weg der legenden - der hl. briccius

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BRICCIUS – DIE LEGENDE DIE REISE ANNO DOMINI 914 IM WINTER Entschuldigen Sie die Störung, geehrter Briccius. Sie kamen damals von … Richtig, von Konstantinopel. In geheimer Mission. Ein gefährlicher Weg. Und wollten nach Dänemark? Ist leider schief gelaufen. Aber die Idee war genial. Sie meinen die Ampulle mit dem Blut Jesu, die Sie in der Wade versteckten? Ja, allen Verfolgern bin ich entkommen, selbst den Schergen des Kaisers, doch mit dem Unwetter hier habe ich nicht gerechnet. Andererseits … Ich verstehe – Sie sind froh, dass auf diese Weise Heiligenblut seinen Namen und seine Bedeutung erlangt hat. Ist sicher das Beste, Fügung gewissermaßen. Nun, Sie sind dabei ums Leben gekommen – das tut uns wiederum leid. Ist heute, nach über 1000 Jahren, keine Frage mehr. Jahr für Jahr pilgern seither die Menschen zu Ihrem Grab – bis heute, zu uns – nach Heiligenblut. Dennoch streitet man, ob man Sie heilig sprechen soll ... Was macht das aus? Heilig sind wir alle oder niemand. 1 Der »Heilige« Bricchius. Seitenflügel des Altars der Veronika in der Pfarrkirche St. Vinzenz Heiligenblut. Die Legende des »Heiligen« Briccius verweist ins Jahr 914. Gesicherte schriftliche Zeugnisse reichen ins frühe 17. Jahrhundert zurück. Berichtet wird von sittenlosen Zuständen am Hof zu Konstantinopel. Auch die Tochter des Kaisers zeigt sich entsetzt. Sie bittet Briccius, die heilige Reliquie mit dem Blut Christi mit sich zu nehmen – in dessen Heimat sei sie gewiss in besseren christlichen Händen. Doch Briccius verirrt sich in den Hohen Tauern. Er gerät ins Unwetter und kommt um. Im Frühjahr finden Bauern den Toten und erkennen in ihm einen Heiligen. Mit dem Heiligen Blut war auch der Name unseres Dorfes gefunden. The legend of ‘Saint’ Briccius is attributed to the year 914 AD, with records dating back to the early 17th century. The documents describe a wave of immorality at the Palace of Constantinople. The Emperor‘s daughter is appalled. She asks Briccius to take the sacred relic with the Blood of Christ to his homeland – certain that it will be in more worthy Christian hands. Yet Briccius loses his way in the Hohe Tauern. Caught in severe weather, he perishes in the cold. In the thaw of Spring, farmers find his body and recognise him as a saint. With the Holy Blood they also found the name of our village.

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Page 1: Weg der Legenden - der Hl. Briccius

BRICCIUS – DIE LEGENDE

DIE REISE ANNO DOMINI 914 IM WINTER

Entschuldigen Sie die Störung, geehrter Briccius. Sie kamen damals von …

Richtig, von Konstantinopel. In geheimer Mission. Ein gefährlicher Weg.

Und wollten nach Dänemark?

Ist leider schief gelaufen. Aber die Idee war genial.

Sie meinen die Ampulle mit dem Blut Jesu, die Sie in der Wade versteckten?

Ja, allen Verfolgern bin ich entkommen, selbst den Schergen des Kaisers,

doch mit dem Unwetter hier habe ich nicht gerechnet.

Andererseits …

Ich verstehe – Sie sind froh, dass auf diese Weise Heiligenblut seinen Namen

und seine Bedeutung erlangt hat. Ist sicher das Beste, Fügung gewissermaßen.

Nun, Sie sind dabei ums Leben gekommen – das tut uns wiederum leid.

Ist heute, nach über 1000 Jahren, keine Frage mehr.

Jahr für Jahr pilgern seither die Menschen zu Ihrem Grab – bis heute, zu uns – nach Heiligenblut. Dennoch streitet man, ob man Sie heilig sprechen soll ...

Was macht das aus? Heilig sind wir alle oder niemand.

1

Der »Heilige« Bricchius.

Seitenflügel des Altars der Veronika in der Pfarrkirche St. Vinzenz Heiligenblut.

Die Legende des »Heiligen« Briccius

verweist ins Jahr 914.

Gesicherte schriftliche Zeugnisse reichen ins frühe 17. Jahrhundert zurück.

Berichtet wird von sittenlosen Zuständen am Hof zu Konstantinopel.

Auch die Tochter des Kaisers zeigt sich entsetzt.

Sie bittet Briccius, die heilige Reliquie mit dem Blut Christi mit sich zu nehmen –

in dessen Heimat sei sie gewiss in besseren christlichen Händen.

Doch Briccius verirrt sich in den Hohen Tauern.

Er gerät ins Unwetter und kommt um.

Im Frühjahr finden Bauern den Toten und erkennen in ihm einen Heiligen.

Mit dem Heiligen Blut

war auch der Name unseres Dorfes gefunden.

The legend of ‘Saint’ Briccius is attributed to the year 914 AD,

with records dating back to the early 17th century.

The documents describe a wave of immorality at the Palace of Constantinople.

The Emperor‘s daughter is appalled.

She asks Briccius to take the sacred relic with the Blood of Christ

to his homeland – certain that it will be in more worthy Christian hands.

Yet Briccius loses his way in the Hohe Tauern.

Caught in severe weather, he perishes in the cold.

In the thaw of Spring, farmers find his body and recognise him as a saint.

With the Holy Blood

they also found the name of our village.

Page 2: Weg der Legenden - der Hl. Briccius

»BRICCIUS UND BRICCIUS«

In den Jahren 397 bis 444 n. Chr.

war der Heilige Briccius Bischof von Tours – Nachfolger des hl. Martin.

Er galt als Patron der Reisenden auf gefahrvollen Wegen.

Diese Aufgabe übernahm nun hierzulande »unser« Briccius.

Allerdings wurde Briccius von der Kirche niemals offiziell bestätigt.

Weder selig noch heilig

erreicht Briccius dennoch die Seele des Volkes.

Es ist durchaus denkbar, dass hinter der mittelalterlichen Legende des Briccius

ein weitaus älterer, heute vergessener Kult steht.

Die Ochsen wussten, welchen Platz es zu heiligen galt.

In the years from 397 to 444 AD,

it was the Bishop of Tours who was known as Saint Briccius – he was seen

as the patron saint of travellers on perilous paths.

This role was now fulfilled by ‘our’ Briccius.

Proclaimed neither blessed nor a saint,

he nevertheless reached the soul of the people.

It is certainly possible that behind the medieval legend of Briccius

is a far more ancient, forgotten myth.

The farmers’ oxen sensed the location of the hallowed ground.

BRICCIUS – DIE LEGENDE

DIE BAUERN ANNO DOMINI 914 IM FRÜHJAHR

Ihr wart dabei, als man ihn fand?

Wir waren unterwegs zur Arbeit … als einer rief: Schaut doch – drei Ähren im Schnee.

Sodann gruben wir. Und fanden den Toten. Niemand wagte etwas zu sagen, denn jedem war klar,

dass wir einen Heiligen gefunden hatten.

Seltsam – drei Ähren im Schnee.

Wir holten die geistlichen Herren und suchten nach jungen, noch ungelernten Ochsen.

»Ungelernte« Ochsen?

So war es Brauch. Sie kannten noch nicht die gewohnten Wege und liefen,

wie die Vorsehung sie leitete.

Und als sie sich weigerten, weiterzugehen …

war der rechte Ort für das Grab des Heiligen gefunden.

Die Ähren, die Ochsen, das Grab …

Es kam noch weitaus ärger – das Bein …

Das Bein …

Es streckte sich an den Tagen darauf aus dem Grab …

Bis Sie in der Wade die Ampulle mit dem Blut Christi fanden.

Nun zweifelte niemand mehr – der Heilige war Briccius.

Heute sind wir oft ratlos, wenn von solch seltsamen Dingen berichtet wird.

Die Menschheit lebt vom Geheimnis. Es sind die unerklärlichen Dinge, die uns froher machen

als alles Wissen.

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Symbole der Legende.

Die Reliquie mit dem Heiligen Blut Christi und das Symbol der Ähren.