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Weniger Konsum, mehr Leben Portrait Der Oldenburger Professor für Volkswirtschaft Niko Paech kämpft gegen den allgegenwärtigen Wachstumsglauben – und sucht das Glück in der Befreiung vom Überfluss. Von Berward Janzing Konsequent: Niko Paech besitzt weder Auto noch Handy – und sein Jacket trägt er schon seit 25 Jahren. macher _Niko Paech neue energie 09/2014 110

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Weniger Konsum, mehr Leben

Portrait

Der Oldenburger Professor für Volkswirtschaft Niko Paech kämpft gegen den allgegenwärtigen Wachstumsglauben – und sucht das Glück in der Befreiung vom Überfl uss.

Von Berward Janzing

Konsequent: Niko Paech besitzt weder Auto noch Handy – und sein Jacket trägt er schon seit 25 Jahren.

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cen, die er aufzeigt. Er hat das Konzept der „Postwachstumsökonomie“ entwickelt

– mit durchaus interessanten Perspekti-ven für Mensch und Umwelt. „Befreiung vom Überfluss“ heißt eines seiner Bücher. Negativ klingt das nicht.

Doch am Anfang steht seine schonungs-lose Analyse: „Wir stehen vor dem Peak everything“ hämmert er seinen Zuhörern ein, wenn er auf dem Podium steht. Es geht nicht allein um den Peak Oil, jenen Punkt, an dem die weltweite Ölförderung unerbittlich zurückgeht, weil der Stoff nicht mehr mit vertretbarem Aufwand der Erde zu entlocken ist. Es geht ihm auch um die vielen anderen Rohstoffe, die sei-ner Einschätzung nach bald an die Gren-zen ihrer Verfügbarkeit kommen.

„Unter Ökonomen, die oft trocken da-herkommen, ist Paech eine echte Rampen-sau“ schrieb einmal die Wochenzeitung ‚Die Zeit‘. Was der Beschriebene selbst so aber nicht stehen lassen will, schließlich provoziere er nicht der persönlichen Insze-nierung wegen. Man nimmt es ihm ab; er sagt einfach, was er denkt. Das reicht of-fenkundig, ihm Aufmerksamkeit zu si-chern.

Unternehmer laden ihn gerne zum Ge-spräch, er ist ein eloquenter Redner. Man-che empfangen ihn, weil sie sich ernst-haft für seine Gedanken interessieren, weil auch ihnen das Bauchgefühl sagt, dass die enorme Komplexität der Wirtschaftsstruk-turen sie und ihr Geschäft verwundbar macht. Andere lassen ihn auftreten, weil sie den Professor aus Oldenburg so herr-lich skurril finden, einen komischen Vo-

S ein Jacket ist zum Symbol gewor-den. Nicht, weil es so auffällig wäre,

nein vielmehr, weil es so zeitlos ist. „Ich trage es seit 25 Jahren“, sagt Niko Paech in seinen Vorträgen – und schon hat er an einem praktischen Beispiel gezeigt, was für ihn nachhaltiges Wirtschaften ist: der Ge-brauch langlebiger Güter.

Paech ist Professor für Volkswirtschaft an der Universität Oldenburg und inzwi-schen der prägende Kopf einer Nachhaltig-keitsdebatte, die sich nicht mehr mit dem üblichen Klein-Klein abzugeben bereit ist. Der 53-Jährige, so befand im Frühjahr das Nachrichtenmagazin ‚Spiegel‘, sei „in sei-ner Radikalität ein Star der Szene“. Ei-ner, der „die Sache bis zum bitteren Ende durchdacht hat“, einer, der „in seiner Ana-lyse gnadenlos“ sei.

Auf den ersten Blick könnte man Niko Paech für einen Fatalisten halten. Denn für die globalen Konsumgesellschaften heu-tiger Ausprägung sieht er auf Dauer kei-ne Perspektive. Und nicht nur das, für ihn ist das Wirtschaftssystem bereits „im frei-en Fall“, ein Kollaps der Weltökonomie steht seiner Ansicht nach unmittelbar be-vor. „Die Finanzkrise”, sagt Paech, „war kein Betriebsunfall.“ Sie sei eine Folge des ständigen Wachstumszwangs. Und deswe-gen komme sie wieder. Die Frage sei nur, wie – ob „by design or by disaster”.

Dennoch: Paech ist kein Schwarzma-ler, kein Pessimist, keiner, der verbissen oder unzufrieden wirkt. Er spielte einst Sa-xophon in zwei Bands und ist auch sonst ein durchaus geselliger Mensch. Wer ihm unbefangen zuhört, erkennt die Chan-

Es gibt keine per se nachhaltigen Produkte, sondern nur nachhaltige Lebensstile.“

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gel eben. „Da ist dann auch Sensationslust dabei“, sagt Paech. Aber auch diesen Zu-hörern stellt er sich gerne, da hat er kei-ne Berührungsängste. Zumal er gerne re-det – aber das muss man wohl, wenn man so markante Thesen vertritt.

Nur eine Gruppe zeige sich bislang wenig an seinen Thesen interessiert, sagt der Öko-nom: die Politik. Selbst die Grünen stünden solch grundsätzlichen Fragen sehr distanziert gegenüber – das Thema sei eben „nicht kom-patibel zum Politikbetrieb“, weil dieser nur kurzfristig orientiert sei. Die Politik setze bei Problemen mehr auf Angst-Reaktionen als auf die sachliche Analyse. In der Energie-politik zum Beispiel: Die Ölkrise befeuerte den Bau von Atomkraftwerken, wobei man die Risiken der Technik schlicht ignorierte. Heute sucht man sein Heil im Fracking und missachtet erneut die Gefahren.

Klar, von nachhaltiger Wirtschaft reden sie alle, jeder Politiker und jede Firma; selbst die in Umweltdingen rücksichts-losesten Konzerne drucken heute auf Hochglanzpapier Nachhaltigkeitsberichte. Und so ist die Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln auch eines von Paechs Lieblingsthemen. Wobei er keiner ist, der – was andere oft wohlfeil tun – nur die großen Firmen kritisiert. Er nimmt je-den Einzelnen in die Pfl icht, kritisiert auch jene, die zwar einerseits eine ökologische Wirtschaft fordern, zugleich aber ständig im Flieger unterwegs sind und am Ende

„ihr Gewissen mit dem Konsum von Bio-nade beruhigen“.

Solche Sätze sind es, die dem Professor die Zuhörer zutreiben: Der Mann spricht einfach Klartext. Und was ihn als Redner so interessant macht, ist auch seine Kon-sequenz: Er fl iegt grundsätzlich nicht, hat kein Auto und kein Handy.

So brachial seine Thesen und kompro-misslosen Analysen mitunter erscheinen, so sachlich trägt er sie vor in seinem sanften norddeutschen Dialekt, wie man ihn dort spricht, wo Westfalen und Niedersachsen aneinander grenzen.

Und so kommen auch die Verfechter der Energiewende bei ihm nicht ungeschoren

davon. Zumindest jene nicht, die an eine ökologische Zukunft alleine durch „grünes Wachstum“ glauben: „Wirtschaftswachs-tum, ganz gleich in welcher Farbe, ist nie-mals ohne weiteren Ressourcenverbrauch zu haben.“ Damit sei ständiges Wirt-schaftswachstum ein Problem an sich.

Entsprechend hält er die Vorstellung für abwegig, umweltgerechtes Wirtschaften sei ohne gesellschaftlichen Wandel möglich:

„Es gibt keine per se nachhaltigen Produkte , sondern nur nachhaltige Lebensstile.” Dies gehe zwingend mit weniger Konsum einher. Für die Energiepolitik heiße das: Erneuer-bare Energien müssen genutzt werden, wo immer sinnvoll möglich und ökologisch vertretbar. Aber der Energieverbrauch der Volkswirtschaft müsse zugleich massiv ge-senkt werden.

Als interdisziplinärer Denker erkennt Paech aber nicht nur die ökologischen Grenzen des Wachstums, sondern auch die sozialen. „Unsere Gesellschaft steuert auf psychische Grenzen zu“, sagt er, „wir leiden an einer Konsumverstopfung.“ Der Mensch könne all das, was ihn an Angebo-

ten umgibt, längst nicht mehr verarbeiten – deswegen gebe es immer mehr Fälle von „burn out“.

Der Verbrauch von Antidepressiva habe sich in manchen Großstädten in den ver-gangenen zehn Jahren glatt verdoppelt – interessanterweise im Gleichschritt mit zu-nehmendem Konsum, zunehmender Infor-mationstechnik, zunehmender Mobilität. All jene Dinge, die für gesellschaftlichen Wohlstand und Glück stehen, führen im-mer häufi ger zu Depressionen, so Paechs Folgerung. Sein Fazit: „Wir leben in einer Welt, in der mehr Geld nicht mehr Glück bedeutet.“ Er sieht zwei Aspekte, die für den ökologischen Wandel sprechen: Eine bessere Umwelt für alle und weniger Stress für den Einzelnen.

Wer dem Oldenburger Ökonom bis an diesen Punkt gefolgt ist, beginnt zu be-greifen, warum er sich nicht als Pessimist

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Unsere Gesellschaft steuert auf psychische Grenzen zu.“

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Also propagiert er die Suffi zienz – nicht im Sinne von Verzicht, sondern im Sinne von Selbstschutz. Wissenschaftler sprechen von Resilienz. Das heißt: Man organisiert sein Leben auf eine Weise, die es wider-standsfähiger macht, etwa gegenüber Krisen des Wirtschafts- und Finanzsystems. Wer

ein Leben führt, das auf einen boomenden Welthandel und ständiges Wirtschaftswachs-tum angewiesen ist, der ist extrem verwund-bar. In Zeiten, in denen das Bauchgefühl sagt, dass der von billigem Geld gedop-ten Weltwirtschaft erhebliche Turbulen-zen bevorstehen, wird das nachvollziehbar.

versteht – trotz seiner Überzeugung, dass ökonomische Turbulenzen bevorstehen. Ein Stück weit, so seine These, könne je-der Bürger sein Leben besser gestalten, in-dem er sich von überflüssigem Konsum befreie. „Das Leben entrümpeln“ nennt Paech das.

Paech vertritt provokante Thesen: „Die Finanzkrise war kein Betriebsunfall, sondern eine Folge des ständigen Wachstumszwangs.“

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Vor allem mit dem ständig wachsenden Flugverkehr – nicht nur ökologisch ein großes Problem, sondern auch längst Sy-nonym einer rastlosen, überforderten Ge-sellschaft – geht Paech immer wieder hart ins Gericht. Und setzt stattdessen auf mehr Sesshaftigkeit, auf eine regionalere Wirt-schaft, auf Entschleunigung auch beim Konsum: Wer Produkte länger nutzt, spart Geld und reduziert den Verbrauch von Ressourcen. So fordert er konsequent eine

„Reparaturrevolution“. Weil man dann weniger Geld braucht,

könne man die Erwerbsarbeit reduzie-ren und damit seine eigenen körperlichen Ressourcen schonen, statt sie auszubeuten. Somit sinkt die psychische Belastung der Menschen und eine neue Art von Wohl-stand entsteht. Für Paech gehen damit öko-logisch verträgliches Handeln und persön-liches Wohlbefinden Hand in Hand. Er selbst lebt dieses Prinzip konsequent, bastelt in seiner Freizeit an Fahrrädern und hat in Oldenburg ein „Reparaturcafé“ gegründet.

Doch wie kommt man zu solchen radi-kalen Erkenntnissen? Paech erzählt von sei-ner Kindheit: Sein Vater, ein leidenschaft-licher Angler, erklärte ihm in den frühen siebziger Jahren, wie die Industrie die Bä-che vergiftete. Den jungen Niko, damals gerade zehn Jahre alt, hat das sehr bewegt.

Und dann brach die Umweltzerstö-rung noch heftiger auf seine Lebenswelt

ein. Nahe seines Elternhauses wurden die Autobahnen 30 und 31 gebaut – sie kreuzen sich in seiner Heimatgemein-de Schüttorf in Niedersachsen. In Sicht-weite wurde im niederländischen Al-melo eine Urananreicherungsanlage ge-baut, auf deutscher Seite in Lingen eine Brennelementefabrik. Neben dem Atom-kraftwerk Lingen zog man bald noch den Reaktor Emsland hoch. Vielleicht kann man als Kind, wenn die Heimat an allen Ecken verschandelt wird, nicht anders, als ein kompromissloser Freund der Um-welt zu werden.

Was ihn früh interessierte, waren die großen Zusammenhänge. „Mir wurde klar, dass unsere Art zu wirtschaften an den Umweltproblemen schuld ist“, sagt Paech. Er las als Ju-gendlicher den Um-weltklassiker „Die Grenzen des Wachs-tums“, ebenso das Buch „Ein Planet wird geplündert“ von Herbert Gruhl, Mitbe-gründer der Grünen und später der ÖDP. Dann studierte er Volkswirtschaft – und wollte schon bald seine Abhängigkeit von der Globalökonomie reduzieren.

Die Transition-Town-Bewegung ist ein Modell im Paechschen Sinne: Gemeinden oder Regionen reduzieren ihren Verbrauch an fossilen Energieträgern, sie stärken ihre

regionale Wirtschaft, bauen die örtliche Nahrungsmittelproduktion und lokale Ener- giegewinnung aus. Sie leben von dem, was ihnen ihre Heimat bietet und machen sich auf diese Weise ein Stück weit krisenfest.

Auch kreative Einzelprojekte wurden schon von Anhängern der Postwachstums-idee lanciert. Die Kampagne „Zeit statt Zeug” ist so eines. Sie wirbt dafür, einen Waldspaziergang anstelle eines Parfüms zu verschenken, einen Zoobesuch statt eines Kuscheltiers, einen Kochabend an-stelle eines Kochbuchs. Motto: „Den gu-ten Freunden schenken wir Zeit, der Welt weniger Verbrauch.“

Wenn es ein Indiz gibt, dass an den Ideen des Oldenburger Ökonoms etwas

dran sein muss, dann dieses: Er passt in kei-ne Schublade. Das macht Kritiker manch-mal hilflos, weil man mit Schlagworten so schön diskreditieren kann. Konservative haben ihn als Linken bezeichnet, Linke als Erzkonservativen. In Wahrheit ist er keines von beidem. Er ist schlicht jemand, der die Augen nicht verschließen will vor dem, was er als ökonomische und ökologische Reali-tät erkennt.

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Wir leben in einer Welt, in der mehr Geld nicht mehr Glück bedeutet.“

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