weniger emissionen mit dlc-beschichtung

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Die jährlich steigende Automobilproduktion und der auf den Herstellern lastende Druck, die Fahrzeugemissionen zu verringern, erfordern innovative Verfahren zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs. Die PSA-Gruppe hat mit Bekaert ein gemeinschaftliches Testprogramm eingerichtet, das die Auswirkungen von amorphen, diamantähnlichen Kohlenstoff- Beschichtungen (Diamond-like Carbon; DLC) auf das Reibungsverhalten ausgewählter Bauteile des Ventiltriebs eines Serienmotors ermitteln soll. Weniger Emissionen mit DLC-Beschichtung Reibverhalten im Ventiltrieb 1 Einführung Die Europäische Union ist die größte fahrzeugproduzierende Region der Welt. Im Jahr 2007 wurden hier mehr als 17 Millionen Personenkraftwagen (Pkw), das sind 32 % des weltweiten Pkw-Mark- tes, hergestellt. Angesichts des Wachs- tums der Weltbevölkerung wird sich die Anzahl der Fahrzeuge auf den Straßen jedes Jahr so lange weiter erhöhen, bis ein geeignetes alternatives Transportmit- tel gefunden ist. Da eine derartige Opti- on aber sicher noch viele Jahre auf sich warten lassen wird, kann davon ausge- gangen werden, dass die Nachfrage nach Pkw mit konventionellen Verbrennungs- motoren weiter ansteigt. Vor dem Hintergrund dieser unver- meidlichen Entwicklung hat die Europäi- sche Kommission ein Programm zur Ver- ENTWICKLUNG MTZ 03I2009 Jahrgang 70 238 Reibung

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Page 1: Weniger Emissionen mit DLC-Beschichtung

Die jährlich steigende Automobilproduktion und der auf den Herstellern lastende Druck, die Fahrzeugemissionen zu verringern, erfordern innovative Verfahren zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs. Die PSA-Gruppe hat mit Bekaert ein gemeinschaftliches Testprogramm eingerichtet, das die Auswirkungen von amorphen, diamantähnlichen Kohlenstoff-Beschichtungen (Diamond-like Carbon; DLC) auf das Reibungsverhalten ausgewählter Bauteile des Ventiltriebs eines Serienmotors ermitteln soll.

Weniger Emissionen mit

DLC-Beschichtung

Reibverhalten im Ventiltrieb

1 Einführung

Die Europäische Union ist die größte fahrzeugproduzierende Region der Welt. Im Jahr 2007 wurden hier mehr als 17 Millionen Personenkraftwagen (Pkw), das sind 32 % des weltweiten Pkw-Mark-

tes, hergestellt. Angesichts des Wachs-tums der Weltbevölkerung wird sich die Anzahl der Fahrzeuge auf den Straßen jedes Jahr so lange weiter erhöhen, bis ein geeignetes alternatives Transportmit-tel gefunden ist. Da eine derartige Opti-on aber sicher noch viele Jahre auf sich

warten lassen wird, kann davon ausge-gangen werden, dass die Nachfrage nach Pkw mit konventionellen Verbrennungs-motoren weiter ansteigt.

Vor dem Hintergrund dieser unver-meidlichen Entwicklung hat die Europäi-sche Kommission ein Programm zur Ver-

ENTWICKLUNG

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Reibung

Page 2: Weniger Emissionen mit DLC-Beschichtung

Der Autor

Mark Bogheist Product Market

Manager Automotive,

Racing weltweit

bei Bekaert in Zulte

(Belgien).

ringerung des Kohlenstoffdioxid (CO2)-Ausstoßes von Kraftfahrzeugen erarbei-tet, das für Motorhersteller verbindlich ist. Die Nichteinhaltung dieser Emissi-onsgrenzwerte wird in Zukunft mit Buß-geldern geahndet. Zur Vermeidung der-artiger finanzieller Einbußen arbeiten die Hersteller fieberhaft daran, den Kraft-stoffverbrauch ihrer Fahrzeuge weiter zu senken.

Im Jahr 2007 erhöhte sich der welt-weite Pkw-Absatz der Peugeot-Citroën (PSA)-Gruppe auf 2,99 Millionen Ein-heiten. Davon entfiel fast die Hälfte auf den europäischen Markt. Für 2008 wird von einem weiteren Anstieg um 5 % aus-gegangen. Obwohl sich zum jetzigen Zeitpunkt die weltweite Produktion von Kraftfahrzeugen verlangsamt hat, wird bis 2013 immer noch eine jährliche Pro-duktionssteigerung von mehr als 3 % er-wartet. Die PSA-Gruppe geht davon aus, im Jahr 2010 weltweit mehr als vier Mil-lionen Einheiten zu verkaufen. Ange-sichts dieser Größenordnungen stellt die Nichteinhaltung der strengen CO2-Emissionswerte der Europäischen Ge-meinschaft aufgrund der beträchtlichen Bußgelder keine Option dar. Die Geld-strafen würden zudem schrittweise an-steigen. Obgleich vorgeschlagen wurde, die Bußgelder nicht vor 2015 anzuwen-den, treten die bereits vereinbarten Emissionsgrenzwerte von 130 g/km be-reits 2012 in Kraft. Ab 2015 betragen die Geldstrafen für Emissionen, die diese vereinbarten Werte überschreiten, je-doch schon 95 Euro pro Gramm pro Fahrzeug (Vorschlag der Europäischen Kommission zur Senkung der CO2-Emis-sionen von Personenkraftwagen, Sep-tember 2008).

Neben den potenziellen finanziellen Auswirkungen auf den Markt ist festzu-stellen, dass sich die fahrzeugkaufende Öffentlichkeit schnell zu einer sehr in-formierten Gruppe entwickelt hat. Soll-ten also bestimmte Hersteller die vom Käufer selbst gestellten Erwartungen an den Umweltschutz nicht erfüllen, läuft dieses Unternehmen Gefahr, diesen äu-ßerst wichtigen Kunden zu verlieren. Allerdings ist die PSA-Gruppe sehr gut aufgestellt, da sie nun schon das zweite Jahr in Folge eine Million Fahrzeuge mit einem CO2-Ausstoß von weniger als 140 g/km und 750.000 Fahrzeuge mit einem CO2-Ausstoß von unter 130 g/km

verkauft hat. Bei mehr als 200.000 Fahr-zeugen betrug der CO2-Ausstoß sogar weniger als 110 g/km (hierbei handelt es sich im Wesentlichen um den Citroën C1 und den Peugeot 107). Das sind im-merhin 55,7 % des Marktes dieser Fahr-zeugklasse in Europa.

2 Testen von Komponenten

In diesem Zusammenhang ist die PSA-Gruppe auf die Fortschritte aufmerk-sam geworden, die das Unternehmen Bekaert, das seit vielen Jahren auf die-sem Gebiet tätig ist, bei der Beschich-tung von Motorbauteilen erzielt hat. Daher haben beide Unternehmen vor zwei Jahren ein gemeinschaftliches Test-programm eingerichtet, das die Auswir-kungen von DLC-Beschichtungen auf das Reibungsverhalten ausgewählter Bauteile des Ventiltriebs eines Serienmo-tors ermitteln sollte. Zu diesem Zweck wurden bestimmte Komponenten des Ventiltriebs mit „Dylyn Plus“, einem Mitglied der DLC-Produktfamilie von Be-kaert, beschichtet.

„Dylyn Plus“ wurde speziell für die Massenproduktion in der Automobilin-dustrie entwickelt. Die Mehrzahl der Ei-genschaften dieses Produkts lässt sich präzise an die Anforderungen des jewei-ligen Kunden anpassen.

Bei dem Testmotor, einem Vierzylin-der-Ottomotor mit 1,6 l Hubraum aus der aktuellen Modellreihe von PSA, hat Bekaert einige Bauteile des Ventiltriebs mit „Dylyn Plus“ beschichtet. Die Tests wurden auf einem elektrischen Prüf-stand über einen breiten Temperaturbe-reich (20 °C bis 120 °C) mit dem Ziel ausgeführt, das Verhalten unter unter-schiedlichen Bedingungen zu untersu-chen und die gefundenen Ergebnisse zu quantifizieren.

Der erste Test erfolgte an einem Mo-tor mit hydraulischen Ventilstößeln. Dem schloss sich im Jahr 2008 ein ähn-licher Versuch mit mechanischen Stö-ßeln an.

Bei dem Test mit den hydraulischen Ventilstößeln bezeichnet H3 die Stößel mit beschichteter Oberseite, während die Nockenwelle, auf der sie entlang glei-ten, tribologisch behandelt war.

Bei dem Testmotor mit mechani-schen Ventilstößeln bezeichnet M1 ei-

nen als Referenzbauteil verwendeten unbeschichteten Stößel, während die als M2 bezeichneten Stößel auf der Oberseite DLC-beschichtet waren und auf einer tribologisch behandelten No-ckenwelle entlang glitten. Alle Tests wurden bei unterschiedlichen kontrol-lierten Motortemperaturen durchge-führt. Die Ergebnisse wurden bei 20 °C, 50 °C, 80 °C und 120 °C gemessen, wo-bei 20 °C als normale Starttemperatur und 80 °C bis 120 °C als normale Be-triebstemperatur eines Motors angese-hen wurden.

3 Testauswertung und Anmerkungen

In Bild 1 repräsentiert der rote Balken (M1) einen normalen mechanischen Stö-ßel in einem aktuell verwendeten Motor und der blaue Balken (M2) ein System mit beschichteten Stößeln. M1 ist ein unbeschichteter und unveränderter me-chanischer Ventilstößel, M2 der gleiche mechanische Stößel, der aber auf der Oberseite mit einer DLC-Beschichtung versehen ist und auf einer tribologisch

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behandelten Nockenwelle entlang glei-tet. So wird zum Beispiel bei 20 °C und 700/min (x-Achse) für den Antrieb des Ventiltriebs für M1 ein Drehmoment (y-Achse) von 4,63 Nm und für M2 ein Drehmoment von 3,5 Nm benötigt. Das zeigt einen deutlichen Unterschied zwi-schen dem normalen System und dem potenziellen mit beschichteten Ventil-stößeln ausgestatteten System auf. Bei 700/min sinkt das für den Antrieb des Systems benötigte Drehmoment von 4,6 Nm auf 3,5 Nm, was eine Erhöhung des Wirkungsgrades des Motors um 24 % bedeutet, Bild 2.

Daher kann gesagt werden, dass man im niedrigen Drehzahlbereich die benö-tigte Energie (das heißt die Reibungsver-luste) um etwa 24 % senken könnte, wo-bei allerdings zu beachten ist, dass sich die vorteilhaften Auswirkungen bei die-ser Temperatur mit steigender Drehzahl abschwächen. Dieses Verhalten ist bei allen getesteten Temperaturen iden-tisch. In niedrigen Drehzahlbereichen befindet sich das tribologische System noch nicht in einem vollständig hydro-

dynamischen Zustand, sodass hier die Auswirkungen der Beschichtung auf-grund der höheren Reibung eine größe-re Rolle spielen. Daher ist die Energie-einsparung im unteren Drehzahlbe-reich, wenn der Ölfilm noch dickflüssig ist, am größten.

Wenn man die Ergebnisse bei 700/min und bei 50 °C und darüber betrachtet, so gewinnt man eine Vorstellung vom Leis-tungsverhalten des Systems bei einem Warmstart des Motors. Hier bestätigt sich ebenfalls, dass unter diesen Aus-gangsbedingungen keine negativen Aus-

Bild 2: Reibungsreduzierung bei unterschiedlichen Temperaturen für mechanische Ventilstößel

Bild 1: Testergebnisse

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Reibung

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wirkungen auf den Ventiltrieb zu ver-zeichnen sind.

In der Tat ist dieser Gewinn bei hö-heren Temperaturen noch stärker ausge-prägt. Das liegt daran, dass das Öl bei 20 °C noch eine sehr hohe Viskosität auf-weist, diese jedoch mit der weiteren Er-wärmung des Motors nachlässt. Bei 20 °C besitzt das Öl einen größeren Fließwider-stand (hohe Viskosität). Das erklärt, war-um bei dieser Temperatur über den ge-samten Drehzahlbereich eine gute Schmierung beobachtet wurde. Es gibt zwar Auswirkungen auf die Beschich-tung, doch trotzdem enthält die Umge-bung recht zähflüssiges Öl. Diese Viskosi-tät sorgt dafür, dass zwischen den Teilen ein Ölfilm vorhanden ist. Bei 120 °C ist jedoch zu erkennen, dass bei 700/min der Wert für M1 von 5,67 Nm auf 3,68 Nm abfällt. Das bedeutet eine Ver-ringerung des benötigten Drehmoments um etwa 33 % (bei einer normalen Be-triebstemperatur des Motors von 120 °C) verglichen mit nur 24 % bei niedriger Temperatur. Dieser Unterschied ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das Öl bei der höheren Temperatur dünn-flüssiger wird.

Der prozentuale Gewinn der Reduzie-rung des erforderlichen Drehmoments wurde in Bild 2 dargestellt. Hier zeigt der rote Balken für mechanische Stößel bei allen geprüften Temperaturen und allen Motordrehzahlen den größten Gewinn an. Diese Grafik berücksichtigt die ver-ringerte Reibung und stellt diese als Er-höhung des Drehmoment-Wirkungs-grades (das heißt als Reduzierung des tatsächlich benötigten Drehmoments) dar. Daher ist die Erhöhung bei nied-rigen Drehzahlen insgesamt bedeu-tender beziehungsweise deutlicher aus-geprägt als bei hohen Drehzahlen.

Bei einem Vergleich der höheren Tem-peraturen ist der Gewinn für den Motor ebenfalls wichtiger, doch bei niedrigen Drehzahlen und niedrigen Temperaturen ist er auch nicht unwesentlich. Da die meisten Stadtfahrten selten lange dauern, wird meistens im niedrigen Drehzahlbe-reich und nur über kurze Strecken ge-fahren. In dieser Zeit tritt im Motor die größte Reibung auf. Nach dem Starten des Motors beträgt der Gewinn beim Er-reichen der Arbeitstemperatur des Motors bei niedrigen Drehzahlen, die im Leerlauf 700/min beträgt, sofort 20 %. Im norma-

len Betriebstemperaturbereich liegt der Gewinn dann sogar bei über 30 %. Das heißt, dass im typischen Stadtverkehr, bei dem die Fahrer 3000/min nicht über-schreiten (die Drehzahl im Stadtverkehr liegt typischerweise im Bereich von 700/min und 2800/min), eine Reduzierung der Reibungsverluste in Höhe von 25 % bis 35 % erwartet werden kann.

4 Testzusammenfassung

PSA schätzt, dass diese Ergebnisse eine Verringerung des Kraftstoffverbrauchs im Bereich von 1 % bis 2 % des Gesamt-verbrauchs bedeuten. Das klingt viel-leicht nicht nach viel, bringt jedoch für einen Kleinmotor eine Einsparung von ungefähr 2 g/km bis 3 g/km CO2, was wie-derum nicht unerheblich ist.

Wenn man diese Einsparung mit der Anzahl der Fahrzeuge auf den Straßen multipliziert, erscheint das Testergebnis in einem ganz anderen Licht. Ein wei-terer Faktor, der in dieser Gleichung ei-ne wichtige Rolle spielt, sind die von der Europäischen Kommission für Fahr-zeuge festgelegten Emissionsgrenz-werte. Da ab 2015 für jedes Gramm CO2 über dem Grenzwert ein Bußgeld von 95 Euro fällig wird, zählt dann wirklich jedes Gramm.

Bild 3 zeigt, dass sowohl bei den unbe-schichteten mechanischen als auch bei den unbeschichteten hydraulischen Ven-tilstößeln ein höheres Drehmoment für den Antrieb der Nockenwelle erforder-lich ist als bei den beschichteten Stößeln.

Diese Kurve repräsentiert die Ergebnisse für einen Motor bei normaler Betriebs-temperatur (120 °C) und die in den ein-zelnen Fällen geringeren Drehmoment-werte über den gesamten Drehzahlbe-reich des Tests.

5 Schlussfolgerung

Auf dem Markt deutet alles darauf hin, dass die Vorteile von DLC-beschichteten Ventiltrieben vor allem bei Fahrzeugen mit kleineren Ottomotoren zum Tragen kommen, da zumindest bei Kleinwagen der Trend in Richtung Ottomotor und nicht zum Dieselmotor geht. Der Grund für diese Entwicklung liegt an den für einen Dieselmotor benötigten Partikelfil-tern und an der Emission von Stickoxi-den. Das wird die weitere Entwicklung kleinmotoriger Dieselfahrzeuge eher hemmen, vor allem da dies die Gesamt-kosten dieser Motoren wesentlich erhöht. Mehrere Motorenhersteller entwickeln für ihre Stadtautos sogar schon Dreizy-linder-Ottomotoren.

Was das Gemeinschaftsprojekt zwi-schen Bekaert und PSA anbelangt, so könnte man davon ausgehen, dass die DLC-Beschichtung bereits ab 2011 bei den Ventiltrieben zum Einsatz kommt.

Bild 3: Zusammenfassendes Diagramm

Download des Beitrags unter

www.MTZ-online.de

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