualisierten  und  überarbeiteten  Index  für  2009  vor.  Die  verwendeten  Indikatoren wurden grundlegend geändert und die Daten  für  jede Stadt aktualisiert. Die Auswirkungen dieser Änderungen werden hier  insbesondere am Beispiel  von Wien  veranschaulicht. Auch hier  schneidet Wien  sehr gut ab. Zum wiederholten Male konnte sich Wien in der Spitzengruppe der Städte platzieren, die als "Best in Class" bezeichnet werden.  Die Position von Wien  im globalen  Index bedarf näherer Erklärung, und dieser Bericht zeigt die Gründe für den Erfolg der Stadt auf. Damit soll ein Einblick gewährt werden, wie Wien diese Position erreicht hat. Angesichts der weltweit  fortschreitenden  Globalisierung  suchen  Entscheidungsträger  nach  Best‐Practice‐Lösungen  und  ‐Ansätzen, mit denen sie  ihre Herausforderungen bewältigen können. Die  führenden Städte  im Mobility‐Index  ‐ und dazu zählt Wien ‐ haben etliche Jahre hart daran gearbeitet, ihren aktuellen Status zu erreichen. Ein Einblick in die Herausforderungen, denen Wien  sich  stellen muss, und ein Verständnis der Art und Weise, wie die von Wien  umgesetzten  Lösungen  und  Ansätze  Städten  zu  einer  besseren  Position  im  globalen  Mobility‐Index verhelfen können, ist für andere Städte von großem Interesse.   In dieser Studie werden die sich auf Weltstädte auswirkenden Trends und die Anwendbarkeit dieser Trends auf Wien behandelt. Überdies wird hier der  Index beschrieben und das von Wien erzielte Ergebnis  im Vergleich zu anderen Städten untersucht. Die Studie vermittelt außerdem einen Einblick in den von Wien verwendeten Ansatz und  befasst  sich  schwerpunktmäßig  mit  lokalen  Verfahrensweisen,  die  Städten  nützliche  Hinweise  bei  der Beurteilung  ihrer eigenen Leistung  im  Index bieten und  ihnen sogar mögliche Verfahrensweisen für die Zukunft aufzeigen.  Fest steht, dass Wien eine Reihe von überzeugenden Verkehrsstrategien und ‐initiativen umgesetzt hat, die der Stadt  eine  solide Grundlage  für  künftige  Entwicklungen  bieten. Daraus  geht  das  Bild  einer  integrierten  Stadt hervor: Wien, eine Stadt mit integrierten Strategien, eine Stadt, die über integrierte Schlüsselfunktionen verfügt und  eine  Stadt,  die  lokales Wissen  und  bewährte  Verfahren  sowohl  in  Europa  als  auch weltweit  erfasst  und vereint. Viele  der  in Wien  verwendeten Verfahrensweisen  gehen  in  hohem Maße  konform mit  dem  von  uns empfohlenen Rahmenwerk  für die  künftige Entwicklung der Mobilität, wie  im Konzept der Complete Mobility festgelegt. Vienna verfolgt bereits eine Vision der Smart Mobility, die eine Reihe interessanter Überschneidungen mit dem Konzept der Complete Mobility aufweist.   Die  Studie  bestätigt,  dass  Wien  zwar  bekannte  und  weltweit  anerkannte  Beispiele  bewährter  Verfahren aufzuweisen hat (wie z.B. die weltweit niedrigste Niederflurbahn), die Stadt aber ihre eigentliche Stärke aus ihren durchgängigen,  stimmigen  und  voll  integrierten  Strategien  und  Projekten  schöpft.  Es  scheint,  als  spiegele  die Stadt ihr eigenes musikalisches Erbe wider: Während viele Orchester einen einzelnen Star in ihren Reihen haben, 

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MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 2

 

haben andere die größte Bandbreite an Instrumenten und die am besten aufeinander eingespielten Musiker, die eine durchgängig gute Leistung gewährleisten. Aus demselben Grund gilt Wiens Mobility‐Orchester als eines der besten der Welt.  Abschließend führt der Bericht weitere Entwicklungschancen im Zusammenhang mit dem Konzept der Complete Mobility auf, die der Sicherung des künftigen Erfolgs von Städten weltweit und Wien selbst dienen. Viele Wege führen zur Complete Mobility – man kann hoffen, dass durch die gemeinsame Nutzung bewährter Verfahren und die  Eröffnung  dieser  Diskussion  und  Debatte  ein  Verkehrssystem  entwickelt  werden  kann,  das  die  lokale wirtschaftliche Entwicklung, die Lebensqualität der Einwohner und auch die städtischen und damit weltweiten Umweltvorgaben unterstützt.  

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MRC Europe 

2 DAS KONZEPT DER COMPLETE MOBILITY Globale Schlüsseltrends führen zu einem radikalen Wandel des Beförderungsbedarfs und eröffnen einen neuen Markt  für  Infrastruktur  und  Dienste  in  den  Bereichen  Personen‐  und  Frachtmobilität  sowie  Luftfahrt. Demografische, soziale und wirtschaftliche Trends führen zu einer Änderung des Mobilitätsbedarfs von Personen, Unternehmen und Behörden. Diese Trends sind unvermeidlich.   Gleichzeitig verändert sich die physische Welt. Im Durchschnitt ziehen weltweit ca. 2 Menschen pro Sekunde  in die Stadt. Dies entspricht 193.107 neuen Stadtbewohnern pro Tag.   1

 Hinter  diesen  Zahlen  verbergen  sich  ohne  Frage  starke  geografische  Schwankungen;  dieser  Zuwachs  findet hauptsächlich  in  den  Entwicklungsländern  statt, während  in  den  Industrieländern  bereits  ein  hoher Grad  der Urbanisierung besteht.   2 Nach dem "State of European Cities Report" (Bericht über den Zustand der Europäischen Städte) der Europäischen Union belief sich im Zeitraum 1996‐2001 die Wachstumsrate in einem Drittel der Städte auf 0,2 % pro Jahr  3, in einem Drittel der Städte blieb die Bevölkerung stabil, und in einem Drittel der Städte war ein beträchtlicher Bevölkerungsrückgang zu beobachten.   Nach einer kürzlich von Siemens gesponserten Studie der weltweiten Megastädte sehen sich die Städte  in der ganzen Welt mit  ähnlichen  Herausforderungen  in  den  Bereichen  Gesundheit, Mobilität,  soziale  Entwicklung, Sicherheit  sowie Wasser‐  und  Energie‐Ressourcenmanagement  konfrontiert.  Interessant  ist  dabei  besonders, dass  nach Meinung  der  städtischen  Interessenvertreter  die  Kriterien Mobilität  und  Beförderung  von  großer Wichtigkeit  für die Umsetzung der Ziele der Stadt  im Hinblick auf Wirtschaft, Lebensqualität und Umwelt sind. Zusammenfassend  lässt  sich daher  sagen, dass Mobilität als Hauptherausforderung  für den  zukünftigen Erfolg dieser Städte gesehen wird.   Das  Konzept  der  Complete  Mobility  begründet  sich  genau  auf  diesem  Bedarf  an  ganzheitlichen  und leistungsfähigen Mobilitätsstrategien.   

  

Dieses  Konzept  stellt  einen  Paradigmenwechsel  dar  und  beschreibt  ein  proaktiv  verwaltetes Mobilitätssystem,  das  ein Gleichgewicht  zwischen  verbesserten  individuellen  Lebensweisen  auf  der  einen Seite und Umweltqualität,  globaler Wettbewerbsfähigkeit und Wünschen nach urbaner  Lebensqualität  auf der anderen Seite schaffen soll.  

Mit dem Konzept der Complete Mobility  soll eine Vorgehensweise  zur Entwicklung einer Personen‐ und Frachtmobilität  mit  einem  Höchstmaß  an  Leistungsfähigkeit,  Nachhaltigkeit  und  Fahrgastorientierung festgelegt werden.   

Definition der Complete Mobility: 

Das  zukünftige  Mobilitätssystem  muss  "fit"  für  die  Zukunft  sein:  für  Bürger,  Geschäftswelt  und Regierungsorganisationen.  Das  Konzept  der  Complete  Mobility  basiert  auf  den  Anforderungen  einer  vom Wandel geprägten Welt. Die Leistungen eines solchen Systems sind für Städte unerlässlich, um Umweltqualität, globale Wettbewerbsfähigkeit und eine hohe Lebensqualität für alle Bürger zu gewährleisten.   In  dieser  Studie wird  das  Konzept  der  Complete Mobility  am  Beispiel  der  Stadt Wien  veranschaulicht. Wien verkörpert eine Stadt, in der die grundlegenden Werte der Complete Mobility mit beeindruckenden Ergebnissen angewendet werden.  Bei der Nutzung von Verkehrsmitteln entfallen in Wien wochentags 35 % auf öffentliche Verkehrsmittel und 32 % auf den  Individualverkehr. Wien weist  außerdem den niedrigsten Anteil  an Pkw pro 1.000 Einwohner  in  ganz Österreich  sowie  die  beste  Energiebilanz  im Hinblick  auf  Kraftstoffverbrauch  und  CO2‐Emissionen  im Verkehr auf."4

 

                                                                 1 UN Habitat, State of the World’s Cities 2008/2009 ‐ Harmonious Cities 2 UN Habitat, State of the World’s Cities 2008/2009 ‐ Harmonious Cities 3 Die Abbildung bezieht sich auf die jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung. 4 UITP, Vienna: A City for All 2009 

3 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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Fallstudie Wien Vorläufige Version

MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 4

 

Im  "Global Quality of  Living Cities"‐Index  (Index  für die  globale  Lebensqualität  in  Städten)  von Mercer  gehört Wien seit vielen Jahren zur Spitzengruppe, doch in diesem Jahr (2009) hat die Stadt sogar den Spitzenreiter Zürich verdrängt.5.  Dieser  Erfolg  in  der  Lebensqualität  der  Stadt wird weiter  durch  die  "Economist  Intelligent  Unit" (Forschungsabteilung  des  britischen Magazins  "The  Economist")  bekräftigt,  die Wien  in  seiner  Rangliste  der globalen Lebensqualität an dritter Stelle platziert hat6.   Außerdem  ist Wien eine Wachstumsstadt und hat  sich den dritten Platz unter den vom Wachstum geprägten europäischen Städten gesichert, deren Wachstum (ca. 7 % seit 2001) bedingt durch die internationale Migration, den Zustrom an Studenten und auch die Nähe zu den wachsenden Ostmärkten und ‐völkern andauert. Demnach steht  die  Stadt  den  gleichen  Herausforderungen  gegenüber,  die  von  städtischen  Interessenvertretern  in  der ganzen Welt genannt werden.   Bei  genauerer  Betrachtung  der  Stadt  Wien,  d.  h.  ihrer  Entwicklung,  ihres  aktuellen  Systems  und  ihrer Positionierung, die der Stadt bei der Überwindung  ihrer  zukünftigen Herausforderungen helfen  sollen, können wir  nachvollziehen,  auf welche Weise  Complete Mobility  ein  nützliches  Referenzrahmenwerk  bietet,  um  die zukünftige Mobilität zu verstehen und den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen.  

  

2.1 Herausforderungen für Millionenstädte 

In  2006  sponserte  Siemens  eine  Studie mit  dem  Titel:  Herausforderungen  der Millionenstädte:  Eine  Stakeholder‐Perspektive. Das Projekt diente der Durchführung von Untersuchungen auf der Basis einzelner Millionenstädte, um objektive  Daten  sowie  Perspektiven  von  Bürgermeistern,  Stadtverwaltungen  und  sonstigen  Experten  zu  lokalen Infrastrukturherausforderungen  zu erfassen. Zu diesem Zweck wurden 500 Experten des öffentlichen und privaten Sektors aus 25 Städten der Welt befragt.  

Das  Ergebnis  ist  eine  faszinierender  und  nützlicher  Überblick  darüber, wie  die  einzelnen  Herausforderungen priorisiert werden und welche Infrastrukturlösungen am besten geeignet sind, die lokale Wirtschaft, die Umwelt und die Lebensqualität von Millionenstädten zu verbessern.  

• Bei  Millionenstädten  liegt  der  Schwerpunkt  auf  wirtschaftlicher  Wettbewerbsfähigkeit  und Beschäftigung.  

• Die Umwelt spielt zwar eine Rolle, wird aber ggf. dem Wachstum geopfert.  • Beförderung ist wichtiger als alle anderen Infrastrukturbelange.  • Eine bessere Steuerung (Governance) ist für eine Verbesserung in Städten absolut unerlässlich.  • Ganzheitliche Lösungen sind zwar gewünscht, aber nur schwer zu erreichen.  • Städte  sind  zwar  bestrebt,  ihre  Serviceleistungen  zu  verbessern,  könnten  aber  mehr  für  das 

Bedarfsmanagement leisten.  • Technologie unterstützt Transparenz und Effizienz.  • Der private Sektor muss bei der Steigerung der Effizienz eine Rolle spielen.  

Drei Aspekte dieser Schlüsselerkenntnisse sind für die Mobilität von besonderer Relevanz. Diese Aspekte waren Anlass  für weitere Untersuchungen zukünftiger Mobilitätssysteme  ‐ das Konzept der Complete Mobility, wie  in den  nachstehenden  Abschnitten  beschrieben.  Folgende  Schlüsselerkenntnisse  wurden  aus  der  Umfrage gewonnen:  Das Verkehrswesen ist wichtiger als alle anderen Infrastrukturbelange Das Verkehrswesen ist mit klarem Vorsprung die bedeutendste Infrastrukturherausforderung für Millionenstädte. Dabei handelt es sich um denjenigen  Infrastrukturbereich, der bei den  Interessenvertretern als Bereich mit der stärksten Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt gilt. Die  Interessenvertreter wissen auch um die Auswirkungen  des  Verkehrswesens  auf  die  Umwelt  (z.  B.  Luftverschmutzung)  und  sind  an  "grüneren" Nahverkehrslösungen  interessiert. Dass das Verkehrswesen auch  in punkto Investitionen als Schwerpunktthema behandelt wird, stellt keine Überraschung dar. Nach Aussage der  Interessenvertreter sind auch  Investitionen  in den  vier  anderen  in  dieser  Studie  erfassten  Infrastrukturbereichen  notwendig,  d.  h.  Wasser,  Elektrizität, 

                                                                 5 http://www.mercer.com/qualityofliving6 Liveability Ranking, 2007 http://www.economist.com/markets/rankings/displaystory.cfm?story_id=11116839

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Fallstudie Wien Vorläufige Version

MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 5

 

Gesundheit  und  Schutz  &  Sicherheit.  Interessanterweise  halten  die  Interessenvertreter  einen  starken Zusammenhang  zwischen  Ausgaben  in  diesen  Bereichen  und  verbesserter Wettbewerbsfähigkeit  für weniger wahrscheinlich,  trotz  der  Tatsache,  dass  jeder  einzelne  Bereich  wichtige  Auswirkungen  auf  die Gesamtattraktivität der Stadt für Investitionen hat.   Eine bessere Steuerung ist für eine Verbesserung in Städten absolut unerlässlich Angesichts  der  großen  Anzahl  von  Bereichen,  in  denen  Investitionen  in  eine  bessere  Infrastruktur  dringend erforderlich  sind,  überrascht  es  nicht,  dass  in  der Umfrage  bei  den  Interessenvertretern  die  Finanzierung  als großes  Problem  empfunden  wird.  Für  die  Stadtverwaltungen  steht  jedoch  künftig  eine  Verbesserung  der Steuerung und nicht das Geld an erster Stelle. Über die Hälfte der Befragten mit Stadtplanungskenntnissen sehen als  Priorität  bei  der  Lösung  von  Stadtproblemen  eine  bessere  Planung,  gegenüber  lediglich  12  %,  die  eine Erhöhung  der  finanziellen Mittel  priorisieren.  Neben  intensiverer  strategischer  Planung  gilt  ein  effizienteres Management von  Infrastruktur und Diensten als weiterer  Schwerpunkt. Um beide Ziele  zu erreichen,  sind die Städte  gefordert,  von  der  passiven  Verwaltung  bestehender  Dienste  zu  einem  aktiveren Managementstil  zu wechseln, der auf eine höhere Effizienz und messbarere Ergebnisse abzielt.  Städte  sind  zwar  bestrebt,  ihre  Serviceleistungen  zu  verbessern,  könnten  aber  mehr  für  das Bedarfsmanagement leisten Angesichts  des  enormen  Drucks  auf  die  öffentlichen  Dienstleistungen  tendieren  die  Städte  dazu,  den Schwerpunkt  auf  direkte  und  unmittelbar  angebotsorientierte  Lösungen  zu  legen.  Dies  ist  nicht  immer gleichbedeutend mit einer Erhöhung der Kapazität: Häufig wird seitens der Interessenvertreter die Notwendigkeit hervorgehoben,  die  Effizienz  der  bestehenden  Infrastruktur  durch  den  Bau  neuer  Straßen,  Eisenbahnen, Krankenhäuser, usw. zu erhöhen. Im Gegensatz dazu steht das Bedarfsmanagement nie an erster Stelle, obgleich es  von  einer  Minderheit  der  Befragten  genannt  wird.  Bedarfsmanagement‐Ansätze  werden  zwar  in verschiedenen  Bereichen  gefördert,  aber  selbst  Fachleute  in  spezifischen  Infrastrukturbereichen  sehen  das Management  des  Bedarfs  nicht  als  Hauptlösung  für  ihre  Probleme  an.  Angesichts  des  Verbrauchs,  der  in zahlreichen  Stadt‐  und  Infrastrukturbereichen  immer  wieder  das  tatsächliche  Angebot  übersteigt,  spricht dennoch vieles für eine breitere und globale Einführung von Bedarfsmanagementstrategien. Diesem Ziel könnte man mit einer angemessenen Preisgestaltung bei den Serviceleistungen näher kommen.  Technologie unterstützt Transparenz und Effizienz Technologie  kann  die  Stadtverwaltungen  auf  zwei  wesentliche  Arten  unterstützen:  Technologie  erhöht  die Effizienz der Stadtverwaltung und ihre Verantwortung für die Bürger. Von zehn Befragten sind acht der Meinung, dass  ihre Stadt  in den nächsten  fünf  Jahren  immer mehr moderne  Informationstechnologie  in  ihre Verwaltung und  operativen  Abläufe  einbinden  wird.  Überdies  prophezeien  Stadtverwaltungsexperten  eher  eine  starke Fokussierung auf Digitalisierung oder E‐Government als auf die Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter (64 % ggü. 36 %).  Zudem  sehen  nicht  nur  reiche  Städte  die  Vorteile  der  Technologie.  Neu  entstehende  Städte  mit Liquiditätsproblemen  messen  E‐Government  und  Digitalisierung  fast  genau  soviel  Bedeutung  bei  wie Schwellenstädte und voll entwickelte Städte. 

 

2.2 Trends der Complete Mobility 

Die Zukunft der Mobilität wurde  im Rahmen der zuvor durchgeführten Studie zur Complete Mobility aufgerollt. Dazu wurde eine tiefgehende Analyse der bedeutenden globalen Trends durchgeführt, die sich auf die Mobilität auswirken.  Innerhalb von drei Gruppierungen wurden zwölf bedeutende Trends ermittelt. Dazu zählen: 

 

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Fallstudie Wien Vorläufige Version

MRC Europe 

Urbanization

Suburbanization

Increased disposable income

Demographic Trends

Ageing Population

Increased workforce participation

Smaller householdsEnvironmentalAwareness

Safety & Security

Scarcity of fossil fuels

Economic Trends

Personal lifestyles(expectation, needs, behavior)

Lifestyle and Social Trends

Globalization

Increased motorization

 

Abbildung 1 – Globale Trends 

 Nach einer Prognose der Weltbank wird das Pro‐Kopf‐Einkommen  in den meisten Regionen der Welt  steigen. Dieser Anstieg lässt sich nicht nur auf einen zunehmenden Wohlstand der Reichen zurückführen, sondern ergibt sich auch durch die steigenden Einkommen der mittleren und ärmeren Klassen. In den Entwicklungsländern wird das Pro‐Kopf‐Einkommen  im Zeitraum 2006  ‐ 2030 wahrscheinlich durchschnittlich um 3,1 % pro  Jahr steigen.7 Diesem  Trend  folgt  offenbar  auch Wien:  Im  Zeitraum  1995  bis  2006  stieg  das  verfügbare  durchschnittliche Einkommen von 15.800 € auf 19.400 €8. Die sich verschärfenden Finanzbedingungen untergraben jedoch zurzeit das verfügbare Einkommen in Wien ebenso wie in den Entwicklungsländern.  Als zweiten globalen Trend mit weltweiter Wirkung haben wir die Globalisierung untersucht. Seit 1980 hat sich der Welthandel effektiv verfünffacht  ‐ mit weit  reichenden Auswirkungen. Die wirtschaftliche  Integration, eine Lockerung  der  Vorschriften  und  die  verbesserte  Infrastruktur  haben  bei  den  EU‐Mitgliedstaaten  zu  einem Handelswachstum  geführt.  Durch  die  EU‐Osterweiterung  und  seine  geografische  Lage  ist  Österreich  eine attraktive Drehscheibe  für  den  regionalen Handel. Österreich  konnte  seine  Exporte  von  133,8 Milliarden US‐Dollar  in  2006  auf  162,1  Milliarden  US‐Dollar  in  2007  steigern.9  Das  Handelsvolumen  zwischen  Ost‐  und Westeuropa  lässt sich auch gut anhand des Verkehrs entlang des österreichischen Donaukorridors messen:  Im Zeitraum  1994  ‐  2007  nahm  der  grenzüberschreitende  Frachtverkehr  um  157 %  zu,  d.  h.  von  31,4 Millionen Tonnen  auf  80,7 Millionen  Tonnen, während  das  gesamte  Straßenverkehrsaufkommen  um  590 %  zunahm.10 Allein zwischen 2006 und 2007 wies das Lkw‐Verkehrsaufkommen entlang dieses Korridors einen Anstieg von 20 %  auf.11  Die  aktuelle  globale  Finanzkrise  hat  sowohl  weltweit  als  auch  in  Österreich  zu  einem  merklichen Rückgang  des  Wirtschaftswachstums  und  Handelsvolumens  geführt,  jedoch  sind  die  langfristigen Trendprognosen weiterhin positiv.  Die  wachsende  Motorisierung  mag  zwar  vielleicht  das  Ergebnis  anderer  Trends  sein,  ist  aber  auch  als eigenständiger  Trend  zu  sehen.  Die  sinkenden  Kosten  des  Autofahrens  und  die  zunehmende  Fertigung  von Billigautos wie z. B. des Tata Nano führen dazu, dass immer mehr Menschen weltweit ein Auto ihr eigen nennen. Dieser allgemeine Trend setzt sich trotz der zunehmenden Knappheit an fossilen Brennstoffen und der Instabilität der Ölpreise fort. Die in 2008 stark angestiegenen Ölpreise hatten jedoch nicht nur erhebliche Auswirkungen auf den Autoverkauf und die bevorzugten Autotypen, sondern beeinflussten auch die Entscheidung, ob man lieber in den Vororten oder näher an öffentlichen Verkehrsmitteln  leben wollte. Während auch  in Österreich die Anzahl der Autobesitzer allgemein gestiegen ist, hat sich Wien diesem Trend in gewissem Maß widersetzt. Im Zeitraum 

                                                                 7 Weltbank, Globale Konjunkturaussichten 2007 8 Statistik Österreich: Regionale Accounts 9 Economist, Austria Factsheet www.economist.com/countries/Austria/profile.cfm?folder=Profile‐FactSheet 10 http://www.donauschifffahrt.info/daten_fakten/statistiken/transportaufkommen 11 ÖIR basierend auf ASFINAG, konstante Verkehrsdatenerfassung 

6 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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2004 bis 2008 stieg in Österreich die Anzahl der Personenkraftwagen von 4.109.000 auf 4.285.00012. In Wien war die Motorisierung jedoch rückläufig. Gab es im Jahr 2001 noch 414 Autos pro 1000 Einwohner zu verzeichnen,  13 so waren es  im  Jahr 2007 nur noch 395,114  (in Österreich entfielen  in 2007 auf 1000 Einwohner 511,6 Autos). Wien  verzeichnete überdies  eine  positive Verschiebung hin  zur Nutzung  öffentlicher Verkehrsmittel: Von  den verschiedenen  Verkehrsmitteln  entfielen  in  1993  29  %  auf  öffentliche  Verkehrsmittel  und  40  %  auf Personenkraftwagen.  In  2007  entfielen  bereits  35  %  auf  öffentliche  Verkehrsmittel  und  32  %  auf Personenkraftwagen.15

 Die Urbanisierung und Suburbanisierung sind zwei Trends mit erheblichen Auswirkungen auf die Bereitstellung öffentlicher  Verkehrsmittel.  Es  ist  allgemein  anerkannt,  dass  der  Anteil  der  in  Stadtgebieten  lebenden Bevölkerung global erstmals die 50 %‐Marke überschritten hat und relativ schnell 60 % erreichen wird. Die seit langem  von  diesem  Phänomen  geprägte  Europäische  Union  hat  in  der  Tat  diese  60  %‐Marke  bereits überschritten. Trotz dieser Urbanisierung nimmt die Dichte der Städte aufgrund der Suburbanisierung und der Erweiterung des bebauten Gebiets  sogar  ab.  In den  letzten  zehn  Jahren  ging die Dichte der  Städte mit  einer Bevölkerungszahl von 100.000 und mehr in den Schwellenländern um durchschnittlich 2,2 % zurück.16 Abbildung 2  zeigt  die  Gebiete  der  Bevölkerungszunahme  und  ‐abnahme  in  Wien.  Dabei  zeichnet  sich  ein  klares Erschließungsgebiet um den Stadtkern herum und entlang der Hauptverkehrsachsen ab. 

   

Abbildung 2 – Regionale Bevölkerungsentwicklung in Österreich 2001‐2008. Quelle: ÖIR, PENDO‐Projekt.                                                                  12http://www.statistik.at/web_en/statistics/transport/road/stock_of_motor_vehicles_and_trailers/028447.html 13 UITP, Mobility in Cities Database 2005 14 http://www.wien.gv.at/english/politics/statistics/pdf/verkehr‐e.pdf 15 Stadt Wien, Smart Moves 2009 

Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 7

16 Weltbank, Die Dynamik der globalen Stadterweiterung 2005 

 

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MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 8

 

   Erschließung  findet  in Wien  in  den  Randgebieten  und  in  sogenannten  "Zwischenstädten"  statt.  Zurzeit 

lten stellen einen 

lterung  ein 

in  unterschiedlicher  Ausprägung 

sehr  verschieden. Bei  allen  Lebensstilen hat  jedoch eine Verlagerung hin  zu 

auf 

  über  die  Klimaveränderung  und ihr  

.3 Trend im Fokus: Migration 

Das Phänomen der Migration  in die Stadtgebiete  in Verbindung mit der  Landschaftszersiedelung und der  sich ergebenden Suburbanisierung war in allen Megastädten vertreten. Auch Wien ist davon betroffen. Die Migration 

                                                                

Dieentsteht z. B.  in Aspern am Nordrand von Wien ein neuer Stadtteil. Die  landschaftsverbrauchende Zersiedelung des  Stadtumlandes  ist  hier  jedoch  weitaus  maßvoller  als  in  vielen  anderen  Städten: Wien  verzeichnete  im Zeitraum 1950 bis 1990 eine Zunahme von weniger als 50 % an künstlich angelegten Gebieten.   Der Rückgang der durchschnittlichen Haushaltsgröße und die steigende Anzahl an Single‐Haushabesonders  ausgeprägten  Trend  in Westeuropa  dar.  Dabei  sind  in Westeuropa  28,9 %  aller  Haushalte  Single‐Haushalte, gegenüber  lediglich 3,1 %  in Afrika und  im Nahen Osten. Auch Österreich  folgt dieser europäischen Tendenz. Dort war bei der Anzahl der Single‐Haushalte ein Anstieg von 893.500 in 1991 auf 1.240.000 in 2007 zu verzeichnen, mit einem Rückgang der durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,54 auf 2,32 Personen.17

   Gegensatz  zu  den  unterschiedlichen  Trends  der  sich  ändernden  Haushaltsgröße  ist  die  ÜberaIm

Phänomen,  das  die  meisten  Bevölkerungen  betrifft.  Die  UN  prophezeit,  dass  bis  zum  Jahr  2050  22  %  der Weltbevölkerung 60 Jahre oder älter sein werden. In Österreich belief sich im Jahr 1998 die Anzahl der Einwohner der Altersgruppe "65 Jahre und älter" auf 15,4 % der Gesamtbevölkerung (1.224.215 Einwohner);  im Jahr 2008 waren  es  bereits  17,1 %  (1.427.625).18  In Wien wohnen  traditionell  ältere Menschen,  obgleich  in  letzter  Zeit bedingt durch den Zustrom von Menschen  jungen und mittleren Alters  in die Stadt eine gewisse "Verjüngung" stattgefunden hat.19 Zurzeit sind 22 % der Einwohner Wiens älter als 60 Jahre.  Überall  auf  der  Welt  ist  der  Anteil  der  am  Arbeitsmarkt  Teilnehmenden gestiegen. In den Industrieländern sind mittlerweile wesentlich mehr Menschen teilzeitbeschäftigt, und flexiblere Arbeitsmodelle werden  unterstützt. Weiter  steigend  ist  in  den meisten  Regionen  die  Beschäftigungsrate  von Frauen. Dies  ist  auf  die  zunehmende Bedeutung der Bildung  für  Frauen  zurückzuführen.  In Österreich  ist der Anteil der erwerbstätigen Frauen im Zeitraum 1992 ‐ 2005 von 58,9 % auf 62 % gestiegen. Auch die Beschäftigung älterer Menschen (55‐64) nahm zu.20

 ie persönlichen  Lebensstile  sind D

einer personalisierten Lebensführung und persönlicher Freiheit, Einfachheit, aber auch Luxus und Konnektivität durch neue Technologien stattgefunden. Die Internet‐ und Mobiltelefon‐Nutzung nimmt in allen Regionen zu und untermauert diese Lifestyle‐Trends. Österreich und Wien spiegeln diese technologischen Trends deutlich wider ‐ in Österreich verfügten  in 2008 54 % aller Haushalte über Breitband‐Internet (entsprechend einem Anstieg von 15,9 %  gegenüber  2004).  In Wien  liegt diese  Zahl noch  etwas höher. Überdies  verfügten  in  2008  90,4 % der österreichischen Bevölkerung über ein Mobiltelefon. In 2007 tätigten 27 % der Bevölkerung Online‐Einkäufe.   Schutz  und  Sicherheit  sind  ebenfalls  von  großer  Bedeutung,  im  Hinblick  auf  Verkehrsunfälle  ebenso wie Verbrechen oder Terrorismus. Die Menschen  in Wien und auf der ganzen Welt stellen  in vielen Bereichen  ihres Lebens immer höhere Erwartungen an Sicherheits‐ und Schutzmaßnahmen.   Schließlich  herrscht  weltweit  Einigkeit  und  ein  allgemeines  VerständnisNachhaltigkeit. Hieraus ergibt sich eine zunehmende Bereitschaft der Bevölkerung,   Verhalten zu ändern und damit ihre Auswirkung auf unseren Planeten mindern. Die Stadt Wien ergreift in jedem Fall positive Schritte, um ihre  Auswirkung  auf  die  Umwelt  zu  reduzieren,  z.  B.  durch Maßnahmen  zur  Verbesserung  der  Luftqualität, Abwasserentsorgung und Abfallbehandlung. Wien sieht sich selbst als Vorbild für eine umweltbewusste Stadt.21

 

2

 17http://www.statistik.at/web_en/statistics/population/households_families_living_arrangements/032308.html 18http://www.statistik.at/web_en/statistics/population/population_stock_annual_and_quarterly_data/population_structure/028626.html 19 European Urban Audit, State of European Cities Report (Bericht über den Zustand der Europäischen Städte) 2007  20  Europäische  Kommission,  Erwerbstätigkeit  in  Europa  2006  &  Eurostat.  (Der  Beschäftigungsanteil  stieg  bei  älteren Arbeitnehmern von 29,1 % in 1996 auf 38,6 % in 2007).  21 http://www.wieninternational.at/en/node/3621 

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in W ist erheblich,  führt zu einem ien  hohen Anteil an ausländischen Einwohnern und damit  zu einer weiteren Zunahme  der  Bevölkerungszahl.22  Abbildung  3  verdeutlicht  die  Konzentration  von  Menschen  ausländischer Herkunft in Wien.  

 

Abbildung 3 – Bevölkerung ausländischer Nationalität zum 1.1.2008  

 Laut Statistik Österreich lag der Ausländeranteil der Wiener Einwohner in 2008 bei 19,8 %. Dieser Ausländeranteilund d  2007 war eine Nettomigration von 

545 und damit eine Zunahme von 25,4 % gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen.23  

  auptsächlich  wegen  der 

tballungsraum  darstellt,  sind  es  2,5  Millionen  Menschen.  Dies  führt  zu  Problemen  bei  Steuerung  und Verkehrsmanagement, die nachstehend untersucht werden. 

                                                                

 ie Migrationsrate sind  in den  letzten Jahrzehnten ständig gestiegen.  In

+12. Ein hoher Anteil der Migranten in Wien stammt aus dem früheren Jugoslawien (35 %) und aus der Türkei (12 %), aber  auch  die  Anzahl  der  Migranten  aus  der  Europäischen  Union  nimmt  zu.  Insbesondere  die  Anzahl  der Migranten  aus  Deutschland  ist  mit  11,6  %  pro  Jahr  hoch.24  Migranten  kommen hBeschäftigungs‐  und  Bildungsmöglichkeiten  nach  Österreich.  Dank  ihrer  zentralen  Lage  in  der  erweiterten Europäischen  Union  ist  die  Stadt  Wien  zur  regionalen  Handelsdrehscheibe  geworden.  Dies  schafft  weitere Anreize für internationale Unternehmen, sich in Wien anzusiedeln. Ebenso wie der Rest des Landes hat Wien die Immigration durch vorübergehende Quoten  für Arbeitnehmer und durch Verbote  für selbständige Handwerker eingeschränkt.25 Mit dem Ablauf dieser Beschränkungen  im  Jahr  2011 wird  sich  jedoch die Beschränkung der Immigration  als  sehr  viel  schwieriger  erweisen.  Die  Universitäten  von  Wien  bieten  einen  zusätzlichen Anziehungspunkt: In 2005/2006  lag der Anteil der ausländischen Studierenden an den Wiener Universitäten bei fast 20 %.26

 Natürlich  haben  die  Migration  und  Bebauung  der  Stadt  wie  in  Abschnitt  2.2  erörtert  und  in  Abbildung  2 dargestellt zur Suburbanisierung geführt. In Wien selbst leben 1,6 Millionen Menschen; in der Region, in der Wien en  Haupd

(Governance)

 22  Statistik Österreich, Österreich: Daten,  Zahlen  und  Fakten  2008  zeigt,  dass  die  Bevölkerungszunahme  in Österreich  fast ausschließlich auf die Migration zurückzuführen  ist  ‐ die Geburten‐ und Sterberate  (natürliche Bevölkerungsentwicklung)  ist beinahe gleich.  23Stadt Wien, Wien in Zahlen, 2008 24 Statistik Österreich, Statistik des Bevölkerungsstandes 25 Reuters, Habsburg reloaded? Immigrants set to swell Vienna April 2007 26 http://www.wieninternational.at/en/node/3542 

9 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 10

 

 

2.4 Von den Trends zum Konzept 

Die zwölf vorstehenden globalen Trends stellen keine vollständige Aufstellung dar. Sie entsprechen  jedoch den aupttrends,  die  nach  unseren  Ermittlungen  den  größten  Einfluss  auf  die Mobilität  und  den  Verkehrsbedarf 

n.  igrationstrend  hinzu.  Zwischen  diesen  Trends  bestehen  komplexe Reihe  von  Konsequenzen  für  und  Anforderungen  an  die  zukünftige 

z

d

er Antwort auf künftige Mobilitätsbedürfnisse: "Complete Mobility". 

 einfach die Möglichkeit aben möchten,  ihren eigenen Lebensstil mit minimalen Einschränkungen zu wählen. Dieses Beispiel zeigt, dass 

  auch  als  Anlass  für  segmentierte arktangebote angesehen werden, die gewährleisten, dass diese wachsende Gruppe entsprechende Angebote 

Hhabe Bei  Wien  kommt  noch  der  MWechselwirkungen,  die  zu  einer  ganzen Mobilität  führen.  Das  ganze  Ausmaß  dieser  Konsequenzen  wird  erst  dann  ersichtlich,  wenn  die Synergiebeziehungen dieser Trends berücksichtigt werden. Die Urbanisierung  stellt beispielsweise als  isolierter Trend  die  Städte  vor  eine  Herausforderung,  da  sie  zu  einem  erhöhten  Bedarf  an  Personen‐  und Frachtbeförderungsleistungen im zentralen städtischen Bereich führt. Die Verbindung dieses Trends mit dem der Suburbanisierung ergibt eine gan  andere Herausforderung. Wenn eine Stadt sowohl von der Urbanisierung als auch von der Suburbanisierung geprägt  ist, muss das Management auf  folgende Aspekte ausgerichtet werden: die  Erhöhung  der  Beför erungskapazität  sowohl  im  Zentrum  selbst  als  auch  außerhalb  des  Zentrums,  die Erhöhung der Verfügbarkeit  radialer Bewegungsmuster, da Menschen von Vorort  zu Vorort  sowie vom Vorort zum Zentrum befördert werden müssen, und die Erfüllung der Erfordernisse komplexer Reisemuster und Fahrten. In  ähnlicher Weise  dürfte  jede  mögliche  Kombination  von  Trends  zu  einer  neuen  Aufgabenstellung  für  die Mobilität führen.   Die nachstehende Abbildung 4 zeigt beispielsweise vier Trends, um  in vereinfachter Form darzustellen, wie aus Trends Mobilitätsbedürfnisse werden.  Diese  Beziehungsanalyse wurde  für  alle  Trends wiederholt  und  führte schließlich zu unser Es wurde  festgestellt, dass  sich  in Wien und weltweit die Erwartungen der Bevölkerung geändert haben. Man möchte  in der Lage sein, seinen eigenen, "personalisierten Lebensstil" zu wählen. Es geht hier nicht darum, für welchen Lebensstil sich die Menschen letztendlich entscheiden, sondern darum, dass siehMobilität und Verkehrssysteme zunehmend in der Lage sein müssen, den Menschen die gewünschte Lebensweise auch möglich zu machen. Unser Vorschlag ist eine gewisse Segmentierung des Verkehrsmarketings. Dazu können vielleicht verschiedenen Gruppierungen unterschiedliche Anreize geboten werden. Auf diese Weise werden den Menschen die Möglichkeiten geboten, mit denen  sie  ihren persönlichen Lebensstil verwirklichen können. Zwei fundamentale Bausteine des Konzepts der Complete Mobility sind daher eine "fahrgastorientierte Mobilität" und eine Mobilität,  die  einen  "flexibleren  Lebensstil"  ermöglicht.  Eine  Segmentierung  der Marktangebote  ist  eine Methode,  mit  der  diese  Bausteine  in  die  Realität  umgesetzt  werden  könnten.  Dasselbe  gilt  für  jedes  der benannten Beispiele: Ein Trend  (oder eine Kombination von Trends) erzeugt einen Mobilitätsbedarf; Complete Mobility bietet eine Vision, die Lösungen für diese Bedürfnisse vorantreibt.   In Abbildung 4 sind zwei Aspekte besonders zu beachten: Erstens handelt es sich hier nur um einige Beispiele, die keine  Wechselwirkung  zwischen  den  Trends  zeigen.  Zweitens  begründen  verschiedene  Trends  oft  ähnliche Mobilitätsanforderungen.  Eine  alternde  Bevölkerung  kann  beispielsweiseMerhält und somit ihre Nutzung des Verkehrsnetzes entsprechend gefördert wird.        

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MRC Europe 

Trends Mobilitäts‐bedarf 

Bedarfsorien‐tierter 

Transport 

Suburbani‐sierung 

Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 11

 

 

 

Complete Mob

ility 

Globalisie‐rung 

Effizientes Logistik‐

management

Persönliche Lebensstile 

Segmentierte Markt‐

angebote

Alternde Bevölkerung 

Zuverlässige Sicherheits‐maßnahmen

Effizient

Nachhaltig

Fahrgast‐orientiert – werthaltig 

und lückenlos 

Abbildung 4 – Von den Trends zum Konzept 

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3 WARUM WIEN ALS FALLSTUDIE? 3.1 Mobility­Index  

In der von Siemens in 2008 durchgeführten Studie zur Complete Mobility (wie im Magazin "Como" veröffentlicht) wurde  der  Index  für  Complete  Mobility  vorgestellt.  Mit  diesem  Index  sollte  im  Rahmen  eines  weltweiten Städtevergleichs ein Überblick über den Umsetzungsstand der Complete Mobility gegeben werden. Er setzt sich aus 11 quantitativen und qualitativen  Indikatoren  zusammen, darunter Maßnahmen  zur  lokalen und externen Konnektivität,  externe  Effekte  und  Finanzen.  Die  Daten  für  die  quantitativen  Indikatoren  stammen  aus  der Datenbank "Millenium Cities" von UITP, die Daten aus dem Jahr 1995 verwendet. Zur Beurteilung der qualitativen Indikatoren  wurde  ein  internationales  Expertenteam  eingesetzt.  Für  jeden  Indikator  wurden  Scoring‐Anmerkungen erarbeitet, um die Bewertung  jeder Stadt auf einer Skala von 1 bis 6  zu erläutern, wobei 1 der schlechtesten und 6 der besten Position  im Hinblick auf die Mobilität entspricht. 46 Städte weltweit wurden an allen  11  Indikatoren  gemessen,  und  ein  durchschnittliches  Scoring  wurde  für  jede  Stadt  errechnet27.  Dieses Endergebnis wurde dann dem Pro‐Kopf‐BIP jeder Stadt gegenübergestellt.  In  der  sich  ergebenden,  in  Abbildung  5  dargestellten  Grafik  werden  drei  Gruppierungen  von  Städten hervorgehoben: 

1. Probleme mit der Bewältigung – diese Gruppe besteht aus Städten mit einem geringen Pro‐Kopf‐BIP. Diese Städte bieten nur grundlegende Verkehrs‐ und Mobilitätsmöglichkeiten. 

2. Gefährdet  – diese Kategorie umfasst  viele  entwickelte  Städte,  in denen  eine hohe Abhängigkeit  vom Privatfahrzeug besteht, der Energieverbrauch hoch ist und die Mobilitätskosten stark ansteigen.  

3. Spitzengruppe  –  Städte  in  dieser  Gruppe  haben  in  punkto  Mobilität  für  ihr  BIP‐Niveau  ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielt.  

 

 

Abbildung 5 – Erster Mobility‐Index 2008 

 Wie  in Abbildung 5 dargestellt, konnte Wien  in diesem ersten  Index ein sehr gutes Ergebnis erzielen. Die Stadt erzielte  im Bereich Mobilität 5.0 von maximal 6.0 Punkten und belegte gemeinsam mit Tokio den dritten Platz. Nur Amsterdam und Zürich punkteten höher.  Wien erreichte bei allen  Indikatoren ein durchgängig gutes Ergebnis. Bei 3 der 11 Indikatoren erzielte Wien die höchstmögliche  Punktzahl.  Dazu  zählten:  Straßeninfrastruktur,  Energieintensität  und  Verkehrskosten.  Bei  den 

                                                                 27 Der Geltungsbereich der Indikatoren und die Definition dieser Indikatoren stehen selbstverständlich zur Diskussion, basieren aber auf einer sachverständigen Beurteilung und Prüfung. 

12 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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verbleibenden  8  Indikatoren  erreichte  Vienna  jeweils  zwischen  vier  und  fünf  Punkten.  Von  den  beurteilten Städten war Wien eine der Städte mit den gleichmäßigsten Ergebnissen. Einige der bewerteten Städte erreichten die gleiche Anzahl an Bewertungen mit 6 Punkten wie Wien, wurden aber auch dann bei einigen Indikatoren nur mit 2 oder 3 bewertet und  lieferten daher eine unterschiedliche Leistung mit erheblichen Schwächen, die den Stärken entgegenwirken. Keine der von Wien erreichten Punktzahlen lag unter 4, was die solide ganzheitliche und integrierte Leistung der Stadt widerspiegelt.   Wien  hat  auch  die mit  dem Wachstum  einhergehenden  Bedürfnisse  gut  bewältigt.  Dies  ist  wichtig,  da  das Migrationsmanagement ein zentrales Thema für Städte in der ganzen Welt darstellt. Durch die Migration nehmen nicht nur die Gesamtanforderungen an die Infrastruktur zu, sondern es ändert sich auch – aufgrund der stärkeren Landschaftszersiedelung  und/oder  höheren  Dichte  in  bestimmten  Stadtvierteln  (oft  Gebiete  mit  geringeren Immobilienpreisen) – die urbane Stadtform.   

3.2 Wien als Best Practice 

Die  Position  von  Wien  im  globalen  Index  von  2008  bedarf  näherer  Erklärung.  Angesichts  der  weltweit fortschreitenden  Globalisierung  suchen  Entscheidungsträger  zur  Bewältigung  ihrer  Probleme  nach  bewährten Lösungen. Es gibt  jedoch kein Patentrezept für Erfolg. Die führenden Städte  im Mobility‐Index – und dazu zählt Wien  –  haben  etliche  Jahre  hart  gearbeitet,  um  ihren  aktuellen  Status  zu  erreichen.  Städte mit  einem  guten Ergebnis hatten auch im Hinblick auf ihre geografische Lage ein bisschen Glück und konnten vom Wissen anderer Städte profitieren. Aber auch sie haben auf ihrem Weg Fehler gemacht.   Dieser offensichtlich  stark vereinfachende  Index  ist darauf angelegt, weitere Einsichten vermitteln. Wir  freuen uns, Ihnen solche Einsichten anhand der Mobilitäts‐Erfolgsgeschichte der Stadt Wien bieten zu können.  Diese  für  Wien  durchgeführte  Studie  soll  den  Lernprozess  vereinfachen  und  andere  Städte  entsprechend unterstützen. Mit seiner Position  im  Index bietet Wien  im Hinblick auf Best Practices  for urbane Mobilität eine interessante Lernerfahrung. Best Practices können eine neue Fern‐ und Nahverkehrsinfrastruktur, zielgerichtete Initiativen oder neue Entscheidungsansätze beinhalten. Im Rahmen der im Auftrag von Siemens durchgeführten Untersuchungen der Complete Mobility wurden mehrere solcher Best Practices im Zusammenhang mit Complete Mobility ermittelt. Diese Maßnahmen und Initiativen können Städte dabei unterstützen, eine bessere Position im globalen Mobility‐Index  zu  erreichen  und  sind  für  diese  daher  von  großem  Interesse. Millionenstädte  oder kleinere Regionalzentren: Best Practices können eine Änderung der Denkweise bewirken und einen positiven und produktiven Wandel mit sich bringen.  Nähere  Angaben  zu  Best  Practices  für  Complete Mobility  und  zur  Fallstudie Wien  sind  den  nachstehenden Abschnitten zu entnehmen.     

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MRC Europe 

4 NEU ÜBERARBEITETER INDEX DER COMPLETE MOBILITY Der ursprüngliche Index der Complete Mobility wurde überarbeitet, um seine Stimmigkeit und Anwendbarkeit zu verbessern. Ziel war es, den  Index zu stärken,  indem aktuellere Daten  (von 2007/8 statt von 1995) eingepflegt und einige neue Indikatoren hinzugefügt wurden (siehe Tabelle 1). In diesem Abschnitt werden die Änderungen im  Index  der  Complete Mobility  untersucht,  die  Bewertungsmethoden werden  erläutert,  und  der  angepasste Index wird vorgestellt.  

4.1 Zusätzliche Indikatoren 

Jeder Indikator des neuen Indexes der Complete Mobility wurde aufgrund seiner Bedeutung als Teil des Konzepts der Complete Mobility ausgewählt. Ein grundlegender Aspekt dieser Studie war es, zu untersuchen, ob Wien im überarbeiteten Index ebenso erfolgreich abschneidet wie  im ursprünglichen, vorstehend angeführten Index von 2008.  Tabelle  1  zeigt  alle  Indikatoren  im  neuen  Index  sowie  die  Anpassungen  und  Ergänzungen.  Jeder  neue Indikator wird anschließend genauer beschrieben.  

Indicator No.  Name Definition / Description Measure New or Original?

1 Public transport level of serviceLevel of organisational, regulatory and modal 

integration which enhances user experience, service efficiency and urban management

Qualitative Original

2Transport management, control 

& security

Uptake of urban traffic control and security systems and their application which provide infrastructure for 

proactive management of mobilityQualitative Original

3Transport information and 

payment systems

Implementation of customer facing tools for journey planning and payment to support both trip decision 

making and city objectivesQualitative Original

4 Air transportLevel of connectivity of national and international air travel and integration of airport facilities with urban 

infrastructureQualitative Original

5 Sea transportLevel of connectivity of national and international sea travel and integration of port facilities with urban 

infrastructureQualitative Original

6 Road infrastructure Optimised provision of road space per 1000 population Road km‐lane/1000popOriginal (slightly adapted)

7 Accidents Rate of fatal accidents from transport  Fatalities/vehicle populationOriginal (slightly adapted)

8 PollutionLevel of emissions arising as a consequence of 

transportEmissions tonne/ha pa (NOx, CO2, particles) Original

9 Energy use intensity Level of energy use intensity from transport KJ/$GDP   Original

10Cost of transport provision/unit 

GDPCost of transport provision for the community Cost/GDP, (split for road and rail network) Original

11 Performance of road network Average journey time on road network% change of average journey time on road 

(during peak hours)New

12 Reliability of Rail services Reliability of rail journey time Reliability of rail journey time ‐ percentage of 

services "on time"New

13 AffordabilityAverage cost of travel as a percentage of household 

incomeAverage cost of public transport travel as 

percentage of household incomeNew

14 Dedicated Cycle lanes Level of provision of dedicated cycle lanes Dedicated Cycle Km‐lane/1000 pop New

15 Accessibility Percentage of stations with disabled access Percentage of stations with lift New  

Tabelle 1 ‐ Indikatoren 

Leistungsfähigkeit  des  Straßennetzes  –  Ein  wichtiger  Bestandteil  von  Complete  Mobility  ist  ein  effizientes Verkehrssystem sowie hohe Mobilität. Zuverlässigkeit und Änderungen der Fahrzeiten sind zwei Elemente dieser Effizienz. Für das Straßennetz wurden die Änderungen der Fahrzeiten innerhalb der letzten fünf Jahre untersucht. Um möglichst  einfach  zuverlässige  Daten  zu  erhalten, wurde  die  Durchschnittsfahrzeit  auf  einer  Strecke  ins Hauptgeschäftszentrum (in der  Innenstadt) über die meistbefahrene Straße  (in einem Umkreis von 5 bis 10 km um das Zentrum) gemessen.  Zuverlässigkeit im Schienenverkehr – Für den Schienenverkehr wurde die Effizienz über den prozentualen Anteil "pünktlicher"  Fernverkehrszüge  im  Personenverkehr  (in  der  Regel  innerhalb  von  fünf  Minuten  nach fahrplanmäßiger Ankunftszeit) ermittelt. Die Pünktlichkeit eines Systems ist ein entscheidender Faktor, wenn es darum  geht,  öffentliche  Unterstützung  zu  erhalten.  Unzuverlässiger  Service  lässt  die  Wertschätzung,  die Passagiere öffentlichen Verkehrsmitteln entgegenbringen, dramatisch sinken.  

14 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 15

 

Ausgewiesene  Fahrradwege  –  Es  wurde  festgestellt,  dass  der  ursprüngliche  Index  den  Straßenverkehr  stark berücksichtigte, während  andere wichtige  Verkehrsbereiche  jedoch  vernachlässigt wurden.  Die  Erfassung  der Bereitstellung ausgewiesener Fahrradwege trug zu einem Ausgleich dieser Bereiche bei.  Erschwinglichkeit – Complete Mobility  richtet  sich  vor allem  auf ein benutzerorientiertes Verkehrssystem, das flexiblere  Lebensstile  ermöglicht.  Ein  wichtiger  Faktor  dabei  ist  die  Sicherheit,  dass  das  Verkehrsmittel  für Reisende  bezahlbar  ist. Dies wurde  im  Index  berücksichtigt,  indem  die  durchschnittlichen  Kosten  öffentlicher Verkehrsmittel (pro km) als Prozentsatz des durchschnittlichen Haushaltseinkommens berechnet wurden.  Barrierefreiheit  –  Es  gibt  viele  Indikatoren,  die  für  die  Beurteilung  barrierefreier  Zugänge  zu  öffentlichen Verkehrsmitteln hätten verwendet werden können. Die Schwierigkeit  liegt  jedoch  in den uneinheitlichen Daten der  verschiedenen  Städte  im  Hinblick  auf  die  Indikatoren  für  den  behindertengerechten  Zugang.  Es  wurde entschieden, dass die Erfassung des Prozentsatzes der Haltestellen mit Aufzug die direkteste und verlässlichste Lösung darstellt.  Weitere  Anpassungen  – Neben  einzelnen  neuen  Indikatoren wurden  zahlreiche  alte  Indikatoren  des  Indexes aktualisiert. So hielt man es  für angemessener, die Straßenkilometer pro Fahrspur/1000 Einwohner zu messen statt einfach nur die Straßenkilometer/1000 Einwohner, denn Letzteres hätte einen Kilometer einer einspurigen Straße und einer dreispurigen Schnellstraße gleich stark gewichtet. Entsprechend wurde die Unfallzählung von Todesfällen/Einwohner zu Todesfällen/Anzahl der Fahrzeuge verändert.  Die  Daten  für  alle  15  Indikatoren  in  46  Städten weltweit wurden  von  einer  internationalen  Fachagentur  für Datenerfassung mit freundlicher Genehmigung von Siemens zur Verfügung gestellt.   

4.2 Bewertung (Scoring) 

Jede  im  Index  aufgeführt  Stadt  wurde  zu  jedem  Indikator  auf  einer  Skala  von  1  bis  6  bewertet.  Aus  den Ergebnissen  wurde  ein  Durchschnittswert  errechnet.  Eine  hohe  Punktzahl  des  zusammengesetzten  Indexes bezeichnet eine  größere Nähe  zum oben umrissenen Konzept der Complete Mobility. Eine niedrige Punktzahl steht  für  wenig  Fortschritt.  Beispiele  der  qualitativen  und  quantitativen  Scoring‐Anmerkungen  werden  im Folgenden vorgestellt.   Beispiele für qualitatives Scoring Verkehrsinformations‐ und Zahlungssysteme 

1. Sehr wenige  veröffentlichte  Informationen. Nur  am Haltepunkt  verfügbar.  Zahlung  hauptsächlich  bar beim  Einstieg,  in  der  Regel  im  Fahrzeug.  Nur  wenige  Möglichkeiten  für  den  vorherigen  Kauf  des Fahrscheins für längere Fahrten. 

2. Öffentliche Fahrpläne für Kernstrecken, Bereitstellung jedoch sehr häufig nur "bei Bedarf". Zahlung beim Einsteigen.  Offizielle  Fahrscheine  oder  Wertmarken  für  Hauptstrecken,  eventuell  erhältlich  in Geschäften/Verkaufsstellen in der Nähe der Haltestellen. Vorwiegend Barzahlung. 

3. Gedruckte  Fahrpläne  leicht  verfügbar.  Eventuell  auch  über  Webseite.  Dauerkarten  und  Karten  für längere Strecken an Bahnhöfen und  in Verkaufsstellen erhältlich, auf Wunsch vorab, Barzahlung oder Kartenzahlung. Tickets normalerweise für Einzelfahrten, Tagestickets/Dauerkarten für einzelne Strecken oder Betreiber erhältlich. 

4. Breite  Verfügbarkeit  von  Fahrplänen  und  Streckeninformationen,  auch  online.  Informationen  häufig beschränkt  auf  einzelne  Betreiber  oder  Verkehrsmittel.  Einige  Echtzeitinformationen  für  einzelne Systeme (z. B. Wartezeiten an Haltestellen, freie Parkplätze). Alternative Zahlungssysteme einschließlich Internet, Mobiltelefon u. a., jedoch beschränkt auf einzelne Strecken.  

5. Breite Verfügbarkeit von Informationen für Reiseplanung unabhängig von Verkehrsmittel oder Betreiber, online  und  an  öffentlichen  Stellen.  Innerstädtisches  Verkehrsleitsystem  zur  Bereitstellung  von Echtzeitinformationen  für  Nutzer.  Internet‐,  SMS‐  und  Smartcard‐Tickets  für  umfassende Bedarfsdeckung  bei  einzelnen  Verkehrsmitteln.  Zahlungssysteme  sind  nicht  immer verkehrsmittelübergreifend integriert.  

6. Umfassende  Reiseplanungsinformationen  mit  Echtzeit‐Systemleistung  und  für  alle  Arten  von Verkehrsmitteln.  Informationen zu Kosten  (einschließlich der Umweltwirkung) und Zahlungsweisen  für 

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MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 16

 

ganze  Fahrten  und  viele  verschiedene  Zahlungsmöglichkeiten.  Zahlungssysteme,  die  Anreize  zur Maximierung der Effizienz und der allgemeinen sozialen Leistungen ermöglichen.  Erreichte Punktzahl von Wien = 5  

    Luftverkehr  Indikator  enthält  eine  Bewertung  von:  Erreichbarkeit  des  Flughafens,  Terminaleinrichtungen  (einschließlich Fracht), Einrichtungen auf der "Luftverkehrsseite" (Airside) des Flughafens einschließlich ATC (Flugkontrolldienst); angeflogene Ziele 

1. Keine ausgewiesene Verkehrsanbindung am Boden; möglicherweise lange Fahrzeiten. Minimale Kunden‐ und Airside‐Einrichtungen. Nur wenige internationale Ziele. 

2. Verkehrsanbindung  am  Boden  leicht  überlastet/lange  und  nicht  vorhersehbare  Fahrzeiten.  Wenige Kundeneinrichtungen.  Hauptsächlich  innerkontinentale  internationale  Ziele,  wenige  weltweite Stadtziele. 

3. Ausgewiesene  Verkehrsanbindung  am  Boden mit  angemessen  vorhersehbaren  Fahrzeiten.  Adäquate Terminaleinrichtungen, wenn auch Überfüllung möglich; adäquate Airside‐Einrichtungen. Angemessene Auswahl internationaler und nationaler Ziele. 

4. Ausgewiesener,  schneller,  staufreier  öffentlicher  Verkehrsanschluss  ins  Geschäftszentrum. Hochwertige(s)  Terminal(s),  wenn  auch  überfüllt  und  eventuell  komplex  mit  übermäßig  langen Transferzeiten.  Am  Flughafen  kommt  es  in  Stoßzeiten  zu  Airside/ATC‐Verspätungen.  Gute  Auswahl internationaler und nationaler Ziele. 

5. Ausgewiesene, schnelle öffentliche Verkehrsanschlüsse mit lokalen Systemen einschließlich Information, Fahrscheinverkauf,  Netzmanagement,  usw.  Hochwertige  Terminals mit  angemessenen  Einrichtungen und  guten  Anbindungen  an  Transfer  und  Zugänge.  Gute  Airside‐Anlagen,  die  die  größten  Flugzeuge abfertigen können. Große Anzahl internationaler und nationaler Ziele. 

6. Hohe  Qualität  mit  guten  Einrichtungen.  Nationaler  Flugverkehr  vollständig  mit  anderen  nationalen Verkehrsmitteln  integriert,  um  optimale  Reisemöglichkeiten  im  Hinblick  auf  größere  wirtschaftliche, ökologische und andere Zielsetzungen zu gewährleisten. 

 Erreichte Punktzahl von Wien = 4 

 Beispiele für quantitatives Scoring Tödliche Unfälle  

Todesfälle/1000 Fahrzeuge Beschreibung  Punktzahl >0,3 Extrem hohe Rate  1 

(0,3 – 0,1)  Sehr hohe Rate  2 (0,1 – 0,06)  Hohe Rate  3 (0,06 – 0,04)  Mittlere Rate  4 (0,04 – 0,025)  Niedrige Rate  5 

<0,025  Sehr niedrige Rate  6  Erreichte Punktzahl von Wien = 5 

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MRC Europe 

 Straßeninfrastruktur  

Straßen‐km‐Spur pro 1000 Einwohner Beschreibung  Punktzahl (0 – 0,25) Minimale Infrastruktur  1 (0,25 – 0,5)  Sehr niedrige Bereitstellung  2 

Niedrige Bereitstellung und übermäßige Bereitstellung 

(0,5 ‐ 0,75) und (>3)  3 

Mittlere Bereitstellung und sehr hohe Bereitstellung 

(0,75 ‐ 1) und (2 ‐ 3)  4 

Gute Bereitstellung & hohe Bereitstellung 

(1 – 1,5) und (1,75 – 2)  5 

(1,5 – 1,75)  Optimale Bereitstellung  6  Erreichte Punktzahl von Wien = 6  

Alle Scores von Wien können in der späteren Erläuterung zur Leistung der Stadt eingesehen werden – Abschnitt 6 und Tabelle 2.  

4.3 Index für Complete Mobility 

Abbildung 6 zeigt den aktualisierten Index. Wie im ursprünglichen Index steht Zürich an erster Stelle. Amsterdam, das  ursprünglich  auf  Platz  2 war,  fiel  auf  Platz  4  zurück  und wurde  durch München  ersetzt. Wien  hat  zum wiederholten Mal sehr gut abgeschnitten und behält seinen dritten Platz. Die entsprechende Mobility‐Rangfolge ist in Abbildung 7 dargestellt. 

Amsterdam

Athens

Bangkok

Barcelona 

Beijing

Berlin

Buenos Aires

Cairo

Chicago

Copenhagen 

DelhiDhaka

Dubai

Ho Chi Minh City

Istanbul 

Jakarta

Johannesburg & East RandKarachi

Kolkata

Lagos

London Los Angeles

Melbourne 

Metro Manila

Mexico City

Moscow 

Mumbai

Munich 

New York

Paris 

Phoenix

Prague 

Rio de Janeiro

Rome 

Ruhr 

Sao Paulo

Seoul

Shanghai

Singapore

St Petersburg 

Sydney

Tehran

Tokyo

Toronto

Vienna 

Zurich 

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

0 1 2 3 4 5

GDP pe

r Capita (USD

)

Mobility Score

Complete Mobility Index

6

Group I ‐ "Struggling to Cope"

Group II ‐"At Risk"

Group III ‐"Best in Class"

 

Abbildung 6 – Aktualisierter Mobility Index 2009 

17 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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MRC Europe 

0

1

2

3

4

5

6

Zurich

 

Mun

ich 

Vien

na 

Amsterdam

Ruhr 

Berlin

Paris 

Barcelon

Tokyo

Shanghai

Lond

on 

Cope

nhagen

 

Singapore

Beijing

Seou

l

Toronto

Melbo

urne

 

New

 York

Chicago

Sydn

ey

Rome 

Athen

s

Metro Manila

Phoe

nix

Sao Paulo

Istanb

ul 

Los A

ngeles

Prague

 

Rio de

 Jane

iro

St Petersburg 

Buen

os Aires

Bangkok

Johann

esbu

rg & East Rand

Moscow 

Dub

ai

Delhi

Karachi

Tehran

Jakarta

Mum

bai

Mexico City

Cairo

Ho Ch

i Minh City

Kolkata

Lagos

Dhaka

Mob

ility Score

Complete Mobility Ranking

 

Abbildung 7 – Städterangfolge mit aktualisierter Mobilitätsbewertung 

Beim Vergleich des neuen Indexes mit dem ursprünglichen wird deutlich, dass die positive Korrelation zwischen Pro‐Kopf‐BIP und erzielter Mobilitätsrate weiterhin gilt.   Obwohl  sich  die  Beziehungen  nicht  geändert  haben,  haben  sich  die  einzelnen  Städte  vertikal  und  horizontal verschoben. Für eine vertikale Bewegung gibt es  zwei mögliche Erklärungen: eine  reale Veränderung des Pro‐Kopf‐BIP  oder  eine  höhere  Datengenauigkeit.  So  war  Dubai  ursprünglich  nah  an  der  Trendlinie  in  Gruppe  I platziert, mit  einem  BIP  pro  Kopf  von  19,473  $  im  Jahr  2005.  Es  scheint,  dass  diese  aus  der Datenbank  der Kommunalbehörden  stammende  Zahl  unter  der  tatsächlichen  Zahl  für Dubai  in  jenem  Jahr  lag.  Zudem weist Dubais Wirtschaft  inzwischen hohe Wachstumsraten auf, und das BIP pro Kopf  ist gestiegen. Die Kombination dieser beiden Faktoren hat für Dubai zu einem erheblichen Sprung nach oben geführt. Die  im Bereich Mobilität erreichte  Punktzahl  der  Stadt  ist  jedoch  nicht  im  Einklang  mit  diesem  Wachstum  gestiegen,  was  zur Wegbewegung von der Trendline führte. Für andere Städte, die eine vertikale Verschiebung erfahren haben,  ist höhere Datengenauigkeit wahrscheinlich ebenfalls der vorherrschende Faktor. Einige Städte im Diagramm haben sich sogar vertikal nach unten verschoben.  In den meisten Fällen  ist es  jedoch sehr unwahrscheinlich, dass dies aufgrund eines real niedrigeren BIP pro Kopf geschah. Dies ist der Fall bei Wien, wo wir davon ausgehen, dass das neue, niedrigere BIP weitaus genauer ist als die ursprüngliche Zahl.  Auch die horizontale Bewegung ist wahrscheinlich das Ergebnis zweier Faktoren: zunächst findet sie aufgrund von Veränderungen bei Indikatoren und Scoring statt, aber eine höhere Datengenauigkeit kann auch hier ein Faktor sein. Die Zahl der Indikatoren im überarbeiteten Index ist 15 im Vergleich zu lediglich 11 im ursprünglichen Index. Allein  dieser  Umstand  erklärt  einige  der  allgemein  festgestellten  Abwärtsbewegungen  bei  den  Mobility‐Ergebnissen. Der Index gibt vor, dass 6 ein relativ schwer zu erreichender Wert sein sollte und daher nur wenige Bewertungen  mit  6  vergeben  werden.  Dadurch  kann  der  Durchschnittswert  bei  einer  im  Ganzen  größeren Indikatorenzahl leicht niedriger liegen. Weiterhin könnte es sein, dass eine Stadt bei einem der neuen Indikatoren sehr gut (oder sehr schlecht) abschneidet, was eine deutliche Auswirkung auf das Endergebnis hat.  Datenverbesserungen werden  als  Erklärung  für  sowohl  vertikale  als  auch  horizontale  Bewegungen  angeführt. Diese wiederum ergeben sich größtenteils aus der Verwendung einheitlicherer Definitionen für den Stadtbereich. Die Datenerhebungsgesellschaft konnte zudem Daten aus einer Reihe solider Quellen gewinnen.  

18 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 19

 

Auch fällt auf, dass die Städtegruppierungen weitgehend vergleichbar sind mit den alten Gruppierungen; in jeder Kategorie  befinden  sich  die  gleichen  Städte.  Gruppe  II  setzt  sich  beispielsweise  hauptsächlich  aus nordamerikanischen und australischen Städten zusammen, die allgemein als Städte mit einem Überangebot an Straßeninfrastruktur,  hoher  Energieintensität  und  hoher  Verschmutzung  gelten  und  ein  öffentliches Verkehrssystem  haben,  das  dem  Standard  in  anderen  Städten  nicht  entspricht. Der Gruppentitel  "Gefährdet" trifft weiterhin zu.   Es sollte berücksichtigt werden, dass die Segmentierung des  Indexes für Complete Mobility auf Fachwissen und fachlichem Verständnis basiert. Durch ein Clustering auf der Makroebene werden breit gefasste Gruppierungen geschaffen, allerdings wird es wie bei  jedem  Index auch  immer Städte geben, die an der Grenze zwischen zwei Gruppen liegen.   

4.4 Anwendung der Ergebniss 

Dieser Bericht beschreibt die Situation von Wien. Die Stadtdaten sowie der Index für Complete Mobility werden verwendet,  um  die  bisherige  Entwicklung  und  das  Zukunftspotenzial  der  Stadt  nachzuvollziehen.  Die  Daten wurden um Erkenntnisse aus tiefgreifenden Untersuchungen der Stadt sowie aus Interviews und Workshops mit den Hauptverantwortlichen der Stadt ergänzt.   Das  sich hieraus ergebende Bild  ist das einer  integrierten  Stadt: einer  Stadt mit  integrierten  Strategien, einer Stadt, die im Besitz integrierter Schlüsselfunktionen ist und einer Stadt, die lokales Wissen und Best Practices auf europäischer und globaler Ebene erfasst und kombiniert.   Fest  steht,  dass  Wien  berühmte  und  weltweit  anerkannte  Best‐Practice‐Beispiele  vorzuweisen  hat  (wie  die niedrigste  Niederflurbahn  der  Welt).  Die  eigentliche  Stärke  der  Stadt  liegt  jedoch  in  ihren  durchgängigen, harmonischen und vollständig integrierten Strategien und Projekten.     Es scheint, als spiegele die Stadt ihr eigenes musikalisches Erbe wider: Während viele Orchester einen einzelnen Star  in  ihren  Reihen  haben,  haben  andere  die  größte  Bandbreite  an  Instrumenten  und  die  am  besten aufeinander eingespielten Musiker, die eine durchgängig gute Leistung gewährleisten. Aus demselben Grund gilt Wiens Mobility‐Orchester als eines der besten der Welt. 

 

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5 WIEN: GRUNDLAGEN DER COMPLETE MOBILITY Die  vorstehenden  Abschnitte  haben  gezeigt,  dass Wien  als  globales  Beispiel  für  Best‐Practices  für  Complete Mobility  dienen  kann.  Eine  Analyse  der  Ergebnisse  individueller  Aspekte  der  von  der  Stadt  im  Rahmen  des Indexes erzielten Leistung erfolgt in Abschnitt 6. In diesem Abschnitt wird jedoch beschrieben, auf welche Weise eine solche solide Basis in Wien historisch gelegt wurde.  

5.1 Complete Mobility ­ Grundlagen für den Erfolg 

Der  Index  für  Complete Mobility  beschreibt  von  seiner  Konzeption  her  einen Weg:  einen Weg  von  einem schlechten zu einem Mobilitätssystem der Spitzenklasse. Eine diesem Weg entsprechende Typologie der Städte wurde in Abschnitt 3.1 beschrieben und in Abbildung 5 dargestellt.   Städte, die sich mit dem  Index befassen, werden sich offensichtlich  ihre eigene Position anschauen und wissen wollen, was diese Position über ihr eigenes Mobilitätssystem aussagt und wie sie in der Zukunft vorgehen sollten. Städte wie Wien, die mit einem sehr guten Ergebnis aufwarten können, werden ebenfalls in die Zukunft blicken, aber gegebenenfalls auch darüber nachdenken, wie  sie  ihre gute Position erreicht und welche Grundlagen  sie bereits in der Vergangenheit gelegt haben.   Nach der Typologie der in Abschnitt 3.1 betrachteten Städte gibt es drei Gruppierungen. Die Städte der Kategorie "Probleme  mit  der  Bewältigung"  weisen  ein  Defizit  in  der  grundlegenden  Infrastruktur  und  häufig  eine unausgewogene  intermodale Abdeckung auf. Die Städte der Kategorie "Gefährdet" haben gewöhnlich zwar die Löcher gestopft, verfügen aber nicht über die ausgewogenen Strategien und über das  integrierte Management der Infrastruktursysteme, die für eine Reduzierung der extremen Abhängigkeit vom Kraftfahrzeug und des hohen Energieverbrauchs erforderlich wären. Zur Spitzengruppe gehörende Städte wie Wien haben es geschafft, eine vollständige  Reihe  an  intermodalen  Mobilitätsinfrastrukturen  zu  entwickeln.  Sie  sind  in  der  Lage,  über  ein angemessenes Management Nachfrage und Angebot aufeinander abzustimmen.   Der  Index  für  Complete Mobility  enthält  Vorschläge  zu wesentlichen  Eingriffen  und  Infrastrukturen,  die  den Städten dabei helfen  sollen,  ihre entsprechende Position zu verbessern. Abschnitt 7 enthält konkrete,  in Wien angewendete  Beispiele;  bevor  jedoch  die  historische  Entwicklung  von Wien  betrachtet wird  (5.2),  sollten  die wichtigsten Hebel für eine Verbesserung der Position untersucht werden, die sich aus dem Index selbst ergeben.   Die  Complete Mobility‐Hebel,  die  den  Städten  am  untersten  Ende  des  Index  helfen werden,  ihre  Position  zu verbessern,  sollen  Infrastrukturlücken  schließen und  intermodale Verknüpfungen herstellen. Dies wird anhand folgender Beispiele dargestellt:  

Weitere urbane Infrastrukturentwicklung ‐ insbesondere öffentliche Verkehrsmittel  Verkehrslenkung und ‐kontrolle  Besseres Logistikmanagement  Verbesserte Anbindung an Häfen und Flughäfen  Bessere Anbindung an wesentliche (inter)nationale, wirtschaftlich relevante Ziele  Erschwingliche Beförderung für alle 

 Die  übergeordneten  Hebel,  die  die  Städte  im mittleren  Bereich  des  Indexes  dabei  unterstützen,  zu  "Best‐In‐Class"‐Modellen für zukünftige Mobilität zu werden, fokussieren weitaus stärker auf integrierten Strategien und Managementsystemen  sowie  auf  der  Entwicklung  von  flexiblen,  bedarfs‐  und  kundenorientierten Dienstleistungen. Dies wird anhand folgender Beispiele dargestellt:  

Strategische Maßnahmen für das Stadtgebiet mit höherer Dichte  Bessere Verkehrslenkung und ‐kontrolle  Bereitstellung öffentlicher Verkehrsmittel mit intermodalen Umsteigemöglichkeiten  Bedarfsorientierte Beförderung   Verbesserte  Verkehrseffizienz  –  einschließlich  Preisgestaltungsmaßnahmen  und  Bereitstellung  von 

Verbraucherinformationen   Energieeffizienz, Technologien zur Reduzierung der Verschmutzung 

  

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In Wien waren nach Meinung der lokalen Stakeholder mehrere Faktoren bei der Schaffung der Voraussetzungen für Wiens aktuelle Position im weltweiten Index entscheidend. Diese sind mit den Hebeln für Veränderungen bei Complete Mobility eng verknüpft und werden nachstehend besprochen.    

5.2 Wien – Grundlagen für den Erfolg 

Die Stakeholder in Wien haben mehrere Faktoren genannt, mit denen die Grundlagen für den aktuellen Erfolg der Stadt geschaffen wurden. Abbildung 8 enthält eine nicht vollständige Liste der von den Stakeholdern genannten wesentlichen  Faktoren  und  Ereignissen.  Die  Hauptfaktoren  werden  in  einen  Planungs‐  und  Strategiekontext gesetzt,  der  nach  Ansicht  der  Stakeholder  von  übergeordneter  Bedeutung  ist:  solide  politische  Vision  der Mobilität,  integrierter  Planungsansatz.  Beide  unterstützen  die  vorstehend  beschriebenen  Hebel  für Veränderungen.   Solide politische Vision  Während  in  vielen  anderen  Städten beträchtliche  "Schwankungen"  in der politischen  Führung  zu  verzeichnen waren,  die  das  Thema  "Mobilität"  als  "politischen  Fußball"  benutzte,  herrschte  in Wien  stets  ein  politischer Konsens  über  die  Bedeutung  eines  ausgewogenen,  integrierten  und  benutzerfreundlichen  Stadt‐  und Mobilitätsystems. Im Zeitraum 1984 ‐1994 wurde das Netz der Fahrradwege entwickelt und das Nachtfahrverbot (23:00 bis 05:00 Uhr) für Lkw über 3,5 Tonnen eingeführt. In den sechziger und siebziger Jahren widersetzte sich die  politische  Führung  in  Wien  der  herkömmlichen  Überzeugung,  die  gesamte  Verkehrsinfrastruktur  am Personenkraftwagen auszurichten,  indem man  sich  für die Erhaltung des Straßenbahnnetzes und  sogar  für die Planung einer Erweiterung des Metrosystems entschied.   Die  Rolle  der  starken  und  populären  Führung  ist  offenbar  die  "unsichtbare  Hand"  bei  der  Entwicklung erfolgreicher  Mobilitätsstädte.  Ob  Lerner  in  Curitiba  oder  Livingstone  in  London  –  es  handelt  sich  dabei gewöhnlich um politische Führer, die sich nicht nur für  innovative Strategien einsetzen, sondern auch den Mut besitzen, die Umsetzung dieser Strategien bis zu einem erfolgreichen Abschluss durchzusetzen.   In der Vergangenheit und insbesondere in den sechziger und siebziger Jahren rangierten in der westlichen Welt die Bedürfnisse der  individuellen Nutzer der  Stadt hinter denen der  aktuellen und  künftigen Autofahrer. Dies führte in vielen westlichen Städten zum Bau von Stadtautobahnen und großflächiger Parkplatz‐Neubauten. Wien widersetzte  sich  diesem  Trend.  Nach  Ansicht  der  Verantwortlichen  kam  der  Hauptwendepunkt  in  der Stadtentwicklung mit  dem  Einsturz  der  im  Zentrum  gelegenen  Donau‐Reichsbrücke  im  Jahr  1975.  Die  neue Brücke war  letztendlich nicht optimal mit dem bestehenden Straßennetz verknüpft, und man widersetzte  sich jeglichem Druck, autobahnähnliche Anschlüsse bereitzustellen. Der Rahmen der zukünftigen Entwicklung wird oft von  der  politischen  Haltung  zu  und  Reaktion  auf  solche  vorhersehbaren/geplanten  Änderungen  (erhebliche Zunahme an Autobesitzern) und ungeplanten Änderungen  (Brückeneinsturz) bestimmt. Zurzeit  ist geplant, sich gegen jeglichen Druck zur Wehr zu setzen, den Autobahnring im Nordosten der Stadt fertig zu stellen. Dies wird mit Interesse verfolgt.   

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MRC Europe 

1983‐4:Single transport ticket for the city

2020:Completion of motorway ring 

road??

1974‐5:First pedestrian 

zone

End‐1960s:Planning for the 

metro development

End‐1960s:Parking 

regulations implemented

1980s‐90s:Strong city leadership 

Stable Political Vision

Integrated Planning

1950 19701960 1980 1990 2000 2010

Social Partnership

IntegratedTraffic Management Team

2009:Sustainability 

ReportUITP World Congress

1995:Short term 

Parking Policy

 

  Abbildung 8 – Zeitleiste bis zum Erfolg 

 2009 findet der bekannte UITP‐Weltkongress statt. Diese Veranstaltung wird von der Stadt Wien ausgerichtet, die damit wichtige Akteure im globalen öffentlichen Verkehrswesen anzieht, von Betreibern und Anbietern bis hin zu politischen  Entscheidungsträgern.  Die  Stadt  steht  dabei  im  Mittelpunkt,  und  die  Veranstaltung  wird  zum Schaukasten  für  alle  Erfolge  der  Stadt  Wien.  Gleichzeitig  wird  der  Nachhaltigkeitsbericht  2008  von  Wien vorgestellt, der die starke Umweltleistung der Stadt im Hinblick auf Mobilität und andere Bereiche unterstreicht. Diese öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten bezeugen den unterstützenden und durchgängigen politischen und methodischen Ansatz der Stadt.   Integrierte Planung  Die  integrierte  Planung  ist  der  Schlüssel  zur  Complete  Mobility.  Die  Städte  müssen  zur  Erfüllung  der Mobilitätsbedürfnisse  über  ein  grundlegendes  Infrastrukturangebot  verfügen.  Wesentliche  Hebel  für Veränderungen  sind  jedoch  die  Bereitstellung  intermodaler  Verkehrsmittel  sowie  die  aktive  Nutzung  von Informationen und Preislegungsmechanismen, um damit eine nahtlose Beförderung zu ermöglichen.   In Wien wurde  frühzeitig ein  integrierter Rahmenplanungsprozess  für das Verkehrswesen  in Gang gesetzt, der sämtliche  Verkehrsmittel,  Parkmöglichkeiten,  Fußgänger,  Radfahrer  und  Sicherheitsaspekte  umfasste.  Das integrierte Verkehrsmanagementteam stellte einen grundlegenden Teil dieses Prozesses dar. Dieses Team setzte sich aus unabhängigen Experten, Akademikern und Verantwortlichen zusammen. Das Team wurde mit mehreren Studien  zur  Bewertung  der  Hauptstrategien  beauftragt  (z.  B.  Studie  über  die  Auswirkungen  von Langzeitparkplätzen  in der Stadt und Bewertung der Auswirkungen eines Nachtfahrverbots für Lastwagen), was die  Stadt  bei  der  Festlegung  eines  integrierten  und  ganzheitlichen  Plans  für  das  Stadtgebiet  unterstützte. Interessanterweise wurde  in Wien bereits  frühzeitig  ein Verkehrsplanungsmodell  entwickelt und  angewendet, was  in  den  siebziger  Jahren  ungewöhnlich war,  da  es  ausdrücklich  die  Rolle  der  Fußgängerbewegungen mit berücksichtigte. Dieser Vorläufer des VISSIM‐Modells diente der Unterstützung der Planungsentscheidungen. Er hatte z. B. großen Anteil an der Entscheidung gegen die Einstellung der Straßenbahnlinien und in 1974 gegen das Großbauprojekt für Parkplätze am Heldenplatz.  

22 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 23

 

 Definitionsgemäß bedingt eine  integrierte Planung einen Konsens und damit Mechanismen zur Konsensbildung. Das  integrierte  Verkehrsmanagementteam  vertrat  diesen  Ansatz  schon  frühzeitig,  und  die  zentrale  Rolle  der Social Partnership  in Wien hat sich bei der Bewältigung des Wandels als sehr mächtig erwiesen. Bei der Social Partnership handelt es sich um eine freiwillige Kooperation zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und der Stadt. Die Handelskammer  in Wien spielt eine wesentliche Rolle und hat  ihre aktive Unterstützung  für die Förderung des Zugangs zu öffentlichen Verkehrsmitteln und die Nutzung von Parkrichtlinien zur Kontrolle und Priorisierung der Mobilität  zugesichert.  Die  Partnerschaft  spielt  bei  der  Beurteilung  und  Förderung  der  im  gegenseitigen Einvernehmen erfolgenden Änderungen eine zentrale Rolle.   Wien  steht  seit  langem  an der  Spitze der Mobilität. Dennoch  ist Wien  traditionsgemäß  stark  in  europäischen Netzen  involviert und nutzt die Erfahrungen  spezifischer Städte. Der Umbau  in  Fußgängerzonen  in Rotterdam diente  Wien  als  Vorlage,  wie  auch  die  in  Salzburg  und  Innsbruck  durchgeführten  Studien.  Im  Bereich  des öffentlichen Verkehrswesens verfolgt man mit Interesse die Entwicklungen in Zürich.  Im  Bereich  Radfahren  wurde  der  Verkehrsclub  Österreich  von  der  Universität  geleitet,  wodurch  der  Fokus verstärkt auf die verkehrstechnische Innovation gelegt wurde. Der Club selber setzte sich für ein gut entwickeltes Radwegenetz  ein und unterstützte  seine  Entwicklung. Wie oben  angegeben  können  akademische und  andere Forschungsgremien  in  einer  Stadt  starke  Impulse  für  Innovationen  geben.  Wenn  solche  Gruppen  eine unterstützende  und  enge  Beziehung  mit  politischen  Führern  unterhalten,  kann  dies  zu  leistungsstarken Ergebnissen führen.  Der  wesentlichste  Hebel  der  Complete  Mobility  ist  wohl  die  Verbesserung  der  Verkehrseffizienz  und  der Fokussierung  auf  den  Fahrgast,  indem  Preislegungsmaßnahmen  durchgeführt  und  Verbraucher  informiert werden.  Das  Kombi‐Ticket,  das  in  den  achtziger  Jahren  realisiert  wurde,  dient  als  bestes  Beispiel  für  die Vereinfachung der Mobilitätssysteme und stellt ein wesentliches Werkzeug dar, um dem Reisenden den Zugang zu ermöglichen. Dieses Ticket kann an einer Stelle  im Gesamtverkehrsverbund gekauft werden und ermöglicht den  Fahrgästen,  den  Nutzen  des  Verbundsystems  klar  zu  erkennen.  Diese  positive  Entwicklung  (intensivere Nutzung  des  öffentlichen  Verkehrs  –  höherer  Ertrag  –  höhere  Investitionen)  kann  nur  durch  Fahrgäste angestoßen werden, die diesen Nutzen erkennen. Diese Fahrschein‐Verbundlösung bietet Reisenden in Wien auch die  Möglichkeit,  Fahrscheinautomaten  der  öffentlichen  Verkehrsmittel  zur  Bezahlung  der  Parkgebühren  zu verwenden.   Das  Parken  selber  ist  ein  zentraler  Bereich  der  Bedarfsmanagementstrategie,  und  Complete  Mobility berücksichtigt die Notwendigkeit, dieses  Strategiemittel  zum Management des  automobilbasierten Bedarfs  zu nutzen und gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile zu  realisieren.  In 1995 wurde die Strategie des Kurzzeitparkens umgesetzt,  nach  der  Autos  auf  Straßen  der  Stadt  und  anderer  zentraler  Bereichen  für  längstens  2  Stunden geparkt werden dürfen. Damit wird aufgrund der hohen Umschlagrate auf den Parkplätzen eine wirtschaftliche Wertschöpfung  erzielt.  Langzeitparkplätze  weisen  dagegen  eine  geringe  Umschlagrate  auf,  und  damit  keine Wertschöpfung aus den Parkplätzen.  Als letzter Punkt gilt die gestiegene urbane Dichte als Haupthebel für Complete Mobility. Wien hat in der jüngsten Geschichte die zunehmende Dichte  (siehe Abbildung 9) erfolgreich bewältigt. Dies setzt sich mit der geplanten Neubebauung im Norden der Stadt – Seestadt/Aspern und Siemens‐City – fort.  

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MRC Europe 

Abbildung 9 – Urbanes Wachstum in Wien zwischen 1958 und 1997 

Quelle: OIR 

 

 

 

 

 

24 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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MRC Europe 

6 WIEN: LEISTUNG DER COMPLETE MOBILITY 6.1 Wiens Ergebnis  

Der abgeleitete Index zeigt die starke Leistung von Wien. Hier ist es interessant, sich auf einige einzelne Indikatoren zu konzentrieren und Wiens Leistung gegenüber anderen Städten zu erörtern. Tabelle 2 stellt zunächst nur die von Wien erreichten Ergebnisse dar. 

 

City/Urban area

Country Population GDP/head 

Vienna  Austria 2.31 51.60

Local public transport services

Transport management/

control

Transport information 

and payment systems

Airports inc surface access

Port facilities

5 5 5 4 5

Road infrastructure

Traffic fatalities

Energy Use Intensity

Polluting emission

Cost of transport provision/ unit GDP

Quality of road 

network

Average household expenditure on public transport travel

Quality of Rail services

Dedicated Cycle Lanes

Accessibility ‐ Disable friendly stations

6 5 5 4 3 N/A 3 5 5 6

Final Index Score

4.7

Qualitative Indicators

Quantitative Indicators

 

N/A  =  Nach  Ermittlungen  des  Datenerhebungs‐dienstes ist diese Zahl nicht verfügbar.  

Tabelle 2 – Wiens Ergebnis im aktualisierten Index 

Die  Indikatoren  können  nach  jedem  der  drei  Hauptelemente  der  Complete  Mobility  eingestuft  werden: Fahrgastorientierung, Effizienz und Nachhaltigkeit. Viele Indikatoren lassen sich mehreren Kategorien zuordnen; jedoch werden sie in dieser Untersuchung nur dort berücksichtigt, wo dies am relevantesten ist. Vergleiche werden zwischen Wien  und  5  anderen  europäischen  Städten  gezogen: München,  Berlin,  Amsterdam,  Zürich  und  Prag.  In  den  drei nachstehenden Abbildungen ist das Ergebnis von Wien gegenüber den anderen Städten in Diagrammform dargestellt. Hier werden die Punktzahlen aus dem aktualisierten Index für Complete Mobility verwendet.  

In drei Fällen  standen die Daten einer Stadt nicht  zur Verfügung. Zur Vollständigkeit des Diagramms wurden diese Lücken  mit  der  durchschnittlich  bei  allen  anderen  Indikatoren  erreichten  Punktzahl  der  Stadt  geschlossen. 

25 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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MRC Europe 

Fahrgastorientierung 

Die Kategorie Fahrgastorientierung beinhaltet 5 Hauptindikatoren, obgleich einige andere  Indikatoren ebenfalls als relevant für die Fahrgastorientierung gelten. Wien ist in allen drei Spinnendiagrammen durch eine dicke blaue Linie gekennzeichnet. 

0

1

2

3

4

5

6

Local public transport services

Transport information and payment systems

Average household 

expenditure on public transport 

travel

Quality of Rail services

Accessibility ‐Disable friendly 

stations

Vienna

Munich

Berlin

Amsterdam

Zurich

Prague

 

Abbildung 10 – Vergleich der Indikatoren für Fahrgastorientierung 

Wien erzielt bei allen  Indikatoren für die Fahrgastorientierung  in den meisten Fällen 5 und 6 Punkte und damit gute Ergebnisse. Zugänglichkeit und barrierefreier Zugang sind besondere Stärken des Verkehrssystems in Wien, und daher  ist die  für "Zugängliche Haltestellen" erreichte hohe Punktzahl nicht überraschend. Das schlechteste Ergebnis in dieser Kategorie erzielt Wien für "Durchschnittliche Haushaltsausgaben für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel".  Dieser  Indikator  liegt  laut  "Statistik  Österreich"  in  2005  bei  13,10 %  für Wiener  Haushalte. Gegenüber  den  anderen  hier  dargestellten  Städten  ist  dieser  Prozentsatz  hoch,  und  die  Verkehrsmittel  sind weniger  erschwinglich.  Dies  erklärt  die  niedrige  Punktzahl.  Prag  erreicht  bei  diesem  Indikator  ebenfalls  drei Punkte, aber sogar die realen Zahlen für Haushaltsausgaben  liegen mit 11 % etwas niedriger. Die hohen Zahlen der  Nutzer  öffentlicher  Verkehrsmittel  in  Wien  und  die  hohe  Kundenzufriedenheit  mit  öffentlichen Verkehrsmitteln  zeigen,  dass Wiener  Haushalte  trotz  der  Kosten  öffentliche  Verkehrsmittel weiterhin  nutzen werden. Die Fahrgäste scheinen mit der Qualität des Verkehrsservice einverstanden zu sein, denn sonst würden sie nicht die geforderten Beträge zahlen. Dies unterstreicht das starke Wertangebot des öffentlichen Nahverkehrs in Wien.   Zürich erzielt bei allen 5 Indikatoren ein besonders gutes Ergebnis, das mit der von Wien erreichten Punktzahl bei allen  Indikatoren  gleichzieht  oder  diese  Punktzahl  sogar  noch  übersteigt.  Zürich  verfügt  über  ein  sehr ausgedehntes  und  gut  integriertes  öffentliches  Verkehrssystem,  und  die  Stadt  erlebt  weiterhin  steigende Benutzerzahlen bei öffentlichen Verkehrsmitteln. Nach Meinung unseres professionellen Expertenteams, das die qualitativen  Indikatoren  bewertete,  ist  das  System  in  Zürich  fahrgastorientiert,  zugänglich  und benutzerfreundlich.   

26 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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MRC Europe 

Prag  erzielte  im  Vergleich  die  niedrigste  Punktzahl  von  allen  6  Städten.  Prag  ist  eine  schnell  wachsende, historische Stadt. Dies bedeutet häufig, dass das Verkehrswesen nicht mit diesem Wachstum Schritt halten kann. Trotz der niedrigen Punktzahl  in diesem Vergleich hat Prag bei der Entwicklung eines  integrierten öffentlichen Verkehrssystems relativ gut abgeschnitten.  

Effizienz

Die Effizienz des Verkehrssystems ist ein wichtiger, von allen Städten zu berücksichtigender Punkt. Sechs unserer Indikatoren zeigen am besten, wie gut ein System in punkto Effizienz abschneidet. 

0

1

2

3

4

5

6Transport management/control

Airports inc surface access

Port facilities

Road infrastructure

Cost of transport provision/ unit GDP

Quality of road network

Vienna

Munich

Berlin

Amsterdam

Zurich

Prague

 

Abbildung 11 – Vergleich der Indikatoren für Effizienz 

Die  bei  der  Effizienz  erreichten  Punktzahlen  sind  uneinheitlicher  als  bei  der  Fahrgastorientierung.  In  dieser Kategorie erhält Wien Bewertungen zwischen 3 und 6. Auch hier (wie bei der Fahrgastorientierung) bezieht sich die niedrigste Punktzahl auf einen kostenbasierten Indikator. Um bei "Kosten der öffentlichen Verkehrsmittel als Prozent des BIPs"  sechs Punkte  zu erreichen, muss der Wert  im Bereich 0,05  ‐ 0,075  liegen, was  relativ hohe Bereitstellungskosten  (wenn  auch  nicht  die  höchsten)  bedeutet,  die  für  ein  hochwertiges  und  ausgewogenes System erforderlich sind. Die Bereitstellungskosten in Wien liegen mit 0,019 niedriger.   Im  ursprünglichen  Index  für  2008  erhielt Wien  6  Punkte  für  "Straßeninfrastruktur".  In  Abschnitt  3.1  wurde erläutert, dass ein ziemlich hohes Maß an Infrastruktur (jedoch kein Infrastruktur‐Überangebot) erforderlich  ist, um bei diesem Indikator 6 Punkte zu erzielen. Wien konnte auch bei diesem Indikator ein gutes Ergebnis erzielen und somit seinen Erfolg bei der Beschränkung des Straßenbaus bestätigen.  Die mit der grünen Linie dargestellte Stadt Berlin erreichte in dieser Effizienzkategorie sehr ähnliche Ergebnisse. Das  niedrigste,  von  Berlin  erzielte  Ergebnis  ist  drei  Punkte,  die  wie  bei  Wien  für  "Kosten  der  öffentlichen Verkehrsmittel"  vergeben  wurden.  Ansonsten  entsprechen  die  Ergebnisse  von  Berlin  denen  von  Wien,  mit Ausnahme  des  Indikators  "Qualität  des  Straßennetzes",  wo  Berlin  besonders  gut  abschneidet.  Mit  diesem Indikator werden Verbesserungen der Fahrzeiten im Stadtzentrum gemessen. Hier sollte angemerkt werden, dass für die enorme Verkürzung der Fahrzeiten keine 6 Punkte vergeben werden, da davon ausgegangen wird, dass diese Reduzierung auf umfangreiche Infrastruktur und nicht auf managementbasierte Techniken zurückzuführen ist.  Bei  diesem  Indikator  standen  für  Wien  keine  Daten  zur  Verfügung.  Daher  wird  hier  die  von  Wien durchschnittlich erreichte Punktzahl verwendet.  

27 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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 Nachhaltigkeit

Das Verkehrswesen ist eine wichtige Komponente für die Nachhaltigkeit jeder Stadt. In diesem Index werden vier Indikatoren verwendet, mit denen verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit reflektiert werden sollen.  

0

1

2

3

4

5

6Traffic fatalities

Energy Use  Intensity

Polluting emission

Dedicated Cycle Lanes

Vienna

Munich

Berlin

Amsterdam

Zurich

Prague

Abbildung 12 – Vergleich der Indikatoren für Nachhaltigkeit 

Die Stadt Wien hat sich im Hinblick auf ihr Nachhaltigkeitsprofil hohe Ziele gesteckt. Die Nachhaltigkeitsberichte der Wiener  Stadtwerke  für 2007 und 2008  zeigen die  Zielbereiche und  Zielsetzungen  auf, die Wien  zurzeit  in punkto Nachhaltigkeit verfolgt. Diese Verpflichtung der Stadt hat  ihr bei unseren Nachhaltigkeitsindikatoren ein gutes Ergebnis eingebracht. Wien verfügt über eine geringe Energieintensität, hat nur wenige Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang zu beklagen und bietet ein gut ausgebautes Radwegenetz. Die niedrigste Punktzahl erreicht Wien hier beim "Schadstoffausstoß", wo die Stadt dennoch ein respektables Ergebnis von 4 Punkten vorweisen kann. Der  Indikator "Schadstoffausstoß" beinhaltet Messungen des Gehalts an Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und PM10.   München konnte bei diesen vier Indikatoren mit einem besonders guten Ergebnis aufwarten und erhielt für alle Indikatoren eine 6, mit Ausnahme des  Indikators "Radwege",  für den die Stadt mit 5 Punkten bewertet wurde. Verkehrsmittel  stehen  an  oberster  Stelle  der  politischen  Agenda  in München,  und  die  Planung  der  Stadt  ist überzeugend. Hohe Bevölkerungsdichten, ein ausgedehntes und  integriertes öffentliches Verkehrssystem sowie gute Strategien zur  fußgänger‐ und  fahrradfreundlichen Gestaltung der Stadt haben zu dieser starken Leistung der Stadt beigetragen.   

28 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 29

 

7 WIEN: COMPLETE MOBILITY IN DER PRAXIS Wien kristallisiert sich als eine Stadt heraus, die  ihre Mobilitätsstärke aus  ihren durchgängigen, stimmigen und vollständig  integrierten Strategien und Projekten schöpft:  ihre  Integration von und  ihre Breite an Strategien  im Gegensatz  zu  spezifischen,  sehr  umfangreichen  Infrastrukturen.  In  diesem  Abschnitt  soll  die  heute  in Wien gelebte Praxis beschrieben werden. Dazu werden zwar einzelne,  jedoch ganzheitliche Modelle der  in der Stadt gelebten Complete Mobility beschrieben, gefolgt von einer integrativen Sicht der Stadt aus der Perspektive eines Fahrgasts.   

7.1 Aktuelle Beispiele für Complete Mobility 

Da die Stärke von Wien in der Integration von und Breite an Strategien liegt, sollte man sich bei der Beschreibung der  in Wien  umgesetzten Complete Mobility  nicht  nur  auf  einzelne  Teile  der  Infrastruktur  konzentrieren, um anderen Städten bewährte Verfahren aufzuzeigen. Dieser Abschnitt stellt daher fünf konkrete Beispiele vor, mit denen dargestellt wird, wie die Stadt ihre derzeitige Position im Hinblick auf Complete Mobility ‐ aufbauend auf ihren "Grundlagen  für den Erfolg"  ‐ erreicht hat. Die  fünf Beispiele umfassen drei breit angelegte Themen und zwei  kürzlich  umgesetzte  Projekte,  die  aus  der  Betrachtung  von  Wien  im  Kontext  der  Complete  Mobility hervorgegangen sind.   Diese  Beispiele  wurden  deshalb  gewählt,  weil  sie  eine  grundlegende  Einhaltung  bestimmter  Aspekte  des Konzepts  repräsentieren  und  somit  nützliche  Informationen  für  andere  Städte  bieten.  Jedes  Beispiel  wird beschrieben,  veranschaulicht  und  im Hinblick  auf  Complete Mobility  dargestellt. Die  Beispiele werden  in  der nachstehenden Tabelle 2 zusammengefasst und anschließend erörtert.  

 Konzept der Complete Mobility 

Complete Mobility Beispiel  Fahrgastorientiert  Effizienz  Nachhaltigkeit 

Proaktives Management 

Integrierte Planung und 

Eigentumsverhältnisse  

     

Engagement der Fahrgäste 

      

Öffentlicher Raum  

     

Twin City Liner  

     

ITS Vienna Region  

     

 

Tabelle 3 – Beispiele für Complete Mobility 

            

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MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 30

 

   Titel  INTEGRIERTE PLANUNG UND EIGENTUMSVERHÄLTNISSE Konzept  der  Complete Mobility: 

Effizienz; Nachhaltigkeit 

Auswirkungen  der  Complete Mobility: 

Koordination Flächennutzung und Verkehr; proaktives Management 

 Beschreibung: Der Wiener Masterplan  Verkehr MPV03  und  der  Stadtentwicklungsplan  STEP  05  sind mittels  Konzepten  und Leitbild  integriert. Das Konzept der  so genannten „Intelligent Mobility“ bzw. „Smart Mobility“  (siehe Abschnitt 8.1)  liefert einen umfassenden Leitrahmen. Siemens Allissen  ist dafür ein gutes Beispiel. Hierbei handelt es sich um eines der 13 Zielgebiete des Plans STEP 05, der hier unter anderem die Entwicklung eines neuen Standorts für 6000 Siemens‐Mitarbeiter vorsieht. Gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln steht bei der Planung weit oben auf der Liste. Das soll den Erfolg und die Nachhaltigkeit des Standortes sichern. Die Planung  ist auf regionaler Ebene nicht so stark integriert (was aufgrund des großen Einzugsgebiets der Stadt erforderlich ist). Für den  nächsten  regionalen  Verkehrsplan  auf  Länderebene,  der  2012  herausgegeben  wird,  ist  jedoch  eine Anbindung mit der Stadt vorgesehen. Damit steigt die Abdeckung von 1,6 auf 2,5 Millionen Menschen.   Der  lokale  Kenntnisstand  ist  hoch,  mit  einem  starken  Input  durch  akademische  und  forschungsorientierte Organisationen  sowie  Behörden.  Eine  weitere  Stärke  des  Wiener  Systems  liegt  in  der  Überwachung  und Evaluierung der Pläne. Der zweite im Mai 2009 veröffentlichte Nachhaltigkeitsbericht der Wiener Stadtwerke ist dafür ein hervorragendes Beispiel.   Die Ziele wurden proaktiv verfolgt, führten aber nicht zu politischer Kurzsichtigkeit. Das klare Ziel der öffentlichen Verkehrsbetriebe Wiener Linien ist ein Anteil der öffentlichen Verkehrsmittel von 40 %. Im Nachhaltigkeitsbericht wird  dieses  Ziel  deutlich unterstützt;  hier  ist  von Mobilität  als Meilenstein  für mehr Nachhaltigkeit  die  Rede. Zurzeit  beträgt  der  Anteil  der  öffentlichen  Verkehrsmittel  35 %;  die  von  den  Wiener  Linien  geplanten Investitionen von 1,8 Milliarden € bis zum  Jahr 2013 dürften helfen, dieses Ziel zu realisieren.  In Wien besteht Einigkeit  darüber,  dass wettbewerbsorientierte Ausschreibungen  (die  es  in Wien  nicht  gibt)  lediglich  zu  einer Konzentration auf eng begrenzte betriebliche Kennzahlen führen.   Die Wiener Linien sind Eigentum der Stadt Wien. Dieser Umstand fördert die Kommunikation und koordiniertes Handeln.  Bei  einer  kürzlich  vorgenommenen  Betriebsstudie  wurde  das  Zusammenspiel  zwischen Verkehrsunternehmen  und  der  Stadt  untersucht.  Dabei  stellte  sich  heraus,  dass  es  in Wien  zehnmal  mehr Interaktionen dieser Art als  in deutschen Vergleichsstädten gibt. Selbst minimales Feedback kann unmittelbare Einflüsse haben. So haben beispielsweise Fahrer Kommentare zu kleinen infrastrukturellen Änderungen gemacht, die ihrer Meinung nach erforderlich seien (z. B. größere Wendekreise an bestimmten Stellen). Diese Erfordernisse lassen  sich  leicht  kommunizieren  und  umsetzen.  Gemeinsame  Verantwortung  bedeutet  in  der  Konsequenz gemeinsames Erbringen von Dienstleistungen; so gibt es beispielsweise nur eine Schulungsabteilung, die sich mit der  Ausbildung  aller  Fahrer  befasst  –  ob  für  Straßenbahn,  Bus  oder  U‐Bahn.  So  wird  eine  einheitliche Kundendienstkultur gefördert.  Industrielle Partnerschaften in Österreich sind durch das Konzept der Social Partnership geprägt. Und das Wiener Verkehrswesen weiß  dies  zu  seinem  Vorteil  zu  nutzen.  Social  Partnership  basiert  auf  freiwilliger  Kooperation zwischen  Arbeitgebern,  Arbeitnehmern  und  dem  Staat.  Aufgrund  der  Struktur  der  Social  Partnership  ist  die verkehrspolitische  Entscheidungsfindung  auf  Lösungen  ausgelegt,  über  die  bei  diesen  Partnern  Einvernehmen herrscht. Die Verkehrspolitik kann somit einen gewissen Grad an Kontinuität erreichen, die stützend wirkt.  

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MRC Europe 

  

31 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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 Titel  ENGAGEMENT DER FAHRGÄSTE 

Fahrgastorientiert Konzept  der  Complete Mobility: Auswirkungen  der  Complete Mobility: 

Marktsegmentierung  und  Schaffung  einer  Wertschöpfungskette;  flexiblerer Lifestyle 

 Beschreibung: In Wien wird schon seit langem der Meinung und Haltung der Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel viel Beachtung geschenkt. Alle zwei Jahre führt die Stadt eine Umfrage unter fünf‐ bis sechstausend Einwohnern durch. Das öffentliche Verkehrswesen schneidet dabei gut ab. Die Ergebnisse dienen dazu, die Beförderungsbedürfnisse enger auf die Erwartungen der Fahrgäste abzustimmen. Eine Untersuchung der EU‐Kommission zur Bewertung der Lebensqualität in 75 europäischen Städten aus dem Jahr 2007 ergab, dass 85 % der Befragten in Wien mit dem hiesigen Verkehrswesen zufrieden seien. Ähnliches ergab auch die im Rahmen der in 2006 durchgeführten Umfrage erstellte BEST‐Studie: Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Wien waren i.A. 74 % der Befragten zufrieden. Diese Studie vergleicht die Kundenzufriedenheit der Fahrgäste im öffentlichen Personennahverkehr mit acht anderen europäischen Städten. Wien erreichte in zwei Kategorien die höchste Punktzahl: Nicht nur in der Kategorie „Sicherheit und Komfort“ belegte diese Stadt mit 81 % zufriedenen Kunden den ersten Platz, sondern auch in Sachen „Zuverlässigkeit“. Dieser Aussage stimmten 75 % der Befragten ganz oder teilweise zu und wollten die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel weiterempfehlen. Im Nachhaltigkeitsbericht 2008 wird dazu bemerkt, dass diese Platzierungen im Jahr 2008 nicht gehalten werden konnten. Man würde den Gründen dafür nachgehen. 

 

Die  Zufriedenheit wird  auf  einer  Skala  von  ‐100  bis  +100  bewertet. Eine Bewertung von null bedeutet damit also 50 % Zufriedenheit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Wert aus dem Jahr 2007 beträgt nun  wie  in  der  Grafik  dargestellt  +60.  Das  entspricht  somit  einem Zufriedenheitsanteil von 80 %. Quelle: Wiener Stadtwerke, Nachhaltigkeitsbericht 2008       

Die  Wiener  Linien  achten  zudem  traditionell  intensiv  auf  ihre  Kundenstruktur  und  setzen kundensegmentorientierte Angebote und Marketingaktionen um. Die Angebote  für die  jüngeren Fahrgäste  sind besonders  überzeugend  und  gut  entwickelt,  und  es  gibt  eine  spezielle  Website  für  die  junge  Kundschaft (www.rideontime.at/).  Dies  ist  ein  Schlüsselaspekt  für  die  Complete  Mobility.  Wer  um  die  Bedürfnisse  und Einstellungen der Fahrgäste weiß, kann klar segmentierte Angebote konzipieren. Wie zuvor erwähnt, kann diese positive Entwicklung (intensivere Nutzung des öffentlichen Verkehrs – höherer Ertrag – höhere Investitionen) nur durch  Fahrgäste  angestoßen  werden,  die  dies  zu  würdigen  wissen.  Zudem  führt  eine  fahrgastfreundliche Entwicklung  zu  innovativen  Lösungen beim Ausbau des Verkehrsnetzes.  Im  Idealfall  sollten alle Mitarbeiter des Verkehrswesens vollständig über die Bedenken, Ideen sowie aktuelle und künftige Bedürfnisse der Fahrgäste und die treibenden Faktoren hierfür im Bilde sein.  Oft heißt es, im privaten Sektor seien benutzerorientierte und innovative Dienstleistungen am besten realisierbar. Wie  im  vorherigen  Beispiel  beschrieben  sind  die  Wiener  Linien  im  öffentlichen  Eigentum,  und  doch  ist  die Botschaft  klar,  dass  der  private  Sektor  kein  Monopol  in  diesem  Bereich  innehat,  zumindest  nicht  im Mobilitätsmarkt.  In Wien  wird  das  sehr  gut  an  folgendem  Beispiel  deutlich:  Den  Schwächen  des  herkömmlichen  öffentlichen Verkehrswesens  und  dem  aktuellen Bedarf  begegnet man  hier mit  dem Anrufsammeltaxi‐System ASTax. Dabei können die Bewohner weniger dicht besiedelter Gebiete (und außerhalb der Stoßzeiten) ein von den Wiener Linien eingerichtetes Anrufsammeltaxi bestellen. Ein privater Betreiber übernimmt die Fahrten und plant die Strecken, 

Abbildung 13 – 2007 Kundenzufriedenheit im öffentlichen Verkehr. 

32 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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MRC Europe 

bei denen sich mehrere Fahrgäste ein Taxi teilen. Der Fahrgast gelangt so bequem von A nach B. Diese Ausrichtung auf  den  Fahrgast  brachte  auch  andere  Innovationen mit  sich,  z. B. Mietfahrräder  (in Anlehnung  an  das  Pariser Fahrradverleihsystem Vélib) und City Car Share.  Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Wiener Linien die Erreichbarkeit  ihrer Serviceangebote auf einen sehr hohen Prozentsatz der Bevölkerung ausgedehnt haben. Der Anteil der Bevölkerung im Umkreis von 300 m von Bus‐ und Straßenbahnstationen bzw. 500 m von Metro und S‐Bahn  liegt bei 98,9 %  (Schulen), 96 %  (Privathaushalte) bzw. 96 % (Geschäftsgebäude). 

"Ist das nicht der vom 26er??" 

  

Abbildung14 – Werbung der Wiener Linien für junge Leute 

33 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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MRC Europe 

  Titel  ÖFFENTLICHER RAUM „Straße fair teilen” Konzept  der  Complete Mobility: 

Fahrgastorientiert; effizient; nachhaltig 

Auswirkungen  der  Complete Mobility: 

Flexiblerer  Lifestyle;  höhere  Umweltqualität;  höhere  globale Wettbewerbsfähigkeit; höhere Lebensqualität 

 Beschreibung:  Die Stadt Wien will bei allen neuen Entwicklungsvorhaben einen gemeinsamen Raum einplanen. Das ursprünglich von Hans Monderman vorgebrachte Konzept wurde  in Wien weiterentwickelt. Es fußt auf der Idee, dass Straße und Bürgersteig keine getrennten Bereiche sein sollten. Der Verkehr soll hierbei beruhigt und durch gemeinsam genutzten Raum langsamer werden.  Dies entspricht in etwa der im Konzept zur Complete Mobility vorgeschlagenen Verkehrsmittelneutralität.  Gemeinsamer Raum erfordert einen neuen Denkansatz bei der Umsetzung von  Infrastrukturen.  In Wien wurde ein Bedarf an mehr Fahrradwegen ermittelt. So sollte das Radfahren gefördert werden. Beim gemeinsamen Raum sind jedoch auch die Fahrradfahrer aufgefordert, diesen entsprechend zu nutzen. Gesonderte Fahrradwege sind hier  nicht  vorgesehen.  Erwiesenermaßen  sind  einige  gesonderte  Fahrradwege  in bestimmten Bereichen  recht unfallträchtig  geworden  (z. B.  vor  Schulen  mit  hohem  Fußgängeraufkommen).  Bei  der  Gesamtstrategie  zur Erhöhung des Anteils gemeinsamer Räume soll auch das Fahrrad integriert werden.  Das  Kurzzeitparken  in Wien  gilt  als  weiterer  erfolgreicher  Ansatz  zur  Verbesserung  des  öffentlichen  Raums. Kurzparken  gilt  in  den  Bezirken  1–9,  20  und  in  Teilen  des  15.  Bezirks.  Hier  wurde  das  Langzeitparken eingeschränkt, und es bestehen Pläne zum Bau von Parkhäusern abseits der Straßen.   Beide  Maßnahmen  führen  zu  weniger  Parkverkehr  auf  der  Straße  und  schaffen  mehr  Platz.  Die Parkplatzverwaltung  hat  außerdem  das  geschäfts‐  und  einkaufsbezogene  Parken  reduziert.  Zudem wurde  die durchschnittliche Parkdauer reduziert. Das ist auch für die Anwohner angenehmer.   In Wien gibt es außerdem die niedrigsten Niederflurwagen der Welt, genannt ULF (Ultra Low Floor). Dieser von lokalen Stellen  in Zusammenarbeit mit Siemens entwickelte Niederflurwagen  fügt sich  ideal  in den gemeinsam genutzten Raum ein.    

  

34 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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   Titel  TWIN CITY LINER: PER SCHIFF VON WIEN NACH BRATISLAVA Konzept  der  Complete Mobility: 

Fahrgastorientiert; effizient; nachhaltig 

Auswirkungen  der  Complete Mobility: 

Höhere  globale  Wettbewerbsfähigkeit;  höhere  Umweltqualität;  Fokus  auf verschiedene Segmente (Besucher und Berufstätige); hochwertiger Service. 

 Beschreibung: Der Twin City Liner ist ein Schnellboot, welches das Herz von Wien mit dem Herzen von Bratislava verbindet – bis zu zehnmal täglich. Schiffseigner ist die Central Danube Region GmbH, eine Tochtergesellschaft der Wien Holding und der Raiffeisenlandesbank NÖ‐Wien. Die Fahrt dauert 75 Minuten. Anfangs war nur ein Schiff im Einsatz, doch aufgrund  der  hohen Nachfrage wurde  die  Flotte  um  einen  zweiten  Katamaran  aufgestockt. Die  Konstruktion zeichnet sich durch einen geringen Tiefgang und geringen Wellenschlag aus – wichtige Aspekte beim Befahren der Donau und des Donaukanals, die im Sommer häufig Niedrigwasser aufweisen. Bei den Schiffen handelt es sich um leichte, aus Aluminium gebaute Schnellkatamarane mit Jetantrieb.  Für den Antrieb sorgen zwei Dieselmotoren und Hamilton‐Hydrojetturbinen. Die Jets erzeugen einen Turboeffekt und bringen so eine Höchstgeschwindigkeit von 69 km/h. Die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit im schnellen, leisen und wirtschaftlichen Fahrbetrieb beträgt um die 60 km/h. Seit 2006 verzeichnet der Twin City Liner eine Passagierzahl von insgesamt 340.000; allein im Jahr 2008 nutzten 150.000 Fahrgäste dieses Transportmittel. Dies zeigt, wie wichtig es ist, ein klares Wertangebot zu schaffen. Die einfache Fahrt kostet bis zu 25 €. Mit dem Zug zahlt man  nur  10 €.  Aber mit  dem  Schiff  gelangt  der  Besucher  direkt  in  die  Innenstadt;  nicht  allein  deshalb nehmen die Passagierzahlen seit dem Anfangsjahr 2006 stetig zu.   Der  Liner  ist  auch eine wichtige Versorgungslinie nach Bratislava. Diese östliche Anbindung war  aufgrund des Eisernen Vorhangs in der Vergangenheit nicht besonders ausgebaut. Der Osten gilt als Wachstumsmarkt, und es gilt, die Anknüpfung an den Osten zu optimieren. Der Liner ist dafür ein praktischer und sinnvoller Dienst.   Der  Twin  City  Liner  stellt  nur  eine  unabhängige  Infrastruktur  und  Beförderungsmöglichkeit  dar.  Dass  er  als Beispiel für Complete Mobility gilt, basiert auf der Tatsache, dass er trotz der relativ hochpreisigen Alternative zu vorhandenen  Verkehrsmitteln  einen  klaren  Wettbewerbsvorteil  bietet  und  die  Leute  bereit  sind,  dafür entsprechend zu zahlen. Dies  lässt sich auch  in Bezug auf die Verschiebung vom  reinen Freizeitangebot hin zu einer breiter gefächerten Freizeit‐ und Berufsnutzung feststellen: Jedes Segment erfährt klare Vorteile. Auch eine schlecht  genutzte  Ressource  wird  hier  nachhaltig  genutzt.  Die  größte  Schwäche  bei  diesem  Service  ist  die fehlende  Integration  in  die  Wiener  Infrastruktur  in  Bezug  auf  das  Fahrkartensystem  und  die  allgemeine Verkehrsplanung.  Der  Unterschied  zum  CAT  (City  Airport  Train)  ist  interessant.  Für  den  CAT  gibt  es  kein gemeinsames Fahrkartensystem mit dem Stadtgebiet, und da dieser Zug die vorhandenen Gleise nutzt, wird auch die Kapazität der S‐Bahn eingeschränkt.   

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36 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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 Titel  ITS VIENNA REGION Konzept  der  Complete Mobility: 

Fahrgastorientiert; effizient; nachhaltig; proaktives Management 

Auswirkungen  der  Complete Mobility: 

Flexiblerer Lifestyle; höhere Lebensqualität 

 Beschreibung: Im Mai 2009 startet die Wiener Stadtverwaltung das ITS (Intelligent Transport System). Dieses System dient zur Optimierung des Verkehrsleitsystems und soll Reisenden im Wiener Raum ein einfach zugängliches Hilfsmittel zur Routenplanung liefern. Das ITS konzentriert sich besonders auf Fahrten mit verschiedenen Verkehrsmitteln. Das System ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts.  Das ITS nutzt verschiedene Datenquellen. Die präzisen Reisezeiten werden anhand von Daten von Transpondern in 2500 Wiener Taxis und von ungefähr 300 Sensoren (z. B. Induktionsschleifen und Radar) ermittelt. Außerdem werden Meldungen  von  der  lokalen  Polizei,  dem  ORF  (der  österreichischen  Rundfunkanstalt,  die  Staus  und Unfälle meldet) und der Stadtverwaltung  (vor allem bei Straßenarbeiten u. ä.) zur Ermittlung der Fahrzeiten  im Auto herangezogen. Zeitplanangaben aller öffentlichen Verkehrslinien kommen vom Verkehrsverbund Ost Region (VOR), und die Wiener Linien und die Österreichische Bundesbahnen  (ÖBB) übermitteln Daten  in Echtzeit. Alle Fahrradwege, Fahrradspuren und Fußwege (in Parks, Wäldern, auf Friedhöfen, usw.) wurden digitalisiert.   Die Zielgruppe für das ITS sind ganz klar die Reisenden im Wiener Raum. Dabei konzentriert man sich besonders auf das Reisen mit verschiedenen Verkehrsmitteln und die Planung der gesamten Reisestrecke. Dem speziellen Reiseplaner für das Park‐and‐Ride‐System (siehe unten) und der Kombination aus Fahrradfahren und öffentlichen Verkehrsmitteln wird ebenfalls viel Platz eingeräumt.  Die Entwickler des ITS arbeiten zurzeit an einer mobilen Onlineanwendung, die noch im Jahr 2009 startklar sein soll. Eine  künftige Erweiterung  soll den  Informationsfluss  in den Außenbezirken der Region  verbessern, damit auch  diese  Bereiche  von  den  Vorteilen  profitieren  können.  Die  Entwickler  haben  eine  Reihe  von  Themen ermittelt, die weiter untersucht werden müssen. Die Forschungsprojekte  in Bezug auf diese Aspekte sind  in der Anfangsphase. Beispiele: 

• Der  Einfluss  des  Wetters  auf  das  Verkehrsverhalten  und  die  Integration  von  Wetterdaten  in  die Verkehrsmodelle und den Reiseplaner. 

• Eine europäische Informationsdienstplattform für das Reisen mit verschiedenen Verkehrsmitteln. • Der  Einfluss  von  aktuellen  Reiseinformationen  auf  das  Reiseverhalten  und  Möglichkeiten  zur 

Verbesserung der positiven Effekte von Online‐Reisedaten. • Abschätzung von Reisezeiten im regionalen Straßennetz. • Felderprobungen für Verkehrstelematiksysteme. • Automatisierte  Tests  in Bezug  auf die Daten‐ und  Servicequalität und Prozesse  zur Verbesserung der 

Qualität von ITS‐Systemen.  Das  ITS bietet sich als Hilfsmittel zum einfacheren, effektiveren Reisen an. Es kann als Vorläufer der Complete Mobility gesehen werden, bei der sehr viel Wert darauf gelegt wird, dass das System entsprechend vom Benutzer gewürdigt wird bzw. für ihn von Nutzen ist. 

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38 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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7.2 Fahrgasterfahrungen 

Vor dem Hintergrund, dass der Fahrgast bei der Complete Mobility  im Mittelpunkt steht, wurde Ende April 2009  in Wien eine kleine Übung mit Testfahrgästen durchgeführt. Diese sollte die Ergebnisse der Fallstudie untermauern und die Arbeit aus der Perspektive der Fahrgäste darstellen.  

Beim Testfahren handelt es sich um ein ähnliches Konzept wie beim Testkauf. Dabei sollen Personen Dienste nutzen und  ihre Eindrücke  in einem Fragebogen mit  teils offenen,  teils geschlossenen Fragen erfassen. Diese Technik dient nicht  zum  Erfassen  großer  Grunddatenmengen,  sondern  soll  vielmehr  einen  Einblick  in  die  tatsächliche Kundenzufriedenheit vermitteln.  

Bei Umfragen mit Testfahrgästen wird die gleiche Technik eingesetzt; es werden die Erfahrungen von Reisenden  im Verkehrsnetz erfasst.  

Als Testfahrgäste wurden Studierende der Universität Wien angeheuert. Sie erhielten einen Start‐ und Zielpunkt für eine  Fahrt, die  sie  vorher nicht  kannten. Wichtiges Kriterium: Diese Studierenden durften  zu  jenem Zeitpunkt erst maximal 3 Monate  in Wien gelebt haben. Die meisten von  ihnen  stammten außerdem aus Osteuropa und hatten Deutsch nicht als Muttersprache. Diese Testgruppe wurde deshalb ausgewählt, weil  sie eine der wachsenden und schwierigeren  Zielgruppen  von  Reisenden  in Wien  darstellte.  Viele Migranten  stammen  aus  dem Osten,  und  die Sprachbarriere und geringe Vorkenntnisse sind mögliche Probleme. Außerdem nimmt die Zahl der Studierenden in der Stadt zu, und deren Bedürfnisse müssen erfüllt werden. 

Die Teilnehmer der TUW wurden in die Technik und das Bewertungsformular eingewiesen. Die Umfrage bestand aus drei  Teilen:  (i)  vor der  Tour;  (ii) während der  Tour;  (iii) nach der  Tour. Die  Teilnehmer wurden  gebeten,  folgende Aspekte  zu  erfassen:  Art  der  Nutzung  und  Bewertung  der  Reiseinformationen,  Qualität  und  Zuverlässigkeit  des Transportdienstes  sowie  Stärken  und  Schwachstellen  des  Transportdienstes  in  seiner  jetzigen  Form.  Nach  der entsprechenden Tour wurden die Testfahrgäste in einem Gruppeninterview eingehend befragt. 

Jede der Touren beinhaltete die Fahrt in einen Teil der Stadt, der der Testperson relativ unbekannt war, sowie einen Wechsel des Transportmittels. Die Teilnehmer besaßen kein Auto bzw. Fahrrad28. 

 

Erfahrungen vor der Tour 

Mit einer Ausnahme nutzten alle Studierenden Google Maps und die darin enthaltene Software  zur Reiseplanung. Diese verbleibende Testperson nutzte die Website der Wiener Linien. Alle Benutzer fanden, dass diese Informationen einfach zugänglich und verwendbar seien. Alle Befragten hielten die  Informationen  für hilfreich. Zu bemerken  ist  in diesem Zusammenhang, dass die Testperson, die die Website der Wiener Linien zur Planung nutzte, die Erfahrung am positivsten bewertete: Für die Fahrt zum Flughafen wurde auf dieser Website auf die S‐Bahn als günstige Alternative zum normalen und teureren City Airport Train hingewiesen.  

Die Testpersonen druckten die Informationen zum Service sowie die Karten mit Umsteigepunkten und Zielort aus, und ein Teilnehmer  lud die Daten auf seinen Pocket PC herunter. Einer der Anwender befand auch die GPS‐Funktion  im Mobiltelefon unterwegs als sehr nützlich. Der einzige Kritikpunkt einiger Teilnehmer an Google bestand darin, dass bei manchen Buslinien die entsprechenden Informationen zu den Bussen fehlten. 

 

Erfahrungen während der Tour 

Der  Gesamteindruck  der  eigentlichen  Tour  wurde  von  allen  Teilnehmern  sehr  positiv  bewertet.  Informationen, Pünktlichkeit, Komfort und Umsteigemöglichkeiten erhielten durchweg gute Noten. Alle Befragten  fanden, dass die Touren leicht zu meistern waren. Ein aus Russland stammender Teilnehmer bemerkte dazu: 

   „Für uns ist das hier wie im Paradies.“ 

Dem stimmten auch andere osteuropäische Teilnehmer zu. Das Wiener Transportwesen sei gut zugänglich, und vor allem erfolgen Ankunft und Abfahrt pünktlich nach Fahrplan. Gelobt wurde auch die Lautsprecherdurchsage  für die nächste Haltestelle, obwohl die nicht Deutsch sprechenden Teilnehmer Schwierigkeiten hatten, etwas anderes als den Namen der Haltestelle  zu  verstehen. Die  teilnehmenden Osteuropäer  sprachen den Wunsch  aus, die Ansagen  auf Deutsch und Englisch zu hören. Das würde auch den internationalen Charakter der Stadt unterstreichen. 

                                                                 28 Dies war nicht Bestandteil des Anforderungsprofils. 

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Im Folgenden sind die wichtigsten Aspekte während der Tour aufgeführt: 

• Fahrkartensystem: Die Fahrkartenautomaten in Metro und Straßenbahn erreichten keine hohe Punktzahl.  

o Zuverlässigkeit  der  Fahrkartenautomaten  und  Auswirkungen:  Ist  einer  von  zwei Fahrkartenautomaten defekt, bilden sich vor dem anderen  lange Schlangen. Dies war bei einigen der Fahrgäste der Fall, die einen Teil der Strecke ohne gültigen Fahrschein fahren mussten, weil sie den Anschluss nicht verpassen wollten. Ein anderer Teilnehmer verpasste den Zug, da er nicht ohne Fahrschein fahren wollte (zum Flughafen). 

o Benutzerfreundlichkeit der Fahrkartenautomaten in Bezug auf Zusatztickets: Wenn ein Fahrgast ein Ziel  außerhalb  der  „Komfortzone“  (Kernbereich  von  Wien)  anfahren  möchte,  benötigt  er  ein Zusatzticket für die Endphase der Route. Zwei der Testfahrgäste benötigten derartige Zusatztickets für  kurze  Strecken  in  das Wiener  Umland.  Sie wussten  nicht, wie  sie  diese  Fahrkarten  kaufen konnten, und deshalb war es ihnen auch egal – sie nahmen in Kauf, ohne Fahrschein zu reisen.  

o Fahrkartenautomaten bei mehreren Verkehrsmitteln: Eine Testperson musste über Wien Mitte zum Flughafen fahren und hatte aufgrund von Bauarbeiten vor Ort Probleme, den Fahrkartenautomaten zu finden. Er wusste außerdem nicht, welchen Automaten er verwenden sollte. Er wollte mit den ÖBB zum Flughafen fahren, konnte aber nur die Automaten der Wiener Linien finden, die ziemlich ähnlich aussehen. Das war ziemlich verwirrend für ihn.  

In den nachfolgenden Gesprächen kamen alle Teilnehmer überein, dass sie ihre Fahrkarten lieber vorab gekauft hätten, statt die Automaten zu nutzen.  

• Kennzeichnung der Umsteigemöglichkeiten: im Allgemeinen gut, bietet aber noch Raum für Verbesserungen. 

o Kennzeichnung der Ausgänge:  In Bezug auf Umsteige‐Knotenpunkte bemerkten alle Testfahrgäste, dass die Ausschilderung  in den Verkehrsmitteln  (die den Reisenden von einer  Linie  zur nächsten leiten) gut sei. Beim Wechsel des Verkehrsmittels (z. B. Umsteigen von Metro auf Bahn) bzw. bei der Ankunft  am  Ziel  sollten  jedoch  die  Ausgänge  besser  gekennzeichnet  werden.  An  wichtigen Umsteigestationen gibt es häufig viele Ausgänge, und die Ermittlung des  richtigen Ausgangs  fällt schwer. Wer den  falschen Ausgang nimmt,  ist  schnell  auf der  falschen  Seite  einer Hauptstraße, verliert Zeit und ist weit weg vom gewünschten Zielort. 

o Sicherheit: Alle Testfahrgäste waren männlich und unter 24. Sie alle  fühlten  sich  im Allgemeinen sicher in den öffentlichen Verkehrsmitteln Wiens. Zwei hingegen gaben zu, sich während der Fahrt etwas unwohl gefühlt zu haben  (dabei handelte es sich nicht um Nachtlinien). Andere Fahrgäste gaben an, sie hatten sich in den Wiener Verkehrsmitteln zwischendurch schon einmal unwohl oder bedroht gefühlt. Dieses Problem beschränkte sich auf Busse (in denen nur wenige Passagiere saßen) und große Verkehrsknotenpunkte (wo sich gern Betrunkene und Drogensüchtige aufhalten). 

 

Erfahrungen nach der Tour 

Alle Testpersonen meinten, die Fahrzeiten seien angemessen und entsprächen in etwa den Erwartungen. Lediglich ein Fahrgast  hatte  eine  deutlich  längere  Fahrzeit  als  erwartet,  da  er  aufgrund  von  Problemen  mit  dem Fahrkartenautomaten einen Zug verpasste.  

Es  gab  keine  negativen  Bemerkungen  zu  überfüllten  Verkehrsmitteln,  Komfort,  Sauberkeit  oder  Schnelligkeit. Das System  „funktioniert  einfach“.  Es  sollten  mehr  offene  Toiletten  zur  Verfügung  stehen  (viele  sind  in  der  Metro verschlossen). 

Der wichtigste allgemeine Kommentar in Bezug auf das Fahrerlebnis war, sämtliche Ansagen auf Deutsch und Englisch zu gestalten. Dieser Vorschlag kam nicht nur von den osteuropäischen Studenten, sondern auch von Österreichern. Die Osteuropäer  merkten  weiter  an,  dass  ihnen  einige  allgemeine  Informationen  zur  Verwendung  der  öffentlichen Verkehrsmittel, idealerweise auf Englisch, bei der Ankunft in Wien zur Verfügung gestellt werden sollten. Beispiele: wo und wie man einsteigen kann, wie die Bezahlung funktioniert – also einfache Bedienhinweise.  

 

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Zusammenfassung 

Die Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Fahrgäste ist der wichtigste Aspekt der Complete Mobility: Erfolgreiche Städte ermitteln stets die Bedürfnisse ihrer Fahrgäste und handeln entsprechend. Beim Konzept der Complete Mobility geht es  um  reibungslose  Fahrerlebnisse  (vor  allem  beim  Umsteigen)  und  somit  um  klare  Vorteile  für  die  Fahrgäste  – Fahrgäste, die hochwertige Mobilität zu schätzen wissen und davon profitieren. 

 

Die Botschaft, die sich aus der Übung mit den Testfahrgästen  (aus einer komplizierten Untergruppe an Fahrgästen) ergibt, ist deutlich: Das Wiener Verkehrssystem ist zumindest hinsichtlich des öffentlichen Personenverkehrs ganz klar auf  den  Fahrgast  ausgerichtet  und  als  hochwertig  einzustufen. Wie  die  Testfahrgäste  selbst  bemerkt  haben:  Es funktioniert einfach. 

Kein System  ist perfekt, und natürlich werden die Aspekte, die verbesserungswürdig sind, hervorgehoben. Raum für Verbesserungen bieten demnach die Fahrkartenautomaten und Umsteigemöglichkeiten – selbst wichtige Bestandteile für reibungslosen Ablauf und Wertschöpfung. Die Ergebnisse aus diesem Test fließen in nachfolgende Plangespräche ür das Wiener Verkehrswesen ein. f

 

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MRC Europe 

8 WIEN: GLOBALE STADT DER ZUKUNFT 8.1 Vorstellung 

Das Konzept der Complete Mobility dient  zur  Steuerung der  künftigen Mobilitätsentwicklung  von  Städten. Wie  im Dokument beschrieben, basiert das  Konzept  auf unvermeidbaren  Trends und den besonderen  Problemen, die die Verantwortlichen dieser Städte auf der ganzen Welt nennen. 

Viele  Wege  führen  zur  Complete  Mobility.  Städte  der  Kategorie  "Probleme  mit  der  Bewältigung"  können  sich umorientieren und schnell entwickeln, und  im Prinzip sogar Zwischenstufen  im  Index überspringen. Der Einsatz von entsprechenden Techniken wurde in verschiedensten Zusammenhängen diskutiert und könnte auch für die Mobilität von Städten gelten.29

Gleichzeitig  hat  jede  Stadt  ihre  eigenen  Probleme  und  verbesserungswürdigen  Bereiche,  unabhängig  von  der Klassifizierung.  In Abschnitt 2 wurde die Anwendbarkeit von Megatrends auf Wien beschrieben,  in Abschnitt 2.3 die Bedeutung  der  „Migration“  als  besondere  Aufgabe  für  Wien.  Die  Übung  mit  den  Testfahrgästen  ergab  einige spezifische Impulse für künftige Entwicklungsvorhaben. 

In  Wien  wurde  viel  für  ein  stimmiges  Gesamtkonzept  für  Entwicklungen,  Investitionen  und  Schwerpunkte unternommen. Daher lohnt es sich, diesen Ansatz mit dem Konzept der Complete Mobility zu vergleichen, um Einblicke in das Wien der Zukunft zu erhalten. 

Das Wiener Mobilitätskonzept heißt Smart Mobility.30 Es schöpft aus 5 Kernkomponenten: Nachhaltigkeit, Effektivität, Akzeptanz, Kooperation und Innovation; siehe Abbildung 15 unten.  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Smart Mobility 

Abbildung 15 – der Wiener Masterplan Verkehr: Intelligent Mobility 

Das Konzept beinhaltet eine Reihe interessanter Überschneidungen mit dem Konzept der Complete Mobility (vgl. Tabelle 3 unten). Daraus geht hervor, dass es große Überschneidungen zwischen den beiden Konzepten gibt, die unserer Meinung nach Gutes für die Zukunft Wiens erwarten lassen.   Ein Aspekt der Definition für Complete Mobility, die unserer Ansicht nach besonders nützlich ist, ist das Einbinden von  verkehrsbezogenen  Ergebnissen  (effizient,  nachhaltig  und  fahrgastorientiert),  direkten  Ergebnisse  für  den städtischen  Raum  (flexiblerer  persönlicher  Lifestyle,  Umweltqualität,  globale  Wettbewerbsfähigkeit  und Lebensqualität)  sowie  prozessbasierte  Aspekte  (Änderungsansätze,  Ausgewogenheit  und  proaktives Management).   

                                                                 29  ICT‐bezogene  Infrastrukturen  (ICT  =  Information  and  Communications  Technology;  Informations‐  und Kommunikationstechnik) werden  häufig  als  "Sprung‐Technologien"  gesehen  und  bieten  in  der  Tat  ein  großes  Potenzial  in bezug auf Transportverwaltung, Steuerung, Informationssystem und Zahlung.  30 Hieß bis vor Kurzem jedoch „Intelligent Mobility“. 

42 Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen  

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MRC Europe Verkehrsberatung, -konzepte und -lösungen 43

 

Anhand dieser  Indikatoren konnten wir einen  Index erarbeiten, der eine Gesamtmessgröße und Einblicke  in die Entwicklung  und  Wege  zu  Veränderungen  bereitstellt.  Diese  Informationen  sind  wichtig  beim  Führen  von Verhandlungen,  Entwickeln  von  Übereinstimmungen  und  Kompromissen  und  Definieren  eines  gemeinsamen „Endpunkts“. Zusammengenommen hauchen sie dem Konzept Leben ein und erhöhen seinen Nutzen.  

Intelligent Mobility  Complete Mobility 

Nachhaltigkeit  –  in  Bezug  auf  soziale  Gerechtigkeit, zukunftsgerichtete  Wirtschaftssysteme  und  nachhaltige Nutzung der natürlichen Umgebung 

Bei  Complete  Mobility  steht  Nachhaltigkeit  im Mittelpunkt  aller  erfolgreichen  Mobilitätssysteme.  Die gewünschten  Ergebnisse  sind u. a. höhere Umwelt‐ und Lebensqualität. 

Effektivität – Mobilität, die Ressourcen schont, erfordert ein  hohes  Maß  an  konzeptioneller  Vorstellung  in  der Organisationsphase 

Complete Mobility  trägt der Wichtigkeit von proaktivem Management  bei  Verkehrssystemen  in  ähnlicher Weise Rechnung  wie  der  Wiener  Effektivitätsaspekt.  Das Schlüsselthema  der  Effizienz  im  Konzept  der  Complete Mobility ist ein weiterer übereinstimmender Punkt. 

Akzeptanz  –  Vertrauen  zwischen  allen  Beteiligten;  das bedeutet Information, Kommunikation und Motivation als Voraussetzung für mehr Bewusstsein 

Wir glauben, dass alle Nutzer von der Complete Mobility profitieren  können  sollen.  Dazu  muss  zwischen  den Fahrgästen  und  den  Anbietern  ein  hohes  Maß  an Vertrauen bestehen; die Nutzer der Dienstleistung wissen die  verkehrsbezogenen  Dienste  und  Informationen  zu schätzen. 

Kooperation – Partnerschaft mit benachbarten Bezirken, den  örtlichen  Behörden,  den  ÖBB  (Österreichischen Bundesbahnen),  anderen  Institutionen  (länderüber‐greifend bzw. in den Nachbarländern) sowie Public Private Partnerships 

Proaktives Management erfordert  in der Regel  intensive Kontrollbeziehungen.  Ein  nachhaltiges  System  erfordert Partnerschaften, die auf Konsens ausgelegt sind. 

Innovation  –  Die  Ziele  Nachhaltigkeit,  Effektivität, Akzeptanz und Kooperation können nur durch Innovation in  Bezug  auf  Verfahren,  Implementierung,  Infrastruktur und Technik erreicht werden. 

Obwohl  der  Punkt  „Innovation“  in  der  Definition  von Complete  Mobility  nicht  explizit  erwähnt  wird,  ist  er automatisch  im  Konzept  enthalten,  da  ohne  Innovation Verbesserungen  kaum möglich  sind. Durch Beispiele  für bewährte  Verfahren  in  diesem  Bericht  können wir  den Wissenstransfer  unterstützen  und  verkehrsbezogene Innovationen fördern. 

T

 

abelle 4 – Intelligent Mobility und Complete Mobility 

8.2 Was kommt als Nächstes in Wien? 

Dieser  Bericht  nennt  die  Stärken  des Wiener  Verkehrssystems.  Es  funktioniert  kontinuierlich  gut.  Die  hohe Passagierzahl  und  Kundenzufriedenheit  bezeugen  die  Leistungsfähigkeit  des  Systems.  Die  Wiener  Systeme (integrierte  Planung  und  Eigentumsverhältnisse,  Twin  City  Liner;  Engagement  der  Fahrgäste;  gemeinsam genutzter Raum und Entwicklung des "ITS Vienna Region") sind durchweg positiv zu bewerten und unterstützen die  Konzepte  der  Complete Mobility.  Diese  Aspekte  liefern  eine  gute  Grundlage  für  die  Zukunft  des Wiener Verkehrswesens.   Es wurden auch Bereiche ermittelt, in denen das System verbesserungswürdig ist. Die Stadt muss entsprechend auf die durch globale wie lokale Trends bedingten Mobilitätsbedürfnisse reagieren (vgl. Abschnitt 2). Das Konzept der Complete Mobility und der Index sind speziell darauf ausgelegt, Kontraste zu den vorherrschenden Systemen weltweit  zu  setzen und Einblicke  in die gelebten Vorgehensweisen  zu  liefern. Diese Studie über Wien  soll den Wissenstransfer fördern und andere Städte durch die gemeinsame Nutzung von Best Practices unterstützen.  

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 Die  Übung  mit  den  Testfahrgästen  in  Abschnitt  7.2  unterstreicht  die  Leistungsstärke  des  Wiener Verkehrssystems. Dies  stimmt mit  den  allgemeinen  Indexergebnissen  und  unserer Bewertung  überein: Wiens Stärken  resultieren  aus  den  konsistenten,  harmonischen  und  vollständig  integrierten  Verfahrensweisen  und Projekten.   Die Testfahrgäste fanden einige verbesserungswürdige Punkte, was durch die Leistungsanalyse im Index bestätigt wird. Die größte Schwachstelle im Wiener System (wenn man so sagen will – hier wird immer noch eine mehr als befriedigende  Leistung  erzielt)  zeigt  sich  durch  Indikatoren  in  Bezug  auf  die  Bereitstellungskosten.  Die Testfahrgäste  fanden  zudem heraus, dass das Umsteigen  (vor allem  in größeren  Stationen) und Bezahlen  von Fahrscheinen verbessert werden kann.  Der Blick auf andere Städte  lässt erkennen, wie sich die Effizienz und Ausrichtung auf den Fahrgast verbessern lässt.  Im  Folgenden  werden  zwei  Beispiele  für  Best  Practices  nach  dem  Konzept  der  Complete  Mobility beschrieben. Anschließend werden einige Empfehlungen für Wien ausgesprochen.   Complete Mobility – Best Practice: Intercambiadores in Madrid  Die Madrider  Intercambiadores  sind  ein  gutes  Beispiel  für  Complete Mobility;  hier  wird  allen  Aspekten  des Konzepts  Rechnung  getragen  –  Fahrgastorientierung,  Effizienz  und  Nachhaltigkeit.  In  Madrid  wachsen  die Vororte,  wie  in  so  vielen  Städten.  Hochwertige  Beförderungskorridore  wurden  geschaffen,  die  ein  hohes Fahrzeug‐ und Passagieraufkommen in die Innenstadt bewältigen. Nach Feststellung der städtischen Behörden ist ein Schlüsselfaktor zur Reduzierung von Verkehrsstaus die Reduzierung der Anzahl von Fahrzeugen mit nur einer Person  sowie  des  Busverkehrs  ins  Zentrum,  wenn  diese  Busse  nicht  direkt  die  Innenstadt  ansteuern.  Das "speichenförmige" Muster des Pendler‐ und Lieferverkehrs, der morgens in die Stadt hinein und abends aus der Stadt  heraus  fließt,  entwickelte  sich  zu  einem  im  Tagesverlauf  stetig  ansteigenden  Verkehrsstrom  in  allen Verkehrsnetzen.   Deshalb haben die Madrider Behörden eine Reihe von Stationen an den Endpunkten der Beförderungskorridore zu  ‘"Sammelplätzen"  gemacht.  Madrid  verfügt  jetzt  über  mehrere  dieser  so  genannten  ‘Intercambiadores' (verkehrsmittelübergreifende  Umsteigestationen).  Diese  wurden  im  Zuge  eines  mehrjährigen Investitionsprogramms als Ergänzung zur allgemeinen Erweiterung von Metro (U‐Bahn), regionalen Zugstrecken und  Fern‐  sowie  Nahverkehrsbussen  gebaut.  Diese  Umsteigestationen  sind  effektive  Gateways  zwischen regionalen und lokalen Verkehrssystemen. Sie bilden Kristallisationspunkte für die bauliche Erschließung und die Bildung von Gemeinden.   Die  ‘Intercambiadores'  sollen  attraktive  ‘natürliche  Bereiche'  sein,  die  als  verkehrsmittelübergreifende Drehscheiben  sowie  als  Zielorte  für den  sozialen und wirtschaftlichen Austausch dienen. Der Bahnhof Atocha (Abbildung 16) hat zum Beispiel eine Promenade mit Geschäften, Cafés, einem Nachtklub und einem 4.000 m² großen überdachten tropischen Garten. Dazu kommt die Anbindung an Metro, Schnellzug, Regionalbahnen und Intercity‐  und  Regionalbusse.  In  diesen  Einrichtungen  erhalten  die  Fahrgäste  umfassende  Informationen,  die ihnen  eine  gute Orientierung  erlauben.  Im  Zentrum  dieser  Bestrebungen  stehen  dabei Ausschilderungen  und Informationen in Echtzeit. Dabei wird in Echtzeit angezeigt, wo sich welche Verkehrsmittel befinden. Das sorgt für zuverlässige,  genaue  und  pünktliche  Informationen  zu  Ankunfts‐  und  Abfahrtzeiten  und  Ankunfts‐  und Abfahrtorten.  Diese  Umsteigestationen  sind  extrem  gute,  effiziente  und  fahrgastorientierte  Gateways  in  die Innenstadt für einen nachhaltigen Pendelverkehr.   

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Abbildung 16 – Bahnhof Atocha, Madrid 

      Complete Mobility – Best Practice: Flexible Smartcards  Flexible Smartcards gelten ebenfalls als Vehikel der Complete Mobility. Sie unterstützen nicht nur das Konzept der  Complete  Mobility,  sondern  auch  städtebezogene  Funktionen  und  Dienste  im  weiteren  Sinne.  Sehr erfolgreiche Beispiele  für  auf  Smartcards basierende  Fahrkartensysteme weltweit  sind  die  viel  benutzten  und anerkannten Karten der Städte Hongkong und London: die Hongkonger Octopus‐Karte und die Londoner Oyster‐Karte.  Das  Smart  Ticketing  selbst  unterstützt  zwar  die  Complete  Mobility  (durch  reibungslosen  Verkehr, effizienten Betrieb und  fahrgastorientierte Dienste), aber eine echte Complete Mobility  in der  Stadt wird erst durch zusätzliche regionale und nationale Dienste erreicht, was neue Perspektiven  für Kundenorientierung und lückenlose Möglichkeiten für das Leben im städtischen Raum eröffnet.   Die  flexible,  kontaktlose  Smartcard  ‘EasyRider'  im  englischen  Nottingham  ist  seit  dem  Jahr  2000  im  Einsatz. Betreiber  ist Nottingham City Transport  (NCT). Mit der Smartcard kann der Reisende uneingeschränkt den Bus sowie die  Straßenbahn  nutzen, die  von Nottingham  Express  Transit  (NET) betrieben wird.  Es  stehen mehrere Optionen  zur Verfügung,  je nach Alter und Nutzungsverhalten der Reisenden. Außerdem gibt es verschiedene Zahlungsmöglichkeiten.  So  entsteht  ein  sehr  fahrgastorientiertes  System,  das  den  Reisenden  die  für  ihre individuellen Bedürfnisse nötige Flexibilität bietet.   Später, genauer  im  Jahr 2007, brachte die Nottinghamer Stadtverwaltung eine neue Smartcard heraus, die  so genannte  ‘CityCard'.  Diese  sollte  mehrere  Anwendungen  und  Nutzungsmöglichkeiten  in  eine  einzige  Karte integrieren.  Durch  die  zusätzlichen  Funktionen  werden  die  Vorteile  derartiger,  im  Nahverkehr  eingesetzter Smartcards weiter aufgewertet. Wie die bewährte EasyRider‐Karte können die Inhaber dieser Karte mit den NCT‐Bussen  fahren.  Das  NET‐Straßenbahnsystem  ist  jedoch  noch  nicht  in  dieses  System  integriert.  Die  CityCard ermöglicht darüber hinaus den  Zugang  zu  sowie Rabatte  für  Freizeiteinrichtungen, Bibliotheken und Einkaufs‐/Unterhaltungszentren  in  der  Stadt.  Außerdem  werden  weitere  progressive  Schritte  zur  Integration  des Umweltaspekts unternommen: Es gibt für Karteninhaber ein Punktesystem als Zeichen dafür, wie man durch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel statt des eigenen PKWs den CO2‐Ausstoß senken kann. Die CityCard gibt es für verschiedene Kundensegmente. Dadurch bleibt die Flexibilität des Systems gewahrt.   Die  Karte  verspricht,  ein  nützliches  Hilfsmittel  für  das  Leben  in  Nottingham  zu werden:  Sie  gewährt  Zutritt, ermöglicht Zahlungen und bietet Anreize  für das Leben  in der Stadt Nottingham. Ein erfolgreiches Element der Karte war der Einsatz bei den Studenten in der Stadt. Der Campus der Nottingham‐Trent‐Universität liegt in der Innenstadt. Die Studierenden verwenden die Karte auch als Studentenkarte. So können sie problemlos Angebote 

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der  Stadt, wie  z. B. die Karte  zur Benutzung der Verkehrsmittel, herunterladen. Damit werden die  Studenten vollständig  in  die  Stadt  eingebunden  und  können  von  Dienstleistern  wie  Stadtplanern  als  Zielgruppe angesprochen werden. Dies gilt auch für andere Städte in Großbritannien, allen voran Southampton.   Flexible Smartcards liefern den Fahrgästen Anreize, ihr Verhalten zu ändern und davon zu profitieren. Und das ist einer der entscheidenden Faktoren des Ansatzes der Complete Mobility.   Die CityCard  ist noch  in der Anfangsphase. Die zusätzliche  Integration anderer Dienste und die Anbindung des NET‐Netzes machen  die  CityCard  zu  einem  progressiven  Beispiel,  diese  Technik  zur  Förderung  der  Complete Mobility für Fahrgäste verschiedenster Altersgruppen einzusetzen.  

 

Abbildung 17 – CityCard in Nottingham 

    Abschließende Bemerkungen und Empfehlungen  Am Anfang dieses Berichts befassten wir uns mit den wirtschaftlichen, demografischen und persönlichen Trends, die für Städte auf der ganzen Welt zu erwarten sind. Complete Mobility bietet den Städten eine Rahmenstruktur zur Errichtung von nachhaltigen und effizienten Verkehrssystemen, die auf den Fahrgast ausgerichtet sind und globalen Trends Rechnung tragen.  Wien ist bereits gut für die Zukunft gerüstet. Das Transportsystem und die Stadtentwicklung sind gut entwickelt und  basieren  auf  der  so  genannten  Smart Mobility.  In Wien werden  bereits  die  Aspekte Nachhaltigkeit  und Effektivität beim Stadtverkehr berücksichtigt.   Der in Wien stattfindende 58. UITP‐Weltkongress im Juni 2009 ist eine ideale Gelegenheit, Wiens Verkehrssystem aus  erster  Hand  zu  erleben.  Entscheidungsträger  aus  Städten  auf  der  ganzen  Welt  können  hier  vom herausragenden  Beispiel  Wien  lernen  und  einen  Einblick  in  die  von  der  Stadt  umgesetzten  Best‐Practice‐Initiativen im Bereich Mobilität gewinnen.   Anhand unserer Analysen können wir sagen, dass Reisende in Wien ein Verkehrssystem der Extraklasse vorfinden werden:  ein  zugängliches  und  effizientes  öffentliches  Transportsystem,  das  hervorragend  funktioniert  und  im allgemeinen einfach zu nutzen ist; eine lebendige Innenstadt, in der man die Rolle des Privat‐Pkw in der heutigen Gesellschaft anerkennt und es gleichzeitig versteht, der Verantwortung der Stadt den  richtigen Stellenwert  zu geben und ihren Bedarf zu managen. Dies ist eine Stadt, die ganz einfach „funktioniert“.   Das  große  Plus  der  Complete  Mobility:  eine  Rahmenstruktur  zur  Analyse  des  Verkehrsnetzes  und  dessen Entwicklung und Optimierung. Anhand unserer Analysen mit Hilfe dieses Rahmens unterbreiten wir für die Stadt folgende Vorschläge:   Nutzungsstrategie für personalisierte „Smart Media“ Unserer Ansicht nach sollte die Stadt personalisierte Smart Media  für den City‐Bereich einführen. Es sollte sich dabei nicht einfach um eine Smartcard für Fahrscheine oder sonstige Wertmarken handeln; das Anwendungsfeld sollte breiter gefächert sein, wobei Verkehrsanwendungen im Mittelpunkt stehen.   

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ICT  (Information  and  Communications  Technology;  Informations‐  und  Kommunikationstechnik)  ist  eine  echte Chance  für  den  Schritt  hin  zur  Complete Mobility.  Personalisierte  Smart Media  können  Smartcards,  Handys, iPhones  und  andere  benutzerspezifische  Geräte  sein.  Das  Angebot  sollte  Eintritts‐  und  Fahrkarten, Zahlungsmöglichkeiten  und  spezielle  Angebote  und  Anreize  zur  intensiveren  Nutzung  von  öffentlichen Verkehrsmitteln  umfassen.  Smart Media  können  auch  betriebliche  Daten  in  Bezug  auf  die  Verwendung  und Nachfrage liefern (obwohl dieser Vorteil im öffentlichen Personenverkehr häufig überbewertet wird).  Smart Media  werden  unweigerlich  immer  billiger  und  populärer,  und  sie  sind  für  jüngere  Leute  ein  festes Lifestyle‐Element.  Diese  Generation  verwendet  erwartungsgemäß  Smart Media,  um  das  Leben  bequemer  zu gestalten (so war bei den Testfahrgästen „Google Maps“ das Hilfsmittel zur Planung der Touren).  Wir glauben, dass mit Smart Media und Smartcards ein Großteil der Ziele der Complete Mobility realisiert werden kann.  Das  Beispiel  der  oben  beschriebenen  flexiblen  Smartcards  zeigt:  Flexible  Smartcards  mit  mehreren Anwendungen  können  bei  der  Verknüpfung  von  Diensten  für  die  Bürger  und  auch  den  Dienstanbieter (einschließlich der Behörden) wichtig werden.  Fahrkarten  sind  zwar  eine der wichtigsten Anwendungen,  aber nicht  die  einzige.  Viele  Servicebereiche  entwickeln  und  führen  eigene  Smart Media  ein  –  und  diese  können effektiv verknüpft werden.  In Bezug auf die Londoner Smartcard „Oyster“ sind zwei Aspekte wichtig: 

• Niedrigster Preis: Wer mit der Oyster Card  reist,  zahlt  stets den niedrigsten Preis. Wer beispielsweise innerhalb eines Tages reist (wofür auch ein preiswerter Tagespass verfügbar wäre), bekommt auch den entsprechenden Preis berechnet. Dieses Tagespreisangebot sorgt dafür, dass das preiswerteste Ticket für die  Fahrt ausgegeben wird  (sofern der  Fahrgast ein‐ und  auscheckt). Die  Fahrgäste müssen nicht mehr befürchten, den Geltungsbereich der Fahrkarte zu überschreiten, wie bei den Testfahrgästen zu beobachten war, und das Tarif‐Wirrwarr gehört endgültig der Vergangenheit an. 

• Organisatorische  Veränderungen:  Die  Oyster  Card  gilt  bei  Vielen  als  massive  organisatorische Veränderung, die die Organisation des Londoner Transportsystems gebündelt und dem Service zu mehr Kundenorientiertheit verholfen hat. Das derzeitige Wiener System ist gut integriert. Durch Smart Media können  jedoch  neue  verwaltungstechnische  und  betriebliche  Ansätze  und  neue  Services  angeboten werden.  

 Die Einführung der Smartcard bedeutet wie gesagt nicht, dass sie auf das öffentliche Transportsystem beschränkt wird.  Wenn  es  Anreize  gibt,  die  Karte  zu  nutzen  (z. B.  das  oben  genannte  Londoner  Bestpreis‐Ticket  oder Treuepunkt‐Aktionen  für  eingesparte  CO2‐Emissionen),  wird  sie  auch  genutzt  und  bietet  so  Anreize  für  das Management des Bedarfs sowie Möglichkeiten zur Verbesserung der Kundenorientierung.   Das Verkehrswesen in Wien wird von den Fahrgästen gut bewertet und akzeptiert. Das könnte zu der Annahme verleiten, dass  keine Änderungen  erforderlich  sind, und  selbst die  Einführung  von  Smart  Ticketing  könnte  ein Fehler  sein.  Unserer Meinung  nach  ist  dies  jedoch  eher  einer  der  Hauptgründe,  der  für  die  Einführung  von Smartcards  in  Wien  spricht.  Das  Verkehrssystem  kann  zur  wichtigsten  Anwendung  für  flexible  Smartcards werden, in denen Angebote für die Bürger gebündelt werden. Gleichzeitig bieten sie zielgerichtete Services und Angebote für viele verschiedene Personengruppen in Wien – heute und morgen.   Wir schlagen daher personalisierte Smart Media für die Nutzung von Angeboten  in der Stadt vor, einschließlich einer Smartcard mit dem Schwerpunkt beim öffentlichen Personenverkehr.