„verbrauchsreduzierungen umsonst gibt es nicht“

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„VERBRAUCHSREDUZIERUNGEN UMSONST GIBT ES NICHT“ Bei der weiteren Reduzierung der CO 2 -Emissionen geht am Downsizing kein Weg vorbei. Davon ist Dr. Andreas Schamel, Director of Global Powertrain, Research and Advanced Engineering bei Ford, überzeugt. Besonders wichtig für den Markterfolg ist dabei neben geringem Verbrauch auch hoher Fahrspaß. Dr. Andreas Schame, 1962 in Bonn geboren, schloss 1987 ein Maschinenbaustudium an der FH Köln ab. 1992 erwarb er den Master of Science an der Universität von Loughborough, gefolgt von einem PhD 1994. Seit 1987 ist Schamel bei Ford tätig, wo er im Bereich Motorsimulation begann. Danach folgten leitende Positio- nen in der Motorenvorentwicklung sowie in der Serienentwicklung. Ab 2001 verantwortete er die Ottomotorenforschung und -vorent- wicklung für Ford Europa. 2005 wurde er Chefingenieur der ame- rikanischen Antriebsstrangforschung und -vorentwicklung in Dearborn, USA. 2009 hat Schamel die Geschäftsführung sowie die Gesamtleitung der Ford Forschungszentrums Aachen GmbH übernommen und ist zudem Chefingenieur für die Antriebsstrang- forschung und -vorentwicklung von Ford Europa. Darüber hinaus ist er seit 1. Oktober 2012 Director of Global Powertrain, Research and Advanced Engineering. Damit ist Schamel weltweit für die For- schung und Vorentwicklung von Antriebssystemen bei Ford zuständig. TITELTHEMA INTERVIEW 106

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„Verbrauchsreduzierungen umsonst gibt es nicht“Bei der weiteren Reduzierung der CO2-Emissionen geht am Downsizing kein Weg vorbei. Davon ist

Dr. Andreas Schamel, Director of Global Powertrain, Research and Advanced Engineering bei Ford, überzeugt.

Besonders wichtig für den Markterfolg ist dabei neben geringem Verbrauch auch hoher Fahrspaß.

Dr. Andreas Schamel�, 1962 in Bonn geboren, schloss 1987 ein Maschinenbaustudium an der FH Köln ab. 1992 erwarb er den Master of Science an der Universität von Loughborough, gefolgt von einem PhD 1994. Seit 1987 ist Schamel bei Ford tätig, wo er im Bereich Motorsimulation begann. Danach folgten leitende Positio-nen in der Motorenvorentwicklung sowie in der Serienentwicklung. Ab 2001 verantwortete er die Ottomotorenforschung und -vorent-wicklung für Ford Europa. 2005 wurde er Chefingenieur der ame-

rika nischen Antriebsstrangforschung und -vorentwicklung in Dearborn, USA. 2009 hat Schamel die Geschäftsführung sowie die Gesamt leitung der Ford Forschungszentrums Aachen GmbH übernom men und ist zudem Chefingenieur für die Antriebsstrang-forschung und -vorentwicklung von Ford Europa. Darüber hinaus ist er seit 1. Oktober 2012 Director of Global Powertrain, Research and Advanced Engineering. Damit ist Schamel weltweit für die For-schung und Vorentwicklung von Antriebssystemen bei Ford zuständig.

TiTelThemA IntERVIEW

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mTZ _ Wie viel� Prozent CO2-einsparung ist beim Verbrennungsmotor durch Downsizing noch mögl�ich?SChAmel _ Das hängt stark vom Startpunkt ab. Bei Ford haben wir das Downsizing auf der Ottomotorenseite vom 1,0- bis zum 3,5-l-Aggregat ausgerollt. Je nach ersetz-tem Antrieb kommen wir auf 10 bis 20 % Kraftstoffeinsparung. Bevor man an eine Hybridisierung denkt, ist sicherlich durch motorische Maßnahmen noch eine CO2-Reduzierung im zweistelligen Prozentbe-reich möglich, aber langsam kommt man dann an die physikalischen Grenzen.

3,5 l� hubraum ist ja nicht unbedingt das, was man l�andl�äufig al�s Downsizing ansieht?Ich muss auch immer schmunzeln, wenn man einen Motor mit 260 kW Leistung als Downsizing bezeichnet, aber er ersetzt in den USA mittlerweile zu 45 % die V8-Motoren mit 5,5 bis 6 l Hubraum. Wenn man das als Vergleichsmaßstab nimmt, ist dies Downsizing mit erheb-licher Kraftstoffeinsparung. Grund-sätzlich ist die technische Basis dieses Motors die gleiche wie beim 1,6- oder 1,0-l-EcoBoost-Downsizingmotor.

Wo l�iegen die Grenzen beim Downsizing?Bei Ford haben wir dafür eine interne Kenngröße entwickelt, das Verhältnis aus

Fahrzeuggewicht und Hubraum. Selbst mit allen technischen Tricks stößt man früher oder später an die Grenzen der Physik, was das Beschleunigungsverhalten beim Anfahren betrifft. In den ersten Augen-blicken hat man dann doch erst einmal einen Saugmotor, bis das Aufladesystem anspricht. Im Moment liegen wir bei 30 bis 45 % Hubraumreduzierung gegenüber den ersetzten Saugmotoren. Das ist derzeit die Grenze des Sinnvollen. Es wird natürlich künftig Entwicklungen geben, die diese Grenze weiter nach oben schieben.

Warum setzt Ford so stark auf Downsizing? Für uns ist maßgebend, nicht nur die Kraftstoffersparnis, sondern auch den Fahrspaß im Blickpunkt zu haben. Down-gesizte Ottomotoren haben nicht nur das Potenzial, 20 bis 30 % sparsamer als kon-

ventionelle Saugmotoren zu sein, sondern vermitteln auch deutlich mehr Fahrspaß. Und damit schaffen Sie Kundenakzeptanz und Marktdurchdringung. Natürlich kann man auch andere Konzepte verfolgen, und es gibt Marken, für die Downsizing

nicht die richtige Lösung ist. Da gibt es durchaus Überlegungen über die objekti-ven Fahrzeugeigenschaften hinaus.

es gibt ja auch Bestrebungen, die hubräume wieder zu erhöhen? Diese Entscheidung hängt sehr vom Anwendungsfall und vom Fahrzyklus ab. Es gibt Fälle, bei denen andere Ansätze als Downsizing zielführender sind oder die Addition verschiedener Technologien nicht unbedingt Sinn macht. Bei einer Hybridisierung beispielsweise spielt die Spitzeneffizienz des Motors eine große Rolle. Durch Konzepte wie den Aktinson-Zyklus muss man dort nicht unbedingt Downsizing anwenden. Bei unseren Hy bridapplikationen haben wir daher keinen Downsizing-Turbomotor verbaut. Aber auch in japanischen Fahrzyklen ist ein Verbrennungsmotor mit größerem Hubraum durchaus zielführend. Die Ver-dichtungsverhältnisse dieser Motoren sind dann aber mit den Kraftstoffqualitä-ten des amerikanischen Markts nicht dar-stellbar. Zudem ist der Aufwand auch für diese Konzepte erheblich, da sie von einem komplett verlustfreien Ansaug- und Abgastrakt mit dem entsprechenden Feintuning leben. Und trotzdem liefern sie nicht die Drehmomentkurven der EcoBoost-Motoren von Ford.

„Ich sehe einen

interessanten Wettbewerb

bei den Aufladekonzepten.“

Künftig sieht Schamel auf die Hersteller höhere Kosten pro eingespartem Gramm CO2 zukommen

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Wel�che weiteren entwickl�ungen beim Downsizingmotor sind künftig zu erwarten?Derzeit sehe ich einen interessanten Wettbewerb bei den Aufladekonzepten, von weiter verbesserten Turboladern über immer effizientere Kompressoren bis hin zu elektrisch unterstützten Ladern. Bisher haben uns dabei konventionelle Turbolader in der Kosten-Nutzen-Relation immer einen weiteren Entwicklungs-schritt ermöglicht, ohne in komplexere und aufwendigere Aufladesysteme in-vestieren zu müssen. Auch künftig gibt es noch viel Spielraum bei herkömmli-chen Turboaggregaten durch Mixed-flow- oder Axialturbinenkonzepte, die weniger Drehträgheit haben und mehr transiente Effizienz bieten.

Kann man mit einem hybridkonzept die Kompl�exität des Verbrennungsmotors reduzieren?Das hängt stark vom Grad der Hybridisie-rung ab. Bei einem Vollhybrid kann man durchaus Aufwand beim Verbrennungs-motor sparen. Da kommt es nicht mehr so sehr darauf an, dass der Motor in jedem Betriebspunkt effizient arbeitet, sondern eher, dass es ein Kerngebiet gibt, wo er her-vorragend effizient ist. Daher setzen sich beim Hybridantrieb derzeit relativ einfache Ottomotoren mit hohem Kompressionsver-hältnis durch, die sich durch den Atkinson-Zyklus trotz relativ wenig Bauaufwand gut schlagen. Ein Dieselmotor hat im Vergleich zum Ottomotor ein sehr viel flacheres Kennfeld. Bei diesem Konzept wird man daher eher Aufwand aus der Hybridisie-rung herausnehmen und den günstigen Kennfeldverlauf des Diesels nutzen.

Ford hat sehr früh Zyl�inderkopf und Krümmer in einem Bauteil� zusammen gegossen. ist ein angegossenes Turbol�adergehäuse der nächste Schritt?Das ist durchaus ein denkbarer Weg. Als wir den integrierten Krümmer auf den Markt brachten, gab es Unkenrufe, dass das nicht funktionieren würde. Angeb-lich sollte der Wärmeübergang zu groß sein, zudem würde man dem Turbolader zu viel Energie entziehen. Wir haben aber festgestellt, dass das System zum jeweiligen Zeitpunkt des Fahrzyklus genau das thermisch Richtige macht. Zudem haben wir durch die reduzierten Temperaturen weniger Kosten, weil wir weniger aufwendige Materialen benötigt. Das Gleiche lässt sich durchaus beim Tur-binengehäuse weiterdenken. Speziell

beim Ottomotor entfallen auf die Werk-stoffe, die dort eingesetzt werden müs-sen, sehr hohe Kosten.

Sind Downsizingmotoren automatisch kl�einer und l�eichter al�s konventionel�l�e motoren?Ja und nein. Das Kernaggregat ist kleiner, leichter und hat einen geringeren Bau-raumbedarf als bei einem konventionellen Motor. Mit allen Nebensystemen gewinnt man dann aber nicht wesentlich an Bau-raum. Allerdings ist bei einem konventio-nellen Motor alles, was den Bauraum aus-macht, nicht crashbar, bei einem aufgela-

denen Motor hingehen einige der Bauteile durchaus. Insofern gewinnt man hinsicht-lich Aufprallsicherheit einiges. Auch das Gewicht ist nicht wesentlich geringer als das eines vergleichbaren Saugmotors. Das korreliert eher mit der Motorleistung als mit dem Motorkonzept.

Das Zyl�inderkurbel�gehäuse des neuen 1,0-l�-Dreizyl�inder-Ottomotors fertigt Ford aus Grauguss statt Al�uminium. Wel�che Gründe sprechen dafür?Durch Grauguss konnten wir den Motor-block extrem kompakt auslegen. Daher können wir auf Ausgleichswellen verzich-ten, denn die unausgeglichenen Momente skalieren beim Dreizylinder stark mit den Abmessungen. Zudem ist der Gewichts-nachteil von Grauguss zu Aluminium vom Hubraum und den Motorabmessungen

abhängig. Bei kleinen Motoren ist der Unterschied zwischen Grauguss und Alu-minium sehr gering, deshalb haben wir uns bei diesem Motor bewusst für Grau-guss entschieden. Aluminium wäre rein im Hinblick auf das Kurbelgehäuse leichter gewesen, bezogen auf das Gesamtkonzept dann aber nicht mehr. Für dieses Segment war das die richtige Entscheidung, bei 1,5 l Hubraum sähe das schon anders aus, von V-Motoren ganz abgesehen. Wir propagie-ren also keinen grundsätzlichen Trend zurück zum Grauguss-Motorblock.

Wie kann Ford al�s Großserienherstel�l�er die innovationen auch künftig bezahl�bar hal�ten?Die Technik muss sich für den Kunden rentieren. Das Paket, das wir derzeit bei unseren Downsizing-Ottomotoren geschnürt haben, ist natürlich kosten-intensiver als ein normaler Saugmotor, aber bedeutend preiswerter als ein Diesel-motor. Wenn wir auf die 95-g-CO2-Grenze bei gleichbleibender Fahrzeuggröße schauen, muss ich allerdings feststellen, dass die ganz billigen technischen Lösun-gen aufgebraucht sind. Künftig geht es um höhere Kosten pro eingespartem Gramm CO2, das ist nicht wegzudiskutie-ren. Im Endeffekt wird derjenige Herstel-ler am Markt Erfolg haben, der für das jeweilige Segment die kostengünstigste Lösung anbietet. Verbrauchsreduzierun-gen umsonst gibt es nicht.

herr Dr. Schamel�, herzl�ichen Dank für das Gespräch.

„Wir propagieren keinen

grundsätzlichen Trend zurück

zum Grauguss-Motorblock.“

In japanischen Fahrzyklen ist ein Verbrennungsmotor mit größerem Hub-raum für Schamel durchaus zielführend

inTerVieW: Richard BackhausFOTOS: tillmann Franzen

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02I2013 74. Jahrgang 109

Plenarvorträge: Der große Überblick

+ Volkmar Denner, Robert Bosch GmbH, zum Thema „Zukunft gestalten – Innovationen für effi ziente Mobilität“+ Toshiaki Tanaka, Toyota, über „Globale Herausforderungen im Energie- und Umweltbereich, refl ektiert inToyotas Antriebsstrangvorentwicklung“+ Peter Gutzmer, Schaeffl er AG, über „Kostenbewusste Innovation: Modulare Ansätze für Antriebsstrangkonzepte“+ Thomas Weber, Daimler AG, über das Thema „Die Zukunft heißt Vielfalt: maßgeschneiderte Produkte für erfolgreiche Mobilitätsangebote“+ Herbert Diess, BMW AG, über „BMW gestaltet die Zukunft der Mobilität. Heute.“+ Martin Winterkorn, Volkswagen AG, zum Thema „Die Zukunft fest im Blick: Nachhaltige Mobilitätskonzepte im Volkswagen Konzern“

Tiefgreifende Fachvorträge über

• Neue Otto- und Dieselmotoren• Brennverfahren und Kraftstoffe• Mobilität und Kraftstoffe• Motor-Mechanik• Kooperationen• Motor-Steuerung, Einspritzung, Validierung• Elektrifi zierung Antriebsstrang• Aufl adung• Abgasnachbehandlung• Blick in die Zukunft

Umfassende Fachausstellung und Rahmenprogramm

Einzelheiten und Anmeldung unter www.oevk.atVortragsbände sind ab Mai 2013 erhältlich.

Österreichischer Verein für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK)Elisabethstraße 26/241010 WienTel.: +43/1/585 27 41/0Fax: +43/1/585 27 41/99E-Mail: [email protected]

Leitung: Univ.-Prof. Dr. H. P. Lenz

Internationales WienerMotorensymposium25. - 26. April 2013, Hofburg Wien

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Umfassende Fachausstellung und Rahmenprogramm

www.oevk.at,

Österreichischer Verein für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK)

DAS SYMPOSIU

MSSPROGRAMM

FÜR IHR S

MARTPHONE!

www.övk.a

t/sym

posium