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WERKSTOFFE MIT ZUKUNFT – ZUKUNFT MIT WERKSTOFFEN Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V. Hahnstraße 70 60528 Frankfurt Telefon: +49-69-75306-750 Telefax: +49-69-75306-733 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.dgm.de Forschungsbedarf zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit

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WERKSTOFFE MIT ZUKUNFT – ZUKUNFT MIT WERKSTOFFEN

Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

Hahnstraße 7060528 Frankfurt

Telefon: +49-69-75306-750Telefax: +49-69-75306-733

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.dgm.de

Forschungsbedarf zur Sicherung

der Wettbewerbsfähigkeit

Werkstoffe mit Zukunft – Zukunft mit Werkstoffen

Forschungsbedarf zur Sicherung

der Wettbewerbsfähigkeit

65 Erfahrung · Kompetenz · Wissen

Impressum Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

ob Elektroauto oder Touchscreen-Handy, Leichtbau-Airbus oder Bio-Implantat: Ohne neue Werkstoffe und Ma-

terialien geht heute gar nichts mehr. Aktuellen Studien zufolge sind auf deren Entwicklung rund 70 Prozent

aller Innovationen zurückzuführen. In Deutschland erzielen material- und werkstoffbasierte Branchen einen

Umsatz von rund einer Billion Euro im Jahr – und sichern auf diese Weise fünf Millionen Arbeitsplätze.

Als größte Fachgesellschaft für Materialwissenschaft und Werkstofftechnik in Europa sorgt die DGM seit fast

100 Jahren dafür, den Innovationsbedarf in den Zukunftsfeldern Mobilität, Kommunikation, Energie, Ge-

sundheit, Sicherheit und Umwelt zu eruieren, diese Potenziale wissenschaftlich auszuloten und die neuesten

Forschungs ergebnisse für die Industrie – und damit für den Endverbraucher – nutzbar zu machen. Zentrale

Organe für diese Arbeit sind die rund 40 Fach- und Gemeinschaftsausschüsse der DGM mit ihren etwa 70

Arbeitskreisen:

In ihnen treffen sich die Koryphäen der Branche aus Wissenschaft und Industrie, um Netzwerke auch zu ande-

ren Arbeitskreisen zu bilden, den Nachwuchs zu fördern und auf diese Weise mit neuen Ideen hochmotiviert

an der Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland – und damit nicht zuletzt an der Zukunft unserer Gesell-

schaft – „mitzustricken“.

In den Fach- und Gemeinschaftsausschüssen der DGM entstand auch diese Expertenbroschüre. In knapper

Form stellt sie die Innovationskraft von Werkstoffen und die Verfahren ihrer Entwicklung, Produktion und Qua-

litätsprüfung vor. Sie analysiert ihre Bedeutung für die Schlüsselthemen der nächsten Jahrzehnte, eruiert neue

Einsatzgebiete – und stellt dar, wo die Herausforderungen der Zukunft liegen. Dabei wird deutlich, dass ohne

die Fach- und Gemeinschaftsausschüsse der DGM mit ihren ehrenamtlich agierenden Leitern heute im Bereich

der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik (MatWerk) eigentlich kaum etwas geht.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine spannende und erkenntnisreiche Lektüre.

Dr. Hilmar R. Müller Univ.-Prof. Dr. Klaus D. Jandt

Wieland-Werke, Ulm Friedrich-Schiller-Universität, Jena

Sprecher der DGM-Fachausschüsse (Industrie) Sprecher der DGM-Fachausschüsse (Wissenschaft)

HERAUSGEBER:

Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V. (DGM)

Hahnstraße 70

60528 Frankfurt am Main

Telefon: +49 (0)69 75306-750 | Telefax: +49 (0)69 75306-733

[email protected] | www.dgm.de

VORSITZENDER:

Prof. Dr.-Ing Jürgen Hirsch

GESCHÄFTSFÜHRENDES VORSTANDSMITGLIED:

Dr.-Ing. Frank O.R. Fischer

T +49 (0)69 75306-756

[email protected]

IDEE UND KONZEPT:

Dr.-Ing. Frank O.R. Fischer

Dr. Thomas Köster

REDAKTION:

Dr. Thomas Köster

LAYOUT UND UMSETZUNG:

Sarah Hagemann

DRUCK:

WARLICH DRUCK MECKENHEIM GMBH

Geschäftsführer: Dipl.-Ing. Stefan Warlich

Industriepark Kottenforst

Am Hambuch 5

53340 Meckenheim

Tel.: +49 (0)2225 9216-0 (Zentrale) | Fax: +49 (0)2225 9216-33

[email protected]

REDAKTIONSSCHLUSS:

20. August 2015

Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

87

Inhaltsverzeichnis

Werkstoffe und High-Tech-Megatrends ................................................................................ 10

Megatrend „Mobilität“ .......................................................................................................... 11

Megatrends „Kommunikation“ und „Sicherheit“ .................................................................. 13

Megatrend „Energie“ ............................................................................................................ 15

Megatrend „Gesundheit“ ...................................................................................................... 17

Megatrend „Umwelt und Klima“ ........................................................................................... 19

Werkstoffe und Materialien ................................................................................................... 21

Aluminium ............................................................................................................................ 23

Bioinspirierte Materialen ........................................................................................................ 25

Biomaterialien........................................................................................................................ 27

Feuerfestwerkstoffe ............................................................................................................... 29

Hochleistungskeramik ............................................................................................................ 31

Hybride Werkstoffe und Strukturen........................................................................................ 33

Intermetallische Phasen.......................................................................................................... 35

Magnesium ........................................................................................................................... 37

Metallische Verbundwerkstoffe .............................................................................................. 39

Titan ...................................................................................................................................... 41

Werkstoffe der Energietechnik ............................................................................................... 43

Zellulare Werkstoffe ............................................................................................................... 45

Verfahren und Methoden ....................................................................................................... 47

Additive Fertigung ................................................................................................................. 49

Funktionalisierung von Oberflächen ....................................................................................... 51

Materialographie ................................................................................................................... 53

Mechanische Oberflächenbehandlung ................................................................................... 55

Strahllinien ............................................................................................................................ 57

Stranggießen ......................................................................................................................... 59

Strangpressen ........................................................................................................................ 61

Texturen ................................................................................................................................ 63

Thermodynamik der Werkstoffe ............................................................................................. 65

Ausblick ................................................................................................................................... 67

Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

Werkstoffe und High-Tech-Megatrends

Um das Leben jedes Einzelnen auf ökologische und nachhaltige Weise leichter, schö-

ner und effizienter – und dabei unsere Gesellschaft als Ganzes reicher – zu machen,

müssen Forschung und Industrie in den nächsten Jahren drängende Fragen im Be-

reich der Mobilität, der Energieversorgung, der Kommunikation, der Sicherheit, der

Gesundheit und des Umweltschutzes beantworten können. Auf diesen nicht zuletzt

in der High-Tech-Strategie der Bundesregierung als Herausforderung für eine wettbe-

werbsfähige und beschäftigungsstarke Wirtschaft definierten Zukunftsfeldern spielen

neue Materialien und innovative Werkstoffe eine Schlüsselrolle.

„Wir wollen die Kräfte von Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik noch

stärker bündeln und die daraus erwachsenden Synergien für höhere Wettbewerbs-

fähigkeit und nachhaltigen Wohlstand nutzen“, heißt es im Leitbild der Initiative für

ein innovatives Deutschland. Und: „Wir wollen die Zusammenarbeit von Hochschu-

len, Forschungseinrichtungen mit Unternehmen und internationalen Partnern stetig

ausbauen und neue Kooperationen fördern.“ Auch im Bereich der High-Tech-

Megatrends wirken die MatWerk- Fachausschüsse der DGM auf vielfältige

Art und Weise an diesem Leitbild mit.

109 Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

Megatrend „Mobilität“Leichter, günstiger, schneller.

Leben ist Bewegung, Menschen wollen reisen. Die schnelle, sichere, komfortable,

umwelt- und ressourcenschonende Fortbewegung zu Wasser, zu Lande und zu Luft

gewinnt in unserer mobilen Gesellschaft immer größere Bedeutung. Nicht zuletzt

dank seiner material wissenschaftlichen und werkstofftechnischen Innovationen ist

Deutschland in der Straßen- und Schienenfahrzeugforschung ebenso wie im Auto-

mobilbau oder in der Luft- und Raumfahrtforschung, für die Zukunft ausgezeichnet

aufgestellt.

Historisch ist Materialwissenschaft und Werkstofftechnik „Made in Germany“ in Sa-

chen Mobilität immer schon ein maßgeblicher Wegbereiter gewesen. Von der Zünd-

kerze über den Dieselmotor bis hin zur Magnetschwebebahn, vom Segelflieger über

das Düsentriebwerk bis hin zum Hubschrauber haben Erfinder wie Robert Bosch,

Rudolf Diesel, Hans Joachim Pabst von Ohain oder Heinrich Focke immer wieder auf

neue Materialentwicklungen zurückgegriffen, um ihre bewegenden Ideen in die Tat

umzusetzen.

Heute helfen Konstruktions- und Verbundwerkstoffe, verschleißbeständige Ober-

flächen oder Leichtbaustähle gleichermaßen dabei, Autos, Flugzeuge, Schiffe und

Züge leichter, günstiger, energieeffizienter, leiser und schneller zu machen. Mit zahl-

reichen Fachausschüssen gibt die DGM hier die entscheidenden Impulse.

11 12

DGM-Fach- und Gemeinschaftsausschüsse:

> Magnesium

> Aluminium

> Titan und Titanlegierungen

> Verbundwerkstoffe

> Zellulare Werkstoffe

> Hybride Werkstoffe und Strukturen

> Metallische Verbundwerkstoffe

Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

Megatrends „Kommunikation“ und „Sicherheit“

Selbstredend sorglos.

Wir müssen reden. Und wir wollen mailen, twittern, bloggen, skypen: mit immer kleineren Geräten, und im

Vertrauen auf die Sicherheit der Dinge. Den damit verbundenen Herausforderungen stellen sich Forschung und

Industrie in Deutschland mit großem Engagement. Dabei blieben Smartphones oder Tablet-PCs ohne Material-

wissenschaft und Werkstofftechnik stumm. Und die Sicherheit der Dinge wäre ein unkalkulierbares Risiko.

In den Bereichen Kommunikation und Sicherheit hat Deutschland traditionell einen guten Ruf. Mit neuen Mate-

rialien und Werkstoffen haben Erfinder wie Konrad Zuse (Computer, 1941), Emil Berliner (Plattenspieler, 1887),

Fritz Pfleumer (Tonband, 1928) und Karlheinz Brandenburg (MP3-Format, 1987) Mediengeschichte geschrieben.

Die von Jürgen Dethloff und Helmut Gröttrup entwickelte Chipkarte machte nicht nur den bargeldlosen Bank-

verkehr Anfang der 70er Jahre mit einem Schlag problemlos. Und der 1971 von Mercedes Benz eingeführte

Airbag bot auf der Straße neuen Schutz.

Überhaupt sorgt Materialwissenschaft und Werkstofftechnik im gesamten Alltagsleben dafür, dass Bauteile in

Computern, Handys, ICE-Zügen oder Windkraftflügeln gefahrlos funktionieren. Viele Fachausschüsse der

DGM fördern nicht zuletzt auch den Dialog unter denen, die unsere Welt immer kommunikativer und

sicherer machen.

1413

DGM-Fach- und Gemeinschaftsausschüsse:

> Materialien für elektronische Anwendungen

> Computersimulation

> Materialographie

> Thermodynamik, Kinetik und Konstitution der Werkstoffe

> Werkstoffcharakterisierung mit Strahllinien

> Werkstoffverhalten unter mechanischer Beanspruchung

> Materialermüdung

Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

Megatrend „Energie“Lichter schonend strömen.

Wer die Zukunft gestalten will, braucht Energie. Und er muss die Ströme der Natur mit den Kräften der Technik

so effizient und nachhaltig wie möglich verbinden lernen. Bei der Erzeugung, Speicherung – und Reduzierung –

von Energiemengen leisten Forschung und Industrie hierzulande einen entscheidenden Beitrag. Bei Hybridkraft-

werken und Solarenergie belegt Deutschland – ebenso wie bei der Batterieoptimierung oder in der Photovoltaik

– einen Spitzenplatz.

Ohne Materialwissenschaft und Werkstofftechnik aber ginge in diesen Bereichen buchstäblich der Saft aus. Seit

der Erfindung der Glühbirne mit Kohleglühfaden durch Heinrich Göbel 1854 haben deutsche Forscher mit Hilfe

neuer Materialien und Werkstoffe in der Energieversorgung und -nutzung immer wieder Highlights gesetzt. Von

der Entwicklung der Kathodenstrahlröhre durch Karl Ferdinand von Braun über die Vorarbeiten von Otto Leh-

mann zu LCD-Flüssigkristallbildschirmen reicht das Spektrum bis hin zu innovativen organischen Leuchtdioden

(OLEDs), die die Welt brillanter leuchten lassen.

Heute sichern feuerfeste Werkstoffe und Hochtemperatur-Sensoren die Effektivität von Energieprozessen. Inter-

metallische Phasen, Aluminium oder Titan senken im Verkehr den Kraftstoffverbrauch und den CO2-Ausstoß;

Verbundwerkstoffe garantieren, dass sich Windradflügel reibungslos drehen können. In ihren Fachausschüs-

sen arbeitet die DGM mit viel Energie an diesen Entwicklungen mit.

1615

DGM-Fach- und Gemeinschaftsausschüsse:

> Feuerfestwerkstoffe

> Gläser und optische Materialien

> Hochleistungskeramik (HLK)

> Hochtemperatur-Sensorik

> Werkstoffe der Energietechnik

Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

Megatrend „Gesundheit“Länger beweglich fit.

Wir werden immer älter. Und wollen trotzdem Zeit unseres Lebens fit und gesund

bleiben. In einer alternden Gesellschaft werden Innovationen der Medizintechnik

auch für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland immer wichtiger –

ebenso wie bei der Entwicklung neuer minimalinvasiver Operationsmethoden oder

bei bildgebenden Verfahren, in Diagnostik und in der regenerativen Medizin. Dabei

führt an Materialwissenschaft und Werkstofftechnik kein Weg vorbei.

Traditionell ist Deutschland vor allem durch ihre Pharmaindustrie (Aspirin, Anti- Baby-

Pille, HPV-Impfstoffe) im Bereich der Gesundheit international ausgezeichnet auf-

gestellt. In gewisser Weise wurde sogar die Bakteriologie von Robert Koch (1876)

„erfunden“ – Voraussetzung dafür, dass biokompatible Dauerimplantate aus inter-

metallischen Phasen oder Biokeramik auf die Bedingungen im Körper bestmöglich

angepasst werden können. Von hier aus ist es nur ein kleiner Schritt zur deutschen

Mikrosystemtechnik, die ebenfalls auf neuen Materialien und Werkstoffen basiert:

1997 stellte die Otto Bock Healthcare GmbH aus Duderstadt das erste vollständig

mikroprozessorgesteuerte Kniegelenk vor.

Heute schicken ferromagnetische Materialien Medikamente gezielt an Krankheitsher-

de. Bioresorbierbare Stents und Magnesiumschrauben lösen sich nach Gefäßerweite-

rungen oder Heilung von Knochenbrüchen auf und werden vom Körper auf natür-

liche Weise wieder ausgeschieden, metallische Schaumstrukturen ersetzen Knochen

ganz. Mit ihren Fachausschüssen forciert die DGM im ganzen Zukunftsfeld

„Gesundheit“ die zentralen Trends.

1817

DGM-Fach- und Gemeinschaftsausschüsse:

> Bioinspirierte und interaktive Materialien

> Biomaterialien

> Gefüge und Eigenschaften von Polymerwerkstoffen

> Hochleistungskeramik

> Intermetallische Phasen

> Titan und Titanlegierungen

Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

Megatrend „Umwelt und Klima“Nachhaltig sauber.

Gutes Klima ist wichtig. Das gilt im Privatleben ebenso wie im Berufsalltag oder beim Umweltschutz. Wo mit dem

Energieverbrauch und der Mobilität unserer Gesellschaft auch die Schadstoffemissionen steigen, sind effiziente

und nachhaltige Strategien auf dem Gebiet der Ökologie gefragter denn je. Der Umwelt- und Klimaschutz ist

auch in Deutschland ein ebenso weites wie junges Feld. Da nach Schätzungen der Bundesregierung zwei Drittel

aller Technologien von Werkstoffaspekten abhängig sind, führt auch dabei kein Weg an der Materialwissen-

schaft und Werkstofftechnik vorbei.

Auf dem Gebiet umwelt- und ressourcenschonender Materialien und Werkstoffe reicht das Spektrum von Leicht-

metallkomponenten oder strömungsgünstigen Oberflächen für den Automobil- und Flugzeugbau über nano-

strukturierte Materialien, die Strom aus Wärme erzeugen können, bis hin zu druckbaren Solarzellen für Taschen

oder Kleinsensoren für Kleidungsstücke, die es bald möglich machen werden, ohnehin vorhandene Energie für

Laptops direkt aus der Umgebung zu „ernten“ oder den Druck des Joggers auf seinen Laufschuh in Strom für

einen MP3-Player zu verwandeln.

Aber auch in Fragen der Fertigungs-, Prozess- und Verfahrenstechnik sorgen ressourcenschonende und öko-

logisch sinnvolle Entwicklungen der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik in allen Bereichen dafür, dass

unsere Umwelt sauber bleibt – oder erst wieder sauber wird. Mit ihren Fachausschüssen setzt die DGM hier

die entscheidenden Maßstäbe und gibt zentrale Impulse.

2019

DGM-Fach- und Gemeinschaftsausschüsse:

> Gefüge und Eigenschaften von Polymerwerkstoffen

> Intermetallische Phasen

> Pulvermetallurgie

> Mechanische Oberflächenbehandlung

> Stranggießen

> Strangpressen

> Texturen

> Walzen

> Ziehen

Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

2221

Werkstoffe und Materialien

Egal ob neuartige metallische Strukturen, hybride Werkstoffe, faserkeramische Ver-

bundwerkstoffe oder hochtemperaturbeständige Materialien – neue Werkstoffe und

Leichtbau mit völlig neuen Eigenschaften und Funktionen sichern den Wohlstand der

Gesellschaft und sorgen dafür, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland ausgebaut

und gesichert wird.

Materialwissenschaft und Werkstofftechnik ermöglichen neue Elektroautos und inno-

vative Flugzeug-Konzepte, aber auch Weiterentwicklungen im Maschinenbau, neue

Prothesen und Medizingeräte sowie funktionale Sportbekleidung mit Elektronik. Ge-

sammelt, vermittelt und verbreitert wird dieses Werkstoffwissen in den Fach- und

Gemeinschaftsausschüssen der DGM – von A wie „Aluminium“ bis Z wie „Zellulare

Werkstoffe“

Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

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AluminiumLeicht – und schwer im Kommen.

Wegen seiner stetig wachsenden Verfügbarkeit und der

Entwicklung spezieller Legierungen ist Aluminium der

bedeutendste Leichtbauwerkstoff der letzten Jahrzehnte

geworden. Und sein Siegeszug geht ungebremst weiter.

Verwendung findet das Metall in unzähligen Bereichen

unseres Alltag, so bei Verpackung (Dosen, Folien, Scha-

len), Zeitungen (Offsett Druckplatten), Bauwerken (Fassa-

den, Fenster, Leichtbau) und im Verkehrswesen (Luft- und

Raumfahrt, Schiffe, Bahnen, Automobile, Fahrräder etc.).

Der Grund: Aluminium ist besonders energie- und kosten-

effizient und dadurch umweltschonend. Dank dieser he-

rausragenden Eigenschaften erhöht es zudem die Trans-

portreichweiten, was unter anderem dem Mega-Trend der

E-Mobilität zugutekommt.

Mit Hilfe von Aluminium können Leichtbauprodukte sehr

gut auf die besonderen Bedürfnisse der unterschiedlichen

Gesellschaften dieser Welt abgestimmt werden. Deshalb

hat der stete Aufbau von werkstofftechnischen Wis-

sen ebenso wie die daraus resultierenden Technologie-

entwicklungen in diesem Bereich einen großen Einfluss

auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher

Technologiebranchen – und damit auf die Sicherung von

zahlreichen Arbeitsplätzen. Um diese Wettbewerbsfähig-

keit zu erhalten bzw. auszubauen, bedarf es auch in Zu-

kunft zahlreicher Anstrengungen.

Richtig kombinieren

Auf dem Gebiet der Mischverbindungen liegt der größte

Bedarf zurzeit in der Erforschung der Wechselwirkungen

von Aluminium mit anderen Werkstoffen, namentlich in

Abhängigkeit von den unterschiedlichen Fügeverfahren.

Nur so ist die zuverlässige Herstellung und der sicheren

Betrieb von Mischbauweisen möglich. Darüber hinaus

stellt aus Sicht der Industrie vor allem der wirtschaftliche

Aspekt der Kosteneffizienz bei der Produktion von Alumi-

nium und der Weiterverarbeitung zu Aluminium- Bauteilen

eine große Herausforderung dar.

Um die Spitzenstellung der deutschen Wissenschaft und

Wirtschaft im Bereich der Aluminiumnutzung auch in den

nächsten Jahrzehnten sicherzustellen, sollten verstärkt

Forschungsprogramme eingerichtet werden, die gezielt

die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ingenieurswis-

senschaftlern aus den Bereichen der Konstruktion, der

Fertigung, der Werkstofftechnik sowie der Prozess- und

Verfahrenstechnik fördern – und dabei auch die transdis-

ziplinäre Kooperation mit anderen Disziplinen etwa aus

den Natur-, Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften

mit einbeziehen. Dabei ist die gleichberechtigte Beteili-

gung von akademischen Partnern und Partnern aus den

Wirtschaftszweigen essentiell.

DER FACHAUSSCHUSS „ALUMINIUM“

Der DGM-Fachausschuss ist eines der ältesten Gre-

mien der DGM. In seinen verschiedenen Arbeits-

kreisen behandelt er aktuelle Aspekte der speziellen

Eigenschaften von Aluminium und seiner Legierun-

gen, Fertigungs- und Verarbeitungstechnologien aus

wissenschaftlich-grundlegender bzw. industriell-

angewandter Sicht. Ein besonderer Schwerpunkt

liegt auf der innovativen Nutzung im Leicht- und

Fahrzeugbau sowie bei Fügeverfahren und Recy-

cling. Die Mitglieder des Fachausschusses stammen

aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen

ebenso wie aus Betrieben. Schnittstellen zu Fach-

und Industrieverbänden bestehen ebenfalls.

Der Fachausschuss initiiert Forschungsinitiativen

und Entwicklungsprojekte etwa der Arbeitsgemein-

schaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto

von Guericke“ e.V. (AiF). Zudem organisiert er Veran-

staltungen, Fortbildungen, Seminare und Tagungen

wie die International Conference on Aluminum Al-

loys (ICAA) oder den International Congress on the

Science and Technology of Light Materials (Light-

Mat) mit.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Jürgen Hirsch

[email protected]

24Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

25 Erfahrung · Kompetenz · Wissen

Bioinspirierte MaterialenNach der Natur.

Die Entwicklung von bioinspirierten Materialien ist ein

moderner interdisziplinärer Ansatz der Materialwissen-

schaft und Werkstofftechnik mit dem Ziel, Vorbilder für

technische Anwendungen in der Natur zu identifizieren,

zu verstehen – und basierend darauf neue Lösungen zu

etablieren. Es werden jene optimierten Lösungen analy-

siert, die die Evolution für bestimmte mechanische, struk-

turelle oder organisatorische Probleme entwickelt hat, um

die gefundenen Prinzipien dann aufbereitet und in einer

abstrahierten Form der Technik zugänglich zu machen.

Bioinspiration ist auf unzählige Felder und Bereiche

anwendbar. Die Entwicklungen reichen vom berühm-

ten „Lotus-Effekt“ für schmutzabweisende Oberflächen

oder den Klettverschluss über Implantatbeschichtungen

aus biotechnologisch hergestellter Spinnenseidebis hin

zu Riblet-Folien, deren Schuppenstruktur der Haut von

Haien nachempfunden ist, um Luftwiderstände zu verrin-

gern. Die Innovationsmöglichkeiten sind deshalb gerade

auf diesem Disziplinen überschreitenden Gebiet immens

– eine Erkenntnis, die sich auch in immer mehr Industri-

eunternehmen durchsetzt.

Neue Wege jenseits der Konventionen

Für die Analyse von biogenen Materialien und den

Erkenntnistransfer in die Anwendung ist eine enge, in-

tensive und offene Zusammenarbeit verschiedener wis-

senschaftlicher Disziplinen untereinander und mit der

Industrie unabdingbar. Hier gilt es insbesondere, interdiszi-

plinäre Hemmnisse zwischen Natur- und Ingenieurwissen-

schaften zu überwinden. Zudem müssen Unternehmen

noch stärker als bisher dafür gewonnen werden, traditi-

onelle Verfahren durch neuartige bioinspirierte Ansätze

und Prozesse zu ersetzten.

Inhaltlich gilt es in Zukunft, insbesondere die Wechsel-

wirkung zwischen Organismen und Materialien besser

zu erforschen. Die Kenntnis der Steuerung molekularer

Wechselwirkungen, bzw. von Organisations- und Materi-

albildungsprozessen wird es erlauben, anwendungsnahe,

komplex strukturierte und multifunktionelle Materialien

zu generieren, die auf konventionelle Weise nicht herge-

stellt werden können.

Derzeit ist das Wissen über die Materialgenese und Pro-

zessprinzipien aus der belebten Natur nur für wenige

ausgewählte, bereits etablierte Materialbeispiele so weit

fortgeschritten, dass eine Übertragung auf industrielle

Herstellungsprozesse möglich ist. Eine Ausweitung auf

weitere Beispiele und Materialien stellt eine große Heraus-

forderung für zukünftige Forschungs- und Entwicklungs-

vorhaben dar.

DER FACHAUSSCHUSS „BIO-INSPIRIERTE UND

INTERAKTIVE MATERIALEN“

Der DGM-Fachausschuss versteht sich als Schnittstelle

zwischen Material- und Naturwissenschaften, und

spricht daher sowohl Ingenieure als auch Grundlagen-

forscher aus klassischen Disziplinen wie den Natur-

wissenschaften an. Er will die Systematik natürlicher

Vorbilder ebenso erforschen wie Material-Struktur-

Interaktionen oder die Abläufe an statischen oder

dynamischen Grenzflächen. Zudem gehört die Über-

tragung von genetischer Information auf Material-

bildungsprozesse und die Etablierung bioinspirierter

Materialien zu seinem Aufgabenportfolio.

Zur Verfolgung seiner Ziele richtet der Fachausschuss

etwa die internationale Konferenz „Bio- inspired

Materials“ aus und veranstaltete 2011 den DFG-

Strategieworkshop „Was bietet die Natur an Lösun-

gen für die Materialwissenschaft und Werkstofftech-

nik?“ Zudem waren Mitglieder des Fachausschusses

am Antrag der beiden DFG-Schwerpunktprogramme

„Biomimetic Materials Research: Functionality by Hie-

rarchical Structuring of Materials“ und „Generation of

Multifunctional Inorganic Materials by Molecular Bio-

nics“ maßgeblich beteiligt.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Scheibel

[email protected]

26Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

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BiomaterialienSchnittstelle zum Körper.

Hüftprothesen aus Titan, Gefäßersatz aus Kunstfasern

und Zirconiumoxid-Zahnersatz: Biomaterialien sind in der

modernen Medizintechnik längst unersetzlich. Aus Me-

tall, Keramik, Polymeren oder Verbundwerkstoffen maß-

geschneidert, interagieren sie mit den Zellen des Körpers

und steuern den Verlauf von therapeutischen oder diag-

nostischen Prozessen. Zentrale Bedeutung haben sie aber

auch bei der künstlichen Rekonstruktion von Gewebe,

dem „Tissue Engineering“.

Einen Sonderfall stellen „bio-inspirierte Biomaterialien“

dar: Materialien nach Vorbildern aus der Natur, deren in

Jahrmillionen optimierte Eigenschaften kaum zu übertref-

fen sind (vgl. hierzu auch S. 22). Um hier eine optimale

Umsetzung zu gewährleisten, müssen die zugrunde lie-

genden Funktionsweisen der Natur optimal verstanden

und umgesetzt werden. Auch deshalb ist die Biomaterial-

wissenschaft stark interdisziplinär ausgerichtet.

Wegen ihrer enormen medizintechnischen Bedeutung

sind innovative Biomaterialien von herausragendem so-

zialen Interesse. Im größeren Kontext leistet ihre Ent-

wicklung einen wichtigen Beitrag, um in einer stetig al-

ternden Gesellschaft die Lebensqualität zu erhöhen und

die Vitalität möglichst lange zu erhalten. Deshalb tragen

neue Antworten auf noch ungeklärte Forschungsfragen

nicht nur zur Bewältigung des demografischen Wandels

bei, sondern auch zur Wettbewerbsfähigkeit der medizin-

technisch orientierten Wirtschaftszweige in Deutschland.

Neue Lösungswege

Bis zum vollständigen Verständnis der grundlegenden

Prozesse an der Schnittstelle zwischen Biomaterial und

Körper sowie deren sicherer Kontrolle in der Praxis ist

es noch ein weiter Weg. Neben der Verlängerung der

Lebens dauer von Implantaten stellt hier die Reduktion von

Infektionen an Grenzflächen eine zentrale Aufgabe der

nächsten Jahrzehnte dar.

In Zukunft gilt es zudem, die Produktsicherheit und die

Qualitätskontrolle von Implantaten zu verbessern. Darüber

hinaus muss der Transfer von bioinspirierten Konzepten in

Implantaten vereinfacht und der Weg von der Idee zum

– möglichst kostengünstig zu produzierenden – Produkt

deutlich verkürzt werden. Neue Produktionstechniken wie

der 3-D-Druck versprechen hier innovative Lösungswege.

In diesem Zusammenhang könnten vor allem interdiszi-

plinäre Verbundprojekte wie die Sonderforschungsberei-

che (SFB/Transregio) und Forschergruppen der Deutschen

Forschungsgemeinschaft (DFG), oder die vom Bundes-

ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) oder der

Arbeits gemeinschaft industrieller Forschungsvereinigun-

gen „Otto von Guericke“ (AiF) geförderten Industrie-

Verbundprojekte von Nutzen sein.

FACHAUSSCHUSS „BIOMATERIALIEN“

Der DGM-Fachausschuss versteht sich als Schnitt-

stelle zwischen Grundlagenforschung und industri-

eller Entwicklung. Seine Arbeitskreise beschäftigen

sich mit bio-inspirierten, abbaubaren und antimikro-

biellen Biomaterialien, Dauerimplantaten, denta-

len Werkstoffen, Grenzflächen, Tissue Engineering

sowie mit Modellierung und Simulationen, Zertifi-

zierung, Zulassung, Normierung und rechtlichen Fra-

gen, die sich durch den Einsatz von Biomaterialien

ergeben.

In seiner Zusammensetzung bildet der Fachausschuss

mit Materialwissenschaftlern, Physikern, Chemikern,

Zell- und Mikrobiologen, Ärzten, Zahnärzten und

Ingenieuren aus Hochschulen, Universitätskliniken,

Unternehmen und Verbänden wesentliche nationale

Kompetenzen über deren Stakeholder ab.

Um die Community bestmöglich zu vernetzen und

über neueste Entwicklungen zu informieren, veran-

staltet der Fachausschuss unter anderem alle zwei

Jahre die internationale Konferenz „Euro BioMat”

sowie die Fortbildung „Biomaterialien: Werkstoffe

in der Medizin“.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Klaus D. Jandt

[email protected]

28Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

29

FeuerfestwerkstoffeBeständig bei Hitze.

Feuerfeste Werkstoffe (Keramiken, Metalle, Verbund-

werkstoffe) kommen bei Temperaturen von mehr als

600° Celsius zum Einsatz. Für die heutige Gesellschaft

und ein lebenswertes Umfeld sind sie unersetzlich. Ohne

sie wäre die Stromerzeugung ebenso unmöglich wie die

Herstellung von Metallen, Zement, Keramik und Glas. In

der Industrie werden feuerfeste Werkstoffe vor allem für

Ofenauskleidungen im Schmelzprozess mit hohen Tempe-

raturen benötigt, etwa bei der Herstellung und Verarbei-

tung von Aluminium, Eisen und Stahl.

Dabei leistet die Entwicklung neuartiger feuerfester Werk-

stoffe für leistungsfähigere Bauteile mit höherer Lebens-

dauer und verbesserten Eigenschaften etwa im Bereich der

Hochtemperaturanwendung einen zentralen Beitrag zu

mehr Nachhaltigkeit – und damit zu mehr Umweltschutz.

Aus wirtschaftlicher Sicht führen diese Neuentwicklungen

zu Kosteneinsparungen und bewirken, dass Deutschland

auf internationaler Ebene seine innovative Stellung auch

in der Zukunft behaupten kann.

Um dieses Ziel zu erreichen, muss der gesamte Themen-

bogen von den Rohstoffen über die Verarbeitung und den

Hochtemperatureinsatz bis hin zum Rückbau inklusive des

Recyclings im Fokus der Forschung stehen, wobei jeder

Bereich jeweils von den dazu gehörigen analytischen,

prüftechnischen und modellierungstechnischen Fragestel-

lungen begleitet werden sollte.

Transferprojekte fördern!

Aktuell beschäftigt sich die Forschung vor allem mit der

Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und der Fähigkeit von

Feuerfestwerkstoffen zur CO2-Reduktion. Des Weiteren

stehen Fragen zur Rohstoffverfügbarkeit und Rohstoff-

qualität im Fokus, aber auch zu umweltfreundlichen

Binde mitteln für Feuerfestanwendungen – Bereiche mit

großer Komplexität und einer Vielzahl zu berücksichtigen-

der Aspekte. Die Forschung in Deutschland nimmt diese

Herausforderungen an, wie an der Einrichtung von zahl-

reichen Grundlagenforschungsprojekten deutlich wird.

Für aktuelle und zukünftige Innovationen ist es aber

auch wichtig, die Grundlagenforschung mit der An-

wendung noch stärker als bisher in Einklang zu brin-

gen, um Erkenntnisse möglichst schnell in die Praxis zu

überführen. Ein wichtiger Ansatz hierzu sind sogenannte

Transferprojekte, die beispielsweise von der Deutschen

Forschungs gemeinschaft (DFG) gefördert und von Indus-

trieverbänden wie dem Stahlinstitut VDEh im Sinne einer

umweltfreundlichen Industrieproduktion unterstützt wer-

den. Hier besteht weiterer Handlungsbedarf. Der von der DGM und der Deutschen Keramischen

Gesellschaft (DKG) eingerichtete Gemeinschaftsaus-

schuss will ein wissenschaftlich fundiertes Verständnis

der mechanischen, thermischen, chemischen und funk-

tionstechnischen Eigenschaften von Feuerfestwerk-

stoffen sowie zu deren Kompatibilität erarbeiten.

Hierzu initiiert er gemeinsame Projekte von Universi-

täten, Forschungsinstituten und Unternehmen.

Die Mitglieder des Gemeinschaftsausschuss stammen

aus Forschung und Industrie, wobei mit Rohstofflie-

feranten, Feuerfestherstellern und Endanwendern

die gesamte Wertschöpfungskette vertreten ist. Die

Verbindung zu Fachverbänden wie dem Stahlinstitut

VDEh, dem European Centre for Refractories (ECREF)

oder dem Deutschen Institut für Feuerfest und Kera-

mik (DIFK) illustriert diese Bandbreite.

Maßstäbe setzte das vom Gemeinschaftsausschuss

initiierte Schwerpunktprogramm „Feuerfest – Initia-

tive zur Reduzierung von Emissionen“ (FIRE), das die

DFG seit 2009 fördert und das sich auf die Entwick-

lung kohlenstoffverminderter bzw. kohlenstoff-

freier Feuerfestmaterialien für Anwendungen unter

hoher Thermoschockbelastung in der Stahlherstel-

lung konzentriert.

Ansprechpartner:

Prof. Dr.-Ing. Christos G. Aneziris

[email protected]

DER GEMEINSCHAFTSAUSSCHUSS „FEUERFESTWERKSTOFFE“

30Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

31

HochleistungskeramikDer Tausendsassa.

Aufgrund ihrer besonderen thermischen, mechanischen

und chemischen Eigenschaften kommt der Hochleistungs-

keramik (HLK) in vielen Anwendungsbereichen heute be-

reits eine Schlüsselrolle zu. Dabei reicht die Bandbreite

von Gasturbinen, Pumpen oder Dichtungssystemen über

ressourcenschonende Lösungen für die chemische Ver-

fahrenstechnik bis hin zu Gelenkimplantaten und Dental-

produkten wie Kronen oder Brücken. So bieten Hochleis-

tungskeramiken schon jetzt wesentliche Antworten auf

drängende Fragen zu Energie, Mobilität, Lebensqualität

und Sicherheit.

In Zukunft wird keramischen Verbundwerkstoffen und

energieeffizienten hybriden Werkstoffen mit HLK-Elemen-

ten eine noch stärkere Rolle zukommen als bisher. Hoch

belastbare Faserkeramiken mit langer Lebensdauer könn-

ten einen wesentlichen Beitrag zur Ressourcenschonung

fossiler Energieträger und damit zum Klimaschutz leisten.

Gleiches gilt für ökologisch wertvolle Magnetwerkstoffe

mit verbessertem Preis-Leistungsverhältnis für die Wind-

kraftanwendung oder stationäre Stromspeicher – sofern

hier die Entwicklung produktiverer Fertigungsverfahren

gelingt. Sowohl im Bereich der Elektromobilität als auch

bei der konventionellen Antriebstechnik könnten lang-

lebige und zuverlässige Verbund- und Schichtsysteme auf

Keramikbasis bald unverzichtbar sein.

Verbund bis zum Produkt

Um den Anforderungen der nächsten Jahrzehnte ge-

recht zu werden, muss das Eigenschafts-Mikrostruktur-

Verständnis sowohl für neue Funktions- und Struktur-

werkstoffe als auch für Verbundwerkstoffe, Komposite

und Hybride allerdings deutlich verbessert werden. Zu-

dem müssen die Möglichkeiten neuartiger Technolo-

gien wie additiver Herstellungs- oder feldunterstützter

Sinterverfahren besser ausgeschöpft und Methoden der

FEM-Simulation weiterentwickelt werden. Gleiches gilt für

Methoden der Werkstoffdiagnostik oder die Multi skalen-

Simulation zum Verständnis der atomaren Wechsel-

wirkungen bei Vielkomponentensystemen.

Die Erschließung neuer Innovationspotentiale für kerami-

sche Hochleistungswerkstoffe und der damit verbundenen

Technologien ist eine Gemeinschaftsaufgabe, für die eine

langfristig ausgerichtete Grundlagenforschung mit einer

kurz- und mittelfristig orientierten Produkt- und Techno-

logieentwicklung besser vernetzt werden muss. Wissen-

schaftler, Keramikhersteller und Anwender sollten hierzu

noch stärker als bisher interdisziplinär kooperieren und

dabei auch für den dringend erforderlichen Fachkräfte-

nachwuchs sorgen. Der von DGM und Deutscher Keramischer Ge-

sellschaft (DKG) verantwortete Gemeinschafts-

ausschuss will unter anderem das Eigenschafts-

Mikrostruktur-Verständnis von der Rohstoffebene

bis zur System integration verbessern helfen sowie

die Werkstoffdiagnostik und die Multiskalen-Model-

lierung für Werkstoffe und Bauteile vorantreiben.

Er vereint Materialwissenschaftler und Werkstoff-

techniker, Chemiker, Physiker, Verfahrenstechniker

und Ingenieur wissenschaftler aus Forschung und

Industrie. Aufgrund der großen Anwendungsbreite

von HLK sind neben Keramikherstellern Vertreter

nahezu aller Branchen vertreten, unter anderem aus

dem Automobil-, Maschinen- und Anlagenbau, der

Elektro technik und Optik sowie der Medizin.

Der Gemeinschaftsausschuss realisiert seine Ziele vor-

wiegend über seine Arbeitskreise (Biokeramik, Funk-

tionskeramik, keramische Membranen, Rohstoffe

und Verstärkung) . Darüber hinaus veranstaltet er

regelmäßig das internationale Kolloquium „Hochleis-

tungskeramik“ und initiiert bzw. koordiniert bran-

chenweite Roadmap-Prozesse.

Ansprechpartner:

Dr. Ingolf Voigt

[email protected]

DER GEMEINSCHAFTSAUSSCHUSS „HOCHLEISTUNGSKERAMIK“

32Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

33

Hybride Werkstoffe und StrukturenDas Two-in-One-Prinzip.

Komplexe Maschinen wie Autos oder Flugzeuge bestehen

naturgemäß aus mehreren Komponenten – und somit aus

mehreren Materialien. Durch den durchdachten Einsatz

hybrider Werkstoffe aus zwei verbundenen Werkstoff-

klassen – namentlich vor allem aus Verbundwerkstoff und

Metall – können sie deutlich näher am Optimum gestaltet

werden.

Der durch Hybridbauweise reduzierte Materialeinsatz

macht die Maschinen zudem leichter, was die Energie-,

Kosten- und Umwelteffizienz ebenso erhöht wie die Nut-

zungsdauer – und gleichzeitig Wartungsaufwand und et-

waige Entsorgungskosten senkt. Bestimmte Produkte und

Funktionen werden durch hybride Werkstoffe und Struk-

turen ohnehin erst möglich gemacht.

Dies geht vom metallischen Gewindeeinsatz in Verbund-

werkstoffstrukturen bis hin zur Rumpfoberschale des Air-

bus A380 aus Faser-Metall-Laminat.

Eine weitere Verbreitung und steigende Akzeptanz hybri-

der Werkstoffe und Strukturen würde somit die interna-

tionale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken und

dem Wohl der Gesellschaft dienen – nicht zuletzt auch

durch Arbeitsplätze in Technologiebranchen inklusive der

gesamten Zulieferkette.

Zusammenarbeit fördern

Aktuell ist das industrielle und akademische Interesse an

hybriden Bauweisen im deutschsprachigen Raum deutlich

größer als in anderen Ländern. Diesen Vorsprung gilt es

zu sichern. Hierzu muss die Expertise aus Metallen, Poly-

meren und der Interface-Entwicklung aus den verschiede-

nen Fachgebieten mit geeigneter Fertigungstechnik noch

stärker als bisher zusammengeführt werden: Bisher wer-

den Lösungen für spezielle Aufgaben häufig empirisch

ermittelt, sodass die Ergebnisse bei kleinsten Veränderun-

gen in den Randbedingungen ihre Gültigkeit verlieren.

Überhaupt liegt der wesentliche Forschungsbedarf der

nächsten Jahrzehnte darin, mit Hilfe einer Kombination

aus Experiment, Konstruktion und numerischer Simulation

die komplexen Wirkungszusammenhänge aufzuklären, die

eine zuverlässige Herstellung und den sicheren Betrieb von

Hybridbauteilen in größerer Anwendungsbreite zu ermög-

lichen – von der Werkstoffherstellung und Bauteilfertigung

über die Bauteilauslegung bis hin zur Verhaltensanalyse

über den gesamten Lebenszyklus. Eine weitere Herausfor-

derung wird es mittelfristig sein, hybride Werkstoffe und

Strukturen zu schaffen, die besser recycelbar sind.

Konkret besteht akuter Bedarf an interdisziplinären For-

schungsprogrammen, die gezielt die Zusammenarbeit

von Herstellern und Verarbeitern im Metall-, Kunststoff-

und Verbundwerkstoffsektor sowie die Zusammenarbeit

von natur- und ingenieurswissenschaftlichen Disziplinen

fördern.

Der DGM-Fachausschuss beschränkt sich ausdrücklich

auf Strukturwerkstoffe mit Leichtbau als Hauptan-

wendungszweck. Dabei stehen vor allem Werkstoff-

kombinationen aus Verbundwerkstoffen und Metal-

len im Fokus. Wegen der interdisziplinären Thematik

ist er mit Materialwissenschaftlern, Maschinenbau-

ern und Naturwissenschaftlern der Chemie bzw. Phy-

sik sowie Rohstoffherstellern bzw. -verarbeitern und

Mitgliedern aus dem Automobil-, Luft- und Raum-

fahrtbau bewusst heterogen angelegt.

Der Kreis des Fachausschusses organisiert unter ande-

rem die internationale Konferenz „Euro Hybrid Struc-

tures and Materials“. Zudem wirkte er am Symposium

„Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde“ sowie

an der Werkstoffwoche mit. Derzeit bestehen haupt-

sächlich Kontakte zu Fachverbänden und Arbeitskrei-

sen der Metall- und Verbundwerkstoff-Verarbeiter,

darunter der Gesamtverband der Aluminiumindus-

trie e.V. (GDA), dem Netzwerk für Kohlenstofffaser-

verbundleichtbau CFK-Valley Stade oder dem DACH-

Verband für Hochleistungs-Faser verbundwerkstoffe

Carbon Composites e.V.

Ansprechpartner:

Prof. Dr.-Ing. Joachim M. Hausmann

[email protected]

DER FACHAUSSCHUSS „HYBRIDE WERKSTOFFE UND STRUKTUREN“

34Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

3635 Erfahrung · Kompetenz · Wissen

Intermetallische PhasenEine gute Verbindung.

Da sie dank besserer oder gänzlich neuer Eigenschaften

etablierte Werkstoffe oft buchstäblich alt aussehen lassen,

sind Werkstoffverbindungen aus zwei oder mehr Metallen

für zahlreiche Anwendungen in der Verkehrs-, Energie-

und Medizintechnik äußerst attraktiv.

Formgedächtnislegierungen aus intermetallischen Phasen

beispielsweise entfalten Sonnensegel von Satelliten, be-

tätigen Ventile im Automobilmotor oder machen Brillen-

gestelle hochflexibel. Ein großer Durchbruch der letzten

Jahre ist auch der Einsatz von Titan-Aluminid- Werkstoffen

bei Turbinenschaufeln in Flugtriebwerken, was diese

nicht zuletzt deutlich leiser machte und den CO2-Ausstoß

verringerte. Auch Eisen-Aluminide haben das Potential,

Stähle dank ihrer besserer Eigenschaften aus Teilen der

fossilen Kraftwerkstechnik zu verdrängen, wodurch etwa

Dampfturbinen effizienter und damit umweltverträglicher

werden.

Bei den intermetallischen Phasen belegt Deutschland so-

wohl bei der Forschung als auch bei der industriellen An-

wendung in Medizin-, Raumfahrt und Automobiltechnik

einen Spitzenplatz. Ein Ausbau dieser Position schafft und

sichert Arbeitsplätze. Da der Einsatz intermetallischer Pha-

sen zudem Schadstoffemissionen oder Lärmbelastungen

reduzieren und die Mobilität der Gesellschaft erhöhen

kann, führt ihre Weiter- und Neuntwicklung auch zu mehr

Lebensqualität.

Konstruktion und Auslegung verbessern

Intermetallische Werkstoffe besitzen hervorragende

Eigen schaften, reagieren aber sehr empfindlich auf die Be-

dingungen während der Produktion. Deshalb ist ein noch

besseres Verständnis vom Wechselspiel zwischen Herstel-

lungstechnik, Mikrostruktur und Materialeigenschaften

ebenso wichtig wie die Entwicklung von Herstellungs-

methoden, die konkret auf die Bedürfnisse intermetalli-

scher Werkstoffe abgestimmt sind. Mit der zunehmenden

industriellen Verwendung ergeben sich außerdem neue

Fragestellung bei Reparatur und Recycling, auch für pro-

duktionsbedingt anfallendes Restmaterial.

Eine wichtige Herausforderung der Zukunft liegt bei Kon-

struktions- und Auslegungsmethoden, die die speziellen

Eigenheiten von intermetallischen Werkstoffen berück-

sichtigen können. Vor allem DFG-Schwerpunkt- oder

BMBF-Förderprogramme könnten hier zu einem erheb-

lichen Initialschub führen – sofern sie von der Grundla-

genforschung bis hin zur produzierenden, weiterverarbei-

tenden und anwendenden Industrie alle entscheidenden

Aspekte der Werkstoff- und Prozessentwicklung berück-

sichtigen.

DER FACHAUSSCHUSS „INTERMETALLISCHE PHASEN“

Der DGM-Fachausschuss befasst sich mit inter-

metallischen Werkstoffen bzw. Phasen in Legie-

rungen sowie deren Herstellungsmethoden und

Anwendungs gebieten. Er vereint Mitglieder aus der

Materialwissenschaft, dem Maschinenbau, der Physik

und der Industrie, die hauptsächlich aus dem Flug-

triebwerk- oder Automobilantriebbereich stammen

oder sich mit der Herstellung von Rohmaterialien bzw.

der Weiterverarbeitung intermetallischer Werkstoffe

befassen. Während in der Vergangenheit materialwis-

senschaftliche Grundlagenforschung im Mittelpunkt

stand, rückt inzwischen immer mehr die Anwendung

in den Fokus, wobei neue Materialklassen wie Silizide

einen breiteren Raum einnehmen werden.

Nicht zuletzt dank der Mitglieder des Fachausschusses

hat sich bei den intermetallischen Phasen hierzulande

inzwischen eine wissenschaftliche Community mit in-

ternationaler Strahlkraft etabliert. Augenfälligster Be-

weis ist die in zweijährigem Turnus stattfindende in-

ternationale Konferenz „Intermetallics“, die Forscher

und Industrievertreter aus aller Welt anzieht.

Ansprechpartner:

Prof. Dr.-Ing. Florian Pyczak

[email protected]

Erfahrung · Kompetenz · Wissen

37

MagnesiumDas Leichtgewicht.

Magnesiumlegierungen sind echte Leichtgewichte – und

deshalb für Maschinen-, Automobil- und Flugzeugbau

gleicher maßen von Interesse. Selbst Legierungen aus

Aluminium, mit denen Magnesium innerhalb der Indus-

trieproduktion in starker Konkurrenz steht, sind bis zu

30 Prozent schwerer. Und im Vergleich zu Stahl lässt sich

mit Magnesium sogar bis zu 70 Prozent an Masse einspa-

ren.

Da Energie notwendig ist, um Masse zu beschleunigen

und in Bewegung zu halten, würde ein breiterer Einsatz

von Magnesiumlegierungen also zu einer enormen Sprit-

einsparung führen – und damit zu einem weitaus gerin-

geren CO2-Ausstoss als bei anderen Legierungen. Die da-

durch gesteigerte Fahrzeugeffizienz kommt nicht zuletzt

auch dem Transportwesen zugute, da sich so bei glei-

chem Energieverbrauch Reichweiten und Gütermengen

steigern lassen.

Wissen verbessern – schon im Unterricht

Bei der Lösung von Herausforderungen rund um den

Einsatz von Magnesium in der industriellen Fertigung ist

Deutschland gemeinsam mit Asien Spitzenreiter. Trotz-

dem ist das Wissen um seine Eigenschaften und Vorteile

in der Öffentlichkeit, aber auch bei Konstruktionsingeni-

euren oft lückenhaft. Trotz zahlreicher FuE-Maßnahmen

wird dieses Unwissen nicht selten zum Problem.

Das hat damit zu tun, das sich schon der schulische

Chemie unterricht im Experiment eher auf die wenig hilf-

reiche, aber wegen der gleißend hellen Flamme effektvoll

umzusetzende Erkenntnis reduziert, dass Magnesium-

bänder brennbar sind (was unter bestimmten Umständen

praktisch für alle Metalle gilt). Auch in der Hochschul-

lehre, etwa in Vorlesungen, kommt Magnesium – anders

als zum Beispiel Stahl – kaum vor.

Deshalb wird die Verbreitung von korrekten Informati-

onen zum Eigenschaftsprofil und der Verarbeitung von

Magnesiumlegierungen in Deutschland einen höheren

Stellen wert bekommen müssen. Hier besteht – im schu-

lischen Umfeld angefangen, und in der Hochschullehre

weitergehend – erhöhter Bildungsbedarf. An den entspre-

chenden Maßnahmen sollten sich Forschungseinrichtun-

gen ebenso beteiligen wie betroffene Unternehmen und

Einrichtungen wie die DGM. Dies allerdings erfordert auf

jeden Fall einen erhöhten Personaleinsatz. Rein ehrenamt-

liche Tätigkeiten sind hier nicht ausreichend.

Wozu ein besserer Informationsfluss führen kann, haben

die USA unlängst vorgemacht. Dort will die Bundesluft-

fahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) Mag-

nesium noch im Jahr 2015 in Flugzeugkabinen zulassen.

So ist auch in der Luftfahrt ist in naher Zukunft weiterer

Forschungsbedarf zu erwarten.

DER FACHAUSSCHUSS „MAGNESIUM“

Der DGM-Fachausschuss beschäftigt sich mit Guss-

und Knetlegierungen aus Magnesium, und hier

insbesondere mit ihrer Verarbeitung sowie ihren

Eigenschaften für typische Anwendungen in der

Industrie. Dabei steht der Einfluss von Legierungs-

elementen und Verarbeitungsschritten auf die das

Eigenschaftsprofil bestimmende Mikrostruktur im

Vordergrund. Da gerade fehlende bzw. falsche In-

formationen zu Magnesiumlegierungen oft deren

Einsatz von verhindern, liegt ein weiterer Schwer-

punkt auf der Wissensvermittlung zu Eigenschaften

und Anwendungsbereichen.

Der Fachausschuss „Magnesium“ besteht aus Mit-

gliedern der Forschung und Industrie; letztere stam-

men vor allem aus Unternehmen des Maschinen-,

Automobil- und Flugzeugbaus, die Magnesium-

legierungen einsetzen bzw. deren Einsatz planen.

Der Fachausschuss kann zahlreiche Erfolge vorwei-

sen. So initiierte er nicht zuletzt das 2004 bewilligte

und auf sechs Jahre hin angelegte DFG-Schwer-

punktprogramm „Erweiterung der Einsatzgrenzen

von Magnesiumlegierungen“.

Ansprechpartner:

Dr.-Ing. Norbert Hort

[email protected]

38Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

39

Metallische VerbundwerkstoffeKlug kombiniert.

Metallische Verbundwerkstoffe (englisch: „Metal Matrix

Composite“, kurz MMC) bestehen aus einer Metallmatrix

und einer Einlagerungsphase, die sich in zumindest einer

Charakteristik (Steifigkeit, Festigkeit, Wärmeleitfähigkeit,

thermische Ausdehnung, Abbrandverhalten in Kontakt-

werkstoffen o.ä.) deutlich von der Matrix unterscheidet.

Auf diese Weise können interessante Kombinationen von

typisch metallischen bzw. keramischen Eigenschaften

(elektrische Leitfähigkeit und plastische Verformbarkeit

bzw. Verschleißfestigkeit und Steifigkeit) erzielt werden.

Eine der ersten Einsatzbereiche war das Space Shuttle-

Programm (1975). Heute sind auch die Automobilindustrie

(Bremstrommeln, Antriebswellen, Zylinderauskleidungen

in Verbrennungsmotoren) sowie die Hochleistungselekt-

ronik (Stichwort „Al/SiC“) ein Anwendungsgebiet.

Die Kombination aus Metallmatrix- und Keramikmat-

rixwerkstoffen erlaubt neue komplexe Eigenschaftskom-

binationen wie hohe Zähigkeit, hoher Thermoschock-

widerstand oder hoher Verschleiß mit hoher Kriechresistenz

etwa im Turbinenbau, wo Metalle oftmals nur bedingt

einsetzbar und Keramiken zu spröde sind.

In Zukunft könnten metallische Verbundwerkstoffe in der

Automobil- und Raumfahrttechnik zu innovativen Durch-

brüchen bei Energieeffizienz und Ressourcenschonung

führen. Nischenanwendungen im Maschinenbau, bei Um-

form- und Gießwerkzeugen oder in der Fertigungs- bzw.

Energietechnik sind ebenfalls denkbar. Der damit für den

Wirtschaftsstandort Deutschland einhergehende Wettbe-

werbsvorsprung wäre nachhaltig.

Neue Fertigungskonzepte müssen her

Nachdem die Forschung lange Zeit an optimierten Eigen-

schaften für metallische Verbundwerkstoffe gearbeitet

hat, müssen jetzt Konzepte und technische Lösungen

entwickelt werden, um MMCs unter Beibehaltung ihrer

Vorzüge konkurrenzfähig herzustellen. Dabei sollte die

Anwendung innovativer, pulvermetallurgischer Verfahren

ebenso im Fokus stehen wie überzeugende Konzepte für

die Herstellung und Bearbeitung von MMC-Halbzeugen

sowie endkonturnaher Bauteile durch Flüssigphaseninfilt-

ration. Nachhaltige Recyclingtechnologien sind eine eben-

falls wichtige Herausforderung der nächsten Jahrzehnte.

Um diese Ziele zu erreichen, wird eine verstärkte Zu-

sammenarbeit von Materialexperten aus Metallkunde,

Keramik, Chemie und Physik mit Maschinenbau-, Verfah-

rens- und Fertigungstechnikern vonnöten sein. Ebenfalls

zwingen notwendig sind übergreifende, arbeitsteilige und

langfristige Schwerpunktprojekte von Forschungsinstitu-

ten mit Patenschaften der industriellen Anwender.

DER FACHAUSSCHUSS

„METALLISCHE VERBUNDWERKSTOFFE“

Der DGM-Fachausschuss beschäftigt sich mit Metall-

matrix-Verbundwerkstoffen (MMC) und Durchdrin-

gungsverbundwerkstoffen (IPC) für Struktur- und

Funktionsanwendungen. Im Fokus seiner Arbeit

stehen vor allem Eigenschaftsverbesserungen im

Bereich spezifische Festigkeit, Steifigkeit oder Ab-

riebfestigkeit, Wärmeleitfähigkeit und thermische

Ausdehnung. Dabei deckt er mit seiner Expertise das

gesamte Spektrum von verschiedenen Herstellungs-

verfahren über die Charakterisierung und Evaluie-

rung der neuen Werkstoffe bis hin zur Modellierung

und Simulation sowohl der Struktur als auch des

Prozesses ab.

Der Fachausschuss vereint Fachpersonen vor allem

aus der Forschung, aber auch aus der Industrie. Die

Forschungsergebnisse seiner Mitglieder sind im in-

ternationalen Vergleich absolut konkurrenzfähig

und innovativ. Schnittstellen zu angrenzenden Ge-

bieten wie der Pulvermetallurgie, dem Bereich der

Hartmetalle oder der Gießereitechnik sollen in Zu-

kunft ausgebaut werden.

Ansprechpartner:

Dr. Ludger Weber

[email protected]

40Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

41

TitanBegründer einer neuen Ära.

Titanlegierungen sind ein noch junger Werkstoff. Die

ersten, Ende der 1940er Jahre entwickelten Legierungen

schrieben aber schon Luft- und Raumfahrtgeschichte: Sie

ermöglichten den Eintritt in das Düsentriebwerkzeitalter

und damit den Schritt in eine neue Ära. Inzwischen eta-

blieren sich die Titanlegierungen aufgrund ihrer hohen

spezifischen Festigkeit, ihrer ausgezeichneten Korrosions-

beständigkeit, der hervorragenden Biokompatibilität und

anderer Eigenschaften zunehmend auch in der chemi-

schen Industrie, der Bauindustrie, der Medizintechnik so-

wie im Offshore-, Energie- und Automobilbereich. Dabei

steigt die weltweite Titanproduktion in jedem Jahr.

Da die energieintensive Rohstoffgewinnung Titan im Ver-

gleich zu anderen Metallen relativ teuer macht, versucht

die Forschung schon seit langem, die Kosten durch die

Entwicklung neuer Herstellprozesse oder Möglichkeiten

zum Materialrecycling zu verringern. Weitere Arbeits-

schwerpunkte liegen bei der Entwicklung neuer Legierun-

gen mit speziellen Eigenschaften, der Verbesserung der

Oxidationsbeständigkeit oder einer leichteren spanenden

Bearbeitung. Würden in diesen Feldern entscheidende

Durchbrüche erzielt, ließen sich Leichtbaukonzepte durch

die Verwendung von Titanwerkstoffen an Stelle von

Stählen oder Nickelbasis-Legierungen realisieren.

Kosten senken, auf Einzigartigkeiten setzen

In Deutschland wird Titanschwamm momentan aus Asien

und Osteuropa importiert. Hier gilt es, neue Verfahren zur

Aufbereitung der beiden wichtigsten Titanerze Ilmenit

(FeTiO3) und Rutil (TiO2) zu entwickeln. Um gegenüber

der Konkurrenz aus Ostasien und Amerika langfristig be-

stehen zu können, ist die Entwicklung neuer Legierungen

mit einem speziellen Eigenschaftsprofil als Alleinstellungs-

merkmal eine wichtige Herausforderung. Weiterhin ist

die geringe Materialausnutzung ein echtes Problem. Hier

könnten die additiven Fertigungsverfahren oder endkon-

turnahe Herstellverfahren wie der Feinguss zukünftig Ab-

hilfe schaffen.

Zur Verringerung der Kosten bedarf es in der Zukunft

einer detaillierten Untersuchung des Titanrecyclings und

des Materialkreislaufs auch für hochwertige Bauteile.

Auch das Oxidationsverhalten konventioneller Titan-

legierungen muss verbessert und Titan für den Einsatz bei

höheren Temperaturen „fit gemacht“ werden. Weitere In-

novationsmöglichkeiten bestehen in Mischverbindungen

mit anderen Werkstoffen, um Multi-Material-Konzepte

für den Leichtbau außerhalb der Luft- und Raumfahrt

zu ermöglichen. In all diesen Feldern müssen neue FuE-

Projekte greifen.

DER FACHAUSSCHUSS „TITAN“

Der DGM-Fachausschuss will mit industriellen und

wissenschaftlichen Fragestellungen vor allem dazu

beitragen, die Mikrostruktur-Eigenschafts-Beziehun-

gen in den verschiedenen Legierungsklassen und

Anwendungsgebieten besser zu verstehen. Seine

Vertreter stammen aus der physikalischen, chemi-

schen, material- und ingenieurwissenschaftichen

Forschung ebenso wie aus unterschiedlichen Be-

reichen der Industrie, die an Titanwerkstoffen for-

schen, diese herstellen, einsetzen oder beabsichti-

gen, dies zukünftig zu tun. Darunter sind führende

Firmen der Medizintechnik sowie der Luftfahrt- und

Automobilbranche. Schnittstellen gibt es unter an-

derem zur Beschichtungstechnik oder den additiven

Fertigungsverfahren.

Ihre aktuellen Entwicklungen stellen fast alle Mit-

glieder des Fachausschusses auf der alle vier Jahre

stattfindenden Titan-Weltkonferenz mit etwa 700

Teilnehmern aus mehr als 50 Ländern vor, was eine

internationale Vernetzung und Sichtbarkeit garan-

tiert. Zudem bestehen bilaterale Kooperationen zu

Forschungseinrichtungen auf der ganzen Welt.

Ansprechpartner:

Carsten Siemers

[email protected]

42Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

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Werkstoffe der EnergietechnikFür mehr Power.

Die Umwandlung, der Transport und die Speicherung von

Energie gehören zu den drängendsten technologischen

Herausforderungen unserer Gesellschaft. Eine nachhalti-

ge, sichere und ressourcenschonende Energieversorgung

wird sich aber nur durch die Entwicklung entsprechender

Werkstoffe und Funktionsmaterialien gewährleisten las-

sen. Dabei sind die in der Energietechnik verwendeten

Werkstoffe, als auch die zu ihrer Anwendung benötigten

Herstellungsverfahren, extrem weit gefächert.

Damit Deutschland seine Stellung als eine der energie-

effizientesten und ökologischsten Volkswirtschaften der

Welt behalten und die High-Tech-Strategie der Bundes-

regierung in Hinblick auf den Megatrend „Energie“ auch

tatsächlich umgesetzt werden kann, führt an den innova-

tiven Entwicklungen der Materialwissenschaft und Werk-

stofftechnik kein Weg vorbei.

Sonne, Wasser, Wind und Wärme

Die Erforschung von Grundlagenprozessen für neue

Materialien sowie die Neuentwicklung von Funktions-

werkstoffen wird derzeit intensiv gefördert. Ein deutli-

cher Engpass herrscht allerdings bei der wirtschaftlichen

und mengenmäßig ausreichenden Produktion der in der

Grundlagenforschung entwickelten Werkstoffe mit gro-

ßem Anwendungspotential. Hier sind neue, originelle

und interdisziplinäre Forschungsansätze insbesondere zur

Herstellung, Kombination und Anwendung geeigneter

Werkstoffe und Werkstoffsysteme erforderlich.

Für den elektrischen Energietransport müssen neue Werk-

stoffe für Leiter (Supraleiter), Isolationswerkstoffe sowie

gute Wärmeableiter gefunden werden. Vergleichbare He-

rausforderungen bestehen auf dem Gebiet der Energie-

speicherung (Batterien, Latentwärmespeicher). Wichtig

wären zudem konzertierte Forschungs programme zur Um-

setzungs- und Anwendungsentwicklung von funktions-

gerechten Werkstoffen. Die Entwicklung der entsprechen-

der technischen Systeme für die lokale oder großflächige

Anwendung bei Werkstoffsystemen zur elektrischen bzw.

thermischen Energiespeicherung, zum elektrischen bzw.

thermischen Energietransport. Eine wesentliche Rolle

spielt hier auch die Frage der Netzversorgungssicherheit

und -effizienz,. Einen weiteres Forschungsfeld bildet die

mögliche Effizienzsteigerung bei der photokatalytischen

Energiewandlung und der Energiewandlung aus Sonnen-,

Wasser- und Windenergie in Strom und Nutzwärme.

All dies erfordert eine gemeinsame Anstrengung der be-

troffenen Disziplinen und Branchen, Hochschulen und Un-

ternehmen – eine Anstrengung, die die Entwicklung von

den Grundlagen über die Herstellung bis zur Anwendung

gemeinsam vorantreibt. Dabei müssen alle Bemühungen

auch auf die geschickte Kombination von Werkstoffen in

einem funktionierenden System ausgerichtet sein.

DER FACHAUSSCHUSS

„WERKSTOFFE DER ENERGIETECHNIK“

Der DGM-Fachausschuss will neue Erkenntnisse

auf diesem Gebiet fördern, den aktuellen Wissens-

standes vermitteln und den Erkenntnistransfer vo-

rantreiben. Hauptschwerpunkte liegen dabei auf

Wärme-Werkstoffen, photokatalytischen Werk-

stoffen, elektrischen Energiespeichern und Werk-

stoffen der elektrischen Energiewirtschaft. Seinem

interdisziplinären Aufgabengebiet entsprechend,

vereint der Fachausschuss Werkstoffwissenschaftler,

Ingenieure, Physiker und Chemiker aus Hochschu-

len und Forschungszentren. ebenso wie Vertreter

aus Unternehmen. Ebenso gehören diesem Fachaus-

schuss Vertreter von Unternehmen an, die neben den

benötigten Ausgangswerkstoffen auch die erforder-

lichen Geräte und Systeme produzieren können.

Der Fachausschuss organisiert Workshops und Sym-

posien auf Konferenzen wie den „European Con-

gress and Exhibition of Advances Materials and

Processes“ (Euromat). Ein intensiver Austausch be-

steht zu BMBF, DFG sowie zur EU. Alle wichtigen

Konferenzen werden vom Fachausschuss bedient.

Momentan erstellt der Fachausschuss ein Thesen-

papier zu „Werkstoffherausforderungen für die Zu-

kunft unserer Energieversorgung“, das die zukünfti-

gen Entwicklungsbedarfe zusammenfasst.

Ansprechpartner:

Univ.-Prof. Dr. Peter Schaaf

[email protected]

44Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

45

Zellulare WerkstoffeMit Poren punkten.

Zellulare Werkstoffe zeichnen sich durch einen hohen An-

teil geschlossener oder offener Poren unterschiedlicher

Form und Größen aus. Die Kombination solcher Struk-

turen mit inhärenten Werkstoffeigenschaften führt zu

neuen Eigenschaftskombinationen, was wiederum völlig

neue Anwendungen erlaubt. Vor allem im Leichtbau, aber

auch im Maschinen-, Anlagen- und Gerätebau sowie in

Energie- und Umwelttechnik wird der Einsatz zellularer

Werkstoffe in Zukunft zu Bahn brechenden Innovationen

führen.

Im Bereich der Wärmespeicherung und Wärmerück-

gewinnung haben zellulare Werkstoffe für alle Tempe-

raturbereiche ein enormes Einsatzpotenzial, was auf die

Funktionalisierbarkeit ihrer Oberfläche, die Einstellbarkeit

von thermischer und elektrischer Leitfähigkeit sowie einen

niedrigen Druckverlust bei Durchströmung zurückzuführen

ist. Für die effiziente Filtration von Metallschmelzen wer-

den aktive und reaktive keramische Filter mit hoher Ober-

flächenfunktionalität und Hochtemperaturstabilität benö-

tigt. Auch für die Gebäudeisolation versprechen zellulare

Werkstoffe mit integrierten Wärmereflektoren viele Mög-

lichkeiten. Diese Innovationen sind mit einer deutlichen Re-

duzierung von CO2-Emissionen verbunden; im Wirtschafts-

standort Deutschland werden sich neue Geschäftszweige

entwickeln.

Funktionieren und Versagen

Um zellulare Werkstoffe in neue Anwendungen zu inte-

grieren, muss die Funktionsweise solcher Werkstoffe mit

komplexer Verbund- und maßgeschneiderter Mikrostruk-

tur ebenso verstanden werden wie ein anwendungsspe-

zifisches Grenz- und Oberflächendesign, Haft-, Korrosi-

ons- und Versagensmechanismen, das Werkstoffverhalten

bei mehrachsigen Spannungszuständen oder die mecha-

nischen Eigenschaften auxetischer und nanozellularer

Werkstoffe. Gleiches gilt für jene Prozesse, die zu einer

homogeneren und reproduzierbaren Zellstruktur führen

oder Poren unterschiedlicher Größenskalen in ein und

demselben Werkstoff generieren. Darüber hinaus müssen

serientaugliche Fertigungsprozesse für die endformnahe

Fertigung und für die effektive und präzise Bearbeitung

sowie Strategien zur Funktionalisierung zellularer Werk-

stoffe entwickelt sowie die Partikelschaumtechnologie

erschlossen werden.

Dazu ist es notwendig, die werkstoffklassenübergreifen-

de Zusammenarbeit weiter auszubauen und Akteure aus

Wissenschaft und Anwendung besser zu vernetzen. Ziel-

führend wären gemeinsam initiierte Programme, bei de-

nen die Förderung von Grundlagenforschung durch die

DFG oder die VW-Stiftung mit Entwicklungs- und Trans-

ferprogrammen des BMBF, des BMWi oder der AiF gekop-

pelt werden.

DER FACHAUSSCHUSS „ZELLULARE WERKSTOFFE“

Der DGM-Fachausschuss will modifizierte Eigen-

schaftsprofile zellularer Werkstoffe aller Stoff klassen

für neue Anwendungen nutzbar machen. Ein Haupt-

augenmerk liegt dabei auf der Erforschung und Wei-

terentwicklung der Prozesse zur Erzeugung und vor

allem der Funktionalisierung zellularer Werkstoffe.

Durch geeignete Charakterisierungsverfahren soll

ein möglichst breites Verständnis der zugrunde

liegenden Phänomene und Mechanismen von

Strukturbildung und Werkstoffeigenschaften erlangt

werden. Zukünftig sollen zellularen Werkstoffen

neue Anwendungsfelder erschlossen werden.

Um seine Ziele zu erreichen, setzt der Fachausschuss

neben vielfältigen Kooperationen mit Fach- und In-

dustrieverbänden sowie mit internationalen Part-

nern intern auf ein interdisziplinäres Zusammen-

spiel unterschiedlicher Bereiche aus Chemie, Physik,

Material wissenschaft, Verfahrenstechnik und Ma-

schinenbau sowie der Wirtschaft. An den zweimal

jährlich stattfindenden Fachausschusssitzungen

nehmen Vertreter aus Universitäten, Forschungs-

instituten sowie aus kleinen, mittelständischen und

Großunternehmen teil.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Michael Scheffler

[email protected]

46Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

Verfahren und Methoden

Wer neue Materialien mit neuen Eigenschaften schaffen will, kommt an der Analyse ihrer

mikro- bzw. makroskopischen Strukturen ebenso wenig vorbei wie an der Überprüfung

ihrer Tauglichkeit oder am Verständnis ihrer Produktion. Nicht nur in der Stahlindustrie

erfordern neue Werkstoffe oftmals neue Gieß-, Walz- und Verarbeitungsverfahren, die

wiederum Einfluss auf Neuheiten in der industriellen Weiterverarbeitung haben können –

und die zudem die Herstellung von Produkten nicht selten effizienter, kostengünstiger und

umweltverträglicher machen.

Auch mit diesen Verfahren beschäftigen sich zahlreiche Fach- und Gemeinschaftsaus-

schüsse der DGM. Sie bündeln Kompetenzen und bringen nicht zuletzt Vertreter aus der

Grundlagenforschung und der industriellen Anwendung zusammen. Um im Dialog Inno-

vationsbedürfnisse aufeinander abzustimmen und Forschungsfelder zu eruieren, die für

die Zukunft unabdingbar sind.

47 48Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

5049 Erfahrung · Kompetenz · WissenErfahrung · Kompetenz · Wissen

Additive FertigungIn Lagen denken.

Die schichtweise Konstruktion von Bauteilen auf der Basis

von digitalen 3D-Daten ermöglicht beinahe beliebige geo-

metrische Formen. Die Vorteile liegen dabei auf der Hand.

Einerseits kann durch Additive Fertigung viel Material

(und damit auch Gewicht) eingespart werden, anderer-

seits ergeben sich für Konstrukteure und Werkstofftechni-

ker völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten. Deshalb hat die

Additive Fertigung in den letzten Jahren etwa in der Luft-

und Raumfahrtindustrie oder der Energie- und Medizin-

technik zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Wenn es gelingt, durch Additive Fertigung Ersatzteile in

einer mit heutigen Standardverfahren hergestellten Qua-

lität herzustellen, hätte dies für Lagerhaltung, Transport

und Kundenservice weitreichende Folgen. Deutschland

ist in diesem Bereich schon sehr gut aufgestellt. Trotzdem

sind zukünftig noch zahlreiche Probleme zu meistern.

„Das richtige Material an die richtige Stelle“

Um die hohen Erwartungen an Additive Verfahren zu

erfüllen, ist die Bereitstellung und Auswahl geeigneter

Werkstoffe mit gewünschter Eigenschaftspallette ein ent-

scheidender Schlüssel für den technischen Durchbruch.

Ein besseres wissenschaftlich-technisches Verständnis

des Material- und Werkstoffverhaltens und dessen

Optimierung über die gesamte Prozesskette hinweg ist da-

bei unabdingbar, um „das richtige Material an die richtige

Stelle zu bringen“. Gerade auf dem Gebiet des „Multi-

Material-Design“ besteht ein dringender Forschungs-

bedarf. Der effektive Erkenntnistransfer in die industrielle

Praxis muss in den nächsten Jahren ein weiterer Schwer-

punkt sein. Um die gesamte Prozesskette mit einbeziehen

zu können, sind Aspekte der Materialwissenschaften und

Werkstofftechnik, der Chemie, des Anlagenbaus und der

Ingenieurwissenschaften zu berücksichtigen.

Um die international gute Position Deutschlands beizu-

behalten und auszubauen, sind in Zukunft verstärkte For-

schungsanstrengungen wichtig, unter anderem auch zur

prozessbegleitenden Qualitätssicherung, Material effizienz

und funktionsangepassten Werkstoffeinsatz sowie zur

werkstoffgerechten Konstruktion und Auslegung neuer,

additiv hergestellter Strukturen (Gitterstrukturen, Multi-

Material-Strukturen o.ä.). Hierzu bedarf es abgestimmter

F&E-Programme, bei denen sowohl die Deutsche For-

schungsgemeinschaft (DFG) als auch das Bundesminis-

terium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie das

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) in-

volviert werden sollten.

DER FACHAUSSCHUSS „ADDITIVE FERTIGUNG“

Der DGM-Fachausschuss beschäftigt sich mit allen

Fragen entlang der Prozesskette: von der Roh-

stoffaufbereitung über die Bewertung, Charakte-

risierung und Qualifizierung von Werkstoffen und

ihrer Eigenschaften bis hin zur Nachbehandlung des

Bauteils. Mitglieder sind deshalb Wissenschaftler

ebenso wie Rohstoff- und Anlagenhersteller, Produ-

zenten und Anwender aus der Industrie, wobei die

komplette Werkstoffpalette (Kunststoffen, Metalle,

Keramiken, Gläsern etc.) eine Rolle spielt.

Der Fachausschuss befindet sich mit thematisch ver-

wandten Ausschüssen des VDI und des DVS, sowie

den an der Normungsarbeit beteiligten Gruppen und

der Fraunhofer- Allianz Generative Fertigung in stän-

digem Austausch. Neben der Vorbereitung eigener

Tagungen werden auch weitere Konferenzen, etwa

das „International Symposium Materials Science and

Technology of Additive Manufacturing”, unterstützt.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Wolfgang Kollenberg

[email protected]

51

Funktionalisierung von OberflächenAn der Grenze.

Strukturierte Lagerlaufflächen zur Reibreduktion, antimik-

robielle Kupferoberflächen oder bioverträgliche Beschich-

tungen mit Titandioxid: Maßgeschneiderte Oberflächen

spielen in vielen Bereichen des Alltags eine bedeutende

Rolle – insbesondere, wenn es sich um optische, antimi-

krobielle oder mit Reibung verbundene („tribologische“)

Anwendungen handelt. Die Spannweite reicht dabei vom

Automobil- und Flugzeugbau über die Nahrungsmittel-

industrie und Medizintechnik bis hin zur Biotechnologie

– und die Produktpalette wird immer größer. Intelligent

funktionalisierte Oberflächen sind also von entscheide der

ökonomischer und gesellschaftlicher Bedeutung.

In den letzten Jahrzehnten hat die Forschung zahlreiche

Erkenntnisse im Mikro- bzw. Nanometerbereich gewon-

nen. Hier sind in naher Zukunft neue Einsatzfelder zu

erwarten. Auf seinen Erfahrungen im Maschinenbau ba-

sierend, hat Deutschland auf diesem Feld weltweit eine

Spitzenposition erobert. Diese gilt es zu sichern und aus-

zubauen – auch im Hinblick auf neue, mit dem Themen-

feld verbundene Arbeitsplätze. Denn die Konkurrenz aus

den USA und dem Rest Europas ist groß.

Von der Funktion zur Produktion

Um die neuen Erkenntnisse im Bereich funktionalisier-

ter Oberflächen möglichst bald in Produkten für die

Anwendung umzusetzen, sollte in den nächsten Jahren

nicht nur der wissenschaftliche Aufwand in der Grund-

lagenforschung verstärkt werden. Auch die Entwicklung

neuer Herstellverfahren für zwei- und dreidimensionale

Modelle ist von zentraler Bedeutung. Hier muss sich der

Blick von den Funktionsprinzipien hin zu den Produktions-

methoden weiten.

Darüber hinaus gilt es, die momentan noch sehr hohen

Kosten in der Herstellung funktionaler Oberflächen mit-

tels Mikro- bzw. Nano-Strukturierungsverfahren stark zu

reduzieren. Erste Schritte sind hier schon getan, doch sind

diese bei weitem noch nicht ausreichend. Insbesondere

sind intelligente Ansätze gefragt, die die wissenschaftli-

che und technologische Wettbewerbsfähigkeit auch im

internationalen Vergleich sichern helfen.

Um die kommenden Bedürfnisse zu eruieren, bedarf es

einer verstärkten Zusammenarbeit von Wissenschaft und

deutscher Industrie, aber auch Forschungsvorhaben,

die Grundlagenforschung und Anwendung zusammen-

bringen – etwa in Form von Schwerpunktprogrammen

der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Auch

staatliche Forschungsförderer wie das Bundesministerium

für Bildung und Forschung (BMBF) oder Bundesministeri-

ums für Wirtschaft und Energie (BMWI) sind hier gefragt.

DER FACHAUSSCHUSS „FUNKTIONALISIERUNG

VON OBERFLÄCHEN MITTELS MIKRO/NANO-

STRUKTURIERUNGSVERFAHREN“

Der DGM-Fachausschuss bündelt dabei die Expertise und

Aktivitäten von Materialforschern in diesem und angrenz-

enden Bereichen funktionalisierter Oberflächen. Mitglieder

rekrutieren sich aus dem Bereich der Grundlagenforschung

ebenso wie aus speziellen Bereichen der Entwicklung tech-

nologischer Methoden zur Oberflächenstrukturierung und

Oberflächencharakterisierung sowie aus der Industrie.

In Zukunft will der Fachausschuss ergänzende Arbeitskrei-

se etwa zur Strukturierung von Oberflächen zur Reibungs-

steuerung mittels Lasertechnik oder im Bereich der

„ Rolle-zu-Rolle-Fabrikation“ ins Leben rufen, Forschungs-

und Entwicklungsvorhaben zwischen Universitäten, For-

schungsinstituten und der Industrie anstoßen und den

Nachwuchs im Bereich Oberflächenfunktionalisierung

noch gezielter als bisher fördern.

Ansprechpartner :

Prof. Dr.-Ing. Andrés Fabián Lasagni

[email protected]

52Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

53

MaterialographieGefüge und Strukturen.

Um Werkstoffe immer besser an ihre Einsatzbedingungen

anpassen und neue Anwendungen für sie erschließen zu

können, müssen Methoden und Geräte kontinuierlich

weiterentwickelt werden, die zur Gefüge- und Struktur-

untersuchung von Materialien dienen. Diese Aufgabe

erfüllt die Materialographie. Dies beinhaltet Proben-

präparationsverfahren, verschiedenste mikroskopischen

Methoden (einschließlich der Elektronenmikroskopie und

der hoch auflösenden Röntgen-Computertomographie)

sowie die Analyse, Bewertung und Dokumentation der

mikroskopischen Untersuchungsergebnisse.

Im Klimaschutz, aber auch auf den Gebieten der

Ressourcen effizienz und der Nachhaltigkeit leistet die

Material ographie wichtige Beiträge. Nicht zuletzt dient sie

dazu, durch eine Weiterentwicklung der Verständnisbasis

von Materialien die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie

auf den unterschiedlichsten Feldern zu sichern – und da-

mit den Wohlstand der Gesellschaft und den Wirtschafts-

standort Deutschland.

Besser berechnen lernen

Im Bereich der hochaufgelösten Rasterelektronen-

mikroskopie (REM) mit fokussiertem Ionenstrahl (FIB), der

Atomsondentomographie und der 3D-Mikroskopie, aber

auch bei der digitalen Bildanalyse sowie auf dem Gebiet

der computergesteuerten Mikroskope und der Röntgen-

mikroskopie konnten in den letzten Jahren zahlreiche

Durchbrüche erzielt werden. In den nächsten Jahren sind

trotzdem noch viele Herausforderungen zu meistern. So

muss die Automatisierte Multiskalen-3D-Mikroskopie für

die Materialographie ebenso weiter entwickelt werden

wie jene Möglichkeiten, die zur Erstellung (physikalischer)

Modelle zur Beschreibung der Gefüge-Eigenschafts-

korrelationen führen können: Auf diesen Gebieten gibt es

noch große Potenziale für die Forschung.

Zur Weiterentwicklung der Materialographie sind in die-

sem Rahmen Forschungsprojekte zum Thema Methoden-

entwicklung für wichtige Querschnittsthemen zwingend

notwendig: etwa zur Verbesserung mikroskopischer Me-

thoden oder zur Entwicklung physikalischer Modelle, mit

denen sich Eigenschaften aus der chemischen Zusammen-

setzung und dem Gefüge besser als bisher berechnen las-

sen. Auch in der Simulation der Entstehung von Gefügen

sowie der Berechnung der Eigenschaften aus dem Gefüge

existiert großer Forschungsbedarf. Hierzu müssen inter-

disziplinärer Projektteams geschaffen und vor allem auch

IT-Kompetenz mit eingebunden werden.

DER FACHAUSSCHUSS MATERIALOGRAPHIE

Der DGM-Fachausschuss hat es sich zum Ziel

gesetzt, seinen Gegenstandsbereich auf viel fache

Weise weiter zuentwickeln. In seinen Arbeits-

kreisen ermöglicht und koordiniert er hierzu den

regel mäßigen Austausch unter Materialographen,

Werkstoff prüfern, Materialwissenschaftlen, Maschi-

nen bauern, Physikern, Chemikern, Mathematikern

und Informatikern auf der einen sowie Vertretern

aus der werkstoffverarbeitenden Industrie, dem

Automobil- und Maschinen bau, der Luft- und Raum-

fahrt, Energie- und Medizintechnik auf der anderen

Seite. Schnittstellen bestehen zudem unter anderem

zum Stahlinstitut VDEh, dem Deutschen Verband

für Materialforschung und –prüfung e.V. (DVM), der

Deutschen Keramischen Gesellschaft e.V. (DKG) oder

dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI).

Zu den besonders wichtigen Aufgaben des Fach-

ausschusses zählt die wissenschaftliche Planung der

jährlichen Metallographie-Tagung. Die meisten Ar-

beitskreisleiter gehören zudem zum wissenschaft-

lichen Beirat der Zeitschrift „Praktische Metallo-

graphie“.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Gerhard Schneider

[email protected]

54Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

55

Mechanische OberflächenbehandlungWalzen, strahlen, fester machen.

Walzen, strahlen, fester machen. Mechanische Oberflä-

chenbehandlung wie Kugelstrahlen und Festwalzen sind

wichtige industrielle Verfahren, die dazu dienen, oberflä-

chennahe Bereiche zu verfestigen und die im Einsatz nö-

tige Druckeigenspannung von Produkten zu verbessern.

Bei verschiedenen Komponenten des Maschinen und

Anlagenbaus, der Automobiltechnik oder der Luft- und

Raumfahrttechnik steigert dies die Schwingfestigkeit und

verlangsamt den Prozess des Verschleißens.

Was Fragen zu Einflüssen von Fertigungsprozessen auf die

Bauteilrandschicht angeht, ist Deutschland auch im welt-

weiten Vergleich wissenschaftlich herausragend. Gleiches

gilt für eine Forschung, die die Eigenschaften von Bau-

teilen optimieren will, die einer erhöhten Belastung etwa

durch Schwingung, Reibung oder Korrosion ausgesetzt

sind. Dadurch hat sich Deutschland in einem Bereich profi-

liert, der auch international auf ein stetig steigendes Inte-

resse stößt. Stand in der Vergangenheit das Kugelstrahlen

und dessen Bewertung wissenschaftlich im Vordergrund,

geht es heute eher um einen Gesamtblick auf sämtliche

Verfahren der mechanischen Oberflächenbehandlung,

also um einen integralen Ansatz im „Surface-Enginee-

ring“. Hier liegt ein wichtiger Forschungsansatz für die

nächsten Jahre.

Immer weiter leichter machen

Wenn es zukünftig gelingt, die Festigkeit eingesetzter

Werkstoffe durch mechanische Oberflächenbehandlung

weiter zu verbessern, sind vor allem im Leichtbau maß-

gebliche Ergebnisse zu erwarten. Dies hätte erhebliche

Einsparungen von Energieaufwendungen im industriellen

Betrieb von Maschinen oder Anlagen zur Folge. Vor allem

aber käme diese Entwicklung beim Einsatz in Autos oder

Flugzeugen dem Hightech-Megatrend der Mobilität zu-

gute. Hier könnten Ressourcen deutlich effektiver einge-

setzt werden – ein weiterer entscheidender Wettbewerbs-

vorteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Wichtige Herausforderungen liegen dabei nicht zuletzt

darin, das Bewusstsein für die Vorteile einer mechanischen

Oberflächenbehandlung gerade bei jenen Prozessen zu

schärfen, bei denen die Idee des „Surface Engineering“

momentan noch nicht im Zentrum steht, Bauteileigen-

schaften durch die Verfahren aber deutlich verbessert

werden können – wie etwa deren Lebensdauer unter

mechanischer Belastung. In diesem Umfeld wird eine dif-

ferenzierte Untersuchung der Robustheit der Verfahren

gegenüber Einflüssen in industriellen Prozessketten und

unter wirtschaftlichen Aspekten vonnöten sein. Dabei

sind auch Messtechniker gefragt, eine Sensorik für die

Überwachung des Prozessergebnisses entwickeln. Beide

Aspekte erfordern mehr Aktivitäten in Wissenschaft und

angewandter Forschung.

DER FACHAUSSCHUSS

„MECHANISCHE OBERFLÄCHENBEHANDLUNG“

Der DGM-Fachausschuss beschäftigt sich mit wissen-

schaftlichen und industriellen Fragen des Bereichs.

Aber er befasst sich auch mit alternativen Verfah-

ren wie Ultraschallstrahlen, Laserschockverfestigen

oder kavitationsgestützte Varianten sowie deren

Modifikation mittels Vorspannung bzw. thermischer

Behandlungen. Seine Treffen finden halbjährlich

abwechselnd bei engagierten Industriemitgliedern

oder an Hochschulinstituten statt. Mitglieder sind

Anwender etwa aus dem Automobil-, Flugzeug- und

Anlagenbau, Anlagen- und Strahlmittelhersteller,

Dienstleister sowie Hochschulpartner, die mit den

unterschiedlichen Verfahren zu tun haben.

Der Fachausschuss ist sehr gut vernetzt. Ausgezeich-

nete Kontakte bestehen unter anderem zur Arbeits-

gemeinschaft Wärmebehandlung und Werkstoff-

technik e. V. (AWT) oder zur Forschungsvereinigung

Antriebstechnik e.V. (FVA).

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Volker Schulze

[email protected]

56Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

57

StrahllinienIm Charaktertest.

Dank der weltweit existierenden Synchrotron- und Neut-

ronenstrahlungsquellen steht eine immer größer werden-

de Anzahl von Messeinrichtungen für die Materialcharak-

terisierung zur Verfügung. Diese so genannten Strahllinien

(„Beamlines“) sind hochspezialisierte Messlabore, die als

Messsonde Neutronen- oder Synchrotronstrahlung mit

deren spezifischen Eigenschaften nutzen. Im Unterschied

zu Laborquellen verfügen die Strahllinien über eine sehr

hohe Strahlungsintensität, die schnelle Messungen zu-

lässt – und so zum Beispiel In-Situ-Beobachtung der Ent-

stehung von Metallschäumen ermöglicht.

Die Strahllinien verfügen in der Regel über optische Ele-

mente (Monochromatoren, Spiegel, Gitter, Kristalle) mit

deren Hilfe die Energie der Strahlung auf die jeweilige

Messaufgabe angepasst werden kann. Zumeist sind sie

für spezifische Werkstoffuntersuchungen wie Sychrotron-

und Neutronen-Radiographie bzw. Sychrotron- und Neu-

tronen-Computertomographie konfiguriert. Ein weiteres

Beispiel ist die Eigenspannungsanlyse mittels Synchro-

tron- und Neutronen-Diffraktometrie, die Auskunft über

die Kristallgitterdehnung als Folge mechanischer äußerer

und innerer Lasten gibt.

Sensibel machen für die Möglichkeiten

Während die Synchrotronstrahlung bei dieser Methode

Informationen über den oberflächennahen Bereich des

Werkstoffs liefert, liefert Neutronenstrahlung Informa-

tionen aus dem Inneren des Werkstoffs. Kennt man die

mechanischen Eigenschaften des Werkstoffs, so lassen

sich dessen Dehnungsdaten aus den Messergebnissen be-

rechnen.

Bisher kommen Strahllinien vor allem in der Grundla-

genforschung zum Einsatz. Im Bereich der anwendungs-

nahen Werkstoffuntersuchungen sind sie noch eher die

Ausnahme. Um ihre Möglichkeiten besser ausschöpfen zu

können, müssen Forschungsförderer, Strahllinienbetreiber

sowie Gutachter für Strahlzeitanträge für die Bedürfnisse

der Materialwissenschaften in diesem Bereich stärker als

bisher sensibilisiert werden. Eine wichtige Vermittlerfunk-

tion will dieser DGM-Fachausschuss leisten.

DER FACHAUSSCHUSS

„WERKSTOFFCHARAKTERISIERUNG

MIT STRAHLLINIEN“

Der DGM-Fachausschuss thematisiert die Nut-

zung von Großforschungsstrahlungsquellen zur

Charakterisierung von Werkstoffen. Er will über

Neuentwicklungen (Quellen, Beamlines, Probenum-

gebungen etc.) informieren und eine Plattform für

Projektpartnerschaften bzw. Patenschaften mit der

Industrie im Bereich der Verbundforschung zu neuen

Methoden der Materialanalyse sein. Ferner versteht

er sich als Beratergremium für mögliche Anwendun-

gen von Strahllinien im MatWerk-Bereich. In den Sit-

zungen und den vom Fachausschuss organisierten

Symposien treffen sich überwiegend Mitarbeiter

von Universitäten und Forschungseinrichtungen aus

ganz Europa, die unterschiedliche Analysemethoden

zur Materialcharakterisierung repräsentieren, sowie

Vertreter industrieller Forschung.

Der Fachausschuss versteht sich als Vermittler zwi-

schen Grundlagenforschung und industriellen Be-

langen. In letzterem Falle vermittelt er zwischen

Nutzern und Betreibern von Strahllinien, etwa durch

Informationen zu Technik und Ausstattung verfüg-

barer Strahllinien oder zu etablierten und neuen

Messverfahren.

Ansprechpartner:

Dr. Bernd R. Müller

[email protected]

58Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

59

StranggießenQualität aus einem Guss.

Stranggießen bezeichnet eine Fertigungstechnik, bei der

mit Hilfe von wiederverwendbaren Formen (Kokillen)

vorgefertigte Produkte (Halbzeuge) wie Bleche, Stangen,

Rohre oder Platten aus verflüssigten Eisen- und Nicht-

eisenlegierungen wie Kupfer oder Aluminium hergestellt

werden können.

In der Fertigungstechnik sind Halbzeuge die mit Abstand

verbreitetste Form für Metallwerkstoffe – und damit von

enormer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeu-

tung. Trotzdem reduziert sich die Anzahl ihrer Produzen-

ten im Zuge der Globalisierung dramatisch. Um hier die

ökonomische Stellung Deutschlands zu wahren, ist die

ständige Verbesserung der Verfahren vom Schmelzen bis

zum Gießen unter ökonomischen, aber auch unter Um-

welt- und Qualitätsaspekten entscheidend.

Besser simulieren

Um den Einflusses von Gießparametern auf Tempera-

tur- und Spannungsfelder sowie die daraus resultierende

Wirkung auf Erstarrung, Geometrie, Gussfehler, Gefü-

ge und Entmischungen (Seigerungen) zunehmend bes-

ser zu verstehen, zu optimieren und auch die Kosten

für aufwändige Versuche zu reduzieren, ist es zukünftig

wichtig, die Simulation etwa der Temperatur- und Span-

nungsfelder sowie die Modellierung der elektromagneti-

schen Strömungs beeinflussung metallischer Schmelzen in

Induktionsöfen und in der Kokille zu verbessern. In diesem

Rahmen gewinnt auch die Vorhersage von Gefüge- und

Werkstoffeigenschaften an Bedeutung. Dazu sind ver-

besserte Kenntnisse der Stoffwerte und von Randbedin-

gungen wie beispielsweise des Wärmeübergangs in der

Primär- und Sekundärkühlung unabdingbar.

Zudem müssen in den nächsten Jahren verfeinerter Mo-

delle zur Beschreibung der Vorgänge auf der Mikro ebene

(Kristallwachstum, Steigerungen, Porenbildung, Riss-

entstehung, Rissausbreitungn etc.) entwickelt werden

– ebenso wie Maßnahmen, die die Erkenntnisse auf der

Makroebene anwendbar machen. Experimente sollen den

Wärmeübergang in der Sekundärkühlzone beim Strang-

gießen und damit jene Einflüsse untersuchen, die Ober-

flächenrauigkeit, Legierung oder Oberflächentemperatur

betreffen.

Um sich den kommenden Herausforderungen zu stellen,

sollten in Forschungs- und Entwicklungsvorhaben ge-

meinsame Projekte von Universitäten, Forschungsinstitu-

ten und der Industrie initiiert werden, die auch Energie-

effizienzaspekte mit einbeziehen. Darüber hinaus ist der

Erfahrungsaustausch zwischen Gießern aus der betrieb-

lichen Praxis und industrieller Entwicklung einerseits und

der universitären Forschung ebenso zwingend wie ein

Vergleich verschiedener Verfahren in den Betrieben.

DER FACHAUSSCHUSS „STRANGGIESSEN“

In seinen vier Arbeitskreisen beschäftigt sich der

DGM-Fachausschuss mit allen Fragen rund um das

Stranggießen mit ofenabhängiger und ofenunab-

hängiger Kokille (Aluminium bzw. Kupfer). Ein wei-

terer Gegenstand ist der relativ neue Prozess des

Sprühkompaktierens („Spray Forming“) vor allem

auf Aluminium-, Kupfer- und Stahlbasis, der beson-

ders für die Herstellung von Sonderwerkstoffen ge-

eignet und deshalb nicht sonderlich verbreitet ist.

Der Fachausschuss bringt Fachleute aus Produkti-

onsbetrieben, Zuliefererfirmen für Feuerfestmateri-

alien, Schmelz- und Gießöfen, Gießanlagen, Mess-

geräte oder Hilfs- und Betriebsstoffe mit Experten

aus Hochschulen und Universitäten zusammen: bei

Fachdiskussionen, im praxisnahen Erfahrungsaus-

tausch und nicht zuletzt bei gegenseitigen Betriebs-

besichtigungen.

Konkret erarbeitet der Fachausschuss unter anderem

an einem Gussfehlerkatalog mit konkreten Abhilfe-

maßnahmen sowie einer „Gießer-Fibel“ zur Schu-

lung von Personal in Gießereibetrieben: von „A“ wie

Arbeitssicherheit bis „Z“ wie Zuschlagstoffe.

Ansprechpartner:

Dr. Hilmar R. Müller

[email protected]

60Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

61

StrangpressenIn Formen bringen.

Das Strangpressen ist ein Umformverfahren zur Produk-

tion von Stäben, Drähten, Rohren und Profilen, bei dem

Metalle (Aluminium, Kupfer etc.) bzw. deren Legierungen

sowie bestimmte Kunststoffe durch ein formgebendes

Werkzeug gepresst werden. Gerade bei Strangpress-

profilen ist der Bedarf vor allem im Automobilbereich in

letzter Zeit zunehmend gestiegen. In der Elektrotechnik

und dem Maschinenbau werden Strangpressprofile etwa

als Rippenkühlkörper, Trägerprofile eingesetzt. In der Me-

dizintechnik haben sich stranggepresste Profile etwa für

körperresorbierbare Materialien bewährt. In allen Berei-

chen war die erfolgreiche Zusammenarbeit der Werkstoff-

entwicklung und der Entwicklung der Werkzeugtechnolo-

gie entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung.

Wegen der vielen Einsatzmöglichkeiten von Strangpres-

sprodukten unter anderem auch im Leichtbau wird der

Bedarf auch in Zukunft weiter steigen. Dabei ist zu erwar-

ten, dass durch die Weiterentwicklung der Umformver-

fahren auch für Verbundwerkstoffe neue Einsatzgebiete

erschlossen werden können. Um die damit verbundenen

Aufgaben zu lösen – und damit die Wettbewerbsfähigkeit

Deutschlands in diesem Bereich zu sichern –, wird auch

in Zukunft eine enge Zusammenarbeit zwischen der In-

dustrie und Forschungseinrichtungen bzw. Hochschulen

nötig sein.

Exakter simulieren

Eine wesentliche Herausforderung bei der Entwicklung

neuer Produkte besteht dabei in den nächsten Jahren

darin, den Strangpressvorgang ebenso wie die Eigen-

schaften der hierdurch erzeugten Strangpressprodukte

besser zu simulieren. Hierzu wird es nötig sein, die Fort-

schritte in der Prozesssimulation zukünftig noch stärker in

die Entwicklungsprozesse mit einzubeziehen – so, wie es

in anderen Fertigungsbereichen wie Gießen, Schmieden

oder in der Blechumformung bereits heute erfolgreich ge-

schieht.

Die Fortschritte, die in den letzten Jahren bei der genauen

Beschreibung der realen Reibungsverhältnisse in der Um-

formzone erzielt worden sind, sind sehr ermutigend und

eröffnen neue Perspektiven für neue Produkte.

DER FACHAUSSCHUSS „STRANGPRESSEN“

Der DGM-Fachausschuss beschäftigt sich mit wis-

senschaftlich und industriell relevanten Fragen zum

Strangpressprozess, aber auch mit neuen Anwen-

dungen stranggepresster Produkte. Er versteht sich

als Plattform für den Erfahrungsaustausch zwischen

Strangpresswerken, Zulieferern sowie Hochschu-

len und Forschungseinrichtungen, die zum Teil an

eigenen Strangpressanlagen forschen können. Die

Industriemitglieder kommen aus der Produktion,

der Qualitätssicherung und der Produkt- bzw. Ver-

fahrensentwicklung, aber auch aus dem Maschinen-,

Anlagen- oder Werkzeugbau.

Bei allen Projekten, an denen sich der Fachausschuss

beteiligt ist oder unterstützend mitwirkt, geht es um

die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Strang-

pressprodukten. So werden in Benchmarks spezifi-

sche Energieverbräuche, Werkzeugstandzeiten etc.

untereinander verglichen, um Strangpresswerke

zu befähigen, sich am aktuellen Stand der Technik

zu orientieren. Bei Forschungsanträgen unterstützt

der Fachausschuss die Antragsteller bei der praxis-

relevanten Zielsetzung sowie bei der Diskussion der

Ergebnisse. Auf diese Weise wird eine enge Zusam-

menarbeit zwischen Forschung und Praxis gepflegt.

Ansprechpartner:

Dipl.-Ing. Horst Gers

[email protected]

62Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

63

TexturenVon entscheidender Bedeutung.

In der Kristallografie beschreibt die „Textur“ eines Mate-

rials, wie sich die einzelnen Körner (Kristallite) in einem

vielkristallinen Festkörper zueinander orientieren. Für

zahlreiche Materialien und Werkstoffe ist dies von zen-

traler Bedeutung, weil sich ihre magnetischen und me-

chanischen Eigenschaften (etwa die Verformbarkeit von

Metallen beim Walzen) aus dieser kristallinen Ausrichtung

ergeben – und sich bei entsprechender Behandlung dem

entsprechend ggf. auch verändern lassen. Im Bereich der

Materialtechnologie geben Analysen der Texturänderung

nach thermo-mechanischer Behandlung wertvolle Infor-

mationen über die zugrundeliegenden Festkörperprozes-

se (Kristallisation, plastische Verformung, Rekristallisation,

Kornwachstum bzw. Phasentransformationen).

Da die Textur maßgeblich die Eigenschaften von poly-

kristallinen Materialien bestimmt, ist die Texturforschung

seit jeher von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Im in-

ternationalen Vergleich ist sie in Deutschland bereits sehr

gut aufgestellt. Wenn es in den nächsten Jahren und Jahr-

zehnten zudem gelingt, bestimmte Herausforderungen

zu meistern, ließen sich neue Materialien mit optimierten

Eigenschaften herstellen, die in unterschiedlichsten Indus-

triebereichen wie der Automobil- und Luftfahrttechnik

eingesetzt werden und damit zum hiesigen gesellschaft-

lichen Wohlstand maßgeblich beitragen könnten.

Vorstoß zu den Nanometern

Um den in sie gesetzten Erwartungen gerecht zu wer-

den, muss sich die Forschung im kommenden Jahrzehnt

verstärkt mit Texturmessungen mittels Synchrotron- und

Neutronenstrahlung befassen, die „in-situ“, etwa wäh-

rend der Verformung oder thermischen Behandlung an

massiven Proben, durchgeführt werden können. Gleiches

gilt für die bereits stark etablierte Elektronenbeugung im

Rasterelektronenmikroskop, mit deren Hilfe sich Wechsel-

wirkungen zwischen lokalen Texturen und der Mikrostruk-

tur besser verstehen ließen. Eine weitere Herausforderung

sind Texturmessungen an Materialien mit Submikro- bis

Nanometerkorngrößen, die sich durch verschiedene neue

Methoden der Umformung herstellen lassen. Außerdem

gilt es, die Textursimulationen stark zu verbessern, um

tragfähige Textur- und Eigenschaftsvorhersagen machen

zu können.

Bislang war die Texturforschung hauptsächlich grundla-

genorientiert ausgerichtet. In Zukunft sollte prinzipiell eine

stärkere Verbindung mit der Industrie angestrebt werden.

DER FACHAUSSCHUSS „TEXTUREN“

Der DGM-Fachausschuss will wissenschaftliche und

industrielle Fragen aufgreifen, die mit Texturen

polykristalliner Stoffe aller Art zusammenhängen,

namentlich zur Messtechnik, zur mathematischen

Datenanalyse, zum Textur-Eigenschaften-Verhältnis

oder zur Herstellung und Anwendung texturierter

Werkstoffe. Er vereint Mitglieder aus der Material-

wissenschaft, dem Maschinenbau, der Physik und

der Geowissenschaft mit Industrievertretern, die

sich hauptsächlich mit der Metallherstellung und

Metallverarbeitung sowie mit der Texturmessung

und Texturanalyse beschäftigen.

In der Texturforschung hat sich in Deutschland unter

reger Beteiligung verschiedener Mitglieder des Fach-

ausschusses eine wissenschaftliche Community mit

internationaler Ausstrahlungskraft etabliert. Dies

zeigt sich alle drei Jahre auf der „International Con-

ference on Textures of Materials“ (ICOTOM), sowie

auf zahlreichen Symposien anderer internationaler

Tagungen, die sowohl Wissenschaftler als auch In-

dustrievertreter genannter Sparten aus der ganzen

Welt anziehen.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Werner Skrotzki

[email protected]

64Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

65

Thermodynamik der WerkstoffeFürs Material erwärmen.

Die Eigenschaften eines Werkstoffs werden neben seiner

chemischen Zusammensetzung dezidiert auch von seiner

Mikrostruktur (dem „Gefüge“) bestimmt, das sich in der

Produktionskette bildet. Um Eigenschaften optimal her-

auszubilden, muss die für das Gefüge relevante Thermo-

dynamik und Kinetik verstanden und beherrscht werden.

Dies gilt insbesondere für hochkomponentige Werkstoffe,

wie sie heutzutage in der Mehrzahl der technischen An-

wendungen zum Einsatz kommen, darunter komplexe

metallische Legierungen, technische Keramiken oder Ver-

bundwerkstoffe.

Durchbrüche bei der Wärmemengenmessung (Kalorime-

trie) von Lithium-Batterien im Betrieb werden es schon

bald erlauben, „Thermische Management-Systeme“ so-

wie innovative Sicherheitskonzepte für die mobile und

stationäre Energiespeicherung maßgeschneidert zu ent-

wickeln: Damit werden Meilensteine bei der Elektromo-

bilität und im Bereich der erneuerbaren Energien gesetzt.

Dies sind nur zwei Beispiele für die vielen Beiträge, die

die zukünftige Thermodynamik-Forschung für den gesell-

schaftlichen Wohlstand und das Wirtschaftswachstum

Deutschlands zu leisten vermag.

Mehr Vorhaben, mehr Lehrstühle

Um diese Ziele zu erreichen, müssen zentrale Modellie-

rungs- und Simulationsmethoden, die der Bestimmung

und Planung von wenigen notwendigen Schlüssel-

experimenten der Thermodynamik und Kinetik dienen,

weiterentwickelt und kombiniert werden. Insbesondere

das „Integrated Computational Materials Engineering“

(ICME) wird hier eine zunehmende Rolle spielen und die

kostensparende Werkstoff- und Prozessentwicklung un-

terstützen.

Weitere Zukunftsthemen sollten sich mit der Thermo-

dynamik der Defekte bzw. der metastabilen Systempha-

sen sowie der Thermodynamik von Grenzflächen und

Grenzflächenphasen befassen. Eine große Heraus-

forderung ist auch die Entwicklung experimenteller

Kalorimetrie-Analyseverfahren für Batterien, Nanomate-

rialien oder im Bereich der Dünnschichttechnik. Für die

Untersuchung von komplexen Werkstoffsystemen wer-

den zukünftig kombinatorische Methoden zur Werkstoff-

untersuchung und für den Aufbau von Materialbibliothe-

ken eine wesentlich größere Rolle spielen.

Das langjährige Problem in Deutschland bzw. im deutsch-

sprachigen Raum ist, dass zu wenige wissenschaftliche

Arbeitsgruppen die Thermodynamik und Kinetik der

Werkstoffe aktiv im Schwerpunkt betreiben. Damit ein-

hergehend sind auch die universitäre Ausbildung und die

Nachwuchssituation in diesem Bereich eher unbefriedi-

gend. Wichtig wäre hier die Einrichtung von (weiteren)

Lehrstühlen zu speziellen Themen.

DER FACHAUSSCHUSS „THERMODYNAMIK, KINETIK

UND KONSTITUTION DER WERKSTOFFE“

Der DGM-Fachausschuss will die interdisziplinäre

Diskussion zu Fragen rund um die Thermodynamik

bei Werkstoffen befruchten. Er steht in enger Koope-

ration mit der „Alloy Phase Diagramm International

Commission“ (APDIC), der „Scientific Group Ther-

modata Europe“ (SGTE) sowie dem „Materials

Science International Team“ (MSIT). Seine Mit glieder

entstammen der Phasendiagramm-Forschung,

der Werkstoff-Thermodynamik, der Phasenfeld-

Methoden sowie der Diffusionsforschung. Sie orga-

nisieren Symposien bei zahlreichen internationalen

Konferenzen.

Durch Doktor- und Masterarbeiten, Sommerschu-

len und Workshops im Rahmen des DFG-Schwer-

punktprogrammes „Werkstoffe mit neuem Design

für verbesserte Lithium-Ionen-Batterien“ oder die

DFG-Nachwuchsakademie „Thermodynamik und

Kinetik in mehrkomponentigen metallischen und

keramischen Werkstoffen“ will der Fachausschuss

die Situation des Nachwuchses verbessern. Zukünf-

tig sollen zudem Computer-Datenbanken als Grund-

lage für Gefüge-Simulationen zur Werkstoff- und

Prozess optimierung entwickelt werden.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Hans Jürgen Seifert

[email protected]

66Erfahrung · Kompetenz · Wissen Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

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Ausblick

Ohne innovative Werkstoffe und neue Materialien gibt es keine Zukunft – zumindest keine,

die lebenswert wäre. Unter diesem Motto lassen sich die vielfältigen Erkenntnisse dieser

Expertenstudie zusammenfassen. Maßgeschneiderte Werkstoffe machen Produkte besser.

Bessere Produkte machen Unternehmen erfolgreich. Erfolgreiche Unternehmen sichern den

Wohlstand unserer Gesellschaft. Und sozialer Wohlstand auf Werkstoffbasis sorgt dafür,

dass jeder Einzelne von uns sicher, gesund, bequem, nachhaltig – und letztlich glücklich –

leben kann. So lautet die Wertschöpfungskette, von der alle Teilnehmer profitieren.

Um die hierzu notwendigen Bedürfnisse zu definieren, die Herausforderungen aufzuzei-

gen und die zur Realisierung notwenigen Schritte durchzuführen, bedarf es eines starken

und kompetent verflochtenen Werkstoff-Expertennetzwerks. Eines Netzwerks, das von der

Grundlagenforschung bis zur Anwendung alle wichtigen Fäden in der Hand behält. Eines

Netzwerks, das selbst beim Fokus aufs entscheidende Detail das große Ganze nicht aus

dem Blick verliert – und dabei noch in der Lage ist, über den eigenen Tellerrand hinaus zu

schauen. Im Bereich der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik bildet die DGM mit ih-

ren rund 40 Fach- und Gemeinschaftsausschüsse ein solches Netzwerk. Seit fast 100 Jahren.

Was die Förderung der zukunftssichernden Werkstoffprojekte angeht, so leisten Organisati-

onen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) oder die Arbeitsgemeinschaft indus-

trieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“. (AiF) bereits seit Jahren gute Arbeit!

Aber auch die Bundesregierung hat nicht zuletzt mit ihrer High-Tech-Strategie die Zeichen

der Zeit erkannt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bun-

desministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sind im politischen ohnehin verlässliche

Partner. Trotzdem werden sie alle sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch stärker

einbringen müssen, damit Deutschland im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig

bleiben kann.

Hier ist zusätzliches Engagement gefragt: Für eine Zukunft mit Werkstoffen. Und für Werk-

stoffe, die Zukunft haben.

Dr.-Ing. Frank O.R. Fischer

Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der DGM

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