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Seite 1 von 13 Praktikum Werkstofftechnik Institut für Werkstofftechnik – Universität Kassel Wintersemester 2010/2011 1. Grundlagen S.2 2. Dilatometer S.9 3. Aufgabenstellung S.12 4. Versuchsdurchführung S.12 5. Kontrollfragen S.13 6. Literatur S.13 Versuch 12 Dilatometrie

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Page 1: V12 dilatometrie

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Praktikum Werkstofftechnik

Institut für Werkstofftechnik – Universität Kassel

Wintersemester 2010/2011

1. Grundlagen S.2

2. Dilatometer S.9

3. Aufgabenstellung S.12

4. Versuchsdurchführung S.12

5. Kontrollfragen S.13

6. Literatur S.13

Versuch 12

Dilatometrie

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Abb.1 Wechselwirkungspotential zwischen zwei Atomen.[6] r0 = mittlerer Atomabstand

Versuch 12

Dilatometrie

1. Grundlagen

Längenänderungen bzw. Volumenänderung aufgrund von thermischer Erwärmung und

Phasenumwandlung sind wichtige Phänomene im Maschinenbau. Phasenumwandlungen

spielen eine große Rolle in der Wärmebehandlung von Stählen. Längenänderungen müssen

in der Konstruktion von Bauteilen berücksichtigt werden. Quantitative Angaben über

temperaturabhängige Längenänderungen werden mithilfe der Dilatometrie gewonnen.

1.1 Thermische Ausdehnung Fügt man einem Stoff Energie in Form von Wärme zu, so wird er sich ausdehnen. Dies gilt

für Festköper wie auch für alle anderen Aggregatzustände. Für die thermische Ausdehnung

ist die Zunahme der Atomabstände verantwortlich. Dies geschieht entweder durch

Phasenumwandlungen, in denen sich die Gitterstruktur der Atome ändert oder durch das

“schwingen“ von Atomen. Beide Phänomene sollen in den nächsten beiden Kapitel erläutert

werden.

Die Längenänderung eines Werkstoffes beruht auf

dem sich ändernden Abstand zweier Atome. Der

Abstand von Atomen ist durch Kräfte bestimmt,

anziehende und abstoßende. Der

Gleichgewichtszustand liegt bei 𝑟0, an dieser Stelle

heben sich die Kräfte gegenseitig auf. Würden

beide Kräfte bei Temperaturerhöhung gleichmäßig

wachsen, so würde daraus ein symmetrisches

Bindungspotential 𝑊ℎ𝑎𝑟𝑚. entstehen und der

Abstand würde sich nicht ändern. Jedoch ist die

Änderung des Potentials anharmonisch. Aus der

Asymmetrie der Kurven folgt, dass der mittlere

Atomabstand 𝑟0 zunimmt (Abb.1). Aus dieser

Beziehung resultiert die Längenänderung.

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Abb.2 fester Verbund von Eisen- und Zink-Stab

Die Längenänderung bei Temperaturerhöhungen ist gering, jedoch spielt sie eine

wesentliche Rolle in zahlreichen technischen Gebieten. Beispielsweise müssen die

Ausdehnungskoeffizienten ∝𝑡ℎ von zwei Festkörpern, die in einem Gerät verbunden werden,

relativ gleich sein. Anderenfalls führen starke Temperaturschwankungen dazu, dass

aufgrund der inhomogenen Verformung ein Bauteil unter Spannung gerät oder sich biegt.

Ein einfaches Beispiel sind zwei Stäbe aus unterschiedlichen

Metallen, welche erwärmt werden. Da in der Regel von weichen

Metallen der Längenausdehnungskoeffizienten ∝𝑡ℎ größer ist als

der von harten Metallen, dehnt sich das weichere Metall stärker aus.

Als Resultat wird sich der in Abb.2 gezeigte Stab nach oben biegen.

Zur Berechnung der Spannung 𝜎𝐹𝑒 im Eisenstück wird folgende

Formel benötigt.

𝜎𝐹𝑒 =𝐸𝐹𝑒 ∙ 𝐸𝑍𝑛𝐸𝐹𝑒 + 𝐸𝑍𝑛

(∝𝑡ℎ,𝐹𝑒−∝𝑡ℎ,𝑍𝑛)∆𝑇

∆𝑇: 𝑇𝑒𝑚𝑝𝑒𝑟𝑎𝑡𝑢𝑟ä𝑛𝑑𝑒𝑟𝑢𝑛𝑔 𝐸𝐹𝑒:𝐸 −𝑀𝑜𝑑𝑢𝑙 𝐸𝑖𝑠𝑒𝑛 𝐸𝑍𝑛:𝐸 −𝑀𝑜𝑑𝑢𝑙 𝑍𝑖𝑛𝑘 𝛼𝑡ℎ,𝐹𝑒, 𝛼𝑡ℎ,𝑍𝑁:𝐿ä𝑛𝑔𝑒𝑛𝑎𝑢𝑠𝑑𝑒ℎ𝑢𝑛𝑔𝑠𝑘𝑜𝑒𝑓𝑓𝑖𝑧𝑖𝑒𝑛𝑡𝑒𝑛 𝐸𝑖𝑠𝑒𝑛 ,𝑍𝑖𝑛𝑘

Für die Berechnung des Längenausdehnungskoeffizienten ∝𝑡ℎ gehen wir davon aus, dass

ein Stab mit der Länge 𝐿0 bei einer Temperatur 𝑇0 vorliegt. Dieser Stab wird auf eine

Temperatur 𝑇1 erwärmt. Zur Berechnung der neuen Länge 𝐿 gilt folgende Gleichung:

𝐿 = 𝐿0(1 +∝𝑡ℎ (𝑇1 − 𝑇0))

wobei gilt:

𝑇1 − 𝑇0 = ∆𝑇

Durch Umformen ergibt sich die Formel, durch die ∝𝑡ℎ berechnet werden kann.

∝𝑡ℎ=𝐿 − 𝐿0𝐿0 ∙ ∆𝑇

=∆𝐿

𝐿0 ∙ ∆𝑇

Da 𝜀𝑡ℎ𝑒𝑟𝑚 = ∆𝐿𝐿0

, folgt daraus ∝𝑡ℎ= 𝜀𝑡ℎ𝑒𝑟𝑚∆𝑇

Im Allgemeinen ist ∝𝑡ℎ aber keine Konstante, sondern nimmt mit der Temperatur zu. Jedoch

kann ∝𝑡ℎ für metallische Werkstoffe zwischen 0℃ und 100℃ als konstant angenommen

werden. In Tabelle 1 sind einige Werte für die gebräuchlichsten Metalle zusammengefasst

(in10−6𝐾−1).

Ag Al Cu Fe Mg Ti

19.7 23.8 16.8 11.7 26.0 9.0

Tabelle 1 Ausdehnungskoeffizienten für einige Metalle (in10−6𝐾−1). [9]

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Außer dem Längenausdehnungskoeffizient spielen im Zusammenhang mit thermisch

bedingter Längenänderung noch Phasenumwandlungen eine Rolle. Bei Stählen finden bei

Temperaturen ab 723°C Phasenumwandlungen statt, welche Auswirkungen auf den

Ausdehnungskoeffizienten haben und zu Volumenänderung führen. Erklärt werden die

Phasenumwandlungen im nächsten Kapitel.

1.2 Umwandlung des Eisens

Reines Eisen ist ein polymorpher Werkstoff (griechisch: polymorphos, vielgestaltig). Das

bedeutet, dass die Kristallgitterstruktur sich mit der Temperatur ändert.

Bei Raumtemperatur liegt reines Eisen in einem kubisch-raumzentrierten Gitter vor. Diese

Anordnung wird als α-Eisen (Ferrit) bezeichnet. Sobald Eisen auf eine Temperatur von

911°C erwärmt wird, geht das α-Eisen in eine kubisch-flächenzentrierte Raumstruktur über.

Diese wird als γ-Eisen (Austenit) bezeichnet. Wird das γ-Eisen weiter bis zu einer

Temperatur von 1392°C erhitzt, findet erneut eine Umwandlung der Gitterstruktur statt.

Hierbei entsteht wieder ein kubisch-raumzentriertes Gitter, welches δ-Eisen (δ-Ferrit)

genannt wird. Bei einer Erwärmung auf über 1536°C schmilzt das Eisen. Die Umwandlungen

der Gitterstrukturen sind in den Längenänderungen einer Dilatometerkurve erkennbar.

Abb. 3 Berechnete Dilatometerkurve für reines Eisen mit eingezeichneten Phasenumwandlungen

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Die kontinuierliche Längenänderung mit wachsender Temperatur ist auf die im Abschnitt 1.2

beschriebene thermische Ausdehnung zurückzuführen. Die bei 911°C und 1392°C

auftretende sprunghafte Änderung der Länge beruht auf den stattfindenden

Phasenumwandlungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass α- und γ-Eisen sich sowohl in der

Gitterkonstante der Elementarzelle als auch in der Packungsdichte unterscheiden.

1.3 Das Eisen-Kohlenstoff Diagramm

Die bei Stählen bzw. Gusseisen mit unterschiedlichen Kohlenstoffgehalten als Funktion der

Temperatur auftretenden Phasen werden im Fe-C-Zustandsschaubild dargestellt. Dadurch

bildet es eine wichtige Grundlage für die technischen Anwendungen von Stählen.

Abb.4 Metastabiles Zustandsdiagramm Fe, Fe3C Gefügemäßige Betrachtung)[1]

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Auf der X-Achse des Eisen-Kohlenstoff Diagramms ist der Kohlenstoffgehalt aufgetragen,

auf der Y-Achse die Temperatur. Die Form des Schaubildes wird im Wesentlichen durch die

Löslichkeit von Kohlenstoff in α-, bzw. γ-Eisen geprägt. Beide Zellen besitzen

Oktaederlücken. Sie sind für das γ-Eisen wesentlich größer als für das α-Eisen. Ein

Kohlenstoffatom benötigt jedoch etwas mehr Platz. Deshalb werden die Zelle, in die sich das

Kohlenstoffatom einlagert, wie auch die benachbarten Zellen aufgeweitet. In diese

aufgeweitete Umgebung eines Kohlenstoffatoms kann kein anderes Atom mehr in das Gitter

eingebaut werden. In γ-Eisen, in dem das Gitter durch die Einlagerung des Kohlenstoffs nur

wenig aufgeweitet wird, ist mehr Kohlenstoff löslich als im α-Eisen. Mit steigender

Temperatur nimmt die Gitterkonstante zu. Dies bedeutet, dass mehr Kohlenstoffatome in die

Gitter eingelagert werden können.[4]

Krz Kfz

O-Lückenradius 𝑟0 = 0,152𝑟𝐹𝑒 𝑟0 = 0,414𝑟𝐹𝑒

Zahl der O-Lücken pro Elementarzelle 6 4

Zahl der O-Lücken pro Fe-Atom 3 1 Tabelle 2 Vergleich kubisch-raumzentrierter- und kubisch-flächenzentrierter-Gitter im Bezug auf Oktaederlücken

Die Gefügeänderungen von Stahllegierungen bzw. Gusseisen werden in Beziehung zum

Kohlenstoffgehalt und Temperatur beschrieben. Über 2,06% Masseprozent Kohlenstoff

zählen alle Legierungen zu den weißen Gusseisen. Stähle haben laut Definition einen

Kohlenstoffgehalt von bis zu 2,06% und werden in diesem Praktikum betrachtet.

Diese werden unterscheiden in:

• 0,02 < Massegehalt C < 0,8 untereutektoide Stähle

• 0,8% Massegehalt C eutektoide Stähle

• 0,8 > Massegehalt C < 2,06 übereutektoide Stähle

Allgemein können im Eisen-Kohlenstoffdiagramm die Gefügearten und

Phasenumwandlungen erkannt werden. Wichtig ist hierbei die P-S-K Linie, ab der sich die

Gefüge bei Raumtemperatur anfangen in Austenit umzuwandeln. Diese Umwandlung ist in

der Wärmebehandlung von Stählen von größter Wichtigkeit. Zusätzlich kann in diesem

Diagramm der Massegehalt an Zementit abgelesen werden.

Weitere wichtige Punkte des Eisen-Kohlenstoffdiagramms:

• S = eutektoider Punkt

• C = eutektischer Punkt

• G = α / γ - Umwandlungspunkt des reinen Eisens

• E = Punkt max. C-Löslichkeit im γ - MK

• P = Punkt max. C-Löslichkeit im α - MK

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1.4 Einfluss von Legierungselementen

Wie schon im vorhergehenden Kapitel beschrieben, können die Umwandlungstemperaturen

von Stählen aus dem Eisen-Kohlenstoffdiagramm abgelesen werden. Dies gilt allerdings nur

für unlegierte Stähle. Sobald dem Eisen weitere Legierungselemente hinzugefügt werden,

verschieben sich die Gleichgewichtslinien des Diagramms. Umwandlungen finden nun bei

anderen Temperaturen und Konzentrationen statt.

Dies begründet sich in der Eigenschaft von Legierungselementen, bestimmte Phasen des

Eisens stabiler oder instabiler zu gestalten. In Abb.5 wird beispielsweise ein Kohlenstoffstahl

(C45E) mit einem legierten Stahl (42CrMo4) verglichen. Beide besitzen den annähernd

gleichen Massegehalt an Kohlenstoff, jedoch treten die Umwandlungen bei deutlich

verschiedenen Temperaturen auf.

Abb.5 Vergleich einer Dilatometerkurve vonC45E und 42CrMo4

C45E 42CrMo4

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1.5 ZTU-Schaubilder

Das Zeit-Temperatur-Umwandlungs Diagramm (ZTU) beschreibt die Entwicklung des

Gefüges unter dem Einfluss verschiedener Abkühl-Temperaturverläufe. Durch die Hilfe von

ZTU-Schaubildern können gezielt Wärmebehandlungen reproduzierbar durchgeführt werden.

Entwickelt werden diese Diagramme mittels eines Abschreckdilatometers nach DIN 51045-1. Die Schaubilder werden nach ihrer Art der Abkühlung in zwei Arten von ZTU Diagrammen

unterschieden, isotherme- und kontinuierliche-ZTU-Diagramme.

• isotherm: Bei isothermen ZTU-Schaubildern wird der Zusammenhang zwischen der

Haltetemperatur, der Haltedauer und dem Ablauf der Gefügeumwandlung dargestellt.

Die auf Austenitisierungstemperatur gebrachten Proben werden rasch auf die

gewünschte Temperatur 𝑇𝑈 abgekühlt und auf dieser Temperatur gehalten. Die

isothermen Schaubilder werden entlang der Temperaturlinie (T=const.) gelesen.

• kontinuierlich: Bei den kontinuierlichen ZTU-Schaubildern wird der Zusammenhang zwischen der

Abkühlgeschwindigkeit und der Gefügeumwandlung dargestellt. Die auf

Austenitisierungstemperatur gebrachten Proben werden mit unterschiedlichen

Geschwindigkeiten abgekühlt. Die kontinuierlichen Schaubilder werden entlang der

Temperaturverläufe gelesen.

In Abb.6 ist ein isothermes ZTU-Schaubild

von C45E zu sehen. Im Vergleich dazu ist

ein kontinuierliches ZTU-Schaubild

desselben Stahles in Abb.7 zu sehen. Man

sieht die charakteristischen Unterschiede

der beiden Schaubilder, welche durch die

Art der Abkühlung zustande kommen. Das

typische Aussehen der ZTU Schaubilder,

welches durch die „Rundungen und Nasen“

geprägt wird, entsteht durch eine

Überlagerung zweier Vorgänge. Zum einen

nimmt das Umwandlungsbestreben mit

steigender Unterkühlung zu, gleichzeitig

verringert sich aber die Beweglichkeit (Diffusion) der Atome.

Abb.6 Isothermes ZTU-Schaubild Ck45[7]

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Bei der isothermen Abkühlung sind die

Triebkräfte der Umwandlung größer, daher

sind auch die Phasenumwandlungslinien im

Vergleich zu kontinuierlichen Schaubilder zu

kürzeren Zeiten verschoben.

2 Dilatometer

Der Dilatometerversuch ist eine thermoanalytische Messmethode zur Bestimmung von

Dimensionsänderungen eines Materials, während es einem kontrollierten

Temperaturprogramm ausgesetzt ist [8].

Das Dilatometer ist ein Messgerät um die Ausdehnung von Werkstoffen zu erfassen. Der am

häufigsten verwendete Typ ist das thermische Dilatometer, welches die Proben einer

thermischen Belastung aussetzt und die thermische Ausdehnung misst. Genutzt wird die

Dilatometrie beispielsweise in der Grundlagenforschung, der Wärmebehandlung und der

Qualitätssicherung. Die Einsatzschwerpunkte dort sind breit gefächert:

1) Messungen des Ausdehnungskoeffizienten ∝𝑡ℎ und der relativen Längenänderung.

2) Untersuchungen von Phasenumwandlungen.

3) Untersuchungen von Rekristallisationsvorgängen.

4) Bestimmung der Sintertemperatur und des Sinterverhalten von Keramiken.

5) Ermittlung des Erweichungspunkt und der Transformationstemperatur von Gläsern.

6) Ermittlung der Gitter- und Gefügeumwandlungen von Metallen.

7) Bestimmung des Ausdehnungs- und Temperaturverhaltens von Hoch-

temperaturwerkstoffen.

8) Ermittlung der Glasübergangstemperatur und Schrumpfungstemperatur von Kunst-

stoffen.

Abb.7 kontinuierliches ZTU Diagramm Ck45[7]

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Durch das Einsetzen von Abschreckdilatometern können Proben innerhalb weniger

Sekunden von 1000 auf Raumtemperatur abgekühlt werden. Dies geschieht durch

Kühlung mit Stickstoff oder Kältemitteln, die um die Probe herum geleitet werden. Mithilfe

dieser speziellen Maschinen werden ZTU-Schaubilder erstellt.

Abbildung 8 zeigt den Aufbau eines Schubstangendilatometers. Die zu messende Probe liegt

auf zwei Probenhaltern in einem Schutzrohr aus Quarz. Mit Fühlstempeln (oder

Schubstangen) werden die Proben an ein fixiertes Endplättchen gedrückt. Diese

Schubstangen sind direkt mit einem Wegaufnehmer verbunden. In Nähe der Proben ist ein

Abb.8 Schematischer Aufbau eines Schubstangendilatometers.[8]

Thermoelement angebracht, welches die Temperaturänderungen in Probennähe an den

Computer weitergibt. Das Quarzrohr ist luftdicht verschlossen und an eine Vakuumpumpe

sowie an eine Gasflasche angeschlossen. Umgeben wird die komplette Probenhalterung

inklusive Quarzrohr von einem Widerstandsofen, der die Probe erhitzt. Um die Ergebnisse

nicht zu verfälschen, ist der Wegaufnehmer durch Wasser konstant auf 25°C gekühlt.

Die DIN 51045-1 beschreibt ein Prüfverfahren zur Bestimmung der thermischen

Längenänderung fester Körper mithilfe des Dilatometers. Da sich unter der thermischen

Belastung die Schubstangen und Haltevorrichtungen der Apparatur auch ausdehnen, ist es

wichtig, dass diese aus einem Werkstoff mit reversibler thermischer Dehnung bestehen. Um

die tatsächliche Längenäderung der Probe zu erhalten, müssen diese Dehnungen von den

ermittelten Werten abgezogen werden

Da beide Längenänderungen nicht bekannt sind, müssen diese durch einen

Korrekturversuch ermittelt werden. Für die benötigte Korrekturfunktion wird ein

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Korrekturkörper(z.B. aus Platin) dessen Ausdehnungsverhalten als bekannt vorausgesetzt

wird und keine irreversiblen Anteile enthalten darf, mit demselben Temperaturverlauf, wie der

des eigentlichen Versuch, vermessen.

Zur Bestimmung der Korrekturfunktion wird der Messwert der Referenzprobe ∆𝑙𝐾 von dem

Literaturwert der Referenzprobe ∆𝑙𝑉 abgezogen, um damit den Messfehler zu bestimmen.

Die tatsächliche Längenänderung der untersuchten Probe ∆𝑙 ergibt sich somit aus dem

gemessenen Wert ∆𝑙𝑀 und der Korrekturfunktion (∆𝑙𝑉 − ∆𝑙𝐾).

∆𝑙 = ∆𝑙𝑀 + (∆𝑙𝑉 − ∆𝑙𝐾)

Für die Praktikumsversuche wird ein Differenz-Dilatometer eingesetzt. Dies ist eine spezielle

Form des Dilatometers, bei dem zwei Proben miteinander verglichen werden. Die erste

Probe ist hierbei die zu untersuchende Probe. Die andere Probe ist aus demselben Material

wie auch die Schubstangen und die Probenhalterungen. Sie wird als Referenzprobe

bezeichnet und durchläuft den gleichen Versuch wie die eigentliche Probe. Aufgrund der

Differenzbildung ist die Genauigkeit dieser Dilatometer besonders groß, da durch die

Vergleichsprobe die Dehnung der Schubstangen mit berücksichtigt werden kann. In Abb.8 ist

ein schematischer Aufbau dieser Probenhalterung zu sehen. In Abb.9 ist ein Bild des

Dilatometers dargestellt.

Beim Starten des Dilatometers werden die Proben erhitzt und die Längenänderung durch

den Fühlstempel an den Wegaufnehmer übertragen. Die gewonnen Längenänderungen

werden als Funktion der Temperatur aufgezeichnet. Abb.10 zeigt die Längenänderung am

Beispiel einer Probe aus C45E beim Aufheizen auf 950°C und beim anschließenden

Abkühlen auf Raumtemperatur. Bei der Aufheizphase ist ein Sprung im Linienverlauf bei

750°C zu erkennen. Die Längenänderung nimmt schlagartig ab, um dann wieder

gleichmäßig anzusteigen. Der Sprung ist auf die Umwandlung von α-Eisen in γ-Eisen

Abb.9 Ausschnitt des Schubstangendilatometer der Universität Kassel

1

5

4 3 2

1- Schubstangen 2- Thermoelement 3- Referenzprobe 4- Quarzrohr 5- Probe

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zurückzuführen. Nachdem die Probe eine Temperatur von 950°C erreicht hat, wird sie

wieder auf Raumtemperatur abgekühlt. Beim Abkühlen ist ebenfalls ein Sprung im

Linienverlauf zu erkennen. Dieser setzt allerdings bei einer späteren Temperatur ein und

dabei nimmt die Längenänderung schlagartig zu.

Abb.10 Diagramm einer C45E Probe. Aufgetragen ist die Längenänderung (blau) über die Probentemperatur.

3. Aufgabenstellung

Anhand einer Probe aus C80 sollen die Volumenänderung und die Längenänderung mithilfe

eines Dilatometers bestimmt werden. Außerdem soll der thermische Ausdehnungskoeffizient

ermittelt werden.

4. Versuchsdurchführung

4.1 Kolloquium

Zu Beginn jedes Praktikumsversuches wird in einem kurzen Kolloquium das Verständnis

über den jeweiligen Versuch abgefragt. Grundlage hierfür sind das vorliegende Skript sowie

der Vorlesungsstoff aus Werkstofftechnik 1 und 2. Eine Teilnahme am eigentlichen

Praktikumsversuch ist nur nach erfolgreichem Kolloquium möglich!

Es wird darauf hingewiesen, das für den Versuch ein Taschenrechner nötig ist.

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4.2 Versuchsablauf

Je nach Gruppe wird die Aufwärm- oder Abkühlphase einer Probe aus C80 mithilfe eines

Dilatometers beobachtet und die Messwerte ausgewertet. Anschließend werden die

Ergebnisse in der Gruppe diskutiert

5. Kontrollfragen

a. Wodurch entsteht die Längenänderung bei Metallen als Funktion der

Temperaturen?

b. Wie ist der Ausdehnungskoeffizient ∝𝑡ℎ definiert?

c. Erläutern Sie die Gitterumwandlung beim reinen Eisen.

d. Wo befindet sich der eutektoide Punkt und der eutektische Punkt im Eisen-

Kohlenstoff-Diagramm und worin unterscheiden sich diese?

e. Nennen Sie die Legierungselemente sowie die -anteile von 42CrMo4 und

C45E.

f. Nenne Sie drei wichtige Legierungselemente von Stahl und deren Bedeutung.

g. Nennen Sie Anwendungsgebiete für das Dilatometer.

h. Wie wird die Längenänderung ∆l mithilfe des Dilatometers bestimmt?

i. Worin besteht der Unterschied zwischen einem isothermen und einem

kontinuierlichen ZTU (Zeit-Temperatur-Umwandlungs) –Schaubild?

j. Erläutern Sie, wie ein kontinuierliches ZTU-Diagramm erstellt wird!

6. Literatur [1] B. Scholtes: Skript zur Vorlesung Werkstofftechnik 2

[2] A. Brückner-Foit: Skript zur Vorlesung Werkstofftechnik

[3] Hougardy: Umwandlung und Gefüge unlegierter Stähle 1990

[4] D. Horstmann: Das Zustandsschaubild Eisen-Kohlenstoff 1985

[5] W.F. Hemminger, H.K. Cammenga: Methoden der Thermischen Analyse 1989

[6] Escher: Skript Thermische Ausdehnung TU Dresden

[7] S. Oehler, F. Gansert: Skript Zeit- Temperatur- Umwandlungs- Diagramme TU Dresden

[8] NETZSCH: PDF zur Dilatometrie anhand des Dilatometers DIL 402 C

[9] Guinier / Jullien: Die physikalische Eigenschaften von Festkörpern 1992