untersuchungen über den stoffaustausch zwischen blut und gehirn

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  • 2026 KL IN ISCHE WOCHENSCHRIFT . II. JAHRGANG. Nr. 49 3. DEZEMBER x932

    kommt es zur Stauung und einer Dilatation des Herzens, das zur Bew/iltigung einer bestimmten Volumleistung einer h6heren Anfangsspannung bedarf und deshalb sein Rest- volumen vergr6Bert. Gleiehzeitig sinkt der Druck als Zeichen des Erlahmens der Herzkraft. Jetzt erst ist die Angriffs- fl/iche ffir die Digitalis am Herzen geschaffen, die beim suf- fizienten Herzen aus dem bekannten Leistungsmechanismus heraus fehlen muB. Ein kr~ftiges Herz ist, wie gesagt, in der Lage, jedes Blutangebot, das ibm yon der Venenseite zu- str6mt, in die arterielle Strombahn hinauszuwerfen.

    Um so bemerkenswerter bleibt aber der E]Jekt der Digitalis au] den Gesamtkreislau] des Gesunden. Wir k6nnen natfirlich eine Herzwirkung nicht erfassen, aber die (3konomisierung des Rfickstroms, die wir, wie WOLLI~EIM, am ruhenden 5~enschen als eine rein periphere Wirkung ansehen mfissen, bringt eine wesentliche Entlastung des schwer arbeitenden Herzens mit sich. Man wird hier die Stromverlangsamung nicht nur yon h~modynamischen Gesichtspunkten aus be- trachten dfirfen, einzig und allein als Folge einer Verbreitung des Capillarquerschnitts und damit einer Vergr6Berung der stoffaustauschenden Fl~che und der dem Blur zur Verffigung stehenden Austauschzeit. Sieherlich spielen Ver~nderungen im physiko-chemischen Zustand des Blutes, des Capillar- endothels und der Zelle selbst eine welt gr6Bere Rolle, als bisher bekannt. Es seien hier die interessanten Beobachtungen yon RO~IL erw~hnt, der die Strophanthinwirkung am insuffi- zienten Herzpr~parat untersucht und eine Verbesserung der Sauerstoffabgabe an den Herzmuskel infolge verbesserter O2-Diifusion durch die Capillarwand annimmt. Aber letzten Endes als Gesamtresultat, gleichgfiltig aus wie vielen Tei !- ursachen es resultiert, ist die Kxeislaufverlangsamung beim Gesunden bei hoher Arbeit eine Umstellung im zweckm~Big- sten Sinne und zeigt uns, dab auch ffir den gesunden Menschen ein Digitaliseffekt nieht ableugbar ist. Werden hierdurch nicht unsere Auffassungen fiber die Digitalisierung fiber- haupt revisionsbedtirftig ? Es taucht das Problem der Opera- tionsvorbereitung, der Frtihbehandlung mit Digitalis bei In- fekten u. a. mehr auf. Auch heute ist es uns noch nicht m6glich, die wirkliche Herzkraft sozusagen mit dem Zentimeter- real3 abzugreifen, und die ftir die Aufrechterhaltung der Gesamtzirkulafion so bedeutenden peripheren Kreislauf- regulierungen sind funktionell tiberhaupt nicht prfifbar. Sehen wit auf tier anderen Seite die deutliche Digitaliswir- kung bei einem scheinbar suffizienten tterzen, das durch Belastung zum Versagen gebracht wird, wie es ktirzlich auch tierexperimentell yon SCHXFER gezeigt wurde, so wird man die Bereehtigung einer Digitalisbehandlung auch ohne mani- feste Herzschw~che zur Steigerung der Leistungsf~higkeit, teils auf dem Boden einer besseren Kreislaufregulierung, teils dutch Mobilisierung der Reservekraft des tterzens aus unseren Untersuchungen ableiten dfirfen.

    (Die Arbeit wurde mit Unterstfitzung der Notgemein- schaft der deutschen Wissenschaft ausgeftihrt, der wir auch an dieser Stelle unseren Dank sagen.)

    UNTERSUCHUNGEN UBER DEN STOFFAUSTAUSCH ZWISCHEN BLUT UND GEHIRN*.

    Von

    Prof. U. FRIEDEMANN und Dr. A. ]~LKELES. Aus der Infektionsabteilung des St~idtischen Rudolf Virchow-Krankenhauses Berlin

    (Diriglerender Arzt: Prof. Dr. U. FRIEDEMANN):

    Wir m6chten uns erlauben fiber Versuche zu berichten, die wir seit 3 Jahren tiber das heute zur Diskussion stehende Problem unternommen haben. Die Frage der Bluthirn- schranke ist nicht nur ffir den Neurologen und Psychiater, sondern auch ftir den Internisten yon gr6Bter Bedeutung, greift sie doch in die Gebiete der Chemotherapie, Serum- therapie, Toxinforschung und der Pathogenese innerer Krank-

    * Nach Mnem Vortrag aui der Deutschen Psychiatervereinigung in Bonn am 19. Mai I932.

    heiten hiufiber. 3/itissen wir often unsere Unzust~ndigkeit in den schwierigen Fragen der Nervenhistologie bekennen, so war es vielleicht ein Vorteil, dab wir nicht yon der Liquor- forschung ausgegangen sind, sondern yon vornherein das Bluthirnschrankenproblem so auffaBten, wie es besonders in den Referaten yon WALTER und SPATZ dargestellt wurde, als ein Problem des Stoffaustausches zwischen Blur und Gehirn. Znn~ehst abet mugten wir uns mit der dieser Auffassung widersprechenden Theorie yon LIXA STERN auseinandersetzen, nach der dieser Stoffaustauseh nut auf dem Umweg tiber den Liquor zustande kommen kann.

    Wie schon die Referate zeigten, ist es uns gelungen, diese Theorie zu widerlegeu, illdem wir zeigten, dab mit den basi- schen Anilinfarbstoffen Neutralrot, Methylenblau, Toluidin- blau, Brillantkresylblau, Fuchsin, aber auch mit dem chemisch amphoteren Alizarinblau S eine mehr oder weniger intensive Vitalf~rbung des Gehirns zu erzielen ist, ohne dab diese Farb- stoffe im Liquor erscheinen!. Unabh~ngig yon uns hat SCI~MIDT~ das gleiche Verhalten ffir den ebenfalls basischen Farbstoff Prune pure entdeckt. Damit ist erwiesen, dab der Weg fiber den Ventrikel- und Subarachnoidalliquor nicht obligatorisch ist, wie es die Theorie LINA STERNS verlangt.

    Bleibt noch die Frage, ob nicht der Stoffaustausch im Sinne HAUPTMANNS fiber den yon ihm angenommenen intra- cerebralen Liquor geht. Wenn diese Frage aueh nur unter Berficksichtigung des gesamten vorliegenden Tatsachen- materials zu entscheiden ist, so dfirften unsere Versuehe doctl einen 13eitrag dazu liefern. Unsere Versuche stelleI1 gewisser- maBen eine Injektion der adventitiellen Lymphscheiden yon der Blutbahn aus dar. Wenn t-rotzdem der Farbstoff im Liquor nicht erscheint, so ist dies mit der Annahme einer physiologischen Kommunikation zwischen Lymphspalten und Liquor schwer zu vereinigeI1.

    Weitere Versuche haben abet fiberhaupt die Anwesenheit yon Liquor in der Gehirnmasse sehr unwahrscheinlich ge- macht. Wie wir gefunden haben, verwandelt der Liquor momentan das braune Alizarinblau S ill das kolloidale Alizarin- blau. Diese Reaktion tr itt noch in einer Liquorverdtinnung I : 16 eli1. W~re das Gehim yon Liquor durchtr~nkt, so mtiBte die Verbl~uung auch erfolgen, wenn Alizariublau S Gehirnbrei zugesetzt wird. Das ist nun nicht der Tall, wohl aber wenn dem Gehirnbrei Spuren yon Liquor zugesetzt werden.

    Wie dem auch sei, jedenfalls beweisen unsere Versuche, dab die Permeabilit/~t der P texus-und Meningealgef~Be ganz anderen Gesetzen nnterliegt, als die der Hirngef~Be, Schltisse yon der Liquor- auf die Il irnschranke somit un- zul~ssig sind.

    Es mtissen also neue Methoden ffir das Studium der Blut- hirnschranke gefunden werden, sofern es sich nicht um Farb- stotfe oder chemisch nachweisbare Substanzen handelt. In der Z. exper. Med.3 haben wir bereits fiber derartige Methoden berichtet.

    In erster Linie kommt die Methode der kfinstlichen Durch- strOmung des Gehirns nach FR~D~RIQUE in Betracht. Sie besteht darin, dab die Carotiden und V. jugulares zweier Kaninehen verbunden werden und so das Gehirn des einen Tieres (A) vom Blur des zweiten (B) durchstrOmt wird. Un- erlXBlich ist dab@ wie wir mit der Alizarinblaumethode zeigen konnten, die Unterbindung der A. vertebrales des Empf~ngers, well sonst eine Durchstr6mung des Gehirns fiberhaupt nicht zustande kommt. Wird nun dem Spender (B) ein Narkoticum~ injiziert, so kommt es zu einer isolierten Narkose des Empf~ngergehirns, w~thrend die Injektion des Narkoticums in die V. femoralis des Empf~kngers (A) zu einer isolierten Rfickenmarksnarkose mit AusschluB des Gehirns Ifihrt.

    Eine zweite IViethode ist die der intraarteriellen Injektion in die Hirnarterien 1. Die bisher fibliche Injektion in den peripheren Stumpf einer abgebundenen Carotis ist unbrauch- bar, well der Druck im Circ. arter. Willisii gar nicht tiber- wunden wird, wenn nicht extrem hohe Injektionsdrucke an- gewandt werden. Die Injektionsflfissigkeit l~uPc dutch die Carot. ext. aul3en um das Gehirn herum. Die Injektion mug beiderseitig erfolgen (!) herzw/irts in die abgebundene Art.

  • 3- DEZEMBER x932 KL IN ISCHE WOCHIgNSCHIR IFT . ~ . JAHRGANG. Nr. 49 2027

    subclavia, wobei die Injektionsflfissigkeit mit dem Blutsta'om durch Art. carotis und vertebrMis ins Gehirn gelangL

    Beide 3/Iethoden sind einer sehr Mlgemeinen Anwendung f~hig, abet sie eignen sich nnr fiir Stoffe mit sehr raseh ein- tretender: Vr

    Ffir 1Enger danernde Versuche, insbesondere ffir das Studinm der Toxine nnd AntiHxine, sind andere Methoden erforderlich, ffir die sich ein Mlgemeines Prinzip nicht auf- stellen 1EBt. Wir erwEhnen nur eine Methode, die wir ffir das Studium der AntiHxinwirkung ausgearbeitet haben. Das Antitoxin ~ird intraven6s, das Toxin intrazisternM injiziert. Es sehein dab die Antitoxine, entsprechend den Erfahrungen fiber die Serumtherapie des Tetanus, nicht ins Gehim ein- dringen.

    Soweit unsere sehr li ickenhaften Kenntnisse reichen, haben durchatu~ nicht alle Stoffe die Eigenschatt, yon der Blutbahn aus ins Gehirn einzudringen. Es muB abet zunEchst offen- gelassen werden, ob bier eine nur dem Gehirn eigene Schran, kenfnnktion vorlieg~c oder vielmehr eine selektive Permeabiti- t~t, wie sie wohl mehr oder weniger Mien Organen zukommt. In den Re:feraten erwEhnt wurde bereits die Impermeabil i t~t der Hirngef/iBe flit Trypanblau und AntiHxine. :

    Lassen sich nun irgendwelche gesetzmEfiigen Beziehungen zwischen den chemiseh*physikMischen Eigensehaften der SHire and der Neurotropie auffinden? Es kann woht sehon jetzt gesagt werden, dab die verschiedensten Eigenschagten eine Rolle spielen, yon denen nnr die LipoidlSslic~akeit und der DispersitEtsgrad erw~hnt seien. Daneben scheint abet die chemische Konstitution yon ausschlaggebender Bedeutung zu sein, insofern sie basischen oder sauren Charakter der Sub- stanz bedingt.

    Schon EHRLIC~ ~ war es aafgefMlen, dab die das Gehirn vifM fSxbenden Anil infarbsHffe vorwiegend basischer Natur sind, nnd das gteiche gitt flit die AnMgefica und Antipyretica. Die neurotropen Eigensehaften werden dutch die Einffihrung yon Snlfos~uren vernichtet, wie dies EHRLICH fttr die Farb- stoffe und sein Schfiler ARONSON~ ffir die Pharmaca nach- wies. Auch in nnseren Versuchen tr i t t nan eine deutliche Beziehmag des S~are- bzw. Basencharakters zur Neuro- ~ropie in ErscheinnngJ Da bekanntIich alle sanren Stoffe, seien sie molekular oder koltoidal gel6s~, Anioner~eharakter, atle basischen Stoffe Kationencharakter besitzen, so war es naheliegend, eiuen Zusammenhang der Neurotropie mit den elektrischen Ladungen der Stoffe zu vermuten. Wenn wit annehmen, dab die Endothelien der Hirncapil laren elektrisehe Ladungen tragen, so were es ohne wei~eres verstfiadlieh, dab sie Ionen oder Kotloiden gleicher Ladung den Durchtr itt ver- wehren.

    TatsEchlich konnten wit nun in Kataphoreseversuehen die alte Erfahrung bestEtigen, dab die basisehen FarbsHffe zur Kathode, die sauren zur Anode wandern. Schwierlger abet liegen die Verh~ltnisse beim Alizarinblau, das nach seiner Formel

    CO OH

    sm~tre nnd baslsehe Gruppen enth~lt, die der Sitz positiver und negativer elektrischer Ladnngen sein k6nnten. Das Alizaxinbtau ist somit ein amphoterer FarbsHff. Kataphorese- versuche haben uns gezeigt, dab bet der p~ des ]3lutes das Alizafinblau zur Anode wandert, somit in der Gesamtladung der negative Charakter flberwiegt. Trotzdem ist das Alizarin- blau ein vorzfiglicher Vitalf~rbner des Gehirns.

    -~hntiche Ausnahraen sind aus der Kolloidchemie bekannt, ganz altgemein fElleax saute and basische I(olloide einander aus, indem sich ihre elektrlschen Ladungen neutratisieren. Das amphotere EiweiB wird abet, obwobl es zur Anode wandert, sowohl you sauren wie yon basischen Kolloiden aus- gefEllt (FRIIgDEHANNS). So wohl ffir die Kolloidreaktion als auch fiir die Neuro~ropie seheint also bei amphoteren Stoffen die

    Gesamtladnng nicht ausschlaggebend zu sein. Die Anwesen- heir basischer Gruppen im Molektil genfigt offenbar, um dem Alizarinblau neurotrope Eigenschaften zu erteilen.

    Der Dispersit~tsgrad scheint bei den basischen und amphoteren FarbsHf fen keine IZolle zu spielen. Das Alizarin- blan ist neurotrop, obwohl es die Hi rncapil laren sieher in koltoidaler Form durchdring~. Dagegen scheint bei den sauren FarbsHffen die DispersitEt wichtig zu sein. Herr Pro- fessor S~ATZ machte nns darauf aufmerksam, dab nach seinen Erfahrungen das saute und sekr leicht diffusible Fluorescin nach intraven6ser In jekt ion die graue I-Iirnsub- stanz, wenn aueh schwach, f~rbt, w~hrend die H i rnge i~e ffir das saute koltoidMe Trypanbtau bekannttich v6Ilig impermeabet sind.

    Die ErklErung dieses SaehverhMtes "dfirfte keine beson- deren Schwierigkeiten maehen. Die elektrostatisehen KrEfte der OberflEchenladungen haben nur einen EuI3ers~c geringen Aktionsradius. Es w&re deshMb denkbar, dab kteinere Molekfile unbehelligt dutch d ie elektrostatischen Kr/~fte den VCeg durch d ie Intraeellularlficken der Capillarendothetien linden, w~hrend kolloidMe i~ompIexe bet gleichsimfiger Ladung abgesHBen werden.

    Es ist nun yon besonderem Interesse, ob bet solchen Sub- stanzen, deren chemische gonst i tut ion unbekannt ist, zwischen Neurotropie and etektrischer Ladung ]3eziehungen besfehen. Diese Frage hat ein gewisses prakfisehes Interesse bet den Toxinen. Es ist n~mlich keineswegs leicht, bei diesen ohne weiteres aus der SympHmaHtogie Schlfisse auf den cerebrMen Angriffspunkt zu ziehen. Betrachten wir zunEchst eine Reihe akut wirkender Toxine, die M~'use in 13ruchteilen yon Milligrammen nach intraven6ser Injektion in Sekunden t6ten, das Kobragift, das Toxin der L~mmerdysenterie*, das Botulinusgift. Der Tod erfolgt unter Kr~mpIen, so dab der unmittelbare Eindruek der ether zentralnerv-Ssen Vergiftung ist. Die eingehende AnMyse deckt aber bier weitgehende Differenzen auf. W~hrend beim Kobragift, wie dies bet einem cerebrM wirkenden Toxin vorauszusetzen ist, die t6dliche Dosis bet intrazisternMer Injektion etwa 4omai kleiner ist sis bet intraven6ser, besteht beim L~mmei:dysenterietoxin kein Unterschied der tSdlichen Dosis bei diesen beiden Zu- fuhrwegen. Es ist danach unwahrscheintieh, dal3 das L~mmer dysenteriegift am Gehim angreift. Beim Botulinusgift mfissen wit, soweit die akut t6dliche Komponente in Frage kommt, diese Frage offenlassen.

    Wenden wir uns nun zu den langsam wirkenden Giften, so wirkt das Tetanusgift zweLfettos auf das Gehirn, abet es ist IEngst bekarmt, dab die Bluthirnschranke ffiz dieses Gift impermeabel ist, das ~ ~deImehr in den Nervens~cEmmen zum Zentralnervensystem wandert. Auch beim DiphtherieHxin ist, wie wit bereits mitgeteilt habeng und in weiteren Ver- suchen prtifen werden, entgegen der herrschenden Ansicht ein cerebraler Angri ifspunkt in der akuten Vergiftungsphase Xut3erst unwaltrscheintich. Gerade auf dem Gebiet der Toxin- ' Iorschnng mfissen abet noch die neuen Methoden der Blut- hirnschrankenprfibang entscheidemte Resultate bringen.

    Immerhin sind such heute schon die Kataphoreseversnehe yon groBem Interesse, insofern sie markante Unterschiede zwischen den Toxinen aufgedeckt haben. So wandert das hSehstwahrseheinlich cerebral angreifende KobraHxin stets zur Kathode, wEhrend Tetanus-, Diphtherie-, LS~mmer- dysenterie- and ]3otulinnsgift, bet denen es zum mindesten sehr zweifelhaft ist, ob die Hirngefat3e ffir sie permeabet sind, zur Anode wandern. Es liegt auf der Hand, dal3 de~artige Untersuchnngen nicht nur vom theoretischen Standpunk~ aus interessieren, sondern auch bei der Herstellung chemo- therapeutischer Stoife praktisch yon Wichtigkeit werden kSnnten.

    SchlieBlich haben wit uns der schon yon ~V~LT]~R in seinem Referat berflhrten theoretisch und pralCdsch gteich wiehtigen Frage einer k~nsflichen Schrankenerweiterung experimentelt zugewandt, deren praktische Bedeutung vorwiegend auf pharmakologischem und therapeutischem Gebiet liegt, die

    * Ytir die l~berlassung dieses Giftes s~nd wir Herra Dr, 0 'BR IEN in London zu groBem Dank verpflichtet.

  • 2028 KL IN ISCHE WOCHENSCH

    aber auch, wie die Paralyseforschung, die Theorie der Ur~mie yon v. MONAKOW U. a. m. zeigen, far pathogenetische Pro- bleme bedeutungsvoll sein k6nnte. ~Tir wollen kurz fiber Resultate berichten, die demngchst ansffihrlich mitgeteilt werden ~~ Es ist erstaunlich, bis zu welehem Grade die Permeabilitgt der Hirngef~Be kfinstlich gesteigert werden kann, in vielen unserer Versuche um den 5-- Iofachen Be- trag. Dabei hat sich ergeben, dab diese Permeabilit/~ts- steigerung nur solchen Substanzen gegenfiber eintrat, die an sieh neurotrop sind, w/~hrend nicht neurotrope Stoffe auch die vergnderten GefgBe nieht zu durchdringen verm6gen.

    Diese Permeabilitg*ssteigerung haben wit dureh intra- ven6se Injektion yon Adrenalin oder Hypophysin oder durch eine Kombination beider hervorgerufen. Sie beruht offenbar auf der blutdrueksteigernden Wirkung dieser Substanzen, die sich an den Hirngefi~gen in besonderer Weise auswirkt, da diese an der allgemeinen GefgBreaktion nur in sehr ge- fingem NIaBe teilnehmen. So wird in vermehrtem MaBe Gewebsflfissigkeit durch die Gef~Be ausgepreBt. Es ist bei der Gr6Be des mechanischen Aquivalents elektrostatischer Kr/~fte verst~ndlich, dab die Druckkr/~fte die aus den elek- trischen Ladungen stammende AbstoBung nicht zu fiber- winden verm6gen und deshalb nicht nenrotrope Stoffe unbeein- flugt Iassen. Die folgende Tabelle enth~lt die wirksamen Dosen verschiedener Stoffe, vergliehen beim adrenalisierten und NormMtier. Alle Versuche wurden dutch intraven6se Injekfion am Kaninehen yon 2 kg ausgeffihrt:

    Tabelle 1.

    It Adr~nalisiert Vitalfarbung mit Alizarin- i

    blau S . . . . . . 2,occm (5%) Narko Dosis yon If

    Aethy lurethan . . . . i 1,5 ccm (7 ,5%) Alkohol . . . . . . . . /i I,occm (33%) Paraldehyd . . . . . . I 0,5 ccm (io%) Dosis letalis yon Strychnin- Ii

    nitricnm . . . . . . . [ o,oooo5 g Kobratoxin . . . . . . !i 0,00025 g

    Normal

    iot- I5 cem (5%)

    8 ccm (7,5%) 6 ccm (33%) 5 cem (m%)

    0,0003 g o,oo15 g

    Dagegen war beim Trypanblau, beim Kobraanfitoxin, beim Salvarsan, beim L~mmerdysenter iegi f t ein vermehrter ~bergang ins Gehirn unter dem EinfluB des Adrenalins nich% Ieststellbar.

    Diese Versuche sind ffir das ]3]uthirnschrankenproblem in mehrfacher Hinsicht ,con W'ichtigkeit Zun/ichst zeigen sie, dab die Alizarinblaumethode auch quantitative Sehwankungen der Permeabilit~t der HirngefgBe sehr getreu wiederzugeben vermag. Sie betonen ferner die groBe Bedeutung der Hirn- eapillaren ffir die AusmaBe des Stoffaustausches zwisehen Blur und Gehirn.

    Ferner zeigte sieh, dab auch beim adrenalisierten Tier kein Atizarinbtau in den Liquor fibertritt, ein weiterer ]3e- weis ffir die v611ige Verschiedenheit im funktionetlen Ver- halten der Hirngef~Be einerseits, der Plexus- und Meningeal- gefgl3e auf der anderen Seite.

    So stellen unsere Versuche in ihrer Gesamtheit einen Weg dar, in das Problem der Bluthirnschranke einzudfingen, nach- dem deren Identifizierung mit der ]31ufliquorsehranke sich als irrig erwiesen hat.

    Die Arbeit wurde mi% Hilfe der Notgemeinsehaft ffir die .............. ' deutsche Wissenschaft ausgeffihrt. Tuberkutose der {{

    L i te ra tnr : x Dtsch. reed. Wschr. I93 I, Nr 46. -- ~ Arch. f. Haut Psychol. 95, H.z. -- ~ Z. exper. Med. 8o (t93I). -- ~ Dsgl. -- 5 Desgl. -- ~ Dtsch. reed. ~Vschr. x886, H. 4. -- ~ Dtsch. reed. Wschr. Hautgesund i891 ' 1285 . _ s Arch. f. Hyg. 55- -- 9 Z. exper, l~Ied. 74, H. 3 n. 4 (i93o) ' __ 10 Dtsch. reed. Wschr. I932, Nr 24.

    Verschiedene i~Iantkrankheiten

    R IFT , I1. JAHRGANG. Nr. 49 3. DEZEMBER 1932

    IST DIE TUBERKULIN-LAPPCHENPROBE ZUR DIFFERENTIALDIAGNOSE TUBERKULOSE-

    VERDACHTIGER HAUTKRANKHEITEN IM KINDESALTER VERWERTBAR?

    Von

    Dr. PAULA SEIER, Assisstentlu des Universit~ts-Hautklinik Frankfurt a, M.

    (Direktor: Prof. Dr. O. GANS),

    Nachdem im Oktober 1931 yon NATHAN ant der Sfidwest- deutschen Dermatologengesellschaft nnd spgter yon I~%TATHAIk - und KALLOS in dieser Wschr. yore 26. Dezember 1931 fiber Prfifnngen mit Tuberkulin an hauttuberkul6sen Erwachsenen berichtet worden war, schienen sieh langgehegte Hoffnungen der Dermatologen zu erffillen. Mit dieser neuen Methode wXre die M6gtichkeit gegeben, diagnostisch unklare, chronisch- entzfindliche Granutafionsprozesse der Haut zu differenzieren. Dadurch W~l'e ein neuer %Veg geschaffen zur Kt~rung der klinisch oft recht schwierigen Differentialdiagnose, beispiels- weise zwischen tertigrer Lues und Tuberkulose der Hant. Nach den Untersuchnngen yon NAT}tAN und KALLOS kommt der Haut als Organ im immunbiologischen Geschehen eine Sonderstellung zu, die sich bei echter Tuberkulose der Haut in einer besonders gesteigerten Reaktionsf~higkeit bei epi- cutaner Applikation yon Tuberkulin zeigen solI, wahrend schwere Tuberkulose der inneren Organe zu keiner Allgemein- reaktion der Haut ffihre. IX~ATHAN nnd KALLOS untersuchten sowohl Gesunde als auch Kranke mit Organtuberkulosen so- wie hauttuberkul6se Erwachsene, indem sic nach Art der Jadassohnschen Lgppchenproben mit Alttuberkulin H6chst Haut tes anstellten, die in positiven F~llen eine ekzematoide Reakfion ergaben (R6tnng nnd Infiltration mit Kn6tchen- nnd Blgschenbildnng).

    Methode: Es werden etwa x qem groSe Leinenlgppchen mit I-bzw. IO- bzw. 25proz. Alttuberkulinverdfinnung getrgnkt und auf die nicht scarifizierte, normale Haut gelegt und mit Leukoplast befestigt. Als Kontrolle dient eine ioproz. ,,Leertuberkutinl6sung". Nach 24 Stunden werden die Lgppchen entfernt und die be- treffenden I-Iautpartien noch weitere 24 bzw. 48 Stunden kon- trolliert, da die Reaktion meistens erss naeh 48 Stunden auftritt oder sich verstgrkt. ~):~rJ

    Die Bedeutung der Frage veranlaBte uns, an Kindern die gleiehe Untersuchung vorzunehmen (NATHAN und KALLOS hatten bisher nut an Erwachsenen ihre Versuche vorgenom- men). Vv'ir hielten uns in der Applikationsweise an die in der Klin. SVschr. ver6ffentlichten Vorschriften.

    Sgmttiche Kinder im Alter -con 2--15 Jahren standen in unserer Kinder-Hautabteilung in station/irer Behandlnng und wurden klinisch sowie in den meisten F/tllen auch r6ntge- nologiseh durchuntersucht. AuBerdem wurde bei allen Kindern die Percutanprobe mi% Tuberknlin nach MORO und in wenigen F/~llen die Tnberkutinprobe naeh PIRQrJET oder ~fANTOU.X angestellt. Unter den 34 nntersuchten Kindern befanden sich solche mit sicherer I-Iauttuberkulose, mehrere hautgesunde Kinder (Gonorrh6e) nnd einige mit den ver- schiedensten Hautkrankheiten (Ekzelne, Seborrh6e, Psoriasis usw.) mit posifivem oder negativem Tuberkulosebefund an den inneren Organen. Die einzelnen Ergebnisse sind aus nachstehender TabelIe ersiehtlich.

    Zahl Epicutan- Lungeubefund Percutan- Reaktion Reaktion

    5

    4

    3 8

    14

    Xeine aktive -}- + Lungentuberknlos~

    + [ Alte Hilusdrfisen- + i tuberkulose I O.B. o

    + ]Xeine akt Lungen- + [ tuberkulose I

    o i o .B . t o

    Aus diesen Resultaten ergibt sich, daB bei I~ndern der Ausfall der Epicutan-L~ppchenproben parallel geht mit