untersuchungen zur thermodynamik und konformation von makromolekülen in polymermischungen in der...

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Makromol. Chem. 181,1655 -1672 (1980) 1655 Untersuchungen zur Thermodynamik und Konformation von Makromolekulen in Polymermischungen in der Nahe von Entmischungspunkten durch Neutronenbeugung Herrn Prof. Dr. H. Pommer mm 60. Geburtstag gewidmet Burghard J. Schmitt Kunststofflaboratorium der BASF AG, D-6700 LudwigshafedRhein Rudolf G. Kirste*, Jernej JeleniC') Institut fiir Physikalische Chemie der Universitlt Mainz, Jakob Welder-Weg 15, D-6500 Maim (Eingangsdatum: 12. Juli 1979) SUMMARY: The structure and the thermodynamics of polymer blends made from two poly(styrene/ acrylonitrile) copolymers with a different ratio of styrene/acrylonitrile are investigated by neutron scattering. These systems are endothermic, exhibit a positive value for the Huggins parameter x and show phase separation at sufficiently large molecular weights. The results are in good agreement with the corresponding states theory of Prigogine and Patterson. Other polymer blends are exothermic, exhibit negative x-values and are compatible even for infinitely large molecular weights. In these cases one can adapt the theoretical equations to the experi- ments by the introduction of a suitable parameter for an exothermic contact energy. This is shown for blends from poly(methy1 methacrylate) and poly(styrene/acrylonitrile). Grundlagen Mischungen von zwei hochmolekularen Stoffen unterscheiden sich in thermodyna- mischer Hinsicht ganz wesentlich von Mischungen, an denen mindestens eine nieder- molekulare Verbindung beteiligt ist. Dies sei an Hand der Flory-Huggins-Gleichung ftir Mischungen von Polymeren1*2) erortert. Werden n, Mole der Komponente 1 und n, Mole der Komponente 2 gemischt, so gilt fiir die h d e r u n g der Gibbs-Energie p, und p, sind die chemischen Potentiale, p, und & die Volumenbriiche, genauer: die Segmentbriiche ' ) Dissertation Universitlt Maim 1979.

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Page 1: Untersuchungen zur thermodynamik und konformation von makromolekülen in polymermischungen in der nähe von entmischungspunkten durch neutronenbeugung

Makromol. Chem. 181,1655 -1672 (1980) 1655

Untersuchungen zur Thermodynamik und Konformation von Makromolekulen in Polymermischungen in der Nahe von Entmischungspunkten durch Neutronenbeugung

Herrn Prof. Dr. H. Pommer mm 60. Geburtstag gewidmet

Burghard J. Schmitt

Kunststofflaboratorium der BASF AG, D-6700 LudwigshafedRhein

Rudolf G. Kirste*, Jernej JeleniC')

Institut fiir Physikalische Chemie der Universitlt Mainz, Jakob Welder-Weg 15, D-6500 Maim

(Eingangsdatum: 12. Juli 1979)

SUMMARY: The structure and the thermodynamics of polymer blends made from two poly(styrene/

acrylonitrile) copolymers with a different ratio of styrene/acrylonitrile are investigated by neutron scattering. These systems are endothermic, exhibit a positive value for the Huggins parameter x and show phase separation at sufficiently large molecular weights. The results are in good agreement with the corresponding states theory of Prigogine and Patterson. Other polymer blends are exothermic, exhibit negative x-values and are compatible even for infinitely large molecular weights. In these cases one can adapt the theoretical equations to the experi- ments by the introduction of a suitable parameter for an exothermic contact energy. This is shown for blends from poly(methy1 methacrylate) and poly(styrene/acrylonitrile).

Grundlagen

Mischungen von zwei hochmolekularen Stoffen unterscheiden sich in thermodyna- mischer Hinsicht ganz wesentlich von Mischungen, an denen mindestens eine nieder- molekulare Verbindung beteiligt ist. Dies sei an Hand der Flory-Huggins-Gleichung ftir Mischungen von Polymeren1*2) erortert. Werden n, Mole der Komponente 1 und n, Mole der Komponente 2 gemischt, so gilt fiir die hde rung der Gibbs-Energie

p, und p, sind die chemischen Potentiale, p, und & die Volumenbriiche, genauer: die Segmentbriiche

') Dissertation Universitlt Maim 1979.

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1656 B. J. Schmitt, R. G . Kirste, J. JeleniE

Die Polymerisationsgrade PI und P2 der Komponenten sind zu messen als Reduk- tionsvolumina Vtund V,*bezogen auf ein Referenzvolumen V: 2,

PI = V,VV: und P2 = V$/V: (4)

V:ist im Sinne der Gittertheorie als das Volumen einer Gitterzelle definiert. Haufig wird es mit dem Molvolumen des Grundbausteins der Komponente 1 bei 0 K identifi- ziert. Vrund Vzwerden auch als ,,Hartkernvolumina“ bezeichnet. Es sind die Mol- volumina ohne den zugehtirigen Anteil an freiem Volumen; x ist der Hugginssche Wechselwirkungsparameter bezogen auf Fadensegmente von der Grtibe des Referenz- volumens.

Zunachst sollen Ltisungen mit x = 0 betrachtet werden, und zwar solche, fur die die folgenden beiden Kriterien gelten: (i) die gebildeten 1 -2-Kontakte sind energetisch den beim Mischungsvorgang geltisten 1-1- und 2-ZKontakten aquivalent, (ii) beim Mischen tritt kein Volumeneffekt auf. Es gelten deshalb die Beziehungen

AV,, = 0 und AH- = 0 ( 5 )

AG- ist d a m durch die Zunahme der Anordnungsmtiglichkeiten der Molekiile bei der Herstellung der Mischphase, d. h. durch eine Entropiezunahme bedingt. Da diese als kombinatorisches Problem behandelt und berechnet werden kann, wird sie als kombinatorische Mischungsentropie bezeichnet . Es gilt

ASZmb = - R [n, In (pl + n2 In p2] und (6)

Besitzen die beiden Komponenten gleiche Polymerisationsgrade (PI = P,), so werden die Volumenbruche den Molenbriichen gleich und G1. (6) geht in den entsprechenden Ausdruck fur die ideale Mischungsentropie uber.

Bei Beteiligung einer niedermolekularen Verbindung ist die kombinatorische Mi- schungsentropie stets der bei weitem grtjbte der fur die Erreichung eines negativen AG- gunstigen Einflusse. Im Grenzfall PI + 03, P, + 00 verschwinden jedoch n, und n2 und deshalb nach G1. (6) auch die gesamte kombinatorische Mischungsentro- pie. Aus dem gleichen Grund wird jetzt bei hinreichend gronen Molekulargewichten auf jeden Fall der 2-Term in Gln. (1) und (2) dominierend. Negative X-Werte sind d,ann eine Voraussetzung fur eine stabile Mischphase. Dies ist der Grund fur die aubergewtihnliche Thermodynamik der Polymermischungen.

Wegen der direkten experimentellen Zugtinglichkeit und der unmittelbaren Bezie- hungen zu den thermodynamischen Exzebgrtiben ist es manchmal niitzlich, statt der X-Werte die zweiten osmotischen Virialkoeffizienten (A,) zu betrachten. Fur ver- diinnte Ltjsungen (cp2 + 0) ist die Umrechnung gegeben durch3)

A2 = (V;/(Vl M;))(03 - P I X ) (8)

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Untersuchungen zur Thermodynamik und Konformation von Makromolekiilen. . . 1657

Vl und V, sind die partiellen Molvolumina der Komponenten und Mz ist die Mol- masse der Komponente 2. Der erste Summand in G1. (8) ist der kombinatorische An- teil von A,. Fur die Diskussion realer Mischungen zerlegen wir A, gemM

in einem kombinatorischen und einen ,y-abhangigen Summanden. Im Grenzfall eines unendlich groBen Molekulargewichts der Komponente 1 verschwindet AYmb.

Im ,y-Parameter sind zwei physikalische Einfliisse zusammengefal3t'): (i) die Kon- taktenergie einschlieBlich des durch sie induzierten Entropieeffekts und (ii) die h d e - rung des freien Volumens beim Mischen der Komponenten. Die entsprechenden An- teile ,ycontan und ,yf,v, sind additiv:

X = Xcontact + Xf.V. (10)

Die Kontaktenergie

Sind die beim Mischen gebildeten 1-2-Kontakte den aufgelbsten 1-1- und 2-2-Kon- takten energetisch nicht gleichwertig, so wird ein entsprechender Enthalpie-Effekt be- obachtet. Wenn kein Mischungsvolumen auftritt, wird zur Bildung von 1 -2-Kontak- ten je ein 1-1- und ein 2-2-Kontakt gelbst:

(1-1) + (2-2) -, 2(1-2) (quasichemischeGleich~ng~)) (1 1)

Werden mit el e,, und el, die Energien fur die entsprechenden Segment-Kontakte bezeichnet, so m r d e die durch Bildung von 1-2-Kontakten beim Mischen auftretende Wechselwirkungsenergie w = 2e12 - el l - eZz fur

El2 = (Ell + &22)/2 (12)

verschwinden. Sind die Van der Waalsschen Kriifte reine Dispersionskritfte, so gilt lel~l = I/EIIEu < + &221/2, was einer schwach endothermen Wechselwirkung entspricht6). Bei polaren und anderen ,,spezifischen" Wechselwirkungen kann auch eine exotherme Kontaktenergie auftreten.

Wesentlich ist, dal3 die Kontaktenergie einen Entropie-Effekt zur Folge hat, der die Wirkung der Kontaktenergie auf AG- weitgehend kompensiert, eventuell sogar ilberkompensiert. Eine exotherme Kontaktenergie bewirkt eine Erhbhung der Ord- nung in der Struktur, also einen fur die Mischung ungiinstigen Entropie-Effekt. Ob in einem gegebenen Fall die Kontaktenergie selbst oder die von ihr induzierte Entropie- itnderung in der Wirkung auf AG- die Oberhand behat, ist schwer vorherzusagen. Bei exothermer Kontaktenergie resultiert bei geniigend tiefer Temperatur ein gunsti- ger (negativer) Effekt bei AG- (XContaa c 0). Bei Temperaturerhbhung kehrt sich das Vorzeichen schlieBlich um. Wenn die Kontaktenergie nur durch Dispersionskriifte be- stimmt ist, resultiert stets ein ungunstiger (posither) Effekt bei AG- (x,ontaa > 0). Nach Patterson gilt in der hier verwendeten Schreibweise4* ')

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1658 B. J. Schmitt, R. G. Kirste, J. JeleniE

Zur Ableitung wird das Theorem der tibereinstimmenden Zustiinde verwendet; p*, V* und T* sind die ReduktionsgrdDen ftkr die reduzierten Zustandsfunktionen j, und F. XI, ist ein von Flow eingeftkhrter Parameter zur Beschreibung der Kontakt- energie. Wenn nur Dispersionskriifte wirksam sind, kann niiherungsweise

gesetzt werden. X12 und damit xwnW kann in diesem Fall nur positiv werden. Wenn negative xWnm dargestellt werden sollen, mu13 X12 entsprechend angepaBt werden.

A'nderung des freien Volumens

Nach der Theorie von Prigogine and Flory2.*) ergeben unterschiedliche freie Volu- mina zweier Komponenten bei der Mischung einen nqativen Beitrag zu A V , . Dieser ist mit einem exothermen Enthalpie-Beitrag verbunden, der durch eine Zunahme der Zahl der Segment-Segment-Kontakte gedeutet werden kann. Wie bei der Kontakt- energie ist auch hier der exotherme Enthalpie-Effekt mit einer ftkr die Stabilitiit der Mischung ungiinstigen Entropieiinderung verkntkpft, Als Summe berechnet sich hier aber stets ein positiver, also ungtknstiger Beitrag zu x und AG,. Ftkr niedrige Driicke 8 = 0) giit4.7)

Ftir den Vergleich mit Messungen wird gemm G1. (8) P, x = Vl%/V:ben6tigt, so dal3 das in den Gln. (13) und (15) auftretende Referenzvolumen herausfllllt. Erne Festlegung von v* kann auf diese Weise vermieden werden. Wenn allerdings die X-Werte selbst experimentell bestimmt und mit der Theorie verglichen werden sollen, mul3 ein Wert far V: eingesetzt werden, und mar sowohl beim theoretischen wie auch beim experimentellen x. Ein Fehler bei v* macht sich dann bei beiden X-Werten in der gleichen Weise bemerkbar.

Hinweise zur Durchfiihrung der Experimente und zur Auswertung

Die Herstellung der Polymeren und die Durchfiihrung der Streuexperimente ist a. a. 0. be- schrieben ~orden ' ,~) . Zur Herstellung der statistischen Copolymeren aus Styrol (ST) und Acrylnitril (AN) sei hier nochmals hervorgehoben, dal3 die Praparate aufgrund der Polymerisa- tionsbedingungen eine hohe chemische Einheitlichkeit besitzen. Die Statistik der Copolymerisa- tion verursacht allerdings eine unvermeidbare chemische Uneinheitlichkeit. Aus den Copoly- merisationsparametern r(ST) = 0.39 und r(AN) = 0,04 errechnet sich nach Stockmayer lo) und Tosi"), daJ3 95'70 der KettenmolekUle eine Zusammensetzung aufweisen, die um maximal 1 Gew.-% ilber oder unter dem angegebenen AN-Gehalt liegt. Das Azeotrop liegt bei 25 Gew.-% AN. Vor Herstellung der Mischungen wurden bei allen Polymerisaten die hoch- und niedermolekularen Anteile durch Kopf-Schwanz-Fraktionierung entfernt . In einigen F a e n wurden von vornherein Fraktionen eingesetzt (s. dam Experimente in Tab. 4).

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Untersuchungen zur Thermodynamik und Konformation von MakromolekiUen . . . 1659

Tab. 1. mischer Expansionskoeffizient; 6, LOslichkeitsparameter; v, spezifisches Volumen)

Prtiparat- M,. 'Unein- a - 1@/K-' 6(bei 120°C) v/(cm3-g-') bezeich- (Licht- heit- fiir J ~ n . , ,-3/2 bei 25 "C nung a) streuung) lich r-*-\ nach H~~ 12)

keitb) T < Tg T > Tg

PSAN-15,5 130 4.83 19 060 0,9385 19 160 0,937 19 300 0,936 19 300 0,936

PSAN-17 210 PSAN-19 (I) 210 PSAN-19 (11) 280 4,80 D-PSAN-19 290 4,80 19 300 0,8695 PSAN-20,5 190 4,78 19 400 0,935 PSAN-21,9 150 4,76 19 500 0,9345 PSAN-25 155 4,72 19 720 0,9325 PSAN-26,8 110 4,70 19 840 0,9311

D-PMMA 280 1,0 2,6 5,74 17 970 0,7823

a) Vgl. Text.

Charakteristische Daten der verwendeten PrLparate (a = (1/V)(8V/8np, ther-

b, M,/M" - 1.

In Tab. 1 sind Kenndaten der eingesetzten Polymerisate aufgefiihrt. PSAN dient zur Bezeich- nung der statistischen Copolymeren aus Styrol und Acrylnitnl; die Zahlen hinter PSAN (z.B. PSAN-19) geben den Gehalt an AN in Gew.-% an. PMMA bezeichnet Polymethylmethacrylat. Deuteroverbindungen sind durch D- gekennzeichnet. Der Deuterierungsgrad wurde mittels Kernresonanz kontrolliert. Er liegt bei 99%. Die Lichtstreuungsmessungen zur Bestimmung der Molekulargewichte wurden in N,N-Dimethylformamid durchgefllhrt. Die spezifischen Volu- mina wurden nach der Schwebemethode gemessen (Messungen K. H. Illers, BASF). Die ther- mischen Ausdehnungskoeffizienten der PSAN-Copolymeren wurden iiber die Temperaturab- htingigkeit des Brechungsindexes (n) nach Lorenz und Lorentz

R n 2 + 2 M n 2 - 1

v = - -

bestimmt (R = Molrefraktion). Differentiation nach T liefert

6n

Der thermische Ausdehnungskoeffizient von PMMA wurde von W. Wunderlich gemes~en'~). Zur Herstellung der ProbekOrper wurde die deuterierte und die nicht-deuterierte Polymer-

komponente gemeinsam entsprechend dem gewtinschten Mischungsverhiiltnis in 1 ,CDioxan ge- lost. Die Polymergesamtkonzentration war dabei so bemessen, daR stets eine vollstilndig homo- gene optisch klare LOsung erhalten wurde. Nach schockartigem Gefrieren wurde das LOsungs- mittel durch Sublimation entfernt und die verbleibende schaumartige harte Polyrnerenmischung im Vakuum bei 60 bis 80 "C nachgetrocknet.

Das plattenformige Target (Durchmesser 20 mm, Dicken 1 bzw. 5 mm bei UberschuR der nicht-deuterierten bzw. der deuterierten Komponente) wurde durch 1/2sttindiges Verpressen des Schaumes auf beheizten IWK-Hydraulikpressen erhalten. Als PreRform dienten Edelstahl- platten mit entsprechender Dicke und Bohrung; die Bohrungen waren mit horizontalen AbfluO- kaniilen ftir tiberschilssiges Material versehen. Die Temperatur lag bei 180°C und wurde mit Thermoelementen kontrolliert, die unmittelbar neben den Bohrungen in den Stahlplatten ange- bracht waren.

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1660 B. J. Schmitt, R. G. Kirste, J. JeleniE

Durch die bei diesen Temperaturen relativ niedrigen Schmelzviskosittlten (q = 2 . lo3 bis 5 * lo3 Pa. s) wird das thermodynamische Gleichgewicht mit relaxierter Konformation der Ket- ten.eingestellt. Die Abkiihlung der Proben erfolgte unter Formzwang mit Kiihlgeschwindigkei- ten von 1,5 " C h i n auf Temperaturen von etwa 60 "C. Nach Unterschreiten der Glastemperatur bei etwa 100°C ist der Schmelzzustand eingefroren. Da zeitliche hderungen unterhalb der Glastemperatur nur sehr langsam ablaufen, reprlentieren alle tieferen Temperaturen praktisch diesen Zustand. Zur Durchfiihrung von Streuexperimenten bei nicht eingefrorener Kettenbe- weglichkeit werden die Proben wieder hinreichend lange aufgeheizt. Die Einstellung von Gleich- gewichtszusttlnden wird belegt durch die Reversibilittlt bei der experimentellen Bestimmung von Triibungsgrenzen, die Reproduzierbarkeit von Mblekiilkonformationen bei Variation der Tem- peratur in friiher untersuchten Mischungen (PSANIPMMA und PaMSlPMMA) und die licht- oder elektronenoptische zeitliche Verfolgung der En tmisch~ng~~ 14).

Tab. 2. Daten zur Berechnung der Streukonstanten in GI. (18)

Komponente 1 a) Komponente 2 S,** lo-'' s, * 10-10 K . 103 cm-2 cm-g- ' mol . cm2. g-' (Temperatur)

PSAN-153 PSAN- 17 PSAN-19 PSAN-20,5 PSAN-21,9 PSAN-25 PSAN-26,8

PSAN-15,5 PSAN-21,9

PSAN-15.5 PSAN-20,5 PSAN-21,9

D-PMMA

Mischung von 4 Gew.-%

% Gew.-% D-PSAN-19 + D-PMMA

Mischung von 50 Gew.-Vo

50 Gew.-% D-PSAN-19 + D-PMMA

D-PSAN- 19 (25 "C)

} :z0A$19

D-PSAN-19 (1 30 "C)

PSAN-19 (25 "C) I

1,552 1,566 1,585 1,596 1,607 1,635 1,651

1,526 1,581

1,505 1,547 1,559

6,989

6,965

6,726

5 9 6 4 5 9 6 4 5964 5 9 6 4 5 9 6 4 5 9 6 4 5964

5964 5,64

5964 5964 5 9 6 4

1,48

1,48

1.48

a) Wegen der Priiparatbezeichnungen vgl. Text zu Abb. 1.

3 9 0 6 3904 3,02 3900 2,99 29% 2,94

3906 2999

3909 3,03 3,02

4,23

4,19

3,83

Unmittelbar vor der Durchftihrung der Neutronenbeugungsexperimente wurden die Proben jeweils 2 Stunden bei der MeRtemperatur temperiert. Die zur Auswertung der Neutronenbeu- gung benOtigten Daten sind in Tab. 2 zusammengestellt. S ist die auf 1 g bezogene, S* die auf 1 cm3 bezogene Streulhgensumme; u ist das partielle, spezifische Volumen und K = (S, - u, Sf)'/NL die Streukonstante fiir die Debye-Zimmsche Streugleichung Is)

Page 7: Untersuchungen zur thermodynamik und konformation von makromolekülen in polymermischungen in der nähe von entmischungspunkten durch neutronenbeugung

Untersuchungen zur Thermodynamik und Konformation von Makromolekiilen. . . 1661

K c , / R ( K ) = 1/(M2P(~)) + 2A,cz rnit K = (47dl)sinIP (18)

wobei I9 den halben Streuwinkel, P ( K ) die Ein-Partikel-Streufunktion des Polymeren 2, R (K) das Rayleigh-Verhaltnis und c, die Konzentration des Polymeren 2 in g/cm3 bedeuten. Das Polymere 2 liegt bei Anwendung von G1. (18) stets in geringer Konzentration ( 5 1 . g/cm3) vor. Zur Bestimmung von M, (als Gewichtsmittel) aus der Neutronenbeugung (s. Tab. 3) wurde die gemessene Streuintensitilt mit der Streukraft eines Standardpolymeren (mit bekanntem M,) verglichen. Zur Kontrolle wurden einige Molekulargewichte durch Vergleich mit der inkohtiren- ten Streuung einer verdiinnten Wasserschicht durch Absolutmessung bestimmt la).

Der Fall der an Komponente 2 konzentrierten Mischungen in Tab. 7 und Abb. 4 (s.w.u.) ist hier gesondert zu betrachten: Die Mischungen sind konzentriert an D-PSAN und D-PMMA, aber verdiinnt an PSAN. Die Streutheorie (Gl. (18)) fur verdiinnte Systeme kann auf die PSAN- Molekiile angewendet werden, obwohl das System in bezug auf PSAN (+ D-PSAN) konzen- triert ist.

Aus P ( K ) wird in iiblicher Weise das z-Mittel des Quadrats des Trilgheitsradius (rZ), erhal- ten, das unter Annahme einer Schulz-Verteilung mit bekannter Uneinheitlichkeit in rc umge- rechnet wurde ”).

Dabei ist r, der TrBgheitsradius (bzw. ( r 2 > I”) eines monodispersen Knauels, dessen Molmas- se gleich M, des gemessenen Polymeren ist. ZahlenmlBig ist r, mit der als r, in friiheren Arbeiten3) bezeichneten GrbBe in den hier interessierenden Systemen nahezu identisch.

Az,h wird aus der Temperaturabhangigkeit von A, gewonnen. Dabei wurden die Messungen bei 100 und 130°C zugrunde gelegt. Zwischen 25 und 100°C wird kein EinfluB der Temperatur auf A, und r, beobachtet, weil dieser Bereich unterhalb der Einfriertemperatur Tg (t: 100OC) liegt. Die Messungen bei 25°C sind also auszuwerten, als ob sie bei l 0 0 O C erhalten worden waren.

Ergebnisse und Diskussion

Die Ergebnisse der Neutronenbeugungsmessungen an den festen L6sungen von D-PSAN-19 in PSAN-x sind in Abb. 1 und Tab. 3 (s.o.) zusammengestellt. D-PSAN- 19 ist die Komponente 2, die in geringer Konzentration vorliegt. Zur Bestimmung von A, und r, wird auf unendliche Verdiinnung extrapoliert.

cm3 . g-’ * mol angesetzt werden. Da die Temperaturabhtingigkeit etwas genauer ist, wurden 2 Stellen angegeben. Nichts- destoweniger liegt die Temperaturabhiingigkeit nahe der Nachweisgrenze. Der Enthalpieterm des Virialkoeffizienten AZ,h = - AH, /(RTcZ V , ) wird gemM

Der MeBfehler von A, mu13 rnit f 0,l *

A2,h = - T[(aA2/8T), - a1 A21 (19)

berechnet 18). AH, ist die partielle molare Enthalpie der Komponente 1, a, der ther- mische Expansionskoeffizient der Komponente 1. Bei AZ,h ergibt sich eine experi- mentelle Unsicherheit von f 0,5 - cm3 * g-’ * mol. Der Entropieterm Azs = ASIE)/(R cz V , ) wird gend3 A , = + Az,s erhalten. AS[E) ist die partielle molare ExzeDentropie der Komponente 1.

Zur Herausarbeitung der thermodynamischen Besonderheiten bei Mischungen von Polymeren wurde nach G1. (8) x aus A, berechnet; xh und xs (Enthalpie- und Entro- pieanteil von x ) ergeben sich aus und gemMI8)

Az,h = - P I X h V i / ( V , M i ) und A,, = (0,5 - PI x,) V;/ (V, M;) (20)

Page 8: Untersuchungen zur thermodynamik und konformation von makromolekülen in polymermischungen in der nähe von entmischungspunkten durch neutronenbeugung

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N-2

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PSA

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N-2

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100

130 25

25

25

130 25

100

130 25

25

285 -

-

320

280

280

-

280

-

-

280

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0

- 0.

65

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0900

-0,lO

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22

I

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22

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22

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0.03

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03

0.03

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02

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02

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03

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0,03

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14

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13,4

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Untersuchungen zur Thermodynamik und Konformation von Makromolekiilen. 1663

I a) D-PSAN19 / PSAN15.5 I b) D-PSAN19 / PSAN17

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Abb. 1 . Zimmdiagramme fUr Losungen von deuteriertem statistischem Styrol-Acrylnitril Copolymerem PrHparat D-PSAN-19 in statistischen Styrol-Acrylnitril Copolymeren mit ver- schiedenen Acrylnitrilgehalten (PSAN-x) bei 25 "C; a) x = 153, b) x = 17, c) x = 19, d) x = 203, e) x = 21,9, f) x = 25 Gew.-Yo Acrylnitril

SchlieRlich wurde Az in Aimb und Ap' gemW GI. (9) zerlegt.

wendig. Im folgenden wird statt G1. (4) Filr die Berechnung von x , xh und xs ist die Festlegung eines Referennolumens not-

P, = VfsoC/9O ,, und Pz = V~50c/90 (21)

gesetzt. Hierbei sind P O c und G5Oc die Molvolumina bei 25 "C in cm3; 90 cm3 ist un- gefiUv das partielle Molvolumen der Grundbausteine der hier diskutierten Polyme- ren. Dieses Volumen von 90 cm3 kann als das Referennolumen einschlieBlich des zu-

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1664 B. J . Schmitt, R. G . Kirste, J. JeleniE

gehdrigen Anteils an freiem Volumen aufgefaljt werden. Der Vergleich von G1. (21) mit G1. (4) ergibt, dalj K*= 90 Vr/Vf'"" = 90/R5OC = 90/vi50c gesetzt worden ist. v"" und

Zur Einordnung des neuen Materials in den Rahmen friiher bekannter Daten wer- den in den Tabn. 4 und 5 friihere Neutronenbeugungsresultate an PSAN-19 in D-PMMA3), ferner Streulichtmessungen und osmotische Messungen an PMMA in niedermolekularen LOsungsmitteln 19-22) in derselben Weise wie die neuen Ergebnisse aufgefiihrt. Der wesentliche' Unterschied zwischen der Polymerldsung in niedermole- kularen Ldsungsmitteln einerseits und den Polymermischungen andererseits ist die GrOBenordnung von Aymb. Bei den Systemen in Tab. 5 (s.w.u.) ist Aiomb ein groBer Beitrag mit positivem Vorzeichen zu Az. Bei Polymermischungen wird Aymb dagegen sehr klein und verschwindet im Grenzfall unendlich grorjer Molekulargewichte.

Bemerkenswert sind aber auch die Unterschiede zwischen den Polymermischungen von Tabn. 3 und 4. Sie definieren zwei Typen von Polymervertraglichkeit: Polymer- vertrilglichkeit bei positivem und bei negativem x. Aus G1. (1) geht bereits hervor, dalj bei positivem x eine Polymervertraglichkeit nur unterhalb eines endlichen Molekular- gewichts mdglich ist.

In Abb. 2 werden die erhaltenen Ergebnisse an D-PSAN- 19/PSAN-~-Mischungen mit der Theorie von Prigogine, Flory und Patterson verglichen; x wird nach den Gln. (10) und (1 3) - (1 5 ) berechnet. Ausgangsdaten fiir die theoretischen Kurven sind die Expansionskoeffizienten a, und az, sowie die Ldslichkeitsparameter a1 und 6, bei 120°C. Daraus werden die bendtigten GrOBen F,, Tr, T?, p r und p? in folgender Weise erhaltenZ3):

sind die reduzierten Molvolumina bei 25 "C.

a T 3(1 + a T )

f = [

Die theoretisch berechneten X-Werte in Abb. 2 wurden gemw x = x h + xs und

1 - f; 3 fy3(4 - 3 f y 3 ) + 9 ff 2(4 - 3 f/'3)3 ) "1

in xh und xs zerlegt%). Die experimentellen X-Werte in Abb. 2 wurden aus Tab. 3 ubernommen, und zwar wurde jeweils iiber alle MeBtemperaturen gemittelt. Dies er- scheint gerechtfertigt, weil der MeBfehler wesentlich grdBer ist als die Temperaturab- hmigkeit von x im verwendeten Temperaturbereich. Hinzu kommt, dalj Messungen unterhalb der Glastemperatur beztiglich x so zu verwenden sind, als ob sie bei der Glastemperatur durchgefiihrt worden waren.

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Tab.

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Untersuchungen zur Thermodynamik und Konformation vQn Makromolekiilen. . . 1667

Abb. 2. Thermodyna- mik des Systems

Kurven: Gln. (13)-(15) und (20)-(24) fur 120°C; o experimentelle X-Werte (siehe Text)

D-PSAN- 19/PSAN-X.

Gew.-%AN in PSAN-x

Abb. 2 und Tab. 3 (s.o.) zeigen, d d die experimentellen Daten mit der Theorie innerhalb der angegebenen Fehlergrenzen Ubereinstimmen, wenn man von dem expe- rimentellen x-Wert bei dem System D-PSAN-19/PSAN-15,5 absieht. Man muR an- nehmen, dal3 hier eine metastabile Struktur der LOsung gemessen wurde. Bei x), kann nur das Intervall 0 < x h < 0,Ol als experimentell gesichert gelten. Die Werte ver- schwinden fast in den Fehlergrenzen. Der Befund steht nicht im Widerspruch zur Theorie. Ahnliches gilt fiir xs.

In Abb. 3 ist der theoretisch zu erwartende Mischbarkeitsbereich von PSAN-19/ PSAN-x-Mischungen in Abhibgigkeit vom Molekulargewicht der Komponenten dar- gestellt, und mar einmd fUr ilquimolare Mischungen und einmal fUr die an PSAN-19 verdtinnten Systeme, an denen die Streuexperimente durchgefilhrt wurden. FUr die tiquimolaren Mischungen (und P, = Pz) ist der kritische Entmischunmpunkt m a - gebend. Der dort vorliegende x-Wert ( =x,) kann nach Scott ') berechnet werden ge- mW

Xcr = 0,s (1 /a + 1 / p > 2 (27)

Mit PI = P2 erhat man daraus fur ein gegebenes x > 0

P, = 2/x (28)

GemilR dieser Gleichung wurden aus der theoretischen x-Kurve von Abb. 2 zugehO- rige P,-Werte berechnet. Diese wurden dann in kritische Molekulargewichte gemW

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1668 B. J. Schmitt, R. G. Kirste, J. JeleniE

P = V/90 = v - M/90 = 0,0104 Mumgerechnet und in Abb. 3 aufgetragen (ausgezo- gene Kurve). Fur die verdiinnten Systeme wurde das Entmischungsgebiet aus der Binodalen-Bedingung

pi = pi’ und pi = pz” (29)

abgeleitet. Hierbei bedeuten und ’ I die beiden miteinander im Gleichgewicht stehen- den Phasen. Anwendung von G1. (29) auf G1. (2) ergibt:

h p i + (1 - p1/p2)pi + plxpiZ = Inpi’ + (1 - p1/p2) pi‘ + P, x pit2

i n p i + ( l - p l / p z ) p i + ~ z ~ p i Z = i n p i ‘ + ( I - ~ ~ / p ~ ) p i ’ + ~ ~ x p i ” (30)

Fiir P1 = Pz = P wird aus Symmetriegriinden pi’ = pi und p,’ = pi‘. Dadurch redu- ziert sich das Gleichungssystem (30) auf

lnpi + pxpiZ = Inpi + p x p i 2 (31)

Aufldsung nach P x und Weglassung des Phasenindexes ergibt (mit pI + fi = 1)

p x = 1n((P,/CP2)/(v1 - cpz) (32)

Das ist die Bedingung fiir den Triibungspunkt. Fiir ein gegebenes x > 0 wird

Fiir pz = 0,Ol erhiilt man den Zahlenwert

PTmbung = 4,69/~ (34)

Nach dieser Beziehung wurden die gestrichelten Kurven in Abb. 3 (wiederum mit der Umrechnung P = 0,0104 M) gezeichnet: Die Schraffierung bezeichnet hier die Seite der Kurve, auf der Entmischung beobachtet wird.

Experimentell wird zu beiden Kurven ein etwas grdI3eres Mischbarkeitsgebiet ge- funden, was vielleicht ein Effekt der chemischen Uneinheitlichkeit ist. Die in Abb. 3 eingetragenen MeBpunkte betreffen aquimolare Mischungen von PSAN-19 mit PSAN-x mit annllhernd gleichem Molekulargewicht. Sie wurden aus gemeinsamer Ldsung ausgefilllt, getrocknet und dann bei Temperaturen oberhalb Tg (180 - 200 “C) fiir etwa 1 h aufgeschmolzen, zu Platten verpreI3t und auf T < TB abgekilhlt. Die Platten wurden lichtoptisch und z. T. auch elektronenmikroskopisch untersucht. Ein iilteres Experiment von MolauZ5) wurde hier mit verwendet. Von den durch Neutro- nenbeugung untersuchten verdiinnten Systemen liegt das System D-PSAN-l9/PSAN- 25 bei den hdchsten Konzentrationen (letztes Zimmdiagramm in Abb. 1) deutlich auaerhalb der gestrichelten Kurven von Abb. 3, ohne Anzeichen von Phasentrennung zu zeigen, die sich sehr empfindlich in der Form der Zimmdiagramme zu erkennen gibt3). Zwar ist die Bedingung gleicher Molekulargewichte MI = Mz bei diesem System nicht ganz erfllllt, aber selbst wenn man fiir M, und M2 das kleinere Moleku- largewicht (156000) einsetzt, liegt das System nach Abb. 3 im zweiphasigen Gebiet.

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Untersuchungen zur Thermodynamik und Konformation von Makromolekiilen . . . 1669

p 2-

3 I"

Gew.-%AN im PSAN- x

Abb. 3. Vertrtiglichkeitsbereich im System statistisches Styrol-Acrylnitril Copolymeres PSAN-l9/statistische Styrol-Acrylnitril Copolymere mit verschiedenen Acrylnitrilgehalten (PSAN-x). Ausgezogene Kurve: bei kritischen Konzentrationen (GI. (28) mit den theoretischen X-Werten aus Abb. 2, T = 12OOC); gestrichelte Kurve mit Schraffierung: dto.bei einer Konzen- tration von 1 Val.-% nach der Binodalen-Bedingung (GI. (34)); punktierte Kurve: dto. bei einer Konzentration von 1 Vo1.-9'0 nach der Spinodalen-Bedingung (GI. (37)); ( , o Experimente mit Bquimolaren Mischungen oberhalb TB, o : visuell klar, 0 : getriibt)

Erst wenn man zu D-PSAN- 19/PSAN-26,8 ubergeht, signalisiert das Zimmdiagramm eindeutig Phasentrennung. Das zeigt Abb. 4: das,Zimmdiagramm ist deformiert und ergibt ein um den Faktor 3 zu groBes Molekulargewicht.

Die punktierte Kurve in Abb. 3 wurde aus der Spinodalenbedingung

82AGmix/(n, + n2) = o ado; (35)

gewonnen. Filr PI = P2 = P erhiilt man aus der Anwendung von G1. (35) auf G1. (1)

Filr ein gegebenes x > 0 und bpz = 0,Ol wird daraus

Psp = 50,5/x (37)

Dies ist die punktierte Kurve in Abb. 3. Sie zeigt, da8 der metastabile Bereich fur die hier untersuchten verdiinnten Systeme recht breit ist.

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1670

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Abb. 4.

B. J . Schmitt, R. G . Kirste, J. JeleniE

D-PSAN 19/PSAN 26,8

Zimmdiaaramm dicht jenseits der Entmischungsgrenze, und zwar fiir deuteriertes sta- tistisches Styrol-Ac&lnitril Copolymeres D-PSAN-19 insiatistischem Styrol-Acrylnitril C o p - lymerem PSAN-26,8 bei 25 "C

Zusammenfassend kann gesagt werden, dal3 die statistische Theorie auf der Basis des Theorems der ilbereinstimmenden Zustiinde die Thermodynamik in den Systemen PSAN-19/PSAN-x sehr gut beschreibt. Anders sieht dies beim System PSAN/PMMA aus, filr welches experimentell negative X-Werte bestimmt werden. fTIbereinstimmung mit theoretischen X-Werten kann man hier nur erreichen, wenn der Parameter X,, nicht nach G1. (14) berechnet wird, sondern durch einen geeigneten ne- gativen Zahlenwert einer exothermen Kontaktenergie entsprechend an das Experi- ment angepdt wird. Das Ergebnis der Anpassung (mit XI, = - 1,12 J/cm3) zeigt Tab. 6. Die Obereinstimmung zwischen Theorie und Experiment 1mt sich so wesent- lich verbessern. Allerdings mu8 man fragen, ob das Theorem der iibereinstimmenden Zustilnde hier noch angewendet werden darf.

In den beiden letzten Spalten der Tabn. 3 - 5 sind die gemessenen Tragheitsradien und die Koeffizienten der Kntiuelexpansion (r/r@) aufgefiihrt. Filr PSAN-19 wurde der in dem System D-PSAN-19/PSAN-19 gemessene Trtigheitsradius als ungestorter

1

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Untersuchungen zur Thermodynamik und Konformation von Makromolekiilen. . . 1671

Tab. 6. Vergleich der experimentell erhaltenen thermodynamischen Daten des Systems statistisches Styrol-Acrylnitril Copolymer Prilparat PSAN-l9/deuteriertes Polymethylmeth- acrylat (D-PMMA) mit der Theorie (T = 12OOC)

Daten X x h x s

experimentelle Werte (gemittelt aus Tab. 4) -0,0111 - 0,043 0,032

theoretische Werte mit GI. (14): X l z = 1,09 J/cm3 0,03% 0,036 0,004

theoretische Werte mit Xlz = -1,12 J/cm3 -0,0111 - 0,026 0,015

Wert (re) eingesetzt. Auf andere Molekulargewichte wurde gemm r, a M O s 5 umge- rechnet. Die Kntiuelexpansion verhalt sich vollkommen analog zumAz-Wert. In dem System D-PSAN-19/PSAN-x sind die Kntluel kleiner als im ungestorten Zustand. Je- doch ist die Abweichung vom ungestbrten Zustand so gering, daR sich eine quantitati- ve Diskussion der Werte kaum lohnen dwfte. In den PSAN-19/D-PMMA- Mischungen sind die PSAN-Kntluel deutlich expandiert, wie es dem positiven Az- Wert entspricht . Die KnSLuelexpansion geht mit wachsender Konzentration der Kom- ponente 2 zurilck, wie es von der Theorie gefordert wirdM). Dies ist in Tab. 7 und Abb. 5 dargestellt. Bei milnig groBen Konzentrationen sollte rz a c - ~ ' ( ' + ~ ~ ) gelten, wobei E durch die Beziehung ( r2> = const s M ' + ~ definiert ist. Mit E = 0,04 wurde die Kurve in Abb. 5 gezeichnet, welche mit den experimentellen Werten uberein- stimmt. Der in einer friiheren Arbeit3) gefundene gr(ll3ere e-Wert (E = 0,2) wird hier- durch in Frage gestellt.

Tab. 7. Resultate aus Neutronenbeugungsmessungen an PSAN-19 (11) (verdilnnt) in (D-PSAN-19 + D-PMMA)'); M, = 280000 (alle Komponenten); T = 25 "C

Gew.-To D-PSAN A , . 1@/(cm3 * g-' - mol) rJnm

0 4

50 100

16,l 14,9 14,3 13,8

') Wegen der Prilparatbezeichnungen vgl. Tab. 1.

Abb. 5 . Tragheits- radius rc von PSAN-19 als Funktion der Kon- zentration in PSAN/PMMA-Mi- schungen (Werte von Tab. 7). Kurve: Theo- rie filr m u i g kleine 130 10 20 30 40 50 Konzentrationen%) Gew.% D - PSAN - 19

-- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 5fLJ 14 100

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In einer weiteren Untersuchung wird gepriift, ob die an Mischungen von Copoly- meren erhaltenen Ergebnisse auf Mischungen von Homopolymeren anwendbar sind. Erste Ergebnisse an den Systemen PMMA/Polyvinylchlorid und Polystyrol/Poly- phenylenoxid zeigen, daR dies weitgehend der Fall ist2').

H e m Prof. Dr. B. A. Wo(fm6chten wir an dieser Stelle ftir wertvolle Anregungen und Dis- kussionen danken. Unser Dank gilt ferner Herrn Dr. J. Hum und dem Institut Max von Laue - Paul Langevin ftir die hilfreiche UnterstUtzung bei der Durchflihrung der Neutronenbeugungs- messungen. Herrn Dr. P. Witfmer danken wir fiir seine Mithilfe bei der PrBparation der deuterierten Polymeren. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danken wir ftir finanzielle Untersttitzung dieser Arbeit.

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