vorbehandeln mit plasma bei atmosphärendruck

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JOT 6 | 2005 58 Entladungen und Plasma-Jets (Plasma- düsen). Während die Corona-Techno- logie seit langem in der Fertigung ein- gesetzt wird, sind Plasma-Jets erst seit einigen Jahren bei einer zunehmenden Zahl von Anwendungen zu finden. Eine Übersicht über die vorhandenen Technologien wurde kürzlich auf einer Tagung der Europäischen Forschungs- gemeinschaft Dünne Schichten (EFDS) in Dresden gegeben (siehe dazu auch JOT 1/2005, S. 48). Bei der Auswahl einer optimalen Vorbehandlung ist eine Reihe von Aspekten zu berücksichtigen. Dazu gehören insbesondere Kompatibilität (Integrierbarkeit) mit einem bestehen- den Produktionsprozess, Arbeits- und Umweltschutzaspekte sowie eine aus- reichende Langzeitbeständigkeit der Aktivierung. Zur Auswahl der richtigen Vorbehandlungsmethode stehen am Fraunhofer IFAM eine Vielzahl an Technologien zur Verfügung, um die optimale Lösung für den jeweiligen Anwendungsfall zu finden. Darunter mehrere Atmosphärendruck-Plasma- systeme unterschiedlicher Hersteller. Das Spektrum der verfügbaren Methoden und die langjährige Erfah- rung der Mitarbeiter am Fraunhofer IFAM erlauben die optimale Vorbe- handlungsmethode für einen Kunden zu finden und die Einführung bis zur Fertigung zu begleiten. Beispielhaft werden im Folgenden Ergebnisse zur Aktivierung von Kunststoffen durch einen Plasma-Jet vorgestellt. Plasma aus der Düse Zur Plasmavorbehandlung bei Atmosphärendruck wurde eine Anlage des Unternehmens Plasmatreat GmbH (Steinhagen) eingesetzt. Das Plasma wird bei diesem System innerhalb einer Düse durch speziell gestaltete Elektroden erzeugt. Das System kann mit Druckluft betrieben werden und Z um Vorbehandeln von Kunststof- fen und Metallen steht eine Viel- zahl von Methoden zur Verfügung. Nach der Art der Aktivierungswirkung können sie in mechanische, physikali- sche und chemische Vorbehandlungs- verfahren unterteilt werden. Die zu den physikalischen Methoden gehö- renden Plasmaverfahren werden nach ihrem Einsatzdruckbereich weiter als Atmosphärendruck-Plasma (1 bar) beziehungsweise Niederdruck-Plasma (< 1 bar) klassifiziert. Zu den Plasmen, die bei Atmosphärendruck betrieben werden, gehören Aktivierungen mit- tels Corona, dielektrisch behinderte Vorbehandeln mit Plasma bei Atmosphärendruck Bild 1: Unterschiedliche Vorbehandlungsmethoden, die am Fraunhofer IFAM bis auf wenige Ausnahmen verfügbar sind Zum Kleben und Lackieren von Kunststoffen ist in vielen Fällen eine Vorbehandlung (Aktivierung) notwendig. Produktionstechnisch von besonderem Interesse sind dabei Verfahren, die leicht in Fertigungs- linien zu integrieren sind. Die Plasma-Aktivierung bei Atmosphären- druck erfüllt diese Voraussetzung. Integrierbarkeit in die Fertigung Zeitbeständigkeit (Haltbarkeit) der Aktivierung Prozesssicherheit Wartungsfreundlichkeit Umwelt und Arbeitsschutz Benötigte Güte der Aktivierung Toleranz gegenüber variierenden Werkstoffqualitäten (z.B. Kontaminatio- nen durch Trennmittel) Kosten (investiv, laufend) ASPEKTE BEI DER AUSWAHL EINER VORBEHANDLUNGSMETHODE REINIGEN & VORBEHANDELN

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Page 1: Vorbehandeln mit Plasma bei Atmosphärendruck

JOT 6|200558

Entladungen und Plasma-Jets (Plasma-düsen). Während die Corona-Techno-logie seit langem in der Fertigung ein-gesetzt wird, sind Plasma-Jets erst seiteinigen Jahren bei einer zunehmendenZahl von Anwendungen zu finden.Eine Übersicht über die vorhandenenTechnologien wurde kürzlich auf einerTagung der Europäischen Forschungs-gemeinschaft Dünne Schichten(EFDS) in Dresden gegeben (siehedazu auch JOT 1/2005, S. 48).

Bei der Auswahl einer optimalenVorbehandlung ist eine Reihe vonAspekten zu berücksichtigen. Dazugehören insbesondere Kompatibilität(Integrierbarkeit) mit einem bestehen-den Produktionsprozess, Arbeits- undUmweltschutzaspekte sowie eine aus-reichende Langzeitbeständigkeit derAktivierung. Zur Auswahl der richtigenVorbehandlungsmethode stehen amFraunhofer IFAM eine Vielzahl anTechnologien zur Verfügung, um dieoptimale Lösung für den jeweiligenAnwendungsfall zu finden. Daruntermehrere Atmosphärendruck-Plasma-systeme unterschiedlicher Hersteller.

Das Spektrum der verfügbarenMethoden und die langjährige Erfah-rung der Mitarbeiter am FraunhoferIFAM erlauben die optimale Vorbe-handlungsmethode für einen Kundenzu finden und die Einführung bis zurFertigung zu begleiten. Beispielhaftwerden im Folgenden Ergebnisse zurAktivierung von Kunststoffen durcheinen Plasma-Jet vorgestellt.

Plasma aus der Düse

Zur Plasmavorbehandlung beiAtmosphärendruck wurde eine Anlagedes Unternehmens Plasmatreat GmbH(Steinhagen) eingesetzt. Das Plasmawird bei diesem System innerhalbeiner Düse durch speziell gestalteteElektroden erzeugt. Das System kannmit Druckluft betrieben werden und

Zum Vorbehandeln von Kunststof-fen und Metallen steht eine Viel-

zahl von Methoden zur Verfügung.Nach der Art der Aktivierungswirkungkönnen sie in mechanische, physikali-sche und chemische Vorbehandlungs-verfahren unterteilt werden. Die zuden physikalischen Methoden gehö-

renden Plasmaverfahren werden nachihrem Einsatzdruckbereich weiter als Atmosphärendruck-Plasma (1 bar)beziehungsweise Niederdruck-Plasma(< 1 bar) klassifiziert. Zu den Plasmen,die bei Atmosphärendruck betriebenwerden, gehören Aktivierungen mit-tels Corona, dielektrisch behinderte

Vorbehandeln mit Plasma bei Atmosphärendruck

Bild 1: Unterschiedliche Vorbehandlungsmethoden, die am Fraunhofer IFAMbis auf wenige Ausnahmen verfügbar sind

Zum Kleben und Lackieren von Kunststoffen ist in vielen Fällen eineVorbehandlung (Aktivierung) notwendig. Produktionstechnisch vonbesonderem Interesse sind dabei Verfahren, die leicht in Fertigungs-linien zu integrieren sind. Die Plasma-Aktivierung bei Atmosphären-druck erfüllt diese Voraussetzung.

• Integrierbarkeit in die Fertigung• Zeitbeständigkeit (Haltbarkeit) der Aktivierung• Prozesssicherheit• Wartungsfreundlichkeit• Umwelt und Arbeitsschutz• Benötigte Güte der Aktivierung• Toleranz gegenüber variierenden Werkstoffqualitäten (z.B. Kontaminatio-

nen durch Trennmittel) • Kosten (investiv, laufend)

A S P E K T E B E I D E R A U S W A H L E I N E R V O R B E H A N D L U N G S M E T H O D E

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kommt damit ohne die Verwendungvon (teuren) Edelgasen aus. Durch dieDüsenöffnung wird das Plasma an-schließend auf das zu behandelndeMaterial in Form eines Plasmastrahls(Plasma-Jets) ausgestoßen.

Zur Aktivierung werden die Sub-strate dabei typischerweise mitGeschwindigkeiten von 10 bis 400m/min durch den Plasma-Jet bewegt.Alternativ kann auch der Plasma-Jetmittels Roboter über ein feststehendesSubstrat bewegt werden. Durch diespezielle Düsenkonstruktion bleibtder eigentliche Behandlungsraum ander Substratoberfläche nahezu elek-trisch potenzialfrei. Es ist dadurch pro-blemlos möglich, neben Kunststoffenauch Metalle oder metallhaltige Poly-mer-Recyclate zu aktivieren.

Die Aktivierung der Oberflächegeschieht durch die chemische undphysikalische Wechselwirkung des

Aktivierung für 30 Sekunden in Iso-Propanol im Ultraschallbad gereinigt.Anschließend wurden die Proben mitHilfe des Plasma-Jets aktiviert. Durchdie Aktivierung kommt es zu einer drastischen Zunahme der Oberflä-chenspannung, welche die Benetzbar-keit der Oberfläche durch den Kleb-stoff beziehungsweise Lack erleich-tert. Typische Oberflächen-Energiennach der Aktivierung liegen bei 50 bis65 mN/m.

Die Verbesserung der Klebfestig-keit wurde durch Verklebung der Pro-benkörper im aktivierten sowie imunbehandelten Zustand untersucht.Als Klebstoff kam ein 2-Komponen-ten-Polyurethan-Klebstoff zum Ein-satz. Die Klebfestigkeit wurde inAnlehnung an DIN EN 1465 (Zug-scherversuch) ermittelt. Im Vergleichzu den unbehandelten Proben ist nachder Aktivierung in allen Fällen einestarke Zunahme der Klebfestigkeit zubeobachten. Dies ist verbunden miteiner Änderung des Bruchverhaltens.

Bei den unbehandelten Proben istdie Ursache des Klebversagens durchdie schlechte Haftung des Klebstoffesauf der Substratoberfläche gegeben(Adhäsionsbruch). Im Falle der akti-vierten Proben wird dagegen Kohäsi-ons- oder Fügeteilbruch beobachtet.Durch die Aktivierung erreicht manalso Klebfestigkeiten im Bereich derstrukturellen Festigkeit des Fügeteils

Plasmas mit dem Substrat. Die Akti-vierung von großflächigen Substratenerfolgt durch Kombination mehrererDüsen und Verbreiterung der Dü-senöffnung oder durch die Verwen-dung von rotierenden Düsen. Das Vor-behandlungsverfahren kann für nahe-zu beliebig geformte Werkstücke ver-wendet werden. Es ist problemlos inInline-Prozesse zu integrieren, kanndurch Roboter geführt werden undstellt nur geringe Anforderungen andie Arbeitssicherheit.

Klebfestigkeit und Lackhaftung

Die Vorbehandlungseffekte durchdas Atmosphärendruck-Plasma wurdenan den unpolaren Kunststoffen PP,PVDF und PE-HD sowie an den pola-ren Kunststoffen PET und PA6 unter-sucht. Die Materialien wurden vor der

Bild 2: Anlagen im industriellen Maßstab am Fraunhofer IFAM für die Aktivierung durch Plasma-Jets bei Atmosphärendruck(links) und durch Niederdruck-Plasmen (rechts)

Bild 3: Zugscher-festigkeiten vorund nach derPlasma-Aktivie-rung. Bei allenaktivierten Pro-ben kommt esentweder zumFügeteilbruchoder Kohäsions-bruch.

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(bestimmt durch XPS) auf bis zu 30 at% durch die Plasmavorbehand-lung. Dieser hohe Wert ist ein wesent-licher Grund für die gute Aktivierungs-wirkung des Plasma-Jets. ■

Ein Teil der Untersuchungen (AiF-Nr.12651 N/1) wurde aus Haushaltsmittelndes Bundesministeriums für Wirtschaft undTechnologie über die Arbeitsgemeinschaftindustrieller Forschungsvereinigungen„Otto von Guericke“ e.V. durch dieDECHEMA Gesellschaft für ChemischeTechnik und Biotechnologie e.V gefördert.

Aktivierungseffektes bei PA6. DerAktivierungseffekt klingt in den ersten30 Tagen nur sehr langsam ab undselbst nach sechs Monaten liegt nocheine ausreichende Oberflächen-Ener-gie mit einhergehender guter Kleb-festigkeit vor. Dieser geringe Verlustder Aktivierung ist ein wesentlicherVorteil des Plasma-Jets gegenüber demCorona-Verfahren.

Die Ursache der Aktivierung durchden Plasma-Jet liegt in der Modifizie-rung der Oberfläche des Substrates.Die reaktiven Bestandteile des Plas-mas führen dabei im Wesentlichenzum Einbau von Sauerstoff in dieOberfläche. Es entstehen funktionelleGruppen, die eine kovalente Bindungzu den Molekülen des Klebstoffesbeziehungsweise des Lackes ermögli-chen. Ihre Anzahl bestimmt daherwesentlich die Güte der Aktivierung.Bild 5 zeigt die Zunahme der ober-flächennahen Sauerstoffkonzentration

beziehungsweise des Klebstoffes. DieAdhäsion zwischen Klebstoff undFügeteil ist damit nicht mehr derfestigkeitslimitierende Faktor bei derVerklebung.

Die Verbesserung der Lackhaftungwurde durch Lackieren der Kunststoff-proben mit einer wässrigen 2-K-Acrylat-PU-Dispersion und einemlösemittelbasierten 2-K-isocyanathalti-gen Lacksystem untersucht. Die Aus-wertung erfolgte durch eine Gitter-schnittprüfung in Anlehnung an DINEN ISO 2409. Ausgehend von keinerLackhaftung (GT5) bei den nicht akti-vierten Proben erreicht man in allenFällen durch die Vorbehandlung eineVerbesserung auf sehr gute Lackhaf-tung (GT0-Ergebnis). Diese Ergebnis-se zeigen, dass Plasma-Jets eine quali-tativ sehr hochwertige Aktivierungs-wirkung, sowohl für Kleb- wie fürLackieranwendungen, erzielen können.

Langzeitbeständigkeit der Aktivierung

Aufgrund von Oberflächenverände-rungen auf molekularer Basis verlierenvorbehandelte Oberflächen mit derZeit ihren Aktivierungeffekt. Einwichtiges Kriterium bei der Auswahleiner Vorbehandlungsmethode istdaher die maximal mögliche Dauerzwischen Aktivierung und Verklebungbeziehungsweise Lackierung. Bild 4zeigt am Beispiel von Messungen derOberflächen-Energie (Kontaktwinkel)und Klebfestigkeit das Abklingen des

Der Autor: Dr. Uwe Lommatzsch, Fraun-hofer Institut für Fertigungstechnik undAngewandte Materialforschung (IFAM),

Bremen, Tel. 0421/2246-456,[email protected],www.ifam.fraunhofer.de

Bild 5: Oberflächennahe Sauerstoff-Konzentration derKunststoffe vor und nach der Plasma-Aktivierung

Bild 4: Zeitbeständigkeit der Aktivierung von PA6

Ergebnisse der Gitterschnittprüfungen der lackierten Proben mit und ohne Plasma-Aktivierung

Lösemittelhaltiger Lack Wasserbasierter Lack

Kunststoff ohne Plasma-Jet ohne Plasma-JetVorbehandlung Vorbehandlung

PP GT 5 GT 0 GT 5 GT 0

PC GT 5 GT 0 GT 5 GT 0

PE GT 5 GT 0 GT 5 GT 0

PVDF GT 5 GT 0 GT 5 GT 0