weitere beiträge zur frage der hypnosefähigkeit

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Weitere Beitr~ge zur Frage der Hypnosefiihigkeit. Von Dr. J. Haupt. (Aus der Heilstatte ,,Waldfrieden" fiir Alkoholkranke, Fiirstenwalde/Spree b. Berlin [Direktor: Sanit~tsrat Dr. Richstein].) (Eingegangen am 13. Januar 1924.) In einer friiheren Arbeit 1) konnte ich einen Fall yon WechseI zwischen Hypnosefahigkeit und -unf~higkeit mitteilen. Inzwischen habe ich diese interessante und fiir die hypnotisch-suggestive Behandlung bedeutungsvolle Erscheinung nochmals beobachten k6nnen. In diesem zweiten Falle hatte vorher ein anderer Arzt versucht, Hypnose herbei- zufiihren, doch vergeblich. Er hatte deshalb den Kranken fiir ungeeignet zur Itypnose erkl~rt; dieser glaubte infolgedessen, auch meine Be- miihungen wiirden erfolglos sein; es trat aber doch (tiefe) Hypnose ein, -- jedesmal wahrend meiner mehrw6chigen Behandlung. Auch 1 Jahr spgter gelang es dem Kranken bei der ersten Hypnotisation wieder, in tiefe Hypnose zu kommen, aber am n~,chsten Tage war er nicht mehr imstande, den hypnotischen Zustand in sich entstehen zu lassen, zu seiner eigenen gr613ten Verwunderung, denn er war natiirlich vom Ge- lingen auch dieser Hypnotisation iiberzeugt gewesen. Auch weiterhin blieb der hypnotische Zustand aus. Solche Falle wechselnder Hypnose- fithigkeit lehren, daft das Gelingen der ttypnotisation nicht vom Hyp- notisator abh~ngt, von seiner Eignung, F~thigkeit, Ubung und Er- fahrung, sondern einzig von der Hypnosefs der Versuchsperson. Meine experimentellen Untersuchungen mittels kiinstlich hervorgerufener Hypnose-Unfs ~) stiitzen diese Auffassung. Beim Fehlen yon Hypnosef~higkeit miissen alle Bemiihungen scheitern, so daft es zweck- los erscheint, sie lange fortzusetzen; tritt die ttypnose nicht in den ersten Minuten ein ~ diese Effahrung macht man immer wieder --, dann tritt sie zur Zeit iiberhaupt nicht ein. Ober diese Verhaltnisse solltc man vor einer beabsichtigten Hypnosuggestiv-Behandlung aufkl~ren; man sollte dem Kranken sagen, dal3 es ihm vielleicht nicht mSglich sein werde, in Hypnose zu kommen, da manche Menschen nicht hypnosef~hig w~ren, -- wenigstens nicht zur Zeit der versuchten Hypnotisation, deren ~) Jg. 1923, H. 1/2.

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Weitere Beitr~ge zur Frage der Hypnosefiihigkeit. Von

Dr. J. Haupt.

(Aus der Heilstatte ,,Waldfrieden" fiir Alkoholkranke, Fiirstenwalde/Spree b. Berlin [Direktor: Sanit~tsrat Dr. Richstein].)

(Eingegangen am 13. Januar 1924.)

In einer friiheren Arbeit 1) konnte ich einen Fall yon WechseI zwischen Hypnosefahigkeit und -unf~higkeit mitteilen. Inzwischen habe ich diese interessante und fiir die hypnotisch-suggestive Behandlung bedeutungsvolle Erscheinung nochmals beobachten k6nnen. In diesem zweiten Falle hatte vorher ein anderer Arzt versucht, Hypnose herbei- zufiihren, doch vergeblich. Er hatte deshalb den Kranken fiir ungeeignet zur Itypnose erkl~rt; dieser glaubte infolgedessen, auch meine Be- miihungen wiirden erfolglos sein; es trat aber doch (tiefe) Hypnose ein, - - jedesmal wahrend meiner mehrw6chigen Behandlung. Auch 1 Jahr spgter gelang es dem Kranken bei der ersten Hypnotisation wieder, in tiefe Hypnose zu kommen, aber am n~,chsten Tage war er nicht mehr imstande, den hypnotischen Zustand in sich entstehen zu lassen, zu seiner eigenen gr613ten Verwunderung, denn er war natiirlich vom Ge- lingen auch dieser Hypnotisation iiberzeugt gewesen. Auch weiterhin blieb der hypnotische Zustand aus. Solche Falle wechselnder Hypnose- fithigkeit lehren, daft das Gelingen der t typnotisation nicht vom Hyp- notisator abh~ngt, von seiner Eignung, F~thigkeit, Ubung und Er- fahrung, sondern einzig von der Hypnosefs der Versuchsperson. Meine experimentellen Untersuchungen mittels kiinstlich hervorgerufener Hypnose-Unfs ~) stiitzen diese Auffassung. Beim Fehlen yon Hypnosef~higkeit miissen alle Bemiihungen scheitern, so daft es zweck- los erscheint, sie lange fortzusetzen; tr i t t die ttypnose nicht in den ersten Minuten ein ~ diese Effahrung macht man immer wieder --, dann tr i t t sie zur Zeit iiberhaupt nicht ein. Ober diese Verhaltnisse solltc man vor einer beabsichtigten Hypnosuggestiv-Behandlung aufkl~ren; man sollte dem Kranken sagen, dal3 es ihm vielleicht nicht mSglich sein werde, in Hypnose zu kommen, da manche Menschen nicht hypnosef~hig w~ren, - - wenigstens nicht zur Zeit der versuchten Hypnotisation, deren

~) Jg. 1923, H. 1/2.

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MiI31ingen dann nicht Schuld des Hypnotisators ware. Eine solche Vorbereitung des Kranken erscheint vorteilhaft; unterbleibt sic oder wird gar der Eintritt yon I-Iypnose als wahrscheinlich hingestellt, so wirkt ein Mil~erfolg ungfinstig. Die Beffirchtung, dab eine solche Auf. klarung fiber die MSgliehkeit eines Mi~lingens der Hypnotisation die Entstehung von Hypnose verhindern k6nnte, ist unbegrfindet, denn die innere Einstellung des Kranken gegenfiber der ttypnose erweist sich als gleiehgfiltig ffir Eintritt oder Ausbleiben des hypnotischen Zustandes; das zeigen entspreehende Erfahrungen, wie sie jeder Hypnotisator maehen kann und wie ich sie auch aus meiner Beobaehtung mitteflen konnte; besonders zeigen das auch die Ergebnisse meiner experimen- tellen Untersuchungen fiber die Hypnosefahigkeit; von dieser h~ngt der Erfolg der Hypnotisation ab, nicht von Glauben oder Unglauben der Versuchsperson. Nach diesen Untersuehungen erseheint die An- sicht unzutreffend, dab bei Versagen der fiblichen Hypnotisations- mai~nahmen ein besonderes Vorgehen oder irgendwelche Hilfsmittel und Kunstgriffe noch Hypnose herbeiffihren k6nnten; ferner lassen diese Untersuchungen die Annahme als unrichtig erscheinen, dal~ ein suggestives Milieu, eine suggestive Atmosphere Einflui3 auf das Ge- lingen der Hypnotisation haben k6nnte, - - eine Vorstellung, der auch sonstige Erfahrungen widerspreehen, wie sie jeder Hypnotisator maeht: wie viele Menschen k5nnen nicht in Hypnose kommen trotz der Kennt- nis, dal3 in dem betreffenden Raume, yon dem betreffenden Arzt sehon viele Menschen ,,in Hypnose versetzt worden" sind. Die Untersuehungeu und sonstigen Erfahrungen fiber Hypnosef~higkeit zeigen, dal3 die Anzahl der gelungenen Hypnotisationen keinen Rticksehlu~ auf die F~higkeit des Hypnotisators gestattet; die wechselnde Hypnosef~higkeit insbe- sondere zeigt, dai3 Hypnotisierbarkeits-Statistiken lediglieh besagen, wieviel Personen zur Zeit der versuchten Hypnotisation hypnosef~hig waren.

Die gleiehsam automatische Entwicklung des hypnotisehen Zu- standes, ohne die fiblichen Mal3nahmen der Hypnotisation, einfach auf die Wunsch~uBerung des ttypnotisators hin, dal3 wieder Hypnose eintreten solle (und wenn er diesen Wunsch auch nur zu erkennen gibt dureh sein Erseheinen zur vereinbarten Zeit zum Zweeke der Hypnoti- sation), dieser selbstt~tige Eintritt yon Hypnose kann nach meinen Erfahrungen bereits vom zweiten Male an stattfinden und zwar bei beiden Hypnosearten, bei tiefer sowohl wie bei oberfl~chlicher. Diese Erscheinung zeigt, eine wie gro~e Rolle die psychisehe Abhi~ngigkeit vom ttypnotisator spielt, ja da{~ dieses Abhangigkeitsverh~ltnis woht das Wesentlichste bei der Hypnose ist. Infolge dieses selbstt~tigeu Eintrittes sp~terer Hypnosen glaubten mehrere meiner Versuchsper- sonen bestimmt, sehlie~lich auch unabh~ngig von mir in hypnotiseheu

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Zustand kommen zu kSnnen; trotz aller Bemiihungen gelang es ihnen jedoeh nicht.

Ebensowenig wie es in der Maeht des Hypnotisators liegt, jeden Men- schen jederzeit in Hypnose kommen zu lassen, ebensowenig kann er bei etwa eintretender Hypnose ihre Art naeh Belieben bestimmen, also sie obeffli~chlich oder tier sein lassen. (Ubrigens ist der einzelne immer nur zu einer dieser beiden Hypnosearten f~hig, entweder dauernd nur zu oberfliichlicher oder dauernd nur zu tiefer.)

Durch posthypnotische Suggestion in tiefer Hypnose (nur da verwirk- licht sie sich) l~l~t sich vorhandene Hypnosef~higkeit kiinstlich besei- tigen. Eine praktisch wertvolle Ausnutzung dieser MSglichkeit hat sich mir als brauchbar erwiesen. Um zu verhiiten, dab hypnosef&hige Kranke sieh Laienhypnotiseuren zur Verfiigung stellen, pflege ieh ihnen zu suggerieren (falls tiefe Hypnose vorliegt), sie wiirden immer nur dann in hypnotischen Zustand kommen, wenn sie sieh in die Behandlung eines Arztes begeben wiirden, nie aber bei den Hypnotisationsversuchen eines Nichtarztes. Ein Kranker, dem ieh auch diese posthypnotische Suggestion erteilt hatte, der aber infolge Erinnerungslosigkeit fiir die Vorg~nge w~hrend seiner Hypnosen nichts yon dieser Schutzsuggestion wul~te, berichtete mir sparer, daft er etwa 1 Jahr nach Beendigung seiner hypnotisch-suggestiven Behandlung eine Hypnotisation durch einen Laienhypnotiseur ,,von Beruf" bei sich habe versuchen lassen, - - trotz meiner ihm auBerhalb der Hypnose erteilten ausdriickliehen Warnung. Merkwiirdigerweise sei er aber damals nicht in hypnotischen Zustand gekommen, wi~hrend dies bei meiner Behandlung doeh stets der Fall gewesen sei -- und fibrigens bei einer spgteren Hypnotisation aueh wieder der Fall war. Dieses Versagen kSnnte ja freilieh dureh eine voriibergehende HypnoseunfiChigkeit bedingt gewesen sein, aber weir wahrscheinlieher ist doch die Annahme einer tats~chliehen Wirk- samkeit meiner posthypnotischen Schutzsuggestion; ihre Anwendung ist jedenfalls zu empfehlen.

Nachtrag bei der Korrektur: Selbstt~tig habe ich Hypnose (oberfl/ichliche und tiefe) auch noch nach langen Zwischenritumen eintreten sehen, sogar nach einem Jahre noch. - - Der Grad des inneren Kontaktes ist ohne Einflufl: trotz engster innerer Beziehungen (Angehiirige) kann die Hypnotisation erfolglos sein. Ebenso bedeutungslos ist erfahrungsgem/~fl der Ort (vertraute oder fremde Um- gebung) und die Tageszeit.