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Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ 3. aktualisierte Auflage 2013 Autoren M. A. Michael Koch (Institut für Ökonomische Bildung Oldenburg) Dipl. oec. Christoph Backes Dank gilt Jacqueline Kleemann und Wiebke Schmitz (Institut für Ökonomische Bildung Oldenburg) für die Aktualisierung der Übersicht zur curricularen Einordnung und die Mitarbeit an der Aktualisierung der Materialien und Texte in der 3. Auflage.

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Page 1: Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ · Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ 3. aktualisierte Auflage 2013 Autoren M. A. Michael Koch (Institut

Unterrichtseinheit „Unternehmen und

Strukturwandel“

3. aktualisierte Auflage

2013

Autoren

M. A. Michael Koch

(Institut für Ökonomische Bildung Oldenburg)

Dipl. oec. Christoph Backes

Dank gilt Jacqueline Kleemann und Wiebke Schmitz (Institut für Ökonomische Bildung Oldenburg) für die Aktualisierung der Übersicht zur curricularen Einordnung und die Mitarbeit an der Aktualisierung der Materialien

und Texte in der 3. Auflage.

Page 2: Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ · Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ 3. aktualisierte Auflage 2013 Autoren M. A. Michael Koch (Institut

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Liebe Lehrerinnen und Lehrer,wir leben in einer Welt permanenter Veränderung. Und das ist gut so. Denn ohne Veränderung gäbe es keinen Fortschritt. Das gilt gleichermaßen für Gesellschaften, Volkswirtschaften und Unter­nehmen. Der italienische Schriftsteller Tomasi di Lampedusa hat die Notwendigkeit des stetigen Wandels einmal so formuliert: „Es muß sich alles ändern, damit es bleibt, wie es ist.“

Veränderungen sind nicht also nur notwendig, sondern positiv, weil sie neue Werte schaffen. Joseph Alois Schumpeter hat diesen

Prozess deshalb auch „schöpferische Zerstörung“ getauft. Die Zerstörung alter Strukturen, alter Produktionsprozesse und alter Techniken ist die Voraussetzung für ökonomisches Wachstum – und für den Wohlstand einer Gesellschaft.

Mit der Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ zeigen wir an aktuellen und praxisnahen Beispielen, welche Faktoren den Strukturwandel auslösen und welche Auswir­kungen der Veränderungsprozess für Wettbewerb, Preise, Forschung und Personalentwicklung hat. Um den abstrakten Begriff des Strukturwandels zu veranschaulichen, haben wir Artikel aus dem Handelsblatt ausgewählt.

Mit der international tätigen Wirtschaftsprüfungs­ und Steuerberatungsgesellschaft EY hat das Handelsblatt einen renommierten Partner für diese Unterrichtseinheit gewinnen können. Die Berater von EY haben einen tiefen Einblick in die Unternehmen, die sich in einem veränderten wirtschaftlichen und regulatorischen Umfeld behaupten müssen.

Das Handelsblatt selbst versteht sich als Gemeinschaft zur Verbreitung des ökonomischen Sachverstandes. In diesem Sinne hoffen wir, dass Ihnen die vielfältigen Materialien von „Handelsblatt macht Schule“ helfen, um Ihren Schülerinnen und Schülern wichtige wirtschaftliche Zusammenhänge zu erklären und das Interesse an Wirtschaftsthemen zu wecken.

Herzlichst

Ihr

Sven AfhüppeStellvertretender Chefredakteur Handelsblatt

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Wirtschaftswissen ist AlltagswissenWirtschaft ist Wandel. Unternehmen werden gegründet, wachsen und prosperieren, rationalisieren oder scheiden aus dem Marktge­schehen wieder aus. Das einzelne Unternehmen muss seine Wett­bewerbsfähigkeit in einem sich ändernden wirtschaftlichen Umfeld behaupten. Das geht nur mit Innovation und Anpassungsfähigkeit.

Unternehmen sind gleichzeitig Organismen der Wirtschaft. In ihnen arbeiten Menschen gemeinsam an der Erstellung und Vermarktung von Produkten oder Dienstleistungen. Arbeit und Entlohnung sind

Teil der wirtschaftlichen Beziehungen innerhalb des Unternehmens. Darüber hinaus stehen Kunden­ und Lieferantenbeziehungen für das Zusammenwirken mit anderen, externen Wirt­schaftspartnern. Im Ergebnis beeinflussen Erfolge oder Misserfolge von Unternehmen zudem Wohlstand und Attraktivität ihrer Region.

Leider wissen viele Jugendliche heute wenig darüber, wie unsere Soziale Marktwirtschaft funkti­oniert, welche Bedeutung Unternehmen haben und von welchen Faktoren unternehmerischer Erfolg abhängt. Gerade auch die Tatsache, dass der Wohlstand unserer Gesellschaft unmittelbar auf der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beruht, ist vielfach nicht bekannt.

Dabei interessieren sich junge Leute durchaus für Wirtschaftsthemen: Untersuchungen weisen darauf hin, dass drei Viertel der Jugendlichen ein Schulfach Wirtschaft gut fänden. Aufgrund der Vielzahl ökonomischer Sachverhalte in unserem Alltag sind profunde Kenntnisse in Wirtschafts­fragen zudem wichtiges Orientierungswissen. Nicht zuletzt kann eine gute ökonomische Bildung Verständnis für unternehmerisches Handeln fördern und bei der Entscheidung helfen, Selbstständigkeit als eigene mögliche berufliche Perspektive in Betracht zu ziehen.

Das Unterrichtsmaterial, das das Handelsblatt Lehrkräften für den Wirtschaftsunterricht anbie­tet, füllt eine Lücke: Es ermöglicht eine systematische und tagesaktuelle Auseinandersetzung mit dem wirtschaftlichen Geschehen. In dem Unterrichtsband „Unternehmen und Strukturwandel“ werden die dynamischen Kräfte unserer Sozialen Marktwirtschaft ins Blickfeld gerückt und damit verbunden die Herausforderungen und Chancen für unsere Zukunft. Lehrerinnen und Lehrer erhalten hier viele Anregungen für die Gestaltung ihres Wirtschaftsunterrichtes. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg!

Herzlichst

Ihr

Dr. Eric Schweitzer Präsident Deutscher Industrie­ und Handelskammertag

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Gliederung

I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Zum Aufbau der Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“: . . . . . . . . . 8

II. Curriculare Einordnung in den Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

III. Lehrerhandreichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1. Didaktische Struktur der Unterrichtseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1.1 Fachwissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1.2 Erkenntnisgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

1.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

1.4 Fachwissenschaftliche Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2. Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

2.1 Verortung des Themas im Bereich „Unternehmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . 29

2.2 Struktur der Unterrichtseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

2.3 Informationen zu den Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Komplex 1: „Stellung und Funktion von Unternehmen in marktwirtschaft lichen Ordnungen“ (M 1 – M 9) . . . . . . . . . . 30

Komplex 2 „Unternehmen und Strukturwandel“ (M 10 – M 28). . . . . . . . . . 34

Komplex 3 „Beispiele für Strukturwandel und Anpassungsprozesse in Unternehmen“ (M 29 – M 38). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Komplex 4 „Praxiskontakte“ (M 39 – M 42) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

2.4 Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

3. Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

IV. Verknüpfung mit wigy­Materialangeboten auf www.wigy.de . . . . . . . . . . . . . . . 51

V. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

M 1 Gründe für die Existenz von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

M 2 Die ökonomische Betrachtungsebene von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . 58

M 3 Die soziale/gesellschaftliche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

M 4 Die Stellung der Unternehmen im Wirtschaftsgeschehen . . . . . . . . . . . . . 62

M 5 Unternehmensziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

M 6 Aufgaben einer Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

M 7 Sektoraler Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

M 8 Prognos­Studie: Industrie bleibt Herzstück. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

M 9 Befragung deutscher Unternehmensmanager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

M 10 Zitatensammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

M 11 Substanz, System, Struktur nach Heinrich Rombach . . . . . . . . . . . . . . . . 73

M 12 Definition Strukturwandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

M 13 Strukturwandel und Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

M 14 Prozess der schöpferischen Zerstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

Page 6: Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ · Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ 3. aktualisierte Auflage 2013 Autoren M. A. Michael Koch (Institut

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M 15 Die Unternehmerfunktion nach Schumpeter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

M 16 Organisatorischer Wandel und Umweltänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 84

M 17 Bewertung und Interpretation von Umweltmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . 86

M 18 „Der gekochte Frosch“ oder Faktoren, die Strukturwandel hervorrufen . . . . . 88

M 19 Die Manie des Neuen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

M 20 Warum Schleckers Riesenreich zusammenbrach. . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

M 21 Externe und interne Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

M 22 Lernen, lebenslang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

M 23 Personalentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

M 24 Bedingt familienfreundlich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

M 25 Change Management: Widerstand gegen Änderungen . . . . . . . . . . . . . . 100

M 26 Management des Wandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

M 27 Auf den Käpt’n kommt es an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

M 28 Interview mit Herbert Hainer (Adidas) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

M 29 Strukturwandel und Unternehmen: Schlaglichter . . . . . . . . . . . . . . . . 105

M 30 Media­Markt verlässt China. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

M 31 Unternehmen in Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

M 32 Online­Kaufhäuser: Der neue Handelskrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

M 33 Showrooming: Anschauen im Laden – kaufen im Internet . . . . . . . . . . . . 110

M 34 Prosuming und Mass­Customization . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

M 35 Die großen Baustellen der Energiewende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

M 36 Atomausstieg: Sicher geglaubte Gewinne brechen weg . . . . . . . . . . . . . 116

M 37 Ein Betrieb für alle Generationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

M 38 Alte neue Zielgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

M 39 Methode Expertenbefragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

M 40 Szenario­Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

M 41 Praxiskontaktpartner EY . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

M 42 Der Wille zum Erfolg – was Ausnahmesportler und Unternehmer gemeinsam haben . . . . . . . . . . 129

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7

I. Einleitung

„Selbstzufriedenheit ist der größte Feind von Innovation und Qualität.“

Hans-Olaf Henkel (*1940), ehem. Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V.

(BDI – 1995-2000)

„Die Fähigkeit einer Organisation zu lernen und das Gelernte schnell in Taten umzusetzen ist der ultimative Wettbewerbsvorteil.“

Jack Welch (*1935), ehem. CEO1 General Electric (1981-2001)

„Wo kämen wir hin, wenn alle sagten: Wo kämen wir hin; und niemand ginge, um einmal nach­zuschauen, wohin man käme, wenn man ginge...“

Kurt Marti (*1921), Pfarrer und Schriftsteller

Das heutige Wirtschaftsleben ist in vielfältiger Weise durch Wandlungsprozesse charakterisiert, die für die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber insbesondere die Unternehmen vielerlei Herausforderungen bereithalten. Seien es die zunehmende Globalisierung des Wirtschaftsge­schehens, die Veränderung von Märkten im Zuge der Verbreitung neuer Technologien oder die demografischen Veränderungen, die in unserer Gesellschaft zu beobachten sind: Unternehmen müssen solche Einflussfaktoren frühzeitig erkennen und darauf reagieren – man könnte sagen, sie müssen permanent beobachten und „lernen“ – wollen sie langfristig ihre Position im Wett­bewerb sichern.

Dies trifft nicht nur auf die großen Global Player zu, sondern genauso auf die klein­ und mittel­ständischen Unternehmen von nebenan. Und selbstverständlich hat dies auch Auswirkungen auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen, da sich auch die Qualifikationsanforderun­gen stetig verändern und der Prozess des lebenslangen Lernens heute in vielen Bereichen einen unerlässlichen Bestandteil von Berufsbiografien darstellt.

Die vorliegende Einheit will verdeutlichen, was unter Strukturwandel zu verstehen ist, welche Faktoren diesen im Wesentlichen auslösen bzw. beeinflussen und welche Auswirkungen und Aufgaben hieraus für Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchenzugehörigkeit resul­tieren. Hierbei wurde besonderer Wert auf die Verknüpfung von theoretischen Ausführungen und Beispielen aus der wirtschaftlichen Realität gelegt.

1 CEO = Chief Executive Officer, im englischsprachigen Raum die Bezeichnung für einen alleinigen Geschäftsfüh-rer, Vorstandsvorsitzenden oder Generaldirektor.

Einleitung

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8

Zum Aufbau der Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“:

1. Die „Curriculare Einordnung in den Bundesländern“ verdeutlicht, wo die Thematik in den einzelnen Lehrplänen bzw. Rahmenvorgaben der verschiedenen Bundesländer für die gym­nasiale Oberstufe verortet wird (vgl. II). Eine Konkretisierung (z. B. Zeitbedarf) für die vorlie­gende Unterrichtseinheit ist vor dem Hintergrund der großen Vielfalt der Vorgaben und Rah­menbedingungen nicht realisierbar. Vielmehr sollte die Lehrkraft entsprechend der landes­spezifischen oder individuellen Rahmenbedingungen eine Auswahl aus dem Angebot treffen.

2. Teil III, die Lehrerhandreichung (vgl. Seite 15), liefert Lernziele und Inhalte der Unterrichts­einheit, erkenntnisleitende Interessen und Gründe für die Auswahl der Thematik, den fach­wissenschaftlichen Hintergrund sowie unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten. Die Schü­lermaterialien im Anhang werden kommentiert und sind mit Aufgabenvorschlägen versehen. Die Autoren sind bei der Konstruktion der Unterrichtseinheit und der Zusammenstellung des Materialienpools davon ausgegangen, dass in einem gewissen Rahmen auf ökonomische Grundkenntnisse im Bereich „internationale Wirtschaftsbeziehungen“ zurückgegriffen wer­den kann.

Die Unterrichtseinheit gliedert sich in vier Komplexe (auch: Unterrichtssequenzen):

Der erste Komplex setzt sich zum Einstieg mit der Stellung und Funktion von Unternehmen in marktwirtschaftlichen Ordnun­gen auseinander.

Der zweite Komplex definiert anschließend den Begriff des Strukturwandels, zeigt unterschiedliche, solche Wandlungs­prozesse auslösende Faktoren auf und welche Auswirkungen hieraus für Unternehmen resultieren.

Der dritte Komplex liefert zahlreiche konkrete Beispiele für die unterschiedlichen Formen von Wandel und die Herausforde­rungen, denen sich in diesem Rahmen Unternehmen zu stellen haben.

Der vierte Komplex macht methodische Vorschläge und bietet zum Abschluss in gewohnter Form die Möglichkeit, sich Praxis­kontaktpartner direkt in den Unterricht zu holen, um die The­matik noch einmal zu vertiefen.

3. Die Einheit enthält einen umfangreichen Materialienteil, der sich aus Grundlagenmaterialien sowie Artikeln des Handelsblatts zusammensetzt. Es ist darauf hinzuweisen, dass das Materialienangebot nur eine Auswahl darstellt, aus der die Lehrkraft auswählen kann.

Einleitung

Page 9: Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ · Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ 3. aktualisierte Auflage 2013 Autoren M. A. Michael Koch (Institut

9

II. Curriculare Einordnung in den Bundesländern

Ökonomische Bildung tritt in vielfältiger und häufig fragmentierter Weise in gymnasialen Lehr­plänen auf. Die folgende Übersicht zur Verortung des Themas „Unternehmen und Strukturwan­del“ in die Lehrpläne des Ökonomieunterrichts oder affiner Fächer in den Bundesländern stellt dies dar. Eine kurze Erläuterung vorweg:

Spalte 1: Da die Bundesländer für Inhaltsbereiche der ökonomi­schen Bildung unterschiedliche Ankerfächer haben oder integrati­ve Ansätze verfolgen, beginnt die Tabelle mit der Bezeichnung des Fachs, in welchem das Thema „Unternehmen und Strukturwandel“ angesiedelt ist.

Spalte 2: Es folgt die Angabe der Jahrgangsstufen. Hier wurde die genaue Zuordnung, die im Lehrplan zu finden war, übernommen. Die Bezeichnungen unterscheiden sich dahingehend, dass zum einen der Lehrplan in den genauen Ablauf der Kursstufe, also 12.2 oder 13.1 unterteilt wurde, zum anderen aber teilweise nur grobe Angaben wie „Oberstufe“ gemacht wurden. Wo eine Unterteilung in Leistungskurs oder Grundkurs klar zu erkennen war, ist dies in der Aufstellung berücksichtigt worden.

Spalte 3: liefert mit der Nennung der Thematik bzw. des Inhalts­felds eine grobe Einordnung, und Spalte 4 differenziert weiter.

Ein Zeitrichtwert für die unterrichtliche Realisierung des behandelten Themenkomplexes ist in dieser Analyse nicht berücksichtigt, da ein Hinweis auf ein Stundendeputat in den Lehrplänen selten gegeben wurde.

Curriculare Einordnung in den Bundesländern

Page 10: Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ · Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ 3. aktualisierte Auflage 2013 Autoren M. A. Michael Koch (Institut

10

LandFach/Fachver-bund

Jahr-gang

Thematik/Inhaltsfeld o.ä. Aspekte/Themen/Inhalte o.ä.

Bade

n-W

ürtt

embe

rg

Gemeinschafts-kunde

Kurs-stufe (4-stün-dig)

Globalisierung und Strukturwandel Globalisierung: Erscheinungsformen und DimensionenW Internationale ArbeitsteilungFaktoren der GlobalisierungGestaltungsmöglichkeiten nationaler und internationaler PolitikW Die Rolle der Nationalstaaten

Fächerverbund Geographie, Wirtschaft und Gemeinschafts-kunde

Kurs-stufe (4-stün-dig)

Sozialstruktur und Sozialstaatlichkeit im Wandel

Gesellschaftlicher Wandel und gesellschaftspolitische Herausfor-derungen

Wirtschaftsdynamik und Wirtschafts-politik

Globalisierung und Strukturwandel Dimensionen und Erscheinungsformen des Globalisierungspro-

zesses Gestaltungsmöglichkeiten nationaler und internationaler Politik

Wirtschaftliches Handeln im Sektor Unternehmen

Wandel in der Berufs- und Arbeitswelt und die damit verbunde-nen betrieblichen und gesellschaftlichen Auswirkungen

Neigungsfach Wirtschaft

Kurs-stufe

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmendaten

Wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik DeutschlandStruktureller Wandel in Wirtschaft und GesellschaftW Transformationsprozesse

Weltwirtschaftliche Entwicklungspro-zesse und ihre theoretischen Begrün-dungen

Entwicklung des WelthandelsRahmenbedingungen und Ursachen für den weltwirtschaftlichenStrukturwandel (wirtschaftliche Globalisierung)W Aussagekraft theoretischer Erklärungsansätze für den internati-onalen Handel

Internationale Wirtschaftsbeziehungen Rahmenbedingungen und Ursachen für den weltwirtschaftlichenStrukturwandel (wirtschaftliche Globalisierung)

Liberalisierung des internationalen Handels, technischer Fort-schritt, Entwicklung von Mobilität und Kommunikation, nach-frageseitige und angebotsseitige Ursachen

Rolle transnationaler Unternehmen, ‚global cities‘ und ihre Bedeutung

Personalwirtschaft und Wandel der Arbeitswelt

Wandel in der Arbeitswelt Struktureller Wandel in der Arbeitsorganisation: Gruppenar-

beit, Telearbeit, Zeitarbeit, Wissensarbeit Auswirkungen auf Unternehmen, Mitarbeiter und Gesellschaft Projekt „Unternehmen im Wandel“

Baye

rn Wirtschaft und Recht

11.1 Bestimmungsgrößen betriebswirt-schaftlicher Entscheidungen

Ziele eines Unternehmens: Rentabilität, soziale und ökologische ZieleEinflussfaktoren auf Investitionsentscheidungen

Berli

n

Sozialwissen-schaften

Ober-stufe

Sozialstruktur und sozialer Wandel Wandel der BevölkerungsstrukturArbeitswelt im Wandel

Wirtschaft und Gesellschaft, Recht und Politik im internationalen System

Herausforderungen in der globalisierten Welt Demografische EntwicklungDeutschland und Europa im Prozess der Globalisierung

Wirtschaftswis-senschaft

Ober-stufe

Das Unternehmen in der Sozialen Marktwirtschaft

Kaufmann und Unternehmen, Leistungserstellung, Leistungsver-wertungu. a.

Produktbezug (Produktlebenszyklus, Forschung, Entwicklung, Simultaneous Engineering)

Mitarbeiterbezug (Spannungsfeld: Rationalisierung und Huma-nisierung, ausgewählte Probleme der Arbeitsplatzgestaltung)

Bran

denb

urg

Politische Bildung

12.2 Wirtschaftspolitik Strukturwandel in DeutschlandTräger und Instrumente der Wirtschaftspolitik Strukturwandel und dessen Folgen für die Region/Stadt

11.2 Wirtschaft Wirtschaftspolitik in der Sozialen Marktwirtschaft Strukturpolitik

Globalisierung12.1 Gesellschaft Aspekte des sozialen Wandels

Arbeit und BerufWirtschaftswis-senschaft

12 Rationalisierung an Beispielen: Pro-duktion und Organisation

Begriff der RationalisierungProduktionsverfahren und ihre VeränderungAufbau- und Ablauforganisation und ihre Veränderung

12.2 Makroökonomie (Globalisierung) W Wirtschaftspolitische Handlungsfelder Demografische Entwicklung

W Nachhaltiges Wirtschaften Strukturwandel

W kennzeichnet die Wahleinheiten, die der Vertiefung und somit dem schüler- und handlungsorientierten Unterricht dienen.

Curriculare Einordnung in den Bundesländern

Page 11: Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ · Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ 3. aktualisierte Auflage 2013 Autoren M. A. Michael Koch (Institut

11

LandFach/Fachver-bund

Jahr-gang

Thematik/Inhaltsfeld o.ä. Aspekte/Themen/Inhalte o.ä.

Brem

en

Wirtschaftslehre Wachstums- und Konjunkturpolitik, Umwelt

Bestimmungsgründe des Wachstums (u. a. Investitionen, tech-nischer FortschrittInfrastrukturmaßnahmen, Qualifizierung des Erwerbstätigenpoten-zials) Ansatzpunkte einer Wachstumspolitik (u. a. Stabilisierungs-, Wett-bewerbs-, VermögenspolitikDeregulierung, Förderung des technischen Fortschritts) Strukturwandel als Begleiterscheinung des Wachstums (u. a. Wan-del der Bedarfs- und der Produktionsstruktur)Ziele und Instrumente sektoraler und regionaler StrukturpolitikUrsachen der Umweltbelastungen, Prinzipien der Umweltpolitik, Instrumente der Umweltpolitik

12.1 Wirtschaftspolitische Konzepte undTheorien zur Beeinflussung vonKonjunktur und Beschäftigung

SuS diskutieren und vergleichen wirtschaftspolitische Konzepte

und können diese den Maßnahmen des Staates auf Konjunktur und Beschäftigung zuordnen

12.2 Internationale Wirtschaftsbeziehungenund Herausforderung für die Gestal-tung der Globalisierung

Definition, Voraussetzungen und Bedingungen der Globalisie-rung

Probleme der zunehmenden Globalisierung und deren wirt-schaftliche und gesellschaftliche Folgen

Politik Handlungsfeld Gesellschaft Veränderungen in der Gesellschaft durch neue Technologien Wandel in der Arbeitswelt

Handlungsfeld Wirtschaft Grundlegende wirtschaftspolitische Auseinandersetzungen (z. B. eine nachhaltige Entwicklung und Technikfolgen)Wirkungen nationaler, supranationaler und globaler Wirtschaft und Wirtschaftspolitik auf Lebensverhältnisse

Themenbereich Wirtschaft Dimensionen und Erscheinungsformen des Globalisierungspro-zesses

Nationale und internationale WirtschaftspolitikThemenbereich Gesellschaft Grundlegende Strukturen und wesentliche Entwicklungsten-

denzen der Gesellschaft darstellen Probleme und Konflikte der gesellschaftlichen Gestaltung

Ham

burg

Wirtschaft Vorstu-fe

Wandel der Arbeitswelt Konkurrenzsituation am Arbeitsmarkt, Einstellungsstrategien von Unternehmen und Betrieben

Global Player Organisationsstruktur und internationale Verflechtung transnatio-naler Unternehmen und Konsortien

Studi-enstufe

Das private Unternehmen – ökono-misches und soziales Aktionszentrum im Wandel

Grundlagen unternehmerischer EntscheidungsprozesseUnternehmenskultur und unternehmerische Verantwortung

Politik/Gesell-schaft/Wirt-schaft

Studi-enstufe

Gesellschaft und Gesellschaftspolitik Sozialstruktur und Strukturwandel Modernisierung: Wandel und Zukunft der Arbeit

Wirtschaftssystem und Wirtschafts-politik

Globalisierung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen Internationale Arbeitsteilung und transnationale Unternehmen

Unternehmenskonzentration

Hes

sen

Politik und Wirtschaft

10.1 Sozialstruktur und sozioökonomischer Wandel

Struktur und Entwicklung der Bevölkerung Von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft Strukturmodelle der Gesellschaft

12.1 Internationale Beziehungen und Globalisierung

Weltwirtschaft und Globalisierung Transnationale Konzerne, Standortfaktoren und Veränderun-

gen der internationalen Arbeitsteilung

12.2 Aspekte der Globalisierung – Chancen, Probleme, Perspektiven

Weltwirtschaft und Globalisierung Soziale Sicherungssysteme, Migration und deren Ursachen Weltumweltpolitik Politik im Zeitalter der Globalisierung Kultur und Wissen

(Mindestens zwei von diesen Themen sind zu behandeln)

Curriculare Einordnung in den Bundesländern

Page 12: Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ · Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ 3. aktualisierte Auflage 2013 Autoren M. A. Michael Koch (Institut

12

LandFach/Fachver-bund

Jahr-gang

Thematik/Inhaltsfeld o.ä. Aspekte/Themen/Inhalte o.ä.

Hes

sen

Wirtschaftswis-senschaft (G9)

11 Unternehmen und Arbeitswelt Das Produktions- und Dienstleistungsunternehmen Betrieb und Ausbildung, Qualifikationsstrukturen und ihre Ver-

änderungen12.2 Gesamtwirtschaftliche Entwicklung

der Bundesrepublik Deutschland –Wirtschaftswachstum-

Wachstum und Beschäftigung in struktureller Hinsicht

13.1 Internationale Wirtschaftsbeziehungenund die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland

Welthandel, Globalisierung

Mec

klen

burg

-Vor

pom

mer

n Wirtschaft Ober-stufe

Mikroökonomie/Arbeit U. a. Tendenzen des Wandels (z. B. technischer, demografischer, Struktur-, Wertewandel) und seine Folgen für die Arbeitsgesell-schaft

Ökonomische Herausforderungen und Problemfelder/Technik und Techno-logien

U. a. Auswirkungen des technologischen Wandels auf das Wirt-schaftsgeschehen, technologischeEntwicklungen als „Motoren des Fortschritts“ in ihren Möglich-keiten und Risiken

Dimensionen der Globalisierung; Chancen und Risiken des Globalisierungsprozesses

Nie

ders

achs

en

Politik-Wirtschaft 11/1(Ergänz-ungs-fach)

Die Bundesrepublik in der globalisier-ten Wirtschaft

Chancen und Risiken der Globalisierung aus der Sicht unter-schiedlicher Akteure (Konsumenten, Arbeitnehmer, Unterneh-mer, Staat)

Indikatoren und Ursachen der Globalisierung11/2(PF)

Wirtschaftspolitik in der Sozialen Marktwirtschaft

Wirtschaftspolitik am Beispiel des Beschäftigungsproblems Die konjunkturpolitische Dimension des Beschäftigungspro-

blems (Beziehung zwischen Konjunktur- und Beschäftigungs-entwicklung, angebots- versus nachfrageorientierte Konzepti-onen)

Die ordnungspolitische Dimension des Beschäftigungspro-blems (Regulierung und Deregulierung des Arbeitsmarktes sowie ihre Auswirkungen auf Arbeitnehmer und Unternehmen)

Die strukturpolitische Dimension des Beschäftigungsproblems (Strukturerhaltungs-, Strukturanpassungs- und Strukturgestal-tungspolitik)

12/2(PF)

Internationale Wirtschaftsbeziehungen Weltwirtschaft zwischen Liberalisierung und Protektionismus Gründe für internationalen Handel (insbesondere Kosten- und

Preisunterschiede) und Entwicklungstendenzendes Welthandels (z. B. überproportionale Zunahme des Welthan-dels gegenüber der Weltwirtschaftsleistung)

Der Unternehmensstandort Deutschland im Rahmen der Glo-balisierung (insbesondere Ursachen der Internationalisierung von Unternehmen)

Wirtschaftslehre Ober-stufe

Rationalisierung und Strukturwandel Rationalisierung durch Arbeitsorganisation, Mechanisierung und AutomationTechnische Entwicklung und BeschäftigungsstrukturVeränderung des Arbeitskräftebedarfs und der ProduktivitätAuswirkung von Rationalisierung auf Beruf und Arbeitsplatz

Nor

drhe

in-W

estf

alen

Sozialwissen-schaften

Ober-stufe

Gesellschaftsstrukturen und sozialer Wandel

Sozialer Wandel komplexer Gesellschaften in wichtigen Bereichen wie Arbeit und BildungEntstrukturierungs- und Neustrukturierungsvorgänge, Konfliktpo-tenziale und Steuerungschancen

Globale politische Strukturen und Prozesse

Erscheinungsformen und Ursachen Muster politischer Antworten auf globale Prozesse Ziele und Aufgaben internationaler Politik Rückwirkungen auf politische Entscheidungen im nationalen

Rahmen

Curriculare Einordnung in den Bundesländern

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13

Curriculare Einordnung in den Bundesländern

LandFach/Fachver-bund

Jahr-gang

Thematik/Inhaltsfeld o.ä. Aspekte/Themen/Inhalte o.ä.

Nor

drhe

in-W

estf

alen

Sozialwissen-schaften/Schwerpunkt Wirtschaft

11/II Unternehmen unter Globalisierungs-druck

Warum sind dynamische Unternehmer unverzichtbar? Zur Rolle der Unternehmer in marktwirtschaftlichen Systemen

Warum expandieren Unternehmen im Ausland? Unternehmen im Globalisierungsprozess

Konzentration und Globalisierung – eine Bedrohung der Sozi-alen Marktwirtschaft?

Erdkunde 11.I/II Weltweite Verflechtungen in ihrer Bedeutung für regionale Prozesse

Globale Verflechtung als Auslöser für Strukturwandel in der deutschen Landwirtschaft und in einem Herkunftsland der importierten Agrarprodukte

Die Bedeutung des tertiären Sektors für die Wirtschaftskraft und die Arbeitsmarktsituation einer Region

12/I Räume unterschiedlichen Entwick-lungsstandes im Globalisierungspro-zess von Wirtschaft und Gesellschaft

Industrie als Chance und Problem für Beschäftigung und Ent-wicklung

Einseitige Wirtschaftsstruktur als Ursache für die Abhängigkeit von Industrieländern

Rhei

nlan

d-Pf

alz

Gemeinschafts-kundeSchwerpunkt: Sozialkunde

11 Wirtschaftspolitische Aufgaben in einer Sozialen Marktwirtschaft

U. a. Strukturkrise: Binnenmarkt, Globalisierung, technologischer Wandel, internationaler Wettbewerb

11.1 Gesellschaft Die industrielle Gesellschaft im Wandel

11.2 Wirtschaft Wirtschaftspolitische Aufgaben in einer Sozialen Marktwirtschaft Konjunkturpolitik und neue Wege aus der Krise Strukturpolitik

Verflochtene Wirtschaft Globalisierung

Saar

land

Erdkunde GK/LK Wirtschaftsräumliche Strukturen und Probleme in Industrieländern:Industriewirtschaft – Notwendigkeit ständigen Strukturwandels

Das Rheinisch-Westfälische Industriegebiet Wirtschaftsstandort Deutschland

11.2 Industriewirtschaft – Notwendigkeit ständigen Strukturwandels

Das Rheinisch-Westfälische Industriegebiet Wirtschaftsstandort Deutschland

12.2 Welthandel und Globalisierung Chancen und Risiken der GlobalisierungWirtschaftslehre 11 Sektor Ausland Globalisierung (Begriffsinhalt, Voraussetzungen, Auswirkungen)

11 Wirtschaftssektoren Der Sektor UnternehmenDer Sektor Ausland

Globalisierung (Begriffsinhalt, Voraussetzungen, Auswirkun-gen)

LK/GK 12

Industrielle Revolution und ihre Folgen Voraussetzungen, Indikatoren und Folgen der Industrialisierung

Sozialkunde(LK 4-stdg.)

10 Wirtschaftsordnung der Bundesrepu-blik Deutschland

Deutschland in einer globalisierten Welt

Politik GK/LK Medien- und Informationsgesellschaft Entstehung neuer Wirtschaftszweige (Informationswirtschaft …)Veränderungen in der Arbeitswelt (Verlagerung der Erwerbstäti-genzahlen zum Informationssektor, Wandel der Arbeitsformen z. B. Telearbeit)Wandel der Unternehmensstrukturen und des Handels (Dezentra-lisierung)

11.2 Gesellschaft verändert sich Struktur und Entwicklung der Bevölkerung Arbeitswelt im Wandel Sozialstaat im Wandel (Zukunft der sozialen Sicherungssyste-

me unter den Bedingungen des demografischen Wandels in Deutschland und der globalisierten Wirtschaft)

Auswirkungen für den einzelnen und die GesellschaftGemeinschafts-kunde/Rechts-erziehung/Wirtschaft

11GK/LK

Sozialstruktur und sozialer Wandel Technikentwicklung Bevölkerungsentwicklung Erwerbstätigkeit Einkommens- und Vermögensstruktur

11/12GK/LK

Internationale Politik in der globalisier-ten Welt

Dimensionen der Globalisierung Begriff der Globalisierung

12(GK)

W Ökonomie und Globalisierung Beurteilen des Wirtschaftsstandorts Deutschland vor dem Hinter-grund von Globalisierungsprozessen

W kennzeichnet die Wahleinheiten, die der Vertiefung und somit dem schüler- und handlungsorientierten Unterricht dienen.

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Curriculare Einordnung in den Bundesländern

LandFach/Fachver-bund

Jahr-gang

Thematik/Inhaltsfeld o.ä. Aspekte/Themen/Inhalte o.ä.

Sach

sen-

Anh

alt

Wahlpflichtfach:Wirtschaftslehre

11/12 Unternehmen als wirtschaftliche und soziale Gebilde

Betrieb – Unternehmen Organisation und Struktur von Unternehmen Unternehmensgründung Finanzierung und Rechnungswesen Strategische Ziele der Unternehmen Unternehmen als soziale Gebilde Technisch-ökonomische Entwicklung und Beschäftigungsstruk-

turSozialkunde 10 Arbeit in der

modernenIndustriegesellschaft

Technologischer Wandel und seine Folgen für die Erwerbs- und Qualifikationsstruktur

Globalisierung und die Folgen

11/12 Pflichtkurs Wirtschaft Globalisierung der Märkte

Internationalisierung der Produktion und des Handels Globalisierung der Wissensmärkte und Kapitalmärkte Konsequenzen für wirtschaftliche Akteure

Schl

esw

ig-H

olst

ein

Wirtschaft/Politik

12.1 Wirtschaft in Theorie und Praxis:Wirtschaft in einer sich wandelnden Welt

Wirtschaftspolitische Zielsetzungen/wirtschaftliche Entwick-lung in der Bundesrepublik Deutschland (konjunkturelle Ent-wicklung, stetiges Wirtschaftswachstum, Strukturwandel u. a.)

Standort Deutschland ( Deutschland im Strukturwandel, Arbeitszeit- und Beschäftigungsmodelle u. a.)

Die Unternehmung Grundentscheidungen der Betriebsführung Die betrieblichen Grundfunktionen Die Unternehmung im Spannungsfeld ökonomischer, politi-

scher und gesellschaftlicher Interessen13 Gewinner und Verlierer der Globali-

sierung Ökonomische Dimension der Globalisierung Gesellschaftliche Auswirkungen der Globalisierung Globalisierung und politische Steuerung

Thür

inge

n

Wirtschaft/Recht

GK11/12

Lernbereich Volkswirtschaft:Konjunkturelle und strukturelle Aus-gangslagen

Konjunkturzyklus, -phasen, Konjunkturindikatoren Ursachen von Konjunkturschwankungen und deren Auswirkun-

gen Strukturelle Ungleichgewichte (sektoral und regional)

LK11/12

Lernbereich Volkswirtschaft: Grundtatsachen der Konjunktur

Kurz-, mittel- und langfristige Schwankungen des Wirtschafts-ablaufs

Typische und atypische Konjunkturlagen Analyse und Prognose von Konjunkturverläufen

Wachstums- und Strukturpolitik unter

besonderer Berücksichtigung desUmweltschutzes

Quantitativer und qualitativer Wachstumsbegriff, externe Effekte

Wachstums- und StrukturproblemeMögliche Lösungsansätze:

Beeinflussung des Markts, Marktlenkung Bildungs- und Informationsmaßnahmen Verbesserung der Infrastruktur

Sozialkunde 11/12Qualifi-kations-phase

Sozialstruktur und sozialer Wandel SuS können, Kennzeichen sozialen Wandels erläutern, Kennzeichen sozialen Wandels im nationalen und internationa-

len Vergleich erläutern

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III. Lehrerhandreichung

1. Didaktische Struktur der Unterrichtseinheit

Die zu erwerbenden Kompetenzen beziehen sich auf drei verschiede­ne Kompetenzbereiche: Fachwissen (Sach­ und Analysekompetenz), Erkenntnisgewinnung (Methodenkompetenz) sowie Bewertung (Urteilskompetenz). Die Kompetenzbereiche lassen sich wie folgt beschreiben:

1.1 Fachwissen: Die Schülerinnen und Schüler verfügen über strukturiertes ökonomisches Wissen, welches ihnen das Wiedererkennen von wirtschaftlichen Strukturelementen und Prozessregeln in der Fülle der ökonomischen Phänomene ermöglicht.

1.2 Erkenntnisgewinnung: Die Schülerinnen und Schüler analysieren wirtschaftliche Phä­nomene mit Hilfe fachspezifischer Methoden und wenden fachspezifische Arbeitstechniken an.

1.3 Bewertung: Die Schülerinnen und Schüler bewerten ökonomische Handlungen und Sach­verhalte und reflektieren Wege des Erkennens und Urteilens.

1.1 Fachwissen

Die Schülerinnen und Schüler ... Inhalte

1. erfassen die Stellung und Funktion von Unternehmen im Wirtschaftsgeschehen.

Gründe für die Existenz von Unternehmen

Unternehmen als Ort der Einkommensentstehung, Marktteilneh-mer, Leistungsersteller

2. erarbeiten Formen, Umfang und unter-nehmerische Auswirkungen des „Struk-turwandels“.

Wandel von Produktionsstrukturen/Wirtschafts sektoren, Erwerbs-/Beschäftigungsstrukturen etc.

Globalisierung

Technologische Entwicklungen (z. B. Internet)

Demografischer Wandel

Regulierung/Deregulierung von Märkten

etc.

3. identifizieren zentrale Aufgaben von Unternehmensführungen.

Unternehmensgestaltung

Unternehmenslenkung

Unternehmensentwicklung/Change Management

etc.

4. denken in den Kategorien des ökonomi-schen Verhaltensmodells.

Strukturwandel = Veränderungen der Rahmen bedingungen/Anreizstrukturen für unternehmerische Handlungen

Kosten-Nutzen-Kalkulationen in Unternehmen, z. B. im Hinblick auf die Entwicklung von Innovationen

Bedürfnisänderungen auf Nachfrageseite und die hieraus resul-tierenden Herausforderungen für die Anbieter

Lehrerhandreichung

1 vgl. hierzu Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.) (2006): Kerncurricula für das Gymnasium, Schuljahr - gänge 8–10, Politik-Wirtschaft, Hannover, sowie Kaminski, H. u.a. (2007): Mehr Wirtschaft in die Schule, hg. von der Stiftung Jugend und Bildung, dem Bundesverband deutscher Banken u.a., Universum Verlag

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Die Schülerinnen und Schüler ... Inhalte

5. denken in Kreislaufzusammenhängen und Interdependenzen.

Vielfältige Ursachen des Strukturwandels

Folgewirkungen technologischer, ökonomischer oder gesell-schaftlicher Entwicklungen

Wechselwirkungen zwischen den Akteuren (private Haushalte, Unternehmen, Staat, Ausland)

6. denken in Ordnungszusammenhängen. Regulierungen/Deregulierungen und ihre Auswirkungen auf Unternehmen

Rechtliche Rahmenbedingungen unternehmerischer Handlungen

Rahmenbedingungen und Funktionen von Wettbewerb

7. denken in Kategorien, die allen wirt-schaftlichen Handlungen immanent sind.

Anwendung ökonomischer Grundbegriffe, z.B. Arbeitsteilung, Entscheidungen, Risiken, Markt, Wettbewerb, Kosten, Inter-dependenzen

1.2 Erkenntnisgewinnung

Die Schülerinnen und Schüler ... Inhalte

8. wenden ökonomische Instrumente zur Analyse wirtschaftlichen Realgesche-hens an.

Ökonomisches Verhaltensmodell

Markt- und Preisbildungsmodell

Wirtschaftskreislauf

etc.

9. beschaffen sich Informationen mit Hilfe methodischer Zugänge und werten diese aus.

Erkundungen/Expertenbefragungen

Fallstudienarbeit

Pro-Contra-Diskussionen

etc.

10. wenden Arbeitstechniken zur Erschlie-ßung der Ursachen und Wirkungen von Strukturwandel an.

Informationssuche und -auswertung

Umgang mit Diagrammen und Statistiken

Denken in Modellen

Textanalyse

etc.

1.3 Bewertung

Die Schülerinnen und Schüler ... Inhalte

11. bewerten die Wirkungen verschiedener Ursachen des Strukturwandels auf Unternehmen.

Multiple Herausforderungen für Unternehmen aufgrund von

technologischen Entwicklungen

demografischem Wandel

Globalisierung

rechtlicher Rahmensetzungen

etc.

12. setzen sich kritisch mit den Gründen ausgewählter Unternehmensinsol-ven-zen auseinander.

Bewertung der Wirkungen externer Faktoren und interner Managemententscheidungen

Identifizierung von Hürden für erfolgreiches Change Manage-ment

Kritische Beurteilung verschiedener Change- Management-Ansätze

Lehrerhandreichung

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1.4 Fachwissenschaftliche Hinweise

Im Folgenden erhalten Sie wesentliche fachliche Informationen zum Verständnis des Begriffs „Strukturwandel“ und dessen Einfluss auf unternehmerisches Handeln. Hierbei werden die Auswirkungen und Prozesse in unterschiedlichen Bereichen unternehmerischen Handelns (Mar­keting, Organisation, Personalpolitik) schlaglichtartig vorgestellt. Sie bekommen somit Basis­informationen. Für eine weiter gehende Auseinandersetzung – die hier aufgrund der Komplexi­tät der einzelnen Aspekte nicht erfolgen kann – sei auf die Literaturhinweise verwiesen.

Definition „Strukturwandel“

„Strukturwandel bezeichnet die Veränderungen der wertmäßigen Beiträge der einzelnen Wirt­schaftszweige und Wirtschaftssektoren zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) aufgrund der markt­wirtschaftlichen Dynamik.“1 Charakteristisch für den Strukturwandel ist der abnehmende BIP­Anteil von Land­ und Forstwirtschaft sowie der Industrie, während der BIP­Anteil des Dienst­leistungsbereichs deutlich zunimmt.

„Der Begriff Strukturwandel kann auf mehrere Bereiche bezogen werden:

1. auf die Zusammensetzung der Produktion eines Landes (Produktionsstruktur) nach Wirt­schaftszweigen (sektorale Struktur);

2. auf Regionen oder Wirtschaftsräume (regionale Struktur);

3. auf die Änderungen der Aufteilung der Beschäftigten (Erwerbsstruktur, Beschäftigungs­struktur) nach Sektoren oder Regionen;

4. auf Qualifikation, Alter und Geschlecht der Beschäftigten;

5. auf die Aufteilung des Sachkapitals nach Sektoren, Regionen und Nutzungsdauer.

Wandel in der Arbeitswelt

Dienstleistung

Industrie, Bergbau,Energiewirtschaft

Baugewerbe

Landwirtschaft*

*einschl. Forstwirtschaft, Fischerei rundungsbed. Diff.1971 nur WestdeutschlandQuelle: Stat. Bundesamt © Globus 4796

4646

1971 1991 2011

3737

99

88

6161

2828

8833

7474

1919

6622

Von je 100 Erwerbstätigen arbeiten in diesen Bereichen

1 Brockhaus, F.A. (2008): Der Brockhaus Wirtschaft. Betriebs- und Volkswirtschaft, Börse, Finanzen, Versicherungen und Steuern, Leipzig/Mannheim: Brockhaus, 579

Didaktische Struktur der Unterrichtseinheit

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Ursachen des Strukturwandels:

Der Strukturwandel wird hervorgerufen durch Veränderungen auf der Nachfrageseite (v. a. wechselnde Gütervorlieben),

Produkt­ und Verfahrensinnovationen sowie

durch zunehmende internationale Arbeitsteilung und die damit einhergehende Verlagerung von Wertschöpfung aus dem Inland ins Ausland.

Wegen des anhaltenden Tempos des technischen Wandels sowie der Globalisierung der Märkte und des damit verbundenen schärferen internationalen Wettbewerbs wird für Deutschland ein beschleunigter Strukturwandel erwartet.“1

Neben diesem endogenen, also im Wirtschaftsprozess selbst angelegten Strukturwandel bewir­ken exogene Einflussfaktoren einen Wandel der sektoralen Wirtschaftsstruktur:

Ordnungs­ und regulierungsbedingter Strukturwandel. Veränderungen in wettbewerbs­politischen Rahmenbedingungen wie z. B. die Einführung eines Kartellverbots oder die Deregulierung von Wirtschaftsbereichen wie der Bundespost führen dazu, dass sich einzelne Sektoren hinsichtlich ihres Produktangebots und ihrer Produktnachfrage unterschiedlich entwickeln.

Prozesspolitisch bedingter Strukturwandel. Durch eine aktive Beeinflussung bestimmter Sek­toren, strukturerhaltend z. B. im Bergbau, strukturfördernd z. B. in der Informationstechnik oder der Biotechnologie, verändern sich dort Angebot und Nachfrage unterschiedlich.

Naturbedingter Strukturwandel. Endliche Ressourcen bewirken erhebliche Veränderungen in den Wirtschaftssektoren.

Unternehmen und Strukturwandel

Unternehmen sind dabei unmittelbar von solchen Wandlungsprozessen beeinflusst, und sie müssen sich permanent den verändernden Umweltbedingungen anpassen, um mittel­ und langfris tig ihre Existenz zu sichern. Hierbei spielt die Anpassung der Angebotspalette an sich verändernde Bedürfnisse der Nachfrager eine ebensolche Rolle wie notwendige Veränderungen im Bereich der Organisation, Technik und des Personals.

Dabei handelt es sich keineswegs um eine „neue“ Erkenntnis, wie das Studium der Texte Joseph Schumpeters veranschaulicht:

Prozess der schöpferischen Zerstörung

Joseph Alois Schumpeter (1883–1950) gilt als einer der bedeutendsten Nationalökonomen des 20. Jahrhunderts. Der Österreicher hat sich in seinem wissenschaftlichen Werk vor allem mit den Bestimmungsgründen für die wirtschaftliche Entwicklung auseinandergesetzt und damit folgerichtig auch mit der Funktion des Unternehmertums. Noch heute werden Unternehmer, die mit der Einführung von Innovationen neue Märkte erschließen, d. h. neue Produkte und Ver­fahren entwickeln oder neue Organisationsformen schaffen, als sogenannte „Pionier­“ bzw. „Schumpeter­Unternehmer“ bezeichnet. Sie fördern den Konjunkturaufschwung und erzielen für eine befristete Zeit „Pioniergewinne“, bis wieder andere „schöpferische“ Unternehmer durch innovatorische Akte das „Alte“ zerstören und „Neues“ schaffen. Der Wettbewerb zwi­schen Unternehmen ist somit ein permanenter Prozess „schöpferischer Zerstörung“.

1 Brockhaus, F.A. (2008): Der Brockhaus Wirtschaft. Betriebs- und Volkswirtschaft, Börse, Finanzen, Versicherungen und Steuern, Leipzig/Mannheim: Brockhaus, 579

Lehrerhandreichung

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Hierzu einige weiterführende Erläuterungen:

Der Aufbau neuer Strukturen ist zwangsläufig damit verbunden, dass bisheriger Produktion die Kapazitäten entzogen und der neuen Bestimmung zugeführt werden. Diese Zerstörung alter und Erschaffung neuer Strukturen nennt Schumpeter den „Prozess der schöpferischen Zerstörung“1. Darin besteht für ihn das wesentliche Faktum des Kapitalismus.

Die tatsächliche Bedeutung einer schöpferischen Zerstörung lässt sich zumeist erst im Nachhin­ein beurteilen. Es braucht häufig Jahre und Jahrzehnte, um beurteilen zu können, ob eine unter­nehmerische Entscheidung wachstumsfördernd oder wachstumshemmend war. Unternehmeri­sche Aktivitäten, die auf optimale Strukturen in jedem Zeitpunkt ausgerichtet sind, können daher auf lange Sicht sogar weniger wirkungsvoll sein als der Verzicht auf diese Aktivitäten. In anderen Worten ist es für langfristiges wirtschaftliches Wachstum nicht nur wichtig, bestimmte Aktivitäten zu unternehmen, sondern ebenso wichtig, gewisse Aktivitäten zu unterlassen. Bedau­erlicherweise kann erst in der rückblickenden Betrachtung diese Unterscheidung der Aktivitä­ten vorgenommen werden. Jede wirtschaftliche Aktivität erhält ihre Bedeutung nur im Kontext des Prozesses der schöpferischen Zerstörung. Die Schwierigkeit, unter solchen Bedingungen die wachstumsfördernden Maßnahmen zu unternehmen, beschreibt Schumpeter „als einen Versuch dieser Unternehmungen, sich auf einem Boden, der unter ihnen weggleitet, aufrecht zu halten“.2

Schumpeter sah in der kapitalistischen Wirklichkeit die Konkurrenz um Innovationen als den entscheidenden Faktor. Die Innovationskonkurrenz ist kein Wettbewerb um marginale Änderun­gen in Kosten und Qualität, sondern bedeutet einen radikalen Wettkampf um neue Produkte und Produktionsprozesse, neue logistische Konzepte und Organisationsformen. Damit wirkt diese Form der Konkurrenz bereits in dem Moment, wenn eine Bedrohung durch Neuerungen erwartet wird; sie muss nicht erst faktisch wirksam werden.

Die Aufgabe, derartige Innovationen loszutreten, kommt dem Unternehmer zu.

Schumpeter nähert sich dem Begriff des Unternehmers von einer soziologischen Betrachtung aus. Der Unternehmer ist für ihn „Agent des Wandels“ und wird von Schumpeter ausschließlich über seinen innovativen Charakter definiert. In der „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ nimmt er eine funktionale Bestimmung des Unternehmers unabhängig vom Eigentumsbegriff vor. Allgemein gilt für ihn, „dass jemand grundsätzlich nur dann Unternehmer ist, wenn er eine ‚neue Kombination’ durchsetzt – weshalb er den Charakter verliert, wenn er die geschaffene Unternehmung dann kreislaufmäßig weiterbetreibt.“ Dementsprechend gehören Management­aufgaben, soweit sie die routinemäßige Abwicklung kreislauforientierter Vorgänge betreffen, für Schumpeter nicht zur unternehmerischen Tätigkeit.

Immer wieder betonte Schumpeter, wie überaus wichtig der Unternehmer für die Volkswirt­schaft sei. Er vertrat die Theorie vom „dynamischen Unternehmer“, der den Konjunkturauf­schwung herbeiführt, indem er Innovationen durchsetzt und Investitionen tätigt. Hingegen leide die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft unter Bürokratisierung in den Unternehmen und durch die Bevormundung des Staates.

Schumpeter bezeichnete „Innovation“ als „die Durchsetzung neuer Kombinationen“. Auf die Technik bezogen heißt das: eine Erfindung in die Praxis umsetzen und sie kommerziell nutzen. Nach Schumpeter macht erst der Unternehmer eine Erfindung zur Innovation. „Die Funktion des Erfinders und die des Unternehmers fallen nicht zusammen. Erfindungen bleiben ökonomisch irrelevant, solange sie nicht in die Praxis umgesetzt sind. Technische Verbesserungen wirksam

1 Schumpeter, J. A. (1950): Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Bern: A. Francke, 1382 Schumpeter, J. A. (1950): Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Bern: A. Francke, 139

Didaktische Struktur der Unterrichtseinheit

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werden zu lassen ist eine ganz andere Aufgabe, als sie zu erfinden, und erfordert ganz andere Fähigkeiten. Der Unternehmer kann auch Erfinder sein, ebenso wie er auch Kapitalist sein kann und umgekehrt, aber grundsätzlich nur zufälligerweise; es liegt nicht im Wesen seiner Funktion.“

Das Paradox der Innovation hat Joseph Schumpeter am deutlichsten gesehen: „[...] gewöhnlich wird nur das Problem betrachtet, wie der Kapitalismus mit bestehenden Strukturen umgeht, während das relevante Problem darin besteht, wie er sie schafft und zerstört“. Schumpeter kennzeichnete die doppelte Dynamik der Innovation als „schöpferische Zerstörung“. Es seien im Wesentlichen die Innovationshandlungen risikofreudiger Unternehmer und deren unbeab­sichtigte Nebenfolgen, welche die Dynamik des Kapitalismus in Gang halten. Weder das protes­tantische Prinzip der Zeitersparnis und Rationalisierung noch der kapitalistische Drang zu Kal­kulation und Kontrolle könnten ausreichend die Ausbreitung und Beschleunigung dieser Dyna­mik erklären. Innovation sei eine kreative Handlung, in der neue Kombinationen von Methoden und Maschinen situativ geschaffen und gleichzeitig alle bisher produzierten Werte, bestens funktionierende Fabrikanlagen wie höchste Fähigkeiten der Arbeitskräfte, radikal entwertet würden. Man verfehlte diese immanente Paradoxie, begriffe man die Innovation entweder – wie in der Welt der Ökonomie – als Akt rationaler Wahl zwischen technischen Angeboten oder – wie in der Welt der ökologischen Bewegung – als normative Entscheidung für alternative Techniktypen.

Gleichgewichtstörungen, die nach einem längeren Zeitraum relativer Ruhe – charakterisiert durch eine relative Konstanz von Preisen und Kosten – einzutreten pflegen, gehen demnach von der Einführung neuer, produktiver Kombinationen aus. Dabei unterscheidet er fünf Arten von Kombinationen:

1. Erzeugung neuer Güter oder neuer Qualitäten von Gütern

2. Einführung neuer oder praktisch noch nicht bekannter Produktions­ und Absatzmethoden

3. Erschließung neuer Märkte

4. Auffindung neuer Bezugsquellen von Rohstoffen und Halbfabrikaten

5. Durchführung einer Neuorganisation, wie z.B. die Schaffung einer Monopolposition

Der Unternehmer muss nicht notwendigerweise der Erfinder der Innovation sein. Entscheidend ist, dass er die Innovation durchsetzt.1

Unternehmerischen Wandel auslösende Faktoren

Strukturen können im Unternehmenskontext auch als erwartbare Vorgänge charakterisiert wer­den. Für die Industrieunternehmen sind dies beispielsweise:

1. etablierte Spielregeln und Gesetzmäßigkeiten, die lange kaum infrage gestellt wurden und die Führungs­ und Wettbewerbsfähigkeit infrage stellen;

2. Abhängigkeiten von Standorten, die unter Berücksichtigung ausgewählter Standortfaktoren und eingehender Standortanalysen ausgewählt und bestimmt wurden;

3. für die Industriewirtschaft charakteristische Massengüter­Produktion: hierarchische Struk­turen, gekennzeichnet durch hohe Arbeitsteilung und starke Kontrolle, um Größenvorteile

1 vgl. Brockhaus, F.A. (2008): Der Brockhaus Wirtschaft. Betriebs- und Volkswirtschaft, Börse, Finanzen, Versiche-rungen und Steuern, Leipzig/Mannheim: Brockhaus, 579

Lehrerhandreichung

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(Economies of Scale) eines Betriebs bei der Produktion von Gütern und degressive (stufen­weise abnehmende) Fixkostenanteile realisieren zu können;

4. industrielle Errungenschaften wie Tarifverträge, Mitbestimmung und Gewerkschaften, die das Verhältnis und die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber als Inhaber der Produktions­faktoren und dispositiver Faktor einerseits und Arbeitnehmer als ausführender Faktor ander­seits stark prägen und beeinflussen.1

Im Folgenden werden einige externe und interne Faktoren aufgezählt, die zu einem Struktur­wandel der Industrieunternehmen führen und geführt haben:

Umwelteinflüsse, die Strukturwandel hervorrufen:

Unberechenbarkeit des politisch­gesellschaftlichen Umfeldes (z. B. Ereignisse des 11. September 2001)

Internationalisierung (z. B. Verlagerung deutscher Produktionsstätten ins Aus­land)

Globalisierung (z. B. zunehmende Vernetzung des weltweiten Handels)

Konzentrationsprozesse (z. B. Fusionen international agierender Unternehmen)

Verhandlungsmacht der hochqualifizierten Leistungsträger (War for talents)

Beschleunigung von Produktlebenszyklen (z. B. Entwicklung neuer Produkte/Technolo gien in den Märkten für Handys oder PCs)

Dynamik der Finanzmärkte (z. B. Abhängigkeit von den Kapitalmärkten, Kapital als Wettbewerbsfaktor, Shareholder Value)

Individualisierungstendenzen (z. B. Anwachsen von Einzelpersonen­Haushalten)

Anspruch der Mobilität von Arbeitnehmern (z. B. zunehmende globale Arbeitskräfte bewegungen)

Stärkung der Kundenmacht bei gleichzeitiger Abnahme ihrer Loyalität (z. B. Entwicklungen im Web 2.0)

Erweiterung der Markthorizonte (z. B. EU­Erweiterung)

Gewachsene unternehmensübergreifende Sichtweisen lösen sich auf

Privatisierung öffentlicher Leistungen (z. B. in der Altersvorsorge, im Bildungsbereich)

Technologischer Wandel (z. B. Entwicklung des Internet zum Web 2.0)

Unternehmensinterne Herausforderungen, die Strukturwandel hervorrufen

Verlust von Loyalität und Identität bei gleichzeitig erhöhtem Bedarf an Leis­tungsbereitschaft und Motivation bei Mitarbeitern

Ruf nach Empowerment (Selbstverantwortung) einerseits, Kontrollbedürfnis andererseits

Kostenorientierte Prozesse verlangen Standardisierung, gleichzeitig Ruf nach Flexibilität und Innovation

1 in Anlehnung an: Picot, A./Neuburger, A. (2003): Veränderte Rahmenbedingungen – Ausgangspunkt für den betrieblichen Wandel, in: Unterricht/Wirtschaft (Heft 13): Organisation und betrieblicher Strukturwandel, Velbert: Friedrich, 3ff.

Didaktische Struktur der Unterrichtseinheit

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Entpersonalisierung der Kommunikation durch neue Kommunikationsmedien (virtuelles Arbeiten)

Höhere Ansprüche vonseiten der Kunden, gleichzeitig Kostendruck

Neue Arbeitsformen (virtuelle Organisationen)

Überlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Beschleunigung

Führung im Spannungsfeld organisatorischer Trägheit und Veränderungsnot­wendigkeit

Ökonomisierung der organisationsinternen Beziehungen (Profitcenter)

Umbau der Hierarchieebenen, Veränderung der Führungsstrukturen

Management von Vielfalt

Risikoerhöhung durch Fehlerunfreundlichkeit (keine zeitlichen Puffer)

Auflösung von Organisationsgrenzen

Wenn sich die Veränderung von internen und externen Strukturen von Unternehmen beschleu­nigt und sich selbst die Bedingungen des Wandels ändern, so dass die Erfolgsrezepte von ges­tern zu Problemen von heute werden, stellen sich Unternehmen zunehmend die Frage, welche Faktoren welchen Einfluss für das Überleben des Unternehmens haben. Plötzlich werden Märk­te, Mitarbeiter und Produkte als zu komplex, zu instabil und zu unberechenbar wahrgenommen.

Der Umgang mit Ungewissheit, Unsicherheit und Zukunft ändert sich, und es wird versucht, Unternehmen von der Zukunft her zu steuern und die „Innovationsaufgaben nicht dem Zufall zu überlassen“.1 Dem steht die Beobachtung gegenüber, dass häufig experimentelle, krisengelei­tete, risikoreiche oder zufällige Entscheidungen und deren nicht zu steuerndes Zusammenwir­ken das Überleben sichern. Vielleicht ein Grund, warum in nicht geringem Umfang viele Organi­sationen trotz der Gewissheit, dass sich die Umwelt ändert, an bewährten Routinen festhalten. Der viel zitierte Reformstau und das Scheitern von Reorganisationsmaßnahmen in Unterneh­men und öffentlichen Verwaltungen sind dafür ein Indiz, dass der Tod schleichender kommen kann, als die Innovationsaufrufe allerorts erwarten lassen.

Ein Beispiel: Jeder kennt Adler­Schreibmaschinen, doch keiner kennt die Tintenstrahldrucker von Adler! Warum nicht? Weil Adler nicht in diese Entwicklung investiert hat. Dem zuständigen Management, so wird die Geschichte kolportiert, habe man in einem sehr frühen Stadium den Tintenstrahldrucker präsentiert. Man konnte sich auf Unternehmensseite damals jedoch nicht vorstellen, dass mit dieser Erfindung Geld zu verdienen sei, da mit dem Tintenstrahldrucker keine Durchschläge angefertigt werden können, wie sie im Behördenalltag damals häufig gebraucht wurden. Ob Adler den Siegeszug der PCs und Kopierer zu diesem Zeitpunkt bereits hätte erahnen können?

Innovation, Reform und Change Management heißen die Schlagworte, mit denen vielerorts auf den Strukturwandel geantwortet wird und unter denen in der Volks­ und Betriebswirtschafts­lehre die Frage nach der Überlebensfähigkeit von Unternehmen verhandelt wird. Dem liegt all­gemein das Verständnis zugrunde, dass Innovationsfähigkeit maßgeblich den Erfolg des Unter­nehmens und einer prosperierenden Volkswirtschaft mitbestimmt. Nicht nur die Literatur wid­met sich ausgiebig der Frage, wie sich das Neue in der Wirtschaft durchsetzt, sondern auch in der Praxis findet man in fast allen Bereichen der Gesellschaft von der Schule über Universitäten

1 Thom, N. (2002): Innovationen als Gestaltungsaufgabe in einem sich wandelnden Umfeld. Überlegungen zu einem institutionaliserten Innovationsmanagement, in Gomez, P./Hahn, D./Müller-Stewens, G. (Hg.), Unterneh-merischer Wandel: Konzepte zur organisatorischen Erneuerung, Wiesbaden: Gabler, 329

Lehrerhandreichung

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bis zum Altersheim die Aufforderung, die der Managementbestsellerautor Tom Peters mit folgen­den Worten auf den Punkt bringt: „Get innovative or get dead!“1

Dirk Baecker verwendet in seinem Buch „Postheroisches Management“ ein Experiment aus dem naturwissenschaftlichen Bereich, um die Zusammenhänge auf einfache Weise zu veran­schaulichen:

„Der gekochte Frosch!“2

Eine der Geschichten, die Unternehmensberater und Managementphilosophen immer wieder gerne erzählen, um deutlich zu machen, wie schwer es ist, einen Organismus oder ein Unter­nehmen zum Lernen zu bringen, ist die von Charles Handy zur Parabel gemachte Geschichte vom gekochten Frosch. Jeder kann sich vorstellen, was passiert, wenn man einen Frosch in sehr heißes Wasser wirft: Er versucht, so schnell wie möglich wieder herauszukommen. Aber was passiert, wenn man einen Frosch in lauwarmes Wasser setzt und die Temperatur allmählich erhöht? Überraschenderweise passiert nichts. Der Frosch gibt alle Anzeichen des Wohlgefühls von sich und beginnt bei lebendigem Leibe zu kochen, ohne es auch nur zu merken.

Diese Schauergeschichte ist die Geschichte eines Organismus, der nicht lernt. Der Frosch ist nicht in der Lage, für ihn bedrohliche allmähliche Veränderungen seiner Umwelt wahrzuneh­men. Er bekommt sie im wahrsten Sinne des Wortes nicht mit, weil er keine Möglichkeiten hat, ein lauwarmes von einem etwas wärmeren Wasser zu unterscheiden. Er unterscheidet nicht, was sich verändert.

Peter M. Senge versucht in seinem Buch über die „Fünfte Disziplin“3, Mechanismen des Lernens zu identifizieren, die es einem Unternehmen ersparen, das Schicksal des gekochten Froschs zu erleben. Wie können Unternehmen lernen? Wie können sie allmähliche Veränderungen ihrer inneren und äußeren Umwelt, also ihrer Märkte und ihres Betriebsklimas, identifizieren und unterscheiden? In der gegenwärtigen Managementliteratur, aber auch in der Organisationssozio­logie, ist diese Frage nach Lernmechanismen die Gretchenfrage, an deren Beantwortung alles zu hängen scheint.

Senges Hauptthese ist, dass sich die lernende von der kontrollierenden Organisation dadurch unterscheidet, dass sie fünf Disziplinen beherrscht:

1. die Förderung offener und visionärer Persönlichkeiten;

2. die Entwicklung eines Verständnisses für Weltanschauungen und Vorurteile, die in alle Ent­scheidungsprozesse förderlich oder hinderlich eingehen;

3. die Fähigkeit, Visionen aufzubauen, die nicht einsame Managementvorstellungen sind, son­dern von allen geteilt werden;

4. die Zusammenstellung von Teams als den eigentlichen Lerneinheiten in einer Unterneh­mung; und

5. als krönender Abschluss: Systemdenken im Sinne eines Verständnisses für zirkuläre, rück­gekoppelte Prozesse.

1 vgl. dazu Peters, T. (1990): Get innovative or get dead, in: California Management Review 33, San Francisco, 33, 9-26

2 Baecker, D. (1994): Postheroisches Management. Ein Vademecum, Berlin: Merve-Verlag, 441ff.3 vgl. dazu Senge, P. M. (1990): The fifth discipline: The Art and Practice of the Leraning Organization, New York:

Doubleday

Didaktische Struktur der Unterrichtseinheit

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Bisher ist es erst Unternehmensprototypen gelungen, diese Disziplinen in ganz unterschiedli­cher Weise zu entwickeln. Patentrezepte gibt es nicht, und Verfahren, die in einem Unterneh­men erfolgreich sind, in einem anderen Unternehmen zu kopieren wäre äußerst riskant, da die internen und externen Bedingungen, die Marktverhältnisse und die sozialen Abläufe von einem Unternehmen zum anderen Unternehmen immer wieder andere sind.

Die lernende Organisation ist selbst eine Vision. Aber man versteht allmählich (!), worauf es ankommt: Der Frosch muss lernen, nicht von seinem Wohlgefühl auf die äußeren Bedingungen zu schließen, unter denen er lebt. Er muss lernen, sich irritieren zu lassen. Er muss unruhig werden und seinen eigenen Möglichkeiten immer ein Stück weit voraus sein. Und er muss dem Kitzelgefühl trauen, das aus seinen Gliedern kommt, auch wenn der Kopf nicht weiß, worum es geht.

Kurz, er muss sein Nervensystem auf Außenwahrnehmung umstellen, auch wenn er weiß, dass er letztlich aus seinem eigenen Körper nicht herauskommt und nichts als seinen Körper und sein Nervensystem hat, um Unterscheidungen zu treffen, die auch langsame, allmähliche, zeit­verzögerte Veränderungen wahrzunehmen in der Lage sind.

Was nun diese entscheidende „fünfte Disziplin“ des Systemdenkens betrifft, so stellt Senge eini­ge wenige „Archetypen“ zusammen, an denen man erkennen kann, dass Unternehmen in Syste­me eingebettet sind:

1. Die Probleme von heute entstehen aus den Problemlösungen von gestern. Das kurze Ge dächt­nis aller Beteiligten und das mangelnde Verständnis für Systemzusammenhänge helfen, diesen Umstand immer wieder zu übersehen und damit auch immer wieder zu reproduzieren.

2. Für viele Probleme kommt man leicht auf oberflächliche Lösungen, was umso leichter fällt, je unmittelbarer scheinbare Verbesserungen der Probleme eintreten. Man doktert an den Symptomen herum und gibt den Problemen damit Zeit, so sehr zu reifen, dass sie schließlich unlösbar werden.

3. Findet man allzu einfache Lösungen für ein Problem, macht man das Unternehmen von dieser Lösung abhängig, weil es immer mehr davon braucht, ohne wirklich zu gesunden. Das System wird abhängig von eben den Interventionen, die es unabhängig und lebensfähig machen sollen. Das Problem wird auf denjenigen verlagert, der interveniert. Der Intervenie­rende wird zum Parasiten und dick und fett am Problem, das er immer wieder ein wenig, aber nie wirklich löst.

4. Immer wieder wird unterschätzt, dass es in Systemen, wie zum Beispiel Unternehmen, Gleichgewichtsmechanismen gibt, die dazu tendieren, den Status quo aufrechtzuerhalten. Alle Lösungen von Problemen übersehen, dass Probleme nicht nur schädlich sind, sondern meist auch bestimmte Funktionen erfüllen, ohne die das Unternehmen nicht funktionieren könnte. Oft ist das Problem selbst die Lösung eines ganz anderen Problems. Alle Beteiligten versuchen, das erste Problem zu reproduzieren, egal wie sehr man darunter leidet, damit das zweite Problem nicht durchschlägt, unter dem man unter Umständen noch mehr leiden würde.

Kurz, wo immer wir dazu neigen, lineare Zusammenhänge zu sehen, besteht die Wirklichkeit stattdessen aus Zirkeln. A bewirkt B, und B bewirkt C. Das ist ein linearer Zusammenhang. Dann aber, und zuweilen erst nach einer erheblichen Verzögerung, wirkt C wieder zurück auf A. Und es ist schon ein Glücksfall, wenn man überhaupt Ursache und Wirkung unterscheiden kann. Man kann nicht darauf verzichten, Ursache und Wirkung zu unterscheiden. Aber man macht sich damit blind für alle Zusammenhänge, in denen es für alles, was geschieht, zu viele Ursachen und zu viele Wirkungen gibt und damit die Auswahl bestimmter Ursachen und Wirkungen zu

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Unguns ten anderer schon wieder ein Problem darstellt. Wir müssen also in Kreisen denken und das heißt, sich selbst als das Problem und alle anderen als dessen Lösung zu sehen.

Wandel der Organisationsarchitekturen von Unternehmen

In den neunziger Jahren wurden viele Unternehmen mit großen Veränderungen konfrontiert. Der stärkeren Wettbewerbsdynamik und den erhöhten Anforderungen an die Qualität wurde mit einer Reihe von Reorganisationen und Re­Engineering­Maßnahmen begegnet, die typisch für den Umbau der Architektur vieler Unternehmen zu dieser Zeit scheinen:

Vor den Reorganisationsprozessen waren i. d. R. um das Management des Unternehmens herum Expertenstäbe angesiedelt, deren Funktion es war, Unsicherheit aus der Umwelt zu absorbieren. Das Management stellte die Routinen der Entscheidungsfähigkeit innerhalb der Organisation sicher. Ein kennzeichnendes Element dieser Stab­Linien­Struktur bestand in dem Ringen um technische Effektivität und ökonomische Effizienz zwischen Expertenstäben und Management. Das Management war mit Macht ausgestattet und die Expertenstäbe mit Wissen. Die daraus resultierenden Verhandlungsprozesse versorgten die Organisation mit Orientierung darüber, was innerhalb und außerhalb der Organisation stattfinden kann.

Dieser Mechanismus der Unsicherheitsabsorption durch Expertenstäbe geriet in den neunziger Jahren ins Wanken. Zum einen verursachten steigender Kostendruck und die Produktivitätskrise schnellen Handlungsbedarf in vielen Unternehmen. Zum anderen wurde die Koexistenz von klassischer Hierarchie und Expertenstäben zum Problem, weil der Aufbau von Personal in den Expertenstäben keine Wachstumsbremse hatte. Die Expertenstäbe suchten nicht selten nach Themen, die die eigene Existenzberechtigung sicherstellten, und verursachten dadurch einen Kostenanstieg, mit welchem der Produktivitätsanstieg der Unternehmen nicht Schritt halten konnte. Waren bisher Rationalisierungen meist nur auf der Ebene der Produktionsprozesse und Arbeitsabläufe zu finden, so wurde es notwendig, Organisationstrukturen für Unternehmen zu etablieren, um die Produktivitätskrise zu überwinden und die Kosten zu senken. Viele Unterneh­men strukturierten sich nicht mehr wie bisher entlang funktionaler Arbeitsteilung, sondern ent­lang der Marktbearbeitung.

vgl. Kaminski, H. (Hg.) (2012): Oec – Grundlagen der Ökonomie, Braunschweig: Westermann, 220f.

Abb. Organisationsarchitektur früher Abb. Organisationsarchitektur heute

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Auswirkungen auf Mitarbeiter und Qualifizierungsanforderungen

In diesem Zusammenhang bekamen „selbständige“ Mitarbeiter zunehmende Bedeutung. Sie mussten nicht mehr nur funktionieren und die delegierte Arbeit erledigen. In flexiblen und zukunftsorientierten Organisationen sollen sich in Zukunft die Führungskräfte und Mitarbeiter selbst in ihrer Arbeit verwirklichen können, um die stärker an flexiblen Produkt­ und Leistungs­zusammenhängen orientierten Unternehmen erfolgreicher zu machen. Sie sollen durch die Unterstützung des Personalmanagements die eigenen Potenziale entdecken, kennen lernen, för­dern und ausnutzen. Die Organisation ist auf Selbstständigkeit und gesteigertes Engagement der Mitarbeiter, insbesondere der Führungskräfte, angewiesen und kann auf diesem Wege die Zukunft der Organisation langfristig sichern.1

Darüber hinaus vertreten Berthel und Becker die Ansicht, dass „die Vertreter der humanisti­schen Ansätze davon ausgehen, dass der einzelne Mitarbeiter einer Unternehmung nur dann sein volles Leistungspotenzial zur Verfügung stellt, wenn er dieses Bedürfnis im Rahmen seiner Tätigkeit ausleben kann. […] Die Fähigkeit und Bereitschaft des Einzelnen zur Übernahme von Verantwortung, zu Selbstkontrolle und ­motivation, zum Treffen von rationalen, an den Unter­nehmenszielen orientierten Entscheidungen usw., wird dem Menschen prinzipiell unterstellt und hängt in seiner Umsetzung primär von den jeweils gegebenen Rahmenbedingungen ab. Zwischen den Zielen von Unternehmung und Mitarbeiter wird also kein grundsätzlicher Kon­flikt angenommen. Vielmehr sind Mitarbeiter durchaus bereit, sich aktiv für Unternehmensziele einzusetzen, wenn sich diese bzw. der Einsatz zu ihrer Erreichung mit ihren individuellen Inter­essen verbinden lassen.“ 2

Neben mitarbeiterorientierter Potenzialentwicklung und der Einrichtung von Corporate Univer­sities, die das Lernen hochqualifizierter Funktionsträger näher an die beschleunigten Verände­rungsdynamiken und Bedürfnisse der Unternehmen bringen sollen, stehen die strukturellen Ver­änderungen von Organisationen im Fokus von Personalmanagement und organisatorischer Ent­wicklung.3 In Schlagworten wie „Unternehmer im Unternehmen“ und „interne Kunden­Lieferanten­Beziehungen“ manifestiert sich dieses Verständnis bzw. wird der Einzug einer gewissen Marktlogik in die betroffenen Unternehmen beschrieben.

So ist vielfach die Bildung von einigen wenigen Geschäftsfeldern zu beobachten, in denen weit­gehend selbstständige Unternehmenseinheiten nach dem „Prinzip der Selbstähnlichkeit“ reor­ganisiert werden. Die ursprüngliche, große Hierarchieordnung macht kleineren und selbststän­digen Unternehmenseinheiten Platz, in denen die Mitarbeiter mehr denn je für den Erfolg der „eigenen“ Einheit zuständig sind. Auf diesem Wege wird die Verantwortung von den oberen Hie­rarchiestufen nach unten abgegeben, und die Kontrolle der einzelnen Geschäftsfelder beschränkt sich auf Ergebniserzielung.

Durch die zunehmende Dezentralisierung wird allerdings nicht allein versucht, die betriebli­chen, formalen Strukturen zu reorganisieren. Auch die Mitarbeiter sollen die Möglichkeit bekom­men, sich durch wachsenden Handlungsspielraum ihren persönlichen Karrierevorstellungen anzunähern, innerhalb ihrer Arbeit ihr „Selbstkonzept“ zu verwirklichen und somit sowohl für sich selbst als auch für die Organisation in Form von gesteigerter Arbeitsleistung (in Qualität und Quantität) einen Wert zu schaffen.

1 Ulrich, D. (1999): Das neue Personalwesen: Mitgestalter der Unternehmenszukunft, in: Ulrich, D. (Hg.): Strategi-sches Human Resource management, München/Wien: Hanser, 38

2 Berthel, J./Becker, F. (2013): Personalmanagement – Grundzüge für Konzeptionen betrieblicher Personalarbeit, 10. A., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 17

3 Wimmer, R. (1999): Personalmanagement für die Schule der Zukunft, München, 1

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Durch die Einführung der unternehmerischen Selbstständigkeit in den Organisationen kommt es aber auch zu einer Wiedereinführung der Unsicherheit in das Unternehmen. Die Teilung von Wissen und Macht wandert zu den Führungskräften vor Ort, d. h. in die dezentralen Unterneh­mensbereiche, die sich mit ungewohnten Dynamiken konfrontiert sehen. Die klassische Hierar­chie hatte den Vorteil, dass sie dank der autoritäreren Struktur wenig Nachfragen mit sich brach­te. Dies hat sich geändert, und die Führungskräfte stehen vor veränderten Aufgaben. Die Funkti­on der Hierarchie besteht nicht mehr (allein) darin, für Disziplin zu sorgen und Fehlverhalten zu sanktionieren. Vielmehr findet man aufwendige Abstimmungsverfahren und kollektive Willensbildung, um tragfähige Strukturen überhaupt zu etablieren.

Herausforderungen des Personalmanagements

Nach der modernen Systemtheorie soziologischer Prägung sind Organisationen durch zwei Strukturmerkmale gekennzeichnet: erstens durch Personen, die ebenso wie Maschinen ersetz­bar sein müssen, und zum anderen durch Stellen, die jederzeit umgewidmet, verschoben und gestrichen werden können. Die veränderten Unternehmensarchitekturen führen zu einer stär­keren strategischen Ausrichtung des Personalmanagements. So lauten häufig die Anforderungen an das Personalmanagement, das Zusammenspiel von Führung und Personalaufgaben zu gestal­ten sowie die Kopplung zur Unternehmensentwicklung zu gewährleisten, um sich stärker an den strategischen Geschäftsmodellen der Zukunft zu orientieren, statt bloße Verwaltungsfunkti­onen wahrzunehmen. In Hinblick auf die Entwicklung von Führungskräften und Mitarbeitern gilt es daher, die Herausforderungen so zu gestalten, dass sie auf der einen Seite Austauschbar­keit und auf der anderen Seite Bindung an das Unternehmen gewährleisten. In diesem Zusam­menhang führt die Einführung mittelständischer Strukturen und der damit verbundene Wunsch nach „Unternehmern im Unternehmen“ verstärkt zu der Suche nach selbstständigen Führungs­kräften und Mitarbeitern. Der Versorgung der Organisation mit den geforderten Leistungspoten­zialen ist in den stark dynamisierten und veränderten Betriebsstrukturen nicht mehr mit einfa­chen Standardisierungen beizukommen. Galten beispielsweise ein „sicherer“ Arbeitsplatz und ein stabiles Arbeitsumfeld als wichtige Währungen zur Erbringung betrieblicher Leistung, so rücken in zunehmendem Maße die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeiter und Organisation in den Mittelpunkt. Das Stichwort des „War for talents“ [Kampf um Talente] verdeutlicht dabei die Verhandlungsmacht und die Knappheit gut ausgebildeter Führungskräfte, die die Verwirklichung eines Selbstkonzepts zunehmend nachfragen. Die Möglichkeit dazu kann die Entscheidung für oder gegen eine Organisation stark beeinflussen.

Zentrale vs. dezentrale Organisationsstrukturen

In der Diskussion über zentrale oder dezentrale Organisationsstrukturen ist nach wie vor nicht geklärt, ob und wenn ja welche dieser Strukturen ökonomisch sinnvoller sind. Beispielsweise steht der Einheitlichkeit von zentraler Personalorganisation die Flexibilität dezentraler Personal­organisation gegenüber. Als Folge einer einheitlichen Strategie, eines einheitlichen, zentralen Personalmanagements wird der Organisation oft nachgesagt, ihr fehle die nötige Nähe, sie kenne die Bedürfnisse der Fachbereiche nicht, und Ungleiches werde gleich behandelt.1 Auf der anderen Seite ist gerade die Flexibilisierung mehr denn je Kriterium für ein erfolgreiches Agie­ren auf dem Markt. Durch Flexibilisierung können aus externer Perspektive Kunden und Liefe­ranten individuell bedient und betreut werden, aus interner Sicht stehen durch die dezentrale Organisation mehr Freiräume zur Verfügung, Mitarbeiter können als „Unternehmer im Unter­nehmen“ handeln und durch die steigende Selbstverantwortung auch bessere Leistungen im Interesse der Organisation erzielen.

1 vgl. Nienhüser, W. (1999): Zentrale Personalarbeit – Lob der Zentrale in: Scholz, C. (1999): Innovative Personal-organisation, Center-Modelle für Wertschöpfungsstrategie, Intelligenz und Virtualisierung, Neuwied: Luchterhand, 158–167

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Im Gegensatz zu einer zentralen Struktur gibt es bei den dezentralen Organisationsformen die oben angedeuteten Abstimmungsprobleme. Die Bindungswirkungen zu erzielen ist aufwendig und deren Erfolg häufig mit deutlich höheren Kommunikationskosten verbunden. Der Erfolg einer Dezentralisierung als deregulierende Strukturveränderung ist somit nicht auf einfache Weise zu erzielen, da Vereinheitlichung, Koordination und Kontrolle von Netzwerken in kommu­nikativer Hinsicht wesentlich komplexer zu handhaben sind.1

Organisationen stehen unter ökonomischem Druck. Viele sehen sich schrumpfenden oder stagnie­renden Märkten gegenüber und wollen durch die Potenzialentwicklung der Mitarbeiter, durch das Empowerment und die steigende Selbstverantwortung bessere Ergebnisse erreichen. Doch gerade die steigende Ökonomisierung in dezentralen Einheiten kann dazu führen, dass die Loyalität der Mitarbeiter den Unternehmen gegenüber abnimmt und sie sich immer weniger mit den Organisa­tionszielen identifizieren. Unternehmenskultur und Unternehmenswerte können in den Hinter­grund gedrängt werden. Die gepriesenen Potenzialentwicklungen und gesteigerten Leistungen durch Selbstkonzeption können so an Bedeutung verlieren. Zudem sind Werte­ und Identitätsver­lust im Zuge der zunehmenden Virtualisierung von Unternehmen zu beobachten. Die Herstellung einer emotionalen Bindung zwischen Organisation und Mitarbeitern wird sich wahrscheinlich in Zeiten der umfassenden Virtualisierung organisationaler Abläufe verändern.

Die Frage, ob eine zentrale oder dezentrale Organisationsstruktur per se besser ist, wird auf Dauer unbeantwortet bleiben und auf ihre Funktionalität hin untersucht werden müssen. Die Frage nach technisch effektiveren und ökonomisch effizienteren Möglichkeiten hält das Pendel zwischen dezentralen und zentralen Organisationsstrukturen in permanenter Bewegung. An die­sen grob skizzierten Schnittstellen der Personalorganisation findet das Personalmanagement wichtige Fragestellungen und Herausforderungen für die Zukunft der Organisation. Dabei wird die Tragfähigkeit der Ergebnisse nicht zuletzt auch von der kommunikativen Qualität der Pro­zesse abhängen, mit der es dem Personalmanagement gelingen wird, anhand von Fehlern und Lernen die Organisation mit sich selbst vertraut zu machen.

Bleicher meint, dass „nach der durchaus erfolgreichen Strukturierung nach dem Vorbild der per­fekt durchgestylten Bürokratie, wie sie Max Weber als Idealmodell dargestellt hatte, die Suche nach Alternativen beginnt, die hochflexibel den Wissensträger Mensch in den Mittelpunkt stel­len und die Wissensbasis und Flexibilität der Organisation durch das Niederreißen von inner­ und außerorganisatorischen Grenzen erweitert. Hierzu werden derzeit zwei Teilaspekte disku­tiert:

die Vertrauensorganisation und

die virtuelle Organisation

Als Endpunkt dieser Entwicklung erscheint in einer Synthese beider Formen ein neues Leitbild organisatorischer Gestaltung in der Wissensgesellschaft: die intelligente Organisation als denk­barer Prototyp der Wissensorganisation.“2

1 Siehe ausführlicher dazu die betriebssoziologische Analyse von Springer, R. (1999): Rückkehr zum Taylorismus? Arbeitspolitik in der Automobilindustrie am Scheideweg, Frankfurt: Campus

2 Bleicher, K. (2009): Die Vision von der intelligenten Unternehmung als Organisationsform der Wissensgesell-schaft. In: Zeitschrift Führung und Organisation, 78. Jg., 2/09, Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 73

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2. Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten

2.1 Verortung des Themas im Bereich „Unternehmen“

Das Thema „Unternehmen und Strukturwandel“ ist in den Inhaltsbereich „Unternehmen“ einge­bettet. Insbesondere die Materialien von Komplex 1 vermitteln einige grundlegende und über­geordnete Einsichten, auf deren Basis eine Auseinandersetzung mit dem Thema „Unternehmen und Strukturwandel“ erfolgen kann. Die Autoren der Unterrichteinheit gehen aber davon aus, dass bereits grundlegende Kenntnisse über Stellung und Funktion, Aufgaben, Führung und Organisation von Unternehmen bei den Schülerinnen und Schülern vorhanden sind.

2.2 Struktur der Unterrichtseinheit

Komplex 1 „Stellung und Funktion von Unternehmen in marktwirtschaftlichen Ordnungen“ (M 1 – M 9)

Hauptmerkmale von Unternehmen

Betrachtungsebenen von Unternehmen

Stellung von Unternehmen im Wirtschaftsgeschehen und ihre Beziehungen zu anderen Akteuren im Wirtschaftsgeschehen (z. B. private Haushalte, Staat)

Rahmenbedingungen von Unternehmenstätigkeit/Unternehmensumwelt

Zielsysteme von Unternehmen und Aufgaben von Unternehmensführungen

Definition System – Substanz – Struktur

Komplex 2 „Unternehmen und Strukturwandel“ (M 10 – M 28)

Definition Strukturwandel

Erfassung Strukturwandel auslösender Faktoren

Auswirkungen des Strukturwandels auf Unternehmen/Change Management

Wandel der Arbeitsverhältnisse

Wandel der Qualifikationsanforderungen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Komplex 3 „Beispiele für Strukturwandel und Anpassungsprozesse in Unternehmen“ (M 29 – M 38)

Globalisierung und Auswirkungen auf Unternehmen

IT­Entwicklungen und Auswirkungen auf Unternehmen

Demografische Entwicklungen und Auswirkungen auf Unternehmen

Staatliche Regulierung/Deregulierung und Auswirkungen auf Unternehmen

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Komplex 4 „Praxiskontakte“ (M 39 – M 42)

Mögliche Methoden:

Expertenbefragung

Erkundung

Szenario­Entwicklung

Praxiskontakpartner EY

2.3 Informationen zu den Materialien

Hinweis:

Die dargestellte Materialienreihenfolge bedeutet keine zwingende Reihenfolge des Einsatzes im Unterricht. In Abhängigkeit von der methodischen Herangehensweise (z. B. im Rahmen von Projektarbeit), der individuellen Schwerpunktsetzung durch die Lehrenden und weiterer Einflussfaktoren sind sehr unterschiedliche Abfolgen denkbar. Das Materialienangebot stellt daher keine Aufforderung dar, einen aus­schließlich traditionellen Lehrgang durchzuführen, der ein „Abarbeiten“ aller Texte, Schaubilder, Grafiken etc. nahelegt. Ein allein materialien­gesteuerter Unterricht ist von den Autoren nicht beabsichtigt; vielmehr soll der „Materialienpool“ flexibel aufgaben­ und zielbezogen gehandhabt werden und nicht zuletzt den Einsatz kom­plexer, aktiver Lehr­ und Lernverfahren des Ökonomieunterrichts unterstützen.

Komplex 1: „Stellung und Funktion von Unternehmen in marktwirtschaft­lichen Ordnungen“ (M 1 – M 9)

M 1: Gründe für die Existenz von Unternehmen

Warum gibt es überhaupt Unternehmen? Welche Aufgaben und Funktionen übernehmen sie im wirtschaftlichen Geschehen? Warum ist es effizienter, Güter in Unternehmen zu produzieren als durch Einzelpersonen? Diese und weitere Einstiegsfragen werden in diesem ersten Material geklärt, und die Schülerinnen und Schüler lernen hierüber die wesentlichen Charakteristika von Unternehmen kennen:

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1. Nennen Sie die beiden wichtigsten Gründe für die Bildung von Unternehmen. Worin bestehen ihre wesentlichen Aufgaben und Funktionen im Wirtschafts-geschehen?

2. Erklären Sie, was unter dem betrieblichen Transformationsprozess verstanden wird.

3. Fassen Sie die wesentlichen charakteristischen Merkmale von Unternehmen zusammen.

M 2: Die ökonomische Betrachtungsebene von Unternehmen

Aus dem ökonomischen Betrachtungswinkel übernehmen Unternehmen drei Funktionen im Wirtschaftsgeschehen, die in diesem Text veranschaulicht werden:

Sie fungieren als Einkommensquellen der Beteiligten.

Sie treten als Teilnehmer auf Märkten auf.

Sie erstellen Leistungen.

1. Benennen Sie die drei zentralen ökonomischen Funktionen, die Unternehmen zu-geordnet werden können.

2. Beschreiben Sie, was unter der Wertschöpfung eines Unternehmens verstanden wird. Legen Sie dar, was passiert, wenn die Wertschöpfung eines Unternehmens sinkt.

3. Zählen Sie die Ziele auf, die Unternehmen i. d. R. in ihrer Rolle als Marktteilnehmer verfolgen. Erörtern Sie die in diesem Zusammenhang zu bewältigenden Auf gaben.

4. Erläutern Sie den Begriff der Leistungserstellung an einem Ihnen bekannten Unternehmensbeispiel.

M 3: Die soziale/gesellschaftliche Perspektive

Die Formulierung des Unternehmens als „produktives soziales System“ deckt die beiden zen­tralen Perspektiven ab, die Unternehmen kennzeichnen. Wenn wir uns mit Unternehmen, der Erfüllung ihrer Aufgaben und der Lenkung von Unternehmen beschäftigen, müssen wir uns beiden Hauptperspektiven widmen.

Wenn diese beiden Perspektiven als ökonomische und als soziale Perspektive bezeichnet wer­den, ist das eigentlich nicht ganz korrekt. Denn Unternehmen können sich auf dem Markt nur dann durchsetzen und überleben, wenn ihr Handeln dem ökonomischen Druck gerecht wird. Die Handhabung des sozialen Systems Unternehmen, die Fragen des Zusammenwirkens, der Lei­tung dieses Systems, die Bindung der Mitglieder an das Unternehmen etc. müssen den ökonomi­schen Anforderungen folgen. Insofern bilden die ökonomische und die soziale Perspektive eine Einheit, die sich nicht trennen lässt.

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1. Erläutern Sie die Einbindung von Unternehmen in soziale/gesellschaftliche Kontex-te an einem Beispiel.

2. Beschreiben Sie vor diesem Hintergrund den Zusammenhang zwischen gesellschaft-lichem Wohlstand und der Effizienz unternehmerischer Handlungen und Organisa-tionen.

3. Arbeiten Sie heraus, inwiefern Unternehmen nicht nur als soziale, sondern als ökonomische Aktionszentren bezeichnet werden müssen. Ermitteln Sie die Konse-quenzen/Aufgaben, die sich hieraus für die Unternehmensführungen/Management-ebenen ergeben.

M 4: Die Stellung von Unternehmen im Wirtschaftsgeschehen

Mit Hilfe der Grafiken soll noch einmal die Einbindung der Unternehmen in das volkswirtschaft­liche Geschehen veranschaulicht werden. Deutlich wird, dass diese in vielerlei Beziehungen zu den anderen Akteuren im Wirtschaftsgeschehen stehen, hier verschiedene monetäre Ströme zu identifizieren sind und dass Märkte als Koordinationsinstrumente in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle spielen.

1. Erläutern Sie mit Hilfe der Grafiken die folgende Aussage: „Die Unternehmen stehen in unmittelbarer Beziehung zu den anderen Akteuren im Wirtschaftsgeschehen. Man kann in diesem Zusammenhang von einer Interdependenz der Handlungen der Akteure sprechen.“

2. Verdeutlichen Sie die Bedeutung von Märkten, insbesondere für die Beziehung von Unternehmen und privaten Haushalten. Fassen Sie hierbei die Funktion von Märkten in diesem Zusammenhang zusammen.

M 5: Unternehmensziele

Neben dem zentralen Ziel der Realisierung von Gewinnen gibt es noch eine Vielzahl weiterer Einzelziele bzw. Zielelemente, die die Handlungen von Unternehmen leiten und bestimmen.

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Diese werden – einschließlich der auf ihre Festlegung einflussnehmenden Faktoren – in diesem Material zusammengefasst.

1. Ordnen Sie die in der Grafik angegebenen Ziele den Sach- bzw. Formalzielen zu.

2. Definieren Sie auf der Basis eigener Recherchen die Begriffe „Produktivität“, „Wirtschaftlichkeit“ und „Rentabilität“.

3. Nennen Sie einige Faktoren, die Einfluss auf die Ziele eines Unternehmens haben können.

4. Charakterisieren Sie mögliche Zielkonflikte, die in einem Unternehmen auftreten können.

M 6: Aufgaben einer Unternehmensführung

Dieser Text fasst die wesentlichen Aufgaben von Unternehmensführungen zusammen. Der Ent­wicklung einer „unverwechselbaren“ Unternehmenskultur wird in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung beigemessen. Gleichzeitig werden die Schülerinnen und Schüler bereits an dieser Stelle erkennen, wie wichtig es ist, dass eine Unternehmensführung in der Lage ist, sich flexibel und schnell auf verändernde Rahmenbedingungen einzustellen.

1. Benennen Sie die drei Aufgabenbereiche von Unternehmensführungen.

2. Setzen Sie sich mit der Frage auseinander, wie eine für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivierende Unternehmenskultur ausgestaltet sein sollte. Begründen Sie Ihre Meinung.

3. Bewerten Sie folgende Aussage zur Unternehmenskultur: „Dieser Quatsch mit der Unternehmenskultur. Wir müssen Gewinne machen. Wenn wir keine Gewinne machen, dann haben wir auch keine Unternehmenskultur.“

M 7: Sektoraler Wandel

Mit Hilfe dieser beiden Zeichnungen soll auf einfache Weise der in den letzten Jahrzehnten zu beobachtende sektorale Strukturwandel veranschaulicht werden. Die Schülerinnen und Schüler sollen erkennen, dass sich das Verhältnis der einzelnen Sektoren im Wirtschaftsgeschehen seit den fünfziger Jahren quasi umgedreht hat und dass diese Entwicklung zunehmend rasanter ver­laufen ist und verläuft (vgl. M 12).Ergänzt wird die generelle Darstellung durch zwei statistische Grafiken, die schrittweise diffe­renzierender verdeutlichen, wie sich der dargestellte Wandel in den Beschäftigungsstrukturen in Deutschland widerspiegelt.

1. Beschreiben Sie die Darstellung in beiden Zeichnungen. Ermitteln Sie ihre Kern-aussage.

2. Analysieren Sie die beigefügten Grafiken. Arbeiten Sie heraus, wie sich der sektorale Wandel in den Beschäftigungsstrukturen widerspiegelt.

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3. Stellen Sie begründete Prognosen für die Entwicklungen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auf.

4. Diskutieren Sie, inwieweit es sinnvoll sein könnte, einen vierten „digitalen“ Sektor einzuführen – Erörtern Sie, inwieweit dieser ausreichend von den anderen Sekto-ren zu trennen wäre. (Aufgaben 2. – 4. ersetzen die alte Aufgabe 2.)

M 8: Prognos­Studie: Industrie bleibt Herzstück

M 9: Befragung deutscher Unternehmensmanager

Die beiden abschließenden Materialien des Komplexes 1 bilden den Übergang von den grundle­genden Inhalten zur Stellung und Funktion von Unternehmen hin zur Frage, wie sich der struk­turelle Wandel konkret auf das unternehmerische Handeln auswirkt.

Die Grafik in M 8 sowie der Artikel in M 9 thematisieren die Zukunftsprognosen bezüglich der Entwicklung einzelner Branchen und der in ihnen tätigen Unternehmen. Die Schülerinnen und Schüler können sich u. a. mit den verschiedenen betrieblichen Instrumenten zur Bewälti­gung konjunktureller Krisen beschäftigen, deren Potenziale vergleichen und (ggf. ungewollte) Wirkungen analysieren.

1. Interpretieren Sie die Grafik, und geben Sie die wichtigsten daraus ersichtlichen Entwicklungen in Ihren eigenen Worten wieder.

2. Geben Sie wieder, in welchen Branchen positive Geschäfts- und Beschäftigungs-entwicklungen erwartet werden und für welche eher negative Prognosen aufgestellt werden.

3. Diskutieren Sie, welche Gründe hierfür im Wesentlichen verantwortlich sein dürften. Begründen Sie Ihre Meinung.

4. Analysieren Sie die verschiedenen Instrumente, die Unternehmensführungen hinsichtlich des Umgangs mit konjunkturellen Krisensituationen zur Verfügung ste-hen. Vergleichen Sie deren Vor- und Nachteile und erläutern Sie ihre Wirkungsweise.

5. Erläutern Sie, aus welchen Gründen die genannten Experten eine reine Reduzie-rung der Kosten in Krisenzeiten für unzureichend halten.

Komplex 2 „Unternehmen und Strukturwandel“ (M 10 – M 28)

M 10: Zitatensammlung

Die vorliegende Zitatensammlung soll den Schülerinnen und Schülern einen „lockeren“ Einstieg in die Auseinandersetzung mit dem Strukturwandel und seinen Wirkungen auf unternehmeri­sches Handeln liefern. Die gesammelten Aussagen stammen aus unterschiedlichen Epochen und Bereichen (Politik, Wissenschaft, Wirtschaft etc.) und zeigen, dass stets die Notwendigkeit besteht, sich verändernde Rahmenbedingungen zur Kenntnis zu nehmen, will man – in wel­chem Feld auch immer – langfristig erfolgreich agieren.

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1. Arbeiten Sie die Kernaussagen aller hier versammelten Zitate heraus.

2. Erörtern Sie den Zusammenhang zwischen den vorgestellten Zitaten und dem Thema der Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“.

M 11: Substanz, System, Struktur nach Heinrich Rombach

Strukturen kann man nicht beliebig schaffen. Sie sind Ergebnis von Beobachtungen sowie kultu­rellen und sozioökonomischen Bedingungen. Eine eindeutige Definition ist mit dem Blick ins Lexikon schnell gefunden. Ein weiterer auf die Herkunft und Bedeutung, insbesondere auf die philosophischen Grundzusammenhänge von Begriffen, kann darüber hinaus für eine erste An näherung und spätere Untersuchungen hilfreich sein.

Der durchaus als kompliziert zu bezeichnende Text, der im Wesentlichen die Herangehensweise von Heinrich Rombach (*1923, †2004), Ordinarius für Philosophie am Lehrstuhl I für Philoso­phie der Universität Würzburg, beschreibt, kann diesbezüglich eine Annäherung und Diskussi­onsgrundlage darstellen und im Sinne einer Perspektiverweiterung Verwendung finden.

1. Erklären Sie in eigenen Worten die Bedeutung der Begriffe „Substanz“, „System“ und „Struktur“ nach Rombachs Definition.

2. Legen Sie dar, inwiefern diese Begriffe nach Rombach aufeinander aufbauen.

3. Diskutieren Sie, ob die Strategie eines Unternehmens der Struktur folgt oder umgekehrt. Begründen Sie Ihre Einschätzung.

M 12: Definition Strukturwandel

M 13: Strukturwandel und Arbeitsmarkt

In Anknüpfung an M 7 wird in diesen beiden Materialien der Begriff des Strukturwandels defi­niert, und es wird gezeigt, in welchen unterschiedlichen Bereichen entsprechende Wandlungs­prozesse zu finden sind.

Gleichzeitig werden unterschiedliche Faktoren vorgestellt, die Wandlungsprozesse in Unterneh­men auslösen bzw. notwendig machen können und es wird deutlich, wie diese auf die einzel­nen Arbeitsprozesse und ­verhältnisse einwirken.

1. Ermitteln Sie Beispiele konkreter Wandlungsprozesse in den einzelnen, im Material genannten Bereichen.

2. Bestimmen Sie die wesentlichen Faktoren, die für strukturelle Wandlungsprozesse in Unternehmen verantwortlich gemacht werden.

3. Erläutern Sie, wie sich die Veränderungen auf die „Arbeit“ in Unternehmen auswirken. Finden Sie Beispiele zur Illustration Ihrer Ausführungen.

Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten

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M 14: Prozess der schöpferischen Zerstörung

M 15: Die Unternehmerfunktion nach Schumpeter

Beschäftigt man sich mit Strukturwandel und der Rolle und Funktion von Unternehmen im Wirtschaftsgeschehen, so ist es unerlässlich, sich mit den von Schumpeter und anderen ent­wickelten Theorien zumindest im Ansatz zu beschäftigen.

Die Figur des Unternehmers wurde in der ökonomischen Literatur des 20. Jahrhunderts weitest­gehend ausgeblendet. Eine bekannte Ausnahme stellt das Werk des Österreichers Joseph Alois Schumpeter dar, der mit seiner „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Analyse und Beschreibung des Unternehmers gegeben hat. Der Unternehmer ist nach Schumpeter nicht der Erfinder, sondern der Innovator, der neue Ideen aufgreift und durchsetzt und damit aktuelle Strukturen zerstört, um neue zu schaffen. Diesen Prozess nennt er entsprechend die „schöpferische Zerstörung“. Unternehmensgründungen werden seit der These der schöpferischen Zerstörung überkommener Wirtschaftsstrukturen als Motor des volks­wirtschaftlichen Strukturwandels angesehen.

Hinweis: Die vorliegenden Texte (dies gilt z. B. auch für die folgenden Materialien M 16/M 17) sind durch ein hohes Anspruchsniveau und eine hohe inhaltliche Dichte gekennzeichnet. Es ist jedoch noch einmal festzuhalten, dass zumindest die Kenntnis der Grundgedanken der hier vor­gestellten Betrachtungsweise von Unternehmen eine wesentliche Voraussetzung für die weitere Beschäftigung mit dem Thema „Unternehmen und Strukturwandel“ darstellt. Abhängig von den Vorkenntnissen der Schülerinnen und Schüler sowie den zur Verfügung stehenden Zeitdeputa­ten kann es ausreichend sein, nur Teile der vorliegenden Materialien zu verwenden.

1. Legen Sie dar, was unter dem Begriff der Schlüssel- bzw. Basisinnovation verstanden wird. Arbeiten Sie heraus, inwiefern diese maßgeblich den Verlauf wirtschaftlicher Wandlungsprozesse bestimmen.

2. Beschreiben Sie in eigenen Worten, was unter dem „schöpferischen Zerstörungs-prozess“ verstanden wird.

3. Erläutern Sie mit eigenen Worten, worin Schumpeter die Funktion des Unterneh-mers sieht und wie sich „wirtschaftliche Entwicklung“ vollzieht.

4. Nennen Sie Eigenschaften, über die ein Unternehmer verfügen sollte, um die im Text aufgeführten „Schwierigkeiten“ zu überwinden.

M 16: Organisatorischer Wandel und Umweltänderungen

M 17: Bewertung und Interpretation von Umweltmerkmalen

Die beiden grundlegenden Texte (vgl. Anmerkungen zu M 14/M 15) benennen externe Faktoren, die Veränderungsprozesse im Unternehmen auslösen, stellen verschiedene Möglichkeiten vor, die Unternehmen zur Reaktion auf die Veränderung der Rahmenbedingungen zur Verfügung ste­hen, und untersuchen, welche Instrumente zur Verfügung stehen, um Umweltänderungen ange­messen bewerten und interpretieren zu können.

Lehrerhandreichung

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1. Geben Sie die Gründe für Veränderungen der Organisationsstruktur in Unterneh-men wieder. Vergleichen Sie die unterschiedlichen Änderungsmöglichkeiten hin-sichtlich ihrer Wirkungsweisen.

2. Verdeutlichen Sie, welche Schwierigkeiten im Hinblick auf die „objektive“ Analyse und Interpretation von Umweltveränderungen auftreten können.

3. Stellen Sie dar, welche Instrumente Unternehmen zur Analyse und Interpretation externer Veränderungsprozesse zur Verfügung stehen.

M 18: „Der gekochte Frosch“ oder Faktoren, die den Strukturwandel hervorrufen

Die Geschichte des gekochten Froschs dient dazu, zu verdeutlichen, was passiert, wenn sich Unternehmen nicht ausreichend auf sich schleichend verändernde Rahmenbedingungen ein­stellen und notwendige strukturelle Anpassungen versäumen.

1. Übertragen Sie die Parabel vom gekochten Frosch auf ein Unternehmen. Ermitteln Sie die Fehler, die ein „gekochtes“ Unternehmen entsprechend gemacht hätte.

2. Erörtern Sie die Anforderungen an Unternehmensmanager, die sich hieraus ablei-ten lassen.

M 19: Die Manie des Neuen

M 20: Warum Schleckers Riesenreich zusammenbrach

M 19 verdeutlicht anhand unterschiedlicher Branchenbeispiele, wie die Veränderungen der Bedürfnisstrukturen bei den Nachfragern sowie die Globalisierung zu einer Zunahme des Wett­bewerbs auf den Märkten für Konsumgüter führen und damit eine deutliche Verkürzung der Produktlebenszyklen einhergeht. Egal, ob auf dem Markt für Smartphones, Unterhaltungselekt­ronik oder Automobile: Die Anbieter versuchen, durch immer neue Produkte oder Weiterent­wicklungen für die Kunden interessant zu bleiben. Nur hierdurch lassen sich auf eigentlich gesättigten Märkten noch Gewinne erzielen. Zitat aus dem Artikel: „Für Frank Dopheide, Inhaber der Agentur Deutsche Markenarbeit, ist die Antwort klar: ‚Die Aufgabe von Konzernen und Wer­beagenturen besteht schon lange nur noch darin, Bedürfnisse zu kreieren, von denen die Men­schen bisher nicht wussten, dass sie sie hatten.‘ Der Kunde erwarte von seiner Marke das gute Gefühl, auf der Höhe der Zeit zu sein.“

Am Beispiel der Drogeriekette Schlecker verdeutlicht der Artikel in M 20 in diesem Zusammen­hang, welche Folgen es für Unternehmen haben kann, wenn sie die Veränderungen der Rahmen­bedingungen und Kundenerwartungen auf längere Zeit ignorieren.

Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten

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zu M 19:

1. Erklären Sie, was unter einem Produktlebenszyklus verstanden wird.

2. Erläutern Sie, inwieweit sich verändernde Bedürfnisse der Nachfrager und die Glo-balisierung zu einer Veränderung der Wettbewerbsstrukturen auf den Konsumgü-termärkten und deren Lebenszyklen führen.

3. Fassen Sie arbeitsteilig die Entwicklungen auf den genannten Märkten zusammen. Ermitteln Sie weitere Informationen und arbeiten Sie die sich hieraus ergebenden Handlungsnotwendigkeiten für die Anbieter heraus.

4. Erklären Sie den von Schumpeter geprägten Begriff der „schöpferischen Zerstörung“ mit eigenen Worten. Stellen Sie dar, inwiefern die „Manie des Neuen“ hierfür Bei-spiele liefert.

zu M 20:

5. Fassen Sie die Entwicklung des Unternehmens Schlecker in Form eines Zeitstrahls zusammen.

6. Übertragen Sie das Beispiel des Unternehmens Schlecker auf die Parabel des gekochten Froschs (M 18): Wie hat das Unternehmen in der Vergangenheit jeweils auf „Temperaturveränderungen“ reagiert? Welche Folgen resultierten hieraus?

7. Diskutieren Sie, inwieweit die Insolvenz des Unternehmens den sich verändernden Rahmenbedingungen bzw. den Entscheidungen der Unternehmensführung anzula-sten ist. Begründen Sie Ihre Einschätzungen.

M 21: Externe und interne Faktoren

In diesem Material werden stichwortartig externe und interne Faktoren aufgelistet, die Wand­lungsprozesse in Unternehmen auslösen können.

1. Ordnen Sie die aufgelisteten Begriffe den vier in der Grafik genannten Bereichen zu. Begründen Sie Ihre Entscheidungen.

2. Finden Sie im Rahmen eines weiter gehenden Brainstormings weitere unterneh-mensinterne und -externe Faktoren, die Veränderungsprozesse in Unternehmen initi ieren oder beeinflussen können.

Lehrerhandreichung

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M 22: Lernen, lebenslang

M 23: Personalentwicklung

Strukturwandel macht auch vor den Arbeitnehmern und Angestellten nicht halt. Insbesondere der demografische Wandel und der zunehmende Fachkräftemangel machen es – mehr als früher – notwendig, dass eine ständige Fortentwicklung der eigenen Kompetenzen zu erfolgen hat. „Lebenslanges Lernen“ gilt heutzutage in vielen beruflichen Kontexten als unumgänglich, stellt viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch vor große Anforderungen und geht mit Belas­tungen einher. (ersetzt den letzten Satz des alten Absatzes)

Dies äußert sich auch in den besonderen Herausforderungen, denen sich Unternehmen im Bereich der Personalentwicklung zu stellen haben. Denn die „Abkehr von tayloristischen For­men der Arbeitsorganisation hat [...] weitreichende Auswirkungen auf die Qualifikationsanforde­rungen an die „nur“ ausführenden Beschäftigten“, was bedeutet, dass Unternehmen entspre­chende Qualifizierungssysteme implementieren müssen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Aspekt der Personalentwicklung im Rahmen der Einheit nur eine untergeordnete Rolle spielt, weshalb das vorliegende Material einen stark ergänzenden (und damit optionalen) Cha­rakter hat.

zu M 22:

1. Erklären Sie den Begriff des „lebenslangen Lernens“. Erläutern Sie, inwiefern dieses in der Arbeitswelt zunehmend an Relevanz gewinnt.

2. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ Bewerten Sie diesen Spruch auf der Basis des vorliegenden Artikels.

3. Legen Sie dar, welche Herausforderungen mit den zunehmenden Qualifikationsan-forderungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einhergehen.

4. Erläutern Sie unterschiedliche Formen und Möglichkeiten, das „lebenslange Lernen“ in der Arbeitswelt umzusetzen. Ermitteln Sie hierbei die Rolle der neuen Medien.

zu M 23:

5. Beschreiben Sie die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Personalpolitik von Unternehmen.

6. Erläutern Sie in eigenen Worten, was mit folgender Aussage gemeint ist: „In einer idealisierten Vorstellung löst sich die systematisch initiierte Personalentwicklung in einer lernenden Organisation auf.“

M 24: Bedingt familienfreundlich

Ein Instrument zum Umgang mit dem demografischen Wandel und dem aus ihm resultierenden Fachkräftemangel ist die familienfreundlichere Gestaltung betrieblicher Arbeitsprozesse. Hierzu steht eine Vielzahl von Ansätzen und Instrumenten zur Verfügung, die bereits von vielen Unter­nehmen eingesetzt werden. Ungeachtet dessen wird insbesondere von politischer Seite noch deutlich mehr Potenzial auf Unternehmensseite gesehen und Engagement eingefordert.

Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten

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1. Erklären Sie, was unter einem „familienfreundlichen“ Unternehmen verstanden wird.

2. Benennen Sie die generellen Zielsetzungen, die mit der Stärkung der „Familien-freundlichkeit deutscher Unternehmen“ verfolgt werden. Stellen Sie einen Bezug zum gesellschaftlichen Prozess des demografischen Wandels her.

3. Beschreiben Sie Instrumente, die den Unternehmen zur Stärkung der Familien-freundlichkeit zur Verfügung stehen.

4. Analysieren Sie die bisherigen Entwicklungen in deutschen Unternehmen. Erläu-tern Sie, inwieweit von einer „bedingten Familienfreundlichkeit“ gesprochen wer-den kann.

5. Stellen Sie in diesem Zusammenhang die Forderungen der Politik und die Einschät-zungen der Wirtschaftsvertreter gegenüber.

M 25: Change Management: Widerstand gegen Änderungen

M 26: Management des Wandels

M 27: Auf den Käpt´n kommt es an

Diese drei Materialien beschäftigen sich mit dem Management von Wandel in Unternehmen, gemeinhin auch als Change Management bezeichnet.

M 25 setzt sich zum Einstieg mit dem Aspekt des Widerstands von Organisationsmitgliedern gegen Wandlungsprozesse und den zu seiner Überwindung geeigneten Instrumenten auseinan­der. Zur Illustration greift der Text dabei auf ein – nur auf den ersten Blick obskures – klassi­sches Beispiel aus der Nachkriegszeit zurück.

M 26 liefert anschließend, hierauf aufbauend, eine kompakte Beschreibung des Begriffs Change Management in seinen unterschiedlichen Facetten.

Der Artikel in M 27 thematisiert ergänzend häufig auftretende Probleme bei der Gestaltung unternehmerischer Wandlungsprozesse und verdeutlicht auf der Grundlage empirischer Daten die große Bedeutung, die den Führungspersonen im Hinblick auf die erfolgreiche Prozessgestal­tung und Kommunikation zufällt.

zu M 25:

1. Erklären Sie, inwieweit ein „Widerstand gegen Änderungen“ in Unternehmen zu erkennen ist. Erläutern Sie die Gründe für die entsprechenden Abwehrhaltungen.

2. Erläutern Sie, was der Abbau von Speiseabscheu in Material M 25 mit erfolgrei-chem organisatorischem Wandel zu tun hat.

3. Geben Sie das organisatorische Änderungsgesetz nach Lewin in eigenen Worten wieder, und arbeiten Sie seine Kernaussage heraus.

Lehrerhandreichung

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zu M 26:

4. Verdeutlichen Sie, weshalb es sich beim Change Management um eine „querliegen-de“ Aufgabe im Unternehmen handelt.

5. Zählen Sie die unterschiedlichen Formen von Management auf, die im Text genannt werden.

zu M 27:

6. Erklären Sie, welche Faktoren als besonders relevant für die erfolgreiche Gestaltung unternehmerischer Wandlungsprozesse angesehen werden.

7. Arbeiten Sie die wesentlichen Herausforderungen und Aufgaben von Unterneh-mensführungen in diesem Zusammenhang heraus. Benennen Sie hierbei häufig auftretende Probleme und Herausforderungen im Change-Management-Prozess eines Unternehmens.

M 28: Interview mit Herbert Hainer (Adidas)

Im vorliegenden Interview beschreibt der Vorstandsvorsitzende des Sportartikelherstellers Adi­das seine Aufgaben als Unternehmensmanager und erläutert seine Philosophie der Unterneh­mensführung.

1. Ermitteln Sie die Marktstellung des Unternehmens Adidas. Benennen Sie die größ-ten Wettbewerber.

2. Erläutern Sie, in welcher Form das Unternehmen mit Wandlungsprozessen konfron-tiert wird, auf die es reagieren muss.

3. Fassen Sie die Philosophie von Herbert Hainer bezüglich seiner Tätigkeit als Vor-standsvorsitzender zusammen.

4. Legen Sie die strategischen Ziele Hainers dar. Überprüfen Sie, inwieweit die konti-nuierliche Vergrößerung des Unternehmens eine Rolle spielt bzw. als Notwendigkeit angesehen wird.

Komplex 3 „Beispiele für Strukturwandel und Anpassungsprozesse in Unternehmen“ (M 29 – M 38)

M 29: Strukturwandel und Unternehmen: Schlaglichter

Zum Einstieg in diesen Komplex finden sich hier einige Überschriften von Handelsblatt­ Artikeln, die Ursachen, Folgen und Formen unternehmerischer Wandlungsprozesse schlaglicht­artig beleuchten.

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1. Geben Sie die in den Schlagzeilen benannten Ursachen, Folgen und Formen von unternehmerischen Wandlungsprozessen in einer Tabelle wieder.

2. Ermitteln Sie eigene aktuelle Beispiele, und analysieren Sie diese in gleicher Form.

M 30: Media­Markt verlässt China

Die Ausweitung von Unternehmensaktivitäten ins Ausland, sei es z. B. in Form von Produktions­verlagerungen oder der Erschließung neuer Absatzmärkte wie im vorliegenden Fall, spielt heute nicht nur bei großen Konzernen eine wichtige Rolle. Das Beispiel Media­Markt verdeutlicht dabei, dass neben den Potenzialen auch Risiken bestehen, die im Vorfeld nicht immer abschlie­ßend zu klären sind.

1. Beschreiben Sie Vorgehensweise und Zielsetzungen der Geschäftsexpansion des Media-Markt-Konzerns nach China.

2. Arbeiten Sie die Ursachen für das Scheitern dieses Vorhabens heraus. Setzen Sie sich hierzu u. a. mit den Bedingungen vor Ort auseinander.

3. Ermitteln Sie ein Beispiel für erfolgreiche Auslandsaktivitäten. Erläutern Sie die hier gewählte Vorgehensweise.

M 31: Unternehmen in Schwierigkeiten

Es finden sich in diesem Material drei Beispiele für Unternehmen aus unterschiedlichen Bran­chen, deren Wettbewerbsfähigkeit gefährdet bzw. nicht länger gegeben ist. (Halbsatz geändert)

Sind die Unternehmensentwicklungen auf den ersten Blick gut vergleichbar, so ist doch genauer zu untersuchen, welche Rolle im Einzelfall externe Entwicklungen und interne Managementent­scheidungen gespielt haben. Hieraus ergeben sich auch unterschiedliche Potenziale hinsichtlich des zukünftigen Fortbestands der Unternehmen.

1. Fassen Sie die drei vorgestellten Unternehmensentwicklungen stichwortartig zusammen, und stellen Sie einen Vergleich her. Identifizieren Sie hierbei Gemein-samkeiten und Unterschiede.

2. Ermitteln Sie die jeweiligen Ursachen der Unternehmensprobleme. Legen Sie dar, welche Rolle hierbei externe Entwicklungen und interne Managemententscheidun-gen gespielt haben.

3. Überprüfen Sie, inwieweit die betroffenen Branchen in der jüngeren Vergangenheit stärkeren Wandlungsprozessen unterworfen waren. Analysieren Sie, von wem diese ausgingen und welche Anforderungen an die Anbieter hieraus resultier(t)en.

M 32: Online­Kaufhäuser: Der neue Handelskrieg

Im Einzelhandel ist in den letzten Jahren eine stark beschleunigte Transformation von der Off­line­ zur Onlinewelt zu erkennen, die nicht nur technologisch getrieben ist. Artikelauszug: „Der

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vielleicht wichtigste Antrieb kommt vom Kunden selbst, der im Cyberkaufhaus nicht nur die Preisabschläge, sondern auch die große Auswahl, die nächtlichen Öffnungszeiten und die Trans­parenz des Internet­Marktplatzes zu schätzen weiß.“ Dieser umfassende strukturelle Wandel verschiebt die Gewichte auf der Anbieterseite in den betroffenen Märkten nachhaltig und setzt klassische Einzelhandelsunternehmen unter einen starken Anpassungsdruck.

1. Fassen Sie die Entwicklung im Einzelhandel zusammen. Geben Sie hierzu wesentli-che Kennzahlen wieder.

2. Erschließen Sie sich die zentralen Ursachen für den Wandel von der Offline- zur Onlinewelt. Überprüfen Sie hierbei den Einfluss neuer Technologien.

3. Beschreiben Sie Ihr eigenes Konsumverhalten. Ermitteln Sie, in welchen Konsumbe-reichen Sie eher online einkaufen bzw. den Gang ins Geschäft wählen.

4. Setzen Sie sich mit den Herausforderungen auseinander, denen sich traditionelle Einzelhändler gegenübersehen.

5. Recherchieren Sie ein konkretes Beispiel eines größeren Einzelhandelsunterneh-mens, das mit Hilfe eines Strategiewechsels bzw. einer Erweiterung des Geschäftsfel-des auf den Wandlungsprozess reagiert. Bewerten Sie die Erfolgsaussichten.

M 33: Showrooming: Anschauen im Laden – kaufen im Internet

Neben der Erhöhung der Wettbewerbsintensität mit stellenweisen Verdrängungsprozessen hat die Ausweitung des Onlinehandels für klassische Einzelhändler noch eine weitere Folge. Immer mehr Kunden nehmen die Beratungsleistung im Laden in Anspruch, kaufen im Anschluss jedoch günstig im Internet. Dieses Phänomen wird als „Showrooming“ bezeichnet.

1. Erklären Sie in eigenen Worten, was im Einzelhandel unter dem Phänomen des „Showrooming“ verstanden wird.

2. Legen Sie dar, inwieweit Sie selbst Showrooming betreiben bzw. dies in der Vergan-genheit getan haben. Überprüfen Sie hierbei, bei welchen Gütern dies besonders attraktiv erscheint und erläutern Sie.

3. Erläutern Sie die hieraus resultierenden Probleme für Ladenbetreiber.

4. Diskutieren Sie deren denkbare Reaktionsmöglichkeiten.

M 34: Prosuming und Mass­Customization

Unter den Begriffen Prosuming (zusammengesetzt aus „Production“ = Produktion und „to con­sume“ = konsumieren) und Mass­Customization (zusammengesetzt aus „Masse“ und „(Wunsch­)Anpassung/Maßanfertigung“) wird die Integration des Konsumenten in den Produktionsprozess und seine Beteiligung an der Wertschöpfungskette verstanden. Wenn der Kunde in einem Möbelhaus selbst aus einer Zahl von Einzelteilen über die Zusammensetzung eines Schranks oder einer Küche entscheidet oder im Internet sein Müsli zusammenstellt, dann sind das bekannte Beispiele. Ein Blick auf den Konsumalltag verdeutlicht dabei, dass solche Formen des Marketings heute bereits weit verbreitet sind und stetig zunehmen.

Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten

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1. Definieren Sie die Begriffe Prosuming und Mass-Customization. Erörtern Sie, inwie-fern sich das klassische Verhältnis zwischen Anbieter und Nachfrager verändert.

2. Finden Sie eigene Beispiele für Prosuming und Mass-Customization aus Ihrem Kon-sumalltag. Denken Sie dabei an alltägliche Zusammenhänge.

3. Diskutieren Sie Potenziale und Grenzen dieser strategischen Vorgehensweisen anhand ausgewählter Branchen.

4. Setzen Sie sich in einem Exkurs mit den denkbaren Folgen einer massenhaften Ver-breitung von 3-D-Druckern für die Anbieter von Gütern auseinander.

M 35: Die großen Baustellen der Energiewende

M 36: Atomausstieg: Sicher geglaubte Gewinne brechen weg

Wandlungsprozesse können auch durch die Veränderungen der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen ausgelöst werden. Ein prominentes Beispiel der letzten Jahre hierfür ist der politisch entschiedene Umbau unseres Energieversorgungssystems unter dem Begriff der „Energiewende“.

Die beiden Artikel verdeutlichen, welche politischen und ökonomischen Herausforderungen hiermit einhergehen können (M 35) und welche Auswirkungen rechtliche Veränderungen auf die Märkte und die in ihnen agierenden Akteure haben (M 36).

Hinweis: Hinsichtlich der Behandlung der aktuellen Entwicklungen in den Energiemärkten fin­den Sie regelmäßig aktuelles Material in den Energie­Dossiers, die unter www.handelsblatt­machtschule.com bereitgestellt werden.

1. Erschließen Sie sich die Zielsetzungen der Energiewende.

2. Erläutern Sie, inwieweit mit diesem „Projekt“ eine fundamentale Veränderung/Umgestaltung der bestehenden Strukturen einhergeht.

3. Ermitteln Sie die wesentlichen Herausforderungen bei der Realisierung der Ener-giewende. Arbeiten Sie heraus, inwieweit die Anbieter und Nachfrager von Strom von diesen betroffen sind.

zu M 36:

4. Legen Sie dar, inwieweit sich die Rahmenbedingungen für das größte deutsche Energieversorgungsunternehmen Eon im Zuge des Atomausstiegsbeschlusses verän-dert haben. Belegen Sie Ihre Ausführungen anhand konkreter Geschäftsdaten.

5. Setzen Sie sich mit dem Veränderungsdruck auseinander, dem sich das Unterneh-men ausgesetzt sieht. Überprüfen Sie hierzu, inwieweit die Veränderung der poli-tisch fixierten Rahmenbedingungen eine Anpassung der Unternehmensstrategie notwendig macht.

Lehrerhandreichung

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M 37: Ein Betrieb für alle Generationen

M 38: Alte neue Zielgruppe

Auch die Veränderung der Altersstruktur unserer Gesellschaft, i. d. R. unter den Begriff des demografischen Wandels gefasst, bringt es mit sich, dass Unternehmen sich wandeln müssen, wollen sie langfristig ihre Existenz sichern. Und dies gilt sowohl hinsichtlich der Ausrichtung der Personalpolitik auf die stärkere Berücksichtigung älterer, erfahrener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (M 37) als auch der Anpassung der Angebotspalette auf die „neue“ Zielgruppe älte­rer Menschen (M 38). Allerdings sind den Möglichkeiten auch Grenzen gesetzt, beispielsweise hinsichtlich überhöhter Konsumannahmen bei älteren Menschen.

zu M 37:

1. Beschreiben Sie die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Personalpo-litik der Unternehmen. Verdeutlichen Sie, inwieweit sich der „Stellenwert“ älterer Mitarbeiter hierdurch verändert.

2. Erläutern Sie die im Artikel vorgestellten Ansätze zur verbesserten Integration und langfristigeren Bindung älterer Arbeitnehmer in betriebliche Prozesse. Benennen Sie Ansatzpunkte und Zielsetzungen.

3. Diskutieren Sie weitere Möglichkeiten der stärkeren Einbindung erfahrener Fach-kräfte. (Frage 2 und 3 ersetzen alte Frage 2)

zu M 38:

4. Erklären Sie, inwieweit sich Unternehmen mit ihren Angeboten auf den demografi-schen Wandel einstellen müssen. Verdeutlichen Sie Ihre Ausführungen anhand Ihnen bekannter Beispiele.

5. Tragen Sie die wichtigsten Faktoren zusammen, die im Zusammenhang mit einem erfolgreichen Senioren-Marketing für Unternehmen als wichtig erscheinen. Ermit-teln Sie aus Sicht von Marketingexperten häufig zu erkennende Fehler. Befragen Sie in diesem Zusammenhang Senioren und notieren Sie sich, was diese von der Wer-bung oder bestimmten Produkten erwarten.

6. Erörtern Sie am Beispiel „Kauf von SUVs“, wie sich das Konsumverhalten der älte-ren Nachfrager in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat.

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Komplex 4 „Praxiskontakte“ (M 39 – M 42)

M 39: Methode Expertenbefragung

Eine weitere Möglichkeit, die Experten z. B. von EY einzubinden, ist deren Befragung zu ausge­wählten Themen dieser Einheit. Die wesentlichen Charakteristika dieses methodischen Zugangs finden sich in diesem Material.

M 40: Szenario­Methode

Sehr spannend kann es für Schülerinnen und Schüler auch sein, in die Rolle eines Unternehmens zu schlüpfen und – unter der Berücksichtigung bestehender Restriktionen – Überlegungen bzgl. möglicher zukünftiger Entwicklungen und Strategien anzustellen. Wie muss ein kleines Musikun­ternehmen seine Vertriebsformen ändern, um auch zukünftig noch ausreichend Kunden mit sei­nen Produkten zu erreichen? Wie muss der mittelständische Produzent seine Personalpolitik jus­tieren, um auch in Zukunft auf ausreichend Fachkräfte zurückgreifen zu können? usw.

Die aus dem Unternehmensbereich stammende Szenario­Methode1 liefert hier die notwendige Hilfestellung zur systematischen Analyse von Rahmenbedingungen. Experten können in diesem Zusammenhang in der Bewertung und Diskussion unterschiedlicher Ergebnisse zum Einsatz kommen. Die gruppenteilige Erarbeitung von Szenarien mit anschließendem Vergleich der Ergebnisse ist zu empfehlen.

1. Wählen Sie eine Branche aus, in der derzeit starke Wandlungsprozesse zu erkennen sind (Musik, Film, Bekleidung, Tourismus, Handel, Logistik etc.) und versetzen Sie sich in die Rolle des Marketingleiters.

2. Klären Sie, welche Fragen bzgl. der zukünftigen Ausrichtung eines solchen Unter-nehmens derzeit von besonderer Relevanz sind. Formulieren Sie hieraus eine Kern-aufgabe (z. B. Entscheidung bzgl. des Vertriebs von Produkten im Internet oder der stärkeren Ausrichtung auf ältere Zielgruppen).

1 weiterführende Literatur: Kaiser, F.-J./Kaminski, H. (2012): Methodik des Ökonomieunterrichts, 4. Aufl., Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 176ff.

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3. Erfassen Sie die wesentlichen Rahmenbedingungen, die die Handlungsmöglich-keiten des Unternehmens beeinflussen, und erstellen Sie unterschiedliche Extrem-szenarien (positive/negative Entwicklung für das Unternehmen) sowie ein Trend-szenario.

4. Diskutieren Sie Ihr Trendszenario mit einem Experten hinsichtlich der Wahrschein-lichkeit seines Eintretens, der größten Unsicherheitsfaktoren etc.

M 41: Praxiskontaktpartner EY

Die globale EY­Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung. Mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Leistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Unser Ziel ist es, Dinge voranzubringen und entscheidend besser zu machen – für unsere Mitar­beiter, unsere Mandanten und die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht unser weltweiter Anspruch „Building a better working world“.

EY engagiert sich seit vielen Jahren deutschlandweit in ausgewählten Projekten aus dem Bereich Kultur, Musik und Bildung. Darüber hinaus fördert EY durch unterschiedliche Engage­ments an Universitäten und Hochschulen den Dialog zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. In diesem Zusammenhang freuen wir uns besonders, die Initiative „Handelsblatt macht Schule“ zu unterstützen und nun auch mit Schülern ins Gespräch zu kommen.www.de.ey.com/karriere

M 42: Der Wille zum Erfolg – was Ausnahmesportler und Unternehmer gemeinsam haben

Es besteht für Sie und Ihre Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, Vertreterinnen und Ver­treter der großen Wirtschaftsprüfungs­ und Steuerberatungsgesellschaft EY – z. B. mit Hilfe der vorgestellten Methoden – in die Erarbeitung der Inhalte dieser Einheit einzubinden.

Zur Vorbereitung eines solchen Praxiskontakts liefert M 44 grundlegende Informationen zu EY. M 45 stellt den sehr renommierten und alljährlich von diesem Unternehmen vergebenen Preis für innovative Unternehmen vor. Es wird deutlich, wie die Wirtschaftsprüfungs­ und Steuerbera­tungsgesellschaft EY erfolgreiche Unternehmensführung und innovatives Entrepreneurship (also innovativen Unternehmergeist) charakterisiert.

Sind Sie an einer Einbindung dieser Expertinnen und Experten in Ihren Unterricht interessiert? Weitere Informationen finden Sie unter: www.handelsblattmachtschule.de/praxiskontakt

Oder nehmen Sie Kontakt auf – wir informieren Sie gerne – E­Mail: [email protected]

Sollten Sie noch Fragen zum Unternehmen haben, hilft Ihnen unser Recruitment­Center weiter:

Ernst & Young GmbHWirtschaftsprüfungsgesellschaftRecruiting & Employer Branding / Talent Team GSA (Germany, Switzerland, Austria) Telefon: +49 (6196) 996 10005 E­Mail: [email protected]/karriere

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2.4 Internetlinks

Bundesinstitut für Berufsbildunghttp://www.bibb.de

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschunghttp://www.diw.de/deutsch/

Bundesministerium für Bildung und Forschunghttp://www.bmbf.de/

Bundesministerium für Arbeit und Sozialeswww.bmas.de

Initivative Pro Arbeit 50plus (BMAS)http://www.proarbeit50plus.de/

Förderinitiative „Zukunftsfähige Arbeitsforschung“http://zukunftsfaehige­arbeitsforschung.de/

Frauenhofer Institut Arbeitswirtschaft und Organisationhttp://www.iao.fraunhofer.de/

Hans­Böckler­Stiftunghttp://www.boeckler.de/

Initiative Neue Qualität der Arbeit: Demografischer Wandel, Älterwerden in Beschäftigunghttp://www.inqa.de/

Institut Arbeit und Technik im Wissenschaftszentrum NRWhttp://www.iatge.de/

Institut der deutschen Wirtschafthttp://www.iwkoeln.de/de

Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschunghttp://www.iab.de/

Institut für ökologische Wirtschaftsforschunghttp://www.ioew.de/index.html

Institut für Zeitgeschichtehttp://www.ifz­muenchen.de/

Programm für lebenslanges Lernenhttp://www.lebenslanges­lernen.eu/

Soziologisches Forschungsinstitut an der Universität Göttingenhttp://www.sofi­goettingen.de/

Statistisches Bundesamthttp://www.destastis.de

Webtreff für die besten Jahrehttp://www.feierabend.com/cgi­bin/channel/channel.pl

Zentrum für europäische Wirtschaftsforschunghttp://www.zew.de/

Lehrerhandreichung

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3. Literaturhinweise

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Literaturhinweise

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Lehrerhandreichung

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IV. Verknüpfung mit wigy­Materialangeboten auf www.wigy.de

Im Rahmen der Kooperation zwischen dem Handelsblatt und dem Institut für Ökonomische Bil­dung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, in deren Rahmen die vorliegende Unter­richtseinheit entstanden ist, spielen die Angebote des wigy e. V. eine wesentliche Rolle.

wigy setzt sich als bundesweite Initiative mit vielfältigen Angeboten und Aktivitäten dafür ein, die ökonomische Bildung als integralen Bestandteil im allgemeinbildenden Schulwesen zu ver­ankern.

Gemeinsam mit engagierten Partnern und Förderern verfolgt wigy das Ziel, die Ausbildungs­fähigkeit zu sichern durch:

einen Onlinepool mit mehr als 2 000 Unterrichtsmaterialien auf www.wigy.de

täglich didaktisch aufbereitete Handelsblatt­Artikel

Praxiskontakte zwischen Schule und Wirtschaft

Qualifizierung von Lehrkräften für den Unterricht

Veranstaltungen für Lehrkräfte, Unternehmen und Institutionen rund um „Wirtschaft und Schule“

Dies und vieles mehr finden Sie auf www.wigy.de. wigy wird wissenschaftlich begleitet vom Institut für Ökonomische Bildung (IÖB) an der Universität Oldenburg.

Verknüpfung mit der Datenbank des WiGy e.V.

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Auf www.wigy.de werden mehr als 2 000 Angebote für einen aktuellen und praxisorientierten Wirtschaftsunterricht aller Schulformen und Schulstufen bereitgestellt. Eine Suchfunktion ermöglicht eine gezielte Materialienauswahl nach Inhaltsbereichen und/oder nach der jeweili­gen Schulform/­stufe. Das Angebot an Arbeitsblättern, Unterrichtseinheiten, Übungsmaterialien usw. mit entsprechenden Lösungen wird kontinuierlich erweitert.

Kennenlernen und Mitmachen

Im wigy­Porträt stehen Informationen zu den Angeboten des Vereins sowie Fragen und Antwor­ten zur Mitgliedschaft zur Verfügung. Der Vorstand des wigy e. V. sowie die Kooperationspartner stellen sich vor.

2 Aktuelles

Hier finden Sie aktuelle Meldungen aus der ökonomischen Bildung, Hinweise zu Veranstaltun­gen und neuesten Publikationen.

3 wigy für Lehrkräfte und Referendare

Lehrkräfte und Referendare erhalten hier verschiedene Angebote für einen modernen Wirt­schaftsunterricht. Dazu gehören Unterrichtseinheiten, Arbeitsblätter und Filme, die für den direkten Einsatz im Unterricht bereits didaktisch aufbereitet sind. Zudem erfolgen Veranstaltungshinweise für aktuelle Fort­ und Weiterbildungsmöglichkeiten.

Verknüpfung mit der Datenbank des WiGy e.V.

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4 wigy für Schulen

Um das wirtschaftliche Grundwissen und die Ausbildungsfähigkeit der Schülerinnen und Schü­ler zu fördern, erhalten die Schulen hier die Möglichkeit, nach speziellen Materialien und Medi­en für gewünschte Schulformen und Schulstufen auszuwählen.

5 wigy für Unternehmen/Institutionen

Unternehmen und Institutionen können mit wigy den Kontakt zu Auszubildenden und Mitarbei­tern von morgen pflegen. Unternehmen können vom Austausch mit anderen Unternehmen und Institutionen profitieren und ihrer sozialen Verantwortung Ausdruck verleihen.

6 wigy in den Bundesländern

wigy engagiert sich bundesweit für die ökonomische Bildung. Neben einem umfangreichen Onlinepool für allgemeinbildende Schulen aller Bundesländer stellt wigy für einzelne Bundes­länder individuelle Materialienangebote zur Verfügung, speziell zugeschnitten auf die jeweiligen Lehrpläne.

7 Onlinepool: Unterrichtsmaterialien

Im Onlinepool können Lehrkräfte schnell und einfach aus mehr als 2 000 Unterrichtsangeboten das passende Material für die nächste Stunde auswählen. Die Eingabe eines Suchbegriffs sowie die Auswahl nach Inhaltsbereichen, Schulformen und Schulstufen ermöglicht eine komfortable Materialienauswahl.

8 Rund um den Unterricht

Hier bietet wigy einen großen Fundus an Unterrichtsmaterialien, ergänzt um Methodenbeispie­le und weitere Unterrichtshilfen für alle Schulformen. Dazu gehören auch Angebote, die durch die Kooperation zwischen dem Handelsblatt und dem Institut für Ökonomische Bildung entstanden sind. Diese Unterrichtseinheiten zu ausgewählten Themen wie „Innovationen“, „Unternehmen und Strukturwandel“ etc. können Sie sich hier als PDF­Dokument herunterladen oder als Printversion direkt bei „Handelsblatt macht Schule“ bestellen.

9 Handelsblatt macht Schule

Im Rahmen der oben beschriebenen Kooperation gelangen Sie von hier direkt zu den Angebo­ten von „Handelsblatt macht Schule“. Die vorliegende Unterrichtseinheit sowie die übrigen Ein­heiten sind hier kostenlos als Klassensatz zu bestellen.

netz:werk/Veranstaltungen

Zur Förderung ökonomischer Grundbildung wird insbesondere der kontinuierliche Austausch zwischen Akteuren aus Schule, Wirtschaft und Wissenschaft vertieft. Die netz:werk­Veranstaltun­gen tragen dazu bei, den Informations­ und Kommunikationsaustausch in der ökonomischen Bil­dung zu fördern.

Praxiskontakte

wigy unterstützt seine Mitglieder bei Kontaktwünschen zwischen Schulen, Unternehmen und Verbänden, bei der Durchführung von Praktika sowie bei Fragen der Qualifizierung oder der schulischen Profilbildung.

Verknüpfung mit der Datenbank des WiGy e.V.

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Berufsorientierung und Studienwahl

In dieser Rubrik werden Konzepte rund um die „Berufsorientierung und Studienwahl“ in allge­meinbildenden Schulen vorgestellt. Neben fachwissenschaftlichen Beiträgen zur Diskussion zum Thema „Übergang von der Schule in das Berufsleben“ stehen curriculare Vorgaben zur Berufsorientierung bereit.

Bibliothek

Die Bibliothek bietet ein Glossar mit wirtschaftlichen Grundbegriffen, Filme für den Wirtschafts­unterricht kostenlos als Stream und Hinweise auf Schulbücher und Materialien.

Kontakt

Haben Sie Anregungen, Themenwünsche für neue Unterrichtsmaterialien oder Fragen zur Mit­gliedschaft bei wigy? Hier oder über [email protected] können Sie direkt Kontakt aufnehmen.

Login – Mitglieder

Mehrere Hundert Materialien des Onlinepools (vgl. 7) mit didaktischer und fachwissenschaftli­cher Vertiefung stehen den wigy­Mitgliedern exklusiv zur Verfügung. Ein persönliches Login ermöglicht den uneingeschränkten Zugriff auf alle wigy­Angebote auf www.wigy.de.

Verknüpfung mit der Datenbank des WiGy e.V.

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Materialien

V. Materialien

Der „Materialienpool“ in diesem Kapitel gibt Ihnen eine Auswahl an Texten, Schaubildern, Grafiken und Zeitungsartikeln. Sie können für Ihren Unterricht flexibel aufgaben­ und zielbezogen darauf zurückgreifen. Gleichzeitig bieten sich Ihnen an verschiedenen Stellen Möglichkeiten des Einsatzes komplexer, aktiver Lehr­ und Lernverfahren des Ökonomieunter­richts.

Die Materialien bieten Ihnen eine Auswahl an Artikeln zum Thema „Unternehmen und Struktur­wandel“, die im Handelsblatt erschienen sind. Damit Sie das ganze Jahr lang auf aktuelle Handelsblatt­Artikel zurückgreifen können, haben wir die Rubrik „Aufbereitete Artikel“ auf unserer Webseite www.handelsblattmachtschule.de und der Internetpräsenz des wigy e. V. (www.wigy.de) eingerichtet. Dort finden Sie täglich aktuelle Handelsblatt­Artikel, die für den direkten Einsatz im Unterricht didaktisch aufbereitet wurden. Versehen mit Arbeitsanwei­sungen und Lernzielen können Sie so auch „last minute“ einen spannenden Wirtschaftsun­terricht gestalten.

Übrigens: Das Handelsblatt zum Einsatz im Unterricht

Sie können Ihren Unterricht jetzt durch tagesaktuelle Handelsblatt­Ausgaben ergänzen und die Zeitung kostenlos als Klassensatz bestellen. Der Einsatz des Handelsblatts im Unterricht soll dazu beitragen, schon bei Jugendlichen Interesse und Verständnis für ökonomische Zusammenhänge zu wecken. Gleichzeitig fördert er die Medienkompetenz der Schüler. Die Klassensätze können Sie als Lehrer kostenlos unter www.handelsblattmachtschule.de/info für einen Zeitraum von bis zu vier Wochen, täglich oder tageweise und in einer flexiblen Stückzahl bestellen.

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Gründe für die Existenz von Unternehmen

Unternehmen stellen Güter und Dienstleistungen für andere Wirtschaftsteilnehmer her: für private Haushalte oder für andere Unternehmen. Diese Unternehmen werden bewusst geschaffen. Es muss demnach Gründe dafür geben, dass Unternehmen entstehen.

Die erste Antwort auf die Frage nach den Gründen für die Existenz von Unternehmen knüpft an den Vorgängen an, die in Unternehmen geschehen. In Unternehmen werden Güter produziert. Damit sind im Folgenden auch alle Dienstleistungen gemeint. In diese Produktion von Gütern fließen Güter ein, die zuvor von anderen Unternehmen produ­ziert worden sind, z. B. Maschinen, Materialien, die Büroausstattung, aber auch Beratungs­leistungen und Ähnliches. Das Unternehmen wandelt Güter in andere Güter um. Wir können auch sagen: Das Unternehmen transformiert Güter in andere Güter, die an Dritte verkauft werden. Deshalb wird von betrieblicher Transformation bzw. vom betrieblichen Transformationsprozess gesprochen, der das Unternehmensgeschehen kennzeichnet.

Wenn diese Aufgabe ausschließlich durch einzelne Personen wahrgenommen würde, wäre das Ergebnis weniger gut, als wenn viele Menschen zusammenwirken. Der herausra­gende Grund für die Bildung von Unternehmen ist das Faktum, dass durch das Zusam­menwirken mehrerer oder vieler Menschen bei der Herstellung von Gütern bessere Ergebnisse erzielt werden, als das bei der Herstellung durch Einzelne der Fall wäre. Die Herstellung von Gütern in Unternehmen, in denen viele Menschen arbeitsteilig zusam­menwirken, ist in den meisten Fällen der Produktion durch Einzelne überlegen. Die Her­stellung von Gütern in Unternehmen ist effizienter als die Herstellung der gleichen Güter durch Einzelne. Effizienz kann mit Wirkungsgrad gleichgesetzt werden, d. h. mit den ein­gesetzten Faktoren wird bei größerer Effizienz mehr produziert. Durch die Existenz von Unternehmen kommt es zu einer besseren Versorgung mit Gütern. Dazu trägt auch bei, dass die Menschen sich ihren Fähigkeiten gemäß für bestimmte Aufgaben spezialisieren. [...]

Abb. Charakteristische Merkmale von Unternehmen

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Hier müssen weitere Überlegungen zu den Anreizen für die Gründung von Unternehmen und für die Mitgliedschaft in Unternehmen angestellt werden. Dass Unternehmen wirksa­mer Güter herstellen können als einzelne Personen, ist noch keine Erklärung dafür, dass es wirklich zur Gründung von Unternehmen kommt. Es muss Anreize hierfür geben. Der wichtigste Anreiz für alle Beteiligten ist die Möglichkeit, durch die Existenz des Unterneh­mens Einkommen zu erzielen.

Einkommen für die Beteiligten kann auf Dauer nur bereitgestellt werden, wenn die Güter auf dem Markt abgesetzt werden und die Erträge groß genug sind, um die von außen bezogenen Güter – die sogenannten Vorleistungen – zu bezahlen und mit dem verblei­benden Rest die Einkommenserwartungen aller Beteiligten zu erfüllen.

Damit sind vier wichtige Aspekte der Existenz von Unternehmen angesprochen: Das Unternehmen ist Leistungsersteller, es ist Marktteilnehmer, es ist Einkommensquelle für alle Beteiligten, und es besteht aus vielen Menschen, deren Arbeit koordiniert werden muss. Typisch für das Entstehen von Unternehmen ist der Unternehmer, der auf dem Markt so gute Chancen für die Produkte des von ihm gegründeten Unternehmens sieht, dass er mit seinem Unternehmen einen attraktiven Gewinn erwirtschaften kann.

Quelle: Weber, W. (2009): Unternehmen als ökonomische und soziale Aktionszentren, Qualifizie-

rungsbaustein C01 im Projekt „Ökonomische Bildung online“, 2. A., Oldenburg: Institut für Öko-

nomische Bildung, 7f. (nicht öffentlich zugänglich)

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Die ökonomische Betrachtungsebene von Unternehmen

1. Das Unternehmen als Einkommensquelle der Beteiligten

Unternehmen stellen Güter für andere Wirtschaftsteilnehmer her, setzen dazu von ande­ren Unternehmen hergestellte Güter ein, die als Vorleistungen bezeichnet werden, und verwerten die erstellten Güter auf dem Markt. Dies bildet die Basis für das Entstehen von Einkommen. Die folgende Abbildung veranschaulicht dies:

Abb. Einzelwirtschaftliche Wertschöpfung u. Einkommenskategorien

Die Differenz zwischen dem Gegenwert, den das Unternehmen auf dem Absatzmarkt für die erstellten Güter erzielt, und den Vorleistungen anderer Unternehmen – das sind Maschinen, Material, Energie, Büroausstattung, Transportleistungen usw. – ist die Wert­schöpfung des Unternehmens (Weber 1980). Diese Wertschöpfung steht als Einkommens­quelle für die am Unternehmensgeschehen Beteiligten zur Verfügung: für die Arbeitneh­mer, die Kapitalgeber sowie für den Staat, der durch seine Infrastruktur­ und Ordnungs­leistungen wichtige Voraussetzungen für die Unternehmenstätigkeit schafft.

Aus diesem Zusammenhang ergeben sich drei zentrale Aufgabenfelder für jedes Unter­nehmen: Das Unternehmen ist auf einem Markt tätig. Es muss Güter auf diesem Markt anbieten, die nachgefragt werden. Nur dann können Umsatzerträge erwirtschaftet wer­den.

Das Unternehmen ist aber auch Leistungsersteller. Es muss diese Aufgabe mit einem mög­lichst geringen Mitteleinsatz erfüllen. Wenn das nicht gelingt und der Mitteleinsatz sehr hoch ist, wird die Differenz zwischen Erträgen und Vorleistungen geringer. Das bedeutet: Die Wertschöpfung als Quelle des Einkommens der am Unternehmen Beteiligten wird geringer. [...]

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2. Das Unternehmen als Marktteilnehmer

[...] Das Unternehmen muss die von ihm produzierten Güter auf Absatzmärkten verkau­fen. Es ist im Hinblick auf alle Güter, die von anderen Unternehmen bezogen werden, Käufer und damit Teil der jeweiligen Beschaffungsmärkte. Damit ein Unternehmen tätig sein kann, sind finanzielle Mittel notwendig, deren Bereitstellung und Preise den Gesetz­mäßigkeiten von Finanz­ bzw. Kapitalmärkten unterliegen. In einem marktwirtschaftli­chen Umfeld müssen Unternehmen bei der Gewinnung von Personal, bei der Gestaltung des Anreizsystems und gegebenenfalls bei der Trennung die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigen. [...]

Die mit Märkten verbundenen Unsicherheiten stellen eine der zentralen Herausforderun­gen für jedes Unternehmen dar. Unternehmen versuchen deshalb, die Unsicherheit dadurch zu reduzieren, dass sie eine große Marktmacht anstreben. Das kann nur wenigen Unternehmen gelingen. Jedem Unternehmen steht aber die Möglichkeit offen, die eige­nen Stärken und Schwächen sowie die von außen auf das Unternehmen einwirkenden Risiken und Chancen in einer bestimmten wirtschaftlichen Konstellation zu analysieren und auf dieser Grundlage das eigene Handeln zu planen. Dabei werden z. B. im Hinblick auf die Entwicklung und das Angebot neuer Produkte die Verbrauchergewohnheiten, das Käuferpotenzial und das Verhalten der Konkurrenz analysiert. Hier sind auch die Überle­gungen über die eigene Positionierung auf dem Markt einzuordnen: Man kann dadurch Wettbewerbsvorteile erreichen, dass man auf dem Markt breit vertreten ist, große Stück­zahlen eines Produkts fertigt, alle erreichbaren Kostensenkungseffekte mitnimmt und zu günstigeren Preisen als die Konkurrenz anbietet. Ein Wettbewerbsvorteil kann aber auch dadurch erreicht werden, dass das Unternehmen Produkte anbietet, die sich deutlich von allen anderen Produkten unterscheiden, so dass das Unternehmen mit seinem Produkt bzw. seinen Produkten eine Position der Einzigartigkeit auf dem Markt erreicht. Solche Positionen werden als Wettbewerbsstrategie bezeichnet.

3. Das Unternehmen als Leistungsersteller

Eine gute Positionierung des Unternehmens auf dem Markt als Grundlage einer erfolg­reichen Unternehmenstätigkeit ist zwar hilfreich; sie reicht aber allein nicht aus. Unter­nehmen existieren, weil sie Leistungen erstellen, die auf dem Markt abgesetzt werden. Deshalb müssen die Güter, die auch als die Leistungen des Unternehmens bezeichnet werden können, die angestrebten und von den Kunden erwarteten Merkmale aufweisen. Außerdem müssen die Leistungen des Unternehmens in ökonomischer Weise erstellt werden. Das heißt, Mitteleinsatz und Produktionsmenge müssen in einem möglichst günstigen Verhältnis zueinander stehen. Wenn das nicht gelingt und die Leistungserstel­lung in großem Umfang Ressourcen verschlingt, leidet die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens. Damit ist die Existenz des Unternehmens insgesamt gefährdet. [...]

Quelle: Weber, W. (2009): Unternehmen als ökonomische und soziale Aktionszentren, Qualifizie-

rungsbaustein C01 im Projekt „Ökonomische Bildung online“, 2. A., Oldenburg: Institut für Öko-

nomische Bildung, 12ff. (nicht öffentlich zugänglich)

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Die soziale/gesellschaftliche Perspektive

1. Das Unternehmen im sozialen und gesellschaftlichen Kontext

Unternehmen befinden sich in einem sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhang. Einem Unternehmen gehören in aller Regel viele Menschen an, die gemeinsam Leistun­gen erstellen und auf dem Markt verwerten.

Unternehmen und die in ihnen tätigen Menschen sind Teil einer Gesellschaft. Gesellschaf­ten sind wesentlich durch die Art und Weise gekennzeichnet, in der die Mitglieder ihren Lebensunterhalt bestreiten. Entsprechend werden Agrar­ oder Industriegesellschaften oder in neuerer Zeit Wissensgesellschaften unterschieden. Unternehmen sind stets Teil dieses größeren Ganzen und müssen sich in diesem Kontext positionieren.

Der Wohlstand einer Gesellschaft ist zwar auch abhängig von der vorhandenen Menge ökonomischer Ressourcen. Er ist aber in gleicher Weise abhängig von der Fähigkeit, diese Ressourcen auszunutzen und in wirtschaftlicher Weise in Güter zu transformieren. Diese Fähigkeit ist abhängig von den Qualifikationen der Mitglieder dieser Gesellschaft. Eine hochentwickelte Gesellschaft braucht ein entsprechend entwickeltes Bildungssystem, um die hochentwickelten Produktions­ und Dienstleistungsunternehmen in adäquater Weise mit qualifiziertem Personal zu versorgen.

Die Unternehmen sind also Teil einer Gesellschaft, die typische Erwartungen und Bedarfe an die Unternehmen heranträgt, die aber auch typische Voraussetzungen für das erfolg­reiche Wirken der Unternehmen bereitstellt.

2. Das Unternehmen als soziales System

Die Tatsache, dass einem Unternehmen in der Regel viele Menschen angehören, hat eine Reihe wichtiger Konsequenzen:

Die Aufgaben im Unternehmen werden arbeitsteilig erfüllt. Das bedeutet, dass zweck­mäßige Arbeitsabläufe sichergestellt und die Erfüllung der Teilaufgaben aufeinander abgestimmt werden müssen. Es ist notwendig, die Einzelaktivitäten der Unternehmens­mitglieder auf gemeinsame Ziele auszurichten. Damit ergibt sich in Unternehmen stets eine Führungsaufgabe, die durch indirekte und direkte Einflussnahme auf das Verhalten der Unternehmensmitglieder wahrgenommen wird.

Die Menschen in einem Unternehmen sind zwar stets Instrumente der Aufgabenerfül­lung, wie der Nobelpreisträger Herbert A. Simon dies gemeinsam mit James March formu­liert hat (March/Simon 1958), aber diese Menschen bringen gleichzeitig Werte, Motive, Verhaltensdispositionen, Gewohnheiten und Erwartungen in das Unternehmen ein. Das Unternehmen muss Vorsorge treffen, dass die Motive und Bedürfnisse der Unternehmens­mitglieder befriedigt werden. Es ist notwendig, dass Strukturen, Arbeitsformen und Anreiz systeme entwickelt werden, die dieser Motivations­Komponente ausreichenden Raum zur Befriedigung geben.

Die Menschen in einem Unternehmen entwickeln persönliche Beziehungen, die ein brei­tes Spektrum von Zuneigung bis Ablehnung umfassen können. Neben sachlichen Diffe­renzen können auch auf der persönlichen Ebene Konflikte entstehen, die Kräfte absor­bieren und deshalb der Bearbeitung bedürfen.

Da sich die Menschen in einem Unternehmen Werten verpflichtet fühlen, entwickeln sich spezifische Unternehmenskulturen, die Einfluss auf Verhaltensweisen und damit auf

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das Arbeitsergebnis und dessen Erstellung haben. Solche Kulturen verändern sich nur sehr langsam und wirken auch z. B. nach der Zusammenlegung von Unternehmen sehr lange Zeit nach.

Abb. Unternehmen als soziales System (Quelle: Institut für Ökonomische Bildung)

Das sind vier wichtige Konsequenzen, die charakteristisch für das Unternehmen als sozi­ales System sind. Sie tragen dazu bei, dass Managementaufgaben – Aufgaben der Steue­rung und Lenkung derartiger Systeme – zu einem herausragenden Themenfeld werden, das erhebliche Erfolgs­ und Misserfolgspotenziale in sich trägt. Wenn wir uns mit Unter­nehmen befassen, müssen wir uns in besonderem Maße auch den Managementaufgaben widmen.

Quelle: Weber, W. (2009): Unternehmen als ökonomische und soziale Aktionszentren, Qualifizie-

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nomische Bildung, 16ff. (nicht öffentlich zugänglich)

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Die Stellung der Unternehmen im Wirtschaftsgeschehen

Abb. Die Beziehungen zwischen Unternehmen und privaten Haushalten

Abb. Die monetären Ströme in einer Volkswirtschaft

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Unternehmensziele

Man sagt, das Erzielen von Gewinnen sei das oberste Ziel aller Unternehmer in markt­wirtschaftlichen Systemen. In diesem Sinne könnte das erwerbswirtschaftliche Prinzip auch als eine Richtschnur für unternehmerisches Handeln bezeichnet werden.

Die Zielkonzeption einer Unternehmung setzt sich aber vielmehr aus einer Vielzahl von Einzelzielen bzw. Zielelementen zusammen, die gleichzeitig angestrebt werden. Die Aussa­ge, in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen ist die langfristige Gewinnmaximierung das oberste Ziel, ist zwar nicht falsch, aber es sind Differenzierungen vorzunehmen.

Bei näherer Betrachtung der Zielinhalte lässt sich die folgende Unterscheidung machen:

Sachziele sind jene Ziele, die sich durch die wirtschaftlichen Aktivitäten einer Unter­nehmung verwirklichen lassen, z. B.:

Leistungsziele (Höhe des Umsatzvolumens, Marktanteile, Art der Produkte)

Führungs­ und Organisationsziele (Aufgabenteilung, Führungsstile)

Finanzielle Ziele (Liquidität, optimale Kapitalstruktur)

Soziale und ökologische Ziele (z. B. Arbeitsklima, Lohngerechtigkeit, Mitbestim­mung, Umwelt­ und Gesundheitsschutz)

Formalziele, die man auch Erfolgsziele nennt, haben im Vergleich zu den Sachzielen eine übergeordnete Stellung. Als klassische Erfolgsziele gelten:

Produktivität

Wirtschaftlichkeit

Rentabilität

Abb. Einflussfaktoren auf das Zielsystem

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Ganz unterschiedliche Faktoren können Einfluss auf die Ziele eines Unternehmens nehmen. Mindestes drei Gruppen von Einflussfaktoren sind zu unterscheiden.

Ansprüche der unmittelbar Beteiligten, z. B. die Anteilseigner, das Management, die Belegschaft, die Kapitalgeber, die Lieferanten, die Kunden, die Kreditinstitute

Die Unternehmensphilosophie bzw. die Unternehmenskultur, welche das Zielsystem der Unternehmung beeinflusst. D. h. die Werthaltungen und die Orientierung an spezi­fischen Werten bestimmen die unternehmenstypischen Denk­ und Handlungsmuster der für das Unternehmen Verantwortlichen.

Gesellschaftliche Ansprüche auf das Zielsystem der Unternehmung, z. B. das Image des Unternehmens im Hinblick auf die ökologische und die soziale Verantwortung und die Zuweisung gesellschaftspolitischer Aufgaben an eine Unternehmung

Das Zielsystem der Unternehmung setzt sich demnach zusammen aus einer Vielzahl von Einzelzielen, die teilweise gleichzeitig verfolgt werden sollen.

Solche Einzelziele sind zum Beispiel:

Wirtschaftliche Ziele

Soziale Ziele

Ökologische Ziele

Selbstverständlich können zwischen diesen Zielen Konflikte bestehen, d. h. sie können zueinander in Konkurrenz stehen. Ein Beispiel: Wer Kostenminimierung zu einem absolu­ten Ziel macht, könnte in Konflikt mit der Zielsetzung geraten, den Kundendienst zu ver­bessern. Die Ziele können sich aber auch gegenseitig ergänzen, z. B. kann eine Kosten­senkung im Produktionsbereich zu einer Gewinnerhöhung führen.

Abb. Einflüsse auf das Zielsystem von Unternehmen

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Aufgaben einer Unternehmensführung

Fast alle Unternehmen stehen im Wettbewerb mit anderen Unternehmen, viele sogar auf internationaler Ebene und müssen deshalb immer wieder über neue Produkte, neue Organisationsformen, über neue Marketingstrategien nachdenken. Dies kann nicht von einer einzelnen Person geleistet werden.

Entsprechend sind drei Aufgaben zu unterscheiden, die allerdings eng miteinander verknüpft sind:

a) Unternehmungsgestaltung Es ist eine funktionsfähige Aufbau­ und Ablauforganisation zu finden und es sind ent­sprechende Regeln zu gestalten, damit das Unternehmen als handlungsfähige Einheit agiert.

b) Lenkung Kein Unternehmen handelt in einem luftleeren Raum, vielmehr werden die Unterneh­mensaktivitäten von den jeweiligen Umweltbedingungen (z. B. politische, rechtliche, nationale, internationale) beeinflusst, die sich stetig verändern. Dies macht es erfor­derlich, laufend Informationen zu sammeln, auszuwerten und neue Entscheidungen zu treffen und umzusetzen.

c) Unternehmensentwicklung Eine dauerhafte Aufgabe liegt darin, die Position des Unternehmens im Markt immer wieder zu bestimmen und neue Ziele und Verhaltensweisen zu entwickeln, um so seine Überlebensfähigkeit zu sichern. Hierbei ist es besonders wichtig, die Innovati­onsfähigkeit des Unternehmens zu fördern.

Grundsätzlich stellt sich die Frage: Wie müssen die Bedingungen im Unternehmen entwi­ckelt werden, damit eine Weiterentwicklung des Unternehmens unter Berücksichtigung der nationalen und internationalen wirtschaftlichen Situation möglich ist? Insbesondere ist es für ein Unternehmen entscheidend, eine eigene unverwechselbare Unternehmens­kultur zu entwickeln.

Mit dieser Unternehmenskultur werden die erwünschten Normen, Wertvorstellungen und Denkweisen im täglichen unternehmerischen Handeln verankert. Die gemeinsam geteilten Werte und Normen haben auf das unternehmensinterne Beziehungsgefüge sowie auf das Verhalten der Beschäftigten eines Unternehmens einen erheblichen Ein­fluss. Für die Entwicklung einer Unternehmenskultur wird deshalb eine Vision benötigt. Sie ist unverzichtbarer Bestandteil der Führung, um dem Unternehmen und den Mitarbei­tern und Mitarbeiterinnen das Ziel und die Richtung des Handelns anzuzeigen.

Das Potenzial in den Köpfen der Mitarbeiter, ihre Kreativität und Flexibilität sollen damit zu einem wichtigen Erfolgsfaktor gemacht werden.

Im Management muss darüber nachgedacht werden, wie Aufgaben sinnvoll dezentralisiert werden können, damit ein Delegieren von Verantwortungen möglich wird. Soll die Initia­tive in einem Unternehmen von vielen Menschen getragen werden, so kann das nur gelingen, wenn sich diese Menschen auch mit ihren Aufgaben identifizieren und dafür durch eine leistungsstarke Unternehmensführung motiviert werden.

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Für eine motivierende Unternehmensführung gelten die folgenden Kriterien als beson­ders wichtig:

1. Es muss Klarheit über Unternehmenszielsetzung und Organisation für alle herrschen.

2. Ein spezifisches Unternehmensklima muss gepflegt werden.

3. Ein kooperativer Führungsstil ist zu realisieren.

4. Es ist eine möglichst große Übereinstimmung zwischen Unternehmenszielen und denen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erzielen.

5. Es ist Selbstständigkeit und operativer Freiraum für den Einzelnen zu gewährleisten und ein gerechtes Entlohnungssystem zu praktizieren.

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Sektoraler Wandel

früher:

heute:

Begriffserklärung:

primärer Sektor = Land­ und Forstwirtschaft

sekundärer Sektor = produzierendes Gewerbe

tertiärer Sektor = Dienstleistungen

Quelle: Statistisches Bundesamt, www.destatis.de, abgerufen am 02.09.2013

Page 68: Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ · Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ 3. aktualisierte Auflage 2013 Autoren M. A. Michael Koch (Institut

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Quelle: Statistisches Bundesamt Stand 2011

und produzieren so viele Güter und Dienst-leistungen (Wertschöpfung in Milliarden Euro)

arbeiten so viele Menschen(Erwerbstätige in Millionen)

In diesen Bereichen

= 1 Million Menschen = 25 Milliarden Euro

Die Bundesbürger bei der Arbeit

Öffentliche Dienstleister,Erziehung, Gesundheit

Handel, Verkehr,Gastgewerbe

Produzierendes Gewerbe

Unternehmens-dienstleister

sonstige Dienstleister

Bau

9,6 412

9,5 350

7,7 589

5,3 246

3,0 104

2,4 101

1,2 88

1,2 118

0,7 22

0,4 266

Information,Kommunikation

Banken, Versicherungenu.ä.

Landwirtschaft

Grundstücks- undWohnungswesen

5208© Globus

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Prognos­Studie: Industrie bleibt Herzstück

Deutschland muss sich in den nächsten 25 Jahren auf niedrige Wachstumsraten einstel­len. Die Konjunkturforscher der Baseler Prognos AG, die heute in Berlin den „Deutsch­land­Report 2035“ vorstellt, rechnen damit, dass die Wirtschaftsleistung im Schnitt nur um ein Prozent pro Jahr wachsen dürfte. Grund ist nicht zuletzt die schrumpfende Bevöl­kerung.

Ein immer größerer Anteil der Arbeitnehmer wird künftig in der Dienstleistungsbranche arbeiten. Während die Beschäftigung im Servicesektor kaum zurückgeht, sinkt die Zahl der Erwerbstätigen in der Industrie zwischen 2010 und 2035 um insgesamt 12,7 Prozent, schätzt Prognos. Gleichwohl dürfe dieser Trend nicht mit Deindustrialisierung gleichge­setzt werden, sagt Prognos­Chef Christian Böllhoff. Im Gegenteil: Der Wertschöpfungszu­wachs falle im verarbeitenden Gewerbe mit einer Rate von 1,3 Prozent sogar höher aus als im Dienstleistungsbereich. Allerdings sorgten die höheren Produktivitätsfortschritte dafür, dass in der Industrie entsprechend weniger Beschäftige benötigt würden.

Die Industrie bleibe „wichtiger Treiber der Volkswirtschaft“. Viele Dienstleistungen, die früher von industriellen Betrieben selbst erbracht wurden, seien inzwischen ausgelagert und würden statistisch als Dienstleistungen ausgewiesen. Insgesamt werde Deutschland mehr und mehr zur „industriellen Dienstleistungsgesellschaft“.

Dabei dürfte künftig ein noch größerer Anteil der Produktion ins Ausland verkauft wer­den. Steuern die Exporte heute 48 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei, werden es in 25 Jahren 72 Prozent sein. Mit einer jährlichen Wachstumsrate von 2,7 Prozent expandierten die Exporte fast dreimal so stark wie die Gesamtwirtschaft. Der Handelsbil­anzüberschuss werde von 4,4 auf 8,5 Prozent des BIP ansteigen.

Quelle: asr, Handelsblatt, Nr. 125, 02.07.2010, 16

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© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Axel SchrinnerDüsseldorf

Wenn es um Konjunkturgeht, gerät Rainer Brü-derle neuerdings regel-recht ins Schwärmen.

„Deutschland ist wieder da – nichtnur sportlich, auch wirtschaftlich“,lobt der FDP-Wirtschaftsminister.Deutschland sei mittlerweile die„Konjunkturlokomotive für die ge-samte Europäische Union“.

Das klingt wie ein Abrücken vonder eigenen Konjunkturprognose.Ende April hatte Brüderle für diesesJahr 1,4 und für nächstes 1,6 ProzentWirtschaftswachstum vorhergesagt.Turnusmäßig wird die Regierungs-prognose erst im Oktober überarbei-tet. Doch im Regierungslager istman überzeugt, dass es besser läuft.

Die meisten Volkswirte erwartenfür Deutschland bereits rund zweiProzent Wachstum in diesem Jahr.Und auch 2011 dürften noch 1,5 Pro-zent drin sein, obwohl die Konjunk-turprogramme rund um den Globusauslaufen. Für das gerade abgelau-fene zweite Quartal geht das Institutfür Weltwirtschaft sogar davon aus,dass die Wirtschaft so rasant ge-wachsen ist wie seit 14 Jahren nichtmehr – fast 1,5 Prozent allein gegen-über dem ersten Quartal.

Aufschwung in allen Branchen

Gute Nachrichten lieferten gesterngleich mehrere Branchen: Der Ma-schinenbau bekam im Mai 61 Pro-zent mehr Aufträge als im Vorjahres-monat. Zwar sei der Mai 2009 derschwächste Monat überhaupt gewe-sen, sagte Verbandsvolkswirt OlafWortmann. Doch beruhe der hoheZuwachs nicht nur auf diesem Basis-effekt. „Fast alle Bereiche laufen imPlus.“ Bei Gießerei-, Textil- undBergbaumaschinen hätten die Auf-träge um über 100 Prozent zuge-legt.

Auch im krisengeschüttelten Ein-zelhandel gab es Lichtblicke: Die Lä-den setzten im Mai real 0,4 Prozentmehr um als im Vormonat. „Konsumund Einzelhandel dürften sich stabili-sieren“, sagte Jürgen Michels vonder Citigroup. Gründe seien derRückgang der Kurzarbeit und die stei-gende Beschäftigung. Das Geschäfts-klima im ostdeutschen Baugewerbehellte sich ebenfalls kräftig auf. Der„auffallend positive Grundton“ ziehesich durch alle Sparten, vor allem dieGeschäftslage habe sich nochmalsdeutlich verbessert, sagte BrigitteLoose vom Institut für Wirtschaftsfor-schung Halle. Das der Bau auch bun-

desweit boomt, signalisiert die Archi-tekten-Umfrage des Ifo-Instituts: DasVolumen der Neuaufträge stieg da-nach zum Vorquartal um fast einFünftel, das Auftragspolster reichtnun für knapp sechs Monate – derbeste Wert seit Mitte der 90er-Jahre,so Ifo-Ökonom Erich Gluch.

IG Metall bereitet Kurswechsel vor

Ebenso aufmerksam wie Brüderleverfolgt indes auch die IG Metall dieKonjunktur – und justiert ihren Kursneu. Ihr baden-württembergischerBezirkschef Jörg Hofmann kündigtegestern an, die „Einkommensinte-ressen“ der Beschäftigten künftig

wieder stärker in den Vordergrundzu rücken. Vereinzelt ist sogar be-reits von einem „tarifpolitischenNachschlag“ die Rede.

Das Problem der Metaller: Erst imFebruar hatten sie einen langfristi-gen Krisenpakt geschlossen. Diesersieht für 2010 gar keine Tariferhö-hung vor, dafür aber Jobsicherungs-klauseln mit betrieblicher Absen-kungsoption. Solche Vereinbarun-gen würden nun nicht mehr verlän-gert, kündigte Hofmann an.

Jan KeuchelTokio

Japans Unternehmer blickenwieder optimistischer in die Zu-kunft und wollen investieren.

Der vierteljährliche Tankan-Indexder Notenbank ist überraschendum 15 Punkte geklettert und ran-giert erstmals seit zwei Jahren wie-der im Plus – mit einem Zähler. Dasbedeutet, dass bei der Konjunktur-einschätzung die Optimisten knappin der Mehrzahl sind.

Laut Japans wichtigster Konjunk-turumfrage wollen die Konzerneihre Investitionen in diesem Jahr imSchnitt um 4,4 Prozent erhöhen –der erste Anstieg seit drei Jahren.„Die Unternehmen erwarten Profitaus einer Zunahme der Umsätze“,

sagte Ökonom Noriaki Matsuokavon Daiwa Asset in Tokio der Nach-richtenagentur Bloomberg. „Das isteine kleine Veränderung zu früher,als der Profit aus Entlassungen re-sultierte.“

Die positiven Nachrichten werdenjedoch kontrastiert von Sorgen derexportgetriebenen Wirtschaft vor ei-ner weiteren Aufwertung des Yenund steigender Arbeitslosigkeit. Tat-sächlich nahm die Zahl der Arbeitslo-sen im Mai den dritten Monat inFolge zu, die Quote stieg aber nurnoch leicht auf 5,2 Prozent von5,1 Prozent im April. Für eine posi-tive Überraschung sorgten die Steu-ereinnahmen. Sie übertrafen in demam 31. März zu Ende gegangenenWirtschaftsjahr die Erwartungen

der Regierung um 1,9 Mrd. Yen (14,4Mio. Euro), wie Finanzminister Yos-hihiko Noda mitteilte. Auch dieBank von Japan verbreitete gesternpositive Nachrichten. 95,4 Prozentder japanischen Staatsanleihen sindin der Hand japanischer Haushalte.Anders als etwa Griechenland oderUngarn ist das hoch verschuldeteLand damit relativ unabhängig vonausländischen Gläubigern.

Obwohl die Deflation anhält undder Binnenkonsum weiter Sorge be-reitet, hat die Regierung ihre Wachs-tumsprognose für 2010 deutlich an-gehoben. Angesichts starker Ex-porte nach China geht sie jetzt da-von aus, dass das Bruttoinlandspro-dukt nicht um 1,4 Prozent, sondernum 2,6 Prozent zulegt.

Aktuelle Konjunktur-meldungen unter handels-blatt.com/konjunktur

Deutschland ist wieder daNach dem vielleichtbesten zweiten Quartalseit vielen Jahren sindweite Teile der Wirtschaftin bester Stimmung.Der Schub könnte nochMonate tragen.

Stimmung in Japan dreht sichUnternehmer sehen optimistisch in die Zukunft, doch der starke Yen bereitet Sorge.

NEW YORK. Die US-Wirtschaft be-wegt sich zwar weiterhin aufwärts,richtig dynamisch ist das Wachs-tum aber nicht. Insbesondere inder Industrie hat der Aufschwungüberraschend deutlich an Fahrt ver-loren. Darauf weisen neue Konjunk-turdaten hin. So fiel der Einkaufs-manager-Index für die Industrie(ISM) deutlich und erreicht für denMonat Juni nur noch 56,2 Punkte,nach 59,7 Punkten im Vormonat.Werte über 50 Prozent bedeutenWachstum. Der Rückgang ist damitstärker, als Experten erwartet hat-ten. Grund sind unter anderem we-niger Aufträge aus dem Ausland.

Die Industrie erbringt in Amerikaelf Prozent der Wirtschaftsleistungund war zuletzt der Motor der Erho-

lung – sie hatte in der Krise aller-dings auch die größten Rückgängeerlitten. „Die Wirtschaft wächst wei-ter, aber die Erholung scheint sichabrupt zu verlangsamen“, sagte Da-vid Resler, Chefökonom von No-mura Securities International inNew York der Agentur Bloomberg.

Auch die Bauausgaben deutenauf weniger Dynamik hin. Sie san-ken im Mai um 0,2 Prozent, nach-dem sie im Vormonat noch um2,3 Prozent gestiegen waren. DasMinus fiel allerdings weniger starkaus als von Analysten erwartet.

Einen regelrechten Einbruch gabes bei Verkäufen von Häusern ausdem Bestand. Sie sanken um 30 Pro-zent und damit doppelt so stark wieprognostiziert. kup

Positive SignaleEinzelhandelsumsatz DeutschlandVeränderung zum Vormonat in Prozent

Geschäftsklima ostdeutsches BaugewerbeMonatswerte, Salden, saisonbereinigt

Auftragseingang im MaschinenbauIndex in Punkten (2005 = 100)

Quellen: Destatis, IWH, VDMA

saison- und kalenderbereinigtSaldo aus Einschätzung gut/eher gut und schlecht/eher schlecht

Handelsblatt

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Lage

Aussichten

Ausland

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DÜSSELDORF. Deutschland musssich in den nächsten 25 Jahren aufniedrige Wachstumsraten einstel-len. Die Konjunkturforscher der Ba-seler Prognos AG, die heute in Ber-lin den „Deutschland-Report 2035“vorstellt, rechnen damit, dass dieWirtschaftsleistung im Schnitt nurum ein Prozent pro Jahr wachsendürfte. Grund ist nicht zuletzt dieschrumpfende Bevölkerung.

Ein immer größerer Anteil der Ar-beitnehmer wird künftig in derDienstleistungsbranche arbeiten.Während die Beschäftigung im Ser-vicesektor kaum zurückgeht, sinktdie Zahl der Erwerbstätigen in derIndustrie zwischen 2010 und 2035um insgesamt 12,7 Prozent, schätztPrognos. Gleichwohl dürfe dieserTrend nicht mit Deindustrialisie-rung gleichgesetzt werden, sagtPrognos-Chef Christian Böllhoff. ImGegenteil: Der Wertschöpfungszu-wachs falle im verarbeitenden Ge-werbe mit einer Rate von 1,3 Pro-zent sogar höher aus als im Dienst-leistungsbereich. Allerdings sorg-ten die höheren Produktivitätsfort-schritte dafür, dass in der Industrieentsprechend weniger Beschäftigebenötigt würden.

Die Industrie bleibe „wichtigerTreiber der Volkswirtschaft“. VieleDienstleistungen, die früher von in-dustriellen Betrieben selbst er-bracht wurden, seien inzwischenausgelagert und würden statistischals Dienstleistungen ausgewiesen.Insgesamt werde Deutschlandmehr und mehr zur „industriellenDienstleistungsgesellschaft“.

Dabei dürfte künftig ein noch grö-ßerer Anteil der Produktion ins Aus-land verkauft werden. Steuern dieExporte heute 48 Prozent zum Brut-toinlandsprodukt (BIP) bei, werdenes in 25 Jahren 72 Prozent sein. Miteiner jährlichen Wachstumsratevon 2,7 Prozent expandierten dieExporte fast dreimal so stark wiedie Gesamtwirtschaft. Der Handels-bilanzüberschuss werde von 4,4 auf8,5 Prozent des BIP ansteigen. asr

US-Wirtschaft kommt nichtmehr recht vom Fleck

Prognos-Studie:Industrie bleibtHerzstück

Baustelle in Berlin

16 WIRTSCHAFT&POLITIK FREITAG/SAMSTAG, 02./03.07.2010, Nr. 125 *

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

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Axel SchrinnerDüsseldorf

Wenn es um Konjunkturgeht, gerät Rainer Brü-derle neuerdings regel-recht ins Schwärmen.

„Deutschland ist wieder da – nichtnur sportlich, auch wirtschaftlich“,lobt der FDP-Wirtschaftsminister.Deutschland sei mittlerweile die„Konjunkturlokomotive für die ge-samte Europäische Union“.

Das klingt wie ein Abrücken vonder eigenen Konjunkturprognose.Ende April hatte Brüderle für diesesJahr 1,4 und für nächstes 1,6 ProzentWirtschaftswachstum vorhergesagt.Turnusmäßig wird die Regierungs-prognose erst im Oktober überarbei-tet. Doch im Regierungslager istman überzeugt, dass es besser läuft.

Die meisten Volkswirte erwartenfür Deutschland bereits rund zweiProzent Wachstum in diesem Jahr.Und auch 2011 dürften noch 1,5 Pro-zent drin sein, obwohl die Konjunk-turprogramme rund um den Globusauslaufen. Für das gerade abgelau-fene zweite Quartal geht das Institutfür Weltwirtschaft sogar davon aus,dass die Wirtschaft so rasant ge-wachsen ist wie seit 14 Jahren nichtmehr – fast 1,5 Prozent allein gegen-über dem ersten Quartal.

Aufschwung in allen Branchen

Gute Nachrichten lieferten gesterngleich mehrere Branchen: Der Ma-schinenbau bekam im Mai 61 Pro-zent mehr Aufträge als im Vorjahres-monat. Zwar sei der Mai 2009 derschwächste Monat überhaupt gewe-sen, sagte Verbandsvolkswirt OlafWortmann. Doch beruhe der hoheZuwachs nicht nur auf diesem Basis-effekt. „Fast alle Bereiche laufen imPlus.“ Bei Gießerei-, Textil- undBergbaumaschinen hätten die Auf-träge um über 100 Prozent zuge-legt.

Auch im krisengeschüttelten Ein-zelhandel gab es Lichtblicke: Die Lä-den setzten im Mai real 0,4 Prozentmehr um als im Vormonat. „Konsumund Einzelhandel dürften sich stabili-sieren“, sagte Jürgen Michels vonder Citigroup. Gründe seien derRückgang der Kurzarbeit und die stei-gende Beschäftigung. Das Geschäfts-klima im ostdeutschen Baugewerbehellte sich ebenfalls kräftig auf. Der„auffallend positive Grundton“ ziehesich durch alle Sparten, vor allem dieGeschäftslage habe sich nochmalsdeutlich verbessert, sagte BrigitteLoose vom Institut für Wirtschaftsfor-schung Halle. Das der Bau auch bun-

desweit boomt, signalisiert die Archi-tekten-Umfrage des Ifo-Instituts: DasVolumen der Neuaufträge stieg da-nach zum Vorquartal um fast einFünftel, das Auftragspolster reichtnun für knapp sechs Monate – derbeste Wert seit Mitte der 90er-Jahre,so Ifo-Ökonom Erich Gluch.

IG Metall bereitet Kurswechsel vor

Ebenso aufmerksam wie Brüderleverfolgt indes auch die IG Metall dieKonjunktur – und justiert ihren Kursneu. Ihr baden-württembergischerBezirkschef Jörg Hofmann kündigtegestern an, die „Einkommensinte-ressen“ der Beschäftigten künftig

wieder stärker in den Vordergrundzu rücken. Vereinzelt ist sogar be-reits von einem „tarifpolitischenNachschlag“ die Rede.

Das Problem der Metaller: Erst imFebruar hatten sie einen langfristi-gen Krisenpakt geschlossen. Diesersieht für 2010 gar keine Tariferhö-hung vor, dafür aber Jobsicherungs-klauseln mit betrieblicher Absen-kungsoption. Solche Vereinbarun-gen würden nun nicht mehr verlän-gert, kündigte Hofmann an.

Jan KeuchelTokio

Japans Unternehmer blickenwieder optimistischer in die Zu-kunft und wollen investieren.

Der vierteljährliche Tankan-Indexder Notenbank ist überraschendum 15 Punkte geklettert und ran-giert erstmals seit zwei Jahren wie-der im Plus – mit einem Zähler. Dasbedeutet, dass bei der Konjunktur-einschätzung die Optimisten knappin der Mehrzahl sind.

Laut Japans wichtigster Konjunk-turumfrage wollen die Konzerneihre Investitionen in diesem Jahr imSchnitt um 4,4 Prozent erhöhen –der erste Anstieg seit drei Jahren.„Die Unternehmen erwarten Profitaus einer Zunahme der Umsätze“,

sagte Ökonom Noriaki Matsuokavon Daiwa Asset in Tokio der Nach-richtenagentur Bloomberg. „Das isteine kleine Veränderung zu früher,als der Profit aus Entlassungen re-sultierte.“

Die positiven Nachrichten werdenjedoch kontrastiert von Sorgen derexportgetriebenen Wirtschaft vor ei-ner weiteren Aufwertung des Yenund steigender Arbeitslosigkeit. Tat-sächlich nahm die Zahl der Arbeitslo-sen im Mai den dritten Monat inFolge zu, die Quote stieg aber nurnoch leicht auf 5,2 Prozent von5,1 Prozent im April. Für eine posi-tive Überraschung sorgten die Steu-ereinnahmen. Sie übertrafen in demam 31. März zu Ende gegangenenWirtschaftsjahr die Erwartungen

der Regierung um 1,9 Mrd. Yen (14,4Mio. Euro), wie Finanzminister Yos-hihiko Noda mitteilte. Auch dieBank von Japan verbreitete gesternpositive Nachrichten. 95,4 Prozentder japanischen Staatsanleihen sindin der Hand japanischer Haushalte.Anders als etwa Griechenland oderUngarn ist das hoch verschuldeteLand damit relativ unabhängig vonausländischen Gläubigern.

Obwohl die Deflation anhält undder Binnenkonsum weiter Sorge be-reitet, hat die Regierung ihre Wachs-tumsprognose für 2010 deutlich an-gehoben. Angesichts starker Ex-porte nach China geht sie jetzt da-von aus, dass das Bruttoinlandspro-dukt nicht um 1,4 Prozent, sondernum 2,6 Prozent zulegt.

Aktuelle Konjunktur-meldungen unter handels-blatt.com/konjunktur

Deutschland ist wieder daNach dem vielleichtbesten zweiten Quartalseit vielen Jahren sindweite Teile der Wirtschaftin bester Stimmung.Der Schub könnte nochMonate tragen.

Stimmung in Japan dreht sichUnternehmer sehen optimistisch in die Zukunft, doch der starke Yen bereitet Sorge.

NEW YORK. Die US-Wirtschaft be-wegt sich zwar weiterhin aufwärts,richtig dynamisch ist das Wachs-tum aber nicht. Insbesondere inder Industrie hat der Aufschwungüberraschend deutlich an Fahrt ver-loren. Darauf weisen neue Konjunk-turdaten hin. So fiel der Einkaufs-manager-Index für die Industrie(ISM) deutlich und erreicht für denMonat Juni nur noch 56,2 Punkte,nach 59,7 Punkten im Vormonat.Werte über 50 Prozent bedeutenWachstum. Der Rückgang ist damitstärker, als Experten erwartet hat-ten. Grund sind unter anderem we-niger Aufträge aus dem Ausland.

Die Industrie erbringt in Amerikaelf Prozent der Wirtschaftsleistungund war zuletzt der Motor der Erho-

lung – sie hatte in der Krise aller-dings auch die größten Rückgängeerlitten. „Die Wirtschaft wächst wei-ter, aber die Erholung scheint sichabrupt zu verlangsamen“, sagte Da-vid Resler, Chefökonom von No-mura Securities International inNew York der Agentur Bloomberg.

Auch die Bauausgaben deutenauf weniger Dynamik hin. Sie san-ken im Mai um 0,2 Prozent, nach-dem sie im Vormonat noch um2,3 Prozent gestiegen waren. DasMinus fiel allerdings weniger starkaus als von Analysten erwartet.

Einen regelrechten Einbruch gabes bei Verkäufen von Häusern ausdem Bestand. Sie sanken um 30 Pro-zent und damit doppelt so stark wieprognostiziert. kup

Positive SignaleEinzelhandelsumsatz DeutschlandVeränderung zum Vormonat in Prozent

Geschäftsklima ostdeutsches BaugewerbeMonatswerte, Salden, saisonbereinigt

Auftragseingang im MaschinenbauIndex in Punkten (2005 = 100)

Quellen: Destatis, IWH, VDMA

saison- und kalenderbereinigtSaldo aus Einschätzung gut/eher gut und schlecht/eher schlecht

Handelsblatt

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Lage

Aussichten

Ausland

Inland

DÜSSELDORF. Deutschland musssich in den nächsten 25 Jahren aufniedrige Wachstumsraten einstel-len. Die Konjunkturforscher der Ba-seler Prognos AG, die heute in Ber-lin den „Deutschland-Report 2035“vorstellt, rechnen damit, dass dieWirtschaftsleistung im Schnitt nurum ein Prozent pro Jahr wachsendürfte. Grund ist nicht zuletzt dieschrumpfende Bevölkerung.

Ein immer größerer Anteil der Ar-beitnehmer wird künftig in derDienstleistungsbranche arbeiten.Während die Beschäftigung im Ser-vicesektor kaum zurückgeht, sinktdie Zahl der Erwerbstätigen in derIndustrie zwischen 2010 und 2035um insgesamt 12,7 Prozent, schätztPrognos. Gleichwohl dürfe dieserTrend nicht mit Deindustrialisie-rung gleichgesetzt werden, sagtPrognos-Chef Christian Böllhoff. ImGegenteil: Der Wertschöpfungszu-wachs falle im verarbeitenden Ge-werbe mit einer Rate von 1,3 Pro-zent sogar höher aus als im Dienst-leistungsbereich. Allerdings sorg-ten die höheren Produktivitätsfort-schritte dafür, dass in der Industrieentsprechend weniger Beschäftigebenötigt würden.

Die Industrie bleibe „wichtigerTreiber der Volkswirtschaft“. VieleDienstleistungen, die früher von in-dustriellen Betrieben selbst er-bracht wurden, seien inzwischenausgelagert und würden statistischals Dienstleistungen ausgewiesen.Insgesamt werde Deutschlandmehr und mehr zur „industriellenDienstleistungsgesellschaft“.

Dabei dürfte künftig ein noch grö-ßerer Anteil der Produktion ins Aus-land verkauft werden. Steuern dieExporte heute 48 Prozent zum Brut-toinlandsprodukt (BIP) bei, werdenes in 25 Jahren 72 Prozent sein. Miteiner jährlichen Wachstumsratevon 2,7 Prozent expandierten dieExporte fast dreimal so stark wiedie Gesamtwirtschaft. Der Handels-bilanzüberschuss werde von 4,4 auf8,5 Prozent des BIP ansteigen. asr

US-Wirtschaft kommt nichtmehr recht vom Fleck

Prognos-Studie:Industrie bleibtHerzstück

Baustelle in Berlin

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FAKSIMILE

Page 70: Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ · Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ 3. aktualisierte Auflage 2013 Autoren M. A. Michael Koch (Institut

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M 9

Befragung deutscher Unternehmensmanager

Expansion in Schwellenländer, Hoffen auf die USA, Furcht vor politischer Unsicherheit: Die Chefs von 17 deutschen Großunternehmen haben dem Handelsblatt zwei Fragen zu ihrer Strategie 2013 beantwortet: 1.Was sind die größten Herausforderungen für Ihr Unternehmen? 2.Auf welche Weltregion legen Sie im Management den größten Fokus?

Volkmar Denner, CEO der Robert Bosch GmbH

1. Im neuen Jahr stellen wir die Weichen, um Bosch langfristig auf einem profitablen Wachstumskurs zu halten. Dafür vernetzen wir noch stärker unsere Aktivitäten bei Hardware, Software und Dienstleistungen, wo diese sich gegenseitig ergänzen und so ganz neue Marktchancen bieten. Parallel dazu werden wir zur Risikobegrenzung und erhöhten Flexibilität unsere Fixkos­ten an die rückläufige Konjunktur anpassen. Für den Solarener­gie­Bereich arbeiten wir an einer dauerhaft tragfähigen Lösung.

2. Neben Risiken in Europa im Automobilmarkt und im Maschinenbau, mit denen wir uns auseinandersetzen, sehen wir immense Chancen in den Schwellenregionen nicht nur in den vorgenannten Segmenten, sondern auch im Energie­ und Konsumbereich, die Bosch nutzen wird.

Axel Heitmann, Lanxess­Vorstandsvorsitzender

1. Als große Herausforderung sehe ich weiterhin die Bewältigung der Schuldenkrise in Europa. Volatile Rohstoffpreise und stei­gende Energiekosten werden uns sicher auch im kommenden Jahr sehr beschäftigen. Wir blicken aber auf eine lange Erfah­rung im Umgang mit diesen Herausforderungen zurück.

2. Lanxess setzt seit Jahren erfolgreich auf die aufstrebenden Volkswirtschaften. Dabei steht natürlich für uns vor allem China im Fokus. Ich bin zuversichtlich, dass die chinesische Volkswirtschaft auch im kommenden Jahr eine treibende Kraft der globalen Wirt­schaft sein wird.

Dieter Zetsche, Daimler­Chef

1. Für Daimler geht es 2013 darum, bei schwachen europäischen Märkten und trotz massiver Zukunftsinvestitionen weiterhin profitabel zu wachsen. Mit der neuen E­ und S­Klasse und dem neuen CLA bei den Pkws, aber auch mit neuen, effizienten Nutzfahrzeugen sind wir gut dafür gerüstet.

2. China hat sich zum größten Fahrzeugmarkt der Welt entwickelt und wird weiter wachsen. Damit kommt dem chinesischen Markt eine strategische Bedeutung zu, die wir mit einem eige­nen Vorstandsressort für China unterstreichen. Unsere Schlagkraft im chinesischen Markt werden wir mit einer neuen integrierten Vertriebsgesellschaft erhöhen.

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Page 71: Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ · Unterrichtseinheit „Unternehmen und Strukturwandel“ 3. aktualisierte Auflage 2013 Autoren M. A. Michael Koch (Institut

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René Obermann, Chef Deutsche Telekom

1. 2013 und darüber hinaus wird der Breitbandbedarf weiter kräf­tig steigen, im Mobilfunk wie im Festnetz. Wir werden Milliar­den investieren und Arbeitsplätze schaffen, wenn die Rahmen­bedingungen der Telekomregulierung stimmen. Zudem wird es 2013 darum gehen, in Zusammenarbeit mit Partnerfirmen viele Innovationen für unsere Kunden an den Start zu bringen. Wir schwimmen gegen den Strom in unserer Industrie und inves­tieren kräftig. Denn Unternehmen, die heute zögern, sitzen morgen in der zweiten Reihe.

2. Wir haben klare Schwerpunkte: Europa und Nordamerika. Und unser Großkundenge­schäft T­Systems ist zusätzlich in anderen Märkten aktiv, etwa in Brasilien und Südafri­ka.

Norbert Reithofer, Vorstandsvorsitzender von BMW

1. Wir sind für 2013 vorsichtig optimistisch, trotz der in Europa für die Automobilindustrie herausfordernden Rahmenbedin­gungen. Dort gehen wir bestenfalls von einer Stagnation aus.

2. Wir achten weiterhin auf eine weltweit ausgewogene Absatz­verteilung. Neben China sehen wir auch im US­Markt gute Chancen. Dort rechnen wir mit einem Gesamtmarktwachstum von rund fünf Prozent, das Premiumsegment könnte noch stär­ker zulegen. Zudem haben wir uns in vielen mittelgroßen Märkten wie Russland, Korea oder der Türkei eine starke Stellung erarbeitet. Gerade auch diese Märkte wer­den weiter wachsen.

Kurt Bock, BASF­Vorstandsvorsitzender

1. Volatilität wird uns auch 2013 begleiten. Mit den Schuldenkri­sen in einigen Ländern der Euro­Zone, den haushaltspoliti­schen Risiken in den USA sowie der Unsicherheit hinsichtlich der Wachstumsdynamik in China bleibt das wirtschaftliche Umfeld herausfordernd. Wir müssen flexibel handeln, unser Geschäft weiter ausbauen, zugleich aber die Kosten im Blick haben.

2. Wir wollen noch stärker in den aufstrebenden Volkswirtschaf­ten der Welt wachsen. Deshalb wird in den nächsten fünf Jahren etwa ein Drittel unse­rer Investitionen dort hinfließen. Um weiterhin am Wachstum der Industrieländer teil­zuhaben, stärken wir auch in Europa und Nordamerika unsere Marktpositionen.

Quelle: Handelsblatt, Nr. 001, 02.01.2013, 18

BASF

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Zitatensammlung

Die Produktion muss den Märkten folgen.

Ernst Baumann (*1948), BMW-Personalvorstand

Förderpolitik darf nicht dazu gedacht sein, den Strukturwandel zu bremsen. Sie muss ihn befördern.

Thomas Straubhaar (*1957), Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA).

Straubhaar zur Förderung der neuen Länder. PNP-Interview, 31.5.2006

Selbstzufriedenheit ist der größte Feind von Innovation und Qualität.

Hans-Olaf Henkel (*1940), ehem. Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie

(BDI – 1995-2000)

Die Fähigkeit einer Organisation zu lernen und das Gelernte schnell in Taten umzusetzen ist der ultimative Wettbewerbsvorteil.

Jack Welch (*1935), ehem. Vorstandschef General Electric (1981-2001)

Die meisten Leute kommen nicht durch Spekulation zu Vermögen, sondern durch richti­ge Beobachtung langfristiger Trends.

Heinz Brestel (*1922), deutscher Finanzpublizist

The reasonable man adapts himself to the world; the unreasonable one persists in trying to adapt the world to himself. Therefore all progress depends on the unreasonable man.

George Bernard Shaw (1856-1950), irischer Dramaturg

Wir dachten immer, wenn wir eins kennen, dann kennen wir auch zwei. Denn eins und eins sind zwei. Jetzt kommen wir langsam darauf, dass wir noch eine ganze Menge mehr über „und“ lernen müssen.

Arthur Stanley Eddington (1882-1944), britischer Astrophysiker und Mathematiker

Es gibt kein Vergangenes, das man zurücksehnen darf, es gibt nur ein ewig Neues, das sich aus den erweiterten Elementen der Vergangenheit gestaltet, und die echte Sehnsucht muss stets produktiv sein, ein Neues, Besseres zu schaffen.

Giordano Bruno (1548-1600), Philosoph

Wo kämen wir hin, wenn alle sagten: Wo kämen wir hin; und niemand ginge, um einmal nachzuschauen, wohin man käme, wenn man ginge...

Kurt Marti (*1921), Pfarrer und Schriftsteller

Innovationsfähigkeit fängt im Kopf an, bei unserer Einstellung zu neuen Techniken, zu neuen Arbeits­ und Ausbildungsformen, bei unserer Haltung zur Veränderung schlechthin. [...] Die Fähigkeit zur Innovation entscheidet über unser Schicksal. [...]

Wer 100 Meter Anlauf nimmt, um dann zwei Meter weit zu springen, der braucht gar nicht anzutreten.

Roman Herzog (* 1934), ehemaliger Bundespräsident (1994 – 99), Berliner Rede 1997

Fürchte dich nicht vor dem langsamen Vorwärtsgehen, fürchte dich nur vor dem Stehen­bleiben.

Weisheit aus Hongkong

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Substanz, System, Struktur nach Heinrich Rombach1

Die drei Grundwörter Subtanz, System und Struktur prägen die europäische Geistes­geschichte und die Kultur Europas von Grund auf.

Zeitlich können folgende Epochen mit den Begriffen in Verbindung gebracht werden:Das Grundwort „Substanz“ charakterisiert die Epoche von der Antike bis zum Mittelalter, grob gerechnet von 500 v. Chr. bis 1500 n. Chr. „System“ charakterisiert die Epoche der Neuzeit, grob gerechnet von 1500 bis 2000, sodann die Epoche der Struktur, die wir von der Gegenwart bis in eine unbestimmte Zukunft hinein rechnen dürfen.

Substanz

Der Grundgedanke der Substanz stammt aus der Grunderfahrung des Korns, wie sie beim Übergang der vorgeschichtlichen Hordenkultur zur jungsteinzeitlichen Bauernkultur gemacht wurde. Man spricht in der Anthropologie2 hier von der neolithischen Revoluti­on3. Diese besagt, dass die Menschen, die sich zuvor durch Sammeln und Jagen von Früchten und Wild ernährt haben, lernten, Getreide auszusäen, Felder zu bestellen, die herangewachsenen Früchte zu ernten und aus ihnen wieder Körner zu gewinnen, die für eine Aussaat im folgenden Jahr benötigt wurden. Das Grundlegende bestand darin, dass man das Korn als den bleibenden Grundbestand erkannte, der sich in der Pflanze neu entfaltete und dabei andere und neue Formen annahm, aber sich wieder zu seiner Grund­gestalt zurückfand, so dass das reife Ergebnis des Wachstumsprozesses als Korn zur neuen Aussaat verwendet werden konnte. Beim Übergang vom Korn zur Pflanze, zur Blüte, zur Frucht ändern sich zwar alle Erscheinungsweisen und Merkmale, aber der Grundbestand bleibt derselbe.

System

Der Grundgedanke der Substanz wurde zu Beginn der Neuzeit durch den Begriff des Sys­tems abgelöst. Die Erkenntnis richtet sich nicht mehr auf ein im Einzelnen verborgenes Wesen, sondern auf das über alles herrschende System, das durch die Vernetzung von funktionalen Beziehungen alles in einem strengen Zusammenhang einbezieht. Das Grundmodell war nicht mehr Korn und Frucht, sondern Mechanismus und Maschine, konkret die Uhr, die als archetypisches Wesensbild der Welt angesehen wurde. Darum wurde sie überall in den Siedlungen der Menschen über den Häuptern eingerichtet. Alle Kirchtürme erhielten eine Uhr, ihr Stundenschlag beherrschte von da an das tägliche Geschehen innerhalb der europäischen Kulturwelt. Um sich die Bedeutung dieses Grund­bildes klarzumachen, braucht man sich nur erinnern, dass es in der ganzen Welt keinen Tempel mit Uhr gibt, so wie es in Europa fast keine Kirche ohne Uhr gibt. Die Humanwis­senschaften, vor allem die Medizin, nahmen den Menschen als Mechanismus, den man nur erfasst hat, wenn man seine inneren funktionalen Notwendigkeitszusammenhänge erfasst hat. Die Anwendung des Systemkonzepts auf die gegenständliche Wirklichkeit ist die „Technik“, wobei „techne“ so viel wie Kunstfertigkeit überhaupt bedeutet. Also Wis­senschaft und Technik sind die zwei Arme, Theorie und Praxis, des Systemkonzepts, mit dem sich die darauf begründete Kultur, die europäische über die ganze Welt ausbreitete.

1 Rombach, H. (*1923, †2004), Ordinarius für Philosophie am Lehrstuhl I für Philosophie der Universität Würzburg

2 Anthropologie = grob „die Wissenschaft vom Menschen“; i. d. R. naturwissenschaftlich/physisch ausgerich-tet. Die philosophische A. beschäftigt sich mit dem „Wesen des Menschen“.

3 Neolithische Revolution = Aufkommen produzierender Wirtschaftsweisen (z. B. Ackerbau) sowie der Vor-ratshaltung im Neolithikum (Jungsteinzeit).

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Struktur

Der Strukturgedanke findet sich darin, dass der Unterschied zwischen Gemeinschaft und Individuum aufgehoben wird. Als Beispiele für eine solche Strukturerfahrung dient Rom­bach das Musizieren, bei dem die Mitglieder einer Musikgruppe die Erfahrung machen, dass nicht mehr unterschieden werden kann, ob die Musik die Musiker bestimmt oder umgekehrt. Auch das Erlebnis des Mannschaftsgeists, der eine Sportmannschaft über sich selbst hinauswachsen lässt, beschreibt diesen Übergang vom System zur Struktur, bei der sich die Strukturen gegen die vereinfachenden und veräußerlichenden Auffassungsfor­men des Systems durchzusetzen vermögen. Eine Struktur bildet sich dann, wenn sich das Ganze in jedem Einzelnen wiederfindet. Das Ganze steht also nicht über dem Einzelnen, sondern befindet sich in diesem. Die Einzelmomente sind nicht aneinandergefügt, wie etwa die Steine einer Mauer, sondern auseinanderentwickelt, wie die Organe eines Orga­nismus. Der Organismus lebt darum in jedem einzelnen seiner Organe, und er ergibt sich nicht erst aus deren Zusammensetzung. Wird dem Ganzen (Organismus) ein Einzelnes (Organ) genommen, so muss es diesen Mangel durch eine entsprechende Veränderung aller anderen Einzelheiten auszugleichen suchen. Wer sein Augenlicht verliert, muss anders hören, anders tasten, anders gehen und überhaupt anders leben. In einer Struktur bestimmt immer alles Einzelne das Ganze, und auch die geringste Veränderung eines Ein­zelnen ist eine Veränderung im Ganzen.

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Definition Strukturwandel

Strukturwandel bezeichnet die wertmäßigen Beiträge der einzelnen Wirtschaftszweige und Wirtschaftssektoren zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) aufgrund der marktwirtschaftli­chen Dynamik. Charakteristisch für den Strukturwandel ist der abnehmende BIP­Anteil von Land­ und Forstwirtschaft sowie der Industrie, während der BIP­Anteil des Dienst­leistungsbereichs deutlich zunimmt.

Der Begriff Strukturwandel kann auf mehrere Bereiche bezogen werden:

1. auf die Zusammensetzung der Produktion eines Landes (Produktionsstruktur) nach Wirtschaftszweigen (sektorale Struktur)

2. auf Regionen oder Wirtschaftsräume (regionale Struktur)

3. auf die Änderungen der Aufteilung der Beschäftigten (Erwerbsstruktur, Beschäfti­gungsstruktur) nach Sektoren oder Regionen

4. auf Qualifikation, Alter und Geschlecht der Beschäftigten

5. auf die Aufteilung des Sachkapitals nach Sektoren, Regionen und Nutzungsdauer

Ursachen und Betroffene: Der Strukturwandel wird hervorgerufen durch Veränderungen auf der Nachfrageseite (v. a. wechselnde Gütervorlieben), Produkt­ und Verfahrensinnova­tionen sowie durch zunehmende internationale Arbeitsteilung und die damit einherge­hende Verlagerung von Wertschöpfung aus dem Inland ins Ausland.

Wegen des anhaltenden Tempos des technischen Wandels sowie der Globalisierung der Märkte und des damit verbundenen schärferen internationalen Wettbewerbs wird für Deutschland ein beschleunigter Strukturwandel erwartet.

Quelle: Brockhaus, F. A. (2008): Der Brockhaus Wirtschaft. Betriebs- und Volkswirtschaft, Börse,

Finanzen, Versicherungen und Steuern, Leipzig/Mannheim: Brockhaus, 579

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Faktoren, die Strukturwandel auslösen:

Struktur lässt sich nach dem systemtheoretischen Konzept als die Produktion von Erwar­tung bezeichnen. Strukturen sind im Unternehmenskontext demzufolge erwartbare Vor­gänge, Bestandteile und Elemente:

1. etablierte Spielregeln und Gesetzmäßigkeiten, die lange kaum infrage gestellt wurden und die Führungs­ und Wettbewerbsfähigkeit stark beeinflussen,

2. Abhängigkeiten von Standorten, die unter Berücksichtigung ausgewählter Standort­faktoren und eingehender Standortanalysen ausgewählt und bestimmt wurden,

3. für die Industriewirtschaft charakteristische Massengüter­Produktion: hierarchische, Strukturen, gekennzeichnet durch hohe Arbeitsteilung und starke Kontrolle, um Eco­nomies of Scale (Größenvorteile) und degressive (stufenweise abnehmende Fixkos­tenanteile) realisieren zu können,

4. industrielle Errungenschaften wie Tarifverträge, Mitbestimmung und Gewerkschaften, die das Verhältnis und die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber als Inhaber der Pro­duktionsfaktoren und dispositiver (anordnender/verfügender) Faktor einerseits und Arbeitnehmer als ausführender Faktor anderseits stark prägten und beeinflussten.

Um einige Faktoren zu nennen, die zu einem Strukturwandel der Industrieunternehmen geführt haben, seien hier exemplarisch die technischen Entwicklungen, wie das Internet oder die Globalisierung, genannt. Die oben genannten Charakteristika der Strukturen wandeln sich, so dass sich einzelne in ihrer Ausprägung und Bedeutung verändern, neu kombiniert und akzentuiert oder gar obsolet werden.1

Beim Konzept des strategischen Managements von Unternehmen gibt es eine virulente Diskussion, ob die Strategie der Struktur folgt oder die Struktur der Strategie.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Position der Strukturration des englischen Soziologen Anthony Giddens bekannt geworden. Giddens fand heraus, dass formalisierte Regeln in Organisationen nur begrenzt verhaltenssteuernd sind, da sie durch die Akteure in Unternehmen interpretiert werden müssen. Sie erlauben damit verschiedene Hand­lungsweisen und werden von allen Beteiligten berücksichtigt. Strukturen sind daher Medium als auch Ergebnis sozialen Handelns. Die Akteure beziehen sich in ihren Hand­lungen auf diese gegebene Struktur und produzieren bzw. reproduzieren sie dadurch. Der Kreis schließt sich – Giddens bezeichnet dies als Dualität der Struktur. Als eine Konse­quenz des Konzepts gilt daher auch, dass erst durch die Struktur die (sozialen) Systeme entstehen.

1 in Anlehnung an: Picot, A./Neuburger, A. (2003): Veränderte Rahmenbedingungen – Ausgangspunkt für den betrieblichen Wandel, in: Unterricht/Wirtschaft, Heft 13: Organisation und betrieblicher Struktur-wandel, 3ff.

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Strukturwandel und Arbeitsmarkt

Strukturwandel und Arbeitsmarkt sind eng miteinander verknüpft. Der Strukturwandel verändert das Arbeitsangebot und die Arbeitsnachfrage. Um die Zusammenhänge besser erfassen zu können, sollten wir zunächst einmal betrachten, wieso es überhaupt zu einem wirtschaftlichen Strukturwandel kommt.

Wirtschaftliche Strukturwandel treten unentwegt auf. Der Strukturwandel ist das Kenn­zeichen einer jeden Marktwirtschaft. Die Gründe für diese Entwicklungen sind der (marktwirtschaftliche) Wettbewerb und seine Folgen: eine veränderte Nachfrage, techni­scher Fortschritt, ein Wandel bei Preisen oder verfügbaren Ressourcen. Auch die internati­onale Arbeitsteilung spielt hier eine Rolle.

Die Veränderung der Nachfrage ist u. a. durch den demografischen Wandel bestimmt. Die (deutsche) Bevölkerung wird immer älter und hat dementsprechend veränderte Bedürf­nisse. Die Unternehmen müssen sich darauf einstellen, um weiterhin am Markt bestehen zu können. Die demografische Entwicklung wird mittel­ bis langfristig zu nachhaltigen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft führen. Die Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung in Deutschland werden sich sowohl auf die Güternachfrage als auch auf die Verfügbarkeit und Preise von Produktionsfaktoren wie Arbeitskräfte und Kapital auswir­ken.

Daneben gibt es soziale Veränderungen innerhalb einer Bevölkerung, die zu anderen Kon­sumgewohnheiten führen. So ist z. B. die Nachfrage nach Bio­Produkten in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Ebenso führen Veränderungen der Angebotsfaktoren zu einem wirtschaftlichen Strukturwandel. Rohstoffe und Energie werden immer knapper und teurer. Die Unternehmen müssen aufgrund dessen ihre Produktionsweisen auf ener­gie­ und ressourcensparende Verfahren umstellen. Dies gilt auch für Arbeit und Kapital. Verteuert sich ein Produktionsfaktor im Verhältnis zu den anderen, so wird dieser nach Möglichkeit durch einen günstigeren ersetzt.

Die Veränderungen der internationalen Arbeitsteilung infolge der Globalisierung bilden eine Herausforderung für die Unternehmen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, lagern viele Unternehmen die Produktionsstätten ins Ausland aus, um dort präsent zu sein, güns­tigere Arbeitskräfte anzuheuern und weniger Abgaben bezahlen zu müssen. Die Globali­sierung führt also zu einem hohen Wettbewerbsdruck, der zwangsläufig den Innovations­druck verstärkt. Heutzutage müssen sich Unternehmen schnell und flexibel auf die Verän­derungen der internationalen Märkte einstellen können, um weiterhin bestehen zu können. Hierbei steigen die Arbeitsmarktchancen besonders für gut qualifizierte hoch­produktive Berufstätige.

Der technische Fortschritt ist einer der wichtigsten Faktoren des wirtschaftlichen Struk­turwandels. Revolutionär war die Wandlung von der Agrar­ zur Industriegesellschaft. Seit­dem schreitet der technische Fortschritt stetig voran, gerade im Bereich der Informations­ und Kommunikationstechniken – hier besonders hervorzuheben die Nanotechnologie.

Der technische Fortschritt hat für die Gesellschaft einen hohen positiven Effekt, doch können dadurch Beschäftigte bzw. ganze Branchen – zumindest vorübergehend – Verlus­te erleiden. Man denke nur an die vielen Produktionen beispielsweise im Automobilbe­reich, die automatisiert worden sind. Nicht allen Arbeitnehmern konnten durch diese Innovationen ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Durch den technischen Fortschritt wird der Strukturwandel beschleunigt. Dies verlangt, dass Arbeitnehmer und Unternehmer sich schneller auf andere Tätigkeiten einstellen

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müssen. Arbeitslos können dabei vor allem Beschäftigte werden, die schlecht ausgebildet sind, wenig flexibel und/oder für neue Tätigkeiten zu teuer sind. Der technische Fort­schritt lässt viele Arbeitsplätze in „überholten“ Industriesektoren verschwinden, aber gleichzeitig zahlreiche neue Tätigkeiten entstehen.

Die nachfolgende Abbildung zeigt anschaulich auf, welche Einflussfaktoren auf den wirt­schaftlichen Strukturwandel wirken. Die Veränderungen sind auch immer mit einem sozi­alen Wandel verbunden.

Abb. Einflussfaktoren und Folgen des wirtschaftlichen Strukturwandels

Quelle Grafik: Kaiser, F.-J./Kaminski, H. (2001): Telekolleg II – VWL Volkswirtschaftslehre, 9. A.,

München: TR-Verlagsunion, 107

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Prozess der schöpferischen Zerstörung

Man sollte meinen, dass die Erklärung der Gründe, Bedingungen und Möglichkeiten wirtschaftlichen Strukturwandels ein besonders intensiv beackertes Forschungsfeld der Wirtschaftswissenschaften darstellt. Das ist aber keineswegs der Fall. Verbunden mit der modernen Vorstellung von schier unaufhaltsamem technischem Fortschritt und Wirt­schaftswachstum stellt nach vorherrschender Meinung die liberale Wirtschaftsordnung den sowieso erfolgreichen und einzig denkbaren Rahmen für längerfristigen wirtschaft­lichen Strukturwandel bereit, und es geht eher darum, konjunkturelle Anpassungsproble­me demgegenüber zu bearbeiten.

So sind diejenigen, die sich sehr fundamental mit den Charakterzügen des längerfristigen wirtschaftlichen Entwicklungsprozesses beschäftigen, in der Geschichte der Wirtschafts­theorie bis heute eher Exoten und Außenseiter. Dass mit Karl Marx in der Frühphase marktwirtschaftlicher Industriegesellschaften jemand einen solchen Versuch unternahm, der das als Logik eines kapitalistischen Produktionsprozesses rekonstruierte mit dem Befund wie auch normativen Ziel, dass an dessen Stelle eine andere Wirtschafts­ und Eigentumsordnung treten könnte und sollte, hat der Tabuisierung solcher Konzeptionen sicher geholfen.

Quelle Abbildung: Pfriem, R./Lautermann, C. (2005): Heranführung an die Betriebswirtschafts-

lehre, 2. erw. A., Marburg: Metropolis, 63

Es lag allerdings nicht am staatsgläubigen Marxismus, dass es mit Nikolaj Kondratieff ein Wirtschaftswissenschaftler der Sowjetunion unter Stalin war, der als Erster eine Theorie langer Wellen wirtschaftlicher Entwicklung aufstellte. Wie man an Kondratieffs Lebenszeit von 1892 bis 1938 schon ersehen kann, starb er keines natürlichen Todes. Wegen seiner Kritik an Stalins Kollektivierung der Landwirtschaft wurde er zum Tode verurteilt und

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erschossen. Joseph Schumpeter [...] bezeichnete diese langen Wellen als Kondratieff­zyklen – ein Begriff, der sich bis heute eingeprägt hat.

Die grundlegende Idee Kondratieffs war die Identifikation solcher Schlüssel­ bzw. Basis­innovationen der technisch­industriellen Entwicklung, die einen längerfristigen ökonomi­schen Boom auszulösen vermögen. [...] Für die Zeit vor Ausbreitung der elektronischen Datenverarbeitung werden in schematisierter Form vier Kondratieffzyklen konstatiert:

Dampfmaschine/Baumwolle (ab 1800)

Stahl/Eisenbahn (ab 1850)

Elektrotechnik und Chemie (ab 1900)

Petrochemie und Automobil (ab 1950)

Wie daran zu ersehen ist, spielen sowohl bestimmte Rohstoffe oder verarbeitete Stoffe wie auch Fertigungstechnologien als auch Infrastrukturtechniken eine Rolle. Für das strategische Management ist dieser Rückblick deshalb so außerordentlich interessant, weil wir uns mit den computergestützten Informationstechnologien, also mit dem fünf­ten Kondratieff in dieser Terminologie, in einer doppelten Hinsicht in einer anderen und Übergangsetappe befinden. Zum einen unterscheidet sich die Wirtschaft heute struktu­rell deutlich von den vier langen Wellen vorher, was sich in zahlreichen terminologischen Gegenüberstellungen wie Informationsgesellschaft versus Industriegesellschaft wider­spiegelt. Zum anderen ist der technische Fortschritt gerade keine lineare Entwicklung, wo aufgrund dessen Fortschreitens immer besser prognostiziert werden könnte, worin denn die nächsten Basisinnovationen bestehen.

So sieht auch Nefiodow die mit seinem Buchtitel gestellte Frage nach dem sechsten Kon­dratieff als durchaus offene Frage an. Er selbst markiert fünf durchaus unterschiedliche Kandidaten für diesen Kondratieff sechs: Informationsdienste, den Umweltmarkt, Biotech­nologie, optische Technologien, den Gesundheitsmarkt [...].

Quelle: Pfriem, R. (2006): Unternehmensstrategien, Qualifizierungsbaustein PM-SP-01,

Internetgestützter Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaftslehre für Spitzensportler/-innen

(B.A.), Abschnitt 3.1.2, Oldenburg: Carl v. Ossietzky Universität Oldenburg

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Die Unternehmerfunktion nach Schumpeter

Joseph Alois Schumpeter

(*1883, † 1950)

Schumpeter gilt als einer der bedeutendsten Nationalökonomen des 20. Jahrhunderts. Der Österreicher hat sich in seinem wissenschaftlichen Werk vor allem mit den Bestim­mungsgründen für die wirtschaftliche Entwicklung auseinandergesetzt und damit nur fol­gerichtig auch mit der Funktion des Unternehmertums. Noch heute werden Unter­nehmer, die mit der Einführung von Innovationen neue Märkte erschließen, d. h. neue Produkte und Verfahren entwickeln oder neue Organisationsformen schaffen, als sogenannte„Pionier­“ bzw. „Schumpeter­Unternehmer“ bezeichnet. Sie fördern den Kon­junkturaufschwung und erzielen für eine befristete Zeit „Pioniergewinne“, bis wieder andere „schöpferische“ Unternehmer durch innovatorische Akte das „Alte“ zerstören und „Neues“ schaffen. Der Wettbewerb zwischen Unternehmen ist somit ein permanenter Prozess „schöpferischer Zerstörung“:

„Immer handelt es sich um die Durchsetzung einer anderen als der bisherigen Verwen­dung nationaler Produktivkräfte, darum, daß dieselben ihren bisherigen Verwendungen entzogen und neuen Kombinationen dienstbar gemacht werden.“

Quelle: Schumpeter, J. A. (1957/1987/1998): Beiträge zur Sozialökonomik, hg. von Böhm, S.,

Graz/Wien: Böhlau

Wesentliche Werke:

(1) Schumpeter, J. A. (1912): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig: Duncker & Humblot

(2) Schumpeter, J. A. (1939): Business Cycles. A Theoretical, Historical and Statistical Analysis of the Capitalist Process, 2. Vol., New York and London: McGraw­Hill

(3) Schumpeter, J. A. (1942): Capitalism, Socialism and Democracy, New York: Harper & Brothers Publishers

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Die Unternehmerfunktion

„Die Unternehmerfunktion ist nichts anderes als diese Führerfunktion auf dem Gebiet der Wirtschaft. In jedem Zeitpunkt arbeitet die Wirtschaft mit einem Fond gegebener Erfahrungen und aufgrund gegebener und routinemäßig vertrauter Daten. Jede Wirtschafts periode gleicht in den Grundzügen wie in der Masse der Einzelheiten der vor­hergehenden und erledigt im Wesen, produzierend und konsumierend, dieselben Aufga­ben wie diese. Das liegt nicht nur daran, daß der stetige Kreislauf von Produktion und Konsumption immer wieder – gleichsam bei jeder Umdrehung jahraus jahrein – dieselbe objektive Situation schafft, die wesentlich immer dieselben Möglichkeiten darbietet und andere ausschließt, sondern auch daran, daß die Wirtschaftssubjekte mit wesentlich immer der gleichen, festgewordenen und sich nur langsam ändernden Mentalität, densel­ben Kenntnissen und Erfahrungen, derselben Weite des Gesichtskreises, denselben Pro­duktionsmethoden, Geschäftsgewohnheiten, Geschmacks richtungen und im Besitz der­selben Beziehungen zu Kunden, Lieferanten, Konkurrenten an sie herantreten und unter dem Druck der Notwendigkeiten des Alltags in der Regel herantreten müssen. Diese Tat­sache, daß sich die Masse wirtschaftlichen Tuns jeweils in ausgefahrenen und vertrauten Bahnen bewegt, erklärt einerseits die relative Promptheit, die das Handeln auf wirtschaft­lichem Gebiet auszeichnet und die sonst einen viel höheren Grad von Rationalismus, Auf­gewecktheit und Energie erfordern würde, als dem Durchschnittsmenschen eigen ist, andererseits das Versagen des durchschnittlichen Wirtschaftssubjekts überall dort, wo es sich neuen Situationen gegenübersieht, wie z. B. in Krisen. Sie erklärt ferner den glatten, fast automatischen Ablauf der normalen Wirtschaftsperiode: Wie von selbst bietet sich das Produktionsmittel dem Produzenten, der gewünschte Konsumartikel dem Konsumenten dar, wie von selbst, d. h. mit Hilfe eines relativ minimalen Zusatzes zu der jeweils von den Jahrzehnten und selbst Jahrhunderten vorgetanen, unterbewußt und Gewohnheit gewor­denen geistigen Leistung, geht jedes Element von Produktivkraft jahraus jahrein den prinzipiell gleichen Weg, werden die der großen Masse nach von Wirtschaftsperiode zu Wirtschaftsperiode immer gleichen technischen Handgriffe und kommerziellen Über­legungen auf die Produzentenseite und die ebenfalls der großen Masse nach von Wirt­schaftsperiode zu Wirtschaftsperiode immer gleichen Bedarfs­ und Wertschätzungen und Nachfrageakte auf der Konsumentenseite vorgenommen.

Auf drei Arten erfolgt nun der Übergang von einem solchen gegebenen Zustand der Volkswirtschaft zu einem anderen, verändern sich die ,Daten des Gleichgewichtszustan­des‘, vollzieht sich ,wirtschaftliche Entwicklung‘: Erstens durch stetiges Wachstum, beson­ders der Bevölkerung und des Apparats an produzierten Produktionsmitteln. Zweitens durch außer­wirtschaftliche Ereignisse, die in die Wirtschaft hereinwirken, wie Naturer­eignisse, soziale Umwälzungen, politische Eingriffe. Drittens dadurch, daß manche Indivi­duen über die wirtschaftliche Erfahrung und die erprobte und gewohnte Routine hinaus­greifend in den jeweils gegebenen Verhältnissen des Wirtschaftslebens neue Möglichkei­ten erkennen und durchsetzen. Diese dritte Art von Entwicklung ist die weitaus wichtigste, auch die beiden ersten wirken zum Teil – indem sie Anlässe zum Entstehen neuer Möglichkeiten bieten – durch sie hindurch. Im Erkennen und Durchsetzen neuer Möglichkeiten auf wirtschaftlichem Gebiet liegt das Wesen der Unternehmerfunktion. Diese wirtschaftliche Führerschaft betätigt sich also an Aufgaben, die sich in die folgen­den Typen fassen lassen:

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1. die Erzeugung und Durchsetzung neuer Produkte oder neuer Qualitäten von Produkten,

2. die Einführung neuer Produktionsmethoden,

3. die Schaffung neuer Organisationen der Industrie (z. B. Vertrustung1),

4. die Erschließung neuer Absatzmärkte,

5. die Erschließung neuer Bezugsquellen.

Immer handelt es sich um die Durchsetzung einer anderen als der bisherigen Verwen­dung nationaler Produktivkräfte, darum, daß dieselben ihren bisherigen Verwendungen entzogen und neuen Kombinationen dienstbar gemacht werden. Die Natur der dabei zu bewältigenden Leistung ist charakterisiert einmal durch die objektive und subjektive Schwierigkeit, neue Wege zu gehen, und sodann durch die Widerstände der sozialen Umwelt dagegen. Objektiver sind die Daten z. B. für Produktion und Absatz eines bisher nicht bekannten Fabrikates offenbar nicht in dem gleichen Sinn erfahrungsmäßig bekannt wie für eine Produktion und Absatzorganisation, die nur das wesentlich Gleiche zu tun gibt wie im Vorjahre. Die Daten müssen vielmehr geschätzt (zu erwartende Nach­frage z. B.) oder selbst erst geschaffen werden. Die Fehlerquellen sind infolgedessen nicht nur graduell, sondern wesentlich größer. Das Verhältnis zwischen vorgetaner und mecha­nisch zu wiederholender Tätigkeiten einerseits und erst bewußt zu vollbringender neuer Leistung andrerseits ist ebenfalls nicht nur graduell, sondern wesentlich ungünstiger. Dazu kommt, daß es uns subjektiv schwerer fällt, Neues als Gewohntes zu tun, daß wir dabei nicht von demselben Gefühl fester Wirklichkeit gestützt sind und daß wir unsere Denk­ und Handlungsgewohnheiten zu überwinden, uns vom Diktat der Routine zu befreien haben. Endlich widerstrebt unsere Umwelt ungewohntem Verhalten. Im jährli­chen Kreislauf des Gewohnten kooperieren die Leute automatisch und in der Regel wil­lig. Neuen Methoden widerstrebt der Arbeiter, neuen Produkten der Konsument, neuen Betriebsformen die öffentliche Meinung, Behörden, Recht, Kreditgeber. Während es im Wesen der Routinearbeit in ausgefahrenen Bahnen liegt, daß ihr die durchschnittliche Intelligenz und Willenskraft der Individuen des betreffenden Volkes und der betreffenden Zeit gewachsen ist, so erfordert die Überwindung der eben erwähnten Schwierigkeiten Eigenschaften, die nur ein geringer Prozentsatz der Individuen hat, und daher bedarf es, um eine ganze Volkswirtschaft in solche neue Bahnen zu ziehen und den Fond ihrer wirt­schaftlichen Erfahrung neu zu gestalten, einer wirtschaftlichen Führerschaft durch diese Individuen.“

Quelle: Schumpeter, J. A. (1996): Die Unternehmerfunktion, in: Leube, K. R. (Hg.):

The Essence of J. A. Schumpeter, Die wesentlichen Texte, Wien: Manz, S. 167 ff.

1 Trust = ein Zusammenschluss mehrerer Unternehmer unter Aufgabe ihrer rechtlichen und wirtschaftli-chen Selbstständigkeit

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Organisatorischer Wandel und Umweltänderungen

Organisationsstrukturen werden geändert: Eine Verfahrensrichtlinie wird überarbeitet; die Kompetenzen einer oder mehrerer Instanzen werden ausgeweitet; neue Stellen werden geschaffen; ein Teilprodukt, das bislang in Eigenfertigung hergestellt wurde, wird „out­gesourct“, d. h. eigene Kapazitäten werden abgebaut und das Teilprodukt über den Markt bezogen; eine funktionale Struktur wird in eine divisionale überführt; Geschäftsbereiche, die bislang als einfache Abteilungen angesehen wurden, werden zu Profit­Centern umge­wandelt, was u. a. bedeutet, dass ihnen Prozesse (Kapazitäten) zugeschlagen werden, die sie benötigen, um auf einem bestimmten Markt eigenständig operieren zu können, dass aus Abteilungsleiterstellen Stellen von Geschäftsleitern werden und dass für die Inhaber solcher Stellen ein System der leistungsabhängigen Entlohnung eingeführt wird. Wenn viele organisatorische Elemente gleichzeitig in einer umfassenderen Weise geändert wer­den, spricht man von einem grundlegenden Struktur­ bzw. organisatorischen Wandel.

Was veranlasst ein Unternehmen, seine formale Organisationsstruktur zu ändern? Die gängige Antwort auf diese Frage ist: Die Umwelt ändert sich, und das nötigt Organisatio­nen, ihre Strukturen anzupassen. Europäische Automobilunternehmen haben beispiels­weise den Eindruck, dass asiatische Automobilunternehmen ihre Produkte billiger verkau­fen können, weil sie diese aufgrund einer anderen Fertigungsorganisation kostengünsti­ger produzieren. Europäische Automobilunternehmen bringt diese Erkenntnis unter Umständen dazu, dass sie ihre Produktion einer grundlegenden Reorganisation unterzie­hen. Andere Unternehmen sehen sich mit einer völlig neuen Produkttechnologie kon­frontiert, die offensichtlich Wettbewerbsvorteile mit sich bringt. Beispielsweise registriert ein Uhrenhersteller, dass sich Quarzuhrwerke in der Entwicklung befinden, die wesent­lich billiger sind, aber auch eine höhere Ganggenauigkeit aufweisen als die bisher ver­wendeten mechanischen Uhrwerke. Die Implementierung dieser neuen Technologie macht dann gravierende organisatorische Änderungen erforderlich. Oder Unternehmen stellen fest, dass konkurrierende Unternehmen in der Lage sind, sehr viel flexibler als sie selbst auf Kundenwünsche zu reagieren, ihre Produkte ständig zu erneuern oder Märkte im Ausland zu erobern. Derartige Beobachtungen in der Umwelt führen häufig dazu, dass die beobachtenden Unternehmen ihre Strategie ändern und ihre Organisationsstruktur grundlegend umstellen, um diese neue Strategie besser umsetzen zu können. Öffentliche Unternehmen wie die Bundesbahn werden privatisiert, was sie u. a. veranlasst, Personal­stellen „wegzurationalisieren“, sich in selbstständige Tochterunternehmen aufzuspalten, die Marketingbereiche in allen diesen Tochtergesellschaften auszuweiten, Entscheidungs­kompetenzen der Instanzen auf den unteren Ebenen zu erweitern, die Mitarbeiter einer periodischen Personalbeurteilung zu unterziehen und erfolgsabhängige Komponenten in das System der Entlohnung einzubauen.

Diese Beispiele machen deutlich: Die Umwelt erzwingt nicht unmittelbar eine bestimmte Organisationsänderung, vielmehr legen Organisationsgestalter fest, welche organisatori­schen Maßnahmen angebracht sind, damit angesichts der von ihnen wahrgenommenen Umweltänderungen die Wettbewerbsfähigkeit oder die Leistungsfähigkeit der Organisati­on aufrechterhalten werden kann.

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Wie objektiv können Umweltänderungen erfasst werden?

Neue Technologien, geänderte Kundenbedürfnisse, Marketingmaßnahmen der Konkur­renz – sind dies nicht Größen, über die Umweltänderungen objektiv erfasst werden kön­nen? Und lassen objektiv bestimmbare Probleme nicht bestimmte Problemlösungen als unausweichlich erscheinen? Warum also reagieren Unternehmen angesichts einer dro­henden Krise häufig zu spät oder in der „falschen“ Weise? Eine einfache (und meist nach­träglich gegebene) Antwort lautet: Die Unternehmen haben für sie wichtige Umwelt­entwicklungen übersehen. So einfach lässt sich das Problem aber nicht fassen.

Barr, Stimpert und Huff (1992) analysierten über 25 Jahre hinweg zwei amerikanische Eisenbahngesellschaften, die in sehr ähnlichen Umwelten agierten. In den Geschäftsbe­richten dieser beiden Gesellschaften kamen jedoch sehr unterschiedliche Annahmen in Bezug auf die Umwelt und die jeweiligen Gründe für Erfolg bzw. Misserfolg zum Aus­druck. Das eine Unternehmen sah die Gründe für Schwierigkeiten vor allem in nicht beeinflussbaren und unberechenbaren Umweltentwicklungen. Dieses Unternehmen ver­hielt sich so lange passiv, bis schließlich eine drastische Reorganisation notwendig wurde, um sie vor dem Bankrott zu retten. Das zweite Unternehmen sah vor allem inter­ne Probleme und Anpassungsnotwendigkeiten. Es gab laufend kleinere und größere Ver­änderungen, zuerst im Denken der Manager und Managerinnen, dann aber auch in der Organisationsstruktur. Darüber hinaus änderten sich häufiger die zentralen Effizienzmaße, je nachdem, welcher Aspekt der Umwelt gerade als wichtig betrachtet wurde. Obwohl beide Unternehmen im Wesentlichen die gleiche Umwelt hatten, interpretierten sie diese sehr unterschiedlich und ergriffen dementsprechend auch unterschiedliche Maßnahmen der organisatorischen Anpassung.

Um zu erklären, weshalb eine Organisation angesichts der von ihr wahrgenommenen Umweltänderungen bestimmte Maßnahmen ergreift, müssen drei Prozesse rekonstruiert werden: (1) Welche Merkmale der Umwelt werden von den Entscheidungsträgern einer Organisation als relevant erachtet, und wie werden diese erfasst? (2) Wie werden die wahrgenommenen Signale interpretiert? (3) Wie werden den wahrgenommenen Proble­men Lösungen zugeordnet?

Quelle: Kieser, A. (2010): Unternehmen und Strukturwandel, Qualifizierungsbaustein C09 im

Projekt „Ökonomische Bildung online“, 2., akt. A. Oldenburg: Institut für Ökonomische Bildung,

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Bewertung und Interpretation von Umweltmerkmalen

[...] Eine Organisation kann nicht alles, was in der Umwelt geschieht, beobachten. Es wäre im Übrigen auch in hohem Maße ineffizient, dies zu versuchen. Organisationen müssen also Entscheidungen darüber treffen, welche Informationen über die Umwelt für sie relevant sind, welche Informationen über Kunden, Wettbewerber, Lieferanten usw. regelmäßig gesammelt, welche Zeitungen und Zeitschriften ausgewertet, welche Messen, Gesprächskreise und Konferenzen besucht, welche Angebote von Managementseminaren routinemäßig ausgewertet werden sollen usw. Daneben gibt es noch eine Menge an Infor­mationen, die Managerinnen und Manager in Kontakten mit Externen mehr oder minder zufällig aufschnappen – in Gesprächen mit Kundinnen und Kunden, bei Kongressen, im Rotary Club, in der Sauna, auf dem Tennisplatz oder an der Hotelbar – und als wichtig für ihr Unternehmen einstufen. Solche „zufälligen“ Informationen in Entscheidungen des Unternehmens zum Tragen zu bringen ist aber, wenn man nicht zum obersten Manage­ment gehört, viel schwieriger als bei institutionalisierter, d. h. regelmäßig gesammelter Information. Die Organisation ist nicht besonders gut darauf eingerichtet, auf solche Informationen zu reagieren.

Daten sprechen nie für sich, sie müssen immer interpretiert werden. Schon die Bewer­tung von Daten als wichtig oder unwichtig stellt eine Interpretation dar (als wichtig betrachtete Daten werden „Information“ genannt). Die Interpretationen, mit denen Daten versehen werden, hängen von den Kenntnissen und Erfahrungen der interessierten Personen ab.

In Organisationen gibt es über die Interpretationen einzelner Mitarbeiter hinaus kollekti­ve Interpretationsschemata. Man hat sich darauf geeinigt, wie bestimmte Abnehmergrup­pen, Lieferanten oder Konkurrenten zu sehen sind, welche Prioritäten bestimmten Unter­nehmenszielen einzuräumen sind, welche Lösungsprinzipien beim Auftauchen bestimm­ter Probleme vordringlich zu verfolgen sind usw. Kollektive Interpretationsschemata bilden sich bei häufiger Interaktion fast zwangsläufig heraus. Gleichgesinnte haben es leichter, sich zu koordinieren als Partner mit ganz unterschiedlichen Ansichten und Ein­schätzungen. Um gemeinsam handeln zu können, muss man erst ein Mindestmaß an Übereinstimmung in den Interpretationen der verschiedenen Situationen herstellen. Deshalb entwickeln Gruppen, in denen über längere Zeiträume gemeinsam gehandelt werden muss, weitgehend übereinstimmende Interpretationsschemata.

Organisationen können Umwelten nur vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen wahrnehmen und interpretieren. So gesehen, gibt es keinen unmittelbaren Zugang zur Umwelt. Die Umwelt wird über das Wahrnehmungssystem der Organisation selektiv auf­genommen und durch das Interpretationssystem der Mitglieder gedeutet. Insoweit ist „die Umwelt“ immer eine sozial „konstruierte Wirklichkeit“. Die Informationssysteme eines Unternehmens bestimmen also auf ähnliche Weise, wie die Instrumente eines U­Boots dies für die Besatzung tun, wie die Umwelt wahrgenommen wird. Mit anderen Instrumenten oder mit dem bloßen Auge sieht die Umwelt ganz anders aus. Und das Bild, das die Instrumente oder die Informationssysteme liefern, wird mittels der Interpretati­onsschemata gedeutet. Die Umwelt von Unternehmungen ist konstruiert wie jede Wirk­lichkeit, die „im unmittelbarsten Sinne die Konstruktion derer ist, die diese Wirklichkeit zu entdecken und erforschen glauben. Anders ausgedrückt: Das vermeintlich Gefundene ist ein Erfundenes, dessen Erfinder sich des Aktes seiner Erfindung nicht bewusst ist, sondern sie als etwas von ihm Unabhängiges zu entdecken vermeint und zur Grundlage seines ,Wissens‘ und daher auch seines Handelns macht.“ (Watzlawik 1985, S. 9 f.)

Nachdem wir die Fragen, in welcher Weise das Unternehmen seine Aufmerksamkeit auf die Umwelt richtet und wie es seine Wahrnehmungen interpretiert, beantwortet haben,

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kommen wir zur dritten Frage: Wie werden den wahrgenommenen Problemen Lösungen zugeordnet? Es ist sicher nicht ungewöhnlich, dass Organisationsmitglieder zur Lösung der von ihnen wahrgenommenen Probleme selbst eine Lösung entwickeln und imple­mentieren. Dabei werden häufig auch alternative Konzepte diskutiert. Ob eine bevorste­hende Krise oder die Notwendigkeit zum Wandel in einer Unternehmung wahrgenom­men wird, hängt jedoch nicht nur davon ab, dass bestimmte Fakten „richtig“ erkannt und interpretiert werden. Es spricht vieles dafür, dass ein Problem erst gesehen bzw. themati­siert wird, wenn eine Lösung am Horizont auftaucht, die auf das Problem zu passen scheint. Lösungen in Form neuer Strategien und Organisationskonzepte bestimmen dann die Art der Problemwahrnehmung, d. h. ein Problem wird überhaupt erst angesichts einer bestimmten Lösung diagnostiziert. Diese Überlegung bringt uns zu Organisationsmoden.

Quelle: Kieser, A. (2010): Unternehmen und Strukturwandel, Qualifizierungsbaustein C09 im

Projekt „Ökonomische Bildung online“, 2., akt. A. Oldenburg: Institut für Ökonomische Bildung,

9ff. (nicht öffentlich zugänglich)

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„Der gekochte Frosch“ oder Faktoren, die Strukturwandel

hervorrufen

Eine der Geschichten, die Unternehmensberater und Managementphilosophen immer wieder gerne erzählen, um deutlich zu machen, wie schwer es für ein Unternehmen ist, den Wandel von Strukturen zu erkennen und das Unternehmen zum Lernen zu bringen, ist die von dem amerikanischen Managementforscher Charles Handy zur Parabel gemach­te Geschichte vom gekochten Frosch:

Jeder kann sich vorstellen, was passiert, wenn man einen Frosch in sehr heißes Wasser wirft: Er versucht, so schnell wie möglich wieder herauszukommen. Aber was passiert, wenn man einen Frosch in lauwarmes Wasser setzt und die Temperatur ganz allmählich erhöht? Überraschenderweise passiert nichts. Der Frosch gibt alle Anzeichen des Wohl­gefühls von sich und beginnt bei lebendigem Leibe zu kochen, ohne es auch nur zu mer­ken.

Dirk Baecker stellt dazu fest: „Diese Schauergeschichte ist die Geschichte eines Organis­mus, der nicht lernt. Der Frosch ist nicht in der Lage, für ihn bedrohliche allmähliche Veränderungen seiner Umwelt wahrzunehmen. Er bekommt sie im wahrsten Sinne des Wortes nicht mit. Er unterscheidet nicht, was sich verändert.“1

Dabei lässt sich unterscheiden, welche Entscheidungen eine Organisation in Hinblick auf seine Umwelt und seine organisationsinternen Abläufe trifft. Damit ein Unternehmen überleben kann, stellt sich immer wieder die Frage, welche Umwelten wie im Unterneh­men abgebildet werden müssen. Die Frage ist: Was sind die relevanten Zusammenhänge von morgen? Oder anders gefragt: Was kann ich alles weglassen, wenn ich will, dass ein Unternehmen überlebt? Was ist die angemessene Landkarte für die Landschaft, in der Unternehmen operieren?

Für Führungskräfte und Mitarbeiter ist es zunehmend wichtiger, erkennen zu können, was die Bedingungen für eine betriebliche Entscheidung sind und welche beabsichtigten und unbeabsichtigten Konsequenzen eine Entscheidung hervorrufen kann.

1 Baecker, D. (1994): Postheroisches Management. Ein Vademecum, Berlin: Merve-Verlag, 441 ff.

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Die Manie des Neuen

Es ist jedes Jahr dasselbe: Erst lässt Apple über ausgewählte US­Medien durchsickern, der Produktionsstart für ein neues iPhone stehe unmittelbar bevor. Einige Wochen später tau­chen dann – vermeintlich heimliche – Fotos des Geräts im Internet auf. Kurz darauf lädt die Kultmarke Reporter und Analysten aus nicht näher genanntem Grund zur Präsentati­on. Nun, da die Spannung am größten ist, folgt die Vorstellung der neuesten Version des begehrtesten Mobiltelefons der Welt. So auch 2013. Am Mittwoch meldete das „Wall Street Journal“, das nächste Modell des iPhones sei so gut wie fertig. Weil es das iPhone 5 erst seit September gibt, stehen allerdings keine großen Veränderungen an. Es wird wohl nur eine aufgepeppte Version geben – ein iPhone 5S. Es wird exakt so aussehen wie der Vorgänger, nur das Innenleben verändert sich.

Trotzdem werden die Kunden wieder Schlange stehen, wenn das Gerät im Sommer in die Apple­Läden kommt. Warum? In der westlichen Welt besitzt ja im Schnitt jeder Mensch schon mindestens ein Handy. Und die meisten Geräte haben heute schon viel mehr Funk­tionen, als ihre Nutzer brauchen können. Das Gleiche gilt für Autos, Waschmittel und viele andere Produkte, die die Industrie in immer neuen Variationen und oft in immer kürzeren Abständen auf den Markt bringt. Sind sie wirklich besser? Oder lockt nur die Faszination des Neuen?

Für Frank Dopheide, Inhaber der Agentur Deutsche Markenarbeit, ist die Antwort klar: „Die Aufgabe von Konzernen und Werbeagenturen besteht schon lange nur noch darin, Bedürfnisse zu kreieren, von denen die Menschen bisher nicht wussten, dass sie sie hat­ten.“ Der Kunde erwarte von seiner Marke das gute Gefühl, auf der Höhe der Zeit zu sein. Das gelte vor allem für häufig gebrauchte Statussymbole wie Telefone oder Autos. Hinzu kommt: Der Wettbewerb der Unternehmen und damit die Zahl der Produkte steigen durch die Globalisierung rasant. „Wenn es Samsung nicht gäbe, würde Apple vermutlich nicht so schnell das nächste iPhone­Modell auf den Markt bringen“, sagt der Unterneh­mensberater und Managementexperte Hermann Simon.

Nach einer Studie von Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte an der Uni Duisburg­Essen, stieg die Zahl der in Deutschland verkauften Automodelle von 397 im Jahr 2000 auf 465 im Jahr 2012. Allein die Premiumhersteller Audi, BMW und Mercedes boten im vergange­nen Jahr 66 Modelle an. Dabei hat sich der Produktlebenszyklus immer weiter verkürzt. Während Volkswagen den Golf I von 1974 bis einschließlich 1983 zehn Jahre produzier­te, lief der Golf VI nur fünf Jahre vom Band, bevor ihn der Golf VII ersetzte.

Gebrauchsgegenstand oder Lifestyle­Produkt? Funktionalität oder Ausdruck von Lebens­gefühl? Zwischen diesen gegensätzlichen Polen bewegt sich die kapitalistische Warenpro­duktion schon seit fast 100 Jahren. […]

Doch es sind nicht nur die Unternehmen, die immer neue Produkte bei ihren Kunden platzieren wollen, sondern es sind auch die Kunden, bei denen die immer neuen Angebo­te eine Nachfrage schaffen. Beispiel Telekommunikationselektronik: „Die Innovationszyk­len bei Smartphones werden auch deshalb immer kürzer, weil die Verbraucher ständig neue Funktionen nachfragen“, sagte Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Bran­chenverbands Bitkom, dem Handelsblatt. Könne ein Hersteller die Innovationen nicht bieten, bestehe die Gefahr, dass der Kunde zu einem Konkurrenten abwandert. Früher hat es gereicht, wenn zu den großen Messen neue Geräte präsentiert wurden, „heute müssen die Produkte so schnell wie möglich auf den Markt, um nicht von einem Wettbewerber überholt zu werden“.

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Autoindustrie: Klassiker kommen unter die Räder

Die Autoindustrie lockt die Kundschaft mit immer neuen Reizen. Gab es einst nur die Wahl zwischen Stufenheck und Kombi, so ködert die Industrie Käufer heute zusätzlich mit Softroadern, Minivans und Geländewagen. Immer schneller drängen neue Varianten und Derivate auf den Markt. Zählte man in Deutschland 1995 noch 227 Modellreihen, so werden es 2015 schon 415 sein, prognostiziert das Duisburger Forschungszentrum CAR. Selbst Klassiker wie der VW Golf geraten unter die Räder: Lief der Produktzyklus des 1974 eingeführten Golf I noch zehn Jahre, so wurde der Golf VI schon nach fünf Jahren abgelöst.

Die Modellflut ist nicht nur die Antwort auf eine veränderte Nachfrage. Tatsächlich hat die Autoindustrie in den vergangenen Jahren auch Entwicklung und Produktion konse­quent umgestellt. Die neuen Modelle werden aus einem definierten Satz von Grundele­menten zusammengestellt, den „Baukästen“, die nur alle sechs bis sieben Jahre komplett verändert werden. Auf diese Weise zaubern VW oder BMW aus je drei Baukästen Dutzen­de von neuen Modellen, ohne dass der industrielle Basiszyklus verändert werden muss. Das schafft allerdings auch Probleme: Die Händler haben kaum noch Platz für alle neuen Modelle. Ein Teil wird in den Autohäusern nur noch digital vorgeführt. Markus Fasse.

Elektronik: Jede Woche ein neues Smartphone

Eine, maximal zwei neue Varianten des iPhones bringt Apple im Jahr in die Läden. Die Konkurrenten verfolgen eine ganz andere Strategie: Sie überfluten die Märkte regelrecht mit neuen Smartphones. Bestes Beispiel dafür ist China. „Vergangenes Jahr haben wir in China 42 neue Smartphone­Modelle in die Läden gebracht“, sagt Arthur Wei vom Compu­terhersteller Lenovo aus Peking. Die Apparate seien im Schnitt für dreieinhalb Monate in den Auslagen, ehe sie durch neue Produkte ersetzt würden. Die Kunden seien mit der Flut an Neuheiten keineswegs überfordert, meint der Manager: „Die Leute tauschen ihre Mobiltelefone alle sechs bis acht Monate aus“, betont Wei. Bei Preisen von rund 150 Dol­lar pro Stück seien Smartphones inzwischen „schnell drehende Gebrauchsgüter“. Ange­sichts seiner Größe ist China für die Elektronikproduzenten ausgesprochen wichtig. Die Smartphones werden besonders schnell erneuert, doch auch andere elektronische Geräte wie Notebooks oder Tablets sind inzwischen nur noch wenige Monate im Handel, ehe sie durch modernere Apparate ersetzt werden. Nur für ihre Firmenkunden machen die Her­steller noch eine Ausnahme und produzieren eine Modellreihe auch einmal anderthalb Jahre in unveränderter Form; länger geht allerdings nicht, weil es die nötigen Bauteile dann gar nicht mehr gibt. Joachim Hofer.

Konsumgüter: Waschmittel mit Meerblick

Was einst bei Henkel mit nur einem Waschmittel anfing, ist heute ein kaum noch zu über­blickendes Vollsortiment. Von Persil gibt es allein in Deutschland 15 Sorten – flüssig, als Pulver, Perle, Tablette oder Beutelchen. Eine Sorte soll gar das Gefühl „eines Tags am Meer“ wecken. Dazu hat Henkel elf Sorten Spee­Waschmittel – darunter ein „Aktiv Gel Apfelfrische“, fünf Perwoll­Varianten und sechs Sorten Weißer Riese. Konsumgüterherstel­ler bringen Neuheiten in immer schnellerer Folge auf den Markt, um Marktanteile zu gewinnen oder zumindest zu verteidigen. Binnen Monaten werden die Innovationen bereits von den Billigmarken der Supermärkte kopiert, so dass die nächste Neuerung fol­gen muss. Doch nicht nur das bläht die Produktpalette auf: Die Hersteller besetzen Platz in den Supermarktregalen, der Konkurrenten dann nicht mehr zur Verfügung steht.

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Mode: Zwölf Kollektionen pro Jahr

So oft mag eigentlich kein Kunde seinen Anzug in die Kleidersammlung geben: Der Mode­Konzern Hugo Boss bringt inzwischen vier große Kollektionen im Jahr heraus – und will so mehr Tempo machen. Preisgünstigere Anbieter wie Gerry Weber bieten längst im Monatsrhythmus neue Kollektionen an. Und bei Ketten wie Zara und H & M kann man eigentlich ständig neueste Mode kaufen. Die klassische Einteilung der Modewelt in Som­mer­ und Winterkollektionen ist damit ad absurdum geführt. Dennoch geben die Kunden nicht so schnell mehr Geld für Kleidung aus. Deshalb wollen die Unternehmen sie mit immer neuen Angeboten öfter in die Läden locken. Zugleich werden die Konsumenten beispielsweise durch Modeblogs im Internet sofort über neue Trends der internationalen Modewelt informiert – und so fällt es vielen zunehmend schwer, im Geschäft monatelang auf eine neue Kollektion zu warten .Christoph Kapalschinski.

Quelle: Brackmann, M./Kapalschinski, C. u. a., Handelsblatt, Nr. 065, 04.04.2013, 1/4/5

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Warum Schleckers Riesenreich zusammenbrach

[…] Die Geschichte des deutschen Drogerie­Marktführers ist die von Sturheit, Ratlosig­keit und Größenwahn.

Dabei stand eine findige Idee am Anfang. Als 1974 die Preisbindung für Drogerieartikel abgeschafft wurde, die Hersteller wie Nivea oder Tempo bis dahin den Verkaufsstellen vorschreiben durften, witterte Anton Schlecker seine Chance: Er eröffnete kleine, einfa­che Läden mit wenig Personal – dafür aber überall in Deutschland. Wer bei den Herstel­lern große Mengen orderte, der bekam bei ihnen hohe Rabatte. Und Schlecker orderte am meisten – schließlich besaß er europaweit rund 11 000 Filialen, zeitweilig das größte Ladennetz des Kontinents.

Der Aufstieg zu Europas Drogeriekönig versetzte Außenstehende in Erstaunen. 1977 weihte Schlecker den hundertsten Laden ein, sieben Jahre später den tausendsten. Und auch in den 90er­Jahren hieß es: Wachsen, wachsen, wachsen – auch im Ausland. Schon 1994 besaß Schlecker 5 000 Filialen und bekam die besten Konditionen beim Einkauf. Es waren goldene Zeiten.

Die Preisabschläge, so das Kalkül des Firmengründers, konnte er an die Kunden weiterrei­chen. Das wiederum steigerte den Umsatz und Schleckers Einkaufsmacht gegenüber der Industrie – ein scheinbares Perpetuum mobile.

Stimmen von Experten, die schon vor einem Jahrzehnt vor einer Marktsättigung warnten, schlug der gelernte Metzgermeister in den Wind. Weil der Umsatzzuwachs aber immer schwieriger zu bewerkstelligen war, wagte sich der heute 68­Jährige mit seinen Läden selbst in die tiefste Provinz. Kein Provinznest, das vor den blau­weißen Verkaufsstellen mit dem großformatigen „Schlecker“­Logo sicher war.

Auf dem flachen Land war Schlecker zwar den meist kleinen, selbstständigen Drogeristen haushoch überlegen. Auch die Ladenmieten fielen dort deutlich günstiger aus als für die Wettbewerber Rossmann oder dm. Die eröffneten vorzugsweise in gut besuchten, aber auch teuren Fußgängerzonen. Doch auf einen Ansturm der Kunden warteten die schmucklosen Schlecker­Läden an ihren entlegenen Standorten in der Regel vergeblich.

Ab der Jahrtausendwende verschlimmerte sich die Lage. Zwar wuchs Schlecker immer noch, aber nicht mehr so stark. Gleichzeitig formierten sich die bis dahin eher kleinen Rivalen dm in Karlsruhe und Rossmann in Hannover. Sie hatten ihre Ketten fast zeitgleich mit Schlecker gegründet, bei der Expansion aber auf die richtigen, das heißt umsatzstar­ken Standorte geachtet. Zudem setzten beide – anders als Schlecker – auf Lifestyle, Ver­kaufsambiente und Produkte, die den neuen Bio­Trends entsprachen.

Dann passierte das, was den Drogeriemarkt umkrempelte: dm und Rossmann erklärten sich und Schlecker den Kampf. Rossmann übernahm die Tengelmann­Tochter KD, wagte sich raus aus Norddeutschland und expandierte nach Süden. dm reagierte umgehend und ging nach Norden.

Auch kleinere Ketten wie Budnikowsky in Hamburg oder Müller wurden stärker. Mit gra­vierenden Folgen: Die öden Schlecker­Läden lockten immer weniger Kunden. Die such­ten das Einkaufserlebnis bei der Konkurrenz in größeren und schöneren Läden – und am Ende sogar mit besseren Preisen. Schleckers Kalkül: Billig, oder zumindest so tun, ging nicht mehr auf.

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Der schwäbische Drogeriekönig reagierte mit Sparsamkeit. Viele der Schlecker­Läden wirkten bald im Vergleich grau, verstaubt – fast schäbig. Alles Geld floss schließlich in die Expansion. Und: dm und Rossmann machten Schlecker die wohl wichtigste Zielgruppe abspenstig: die Mütter. Während die bei der Konkurrenz auf dem Weg zu Windeln und Babypuder durch breite Gänge mit Shampoos, Cremes und Kosmetik flanieren können, passt zwischen die Regale so mancher Schlecker­Filiale nicht einmal der Kinderwagen – so eng ist es.

Auch mit dem Service konnte Schlecker nicht punkten. Meist ist nur eine Mitarbeiterin im Laden: Sie kassiert, räumt die Regale ein, berät die Kunden – und wirkt eher gehetzt als freundlich.

Immer wieder gab es Klagen über schlechte Behandlung, Tarifflucht und Dumpinglöhne. In Köln wurde eine Verkäuferin vor Jahren zum tödlichen Opfer eines Räubers. Aus Kos­tengründen befand sich in der Filiale kein Telefon, mit dem sie hätte um Hilfe rufen kön­nen. 1998 verurteilte das Stuttgarter Landgericht Anton und Ehefrau Christa Schlecker zu einer Bewährungs­ und Geldstrafe. Der Grund: Verstoß gegen gültige Tarifverträge, zum Teil in betrügerischer Absicht.

Noch kurz vor dem Insolvenzantrag sorgte die Kette in Sachen Mitarbeiter­Drangsalie­rung für Negativschlagzeilen. Schlecker hatte einen Teil der Belegschaft in eine konzern­nahe Zeitarbeitsfirma abgeschoben. Von ihr sollten Filialen künftig ihr Personal beziehen – zum noch günstigeren Zeitarbeiter­Tarif. Erst öffentliche Proteste verhinderten die Umsetzung.

Und so wurde ein hausgemachtes Problem, das Schlecker von Beginn an begleitete, zu einer existenziellen Bedrohung. Schlecker hat – in Relation zum Umsatz – deutlich höhe­re Kosten als die Konkurrenz, allein wegen der Masse an kleinen, umsatzschwachen Filia­len und der vielen Mitarbeiter. Götz Werner, Gründer von dm, bezeichnete Schlecker einst als das „unproduktivste Unternehmen der Branche“. Im Schnitt misst eine Schlecker­Filia­le etwa 200 Quadratmeter, die der Konkurrenz sind mehr als doppelt so groß.

Wie schlecht es Schlecker ging, erläuterte Wettbewerber Dirk Roßmann zuletzt mehrmals mit einem Verweis auf die Verkaufsleistung pro Quadratmeter. Mit einem monatlichen Umsatz der Filialen von im Schnitt 20 000 Euro könne man auf Dauer kein erfolgreiches Drogeriemarkt­Konzept betreiben, warnte er in der Zeitschrift „Focus“. „Rossmann und dm kommen monatlich im Schnitt auf Erlöse von 300 000 Euro.“

Zwar versuchte es zuletzt auch Schlecker mit XL­Läden und einem Ladenkonzept, das „einladender wirken“ sollte. Zu spät: Die Kunden kamen nicht zurück. Das Geschäftsmo­dell, das noch heute unter dem schrägen Schlecker­Slogan „For you. Vor Ort“ steht, ist gescheitert. Schlecker macht seit 2006 Verluste, allein 2011 waren es 200 Millionen Euro.

Dass viele etwas davon ahnten, niemand aber Genaueres wusste, verdankt Schlecker sei­ner Geheimniskrämerei. Von Beginn an firmierte er als reine Personengesellschaft, die – anders als dm oder Rossmann – ihre Geschäftszahlen für sich behalten durfte.

Auch Banken hätten in Schleckers Riesenreich Probleme gehabt, Sicherheiten für Kredite zu finden. Mussten sie auch nicht, weil Schlecker sich weitgehend über Lieferantenkredi­te finanzierte. Das einem Schneeballsystem vergleichbare Konzept sollte sich am Ende bitter rächen: Weil keine Bank von der Insolvenz ernsthaft betroffen ist, findet sich nun auch kein Institut, das sich ernsthaft für die Rettung Schleckers interessiert.

Quelle: Ludowig, K./Schlautmann, C., Handelsblatt.com, 27.03.2012

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Externe und interne Faktoren

Abb. Veränderungen im Umfeld eines Unternehmens

Externe Einflüsse, die Strukturwandel in Unternehmen hervorrufen

Unberechenbarkeit des politisch gesellschaftlichen Umfelds (z. B. 11. September)

Internationalisierung

Konzentrationsprozesse

Verhandlungsmacht der hochqualifizierten Leistungsträger (War for Talents)

Beschleunigung von Produktlebenszyklen

Dynamik der Finanzmärkte (Abhängigkeit von den Kapitalmärkten, Kapital als Wettbewerbsfaktor, Shareholder­Value)

Individualisierungstendenzen

Anspruch der Mobilität

Stärkung der Kundenmacht bei gleichzeitiger Abnahme ihrer Loyalität

Erweiterung der Markthorizonte (z. B. EU­Erweiterung)

Gewachsene unternehmensübergreifende Sichtweisen lösen sich auf

Privatisierung öffentlicher Leistungen

Interne Einflüsse, die Strukturwandel in Unternehmen hervorrufen

Verlust von Loyalität und Identität bei gleichzeitig erhöhtem Bedarf an Leistungs­bereitschaft und Motivation

Ruf nach Empowerment (Selbstverantwortung) einerseits, Kontrollbedürfnis anderer­seits

Kostenorientierte Prozesse verlangen Standardisierung, gleichzeitig Ruf nach Flexibilität und Innovation

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Entpersonalisierung der Kommunikation durch neue Kommunikationsmedien (virtuelles Arbeiten)

Höhere Ansprüche vonseiten der Kunden, gleichzeitig Kostendruck

Neue Arbeitsformen (virtuelle Organisationen)

Überlastung der Leistungsträger durch Beschleunigung

Führung im Spannungsfeld organisatorischer Trägheit und Veränderungs­notwendigkeit

Ökonomisierung der organisationsinternen Beziehungen (Profit­Center)

Umbau der Hierarchieebenen. Führungsstrukturen verändern sich.

Management von Vielfalt

Risikoerhöhung durch Fehlerunfreundlichkeit (z. B. wenn keine zeitlichen Puffer vorhanden sind, um Fehler zu berichtigen)

Auflösung von Organisationsgrenzen

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Lernen, lebenslang

Eine Stelle auf Lebenszeit oder ein Bildungsabschluss, der fürs ganze Arbeitsleben reicht – diese Zeiten sind vorbei. Im Gegenteil, jeder muss sich darauf einstellen, in Zukunft sogar mehrmals beruflich Haken zu schlagen und vielleicht ganz neue Berufe zu erler­nen. Davon ist zumindest Michael Steinbrecher überzeugt. „Wie aber soll das gehen ohne Weiterbildung“, fragt der bekannte TV­Moderator, der nebenbei noch Journalistik­Profes­sor ist, in einer Werbeanzeige für den heutigen Deutschen Weiterbildungstag. Um auf die seiner Meinung nach „wichtigste Aufgabe unserer Zeit“ hinzuweisen, hält Steinbrecher für die aktuelle Werbekampagne der Weiterbildungsbranche seinen Kopf hin. Stark für Kurse und Co. machen sich mit ihm zum Beispiel Kabarettist Bastian Pastewka und Hei­ner Brand – nach Stationen als Spieler und Nationaltrainer inzwischen Direktor des Deut­schen Handballbundes. […]

Lebenslanges Lernen wird in Deutschland wegen des demografischen Wandels und des zunehmenden Fachkräftemangels immer wichtiger. Das ist den Beschäftigten klar. Vom Automechaniker bis zum Zahnarzt sagt schon heute mehr als die Hälfte der Deutschen, dass Weiterbildung in ihrem Metier zwingend ist. Außerdem rechnen 74 Prozent der Befragten damit, dass Fortbildungsmaßnahmen in ihrem Beruf in zehn Jahren noch bedeutsamer sein werden als heutzutage. Dies zeigt eine bundesweite Umfrage unter rund 1 000 Erwerbstätigen der Deutschen Universität für Weiterbildung (DUW).

Allerdings belastet dieser Druck fast jeden zweiten Befragten. Und mehr als jeder zehnte fühlt sich laut DUW­Studie überfordert, weil sein Arbeitgeber erwartet, dass er sich auf

dem neuesten Stand hält. „Wissen ist überall und jeder­zeit abrufbar, veraltet aber auch schneller als früher“, sagt Ada Pellert, Präsidentin der DUW. „Die Überforde­rung vieler Menschen rührt häufig aus dieser Beschleu­nigung, verknüpft mit steigenden Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt. Chefs sollten ihre Mitarbeiter damit nicht allein lassen.“ […] Ob nun mit Arbeitgeberunter­stützung oder aus Eigeninitiative, zur Beschleunigung der Karriere oder auch, um ihr eine neue Richtung zu geben – das Angebot an Fortbildungen ist riesig.

Besonders im Trend liegen derzeit vor allem Fernlehr­gänge und Fernstudium. Natürlich auch, weil sie sich nebenberuflich absolvieren lassen. Ihre Teilnehmerzah­len steigen seit Jahren, auf zuletzt 387 000. Einer von ihnen ist Oliver Kahn. Der deutsche Ex­Nationaltorhü­ter hat schon viele Titel errungen, seit diesem Frühjahr darf er sich auch mit dem akademischen Grad „Master of Business Administration“ (MBA) von der österreichi­schen Privatuni Schloss Seeburg schmücken. In seinem Studium musste er lediglich 15 Tage pro Semester an der Uni in Salzburg anwesend sein, ansonsten wurde den Studenten der Stoff über eine Internetplattform bereitgestellt. Um ihn sich zu erarbeiten, konnte Kahn sich auch mit seinen Kommilitonen und Dozenten online austauschen. […]

Quelle: Obmann, C., Handelsblatt, Nr. 184, 21.09.2012, 58

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Personalentwicklung

Der Begriff der Personalentwicklung wird nicht einheitlich gebraucht. Hier soll den bereits existierenden Definitionen keine gänzlich neue hinzugefügt, sondern vielmehr eine Begriffsfassung gewählt werden, die die meisten der übereinstimmend benutzten Merkmale enthält und sich im Rahmen der Gesamtkonzeption dieser Schrift als zweck­mäßig erweist.

Unter Personalentwicklung ist eine Summe von Tätigkeiten zu verstehen, die für das Personal nach einem einheitlichen Konzept systematisch vollzogen werden. Sie haben in Bezug auf einzelne Mitarbeiter aller Hierarchieebenen eines Betriebs Veränderungen ihrer Qualifikationen und/oder Leistungen durch Bildung, Karriereplanung und Arbeits­strukturierung zum Gegenstand. Sie geschehen unter Berücksichtigung des Arbeitskon­textes, wobei ihre Orientierungsrichtung die Erreichung (Erhöhung des Erreichungs­grades) von betrieblichen und persönlichen Zielen ist. Bereits diese Orientierung legt eine spezifische Art und Weise der Erfüllung der Personalentwicklungsaufgaben nahe: die Zusammenarbeit der Betroffenen bei der Bedarfsermittlung, Programmplanung und ­durchführung sowie Kontrolle.

Die Personalentwicklung wirkt auf das Qualifikationspotenzial ein. Unter diesem wird das potenziell realisierbare Arbeitsvermögen eines jeden Mitarbeiters verstanden. Das Arbeitsvermögen seinerseits wird determiniert durch die individuell verschiedenen Lebens­ und Arbeitsbiografien. Zur Entfaltung der Wirksamkeit des potenziell realisierba­ren Arbeitsvermögens eines jeden Mitarbeiters bedarf es daher einer individuellen Akti­vierung des Potenzials. Gleichzeitig wird hiermit ausgedrückt, dass Qualifikationspoten­zial immer auch individuelles Entwicklungspotenzial ist und, da individuelle Qualifikatio­nen Determinanten des menschlichen Leistungsverhaltens sind, Personalentwicklung immer auch auf Verhaltensentwicklung abzielt. […]

Der Inhalt der Personalentwicklung wird […] nicht beschränkt auf explizite Qualifizie­rungsmaßnahmen, wie sie z. B. Gegenstand betrieblicher Fortbildungsmaßnahmen sind. Dies würde den Blickwinkel zu stark einengen und bestehenden inhaltlichen Interdepen­denzen und funktionalen Beziehungen nicht gerecht werden. In der oben vorgestellten Definition von Personalentwicklung sind vielmehr auch solche Maßnahmen eingeschlos­sen, die implizit Qualifikationsveränderungen bewirken (Karriereplanung, Arbeitsstruktu­rierung) und solche, die auf Leistungsänderungen zielen (unter Inanspruchnahme bisher nicht genutzter Qualifikationen) sowie solche, die Selbst­Qualifizierungsprozesse beein­flussen.

Die Abbildung […] demonstriert anschaulich, dass die Person(al)entwicklung in andere Entwicklungsbereiche automatisch eingebunden ist.

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Abb.: Einordnung der Personalentwicklung

Quelle: Neuberger, O. (1994): Personalentwicklung, Stuttgart: Lucius&Lucius, 13

In einer idealisierten Vorstellung löst sich die systematisch initiierte Personalenwicklung in einer lernenden Organisation auf. Diese ist als (normatives) Idealmodell einer Unter­nehmung zu verstehen, in der organisationales Lernen insoweit institutionalisiert ist, als dass zu jeder Zeit – quasi automatisch – alle zukünftig und aktuell notwendigen, individu­ellen wie gruppenbezogenen Qualifikationen entwickelt werden resp. vorhanden sind. Die Entwicklungsfähigkeit einer solchen Unternehmung ist besonders hoch ausgeprägt. […]

Berthel, J./Becker, F. (2013): Personalmanagement – Grundzüge für Konzeptionen betrieblicher

Personalarbeit, 10. A., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 388ff.

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Bedingt familienfreundlich

Die Bundeskanzlerin fordert von der Wirtschaft mehr Rücksicht auf Familien: „Mit Blick auf die Demografie und den Fachkräftemangel ist es absehbar, dass Familienfreundlich­keit an Bedeutung gewinnt“, mahnte Angela Merkel gestern auf dem Familiengipfel mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaftlern. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) […] verwies auf den verbreiteten Wunsch von Frauen, der sogenannten Teilzeitfal­le zu entkommen. Der Trend ist eindeutig: „Väter möchten eher weniger arbeiten, viele Mütter hingegen wollen ihre Arbeitszeit auf eine vollzeitnahe Teilzeit von 30, 35 Stunden aufstocken“, berichtete die Vizedirektorin des Deutschen Jugendinstituts Sabine Walper. Nach einer neuen Umfrage sehen Frauen Babypausen und Teilzeitarbeit als Karrierekiller Nummer eins.

Aktuell arbeiten in Deutschland 71 Prozent der Frauen und 81 Prozent der Männer im Alter zwischen 20 und 64 Jahren; das ist einer der höchsten Werte in der EU. Knapp die Hälfte der Frauen arbeitet in Teilzeit. Nur in den Niederlanden arbeiteten Frauen mit 76 Prozent noch deutlich häufiger Teilzeit. Im EU­Schnitt sind es 32 Prozent.

Uneinigkeit herrschte auf dem Gipfel darüber, wie es aktuell mit der Familienfreundlich­keit deutscher Betriebe bestellt sei. Die Präsidenten der Wirtschaftsverbände BDA, DIHK und ZdH Dieter Hundt, Hans Heinrich Driftmann und Otto Kentzler verteidigten die Anstrengungen der Betriebe als absolut ausreichend. Keinesfalls dürfte es neue Zwangs­maßnahmen geben. Eine Sonderauswertung des „Unternehmensmonitor Familienfreund­lichkeit“, den das wirtschaftsnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) alle drei Jahre erhebt, zeigt jedoch, dass das Engagement der Unternehmen zuletzt sogar nachgelassen hat: Zwar bezeichnen heute vier von fünf Unternehmen Familienfreundlichkeit als „bedeutend“ – vor zehn Jahren war es nicht mal jedes zweite. Aber die Verbreitung von flexiblen Arbeitszeitmodellen ist deutlich geschrumpft: Bis 2009 war der Anteil der Unter­nehmen, die flexible Tages­ oder Wochenarbeitszeiten anbieten, auf 70 Prozent geklettert – 2012 waren es nur noch 63 Prozent. Der Anteil derer mit flexiblen Jahres­ oder Lebens­arbeitszeiten ist sogar wieder von 28 auf 20 Prozent geschrumpft. […]

Quelle: Gillmann, B., Handelsblatt, Nr. 051, 13.03.2013, 8

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Change Management: Widerstand gegen Änderungen

Ausgangspunkt einer eigenständigen Lehre des organisatorischen Wandels war die Ein­sicht, dass die Funktionstüchtigkeit neuer Organisationsstrukturen ganz wesentlich von der Einstellung der Organisationsmitglieder zu diesen Strukturen, und weiter noch von der allgemeinen emotionalen Einstimmung auf diese, abhängt. Diese Einsicht wurde wesentlich befördert durch das Konzept und Forschungen zu „Widerstand gegen Ände­rungen“. Darunter wird im Wesentlichen eine emotionale Sperre verstanden, die Organi­sationsmitglieder gegen Änderungen aufbauen, weil sie befürchten, dass sich durch die Veränderung, auf welche Weise auch immer, ihre Situation verschlechtern wird.

Der wesentliche Impuls zur Erforschung des Widerstands gegen Änderungen sowie Ansatzpunkte seiner Überwindung kam von Kurt Lewin1 und seinen Studien zum Abbau von Speiseabscheu. Als zum Ende des Zweiten Weltkriegs auch in den USA das Fleisch knapper wurde, sollte Lewin herausfinden, wie man US­Hausfrauen davon überzeugen könnte, dass sich auch mit (dort) unüblichen Lebensmitteln leckere Speisen zubereiten lassen. Die Hausfrauen ekelten sich allein schon vor dem Gedanken, Innereien wie Herz und Lunge zubereiten und essen zu müssen. Zum Abbau des Widerstands wurde in zwei Gruppen auf unterschiedliche Weise verfahren. Eine Gruppe von Hausfrauen erhielt Vor­träge über Nährwert und Zubereitungsformen von Innereien; in einer zweiten Gruppe wurden Frauen gebeten, ein Programm zu erarbeiten, wie man normalen US­Hausfrauen den Ekel vor Innereien nehmen könnte. Die Hausfrauen analysierten an sich selbst, was die Hauptquellen der Speiseabscheu sein könnten (Unkenntnis, taktile Empfindungsquali­täten, soziale Ächtung usw.); bei Bedarf wurden Informationsblätter über einzelne Frage­stellungen (Nährwerte, Rezepte usw.) ausgegeben. Es bildete sich rasch die Gruppenmei­nung heraus, dass gegen die Ablehnung aufgrund von Ekel etwas unternommen werden müsste. Der gemeinsame Lernprozess erwies sich (aus heutiger Sicht nicht mehr überra­schend) dem reinen Lehransatz als weit überlegen; die Frauen legten in einer Gruppe gemeinsam Vorurteile und Ekelgefühle nach und nach ab.

Die in diesem Experiment praktizierten Methoden der Teilnehmeraktivierung nahmen die Eckpfeiler von organisatorischen Wandelkonzepten der nächsten Jahrzehnte vorweg. Im Grunde war in diesen Studien alles angelegt, was später zu den „goldenen Regeln“ des erfolgreichen organisatorischen Wandels werden sollte:

1. Die aktive Teilnahme am Veränderungsgeschehen und die frühzeitige Information über den anstehenden Wandel und Partizipation an den Veränderungsentscheidungen ist unerlässlich.

2. Die Gruppe als wichtiges Wandelmedium: Wandelprozesse in Gruppen sind weniger beängstigend und werden im Durchschnitt schneller vollzogen.

3. Gegenseitige Kooperation fördert Wandelbereitschaft.4. Wandelprozesse vollziehen sich zyklisch. Sie bedürfen einer Auflockerungsphase, in

der die Bereitschaft zum Wandel erzeugt wird und einer Beruhigungsphase, die den vollzogenen Wandel stabilisiert.

Das organisatorische Änderungsgesetz nach Lewin:

Auftauen Verändern Stabilisieren

Quelle: Steinmann, H./Schreyögg, G.(2005): Management, 6. A., Wiesbaden: Gabler, 441 ff.

1 Lewin, K. (*1890, † 1947), einflussreicher Pionier der Psychologie und insbesondere der Sozialpsycholo-gie, u. a. Begründer des soziawissenschaftlichen Theorems der Gruppendynamik

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Management des Wandels

Unternehmungen sehen sich heute permanenten Änderungserfordernissen gegenüber. Wandel aktiv zu bewältigen ist daher eine Daueraufgabe. Von diesem Verständnis ausge­hend, bedeutet Management des Wandels (hier synonym: Change Management) die aktive Handhabung von Wandlungsprozessen und umschließt alle Aufgaben, Prozesse, Träger und Instrumente unternehmungsbezogener Veränderung und Entwicklung. Wandlungs­management ist eine Querschnittaufgabe und bewegt sich auf der Schnittfläche verschie­dener herkömmlicher Gebiete, insbesondere: strategisches Management, Organisation, Human­Resource­Management, Führung. Dementsprechend müssen Konzepte des Wand­lungsmanagements Impulse und Ansätze aus diesen Richtungen aufnehmen und inte­grieren.

Wandlungsvorhaben lassen sich u. a. anhand ihrer Objekte systematisieren. Wenn eine Veränderung von Strukturen, Prozessen und Systemen dominiert, wird von Restrukturie­rung gesprochen. Die strategische Ausrichtung der Unternehmung sowie die Konfigurati­on der Erfolgsfaktoren bleiben dabei weitgehend unverändert. Wandel dieses Typs lässt sich daher als reproduktiv bezeichnen.

Wenn dagegen eine neue strategische Positionsbestimmung erfolgt, vorhandene Geschäf­te teilweise aufgegeben, neue aufgebaut werden, dann liegt eine Reorientierung vor. Davon zu unterscheiden sind Veränderungen der Ressourcen und Fähigkeiten (sog. Revi­talisierung) sowie der von allen geteilten Werte und Einstellungen, die den Kern der Unternehmungskultur bilden (sog. Remodellierung). Für derartige Programme grundle­genden Wandels wird vielfach die Bezeichnung transformativer Wandel (corporate trans­formation) bzw. strategische Erneuerung benutzt. Tendenziell nehmen die Tiefe der Verän­derung – und mit ihr die zu bewältigenden Schwierigkeiten – von der Restrukturierung über die Reorientierung und Revitalisierung bis zur Remodellierung zu.

Der Planbarkeit und Beherrschbarkeit von (fundamentalem) Wandel sind deutliche Gren­zen gesetzt. So müssen Manager zum einen erleben, dass Wandel einen anderen Verlauf nimmt als geplant oder gar scheitert. Zum anderen entsteht Wandel auch ungeplant als Ergebnis eigendynamischer Prozesse. Das Wandlungsmanagement muss sich der daraus resultierenden Grenzen des geplanten organisatorischen Wandels bewusst sein und auf eine deterministische Detailplanung verzichten.

Quelle: Krüger, W. (2006): Wandel, Management des (Change Management), in: Handelsblatt

(Hg.): Wirtschaftslexikon – Das Wissen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 12, Stuttgart: Schäffer-

Poeschel, S. 6172 f.

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Auf den Käpt’n kommt es an

Der Leitspruch für viele Angestellte bei den Top­Adressen der deutschen Wirtschaft lautet aktuell: Volle Deckung! Zahlreiche Unternehmen strukturieren um. […] Ein Großteil der Dax­Unternehmen verändert sich momentan. Die Lufthansa baut Tausende Arbeitsplätze ab und schließt die Konzernzentrale in Köln, die Deutsche Bank und Commerzbank strukturieren um, die Energieversorger ebenfalls. Egal ob Sparprogramm, Strategiewech­sel oder Neustrukturierung: Jeder Veränderungsprozess wirbelt die Unternehmen durch­einander. Mitarbeiter müssen gehen, werden auf andere Positionen versetzt oder mit Gehaltseinbußen konfrontiert.

Eine Garantie auf Erfolg bieten die Neuorganisationen aber nicht. „Nur zwei von zehn Veränderungsprozessen erreichen die gewünschten Ziele“, sagt Claudia Schmidt, Geschäftsführerin der auf solche Prozesse spezialisierten Unternehmensberatung Muta­ree. Die erste Regel im Management lautet: Ohne Wandel kein langfristiger Erfolg. Warum tun sich also so viele Manager schwer mit der Neuordnung der Unternehmen? Wer trägt die Schuld dafür, und wie können Mitarbeiter in chaotischen Prozessen ihre Rechte wahren?

Antworten auf diese Fragen gibt eine Mutaree­Studie im Auftrag von Handelsblatt Online. Die Berater haben Leitende aus 280 Unternehmen befragt. Das Ergebnis überrascht. Zwar sind ein professionelles Projektmanagement und klare Strategie bei Veränderungsprozes­sen wichtig. „Entscheidend ist aber die Persönlichkeit der verantwortlichen Führungs­kraft“, sagt Schmidt. „Sie braucht Überzeugungskraft und Charisma, um die Mitarbeiter mitzunehmen. Tugenden, die sich allerdings nur einige Leitende zu Herzen nehmen.“ Gefordert ist das Personal der obersten Etage. Drei Viertel der Befragten sehen den Geschäftsführer oder Vorstand in der Verantwortung, wenn ein Change­Prozess scheitert. Zum Vergleich: Nur knapp jeder Zehnte schiebt die Schuld den Arbeitnehmervertretern zu, knapp jeder Fünfte den Mitarbeitern. Überaschendes Ergebnis der Studie: Controller­Mentalität, Fachwissen oder Organisationstalent sind weniger wichtig. Die Chefs brau­chen vor allem Soft Skills, vermeintlich weiche Führungstugenden, um Erfolg zu haben. Laut Umfrage müssen sie vor allem Ehrlichkeit, Sensibilität und Überzeugungskraft mit­bringen.

Der Hauptgrund, warum Change­Prozesse scheitern, ist folglich schlechte Kommunikati­on. Die Begründung dafür ist einfach: Die besten Strategien nutzen nichts, wenn die Mit­arbeiter sie nicht umsetzen. „Bei strukturellen Änderungen durchleiden Mitarbeiter exis­tenzielle Ängste, dem müssen die Vorgesetzten Rechnung tragen“, sagt Schmidt. Für Mitar­beiter geht es um Hab und Gut. Jeder zweite Angestellte fürchte sich bei Veränderungsprozessen vor einem Job­ oder Statusverlust. Auch höhere Anforderungen und eine steigende Arbeitsbelastung besorgt die Mitarbeiter. […]

Quelle: Hagen, J./Schneider, K., Handelsblatt.com, 07.06.2013

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Interview mit Herbert Hainer (Adidas)

[…] Sie sind seit elf Jahren Vorstandschef von Adidas. Wie halten Sie das leistungsmä-ßig durch?

Adidas macht mit knapp 50 000 Angestellten etwa 14 Milliarden Euro Umsatz. Dazu kommt noch mal eine Million Angestellte bei etwa 300 Zulieferbetrieben. Das können Sie auf Dauer nur managen, wenn Sie wie ich Spaß an der Arbeit haben. Und ich habe eben für Sport eine Riesenleidenschaft. Im Management spielen wir miteinander Fußball oder gehen Laufen. Das gehört zu unserer Kultur. Das ist Kult.

Wenn es gut läuft, ist man begeistert bei der Sache. Interessant wird es, wenn es schlecht läuft ...

Ja, ich habe das aber alles auch schon umgekehrt erlebt. Als ich Ende der 80er­Jahre zu Adidas kam, zeigten die Zahlen nach unten. Die Firma kämpfte um ihre Existenz. Da habe ich genauso viel gearbeitet wie heute. Ich war jeden Tag bestimmt dreimal frustriert, weil die Dinge nicht vorangegangen sind. Aber dann hat sich unsere Leistung irgendwann aus­gezahlt, wir haben Adidas gedreht. Und damit wir nicht noch einmal zurückfallen, pushen wir uns jeden Tag, sonst wären wir nicht da, wo wir heute sind. Die Firma hatte vor 20 Jahren gerade eine Milliarde Umsatz. Heute machen wir fast eine Milliarde Euro Gewinn vor Steuern. […]

Adidas scheint aber […] der ewige Vize zu sein. Im Wettbewerb mit Nike sind Sie seit Jahren die Nummer zwei.

Sie spielen damit auf die Größe an ...

... ja, auf den Umsatz, Nike hat je nach Wechselkurs zwei bis drei Milliarden Euro mehr Umsatz ...

... aber vor allem, weil sie mit den USA den größeren Heimatmarkt haben. Sonst liegen wir oft vorn: beim Fußball. In Deutschland. In Europa.

Den Umsatzrückstand könnten Sie mit einem Zukauf aufholen. Geld genug dafür wäre doch in Ihrer Kasse ...

Ja, das könnten wir theoretisch. Aber das ist nicht mein Ziel. Größe alleine macht es nicht, sonst würden die Dinosaurier noch leben, und die Ameisen wären alle tot. Aber natürlich wäre ich gern auch beim Gesamtumsatz die Nummer eins.

Was war Ihre größte unternehmerische Leistung bisher?

Das kann ich Ihnen gar nicht so sagen, weil ich ein überzeugter Anhänger von kontinuier­licher Arbeit bin. Diese eine große Tat, diesen einen großen Moment, den gibt es nicht. Um erfolgreich zu sein, musst du tagtäglich an tausend Dingen arbeiten. Ich bin derjenige, der die ganze Maschine mit all ihren kleinen und großen Rädchen am Laufen hält – nicht mehr und nicht weniger. Ich bin derjenige, der jeden Tag Öl reingießt, wo es gerade sein muss. Ein bisschen hier, ein bisschen dort. Der alles verfeinert. Ein Beispiel: Noch vor 15 Jahren, da war immer eine unserer größten Sorgen, wenn wir ein neues Produkt hatten, ob wir das auch rechtzeitig in guter Qualität werden liefern können. Das ist heute kein Thema mehr. Wir haben im vergangenen Jahr 245 Millionen Paar Schuhe produziert. 320 Millionen Teile Textilien, und die waren zu 99 Prozent zum richtigen Zeitpunkt, in bester Qualität am richtigen Ort. […]

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HERBERT HAINER FAKTOR LEISTUNG

„Ich will immergewinnen“

Das nötige Ballgefühl hat Her-bert Hainer. Der Tango, soheißt der von Adidas herge-stellte Fußball für die laufendeFußball-Europameisterschaft,

ist schon sieben Millionen Mal verkauftworden und damit ein Bestseller. Hainerjongliert die aus zwölf Teilen thermoplas-tischem Polyurethan zusammengesetzteKugel im Showroom der Villa Foksal inWarschau gekonnt mit Händen und Fü-ßen. „Ein tolles Produkt“, lobt er und tät-schelt den Ball so behutsam wie andereMenschen die Köpfe ihrer Kinder.Das Turnier in Polen und der Ukraine

ist für den 58-Jährigen eine veritable Leis-tungsshow – nochwichtiger als das ande-re sportliche Großereignis des Jahres, dieOlympischen Spiele in London. Insge-samt sechs Teams, darunter die deutscheMannschaft, tragen die Trikots des Dax-Konzerns aus Franken. Jedes Spiel ist fürden drahtigen Manager deshalb nicht nurvon sportlichem Interesse, sondern auchvon geschäftlichem. Für Deutschland zusein, ist für Hainer Ehrensache, abereben nicht ohne betriebswirtschaftlichenHintersinn.

Herr Hainer, beim Fußball haben dieGriechen keine überzeugende Leistunggeboten und verdient mit 2:4 gegenDeutschland im Viertelfinale verloren.Wie beurteilen Sie die Leistung der grie-chischen Politik undWirtschaft?

Das Land steckt zweifelsfrei in einer exis-tenzbedrohenden Krise. Das liegt abernicht daran, dass die Griechen in denver-gangenen fünf Jahren nichts getan undnur in der Sonne gelegen haben. Ich glau-be, dass es auch überhaupt nicht hilft,mit dem Finger auf Griechenland zu zei-gen, oder umgekehrt die Griechen auf dieBundeskanzlerin. Es muss jetzt gehan-deltwerden. Es müssen neue Arbeitsplät-ze in Griechenland geschaffen werden.Und es braucht ferner eine gut arbeiten-de Verwaltung, angefangen beim Katas-teramt bis hin zu vernünftigen Finanzbe-hörden, die ohne Korruption arbeiten.

Viele Bürger in Deutschland winken abund glauben, dass die immer wiederkeh-renden Rettungsversuche und Hilfsange-bote doch nicht helfen werden. KönnenSie diese Menschen verstehen?Verstehen kann ich das. Aber man musssich immer wieder auch vor Augen füh-ren, dass es viele Geburtsfehler in Euro-pa gegeben hat. Die Griechen haben sichin den letzten zehn Jahren ja nicht dra-matisch verschlechtert. Die Wirtschaftdort war nie so stark wie in anderen Tei-len der EU. Angesichts dieser Ungleich-heiten rächt es sich nun, dass damals ei-ne Währungsunion gegründet wurde,aber keine Fiskalunion.

Mit Spanien ist eine viel größere Volks-wirtschaft ins Trudeln geraten. Wannstößt die Union an ihre Leistungsgrenze?Ich bin wie das Handelsblatt sehr euro-freundlich. Ich glaube nicht, dass der Eu-ro auseinanderbricht. Das, was AngelaMerkel jetzt macht, den Druck aufrecht-zuerhalten, was Reformen und Sparan-strengungen angeht, das ist richtig. Aberich sage auch: Allein mit Sparen wird esnicht getan sein – weder in Griechenlandnoch in Spanien. Wir müssen auch hel-fen, dieWirtschaft in Gang zu bringen.

Sie plädieren für eine Mischung aus Für-sorge- und Leistungsprinzip?Ich würde das nicht Fürsorge nennen,ich plädieredafür, dassdas,was etwa anRe-formen vereinbart wurde, auch umgesetztwird. Leistung erfordertGegenleistung.

Von der Makro- auf die Mikroebene ...Sie sind seit elf Jahren Vorstandschefvon Adidas. Wie halten Sie das leis-tungsmäßig durch?Adidas macht mit knapp 50000 Ange-stellten etwa 14 Milliarden Euro Umsatz.Dazu kommt noch mal eine Million Ange-stellte bei etwa 300 Zulieferbetrieben.Das können Sie auf Dauer nur managen,wenn Sie wie ich Spaß an der Arbeit ha-ben. Und ich habe eben für Sport eineRiesenleidenschaft. Im Managementspielen wir miteinander Fußball oder ge-hen Laufen. Das gehört zu unserer Kul-tur. Das ist Kult.

Wenn es gut läuft, ist man begeistert beider Sache. Interessant wird es, wenn esschlecht läuft …

Ja, ich habe das aber alles auch schonumgekehrt erlebt. Als ich Ende der 80er-Jahre zu Adidas kam, zeigten die Zahlennach unten. Die Firma kämpfte um ihreExistenz. Da habe ich genauso viel gear-beitet wie heute. Ich war jeden Tag be-stimmt dreimal frustriert, weil die Dingenicht vorangegangen sind. Aber dannhat sich unsere Leistung irgendwannausgezahlt, wir haben Adidas gedreht.Und damitwir nicht noch einmal zurück-fallen, pushen wir uns jeden Tag, sonstwären wir nicht da, wo wir heute sind.Die Firma hatte vor 20 Jahren gerade ei-ne Milliarde Umsatz. Heute machen wirfast eine Milliarde Euro Gewinn vor Steu-ern.

Sind Sie selbst schon mal an Ihre Leis-tungsgrenze gestoßen?Ich glaube nicht, ich bin kaum krank,fühle mich auch weder müde, noch habeich ein Burnout-Syndrom. Was es abergibt: Situationen, in denen ich Entschei-dungen treffen muss, obwohl die Ent-scheidung von vielen externen Faktorenabhängt, auf die ich keinen Einfluss habe.Aber es ist nie so, dass ich in der Frühdenke: ,Ach, Gott, nicht heute schonwie-der.‘ Solche Gedanken kenne ich wirklichnicht.

Sehen Sie Ihren Job auch als so eine Artsportlichen Wettbewerb mit Sieg undNiederlage?Immer nur Zweiter zu werden – wie esBayern München dieses Jahr dreimal pas-siert ist –, ist weder was für die Bayernnoch für mich. Alswir nach der Niederla-ge gegen Chelsea im Champions-League-Finale nachts beim Bankett zusammen-saßen und um halb drei Uhr morgens dieHauptspeise serviert wurde, da habe ichzu Uli Hoeneß gesagt: ‚Bitte sei mir nichtböse, aber ich bin müde. Hunger habeich auch keinen. Ich gehe jetzt nach Hau-se. Ich bin froh, dass die Saison vorbeiist.‘ Natürlich will ich immer gewinnen.Ich glaube, das steckt tief in mir drin, alsSportler, als Unternehmer und als Vor-standsvorsitzender.

Adidas scheint aber auch der ewige Vizezu sein. ImWettbewerb mit Nike sindSie seit Jahren die Nummer zwei.Sie spielen damit auf die Größe an …

… ja, auf den Umsatz, Nike hat je nachWechselkurs zwei bis drei Milliarden Eu-ro mehr Umsatz ...... aber vor allem, weil sie mit den USAden größeren Heimatmarkt haben. Sonstliegen wir oft vorn: beim Fußball. InDeutschland. In Europa.

Den Umsatzrückstand könnten Sie miteinem Zukauf aufholen. Geld genug da-für wäre doch in Ihrer Kasse …

Von uns wird erwartet,dass wir funktionieren wieMaschinen. Doch es gibtFaktoren wie Glück, Angstoder Selbstzweifel,die sich einem rationalenUmgang entziehen.

Mit Herbert Hainer, 58, demChef von Adidas, sprachenTanja Kewes und Peter Brorsüber Leistungsgrenzen,Millionengehälter sowie Siegund Niederlage im Büround auf dem Sportplatz.

„Leistung erfordert Gegenleistung“:Herbert

Das nötige Ballgefühl: Die Handelsblatt-Redakteure Tanja Kewes und PeterBrors trafen den Adidas-Chef Herbert Hainer in Warschau.

BARTO

SZSIED

LIK/laiffür

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68 DAS GROSSE HANDELSBLATT-GESPRÄCH2

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Sie sagten eben, Adidas sei heute eine gut geölte Maschine. Was zeichnet einen guten Manager aus?

Ein guter Manager ist eher ein Dauerläufer als ein Sprinter. Einer, der stetig Leistung bringt und nicht einen Sprint macht und dann wieder Pause. Ein erfolgreicher Manager ist, wer nachhaltig erfolgreich für das Unternehmen arbeitet und nicht nur für zwei bis drei Jahre kommt, die große Welt markiert, alles hin­ und herschmeißt. Beispiel Karstadt. Ein halbes Jahr vor dem Insolvenzantrag war noch über einen Börsengang gesprochen worden. Diese Pleite ist ja nicht vom Himmel gefallen. Eine der wichtigsten Aufgaben eines Managers ist es zudem, dass er die richtigen Leute aussucht. Sie können noch so brillant sein, Sie können nicht alles selbst machen. […]

Herbert Hainer: Eine Karriere im Sport

1951 wird Herbert Hainer im bayerischen Dingolfing geboren.

1979 heuert er als Diplom­Betriebswirt beim Konsumgüterkonzern Procter & Gamble an und lernt, wie eine Marke aufgebaut und geführt wird.

1987 wechselt er als Vertriebsdirektor zu Adidas im fränkischen Herzogenaurach.

1997 wird er unter dem damaligen Adidas­Chef Robert Louis­Dreyfus in den Vorstand berufen.

2001 steigt er zum Vorstandsvorsitzenden des Dax­Konzerns auf. In seine Amtszeit fällt der Zukauf des amerikanischen Sportartikelherstellers Reebok. Auch erwirbt Adidas zehn Prozent am FC Bayern München, wo Hainer als stellvertretender Aufsichtsrats­vorsitzender die Geschäfte kontrolliert. Hainer ist leidenschaftlicher Sportler. Er spielt Fußball, läuft viel und fährt Ski.

Quelle: Brors, P./Kewes,T., Handelsblatt, Nr. 124, 29.06.2012, 68

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Strukturwandel und Unternehmen: Schlaglichter

Insolvente Drogeriekette: Letzte Schlecker-Märkte

schließen für immer

Die insolvente Drogeriekette macht ihre letzten Atemzüge. Die verbliebenen

2800 Schlecker-Märkte werden am Mittwochnachmittag geschlossen. Zuvor

sollen die Restposten noch per Ramschpreis an den Mann gebracht werden.

Handelsblatt.com, 25.06.2012

Online-Kaufhäuser: Der neue HandelskriegOnline-Kaufhäuser greifen den Einzelhandel massiv an. Nach 10 000 Befragungen kommt eine unveröffentlichte Studie zu dem Ergebnis: Haupttreiber der Entwicklung ist nicht die Technik, sondern die Kundenzufriedenheit.Handelsblatt, 24.01.2013

Die neue industrielle Revolution3-D-Drucker sind das nächste große Ding: Eine spektakuläre Übernahme in den USA ist der jüngste Beweis.Handelsblatt, 21.06.2013

Spiel mit Grenzen

Zynga versprach zunächst ein stabiles Geschäftsmodell. Das

Unternehmen macht seine Umsätze damit, dass Nutzer des eigentlich

kostenlosen Spiels Farmville investieren. Die Hobby-Bauern kaufen sich

für Cent-Beträge einen neuen Traktor oder Dekogegenstände für ihren

Hof. Doch die früheren Fans spielen und kaufen immer weniger: Im

laufenden zweiten Quartal hat sich die Situation mit völlig unerwarte-

ter Geschwindigkeit verschärft.

Handelsblatt, 05.06.2013

Anschauen im Laden – kaufen im InternetEs ist der Alptraum eines jeden Händlers: Ein potenzieller Kunde kommt ins Geschäft, schaut sich in Ruhe um, lässt sich beraten, probiert aus oder auch an – und kauft dann doch lieber im Internet, und zwar bei der Konkurrenz. „Showrooming“ nennt sich die-ses Phänomen, und es kostet viele Händler zunehmend Umsätze.Handelsblatt, 27.05.2013

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Der Vorteil hat sich nun ins Ge-genteilverkehrt.FerdinandDuden-höffervomCenterAutomotiveRe-search (CAR)betontezwar,dassdieChinesen die Daten theoretischauchselbsterhebenkönnten.Aberebennur theoretisch.Denndas istteurerundnicht inderQualitätvonA2Mac1 zu schaffen.

DennA2Mac1hat Informationenüber allewichtigen BaureihenvonDaimler, BMW, der Volkswagen-Gruppe,vonPeugeot,CitroënundRenault sowie den führenden Au-tobauern aus den USA und Japangesammelt.NebenderBeschaffen-

heit derTeile ist ersichtlich, ob sieimVergleichzumVorgängermodellverändertwurden–undwie.HinzukommenproFahrzeug20 000Fo-tos.Festgehaltenwird,woSchweiß-nähte sindundwiedieMotorenzu-sammengesetzt sind.

Wer immer Zugriff aufdiese Da-tenbankhat, kannüberdasgeball-teWissenderwestlichen Automo-bilindustrie verfügen. Auch dieAutoproduzenten und Kundenvon A2Mac1 sind deshalb erbostüber den Abfluss der Daten nachChina – einige erwägen, denDienstleister zu verlassen.

China gelandet. Die Branche ist alarmiert.

EnBWverliertVerfahrenum Russland-Geschäfte

Jürgen Flauger, Jan KeuchelDüsseldorf

D er Stuttgarter StromkonzernEnBWhatdenRechtsstreitumdie Russland-Geschäfte mit

dem Lobbyisten Andrej Bykow aufbreiterFrontverloren:NachdemderKonzernbereitsbeiSchiedsgerichteninStockholmundZürichNiederlagenhatte einstecken müssen, entschiednunauchein letztesSchiedsgericht inBerlin zugunsten von Bykow. DerLobbyistdarf46,5MillionenEuroauseinem Vertrag mit der EnBW behal-ten,wiederKonzerngesternbestätig-te.EnBWhattebehauptet,Bykowha-bedievereinbartenLeistungennichterbracht.

Insgesamt hattendieeinstigenGe-schäftspartner seit 2010übervierVer-träge gestritten, ausdenen EnBWei-neRückzahlungvon119MillionenEu-roverlangte. Indrei FällenwurdedieForderung zurückgewiesen – nur24,5MillionenEuromussBykownunzurückbezahlen.

InhaltlichgehtesbeidenVerträgenaus den Jahren 2005 bis 2008 umdreikerntechnischeThemen:dieLie-ferung und Sicherungvon Uran, einSystem zur Kontrolle und Überwa-chung von Atomtransporten sowieHilfe beim Rückbau des Kernkraft-werksObrigheim.Letztereswurde inBerlin verhandelt. Laut Vertrag wardasGeld für eine Koordinierung desRückbausdesKernkraftwerksObrig-heim durch zwei Schweizer Firmenvon Bykowvorgesehen gewesen.

Bykowhattedagegenstetsbehaup-tet, in Wahrheit sei es bei diversenVerträgen immer nurum Klimapfle-ge gegangen. Er sollte nach seinenWorten EnBW Zugang zu russischenGasfeldern verschaffen. Diese Ver-pflichtung habe er gewissenhaft er-füllt. Das Geld habe er inwohltätigeProjekte gesteckt.Dazuhabeerüberdie „Stiftung des Heiligen Nikolaus,desWundertäters“ in ganz RusslandKirchen, Denkmäler und Schulenbauen lassen.

ZwarurteiltedasBerlinerSchiedsge-richt, dass Bykow die vereinbartenLeistungen in ausreichender Formerbracht habe. Der Stuttgarter Ver-sorger aber betont: Der „Scheinge-

schäftstheorie, wonach der Dienst-leistungsvertrag im ZusammenhangmitGasprojektenundLobbyaktivitä-ten stehen solle, folgtedasSchiedsge-richt nicht“.

In mit dem Verfahren vertrautenKreisen hießesdagegen,die Richterhätten die Verträge schlicht als zuschwammig gewertet, als dass sieRückzahlungsansprüche hätten ein-deutig belegen können.

Mit dem Entscheid ist die juristi-sche Aufarbeitung nicht zu En-de. EnBW verklagt drei ehemaligeManager und ebenso den aktuellenTechnikvorstandHans-Josef Zimmerauf Rückzahlung der Millionen. Sieseien, sodieBegründung, fürdieVer-träge mit Bykow verantwortlich ge-wesen. Gestern startete am Landge-richtHeidelbergeinerdieser Prozes-se gegen den ehemaligen VorstandThomas Hartkopf.

Diese Verfahren drohen aber äu-ßerst langwierig zu werden, da allevier Beklagten sowiederen Manage-ment-VersicherungendieAnsprücheder EnBW nicht nur bestreiten. Sieverlangenzu ihrerVerteidigungauchvon EnBW, Tausende DokumenteunddengesamtenE-Mail-Verkehrhe-rauszugeben. Anhand dieser Doku-mente wollen sie belegen, dass dieGeschäftevonganzoben imKonzernabgesegnet oder sogar angeordnetwurden. Zum Zeitpunkt des Ab-schlusses der Verträge waren UtzClaassen bis Mai 2007 und danachHans-PeterVillis die jeweiligenVor-standsvorsitzenden.

Schiedsgericht gibt dem Lobbyisten Andrej Bykow recht.

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Ein Blick nach vornDie Elektronikmesse CESin Las Vegas zeigtdie digitale Zukunft.Seite 20

Ein Blick zurückVor 150 Jahren startetein London die ersteU-Bahn der Welt.Seite 22

dapd

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Media-Markt verlässt China

K. Ludowig, F. Mayer-KuckukDüsseldorf, Peking

Der Handelskonzern Metro be-endet das Asien-Abenteuerseiner Tochter Media-Markt.

Nur zwei Jahre nach Eröffnung derersten Filiale in Schanghaiwill sichder Elektrohändlerwieder ausChi-na zurückziehen, wie gestern ausKonzernkreisen zu erfahren war.Die Börse reagierte mit einem Kurs-plus von 3,1 Prozent.

Ein formalerVorstandsbeschlusssteht noch aus. Ein denkbarerTer-min für die offizielle Bekanntgabedes Rückzugs könnte der MittwochkommenderWoche sein,wenn Me-tro Geschäftszahlenveröffentlicht.Ein Metro-Sprecher wollte sich zuden Vorgängen nicht äußern.

Media-Markt hatte seine Expansi-on nach China im November 2010mit großem Pomp gefeiert. Die Fi-liale an der edlen Huaihai-Straßesollte nur die erste von „mehrerenHundert“ sein, wie Metros damali-ger Konzernchef Eckhard Cordes

ankündigte. Der Konzern gab sichselbstbewusst: Media-Markt habeder chinesischen Konkurrenz seineaufgeräumte Atmosphäre und dasglobale Marktwissen voraus.

Von den hochtrabenden Plänenist nichts mehr übrig. Nur siebender bis 2012 geplanten zehn Läden,für die der Konzern ein Investitions-budget von 200 Millionen Dollarveranschlagt hatte, wurden eröff-net. Dafür stellte sich heraus: Dieeinheimischen Marktführer habenriesige Filialnetze und niedrigsteEinkaufskosten.

Die chinesischeElektrokette Suningbeispielsweise betreibt landesweitüber 1 500 Läden. Nur unterstütztdurch hohe Zuschüsse aus Deutsch-land hätte Media-Markt mit seinensieben Filialen eine Niedrigpreisga-rantie anbieten können.

Schon vergangenen Novemberhatte Metro-KonzernchefOlaf Kochangekündigt, das China-Engage-ment von Media-Markt zu prüfen.„Wir werden sicher nicht planlos

Hunderte Millionen Euro in die Er-öffnung neuer Märkte investieren“,sagte er dem Handelsblatt.

Der Rückzug berücksichtigtmehr die neuen Prioritäten in derMetro-Zentrale als dieverändertenGeschäftsverhältnisse in China.Denn sie muss sparen. Zudemstand Koch von Anfang an wenigerhinter derChina-Idee als sein Amts-vorgänger Cordes.

Nun will er sich in China wiederauf die Großhandelssparte Cash &Carry konzentrieren. Hier glaubtMetro, das richtige Sortiment ge-funden zu haben, um die chinesi-schen Kunden anzusprechen. Dieneue Formel soll nunvorsichtig fürdie Expansion genutzt werden.

Die chinesischen Filialenvon Me-dia-Markt könnten künftigvon demtaiwanesischen Apple-Auftragsher-steller Foxconn übernommenwer-den, mit dem Metro die Kette ge-meinsam betreibt. Er plant schonlange den Einstieg in den Einzel-handel, doch die Verhandlungensind noch nicht abgeschlossen.

Metro-Tochter fürchtet zu hohen Kapitalbedarf.

Mehr Qualität Die französi-sche Firma ist Dienstleisterfür die Automobilindustrieund deren Lieferanten. Mitden von A2Mac1 erhobenenDaten gleichen die Firmenihre Produkte mit denen derWettbewerber ab. Die eige-ne Qualität soll so kontrol-liert und verbessert werden.

Weniger Kosten Die Auto-konzerne haben A2Mac1eingeschaltet, um Kosten zusparen und die Qualität derDaten systematisch zu ver-bessern. Früher zerlegte je-de einzelne Firma die Mo-delle der Konkurrenz. DieseKosten können die Unter-nehmen nun sparen. DemVernehmen nach erhältA2Mac1 von jedem Kunden100 000 Euro im Jahr – unddie neuen Modelle, die dannin den Werkstätten derFranzosen zerlegt werden.

DIENSTLEISTERA2MAC1

hinzu, könnte der Flughafennoch einmal etwa anderthalb Jah-re bis zum Start benötigen.

Amann will einen möglichenTermin für die Inbetriebnahmefrühestens im Sommer nennen.Ob sie 2014 stattfinden werde,könne er nicht sagen. „14 ist einegute Nummer, aber festlegenkann ich mich jetzt nicht darauf.“

Immer deutlicher rächt sich,dassbeim Bau des neuen Flughafensauf einen Generalunternehmerverzichtetwurde.Viele Problemeseien über Jahre absehbar gewe-sen, heißt es imUmfeldvon betei-ligten Baufirmen. So habe es nieeine Bauleitung mit Überblick ge-geben. Zudem sei das Brand-schutzkonzept wegen der Archi-tektur eine Herausforderung ge-wesen. Es umfasse mehrere

Etagen gleichzeitig. „Da war im-mer klar, dass es das Damokles-schwert der Abnahme gibt“, sagteein beteiligter Manager.

Die am viel kritisierten Brand-schutz beteiligten Firmen sehenbei sich jedenfalls keine Schuldfür die ständigenVerzögerungen.Zwar wollen sich die beteiligtenUnternehmen zu dem Flughafen-Desaster nicht äußern. In Indus-triekreisenverweist man aber da-rauf, dass Siemens für die Steue-rung und Programmierung derEntrauchung zuständig sei.

Den Schaden beseitigen kön-nen die Münchener zunächstnicht. „Solange es keinen umfas-senden Entrauchungs- undBrandschutzplan gibt, kann Sie-mens die Programmierung nichtabschließen“, sagte ein am Flug-hafenbau beteiligter Baumanager.

rst imHerbst 2014

Lobbyist Bykow: Geld für den Hei-ligen Nikolaus.

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Media­Markt verlässt China

Der Handelskonzern Metro beendet das Asien­Abenteuer seiner Tochter Media­Markt. Nur zwei Jahre nach Eröffnung der ersten Filiale in Schanghai will sich der Elektrohändler wieder aus China zurückziehen, wie gestern aus Konzernkreisen zu erfahren war. Die Börse reagierte mit einem Kursplus von 3,1 Prozent. Ein formaler Vorstandsbeschluss steht noch aus. Ein denkbarer Termin für die offizielle Bekanntgabe des Rückzugs könnte der Mittwoch kommender Woche sein, wenn Metro Geschäftszahlen veröffentlicht. Ein Metro­Sprecher wollte sich zu den Vorgängen nicht äußern.

Media­Markt hatte seine Expansion nach China im November 2010 mit großem Pomp gefeiert. Die Filiale an der edlen Huaihai­Straße sollte nur die erste von „mehreren Hun­dert“ sein, wie Metros damaliger Konzernchef Eckhard Cordes ankündigte. Der Konzern gab sich selbstbewusst: Media­Markt habe der chinesischen Konkurrenz seine aufgeräum­te Atmosphäre und das globale Marktwissen voraus.

Von den hochtrabenden Plänen ist nichts mehr übrig. Nur sieben der bis 2012 geplanten zehn Läden, für die der Konzern ein Investitionsbudget von 200 Millionen Dollar veran­schlagt hatte, wurden eröffnet. Dafür stellte sich heraus: Die einheimischen Marktführer haben riesige Filialnetze und niedrigste Einkaufskosten. Die chinesische Elektrokette Sun­ing beispielsweise betreibt landesweit über 1 500 Läden. Nur unterstützt durch hohe Zuschüsse aus Deutschland hätte Media­Markt mit seinen sieben Filialen eine Niedrig­preisgarantie anbieten können.

Schon vergangenen November hatte Metro­Konzernchef Olaf Koch angekündigt, das Chi­na­Engagement von Media­Markt zu prüfen. „Wir werden sicher nicht planlos Hunderte Millionen Euro in die Eröffnung neuer Märkte investieren“, sagte er dem Handelsblatt. Der Rückzug berücksichtigt mehr die neuen Prioritäten in der Metro­Zentrale als die ver­änderten Geschäftsverhältnisse in China. Denn sie muss sparen. Zudem stand Koch von Anfang an weniger hinter der China­Idee als sein Amtsvorgänger Cordes. Nun will er sich in China wieder auf die Großhandelssparte Cash & Carry konzentrieren. Hier glaubt Metro, das richtige Sortiment gefunden zu haben, um die chinesischen Kunden anzuspre­chen. Die neue Formel soll nun vorsichtig für die Expansion genutzt werden.

Die chinesischen Filialen von Media­Markt könnten künftig von dem taiwanesischen Apple­Auftragshersteller Foxconn übernommen werden, mit dem Metro die Kette gemeinsam betreibt. Er plant schon lange den Einstieg in den Einzelhandel, doch die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen.

Quelle: K. Ludowig/F. Mayer-Kuckuk, Handelsblatt, Nr. 006, 09.01.2013, 15

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Unternehmen in Schwierigkeiten

Baumarktkette Praktiker steht vor der Insolvenz

Die Baumarktkette Praktiker steht vor der Pleite. Das Hamburger Unternehmen mit 20 000 Mitarbeitern erklärte am Mittwochabend, Gespräche über die weitere Finanzie­rung der Sanierung seien gescheitert. Damit sei Praktiker überschuldet und auch zah­lungsunfähig.

[…] „Es hat keinen Sinn mehr, weitere Löcher zu stopfen“, hatte ein involvierter Banker gesagt. Der österreichische Großaktionär Alain de Krassny (Donau Invest) wäre bereit gewesen, noch einmal Geld nachzuschießen. Praktiker hätte kurzfristig 30 bis 35 Millio­nen Euro gebraucht. Der lange Winter und das verregnete Frühjahr hatten Praktiker unter anderem im wichtigen Gartengeschäft zugesetzt und die Finanzreserven stärker als zu dieser Jahreszeit gewöhnlich aufgezehrt. Das durchkreuzte das Sanierungskonzept für die 430 Baumärkte. Deshalb kehrte Praktiker anders als geplant zu Rabattaktionen („20 Pro­zent auf alles“) zurück, die den Konzern schon vorher in Schieflage gebracht hatten.

Quelle: Reuters, Handelsblatt, Nr. 131, 11.07.2013, 17

Solarunternehmen Conergy ist pleite

Die Solarkrise hat ein weiteres Opfer: Das Hamburger Solarunternehmen Conergy ist pleite. Der einstige Börsenstar stellte am Freitag beim Hamburger Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Das Unternehmen kämpft seit Jahren ums Überleben. Auch eine für die Aktionäre schmerzhafte Umschuldung im Jahr 2011 brachte nicht die erhoffte Wende. Die schwere Branchenkrise machte die erhoffte Erho­lung zunichte.

Die Insolvenz von Conergy fügt sich in einen Strudel von Unternehmenspleiten ein, der inzwischen nicht nur deutsche, sondern auch chinesische Unternehmen erfasste. Erst im April hatte der chinesische Hersteller LDK Solar eingeräumt, dass er Probleme habe, seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Die Preisstürze in der Solarbranche waren in den vergangenen Jahren dramatisch, zeitweise brachen sie um bis zu 50 Prozent innerhalb eines Jahres ein. Das machte vielen Anbietern zu schaffen. Zudem hatten sich in der schnell wachsenden Branche Überkapazitäten gebildet, die nun abgebaut werden.

Quelle: Heide, D., Handelsblatt.com, 013-07-05

Handyhersteller Nokia verpasst Rückkehr an die Weltspitze

Der angeschlagene finnische Handyhersteller Nokia hat die Wende immer noch nicht geschafft: Auch im zweiten Quartal dieses Jahres verkaufte der Konzern mit 7,4 Millionen Geräten der Lumia­Modellreihe weniger Smartphones, als von den meisten Analysten erwartet worden war. Der Umsatz des einstigen Handy­Weltmarktführers fiel gegenüber dem Vorjahr um fast ein Viertel auf 5,7 Milliarden Euro. Unter dem Strich verzeichnete der Konzern einen Betriebsverlust von 115 Millionen Euro. Vor einem Jahr betrug das Minus noch 824 Millionen Euro.

Nokia­Chef Stephen Elop zeigte sich dennoch vorsichtig optimistisch. […] Für den ehe­maligen Microsoft­Manager wird die Zeit knapp. Als der Kanadier im Herbst 2010 die Lei­tung des taumelnden Handyriesen übernahm, kündigte er eine zweijährige Übergangs­phase an. Eine Zeit, in der das in die Jahre gekommene hauseigene Handybetriebssystem

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Handyhersteller Nokia verpasstRückkehr an die Weltspitze

Helmut SteuerStockholm

D er angeschlagene finnischeHandyhersteller Nokia hatdieWende immernochnicht

geschafft: Auch im zweitenQuartaldieses JahresverkauftederKonzernmit 7,4 Millionen Geräten derLumia-Modellreihe wenigerSmartphones, als von den meistenAnalystenerwartetwordenwar.DerUmsatz des einstigen Handy-Welt-marktführers fiel gegenüber demVorjahr um fast ein Viertel auf5,7 Milliarden Euro. Unter demStrichverzeichneteder Konzernei-nen Betriebsverlust von 115 Millio-nenEuro.Voreinem JahrbetrugdasMinus noch 824 Millionen Euro.Nokia-Chef Stephen Elop zeigte

sich dennoch vorsichtig optimis-tisch. Er sprach zwar von einem„schwierigen Start“ ins neue Jahr,betonte aber, dass es gegen Endedes zweiten Quartals „einige Zei-

chen der Erholung“ gegeben habe.Ander Börsewollteman ihmdas sonicht abnehmen: Der Kurs der No-kia-Aktie fiel zeitweise ummehr alsvier Prozent.Für den ehemaligen Microsoft-

Manager Elopwird die Zeit knapp.Als der Kanadier imHerbst 2010die

Lumia-Smartphones verkaufen sich schlechter als erwartet.

Leitung des taumelndenHandyrie-sen übernahm, kündigte er einezweijährigeÜbergangsphase an. Ei-ne Zeit, in der das in die Jahre ge-kommene hauseigene Handybe-triebssystem Symbian durch dasMicrosoft-SystemWindows Phoneersetzt werden sollte. Mittlerweilesind knapp drei Jahre vergangen,aber die Rückkehr des einstigenBranchenprimus an dieWeltspitzeist noch lange nicht abzusehen.Zwar hat Nokia die hochgelobte

Lumia-Smartphone-Modellreiheweiter ausgebautunderstvergange-neWoche einHandymit 41-Megapi-xel-Kamera vorgestellt, doch dieKunden greifen weiterhin eher zuSamsung- oder Apple-Geräten. Ge-genüber demVorjahresquartalver-kaufte Nokia 27 Prozent wenigerSmartphones. DerWeltmarktanteilvon Nokia-Smartphones ist nachAngaben der Marktforscher vonIDC mittlerweile auf drei Prozentgesunken. Erste Kritik an Elops Ent-

Lumia 1020 mit 41-Megapixel-Kamera: Der Weltmarktanteil von Nokia-Smartphones ist trotz einer Produktoffensive auf drei Prozent gesunken.

Reuters

scheidung für dasWindows-Phone-System istvon einigen institutionel-len Anlegern bereits laut geworden.Problematisch ist derzeit außer-

demderVerlustvonMarktanteilenbei den einfachen Handys, die fürKunden in den Schwellenländernentwickelt wurden. Im abgelaufe-nenQuartal ging der Absatz dieserGeräte um 27 Prozent auf 53,7 Mil-lionen Handys zurück. Jetzt hofftNokia, dass das erst kürzlichvorge-stellte Smartphone Asha 501 beiden Kunden ankommt. Das Gerätwird für 99 Euro ohneVertrag undSubventionen verkauft.

Mit Sorgeverfolgen Analystendieschwindenden Bargeldreserven.Derzeitverfügt Nokia über 4,1 Milli-arden Euro. Im ersten Quartal desJahres war die Kasse noch mit 4,5Milliarden Euro gefüllt. Ein Licht-blick ist das einstmals ungeliebteKind Nokia Siemens Networks: DerNetzausrüster schreibt wiederschwarze Zahlen und kann demMutterkonzern in der Krise helfen.Nokia hatte erst vor zwei Wochenangekündigt, den 50-prozentigenSiemens-Anteil an dem Gemein-schaftsunternehmen für 1,7 Milliar-den Euro zu übernehmen.

1. Hj. 20131. Hj. 2012

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NokiaKennzahlen in Mrd. Euro

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Börsenwert11,2Mrd. €

Nettoergebnis14,9

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Handelsblatt | Quellen: Bloomberg, Th. Reuters

Analysten-empfehlungenLetzte 12 Monate

Solarkonzern befreitsich von Ballast

GeorgWeishauptDüsseldorf

DernorwegischeSolarkonzernRECwill noch einmal durch-starten. Deshalb verselbst-

ständigt erdie Solarmodul-unddiePolysilizium-Sparte als eigenständi-ge, börsennotierte Unternehmen.Es werde zunehmend anspruchs-voll, „mit einem vertikal integrier-ten Geschäftsmodell zu wachsenundeine führendeMarktposition zubehaupten“, begründeteVorstands-chef Ole Enger den Schritt.Damit verabschiedet sich der

größte europäische Solarkonzernvon seinembisherigen Konzept derintegrierten Fertigung. Auf diesesKonzept schworen in der Vergan-genheit viele Unternehmen, da siesich Kostenvorteile erhofften, weilsie die Fertigung vom Rohstoff biszum Modul kontrollierten.Dochdie Preise für denwichtigen

Rohstoff Polysilizium sind in denvergangenen Jahren gefallen. Derfreie Einkauf auf dem Weltmarktwar deshalb für die Unternehmengünstiger, als ihn selbst zu produ-zieren.Von dieser Lastwill sich REC So-

lar befreien – und von Schulden.Denn REC Solar soll nach der Fi-nanztransaktion als einer derweni-gen schuldenfreien Solarmodulher-steller starten,mit einer Eigenkapi-talquote von 67 Prozent. DiePolysilizium-Sparte REC Siliconmuss demnach künftig eine Netto-verschuldungvon 216Millionen Eu-ro tragen.Über die gesamte Transaktion

müssen allerdings noch die Anlei-hegläubiger und die Aktionäre auf

einer außerordentlichenHauptver-sammlung abstimmen. Im vergan-genen Jahr entfielen 57 Prozent desUmsatzes von rund einer MilliardeEuro auf die Modulproduktion.Der einzige europäische Modul-

hersteller, der es im vergangenenJahr laut IHS Research in die TopTen auf dem Weltmarkt schaffte,wird künftig von Singapur aus ge-führt. Dorthin hatten die Norwegerbereits 2009 ihre gesamte Ferti-gung verlegt. Dahin werden auchdie Konzernfunktionen für die So-larsparteverlegt. AmFirmenhaupt-sitz in Sandvika/Norwegen arbeitenheute nur noch 25 Beschäftigte.Für REC lief es im zweiten Quar-

tal gut. DerUmsatz stieg um 21 Pro-zent auf 203Millionen. DerGewinnvor Zinsen, Steuern und Abschrei-bungen Ebitda hat sich auf 20 Mil-lionen Euro mehr als verdreifacht.„Der Preisdruck in Europa lässt

nach“, sagte LucGraré, Marketing-und Vertriebschef des Konzerns,dem Handelsblatt. Er erklärt diesdamit, dass auch die chinesischenKonzerne in die roten Zahlen ge-rutscht sind und wieder Geld ver-dienenmüssen. Außerdem sorgtendie Antidumpingzölle für chinesi-sche Solarmodule in Europa für sta-bilere Preise. „Wir können mehrverkaufen, alswir produzieren kön-nen“, sagte Graré.Für die Polysilizium-Sparte ha-

ben sich aktuell die Rahmenbedin-gungenverschlechtert. Chinas Han-delsministerium verkündete ges-tern, dass es ab 24. Juli Polysiliziumaus den USA mit Antidumpingzöl-len von rund 53 bis 57 Prozent be-legt. Dort fertigt auch der norwegi-sche Konzern seinen Rohstoff.

Norwegische REC trennt SpartePolysilizium ab und geht nach Singapur.

19UNTERNEHMEN &MÄRKTE1

WOCHENENDE 19./20./21. JULI 2013, NR. 137

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Symbian durch das Microsoft­System Windows Phone ersetzt werden sollte. Mittlerweile sind knapp drei Jahre vergangen, aber die Rückkehr des einstigen Branchenprimus an die Weltspitze ist noch lange nicht abzusehen. Zwar hat Nokia die hochgelobte Lumia­Smart­phone­Modellreihe weiter ausgebaut und erst vergangene Woche ein Handy mit 41­Mega­pixel­Kamera vorgestellt, doch die Kunden greifen weiterhin eher zu Samsung­ oder App­le­Geräten. […] Der Weltmarktanteil von Nokia­Smartphones ist nach Angaben der Markt­forscher von IDC mittlerweile auf drei Prozent gesunken.

Problematisch ist derzeit außerdem der Verlust von Marktanteilen bei den einfachen Han­dys, die für Kunden in den Schwellenländern entwickelt wurden. Im abgelaufenen Quar­tal ging der Absatz dieser Geräte um 27 Prozent auf 53,7 Millionen Handys zurück. Jetzt hofft Nokia, dass das erst kürzlich vorgestellte Smartphone Asha 501 bei den Kunden ankommt. Das Gerät wird für 99 Euro ohne Vertrag und Subventionen verkauft.

Quelle: Steuer, H., Handelsblatt, Nr. 137, 19.07.2013, 19

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Online­Kaufhäuser: Der neue Handelskrieg

Das Wort „Handelskrieg“ hat eine neue Bedeutung bekommen. Stand es traditionell für die Auseinandersetzung zwischen Wirtschaftsnationen, beschreibt es heute den Bruderkampf innerhalb einer Branche: Der klassische Einzelhandel wird vom wachsenden Heer der Onlineshops attackiert. Die Waffen der modernen Handelskrieger sind nicht Zölle oder Embargolisten, sondern das iPad und die Computermaus. Kaufhäuser, Einzelhandelsketten und das altehrwürdige Fachgeschäft erleben jene „kreative Zerstörung“, die der österreichi­sche Nationalökonom Joseph Schumpeter einst so beschrieb: Das sich abspielende Drama hallt wider „vom Geschrei der Zermalmten, über die die Räder des Neuen gehen“.

Eine aktuelle Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung (IfH), die dem Handels­blatt exklusiv vorliegt, liest sich daher wie eine Art Schadensbilanz für den klassischen Einzelhandel. Lag der Umsatz des Internethandels in Deutschland 2005 erst bei rund acht Milliarden Euro, beziffert ihn das Kölner Institut inzwischen auf fast 32 Milliarden Euro – eine Steigerung um 300 Prozent. Das entspricht zwar immer noch erst einem Anteil von 7,5 Prozent an den gesamten Einzelhandelserlösen. Doch die Entwicklung ist, anders als von vielen Traditionalisten erwartet, keineswegs zum Erliegen gekommen. Neun von zehn Internetnutzern kaufen laut Branchenverband Bitkom inzwischen online ein – bevorzugt Bücher, Musik, Mode, Schuhe oder Computer.

Die Transformation von der Offline­ zur Onlinewelt wird keineswegs nur technologisch getrieben. Der vielleicht wichtigste Antrieb kommt vom Kunden selbst, der im Cyberkauf­haus nicht nur die Preisabschläge, sondern auch die große Auswahl, die nächtlichen Öff­nungszeiten und die Transparenz des Internet­Marktplatzes zu schätzen weiß. Wie beliebt die digitalen Geschäfte sind, zeigt die IfH­Studie, für die das Institut zusammen mit dem Logistiker Hermes bundesweit mehr als 10 000 Konsumenten zur Qualität von Online­shops befragt hat. So ist der E­Commerce­Umsatz mit Computern und Unterhaltungselek­tronik seit 2008 um im Schnitt knapp 30 Prozent pro Jahr auf zuletzt 7,7 Milliarden Euro gestiegen. Die von der IfH erstellte Rangliste der Kundenzufriedenheit führen Notebooks­billiger.de, Cyberport und Mindfactory an. Noch rasanter ist das Schuhgeschäft im Inter­net gewachsen, das seit 2008 sogar um 76 Prozent pro Jahr zulegte. Reine Internetshops wie Javari.de oder Zalando machen den traditionellen Schuhverkäufern Deichmann, Sala­mander oder Reno Marktanteile streitig.

Die Studie zeigt aber auch: Klassische Einzelhändler oder Markenartikler nehmen die Kampfansage aus dem Cyberspace an und bieten ihre Produkte selbst über das Internet an. Beispiel Modebranche: Hier schneiden die Onlineshops der Traditionslabels Burberry, Esprit und Hugo Boss besonders gut ab. Vielleicht deutet sich da eine Art Friedensvertrag zwi­schen neuer und alter Welt an. Denn das Internet gehört niemandem – und damit allen.

Quelle: Ludowig, K., Handelsblatt, Nr. 017, 24.01.2013, 1

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Showrooming: Anschauen im Laden – kaufen im Internet

Es ist der Alptraum eines jeden Händlers: Ein potenzieller Kunde kommt ins Geschäft, schaut sich in Ruhe um, lässt sich beraten, probiert aus oder auch an – und kauft dann doch lieber im Internet, und zwar bei der Konkurrenz. „Showrooming“ nennt sich dieses Phänomen, und es kostet viele Händler zunehmend Umsätze. „Showrooming lässt sich immer häufiger beobachten, in manchen Bereichen ist es bereits Methode“, sagt Fritze von Berswordt, Partner bei SMP.

Eine Studie der Düsseldorfer Beratung, die dem Handelsblatt vorab vorliegt, zeigt: Rund 81 Prozent der 2 200 Befragten haben sich schon einmal im Laden entschieden, online zu bestellen – obwohl sie die feste Absicht hatten zuzuschlagen. 92 Prozent wurden dabei dem Händler, in dessen Laden sie standen, untreu. Prinzipiell gilt: je einkommensstärker und jünger, desto wechselwilliger. Viele zieht es zu reinen Onlineshops wie Amazon oder Zalando. […]

Bundesweit besitzt jeder Zweite ab 16 Jahren ein Smartphone. Direkt im Geschäft hervor­geholt, dauert es keine Minute, bis das Internet Anbieter mit günstigeren Preisen oder größerer Auswahl anzeigt. „Für reine Onlineshops sind vor allem solche Händler leichte Beute, die Produkte anbieten, die überall zu bekommen und preislich gut vergleichbar sind“, so von Berswordt.

Am stärksten betroffen von „Showrooming“ ist laut SMP­Studie der Elektroniksektor. Allein bei Media­Markt wechseln knapp 60 Prozent der Kunden vom Geschäft ins Inter­net und zu einem anderen Anbieter (Grafik). Bei Warenhäusern wie Karstadt und Kaufhof ist es rund die Hälfte und damit nicht viel weniger. Für diese Händler ist es besonders wichtig, im Netz präsent und wettbewerbsfähig gegenüber reinen Onlineshops zu sein. Das aber ist bei den wenigsten der Fall. „Viele Händler übertragen die Schwächen aus dem Laden – etwa höhere Preise oder das begrenzte Sortiment – in ihren Onlineshop. Das funktioniert nicht“, kritisiert von Berswordt.

Weniger gefährdet sind ver­tikalisierte Händler, die ihre Produkte selbst entwickeln. Bei exklusiven Sortimenten tritt der Preis in den Hin­tergrund, das Produkt zählt. So wandert bei Deichmann und C & A nur gut ein Fünf­tel der Kunden beim Wech­sel ins Internet zur Konkur­renz ab. Bei H & M sind es rund 31 Prozent.

Quelle: Ludowig, K., Handels-

blatt, Nr. 099, 27.05.2013, 18

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Prosuming und Mass­Customization

Der Begriff „Wertschöpfungskette“ stammt von dem Harvardprofessor Michael Porter und beschreibt seit Mitte der 80er­Jahre ein Modell von unternehmensübergreifenden Aktivitäten und den einzelnen Prozessketten von Beschaffung über Produktion bis hin zum Absatz.

Bereits Anfang der 90er­Jahre stellt der amerikanische Zukunftsforscher Alvin Toffler die beobachtbare Dekonstruktion des Wertschöpfungskettenmodells anhand der Drei­Wel­len­Theorie und dem Begriff „Prosuming“ dar:

Definition „Prosuming“:

Prosuming (zusammengesetzt aus „Production“ (= Produktion) und „to consume“ (= konsumieren)) ist die Integration des Konsumenten in den Produktionsprozess und seine direkte Beteiligung an der Wertschöpfungskette.

Definition „Drei-Wellen-Theorie“:

1. Welle: Agrargesellschaft

Produktion für den Eigengebrauch (Sektor A)

Konsument und Produzent sind nicht getrennt

2. Welle: Industriegesellschaft

Produktion für den anonymen Markt (Sektor B)

Konsumenten und Produzenten werden getrennt

3. Welle: Informationsgesellschaft

Prosuming: Synthese von Produzenten und Konsumenten

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Beispiel des Prosuming:

Levis Personal Pair (maßgeschneiderte Damenjeans)

1. Schritt: Erfassung der Maße sowie Farb- und Stoffwünsche der Kundin im Levi’s Store

2. Schritt: Übertragung der Kundendaten an den jeweiligen Produktionsbetrieb

3. Schritt: Produktion

4. Schritt: Auslieferung der Jeans nach 10-15 Tagen an die Kundin

Wie es euch gefällt: Warum das Internet aus Kunden Designer macht

[…] „Schwarz auf Schwarz. Wer macht’n so wat?“ fragt eine Mitarbeiterin und hält den Stoff in die Höhe. Hunderte von T­Shirts verlassen die Spreadshirt­Fabrik in Leipzig jeden Tag – und keines sieht aus wie das andere. Denn die Firma druckt nur – das Design hat der Kunde vorher von seinem Computer auf die Internetseite des Unternehmens hochge­laden. Es war Lukasz Gadowski, der Spreadshirt 2002 gründete. Gadowski gilt als Inter net­unternehmer der ersten Stunde, als ein Vorreiter des Geschäftsmodells, das zunehmend von sich reden macht: die „Mass­Customization“, zu Deutsch: Massenware nach Maß.

Unter www.mymuesli.com kann sich der Kunde sein Lieblingsmüsli zusammenmischen und bestellen, bei www.chocri.de gibt es Schokoladenkreationen für den eigenen Geschmack.

Als Henry Ford im vorletzten Jahrhundert die Fließbandarbeit einführte, wurde sein Unternehmen auf einen Schlag um ein Vielfaches produktiver. Die Produkte aber waren, wie die Arbeit, eintönig. Vom Band eben. Im Kaufhaus sagt man: von der Stange. Das muss heute nicht mehr sein. Ein maßgeschneiderter Anzug ist im Internet heute schon für 200 Euro zu haben. Bei Anbietern wie youtailor.de kann der Kunde mit Hilfe einer Onlinean­leitung Maß nehmen und sich aus Hunderten von Stoffen und Schnitten den passenden Look aussuchen. Im Gegensatz zum Maßschneider, der mit der Hand arbeitet, handelt es sich bei der „Mass­Customization“ immer noch um industrielle Fertigung – nur ist die Industrie im digitalen Zeitalter angekommen. […]

Die junge Start­up­Szene und die alte, industriell geprägte Wirtschaft, sie schließen einan­der nicht aus. Im Gegenteil. Die Digitalisierung hat längst nicht nur Youtube­Filme und Shopping­Portale hervorgebracht, sie hat auch die Produktion verändert. Der Ökonom und Philosoph Birger Priddat beschreibt es in der „Frankfurter Allgemeinen“ wie folgt: „Die ,Industry‘ wird sich zur ,Servistry‘ entwickeln: zu einem Prozess ,on demand‘, der individuelle Kundenwünsche berücksichtigt, ohne die ,economy of scale‘, die Vorteile einer Produktion in hohen Stückzahlen, zu vernachlässigen.“ Flexible Maschinen machen es möglich, auch kleine Stückzahlen zu den Kosten einer Massenfertigung herzustellen. […]

Mit der Anbindung an die virtuelle Welt ergeben sich für die Industrie ganz neue Geschäftsmodelle. „Neue Dienstleistungen rund um die Produkte schaffen Einzigartigkeit. Der Effekt sind auch steigende Margen“, sagt Frank Riemensperger, Deutschland­Chef der Unternehmensberatung Accenture. Weiterer Vorteil: „Der Mehrwert für die Kunden führt zu einer wachsenden Loyalität.“

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DIGITALE WELT Warum das Internet aus Kunden Designer macht

Miriam SchröderLeipzig

Die kleinen Blumen bereitenmanchmal Schwierigkei-ten,wenn der Punkt in derMitte eine andere Farbe ha-ben soll als die Blüte außen

herum. Ansonsten läuft in der Fabrik-halle alles wie am Schnürchen. Aus ei-ner großen Maschine kommen farbigeFolien mit vorgestanzten Linien. EineMitarbeiterin löst die überflüssigen Fo-lienteile ab – was bei den Blümchenschon mal dauern kann – und sortiertsie entsprechend der Kundennummerin ein Fach ein. An der nächsten Stationwerden dieverschiedenfarbigen Motiv-teile nach einem Plan auf dem Compu-terbildschirm zusammengesetzt undauf ein Stück Stoff gelegt.

Dann geht es unter die große Presse,und fertig ist das Wunsch-T-Shirt.

„Schwarz auf Schwarz.Wer macht’nso wat?“ fragt eine Mitarbeiterin undhält den Stoff in die Höhe. Hundertevon T-Shirts verlassen die Spreadshirt-Fabrik in Leipzig jedenTag – und keinessieht auswie das andere. Denn die Fir-ma druckt nur – das Design hat derKunde vorher von seinem Computerauf die Internetseite desUnternehmenshochgeladen.

Eswar LukaszGadowski, der Spread-shirt 2002 gründete. Gadowski gilt alsInternetunternehmer der ersten Stun-de, als ein Vorreiter des Geschäftsmo-dells, das zunehmend von sich redenmacht: die „Mass-Customization“, zuDeutsch: Massenware nach Maß.

Unterwww.mymuesli.com kann sichder Kunde sein Lieblingsmüsli zusam-menmischen und bestellen, bei www.chocri.de gibt es Schokoladenkreatio-nen für den eigenen Geschmack.

Als Henry Ford im vorletzten Jahr-hundert die Fließbandarbeit einführte,wurde sein Unternehmen auf einenSchlag um ein Vielfaches produktiver.Die Produkte aber waren, wie die Ar-beit, eintönig.Vom Band eben. Im Kauf-haus sagt man:von der Stan-ge. Das muss heute nichtmehr sein. Ein maßge-schneiderter Anzug ist im In-ternet heute schon für 200Euro zu haben. Bei Anbie-tern wie youtailor.de kannder Kunde mit Hilfe einerOnlineanleitung Maß neh-men und sich aus Hundertenvon Stoffen und Schnittenden passenden Look aussu-chen. Im Gegensatz zumMaßschneider, der mit derHand arbeitet, handelt essich bei der „Mass-Customi-zation“ immer noch um in-

dustrielle Fertigung – nur ist die Indus-trie im digitalen Zeitalter ange-kommen.

Die Firma Spreadshirt hat ihren Sitzim Leipziger Stadtteil Plagwitz. Im19. Jahrhundert ein großer Industrie-standort, in der DDR-Zeit herunterge-wirtschaftet, nach der Wende fast ver-gessen. Heute sehen die alten Fabrikge-bäudewieder schick aus – und sie sindbegehrt: Spreadshirt istvor fünf Jahrenhierher gezogen, die alten Räume wa-ren zu klein. Über 300 Leute arbeiteninzwischen für den T-Shirt-Hersteller,sie beliefern Kunden in mehr als40 Ländern.

Die junge Start-up-Szene und die al-te, industriell geprägte Wirtschaft, sieschließen einander nicht aus. Im Ge-genteil. Die Digitalisierung hat längstnicht nurYoutube-Filme und Shopping-Portale hervorgebracht, sie hat auchdie Produktionverändert. DerÖkonomund Philosoph Birger Priddat be-schreibt es in der „Frankfurter Allge-meinen“wie folgt: „Die ,Industry‘wirdsich zur ,Servistry‘ entwickelt: zu ei-nem Prozess ,on demand‘, der indivi-duelle Kundenwünsche berücksichtigt,ohne die ,economy of scale’, dieVortei-le einer Produktion in hohen Stückzah-len, zu vernachlässigen.“ Flexible Ma-schinen machen es möglich, auch klei-ne Stückzahlen zu den Kosten einerMassenfertigung herzustellen.

„Wenn die Autos individueller wer-den, müssen die Maschinen nachzie-hen“, sagt Roland Bent, Geschäftsfüh-rer von Phoenix Contact. Seit einemJahrzehnt beschäftigt sich der Expertefür Automatisierung und Industrieelek-tronik aus Blomberg in Ostwestfalenmit der Idee, Maschinen so zu konfigu-rieren, dass sie flexibler als bisher aufAnforderungen reagieren und selbst-ständig neue Funktionen integrieren.

Mit der Anbindung an die virtuelleWelt ergeben sich für die Industrie ganzneue Geschäftsmodelle. „Neue Dienst-leistungen rund um die Produkte schaf-fen Einzigartigkeit. Der Effekt sind auch

steigende Margen“, sagtFrank Riemensperger,Deutschlandchef derUn-

ternehmensberatung Ac-centure. Weiterer Vor-teil: „Der Mehrwert für

die Kunden führt zu einerwachsenden Loyalität.“

Das wissen nicht nurStart-ups, sondern auchKonzerne für sich zunutzen. Bei Adidas zum

Beispiel können die Kun-

den ihre Turnschuhe innerhalb einesbestimmten Rahmens selbst designen.Von derVorderkappe über die Streifenbis zum Schnürsenkel kann man aufderUnternehmenswebseite unter demSchlagwort „Miadidas“ Farbe und Ma-terial seines Wunschturnschuhs selbstbestimmen. Ein 3-D-Konfigurator zeigtjede Änderung in Sekundenschnelle.

Bei einigen Schuhen kann man auchdie Passform ändern – für schmalereoder breitere Füße. Wie viele Kundendas Angebot nutzen, will Adidas nichtverraten. Allerdings erweitert das Un-ternehmen sein Angebot, das im Jahr2000 zunächst alsTestlauf startete, mitjeder Saison um eine Tasche, einenGolf- oder Tennisschuh. Auch ganzeTeam-Outfits mit dem Namen und derFarbe des Vereins sind möglich.

Nicht jedes Produkt allerdings eignetsich für die Individualisierung. Die Pro-fi-Fußballschuhe etwa, die vor allemleicht sein müssen, bestehen aus High-Tech-Material, das nicht so leichtverän-dert werden kann.

Im Durchschnitt zahlt der Kunde20 Euro mehr für ein individualisiertesProdukt als für einen Katalog-Schuh.Die Spezialanfertigungen werden indenselben Fabriken hergestelltwie die

Ob T-Shirt, Müsli oder Kinderwagen: Mitdigitaler Technik fertigt die Industrie heuteMassenware nach Maß. Und das billig.

Wie eseuch gefällt

„Spreadshirt“-Fabrik: Die Firma druckt nur – das Design hat der Kunde vorher von seinem Computer auf

ddpim

ages

Die ‚Industry‘ entwickelt sichzur ‚Servistry‘ – ein Prozess, derindividuelle Kundenwünscheberücksichtigt, ohne dieVorteile derMassenproduktion zuvernachlässigen.Birger PriddatÖkonom

Adidas-Schuhe: VonKunden gestaltet. PR

18 UNTERNEHMEN & MÄRKTE1

MITTWOCH, 17. JULI 2013, NR. 135

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

DIGITALE WELT Warum das Internet aus Kunden Designer macht

Miriam SchröderLeipzig

Die kleinen Blumen bereitenmanchmal Schwierigkei-ten,wenn der Punkt in derMitte eine andere Farbe ha-ben soll als die Blüte außen

herum. Ansonsten läuft in der Fabrik-halle alles wie am Schnürchen. Aus ei-ner großen Maschine kommen farbigeFolien mit vorgestanzten Linien. EineMitarbeiterin löst die überflüssigen Fo-lienteile ab – was bei den Blümchenschon mal dauern kann – und sortiertsie entsprechend der Kundennummerin ein Fach ein. An der nächsten Stationwerden dieverschiedenfarbigen Motiv-teile nach einem Plan auf dem Compu-terbildschirm zusammengesetzt undauf ein Stück Stoff gelegt.

Dann geht es unter die große Presse,und fertig ist das Wunsch-T-Shirt.

„Schwarz auf Schwarz.Wer macht’nso wat?“ fragt eine Mitarbeiterin undhält den Stoff in die Höhe. Hundertevon T-Shirts verlassen die Spreadshirt-Fabrik in Leipzig jedenTag – und keinessieht auswie das andere. Denn die Fir-ma druckt nur – das Design hat derKunde vorher von seinem Computerauf die Internetseite desUnternehmenshochgeladen.

Eswar LukaszGadowski, der Spread-shirt 2002 gründete. Gadowski gilt alsInternetunternehmer der ersten Stun-de, als ein Vorreiter des Geschäftsmo-dells, das zunehmend von sich redenmacht: die „Mass-Customization“, zuDeutsch: Massenware nach Maß.

Unterwww.mymuesli.com kann sichder Kunde sein Lieblingsmüsli zusam-menmischen und bestellen, bei www.chocri.de gibt es Schokoladenkreatio-nen für den eigenen Geschmack.

Als Henry Ford im vorletzten Jahr-hundert die Fließbandarbeit einführte,wurde sein Unternehmen auf einenSchlag um ein Vielfaches produktiver.Die Produkte aber waren, wie die Ar-beit, eintönig.Vom Band eben. Im Kauf-haus sagt man:von der Stan-ge. Das muss heute nichtmehr sein. Ein maßge-schneiderter Anzug ist im In-ternet heute schon für 200Euro zu haben. Bei Anbie-tern wie youtailor.de kannder Kunde mit Hilfe einerOnlineanleitung Maß neh-men und sich aus Hundertenvon Stoffen und Schnittenden passenden Look aussu-chen. Im Gegensatz zumMaßschneider, der mit derHand arbeitet, handelt essich bei der „Mass-Customi-zation“ immer noch um in-

dustrielle Fertigung – nur ist die Indus-trie im digitalen Zeitalter ange-kommen.

Die Firma Spreadshirt hat ihren Sitzim Leipziger Stadtteil Plagwitz. Im19. Jahrhundert ein großer Industrie-standort, in der DDR-Zeit herunterge-wirtschaftet, nach der Wende fast ver-gessen. Heute sehen die alten Fabrikge-bäudewieder schick aus – und sie sindbegehrt: Spreadshirt istvor fünf Jahrenhierher gezogen, die alten Räume wa-ren zu klein. Über 300 Leute arbeiteninzwischen für den T-Shirt-Hersteller,sie beliefern Kunden in mehr als40 Ländern.

Die junge Start-up-Szene und die al-te, industriell geprägte Wirtschaft, sieschließen einander nicht aus. Im Ge-genteil. Die Digitalisierung hat längstnicht nurYoutube-Filme und Shopping-Portale hervorgebracht, sie hat auchdie Produktionverändert. DerÖkonomund Philosoph Birger Priddat be-schreibt es in der „Frankfurter Allge-meinen“wie folgt: „Die ,Industry‘wirdsich zur ,Servistry‘ entwickelt: zu ei-nem Prozess ,on demand‘, der indivi-duelle Kundenwünsche berücksichtigt,ohne die ,economy of scale’, dieVortei-le einer Produktion in hohen Stückzah-len, zu vernachlässigen.“ Flexible Ma-schinen machen es möglich, auch klei-ne Stückzahlen zu den Kosten einerMassenfertigung herzustellen.

„Wenn die Autos individueller wer-den, müssen die Maschinen nachzie-hen“, sagt Roland Bent, Geschäftsfüh-rer von Phoenix Contact. Seit einemJahrzehnt beschäftigt sich der Expertefür Automatisierung und Industrieelek-tronik aus Blomberg in Ostwestfalenmit der Idee, Maschinen so zu konfigu-rieren, dass sie flexibler als bisher aufAnforderungen reagieren und selbst-ständig neue Funktionen integrieren.

Mit der Anbindung an die virtuelleWelt ergeben sich für die Industrie ganzneue Geschäftsmodelle. „Neue Dienst-leistungen rund um die Produkte schaf-fen Einzigartigkeit. Der Effekt sind auch

steigende Margen“, sagtFrank Riemensperger,Deutschlandchef derUn-

ternehmensberatung Ac-centure. Weiterer Vor-teil: „Der Mehrwert für

die Kunden führt zu einerwachsenden Loyalität.“

Das wissen nicht nurStart-ups, sondern auchKonzerne für sich zunutzen. Bei Adidas zum

Beispiel können die Kun-

den ihre Turnschuhe innerhalb einesbestimmten Rahmens selbst designen.Von derVorderkappe über die Streifenbis zum Schnürsenkel kann man aufderUnternehmenswebseite unter demSchlagwort „Miadidas“ Farbe und Ma-terial seines Wunschturnschuhs selbstbestimmen. Ein 3-D-Konfigurator zeigtjede Änderung in Sekundenschnelle.

Bei einigen Schuhen kann man auchdie Passform ändern – für schmalereoder breitere Füße. Wie viele Kundendas Angebot nutzen, will Adidas nichtverraten. Allerdings erweitert das Un-ternehmen sein Angebot, das im Jahr2000 zunächst alsTestlauf startete, mitjeder Saison um eine Tasche, einenGolf- oder Tennisschuh. Auch ganzeTeam-Outfits mit dem Namen und derFarbe des Vereins sind möglich.

Nicht jedes Produkt allerdings eignetsich für die Individualisierung. Die Pro-fi-Fußballschuhe etwa, die vor allemleicht sein müssen, bestehen aus High-Tech-Material, das nicht so leichtverän-dert werden kann.

Im Durchschnitt zahlt der Kunde20 Euro mehr für ein individualisiertesProdukt als für einen Katalog-Schuh.Die Spezialanfertigungen werden indenselben Fabriken hergestelltwie die

Ob T-Shirt, Müsli oder Kinderwagen: Mitdigitaler Technik fertigt die Industrie heuteMassenware nach Maß. Und das billig.

Wie eseuch gefällt

„Spreadshirt“-Fabrik: Die Firma druckt nur – das Design hat der Kunde vorher von seinem Computer auf

ddpim

ages

Die ‚Industry‘ entwickelt sichzur ‚Servistry‘ – ein Prozess, derindividuelle Kundenwünscheberücksichtigt, ohne dieVorteile derMassenproduktion zuvernachlässigen.Birger PriddatÖkonom

Adidas-Schuhe: VonKunden gestaltet. PR

18 UNTERNEHMEN & MÄRKTE1

MITTWOCH, 17. JULI 2013, NR. 135

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

DIGITALE WELT Warum das Internet aus Kunden Designer macht

Miriam SchröderLeipzig

Die kleinen Blumen bereitenmanchmal Schwierigkei-ten,wenn der Punkt in derMitte eine andere Farbe ha-ben soll als die Blüte außen

herum. Ansonsten läuft in der Fabrik-halle alles wie am Schnürchen. Aus ei-ner großen Maschine kommen farbigeFolien mit vorgestanzten Linien. EineMitarbeiterin löst die überflüssigen Fo-lienteile ab – was bei den Blümchenschon mal dauern kann – und sortiertsie entsprechend der Kundennummerin ein Fach ein. An der nächsten Stationwerden dieverschiedenfarbigen Motiv-teile nach einem Plan auf dem Compu-terbildschirm zusammengesetzt undauf ein Stück Stoff gelegt.

Dann geht es unter die große Presse,und fertig ist das Wunsch-T-Shirt.

„Schwarz auf Schwarz.Wer macht’nso wat?“ fragt eine Mitarbeiterin undhält den Stoff in die Höhe. Hundertevon T-Shirts verlassen die Spreadshirt-Fabrik in Leipzig jedenTag – und keinessieht auswie das andere. Denn die Fir-ma druckt nur – das Design hat derKunde vorher von seinem Computerauf die Internetseite desUnternehmenshochgeladen.

Eswar LukaszGadowski, der Spread-shirt 2002 gründete. Gadowski gilt alsInternetunternehmer der ersten Stun-de, als ein Vorreiter des Geschäftsmo-dells, das zunehmend von sich redenmacht: die „Mass-Customization“, zuDeutsch: Massenware nach Maß.

Unterwww.mymuesli.com kann sichder Kunde sein Lieblingsmüsli zusam-menmischen und bestellen, bei www.chocri.de gibt es Schokoladenkreatio-nen für den eigenen Geschmack.

Als Henry Ford im vorletzten Jahr-hundert die Fließbandarbeit einführte,wurde sein Unternehmen auf einenSchlag um ein Vielfaches produktiver.Die Produkte aber waren, wie die Ar-beit, eintönig.Vom Band eben. Im Kauf-haus sagt man:von der Stan-ge. Das muss heute nichtmehr sein. Ein maßge-schneiderter Anzug ist im In-ternet heute schon für 200Euro zu haben. Bei Anbie-tern wie youtailor.de kannder Kunde mit Hilfe einerOnlineanleitung Maß neh-men und sich aus Hundertenvon Stoffen und Schnittenden passenden Look aussu-chen. Im Gegensatz zumMaßschneider, der mit derHand arbeitet, handelt essich bei der „Mass-Customi-zation“ immer noch um in-

dustrielle Fertigung – nur ist die Indus-trie im digitalen Zeitalter ange-kommen.

Die Firma Spreadshirt hat ihren Sitzim Leipziger Stadtteil Plagwitz. Im19. Jahrhundert ein großer Industrie-standort, in der DDR-Zeit herunterge-wirtschaftet, nach der Wende fast ver-gessen. Heute sehen die alten Fabrikge-bäudewieder schick aus – und sie sindbegehrt: Spreadshirt istvor fünf Jahrenhierher gezogen, die alten Räume wa-ren zu klein. Über 300 Leute arbeiteninzwischen für den T-Shirt-Hersteller,sie beliefern Kunden in mehr als40 Ländern.

Die junge Start-up-Szene und die al-te, industriell geprägte Wirtschaft, sieschließen einander nicht aus. Im Ge-genteil. Die Digitalisierung hat längstnicht nurYoutube-Filme und Shopping-Portale hervorgebracht, sie hat auchdie Produktionverändert. DerÖkonomund Philosoph Birger Priddat be-schreibt es in der „Frankfurter Allge-meinen“wie folgt: „Die ,Industry‘wirdsich zur ,Servistry‘ entwickelt: zu ei-nem Prozess ,on demand‘, der indivi-duelle Kundenwünsche berücksichtigt,ohne die ,economy of scale’, dieVortei-le einer Produktion in hohen Stückzah-len, zu vernachlässigen.“ Flexible Ma-schinen machen es möglich, auch klei-ne Stückzahlen zu den Kosten einerMassenfertigung herzustellen.

„Wenn die Autos individueller wer-den, müssen die Maschinen nachzie-hen“, sagt Roland Bent, Geschäftsfüh-rer von Phoenix Contact. Seit einemJahrzehnt beschäftigt sich der Expertefür Automatisierung und Industrieelek-tronik aus Blomberg in Ostwestfalenmit der Idee, Maschinen so zu konfigu-rieren, dass sie flexibler als bisher aufAnforderungen reagieren und selbst-ständig neue Funktionen integrieren.

Mit der Anbindung an die virtuelleWelt ergeben sich für die Industrie ganzneue Geschäftsmodelle. „Neue Dienst-leistungen rund um die Produkte schaf-fen Einzigartigkeit. Der Effekt sind auch

steigende Margen“, sagtFrank Riemensperger,Deutschlandchef derUn-

ternehmensberatung Ac-centure. Weiterer Vor-teil: „Der Mehrwert für

die Kunden führt zu einerwachsenden Loyalität.“

Das wissen nicht nurStart-ups, sondern auchKonzerne für sich zunutzen. Bei Adidas zum

Beispiel können die Kun-

den ihre Turnschuhe innerhalb einesbestimmten Rahmens selbst designen.Von derVorderkappe über die Streifenbis zum Schnürsenkel kann man aufderUnternehmenswebseite unter demSchlagwort „Miadidas“ Farbe und Ma-terial seines Wunschturnschuhs selbstbestimmen. Ein 3-D-Konfigurator zeigtjede Änderung in Sekundenschnelle.

Bei einigen Schuhen kann man auchdie Passform ändern – für schmalereoder breitere Füße. Wie viele Kundendas Angebot nutzen, will Adidas nichtverraten. Allerdings erweitert das Un-ternehmen sein Angebot, das im Jahr2000 zunächst alsTestlauf startete, mitjeder Saison um eine Tasche, einenGolf- oder Tennisschuh. Auch ganzeTeam-Outfits mit dem Namen und derFarbe des Vereins sind möglich.

Nicht jedes Produkt allerdings eignetsich für die Individualisierung. Die Pro-fi-Fußballschuhe etwa, die vor allemleicht sein müssen, bestehen aus High-Tech-Material, das nicht so leichtverän-dert werden kann.

Im Durchschnitt zahlt der Kunde20 Euro mehr für ein individualisiertesProdukt als für einen Katalog-Schuh.Die Spezialanfertigungen werden indenselben Fabriken hergestelltwie die

Ob T-Shirt, Müsli oder Kinderwagen: Mitdigitaler Technik fertigt die Industrie heuteMassenware nach Maß. Und das billig.

Wie eseuch gefällt

„Spreadshirt“-Fabrik: Die Firma druckt nur – das Design hat der Kunde vorher von seinem Computer auf

ddpim

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Die ‚Industry‘ entwickelt sichzur ‚Servistry‘ – ein Prozess, derindividuelle Kundenwünscheberücksichtigt, ohne dieVorteile derMassenproduktion zuvernachlässigen.Birger PriddatÖkonom

Adidas-Schuhe: VonKunden gestaltet. PR

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MITTWOCH, 17. JULI 2013, NR. 135

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

DIGITALE WELT Warum das Internet aus Kunden Designer macht

Miriam SchröderLeipzig

Die kleinen Blumen bereitenmanchmal Schwierigkei-ten,wenn der Punkt in derMitte eine andere Farbe ha-ben soll als die Blüte außen

herum. Ansonsten läuft in der Fabrik-halle alles wie am Schnürchen. Aus ei-ner großen Maschine kommen farbigeFolien mit vorgestanzten Linien. EineMitarbeiterin löst die überflüssigen Fo-lienteile ab – was bei den Blümchenschon mal dauern kann – und sortiertsie entsprechend der Kundennummerin ein Fach ein. An der nächsten Stationwerden dieverschiedenfarbigen Motiv-teile nach einem Plan auf dem Compu-terbildschirm zusammengesetzt undauf ein Stück Stoff gelegt.

Dann geht es unter die große Presse,und fertig ist das Wunsch-T-Shirt.

„Schwarz auf Schwarz.Wer macht’nso wat?“ fragt eine Mitarbeiterin undhält den Stoff in die Höhe. Hundertevon T-Shirts verlassen die Spreadshirt-Fabrik in Leipzig jedenTag – und keinessieht auswie das andere. Denn die Fir-ma druckt nur – das Design hat derKunde vorher von seinem Computerauf die Internetseite desUnternehmenshochgeladen.

Eswar LukaszGadowski, der Spread-shirt 2002 gründete. Gadowski gilt alsInternetunternehmer der ersten Stun-de, als ein Vorreiter des Geschäftsmo-dells, das zunehmend von sich redenmacht: die „Mass-Customization“, zuDeutsch: Massenware nach Maß.

Unterwww.mymuesli.com kann sichder Kunde sein Lieblingsmüsli zusam-menmischen und bestellen, bei www.chocri.de gibt es Schokoladenkreatio-nen für den eigenen Geschmack.

Als Henry Ford im vorletzten Jahr-hundert die Fließbandarbeit einführte,wurde sein Unternehmen auf einenSchlag um ein Vielfaches produktiver.Die Produkte aber waren, wie die Ar-beit, eintönig.Vom Band eben. Im Kauf-haus sagt man:von der Stan-ge. Das muss heute nichtmehr sein. Ein maßge-schneiderter Anzug ist im In-ternet heute schon für 200Euro zu haben. Bei Anbie-tern wie youtailor.de kannder Kunde mit Hilfe einerOnlineanleitung Maß neh-men und sich aus Hundertenvon Stoffen und Schnittenden passenden Look aussu-chen. Im Gegensatz zumMaßschneider, der mit derHand arbeitet, handelt essich bei der „Mass-Customi-zation“ immer noch um in-

dustrielle Fertigung – nur ist die Indus-trie im digitalen Zeitalter ange-kommen.

Die Firma Spreadshirt hat ihren Sitzim Leipziger Stadtteil Plagwitz. Im19. Jahrhundert ein großer Industrie-standort, in der DDR-Zeit herunterge-wirtschaftet, nach der Wende fast ver-gessen. Heute sehen die alten Fabrikge-bäudewieder schick aus – und sie sindbegehrt: Spreadshirt istvor fünf Jahrenhierher gezogen, die alten Räume wa-ren zu klein. Über 300 Leute arbeiteninzwischen für den T-Shirt-Hersteller,sie beliefern Kunden in mehr als40 Ländern.

Die junge Start-up-Szene und die al-te, industriell geprägte Wirtschaft, sieschließen einander nicht aus. Im Ge-genteil. Die Digitalisierung hat längstnicht nurYoutube-Filme und Shopping-Portale hervorgebracht, sie hat auchdie Produktionverändert. DerÖkonomund Philosoph Birger Priddat be-schreibt es in der „Frankfurter Allge-meinen“wie folgt: „Die ,Industry‘wirdsich zur ,Servistry‘ entwickelt: zu ei-nem Prozess ,on demand‘, der indivi-duelle Kundenwünsche berücksichtigt,ohne die ,economy of scale’, dieVortei-le einer Produktion in hohen Stückzah-len, zu vernachlässigen.“ Flexible Ma-schinen machen es möglich, auch klei-ne Stückzahlen zu den Kosten einerMassenfertigung herzustellen.

„Wenn die Autos individueller wer-den, müssen die Maschinen nachzie-hen“, sagt Roland Bent, Geschäftsfüh-rer von Phoenix Contact. Seit einemJahrzehnt beschäftigt sich der Expertefür Automatisierung und Industrieelek-tronik aus Blomberg in Ostwestfalenmit der Idee, Maschinen so zu konfigu-rieren, dass sie flexibler als bisher aufAnforderungen reagieren und selbst-ständig neue Funktionen integrieren.

Mit der Anbindung an die virtuelleWelt ergeben sich für die Industrie ganzneue Geschäftsmodelle. „Neue Dienst-leistungen rund um die Produkte schaf-fen Einzigartigkeit. Der Effekt sind auch

steigende Margen“, sagtFrank Riemensperger,Deutschlandchef derUn-

ternehmensberatung Ac-centure. Weiterer Vor-teil: „Der Mehrwert für

die Kunden führt zu einerwachsenden Loyalität.“

Das wissen nicht nurStart-ups, sondern auchKonzerne für sich zunutzen. Bei Adidas zum

Beispiel können die Kun-

den ihre Turnschuhe innerhalb einesbestimmten Rahmens selbst designen.Von derVorderkappe über die Streifenbis zum Schnürsenkel kann man aufderUnternehmenswebseite unter demSchlagwort „Miadidas“ Farbe und Ma-terial seines Wunschturnschuhs selbstbestimmen. Ein 3-D-Konfigurator zeigtjede Änderung in Sekundenschnelle.

Bei einigen Schuhen kann man auchdie Passform ändern – für schmalereoder breitere Füße. Wie viele Kundendas Angebot nutzen, will Adidas nichtverraten. Allerdings erweitert das Un-ternehmen sein Angebot, das im Jahr2000 zunächst alsTestlauf startete, mitjeder Saison um eine Tasche, einenGolf- oder Tennisschuh. Auch ganzeTeam-Outfits mit dem Namen und derFarbe des Vereins sind möglich.

Nicht jedes Produkt allerdings eignetsich für die Individualisierung. Die Pro-fi-Fußballschuhe etwa, die vor allemleicht sein müssen, bestehen aus High-Tech-Material, das nicht so leichtverän-dert werden kann.

Im Durchschnitt zahlt der Kunde20 Euro mehr für ein individualisiertesProdukt als für einen Katalog-Schuh.Die Spezialanfertigungen werden indenselben Fabriken hergestelltwie die

Ob T-Shirt, Müsli oder Kinderwagen: Mitdigitaler Technik fertigt die Industrie heuteMassenware nach Maß. Und das billig.

Wie eseuch gefällt

„Spreadshirt“-Fabrik: Die Firma druckt nur – das Design hat der Kunde vorher von seinem Computer auf

ddpim

ages

Die ‚Industry‘ entwickelt sichzur ‚Servistry‘ – ein Prozess, derindividuelle Kundenwünscheberücksichtigt, ohne dieVorteile derMassenproduktion zuvernachlässigen.Birger PriddatÖkonom

Adidas-Schuhe: VonKunden gestaltet. PR

18 UNTERNEHMEN & MÄRKTE1

MITTWOCH, 17. JULI 2013, NR. 135

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Die Digitalisierung verändert dieWelt wie kaum eine Entwicklungzuvor. Unsere Serie beschreibtTrends und Folgen. Welches sinddie Geschäftsmodelle von mor-gen, wer sind die Macher und werdie Investoren? Wie werden wirkünftig einkaufen, womit kommu-nizieren und wie bezahlen wir?Von den Goldgräbern im SiliconValley bis zur Gründerszene inBerlin und Tel Aviv gibt die Seriein zehn Teilen jeden MittwochEinblick in die neue, die digitaleWelt.

Heute:Die digitale Produktion24. Juli: Das digitale Leben31. Juli: Der digitale Investor

normalen – allerdings in einerviel klei-neren Stückzahl. Auch die Logistik istaufwendig. Für Frank Piller, Professorander RWTHAachen, bietet die „Mass-Customization“ dennoch einen ent-scheidenden Vorteil: Indem sie denKunden zumCo-Designer machen, er-fahren Unternehmen mehr über dieVorlieben der Konsumenten als durchaufwendige Marktforschung.Mal geht es nur umeine persönliche

Note, einen Hauchvon Andersartigkeit– manchmal geht es aber auch um einganz eigenes Produkt. Bei Spreadshirtetwa können Hobby-Designer nichtnur die Produktionshallen, sondernauch das Verkaufsportal mitnutzen.Das Internet habe eine neueGenera-

tionvonMachern hervorgebracht, sagtChris Anderson, der Autor des Buches„Makers – Die neue industrielleRevolution“.Wie etwa denWohnwagenverkäufer

aus Australien, dem imWinter immerlangweiligwar.Unter demLabel „Cara-van gifts“ verkauft er bei Spread-ShirtT-Shirts mit Sprüchenwie „Ein Regen-tag im Wohnwagen ist besser als einschönerTag bei der Arbeit“. Die Mitar-beiter in Leipzig freut es: Blümchensind keine darauf.

die Internetseite des Unternehmens hochgeladen.

Neues aus Klemmen-Valley

Martin WocherDüsseldorf

W er die Zukunft der deutschen In-dustrie sehenwill,muss schonmaltief in die Provinz fahren:

Detmold, Blomberg, Espelkamp – hiersitzen sie in „Klemmen-Valley“, wie dieRegion gern genannt wird. Harting, Weid-müller, Phoenix Contact, das ostwestfäli-sche Dreigestirn der Verbindungstechnik,haben ihreZentralen indieserRegion.OhneihreKlemmen, Steckverbindungenoder ih-re Automatisierungstechnik würde sichkaum etwas in der modernenWelt bewe-gen. DerWeltmarktanteil derOstwestfalenbeträgt rund 75 Prozent.Hier basteln sie mit anderen an der

nächsten industriellen Revolution. „Indus-trie 4.0“ bedeutet nichtweniger als dieVer-schmelzungvon industrieller undvirtuellerWelt. Softwaregetrieben, über das Internetunabhängig von Ort und Zeit kontrolliert,entscheiden künftig Maschinen eigenstän-dig,wie sie effizient produzieren, sich selbstkorrigierenund signalisieren,wann sie eineWartung benötigen.Werkstücke tragen perRFID-Chip die Informationenmit sich,wiesie gefräst, bestückt, gespritzt werden sol-len. In derVisionwinkt die Idee der nahezuautonomen Fabrik, die eigenständig, flexi-bel und ressourcensparend produziert.

Auf der Hannover Messe haben die Ost-westfalen ein Projektmit der Autoindustrievorgestellt, zur Einsparungvon Energiekos-ten. Bislang standen die Roboter am Fließ-band auch dann unter Strom, wenn sienichts zu schweißenoder zumontieren hat-ten, selbst amWochenende blieben sie imStand-by-Modus. Eswar zu kompliziert, dieMaschinen so aus- und einzuschalten, dassdie Produktion davon nicht berührt wird.„Daraus ist die Idee einer Energiesteue-

rung entstanden, die den Roboter rechtzei-tig aufweckt,wenn eswas zu tun gibt“, sagtRoland Bent, Geschäftsführervon PhoenixContact. „Dadurch kann ich bis zu 30 Pro-zent Energie einsparen.“ NachbarWeidmül-ler testet eine sich selbst optimierendeStanz-Biege-Maschine, die den Ausschussbei der Produktion komplexer Metallteileauf null absenkt.„Die Kooperation ist für die Entwicklung

der Industrieautomation entscheidend“,sagt Bent. „Esmacht kein Sinn,wenn einerallein vorprescht.“ Nur als Teil eines Sys-tems, mit offenen Standards und Schnitt-stellen in der Steuerungstechnik, könne In-dustrie 4.0 funktionieren.Wie in der Smart-Factory in Lemgo: An

der Produktion von Seifenflaschen undSchlüsselanhängernwirddemonstriert,wiekünftig jeder mit allem kommuniziert:Mensch, Maschine und dasWerkstück.

In Ostwestfalen arbeiten Mittelständler an dernächsten industriellen Revolution.

INDUSTRIE 4.0

Das Gebissauf Knopfdruck

Jan Henrik FörsterDüsseldorf

D er Buccaneer (Pirat) soll so günstigsein,dass ihn jeder kaufen kann.Daszumindest verspricht Pirate 3D, ein

Start-up aus Singapur. Das Unternehmenentwickelt einenDrucker fürdreidimensio-naleObjekte,wie etwa iPhone-HüllenoderSchachfiguren. Die Maschine soll mal 350Dollar kosten. Über die Schwarmfinanzie-rungsplattform Kickstarter sammelten dieGründer 1,4 Millionen Dollar von 3000 In-vestorenein. DasUnternehmenB9Creatorerhielt 500 000Dollar fürein ähnlichesVor-haben. ImmerengagierterwerbenEntwick-ler billiger 3-D-Drucker um Privatnutzer.Zuletzt kaufte etwaderUS-amerikanische

Branchenführer Stratasys (Börsenwert: 3,9Milliarden Dollar) den NewYorker Herstel-ler Maker Bot, der 3-D-Drucker für denHausgebrauch fertigt. Die Druckerverarbei-ten Plastik, Metall oder Keramik, bauenOb-jekte Schicht für Schicht auf. In derMedizin-technik, im Flugzeugbauund imAutosektorgehört die Technologie schon seit Jahrenzur Produktion dazu. Mit den Lasersyste-menvon EOS aus Krailling bei München et-wa lassen sich Zahnprothesen herstellen.2012 erwirtschafteten die Hersteller glo-

bal 2,2 Milliarden Dollar, bis 2015 soll derUmsatz auf 3,7 Milliarden Dollar wachsen.In der Industrie bieten die Verfahren vieleVorteile: Hersteller können stärker auf Kun-denwünsche eingehen als jemals zuvor.Möchte ein Autokäufer einen eigens für ihn

designten Schaltknauf, ist das per3-D-Druckmöglich. Für kleine Produktions-mengen oder Prototypen ist der Druck bil-liger und schneller.Für Privatnutzer waren die Maschinen

bislang kaum finanzierbar. Bisvor drei Jah-ren kostete ein Drucker durchschnittlich30 000 Dollar. Letzte Woche startete derbritische Elektronikkonzern Maplin mitdemVerkauf einerMaschine für 700 Pfund.AnalystenvonGartner glauben an einen

Siegeszugder 3D-Drucker. Stimmtdas, kön-nen Normalverbraucher bald ziemlich je-denGebrauchsgegenstand selbst drucken.Fehlt etwa ein Ersatzteil fürs Fahrrad,spuckt der Drucker perMausklick ein neuesaus. „Sie könnendie Datensätze für die Pro-dukte auch teilen“, sagt Wolfgang DorstvomBranchenverband Bitkom. „Das schafftvöllig neue Marktplätze.“

Immer günstigere Geräte schaffen neue Märkte.

3D-DRUCKER

Druck dir was: Der Replicator von Ma-ker Bot kann Spielzeug und Schmuck.

actio

npress

UNTERNEHMEN & MÄRKTE 191

MITTWOCH, 17. JULI 2013, NR. 135

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Die Digitalisierung verändert dieWelt wie kaum eine Entwicklungzuvor. Unsere Serie beschreibtTrends und Folgen. Welches sinddie Geschäftsmodelle von mor-gen, wer sind die Macher und werdie Investoren? Wie werden wirkünftig einkaufen, womit kommu-nizieren und wie bezahlen wir?Von den Goldgräbern im SiliconValley bis zur Gründerszene inBerlin und Tel Aviv gibt die Seriein zehn Teilen jeden MittwochEinblick in die neue, die digitaleWelt.

Heute:Die digitale Produktion24. Juli: Das digitale Leben31. Juli: Der digitale Investor

normalen – allerdings in einerviel klei-neren Stückzahl. Auch die Logistik istaufwendig. Für Frank Piller, Professorander RWTHAachen, bietet die „Mass-Customization“ dennoch einen ent-scheidenden Vorteil: Indem sie denKunden zumCo-Designer machen, er-fahren Unternehmen mehr über dieVorlieben der Konsumenten als durchaufwendige Marktforschung.Mal geht es nur umeine persönliche

Note, einen Hauchvon Andersartigkeit– manchmal geht es aber auch um einganz eigenes Produkt. Bei Spreadshirtetwa können Hobby-Designer nichtnur die Produktionshallen, sondernauch das Verkaufsportal mitnutzen.Das Internet habe eine neueGenera-

tionvonMachern hervorgebracht, sagtChris Anderson, der Autor des Buches„Makers – Die neue industrielleRevolution“.Wie etwa denWohnwagenverkäufer

aus Australien, dem imWinter immerlangweiligwar.Unter demLabel „Cara-van gifts“ verkauft er bei Spread-ShirtT-Shirts mit Sprüchenwie „Ein Regen-tag im Wohnwagen ist besser als einschönerTag bei der Arbeit“. Die Mitar-beiter in Leipzig freut es: Blümchensind keine darauf.

die Internetseite des Unternehmens hochgeladen.

Neues aus Klemmen-Valley

Martin WocherDüsseldorf

W er die Zukunft der deutschen In-dustrie sehenwill,muss schonmaltief in die Provinz fahren:

Detmold, Blomberg, Espelkamp – hiersitzen sie in „Klemmen-Valley“, wie dieRegion gern genannt wird. Harting, Weid-müller, Phoenix Contact, das ostwestfäli-sche Dreigestirn der Verbindungstechnik,haben ihreZentralen indieserRegion.OhneihreKlemmen, Steckverbindungenoder ih-re Automatisierungstechnik würde sichkaum etwas in der modernenWelt bewe-gen. DerWeltmarktanteil derOstwestfalenbeträgt rund 75 Prozent.Hier basteln sie mit anderen an der

nächsten industriellen Revolution. „Indus-trie 4.0“ bedeutet nichtweniger als dieVer-schmelzungvon industrieller undvirtuellerWelt. Softwaregetrieben, über das Internetunabhängig von Ort und Zeit kontrolliert,entscheiden künftig Maschinen eigenstän-dig,wie sie effizient produzieren, sich selbstkorrigierenund signalisieren,wann sie eineWartung benötigen.Werkstücke tragen perRFID-Chip die Informationenmit sich,wiesie gefräst, bestückt, gespritzt werden sol-len. In derVisionwinkt die Idee der nahezuautonomen Fabrik, die eigenständig, flexi-bel und ressourcensparend produziert.

Auf der Hannover Messe haben die Ost-westfalen ein Projektmit der Autoindustrievorgestellt, zur Einsparungvon Energiekos-ten. Bislang standen die Roboter am Fließ-band auch dann unter Strom, wenn sienichts zu schweißenoder zumontieren hat-ten, selbst amWochenende blieben sie imStand-by-Modus. Eswar zu kompliziert, dieMaschinen so aus- und einzuschalten, dassdie Produktion davon nicht berührt wird.„Daraus ist die Idee einer Energiesteue-

rung entstanden, die den Roboter rechtzei-tig aufweckt,wenn eswas zu tun gibt“, sagtRoland Bent, Geschäftsführervon PhoenixContact. „Dadurch kann ich bis zu 30 Pro-zent Energie einsparen.“ NachbarWeidmül-ler testet eine sich selbst optimierendeStanz-Biege-Maschine, die den Ausschussbei der Produktion komplexer Metallteileauf null absenkt.„Die Kooperation ist für die Entwicklung

der Industrieautomation entscheidend“,sagt Bent. „Esmacht kein Sinn,wenn einerallein vorprescht.“ Nur als Teil eines Sys-tems, mit offenen Standards und Schnitt-stellen in der Steuerungstechnik, könne In-dustrie 4.0 funktionieren.Wie in der Smart-Factory in Lemgo: An

der Produktion von Seifenflaschen undSchlüsselanhängernwirddemonstriert,wiekünftig jeder mit allem kommuniziert:Mensch, Maschine und dasWerkstück.

In Ostwestfalen arbeiten Mittelständler an dernächsten industriellen Revolution.

INDUSTRIE 4.0

Das Gebissauf Knopfdruck

Jan Henrik FörsterDüsseldorf

D er Buccaneer (Pirat) soll so günstigsein,dass ihn jeder kaufen kann.Daszumindest verspricht Pirate 3D, ein

Start-up aus Singapur. Das Unternehmenentwickelt einenDrucker fürdreidimensio-naleObjekte,wie etwa iPhone-HüllenoderSchachfiguren. Die Maschine soll mal 350Dollar kosten. Über die Schwarmfinanzie-rungsplattform Kickstarter sammelten dieGründer 1,4 Millionen Dollar von 3000 In-vestorenein. DasUnternehmenB9Creatorerhielt 500 000Dollar fürein ähnlichesVor-haben. ImmerengagierterwerbenEntwick-ler billiger 3-D-Drucker um Privatnutzer.Zuletzt kaufte etwaderUS-amerikanische

Branchenführer Stratasys (Börsenwert: 3,9Milliarden Dollar) den NewYorker Herstel-ler Maker Bot, der 3-D-Drucker für denHausgebrauch fertigt. Die Druckerverarbei-ten Plastik, Metall oder Keramik, bauenOb-jekte Schicht für Schicht auf. In derMedizin-technik, im Flugzeugbauund imAutosektorgehört die Technologie schon seit Jahrenzur Produktion dazu. Mit den Lasersyste-menvon EOS aus Krailling bei München et-wa lassen sich Zahnprothesen herstellen.2012 erwirtschafteten die Hersteller glo-

bal 2,2 Milliarden Dollar, bis 2015 soll derUmsatz auf 3,7 Milliarden Dollar wachsen.In der Industrie bieten die Verfahren vieleVorteile: Hersteller können stärker auf Kun-denwünsche eingehen als jemals zuvor.Möchte ein Autokäufer einen eigens für ihn

designten Schaltknauf, ist das per3-D-Druckmöglich. Für kleine Produktions-mengen oder Prototypen ist der Druck bil-liger und schneller.Für Privatnutzer waren die Maschinen

bislang kaum finanzierbar. Bisvor drei Jah-ren kostete ein Drucker durchschnittlich30 000 Dollar. Letzte Woche startete derbritische Elektronikkonzern Maplin mitdemVerkauf einerMaschine für 700 Pfund.AnalystenvonGartner glauben an einen

Siegeszugder 3D-Drucker. Stimmtdas, kön-nen Normalverbraucher bald ziemlich je-denGebrauchsgegenstand selbst drucken.Fehlt etwa ein Ersatzteil fürs Fahrrad,spuckt der Drucker perMausklick ein neuesaus. „Sie könnendie Datensätze für die Pro-dukte auch teilen“, sagt Wolfgang DorstvomBranchenverband Bitkom. „Das schafftvöllig neue Marktplätze.“

Immer günstigere Geräte schaffen neue Märkte.

3D-DRUCKER

Druck dir was: Der Replicator von Ma-ker Bot kann Spielzeug und Schmuck.

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UNTERNEHMEN & MÄRKTE 191

MITTWOCH, 17. JULI 2013, NR. 135

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Das wissen nicht nur Start­ups, sondern auch Konzerne für sich zu nutzen. Bei Adidas zum Beispiel können die Kunden ihre Turnschuhe innerhalb eines bestimmten Rahmens selbst designen. Von der Vorderkappe über die Streifen bis zum Schnürsenkel kann man auf der Unternehmenswebseite unter dem Schlagwort „Miadidas“ Farbe und Material sei­nes Wunschturnschuhs selbst bestimmen. Ein 3­D­Konfigurator zeigt jede Änderung in Sekundenschnelle. […] Im Durchschnitt zahlt der Kunde 20 Euro mehr für ein individua­lisiertes Produkt als für einen Katalog­Schuh. Die Spezialanfertigungen werden in densel­ben Fabriken hergestellt wie die normalen – allerdings in einer viel kleineren Stückzahl. Auch die Logistik ist aufwendig. Für Frank Piller, Professor an der RWTH Aachen, bietet die „Mass­Customization“ dennoch einen entscheidenden Vorteil: Indem sie den Kunden zum Co­Designer machen, erfahren Unternehmen mehr über die Vorlieben der Konsu­menten als durch aufwendige Marktforschung.

Quelle: Schröder, M., Handelsblatt, Nr. 135, 17.07.2013, 18

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Die großen Baustellen der Energiewende

Bis 2022 will die Bundesregierung komplett aus der Atomenergie ausgestiegen sein.Dafür muss sie die gesamte deutsche Energieversorgung umbauen.Schafft sie das?Ein Überblick über den Stand der Dinge.

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel am 9. Juni 2011 dem Bundestag erklärte, wie die Ener­giewende gelingen soll, versprach sie „eine neue Architektur der Energieversorgung“. Heute, drei Jahre später, ist die Energiewirtschaft eine Baustelle.

Kraftwerke, die bisher für die Stabilität der Stromversorgung wichtig waren, gehen vom Netz, gleichzeitig werden neue geplant. Im Süden Deutschlands werden massenhaft Pho­tovoltaik­Anlagen auf Dächern installiert, während vor den Küsten von Nord­ und Ostsee große Offshore­Windparks geplant sind. Damit Deutschland den gewaltigen Umbau ohne Blackouts bewältigen kann, sind große Stromtrassen von Nord nach Süd und von West nach Ost und leistungsstarke Stromspeicher nötig.

Das Marktforschungsunternehmen Trendresearch hat für das Handelsblatt eine Deutsch­landkarte der Energiewende erarbeitet und den Investitionsbedarf errechnet.

Und es gibt noch viel zu tun: Die meisten Großprojekte sind noch im Planungsstadium. Gleichzeitig sinkt die gesicherte Leistung: Das ist der Anteil der Stromproduktion, mit dem sich verlässlich – ohne beispielsweise vom Wetter abhängig zu sein – planen lässt. Der ist in Kern­ und Kohlekraftwerken naturgemäß höher als bei witterungsabhängigen Wind­ und Solaranlagen.

Quelle: Handelsblatt, Nr. 157, 16.08.2013, 46

Quelle Grafik nächste Seite: trend:research 2013, Berechnungen auf Basis von Daten von BMU,

BNetzA, dena sowie Pressemeldungen

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Handelsblatt | Quelle: trend:research(Berechnungen auf Basis von Daten von BMU, BNetzA, dena und PR)

BARD Oshore 1Leistung: 400 MW

Global Tech 1Leistung: 400 MW

Borkum West IILeistung: 400 MW

Alpha VentusLeistung: 60 MW

Borkum RigatLeistung: 108 MW

Dan TyskLeistung: 288 MW

Amrumbank WestLeistung: 288 MW

Nordsee OstLeistung: 295 MW

Baltic 1Leistung: 48,3 MW

Baltic 2Leistung: 288 MW

Meerwind Süd/OstLeistung: 288 MW

Westerland

Kiel

Wilhelmshaven

Bremen

Hannover

Magdeburg

Berlin

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Erfurt

Düsseldorf

Frankfurt

München

Stuttgart

Hamburg

Stand: Okt. 2013

KernkraftBraunkohleSteinkohleErdgasHeizöl

Kraftwerke in Planung, im Bau oder vor StilllegungElektrische Bruttoleistung in Megawatt

Pumpspeicherkraftwerkim Bau/in Planung

bis

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MW

über

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100 km

Oshore-Windparks

Stromnetzausbauin Deutschland bis 2022

Übertragungskabel

Kraftwerke in Betrieb,deren Stilllegung bis 2022 geplant ist

Netzverstärkung(Wechselstrom)

Neubau WechselstromtrassenNeubau GleichstromtrassenBestehendes Stromnetz

geplantim Bauteilweise im Bauin BetriebKonverterplattform

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Atomausstieg: Sicher geglaubte Gewinne brechen weg

Für die deutschen Atomkonzerne haben sich die Rahmenbedingungen radikal geändert. Noch vor einem Jahr konnte sich Eon­Chef Johannes Teyssen über die Revision des unter Rot­Grün 2002 vereinbarten Atomausstiegs freuen. Der letzte Reaktor sollte nicht schon 2021, sondern erst weit nach 2030 vom Netz gehen. Für Deutschlands größten Atom­stromproduzenten Eon bedeutete der Beschluss einen milliardenschweren Zusatzgewinn, weil die abgeschriebenen Kraftwerke plötzlich viel länger Strom produzieren konnten.

Entsprechend groß sind die Einschnitte durch die abermalige Kehrtwende nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011. Analysten schätzen, dass der zügige Atomausstieg bei Eon einen Barwert von bis zu zehn Milliarden Euro vernichtet. So muss­te Eon zwei Reaktoren direkt vom Netz nehmen, die nie wieder Gewinne abwerfen wer­den. Im Gegenzug musste der Konzern bereits eingekaufte Brennstäbe abschreiben und die Rückstellungen für den beschleunigten Rückbau erhöhen. Besonders ärgert Teyssen, dass er trotzdem die neue Brennelementesteuer bezahlen soll.

Die Energiewende jedenfalls schlägt in der diesjährigen Bilanz voll durch. Im Sommer musste Eon eine Sonderbelastung durch Abschreibungen und Brennelementesteuer von 1,9 Milliarden Euro melden. In den ersten neun Monaten brach der Überschuss um 70 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro ein. Dabei war der Umsatz sogar um 21 Prozent auf 78

Milliarden gestiegen. Besonders proble­matisch ist für Eon, dass die Ratingagen­turen damit drohen, dem verschuldeten Konzern mit Blick auf die gesunkenen Gewinne die gute Bonität zu entziehen. Für Eon wäre ein Verlust des „A“­Ratings fatal. Die Finanzierung der anstehenden Investitionen würde sich wesentlich ver­teuern.

Teyssen muss jetzt den Kraftwerkspark des Energiekonzerns an die neuen Ver­hältnisse anpassen. Eon ist spät in die erneuerbaren Energien eingestiegen. Innerhalb der letzten vier Jahre aber haben sich die Kapazitäten in Wind­, Solar­, oder Biomasseanlagen auf 4 000 Megawatt verzehnfacht. In den letzten fünf Jahren hat Eon in den Bereich sie­ben Milliarden Euro investiert, in den nächsten fünf Jahren sollen es noch ein­mal sieben Milliarden sein. Gleichzeitig versucht Teyssen, einen Teil des durch die Energiewende verursachten Scha­dens zu kompensieren. Eon hat beim Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde eingereicht – und fordert Schadensersatz. Gleichzeitig klagt der Konzern gegen die Brennelementesteuer.

Quelle: juf, Handelsblatt, Nr. 242,

14.12.2011, 6

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Ein Betrieb für alle Generationen

[…] Der demografische Wandel hat die deutsche Wirtschaft voll erfasst. Nach Berechnun­gen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung wird die Erwerbsbevölkerung bis 2050 auf 51 Millionen Personen und damit auf den Stand von 1950 fallen. Aber über­rascht hat der Wandel die Unternehmen nicht. Viele Firmen bekämpfen bereits den dro­henden Fachkräftemangel.

Bei der Deutschen Bahn etwa ist Anfang April ein sogenannter „Demografietarifvertrag“ in Kraft getreten. Mitarbeiter, die über 60 sind und schon lange im Schichtbetrieb arbei­ten, können ihre Arbeitszeit jetzt auf 80 Prozent reduzieren, bekommen aber weiterhin 87,5 Prozent ihres Gehalts. Die Maßnahme kostet den Konzern nach Schätzungen zwar bis zu 25 Millionen Euro im Jahr, könnte aber verhindern, dass erfahrene Kollegen sich vorzeitig in den Ruhestand verabschieden.

Auch in anderen Branchen haben Arbeitgeber und Gewerkschaften Tarifverträge geschlossen, die die Alterung der Gesellschaft berücksichtigen. In der Chemieindustrie etwa zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einen Demografiefonds ein, aus dem später einmal eine Verkürzung der Arbeitszeit auf vier Tage finanziert werden kann. So sollen körperlich schwer arbeitenden Arbeitnehmern oder Schichtarbeitern die letzten Berufs­jahre erleichtert werden. Ein ähnliches Abkommen haben die Stahlarbeitgeber und die Gewerkschaft IG Metall bereits im Jahr 2006 geschlossen. „Die Zahl solcher Tarifverträge nimmt zu“, erklärt Reinhard Bispinck, Tarifexperte des gewerkschaftsnahen Wirtschafts­ und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in Düsseldorf.

Der Chemiekonzern BASF hat über die tariflichen Verpflichtungen hinaus 2006 die Initia­tive Generations@work ins Leben gerufen: So wird seitdem konzernweit überprüft, inwie­weit die einzelnen Arbeitsplätze „alternsgerecht“ sind. Neben dem Werksgelände in Lud­wigshafen baut BASF derzeit ein Zentrum, in dem Beschäftigte künftig Sport­ und Gesundheitsangebote finden, aber auch Sozial­ oder Pflegeberatung. Es umfasst unter anderem ein Fitnessstudio, eine Physiotherapiepraxis, aber auch eine Kinderkrippe mit 250 Plätzen. „Wir schaffen Angebote, die unseren Mitarbeitern helfen, in allen Lebenspha­sen fit zu bleiben“, sagt Gerwig Kruspel, der bei BASF die Personalstrategie verantwortet. Ein wichtiges Thema sei zum Beispiel die Pflege von Angehörigen, für die Mitarbeiter nicht nur Zeit, sondern auch Beratung gut gebrauchen können.

Dem demografischen Wandel zu begegnen bedeutet aber nicht nur, altersgerechte Arbeitsplätze zu schaffen. Genauso wichtig für die Unternehmen ist die Frage, wie sie jüngere Arbeitnehmer an sich binden können. Die Bahn hat darum im vergangenen Jahr eine aufwendige Arbeitgeberkampagne gestartet. Sie wirbt unter anderem mit Sabbaticals und neuerdings auch Teilzeitverträgen für Auszubildende. Junge Eltern sollen während ihrer Ausbildung genügend Freiraum bekommen, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern.

Quelle: Kupilas, B./Schröder, M./Hofmann, S., Handelsblatt, Nr. 090, 13.05.2013, 6

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Alte neue Zielgruppe

Das richtige Marketing für Senioren

„Katharina das Große“ ist gescheitert. Obwohl das Seniorenhandy des deutschen Herstel­lers Fitage vielfach wegen seiner Funktionalität gelobt und ausgezeichnet wurde. Es hat große Tasten mit großen Ziffern, die Schrift auf dem Bildschirm ist auch für Sehgeschädig­te gut sichtbar. Und dennoch, Fitage, der Spezialist für Seniorenhandys, musste im vergan­genen Jahr Insolvenz anmelden. Wahrscheinlich hätte er die alten Kunden nicht als sol­che bezeichnen sollen. Besser hat es da schon Apple gemacht: Die Nummerntasten auf dem Touchscreen des iPhones sind größer als eine Fingerkuppe, so können auch moto­risch eingeschränkte Senioren das Handy problemlos bedienen. Niemand aber bezeich­net das Gerät als Seniorenhandy.

Und das ist das Geheimnis des Marketings für Senioren. Senioren sollte man niemals als solche bezeichnen, wenn man sie für etwas begeistern will, raten Experten. Denn nie­mand möchte als alt bezeichnet werden. Besser ist es, kommentarlos auf die neue alte Zielgruppe einzugehen, denn die wächst und wächst und wächst. Laut Statistischem Bun­desamt wird im Jahr 2040 gut die Hälfte der Deutschen älter als 50 Jahre sein. […]

Umfragen des Meyer­Hentschel Instituts für Seniorenmarketing belegen: Wenn ältere Menschen mit einer Verpackung unzufrieden waren, kauft rund ein Drittel von ihnen beim nächsten Mal ein anderes Produkt. Die Probleme sind vielfältig. Wenn etwa die Schrift auf der Packung schwer zu erkennen ist, weil sie zum Beispiel zu klein ist oder das Licht zu stark reflektiert, schreckt das ältere Verbraucher ab. In einer Umfrage der Unternehmensberatung A.T. Kearny gab die Hälfte der 60­ bis 80­jährigen Teilnehmer an, dass sie Etiketten „nicht immer genau lesen können“. Studien des Meyer­Hentschel Insti­tuts für Seniorenmarketing ergaben zudem, dass mehr als 90 Prozent der 60­Jährigen Pro­bleme beim Öffnen von Verpackungen haben.

Werbung für Senioren sollte vor allem auf Funktionalität ausgerichet sein. Das bestätigt eine Studie unter der Leitung von Karsten Völcker, auf Senioren spezialisierter Anzeigen­leiter bei Bauer Media („Neue Post“, „Das Neue Blatt“). Er untersuchte 179 Anzeigenmoti­ve aus verschiedenen Branchen hinsichtlich der Wirkung auf ihre Zielgruppe. 631 Men­schen zwischen 50 und 69 Jahren nahmen an der Befragung teil. Bei Werbung für Mode war den befragten Senioren etwa wichtig, dass die Kleider bequem aussehen und von Menschen gezeigt werden, die ihrer eigenen Kleidergröße entsprechen. Eine unruhige Gestaltung und junge, sehr schlanke Modells schrecken ältere Konsumenten eher ab. Richtig platziert sei Werbung für Senioren vor allem im Fernsehen, sagt Josef Hilbert, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeit und Technik und Leiter des For­schungsschwerpunktes Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität an der Fachhochschu­le Gelsenkirchen. Dass die Fernsehsender sich bei der Programmgestaltung immer noch auf die berühmte Gruppe der 14­ bis 49­Jährigen konzentrieren, findet er schwer ver­ständlich.

Auch mit Anzeigen in Zeitschriften und Zeitungen erreicht man die wachsende Zielgrup­pe laut Hilbert gut. Die umgangssprachlich „Rentner­Bravo“ genannte Apotheken­Umschau etwa sei ein geeigneter Platz für Kampagnen. Aber auch in Automagazinen kön­nen Unternehmen um die Gunst der Senioren buhlen. Denn: „Die Generation 60 plus ist die Generation der Autofans“ sagt Josef Hilbert.

Quelle: Heide, D., Handelblatt.com, 08.01.2012

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SUV = Senioren und Versehrte

Die Springer­Kollegen haben ja so was von recht. SUV stehe gar nicht für Sports Utility Vehicle, hieß es neulich in der „Auto Bild“, die drei Buchstaben bedeuteten Senioren und Veteranen. Sorry, liebe Tiguan­Fahrer, aber das stimmt, und dafür gibt es neue Beweise.

Den ersten liefert Auto­Professor Dudenhöffer, der aktuell in einer Untersuchung belegt, dass die aufgeplusterten Möchtegern­Geländewagen 2011 allen anderen Fahrzeugformen bei den Zulassungen weit enteilten. 15,7 Prozent Marktanteil für SUVs im Januar 2012 bei den Neuzulassungen, das ist ein eindeutiger Trend. Und wer kauft so was? Der Erfahrungs­austausch mit anderen Auto­Journalisten zeigt: Junge Menschen ganz gewiss nicht. Selbst bei flammneuen Wunschautos, die die Hersteller den Redaktionen für 14­tägige Testfahr­ten vorbeibringen, vollgetankt vor die Tür stellen und wieder abholen, winken (fast) alle ab, wenn es um Off­Roader für die Stadt geht. Viele könnten sich privat die überdimensio­nierten Spritschlucker sowieso nicht leisten, sie leben in Großstädten mit Parkplatznot, sind an Fahrrad, Zug, Kleinwagen und Car­Sharing gewöhnt, da fällt es schon schwer, positive Argumente aufzuschreiben.

Die fallen meinem Nachbarn dafür sofort ein, er kann gar nicht mehr damit aufhören, seitdem er seinen alten 7er BMW gegen einen X3 eingetauscht hat. Den Wagen braucht der rüstige selbstständige Unternehmer, der pro Jahr weniger als 10 000 Kilometer fährt, weil er jetzt offiziell das Rentenalter erreicht hat. Seit zwei Jahren und trotz drei Operati­onen schmerzt zudem das rechte Knie. Offen gibt er zu, dass sein Auto Eindruck auf ande­re machen soll, aber er schätzt auch den bequemen Einstieg, die erhabene Sitzposition und das Gefühl, sicher aufgehoben zu sein in einem deutschen Premiumprodukt, das stets in Übereinstimmung mit geltenden Verkehrsvorschriften bewegt wird. Allradantrieb sei ja auch sicherer, verrät er mir, vor allem im Winter. Winter? In Krefeld? In Urlaub fährt er mit dem Auto ja nicht, ist einfach zu weit. Auch wegen des Knies. Klar, der X5 wäre ihm schon noch lieber gewesen, der macht ja auch mehr her. Probe gefahren hat er ihn. Und mir verraten: Der Wagen passt nur knapp in die alte Garage, die Türen würden aber an der Wand anschlagen, schon beim rückwärts raussetzen wäre er unsicher. Zu unüber­sichtlich das Trumm.

Da war ich dann wieder ein bisschen beruhigt. Ist das der Anfang vom Ende der SUV­Dinosaurier? Nicht der Klimawandel, der Spritverbrauch, die Stoßstange auf Höhe eines Kleinkindkopfes oder der überflüssige Vierradantrieb. Nein, die schiere Größe, ist es, die nun auch die Senioren erschreckt. Dabei haben die als Einzige noch das Geld. Statistisch gesehen erreichen SUV­Absätze ja gerade ein neues Allzeithoch. Und Autoexperte Duden­höffer spricht sogar von 18 Prozent SUV­Neuwagenanteil bis 2015. Ich glaube, es geht bald abwärts, mein ganz persönlicher Rentner­Indikator spricht dafür. Haltet durch, liebe Limousinen und Sportwagen, noch gibt es Hoffnung.

Quelle: Heide, F. G., Handelsblatt.com, 24.02.2013

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Methode Expertenbefragung

Definition

Eine Expertenbefragung ist ein wesentliches Mittel zur Informationsbeschaffung. „Experte bedeutet, dass jemand in den Unterricht kommt, der über seine Tätigkeit, seinen Arbeitsalltag berichtet und so gesehen im Wirtschaftsunterricht zum Fachmann für die Praxis wird.“ (Wolf 1991, 47)

Verlaufsstruktur

(1) Vorbereitung

Es werden Absprachen über die Ziele und Durchführung der Befragung getroffen. Für die Befragung, die entweder in der Schule oder am Wirkungsort des Experten, z.B. in einem Unternehmen, stattfinden kann, werden Fragen ausgearbeitet. Festgelegt werden weiter­hin Aufgabenverteilung und Arbeitstechniken. Für die Befragung muss des Weiteren eine Interviewtechnik gewählt werden:

strukturiertes Interview: Reihenfolge und Formulierung der Fragen werden genau festgelegt. Vorteil: Das Interview läuft planmäßig ab, aber: Eine Vertiefung oder Aus­weitung der Diskussion ist kaum möglich.

teilstrukturiertes Interview: Wichtige Inhalte und die Reihenfolge der Fragen werden z.B. in Form eines Leitfadens festgelegt. Vorteil: Die Anwendungs­ und Umsetzungs­möglichkeiten können flexibel gehalten und entsprechend der jeweiligen Situation eingebracht werden.

unstrukturiertes Interview: Das Ziel der Befragung wird festgelegt, Reihenfolge und Einzel fragen bleiben offen. Vorteil: Diskussionen können entstehen, die zusätzliche Informationen liefern, aber: Es besteht die Gefahr, dass sich Abweichungen zur ursprünglichen Zielsetzung ergeben.

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(2) Durchführung

Bei der Durchführung der Befragung muss eine spätere Präsentation der Ergebnisse u.U. schon vorbereitet werden (z.B. durch Fotos, Videorecorder, Tonband).

(3) Auswertung

Notizen und Aufzeichnungen werden in Reinschrift gebracht und zusammengefasst. Mögliche Fragestellungen für eine differenzierte Auswertung:

Welche objektiven Sachinformationen wurden gegeben?

Welche Aussagen waren personen­ bzw. interessengeleitet?

Welche Aussagen stellen die subjektive Meinung des Experten dar?

Die Ergebnisse werden diskutiert und möglicherweise präsentiert, z.B. in Form einer Dokumentation, Webseite, eines Beitrags in der Schülerzeitung. Die Ergebnisse der Befra­gung werden in den unterrichtlichen Zusammenhang eingebettet.

Quelle: Institut für Ökonomische Bildung Oldenburg, in Anlehnung an: Kaiser, F.-J./ Kaminski, H.

(2012): Methodik des Ökonomieunterrichts, 4., voll. überarb. A., Bad Heilbrunn: Klinkhardt,

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Szenario­Methode

Wir haben gesehen, dass die Rahmenbedingungen für die Unternehmen durch zuneh­mende Komplexität gekennzeichnet sind und zudem die Veränderungen einer wachsen­den, bisher nie gekannten Dynamik unterliegen. Ein Unternehmen ist aus diesem Grund gezwungen, sich rechtzeitig und vorausschauend mit der Zukunft auseinanderzusetzen und permanent in Alternativen zu denken. Es wird immer wichtiger, zukunftsgerichtete Informationen zur Entscheidungsfindung zu nutzen, um die Lebensfähigkeit des Unter­nehmens zu wahren und seine Entwicklungsfähigkeit zu stärken. Wenn ein Unternehmen denkbare Entwicklungen erforschen möchte, kann auf ein Instrument zur Vorbereitung der strategischen Planung zurückgegriffen werden: die Szenario­Technik. Die Erstellung von Szenarien dient dazu, die Vielzahl vernetzter Prozesse im Wirtschaftsleben zu beschreiben. Anders ausgedrückt, können mit Hilfe dieser Technik unterschiedliche Trends in Wirtschaft, Politik, Technik und Gesellschaft untersucht und aufgezeigt werden. Erforderlich ist die Entwicklung von Szenarios besonders dann, wenn schwerwiegende und weitreichende Entscheidungen getroffen oder beurteilt werden müssen.

Die Entwicklung von Szenarios vollzieht sich ganz allgemein in den drei großen Schrit­ten: Analyse, Prognose und Synthese:

1. Analyse­Phase: Die gegenwärtige Situation des Unternehmens wird eingehend analy­siert, um eine Grundlage für die Entwicklung möglicher Zukunftsbilder zu gewinnen. Sodann werden die wesentlichen Determinanten, d. h. Einflussbereiche eines Unter­nehmens wie z. B. aktuelle Entwicklungen im technologischen Bereich, identifiziert, um die Verortung des Betriebs im Gesamtzusammenhang der vernetzten Umwelt vor­nehmen zu können.

2. Prognose­Phase: Es werden Annahmen über zukünftige Entwicklungen in den identi­fizierten Umfeldern gemacht. Außerdem werden mögliche überraschend eintretende Ereignisse, sogenannte Störereignisse, in ihrem potenziellen Einfluss auf die Annah­men berücksichtigt.

3. Synthese­Phase: Es werden alternative Szenarios entwickelt, indem die Entwicklungen der verschiedenen Determinanten auf sinnvolle Weise miteinander kombiniert wer­den. Auf diese Weise entstehen mindestens drei unterschiedliche Szenarios, die die Weite und Vielfalt möglicher Entwicklungen erfassen:

a) positives Extremszenario (bestmögliche Zukunftsentwicklung oder „best­case­ scenario“)

b) negatives Extremszenario (schlechtest mögliche Zukunftsentwicklung oder „worst­case­scenario“)

c) Trendszenario (Fortschreibung der heutigen Situation in die Zukunft, d. h. dem Entwicklungstrend der Vergangenheit entsprechend)

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Der Szenario­Trichter visualisiert die beschriebene Technik zur Bestimmung alternativer Entwicklungen:

Quelle: Geschka/Hammer (1990), 315, in: Kaiser, F.-J./Kaminski, H. (1999), 211

Erläuterung des Szenario-Trichters

Der Punkt stellt die gegenwärtige Situation des Unternehmens und seines Umfeldes dar, welche relativ eindeutig zu beschreiben und zu analysieren ist. Es ist jedoch schwierig, die Situation des Unternehmens im Zeitlauf von z. B. fünf Jahren zu prognostizieren. Je größer die zeitliche Dimension einer Zukunftsbeschreibung, desto unwägbarer werden Einflüsse und Ereignisse. Aufgrund der Vielfalt möglicher Entwicklungen bündelt man in der Szenario­Technik alternative Entwicklungen, die sich im Verlauf von 5, 10 oder 20 Jah­ren immer weiter auseinanderbewegen.

Auf diese Weise erhält man eine Grundlage für Entscheidungen, die die strategische Aus­richtung eines Unternehmens betreffen, und somit erhöhen sich die Chancen, auf Dauer erfolgreich am Markt bestehen und sich an die Erfordernisse der Umweltbedingungen anpassen zu können.

Quelle: Institut für Ökonomische Bildung Oldenburg, in Anlehnung an: Kaiser, F.-J./Kaminski, H.

(2012): Methodik des Ökonomieunterrichts, 4., voll. überarb. A., Bad Heilbrunn: Klinkhardt,

176ff.

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Praxiskontaktpartner Ernst & Young

EY: Zahlen & Fakten

Die Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (EY)1 mit Hauptsitz in Stuttgart ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung. EY beschäftigt in Deutschland rund 7 400 Mitarbeiter2 an 22 Standorten; 167 000 Mitarbeiter sind es weltweit in 150 Ländern. Der Umsatz beträgt rund 1,22 Mrd. EUR in Deutschland und 24,4 Mrd. USD weltweit. Mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Leistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Wirt­schaft und die Finanzmärkte. Unser Ziel ist es, Dinge voranzubringen und entscheidend besser zu machen – für unsere Mitarbeiter, unsere Mandanten und die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht unser weltweiter Anspruch „Building a better working world“.

Wir prüfen und beraten nationale und internationale Unternehmen aller Größen und Rechtsformen. Unsere Mandanten kommen dabei aus den unterschiedlichsten Branchen wie beispielsweise Medien, Telekommunikation, Automobilindustrie, Banken, Industrie und Handel.

Mit den Dienstleistungen in der Wirtschaftsprüfung und Risikoberatung unterstützen wir unsere Mandanten dabei, die Forderungen des Gesetzgebers, der Investoren und der Kapitalmärkte zu erfüllen. Mit unseren Services in der Steuerberatung unterstützen wir unsere Kunden bei allen ihren steuerlichen Aufgabenstellungen, so insbesondere bei der Senkung ihrer weltweiten Steuerquote oder der Vermeidung steuerlicher Risiken. Im Rah­men unserer Managementberatung helfen wir beim Kauf und Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen sowie bei der Verbesserung der unternehmerischen Perfor­mance im Finanzbereich.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor unseres Unternehmens ist unsere Knowledge­Sharing­Kultur. Die Bereitschaft, Wissen verfügbar zu machen und mit anderen zu teilen, steigert den Wis­sensstand jedes Einzelnen und damit den Mehrwert unseres Unternehmens insgesamt.

EY engagiert sich seit vielen Jahren deutschlandweit in ausgewählten Projekten aus dem Bereich Kultur, Musik und Bildung. Darüber hinaus fördert EY durch unterschiedliche Engagements an Universitäten und Hochschulen den Dialog zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.

Abbildung 1: EY Niederlassungen in Stuttgart (links) und Frankfurt/ Eschborn (rechts)

1 „EY“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). EYG ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für Mandanten.

2 Gemeint sind immer Personen beiderlei Geschlechts – wenn wir von unseren Mitarbeitern und Kollegen sprechen oder Studenten/Absolventen direkt ansprechen. Wir suchen in allen Bereichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

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Studien­ und Ausbildungsprogramme bei EY

Es ist niemals zu früh, über Ihre Karriere nachzudenken. Mit einer ausgezeichneten Aus­bildung legen Sie das Fundament für eine große Karriere. EY bietet Ihnen eine Vielzahl an Möglichkeiten, Ihre Laufbahn zu beginnen und bei einer der renommiertesten Prüfungs­ und Beratungsgesellschaften der Welt einzusteigen – zum Beispiel mit einer Ausbildung oder einem Dualen Studium.

Einstieg mit einem Studium an der Dualen Hochschule

Bachelor of Arts sowie Bachelor of Science mit den Studienschwerpunkten Steu­ern und Prüfungswesen, Prüfungswesen Kreditinstitute, Accounting & Control­ling, Wirtschaftsinformatik (Fachrichtung IT­Prüfung), International Business (IBIT) oder Banken und BausparkassenDie Praxis­ und Theoriephasen in den Studiengängen wechseln im etwa dreimonatigen Rhythmus. Das theoretische Know­how wird Ihnen an der Dualen Hochschule vermittelt, praktische Kenntnisse und Erfahrungen sammeln Sie in einer unserer 22 Niederlassungen in Deutschland sowie vor Ort bei unseren Mandanten.

Ihre Vorteile, wenn Sie sich für ein Duales Studium bei EY entscheiden: Sie sind von Anfang an mit spannenden Mandaten betraut und können neben Ihrem Studium jährlich rund 21 Wochen Praxiserfahrung sammeln. Zudem erhalten Sie ein attraktives Grundge­halt während der Gesamtdauer des Studiums und haben die Möglichkeit, sich schon früh­zeitig ein berufliches Netzwerk aufzubauen.

Tax Practice and Study – HS RheinMainIn Kooperation mit der Hochschule RheinMain bieten wir zum Wintersemester die Mög­lichkeit, im Studiengang „Bachelor of Laws in Accounting and Taxation“ zu studieren und gleichzeitig Praxiserfahrung bei EY zu sammeln. Die Schwerpunkte liegen bei dem acht­semestrigen Studium im Bereich Betriebswirtschaft, Wirtschaftsrecht und Steuerrecht. Nach Ihrem erfolgreichen Bachelor­Examen wartet der Karrierestart in unserer Steuerbe­ratung auf Sie!

Studium im Praxisverbund an der FH WormsIn Kooperation mit der FH Worms bieten wir Ihnen zum Wintersemester die Möglichkeit des „Studierens im Praxisverbund“ mit dem Schwerpunkt „Steuern“. Es handelt sich hier­bei um ein siebensemestriges Bachelorstudium, bei welchem der Schwerpunkt auf dem Bereich Steuern liegt und die Praxisphasen während der vorlesungsfreien Zeit in den Steuerabteilungen unserer Standorte Eschborn und Mannheim stattfinden. Nach Ihrem erfolgreichen Bachelor­Examen wartet der Karrierestart in unserer Steuerberatung auf Sie!

Durch die optimale Verzahnung von Theorie und Praxis legen wir den Grundstein für Ihre Karriere bei EY. Wir bieten Ihnen einen planbaren Studienverlauf, finanzielle Sicher­heit, spannende Aufgaben und die Möglichkeit, Ihr berufliches Netzwerk frühzeitig aufzu­bauen.

Einstieg mit einer Ausbildung Jedes Jahr bieten wir an zahlreichen Standorten Ausbildungsplätze zum/zur Steuerfach­angestellten an. Die Ausbildung umfasst drei Jahre im sogenannten „dualen System“ – einer Mischung aus Theorie und Praxis. Die theoretischen Grundlagen werden an der Berufsschule gelegt, die Praxis lernen Sie in unserer Niederlassung beziehungsweise vor Ort beim Mandanten kennen. Vom ersten Tag an sind Sie in eines unserer Teams einge­

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bunden und haben sowohl mit nationalen als auch internationalen steuerlichen Fragestel­lungen zu tun.

Nach der Ausbildung haben Sie zahlreiche Entwicklungsperspektiven – sowohl in Deutschland als auch im Ausland. Darüber hinaus unterstützen wir Sie bei der Weiterbil­dung zum Steuerfachwirt oder Bilanzbuchhalter.

Heute lernen, um morgen erfolgreich zu seinEY verfolgt das Ziel, Dinge voranzubringen und entscheidend besser zu machen – für unsere Mitarbeiter, unsere Mandanten und die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht unser weltweiter Anspruch „Building a better working world“.

Nach der Ausbildung bzw. dem Studium stehen Ihnen zahlreiche Entwicklungsperspekti­ven zur Verfügung, sowohl in Deutschland als auch im Ausland. Mit den stärksten Teams der Welt liefern Sie außergewöhnliche Erkenntnisse und schaffen Mehrwert für unsere Mandanten. Dabei haben Sie die Chance, Menschen aus der ganzen Welt und verschiede­nen Branchen kennenzulernen. Diese Verbindungen werden Ihnen helfen, immer besser zu werden und Ihre Karriere weiter voranzutreiben. Bei uns finden Sie jede Menge Mög­lichkeiten, Ihre Stärken auszubauen, Ihre Interessen zu vertiefen und unsere Arbeit für unsere Mandanten noch wertvoller zu machen. Darüber hinaus unterstützen wir Sie auch während Ihrer beruflichen Laufbahn mit fachlicher Weiterbildung sowie der zeitlichen und finanziellen Förderung von Berufsexamina. Für den Einstieg als Hochschulabsolvent gibt es in sämtlichen Fachbereichen ganzjährig die Möglichkeit des Direkteinstiegs als Assistant/Consultant, in der Wirtschaftsprüfung bieten wir außerdem das Traineepro­gramm AuditPLUS an.

Die Erfahrungen, die Sie bei uns sammeln, werden Sie Ihr Leben lang begleiten. Ganz gleich, was Sie in Zukunft machen werden: Von Ihren Erfahrungen und Erlebnissen bei uns werden Sie auf jeden Fall profitieren. Zu uns zu kommen bedeutet mehr als nur eine Station in Ihrem Lebenslauf.

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EY – Building a better working world

EY macht es sich zur Aufgabe, die Wirtschaftswelt von morgen nachhaltig mitzugestalten. Wir fördern die Talente unserer Mitarbeiter und engagieren uns für Initiativen, die Trans­parenz und Vertrauen in die Wirtschaft und Politik stärken. Wir beraten und unterstützen unsere Mandanten, damit sie in ihren Märkten erfolgreich sind. Wir leisten einen Beitrag für die Gesellschaft, in dem wir die wirtschaftliche Stabilität fördern und uns vielfältig engagieren.

… Für unsere Mitarbeiter

Kluge Köpfe lieben die Herausforderung, wollen etwas bewegen und beruflich nicht auf der Stelle treten. Weil wir das wissen, bieten wir ihnen das Umfeld und die Möglichkeiten für eine erfolgreiche Karriere. Wir fördern Talente, denn unser Erfolg hängt von den Fähigkeiten, der Einstellung und den Kompetenzen unserer Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter ab.

… Für unsere Mandanten

Wir wissen: Starke Kapitalmärkte verbessern unseren Lebensstandard. Wir stellen unseren Mandanten Informationen, Analysen und Handlungsoptionen zur Verfügung, damit sie erfolgreich in ihren Märkten agieren können. Wir beraten Sie, wie sie ihr Kapital optimal einsetzen können und die Risiken überblicken. Wir unterstützen sie dabei, ihre Verpflich­tungen gemäß den zunehmend komplexen Steuergesetzen nachzukommen.

… Für unsere Gesellschaft

Wir sind uns bewusst, dass wir als internationales Unternehmen eine ethische, soziale und ökologische Verantwortung für ein transparentes und vertrauensvolles Wirtschafts­umfeld tragen. Unser Corporate­Responsibility­Engagement ist Ausdruck dieser Verant­wortung. Darum unterstützen wir Initiativen und Organisationen, die sich auf lokaler, nationaler und globaler Ebene für eine bessere Wirtschafts­ und Arbeitswelt einsetzen.

Kontakt:Ernst & Young GmbHWirtschaftsprüfungsgesellschaftRecruiting & Employer Branding / Talent Team GSA (Germany, Switzerland, Austria) Telefon: +49 (6196) 996 10005 E­Mail: [email protected]/karriere

Quelle: EY

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Der Wille zum Erfolg – was Ausnahmesportler und Unternehmer

gemeinsam haben

Alle vier Jahre finden sich Sportler aller Disziplinen und Nationen zu den Olympischen Sommerspielen zusammen, um sich miteinander zu messen und mit ihren sportlichen Ergebnissen neue Leistungsstandards zu definieren. Dabei treten die Sportler im Wett­kampf nicht nur unmittelbar gegen ihre Kontrahenten an, sondern fordern sich mit ihrem Ehrgeiz, immer wieder neue Rekordleistungen abzuliefern, in erster Linie auch jedes Mal selbst heraus. Als Belohnung für die eiserne Trainingsdisziplin dienen den Sportlern zum einen das persönliche Erfolgserlebnis und zum anderen die Siegesprämien, mit denen die sportlichen Erfolge auch einen ökonomischen Gegenwert beigemessen bekommen.

Im Olympischen Dorf schließlich, abseits der sportlichen Auseinandersetzung, verstehen sich die Vertreter aus aller Herren Länder darüber hinaus auch als Kulturbotschafter und zelebrieren die gemeinsame Vision von einer friedlichen Völkerverständigung. Dem Gast­geberland kommt das sportliche Großereignis wiederum dadurch zugute, dass die Inves­titionen in die Wettkampfstätten und die dazugehörige Infrastruktur den wirtschaftlichen Aufschwung ankurbeln.

Warum aber ist das öffentliche Interesse an sportlichen Spitzenergebnissen so hoch? Neben der Begeisterung für die Wettkampfdisziplin ist es wohl vor allem die Bewunde­rung für die Diszipliniertheit, mit der sich Leistungssportler unablässig an den Rand ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit treiben. Die Auszeichnung mit einer olympi­schen Medaille steht daher nicht nur für den Sieg über die sportlichen Kontrahenten, sondern auch für den persönlichen Triumph, über sich selbst und seine Grenzen hinaus­gewachsen zu sein.

In der Wirtschaft scheint sich dieses Prinzip der ständigen Leistungssteigerung auf ähnli­che Weise niederzuschlagen. Warum sollte man also nicht auch unter den Unternehmern nach Medaillenanwärtern suchen, um schließlich denjenigen mit einem prestigeträchti­gen Preis „Entrepreneur des Jahres“ zu ehren, der im Marathonlauf der Erfolgsunterneh­men eine neue unternehmerische Weltjahresbestleistung abliefert?

Was aber macht einen Entrepreneur genau aus? Das Wort Entrepreneur stammt vom fran­zösischen Verb „entreprendre“ ab, was schlicht „unternehmen“ bedeutet. Der Wirtschafts­wissenschaftler Joseph Schumpeter beschrieb den Entrepreneur als entscheidenden Fak­tor im Prozess des wirtschaftlichen Wachstums, der durch Innovationen wirtschaftliche Entwicklungsprozesse auslöst. Auch wenn es mittlerweile an den Universitäten sogar zahlreiche Lehrstühle für Entrepreneurship gibt, existiert bis heute keine einheitliche Definition, was einen echten Entrepreneur auszeichnet. Wesentliches Merkmal ist jedoch, dass Entrepreneure – im Gegensatz zu angestellten Führungskräften in Großkonzernen – ihre unternehmerische Tätigkeit weniger als Beruf und vielmehr als Berufung verstehen. Da sie in der Regel eigene Anteile am Unternehmen halten und bei Fehlentscheidungen unmittelbar finanziell für den Schaden haften, tragen sie nicht nur die hohe Verantwor­tung für die Wachstumsraten von Umsatz­und Mitarbeiterzahlen, sondern müssen auch mit der Verantwortung leben, ein hohes persönliches Risiko einzugehen.

Um nun dem Erfolgsgeheimnis unternehmerischer Spitzenleistung auf die Spur zu kom­men, hat die internationale Wirtschaftsprüfungs­ und Steuerberatungsgesellschaft EY bereits vor über 20 Jahren den Wettbewerb „Entrepreneur des Jahres“ (EdJ) ins Leben gerufen. Diese Auszeichnung kann es heute durchaus mit olympischem Gold aufnehmen, denn sie gilt bei Unternehmern als die weltweit wichtigste Auszeichnung für erfolgreiche Unternehmensführung. In über 40 Ländern veranstaltet EY mittlerweile diesen Wettbe­

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werb, um schließlich einmal pro Jahr unter den Landessiegern den besten Unternehmer der Welt zu küren.

Für den begehrten Titel durchlaufen die Bewerber eine mehrstufige Auslese und werden dabei auf Wachstum, Innovationskraft sowie Managementfähigkeiten überprüft. Anspruchsvolle Kriterien und eine Möglichkeit zum Vergleich – das zieht Unternehmen an. Im letzten Jahr meldeten sich rund 300 für den Preis an. 65 von ihnen konnten den hohen Wettbewerbsanforderungen genügen und erreichten das Finale. Aus ihrem Kreis kürt dann eine hochrangige unabhängige Jury die jährlichen Preisträger in den Kategori­en Industrie, Handel, Dienstleistung, Informations­ und Kommunikationstechnologie/ Medien und Start­up. Um nun zu ermitteln, wer unter den vielversprechenden Unterneh­mern die Auszeichnung als „Entrepreneur des Jahres“ (EdJ) verdient hat, gilt es, eine klare Bewertungsgrundlage zu schaffen, die die unternehmerischen Spitzenleistungen mög­lichst in all ihren Facetten widerspiegelt und vergleichbar macht:

1. Die wirtschaftliche Entwicklung und das Zukunftspotenzial des Unternehmens. Unter­nehmer, die sich für den Preis „Entrepreneur des Jahres“ bewerben, haben eine Erfolgs­geschichte zu erzählen. Sie haben es geschafft, ihr Unternehmen nachhaltig am Markt zu etablieren, und heben sich durch beeindruckende Wachstumsraten in Bezug auf Umsatz, Gewinn und Mitarbeiter deutlich vom Durchschnitt der breiten Masse ab. Sie zeichnen sich durch innovative Geschäftsmodelle aus, mit denen sie neue Wege beschritten und sich so dem Strukturwandel in der Unternehmenspraxis nicht nur angepasst, sondern ihn auch entscheidend mitgeprägt haben. Z.B. entwickelte Ebay­Gründer Pierre Omidyar aus seiner anfänglichen Idee von einem virtuellen Marktplatz mit Flohmarkt­Charakter das heute weltweit größte Internetauktionshaus und definier­te dabei ein bis dato einzigartiges weltweites Vertriebskonzept. Ein weiteres Geschäfts­modell, das auf ähnliche Weise das Verständnis unternehmerischen Handelns völlig neu definiert, präsentiert sich auf der Website Spreadshirt.de, auf der der Kunde aus der passiven Konsumhaltung entlockt wird und die Möglichkeit erhält, in einem virtuellen Handlungsrahmen als selbständiger Unternehmer aktiv zu werden.

2. Die Innovation. Innovationen sind nicht gleichbedeutend mit Erfindungen. EdJ­Kandi­daten haben in ihrem Unternehmen nicht nur den Chefsessel inne, sondern bringen sich aktiv in operative Geschäftsprozesse ein. Ihr natürlicher Innovationsdrang bildet das Rückgrat des Unternehmens und lässt sie auch vor Innovationshemmnissen nicht zurückschrecken. So werden sie von ihren Mitarbeitern als konstruktive Teammitglie­der geschätzt und als wichtiger Impulsgeber und zentraler Innovationstreiber im Unternehmen wahrgenommen. Im Gegensatz zu Erfindern, die sich in der Fülle ver­meintlicher Ideen gerne in ihrer subjektiven Gedankenwelt verlieren, verfügen Entre­preneure über die Gabe, sich in die Ideen anderer hineinzudenken und sie durch die entsprechende Realisierung in einem Produkt oder einer Dienstleistung zu Innovatio­nen zu erwecken. „Ich bin ein guter Schwamm, ich sauge Ideen auf und mache sie nutzbar. Die meisten meiner Ideen gehörten ursprünglich Leuten, die sich nicht die Mühe gemacht haben, sie weiterzuentwickeln“, beschreibt Dauer­Erfinder Thomas Edi­son dieses unternehmerische Talent. Mit sicherem unternehmerischem Gespür müssen Entrepreneure dabei die Gratwanderung meistern und Innovationen entwickeln, die sowohl zukunftsweisend sind, ohne zur reinen Vision zu verkommen, als auch das Potenzial besitzen, den Markt zu revolutionieren und sich nachhaltig darin behaupten zu können. Eine solche Erfolgsgeschichte liefert die Unternehmensgruppe Otto Bock, die in 90 Jahren Firmentradition zum Technologieführer im Bereich der Medizintech­nik avanciert ist: Durch Pioniergeist, Mut und Entscheidungsfreude hat sich aus der pragmatischen Geschäftsidee, Tausende Weltkriegsversehrte mit Prothesen und ortho­pädischen Produkten zu versorgen, nicht nur die Notwendigkeit entwickelt, Prothe­

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senpassteile in Serienproduktion zu fertigen, sondern auch der visionäre Weitblick, den Grundstein für eine orthopädische Industrie zu legen.

3. Das unternehmerische und soziale Engagement. Oftmals wird Unternehmen vorgewor­fen, dass ihr Kampf um Marktanteile zu Lasten von Mensch, Gesellschaft und Natur gehe. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten stehen Unternehmen und ihr Geschäftsge­baren daher mehr denn je im Fokus der öffentlichen Meinung. EdJ­Kandidaten stellen sich der Erwartungshaltung, den Unternehmenserfolg mit den Wertvorstellungen unterschiedlicher Anspruchsgruppen in Einklang bringen zu müssen. Die Verantwor­tung des Entrepreneurs, nicht nur Arbeitsplätze zu schaffen, sondern diese auch in Kri­senzeiten ohne Rücksicht auf Verluste zu erhalten, verlangt ihm ein klares Bekenntnis zu gelebten Unternehmenswerten ab. Auch der Anspruch an sich selbst, mit dem eige­nen unternehmerischen Tun positive Impulse auf eine ökonomische, ökologische, sozi­ale und gesellschaftliche Gesamtentwicklung zu geben, liefert oft die Motivations­grundlage für eine nachhaltig ausgerichtete Unternehmensführung. Nicht zuletzt scheint das Geheimnis erfolgreicher Entrepreneure auch darin zu bestehen, dass sie den erhöhten Ansprüchen an ihre Führungsrolle nicht nur positiv gegenüberstehen, sondern das Engagement als Chance begreifen, um ihre persönliche Zufriedenheit zu steigern.

4. Die Mitarbeiterführung. Angesichts des rapiden Wachstums, das die meisten Entrepre­neure vorgelegt haben und weiterhin anstreben, sind auch die Mitarbeiter in besonde­rem Maße gefordert, sich aktiv in die Unternehmensbereiche und ­prozesse einzubrin­gen. Die hohe Wettbewerbsintensität stellt die innovationsgetriebenen Unternehmen nicht nur vor technische Herausforderungen. Denn um qualifizierte Mitarbeiter für sich zu gewinnen, zu motivieren und langfristig an das Unternehmen zu binden, zielen die betrieblichen Weiterbildungsangebote weniger auf funktionelle Qualifikationen ab, sondern vielmehr auf die Fähigkeit der Mitarbeiter zu unternehmerischem Denken und Handeln. Daher sind die Entrepreneure bestrebt, dass die Mitarbeiter ihr kreatives Potenzial entfalten, um sowohl die Leistungsmotivation als auch die Innovationskraft des Unternehmens zu stärken. Für Prof. Götz W. Werner, Inhaber der dm­drogerie­markt­Kette und deutscher „Entrepreneur des Jahres 2008“, ist es wichtig, „dass sich die Beteiligten biografisch entfalten können, so dass die soziale Kompetenz zum Tra­gen kommen kann. Einer der Versuche, künstlerisches Schaffen einzubringen, ist Aben­teuer Kultur als ein fester Bestandteil der dm­Ausbildung. Konkret üben sich unsere Lernenden an literarischen Vorlagen in achttägigen Theaterworkshops, die stets in eine Aufführung vor Kollegen, Verwandten und Freunden münden.“

In den letzten 20 Jahren sind weltweit mehrere Hunderttausend Entrepreneure für den Wettbewerb von der Jury unter die Lupe genommen worden. Nur die Besten haben den Sprung auf das Siegertreppchen geschafft. Etwa Kemal Sahin, der erste deutsche Sieger: Sein Textilunternehmen Santex bildet eine Brücke zwischen der Türkei und Deutschland und zeigt, dass gute Geschäfte beiden Seiten Gewinn bringen. Metin Colpan, „Entrepre­neur des Jahres 1998“, erfand wiederum eine billige Methode zur Isolierung von Nuklein­säuren, die Forscher benötigen. Die von ihm gegründete Qiagen ist mittlerweile Welt­marktführer und ein Börsenstar der Biotech­Branche. Roland Mack, „Entrepreneur des Jahres 2003“, machte hingegen die Not erfinderisch. Auf der Suche nach einem Ausstel­lungsgelände für Achterbahnen wuchs eine Geschäftsidee – der Europa­Park in Rust gehört heute zu den größten Freizeitparks Europas und ist wichtigster Arbeitgeber Südba­dens. Aber auch bekannte Namen aus den USA, die unsere Gesellschaft heute nachhaltig verändert haben, zählen zu den Ausgezeichneten. Howard Schultz, der Gründer von Star­bucks, der weltweit größten Kette von Coffeeshops, hat ebenso die Auszeichnung erhal­ten wie Jeff Bezos, der Gründer des Internetkaufhauses Amazon.

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Fünf Unternehmer, die für die Bandbreite ausgezeichneter Entrepreneure stehen. Allen gemeinsam ist, so die zentrale Erfahrung aus dem Wettbewerb, dass sie sich mit Alltägli­chem nicht zufriedengeben und mit Ideen ihre Umgebung verbessern wollen. Für dieses Ziel bilden sie starke Teams, vertrauen auf ihre Spezialisierung und auf Innovationen.

Was Entrepreneure und Ausnahmesportler gemeinsam haben, ist der Wille, anderen durch Exzellenz ein Vorbild zu sein und dabei immer wieder das scheinbar Unmögliche mög­lich zu machen.

Der mit Abstand erfolgreichste Sportler der Olympischen Sommerspiele 2008 war der US­amerikanische Schwimmer Michael Phelps; er startete in acht Disziplinen, gewann acht Goldmedaillen und stellte dabei sieben Weltrekorde sowie einen weiteren olympi­schen Rekord auf. Außerdem wurde Phelps wegen seiner acht Medaillen und der sechs bei den Olympischen Sommerspielen 2004 errungenen zum erfolgreichsten Olympioni­ken aller bisherigen Spiele. „Bei meinem Programm muss ich an Schnelligkeit und Aus­dauer zugleich arbeiten – und das für vier Schwimmstile. Talent alleine reicht da nicht. Da steckt eine Menge harte Arbeit dahinter. Und viel Hingabe.“

In Phelps‘ Jugend wurde bei ihm ADHS diagnostiziert. Um überschüssige Energie loszu­werden und auch durch den Einfluss seiner älteren Schwestern, begann Phelps im Alter von sieben Jahren zu schwimmen. Die massiven Leistungssprünge im Schwimmen lassen immer wieder den Verdacht des Hormon­Dopings aufkommen. Als mögliche Erklärung kommen aber auch technologische Fortschritte bei Schwimmanzügen in Betracht, die den Schwimmern Wettbewerbsvorteile verschaffen. Phelps‘ überragendes Abschneiden bei den Olympischen Spielen 2008 könnte so auch durch die damalige Nichtverfügbar­keit der neuesten Entwicklungen bei Konkurrenzschwimmern begünstigt worden sein.

Quelle: EY