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Vergleichbarkeit von Vergleichbarkeit von Arbeitslosigkeit Arbeitslosigkeit Einführung in wichtige Indikatoren der Arbeitsmarktforschung Vortrag von Silke Kull im Rahmen des Projektkurses “Europäische Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik”, 2003

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Vergleichbarkeit von Vergleichbarkeit von ArbeitslosigkeitArbeitslosigkeit

Einführung in wichtige Indikatoren der

Arbeitsmarktforschung

Vortrag von Silke Kullim Rahmen des Projektkurses

“Europäische Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik”, 2003

12.05.2003 Silke Kull Folie 2

Absolute Arbeitslosenzahlen für Absolute Arbeitslosenzahlen für Deutschland (2000)Deutschland (2000)

3.123.000 3.133.000 3.205.000

3.888.652

0

500.000

1.000.000

1.500.000

2.000.000

2.500.000

3.000.000

3.500.000

4.000.000

4.500.000

Eurostat EuropäischeKommission

OECD Bundesanstalt fürArbeit

12.05.2003 Silke Kull Folie 3

Zu beantwortende FragenZu beantwortende Fragen

• Wie wird in der Bundesrepublik Deutschland die Arbeitslosigkeit gemessen?

• Wie werden international vergleichende Arbeitslosendaten erhoben?

• Wie vergleichbar sind internationale Daten?

12.05.2003 Silke Kull Folie 4

Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre)

ArbeitsangebotArbeitsangebot

ErwerbspersonenInaktive /Stille Reserve

Arbeitslose Erwerbstätige / Beschäftigte

Militärangehörige

12.05.2003 Silke Kull Folie 5

ArbeitsnachfrageArbeitsnachfrageBevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre)

Gesamtheit aller Arbeitsplätze (= Arbeitsnachfrage)Inaktive /Stille Reserve

Offene Stellen Beschäftigte(besetzte Stellen)

12.05.2003 Silke Kull Folie 6

• Arbeitslosigkeit, Beschäftigung und Inaktivität können sehr unterschiedlich gemessen werden

• in unterschiedlichen Definitionen spiegeln sich verschiedene Interessen

• Definitionen haben daher ein hochgradig politisches Potential!

12.05.2003 Silke Kull Folie 7

Erhebungsverfahren/ Befragungsverfahren

Registrierungs-verfahren

• (Teile der) Bevölkerung werden befragt

• aus Stichproben wird auf Gesamtbevölkerung hochgerechnet

• englische Bezeichnung: labour force survey

• Personen, die sich bei Arbeitsverwaltung registrieren lassen, werden statistisch erfasst

12.05.2003 Silke Kull Folie 8

Schwierigkeiten beim Schwierigkeiten beim ErhebungsverfahrenErhebungsverfahren

• Daten entsprechen der Selbsteinschätzung der Befragten

• Verzerrung der Ergebnisse durch Aussageverweigerung der Befragten oder durch Fehler der Interviewer

• wenn Stichproben zu klein, sind Detailaussagen nur begrenzt möglich

12.05.2003 Silke Kull Folie 9

Schwierigkeiten beim Schwierigkeiten beim RegistrierungsverfahrenRegistrierungsverfahren

• nicht alle Personen werden erfasst, da sich nicht alle beim Arbeitsamt registrieren lassen

• starke Varianz bei Ausgestaltung von Arbeitslosenversicherung und Arbeits-verwaltungen zwischen Ländern

• dadurch Vergleichbarkeit zwischen Ländern nicht gewährleistet

12.05.2003 Silke Kull Folie 10

Definitionen der International Definitionen der International Labour Organization (ILO)Labour Organization (ILO)

• Verabschiedung einheitlicher Definitionen von Arbeitsmarktindikatoren auf der „13. Internatio-nalen Konferenz der Arbeitsstatistiker“ (1982)

• Ziel: Verbesserung der Vergleichbarkeit zwischen Ländern durch einheitliche Definitionen und labour force survey-Konzept

• ILO-Definitionen sind Kompromiss zwischen Regierungen, Arbeitgebern und Gewerkschaften

• ILO-Definitionen auch Kompromiss zwischen Industriestaaten und weniger entwickelten Staaten

12.05.2003 Silke Kull Folie 11

ILO-ErhebungsverfahrenILO-Erhebungsverfahren

• die ILO empfiehlt allen Ländern das Erhebungs- bzw. Befragungsverfahren

12.05.2003 Silke Kull Folie 12

ILO-Definition von ILO-Definition von Erwerbspersonen (labour force)Erwerbspersonen (labour force)

• Erwerbspersonen sind alle ökonomisch aktiven Personen

• Erwerbspersonen stellen das Arbeitsangebot dar, das Waren produziert und Dienstleistungen erbringt(für den Markt oder für Eigenverbrauch)

• Erwerbspersonen = Beschäftigte + Arbeitslose

12.05.2003 Silke Kull Folie 13

ILO-Definition von Beschäftigung ILO-Definition von Beschäftigung (1)(1)

• Beschäftigte sind Angestellte, Selbständige und mithelfende Familienangehörige

• Personen, die wenigstens 1h (pro Woche) für Einkommen arbeiten

• Personen, die formal Job oder Unternehmen haben, aber momentan nicht arbeiten

- Personen erhalten weiterhin Gehalt oder- Personen haben garantierte Rückkehr auf ihren

Arbeitsplatz oder- Personen erhalten Ausgleichszahlungen und müssen

keinen neuen Job akzeptieren

12.05.2003 Silke Kull Folie 14

ILO-Definition von Beschäftigung ILO-Definition von Beschäftigung (2)(2)

• entscheidend für Beschäftigung ist also Job bzw. formale Job-Zugehörigkeit

• in diesem Sinne sind Personen beschäftigt bei:- Krankheit / Unfall- Urlaub- Weiterbildung- Elternzeit- Arbeitsausfall wegen Streik, Materialmangel,

schlechtem Wetter etc.

12.05.2003 Silke Kull Folie 15

ILO-Definition von Beschäftigung ILO-Definition von Beschäftigung (3)(3)

Besondere Gruppen auf dem Arbeitsmarkt, die als beschäftigt gelten:

•alle Militärangehörigen•Lehrlinge, wenn sie Lohn erhalten

•Studierende•Hausfrauen / -männer

wenn (formale) Job-Zugehörigkeit vorhanden

12.05.2003 Silke Kull Folie 16

ILO-Definition von Arbeitslosigkeit ILO-Definition von Arbeitslosigkeit (1)(1)

• Personen ohne Arbeit(weder als Angestellte noch als Selbständige)

• momentan verfügbar für Arbeit(Arbeitsaufnahme in nächsten 2 Wochen)

• derzeit aktiv auf Arbeitssuche(in vorangegangenen 4 Wochen)

12.05.2003 Silke Kull Folie 17

ILO-Definition von Arbeitslosigkeit ILO-Definition von Arbeitslosigkeit (2)(2)

in diesem Sinne sind Personen arbeitslos, wenn:

• temporär ohne Beschäftigung und ohne formale Job-Zugehörigkeit, aber arbeitssuchend und verfügbar

• bereits neue Erwerbstätigkeit gefunden, die zu einem späteren Zeitpunkt beginnt

12.05.2003 Silke Kull Folie 18

ILO-Definition von Inaktivität (1)ILO-Definition von Inaktivität (1)

• Inaktive sind ökonomisch nicht aktiv• Inaktive produzieren keine Waren und

erbringen keine Dienstleistungen(weder für Markt noch für Eigenverbrauch)

• inaktive Personen zählen nicht zu den Erwerbspersonen

Beschäftigte + Arbeitslose

12.05.2003 Silke Kull Folie 19

ILO-Definition von Inaktivität (2)ILO-Definition von Inaktivität (2)

Zu Inaktiven zählen• SchülerInnen• Studierende• TeilnehmerInnen an Bildungsangeboten• Personen mit Familienpflichten• RentnerInnen• Kranke, Behinderte• ehrenamtlich Tätige

12.05.2003 Silke Kull Folie 20

Zusammenfassung der ILO-Zusammenfassung der ILO-DefinitionenDefinitionen

ILO-Definition einerseits sehr eng:• Wer 1h / Woche und mehr arbeitet, gilt bereits

als beschäftigt• Kriterium „aktive Suche“ schließt Personen aus,

die Arbeit wollen, aber nicht aktiv danach suchen(discouraged workers)

ILO Definition andererseits sehr weit:• alle, die Arbeit suchen, zählen als Arbeitslose,

unabhängig von gewünschter Stundenzahl (Einbeziehung von RentnerInnen, Studierenden...)

• Kriterium der Arbeitssuche schwammig

12.05.2003 Silke Kull Folie 21

Methoden aktiver Arbeitssuche Methoden aktiver Arbeitssuche (2000)(2000)

Quelle: Eurostat: Arbeitskräfteerhebung 2000

Anteil der Suchmethoden an Arbeitslosen; Mehrfachantworten möglich

96,4 94,4 73,233,9

18,5 28,223,8

52,054,5

19,1

24,8

61,962,6

36,2

44,3

35,7 60,5

15,1

33,5

66,9 86,8

27,7

21,5

30,7

14,6

12,413,2

Deutschland Frankreich UK Italien

Sonstige Methoden

Tests oder Prüfungen

Lektüre von Stellenangeboten

Aufgabe eines Stellengesuchs

Nachfrage bei Freunden

Direkte Bewerbung beiArbeitgeberKontakt priv. Arbeitsvermittlung

Kontakt Arbeitsamt

12.05.2003 Silke Kull Folie 22

Anwendung der ILO-DefinitionenAnwendung der ILO-Definitionen

• ILO-Definitionen mittlerweile Standard in vielen Ländern

• auch OECD und Eurostat verwenden ILO-Definitionen

• deshalb theoretisch Arbeitslosenzahlen international vergleichbar

12.05.2003 Silke Kull Folie 23

Absolute Arbeitslosenzahlen für Absolute Arbeitslosenzahlen für Deutschland (2000)Deutschland (2000)

3.123.000 3.133.000 3.205.000

3.888.652

0

500.000

1.000.000

1.500.000

2.000.000

2.500.000

3.000.000

3.500.000

4.000.000

4.500.000

Eurostat EuropäischeKommission

OECD Bundesanstalt fürArbeit

12.05.2003 Silke Kull Folie 24

Der Labour Force Survey der EU Der Labour Force Survey der EU (1)(1)

• erfasst in Interviews arbeitsmarktrelevante Informationen von Privathaushalten (keine Kollektivhaushalte)

• Vorteil von Haushaltskonzept: auch diejenigen an Peripherie des Arbeitsmarktes werden befragt

• da Befragung aller Haushalte zu teuer, wird Stichprobe gezogen

12.05.2003 Silke Kull Folie 25

Der Labour Force Survey der EU Der Labour Force Survey der EU (2)(2)

• nationale Statistikbehörden der EU-Länder erheben vierteljährlich und jährlich Daten in persönlichen Interviews

• dabei Verwendung einheitlicher Fragebögen• Länder leiten Ergebnisse weiter an Eurostat• Eurostat fasst Länderergebnisse zusammen,

passt sie evt. an EU-Definitionen an, analysiert und veröffentlicht sie

12.05.2003 Silke Kull Folie 26

Durchführung des Labour Force Durchführung des Labour Force Surveys in Deutschland (1)Surveys in Deutschland (1)

• Deutschland erhebt keine vierteljährlichen Daten

• 1x im Jahr erhebt Statistisches Bundesamt Daten im Rahmen des Mikrozensus

• In Deutschland werden sowohl Privat- als auch Kollektivhaushalte erfasst

12.05.2003 Silke Kull Folie 27

Durchführung des Labour Force Durchführung des Labour Force Surveys in Deutschland (2)Surveys in Deutschland (2)

• zu Privathaushalt zählen alle Personen, die Wohnung und Einkommen teilen, egal ob verwandt oder nicht

• Stichprobe umfasst 380 000 Personen (0,45% der Bevölkerung)

• Ausgewählte Haushalte werden 4 Jahre lang befragt; jedes Jahr wird ein Viertel der Haushalte ausgetauscht

12.05.2003 Silke Kull Folie 28

BA-Definition von Arbeitslosen BA-Definition von Arbeitslosen (1)(1)

• Bundesanstalt für Arbeit (BA) wendet zur Erfassung der Arbeitslosigkeit das Registrierungsverfahren an

12.05.2003 Silke Kull Folie 29

BA-Defition von Arbeitslosen (2)BA-Defition von Arbeitslosen (2)

• entscheidend ist das Kriterium „arbeitssuchend“

• Unterscheidung der Arbeitssuchenden in

Arbeitslose Arbeitssuchende

•ohne Beschäftigung

•verfügbar

Nichtarbeitslose Arbeitssuchende

•nicht beschäftigungslos•nicht verfügbar

12.05.2003 Silke Kull Folie 30

BA-Definition von Arbeitslosen BA-Definition von Arbeitslosen (3)(3)

als arbeitssuchend gilt, wer• zwischen 15 und 65 Jahren alt ist• Wohnsitz in Deutschland hat• aktiv Beschäftigung als Arbeitsnehmer

sucht (im In- oder Ausland)• Beschäftigung für mehr als 7 Tage mit

min. 15 h / Woche sucht• nicht arbeitsunfähig erkrankt ist

12.05.2003 Silke Kull Folie 31

BA-Definition von Arbeitslosen BA-Definition von Arbeitslosen (4)(4)

arbeitslos und arbeitssuchend ist, wer• Kriterien von arbeitssuchend erfüllt und• versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit min.

15 h / Woche anstrebt und aktiv sucht• vorübergehend ohne Beschäftigungsverhältnis ist

oder• weniger als 15 h / Woche arbeitet• sofort für Arbeitsvermittlung verfügbar ist• persönlich beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet

ist

12.05.2003 Silke Kull Folie 32

BA-Definition von Arbeitslosen BA-Definition von Arbeitslosen (5)(5)

nicht arbeitslos sondern inaktiv ist, wer• mehr als 15 h / Woche arbeitet• arbeitsunfähig ist• seine Verfügbarkeit ohne zwingenden Grund

einschränkt• über 65 Jahre alt ist• nicht beim Arbeitsamt gemeldet ist• sich in arbeitsmarktpolitischen Vollzeitmaßnahmen

befindet• Wehrpflicht oder Zivildienst leistet• in Haft ist• SchülerIn / StudentIn ist

12.05.2003 Silke Kull Folie 33

ZusammenfassungZusammenfassungArbeitslos nach ILO Arbeitslos nach BA

Anstreben einer abhängigen oder selbständigen Beschäftigung, unabhängig von Arbeitsumfang

Anstreben einer abhängigen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit min. 15 h / Woche + Registrierung beim Arbeitsamt

Arbeitaufnahme in nächsten 2 Wochen

Arbeitsaufnahme sofort

arbeitssuchend und verfügbar arbeitssuchend und verfügbar

Arbeitslose können bis zu 15 h / Woche arbeiten

Wer mehr als 1 h / Woche arbeitet, gilt als beschäftigt

12.05.2003 Silke Kull Folie 34

ZusammenfassungZusammenfassungArbeitslos nach ILO Arbeitslos nach BA

ca. 60% Über-schnei-dung

12.05.2003 Silke Kull Folie 35

Indikatoren des ArbeitsmarktesIndikatoren des ArbeitsmarktesArbeitsnachfrage

Arbeitsangebot

Matching

6415zwischen gBevölkerun

teBeschäftigungsquoteBeschäftig

sonenErwerbsper

eArbeitslos (reg.)enquoteArbeitslos

64-15zwischen gBevölkerun

sonenErwerbsperteErwerbsquo

12.05.2003 Silke Kull Folie 36

Verwendete LiteraturVerwendete Literatur• Bundesanstalt für Arbeit (2002): Arbeitsmarkt 2001. Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für

Arbeit. 50. Jg., Sondernummer, S.23, 63

• Cramer, Ulrich / Werner Karr / Helmuth Rudolph (1986): Über den richtigen Umgang mit der Arbeitslosen-Statistik. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 3/86, S.409-421.

• Eurostat (1998): The European Labour Force Survey. Methods and Definitions. Luxemburg

• International Labour Organization (1982): Resolution concerning statistics of the economically active population, employment, unemployment and underemployment, adopted by the Thirteenth International Conference of Labour Statisticians (http://www.ilo.org/public/english/bureau/stat/res/ecacpop.htm)

• OECD (1994): The OECD Job Study. Evidence and Explanations. Part II: The Adjustment Potential of the Labour Market, Chapter 8, S.171-237.

• OECD (2001): Economic Survey Germany. Paris, S.36.

• Recktenwald, Joachim (1997): International vergleichende Messsung von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit – Bestrebungen zur Harmonisierung in der Europäischen Union (EU). In: Statistisches Bundesamt (Hg.): Statistische Informationen zum Arbeitsmarkt – Konzepte und Kritik, Anwendung und Auslegung, S.77-86

• Sorentino, Constance (2000): International unemploy ent rates: how comparable are they? In: Monthly Labor Review, Vol. 123, No. 6, S.3-20 (http://www.bls.gov/opub/mlr/2000/06/art1full.pdf).