unfallentstehung und unfalluntersuchung ein ansatz aus der ... · so entsteht die gewohnheit...

MIPA SE

Unfallentstehung und Unfalluntersuchung –

ein Ansatz aus der betrieblichen Praxis

Sicherheitsfachkräfte- Tagung Bayern

Deggendorf den 08.05.2018

© MIPA SE, 2018 Dr. Manfred Schramm

• Autolack

• Industrielack

• Holzlack

• Baufarben

• Non Paints

Geschäftsbereiche der Mipa Gruppe


6 Produktions-

Standorte

40 Vertriebs-

Standorte

Ca. 480 MA am

Stammsitz

Ca. 1100 MA in der

Gruppe

Ca. 190 Mio. € Umsatz

pro Jahr in der

Gruppe

Kennzahlen der Mipa Gruppe


Produktionsstandorte der Mipa Gruppe

Deutschland:

MIPA, Essenbach (Bayern)

Feycolor, Regensburg (Bayern)

Herlac, Coswig (Sachsen)

Österreich:

Henelit, Villach

Schweiz:

Streicolor, Frauenfeld

Tschechien:

Mistral, Prag


http://www.feycolor.com/

Arbeitsschutz – ein notwendiges Übel !?

Warum wird Arbeitsschutz oft als Übel empfunden ?

oder

Welche Vorteile hat unsicheres Verhalten?

• Kostet Geld und Zeit

• Ist unbequem

• Wir lassen uns nicht gerne zwingen

• „Gewohnheit“ („das haben wir immer schon so gemacht“)

• „Erfahrung“: („da ist mir noch nie was passiert“)


Entstehung von (Arbeits-) Gewohnheiten

Welche Vorteile hat unsicheres Verhalten?

• schneller

• billiger

• bequemer

• „cooler“; sozial akzeptiert

• einfacher

• man kann seine „Gewohnheiten“ beibehalten

• der Reiz des Verbotenen

• man arbeitet sorgfältiger („weil man aufpassen muss“)

• …

Fazit: Es gibt gute Argumente unsicher zu arbeiten!



Welche Nachteile hat unsicheres Verhalten?

• Gesundheitsschaden

• Kosten (Arbeitszeitausfall)

• …

• rechtliche Konsequenzen

Fazit:

Es gibt zahlenmäßig weniger Argumente um sicher zu arbeiten!


Exkursion: trügerisches Gefühl der Sicherheit

Beispiel 1

Ein Schnelltest für eine gefährliche Krankheit zeigt zu 99,9% das

richtige Ergebnis.

Nach einem positiven Ergebnis glauben wir zu 99,9% erkrankt zu

sein und fühlen uns demensprechend verunsichert. Wir sind jedoch zu 99% gesund.

Begründung: Wenn die genannte Erkrankung sehr selten ist und nur

1: 100.000 Menschen betrifft, werden statistisch gesehen von

100.000 Tests 0,1% = 100 positiv ausfallen, bei (statistisch) nur

einem Krankheitsfall



Beispiel 2

Nach einem Flugzeugunglück (z.B. Germanwings mit 150 Opfern)

entscheiden sich mehr Menschen mit dem Auto zu fahren.

Im Flugzeug fühlt man sich subjektiv unsicher,

im Auto fühlt man sich dagegen subjektiv sicher.

© Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2011

Statistisch und objektiv gesehen ist die Wahrscheinlichkeit (bezogen

auf km) dabei verletzt zu werden aber 919 mal und tödlich verletzt zu

werden 839 mal höher als im Flugzeug!!!



Menschen neigen dazu, Risiken mit kleinen Eintrittswahrscheinlichkeiten

entweder komplett zu über- oder zu unterschätzen.

Fachbegriff aus der Psychologie: „probability neglect“

(Wahrscheinlichkeitsvernachlässigung)


Entstehung von (Arbeits-) Gewohnheiten und Unfällen

Arbeitsaufgabe

Bewusstes Aussuchen

der Lösung

Nachdenken

Sicheres Arbeiten Unsicheres

Arbeiten

Belohnung Keine Belohnung

Arbeitsaufgabe erledigt

Lerneffekt


Arbeitsaufgabe

Unbewusstes Aussuchen der Lösung

Kein Nachdenken

Sicheres Arbeiten Unsicheres Arbeiten



Lerneffekt

Gewohnheit

Unfall Lerneffekt

Arbeitsaufgabe nicht erfüllt

Keine Belohnung

Nachdenken

Verhaltensänderung

Hoffentlich nicht zu spät!



Fazit:

Ich habe (höchstwahrscheinlich) unmittelbare Vorteile wenn ich mich

sicherheitswidrig verhalte, denn ich erhalte eine Belohnung!

Die Folge:

Ich mache es wieder!

Und (höchstwahrscheinlich) erhalte ich wieder eine Belohnung.

(Jedenfalls solange, bis sich ein Unfall ereignet)

usw.

So entsteht die Gewohnheit unsicher zu arbeiten, aber im Gefühl der Sicherheit!



Literaturzitat

„Jede Gewohnheit hat eine unmittelbare, positive Wirkung auf unser subjektives

Wohlbefinden (nicht unbedingt auf unsere Gesundheit, unsere

Leistungsfähigkeit, unseren Erfolg, unsere langfristigen Ziele …).

Gewohnheiten schaffen kurzfristig Befriedigung.

Darin liegt ihre Macht!“ © Charles Duhigg: „Die Macht der Gewohnheit“


Nach dem Unfall - ist vor dem Unfall!

Ursachenanalyse

Aktive Fehler:

• Direkter Handlungsfehler

• Oft Auslöser von Unfällen

• Leicht zu erkennen

• Sofort negative Konsequenzen

Die Ursachenanalyse eines Unfalles endet oft schon hier!



Daraus folgen dann die „klassischen“ Sätze aus dem Unfallbericht:

Unfallursache:

Unachtsamkeit / Fehlverhalten des Mitarbeiters.

Maßnahme:

Der Mitarbeiter wurde erneut unterwiesen / ermahnt….

Maßnahmenkontrolle:

Die Maßnahme war erfolgreich, da sich dieser Unfall in den

folgenden 6 Monaten nicht wiederholte.



Ursachenanalyse

Latente Fehler (unsicheres Verhalten bzw. Situationen)

• Kein direkter Auslöser von Unfällen

• Keine sofortigen negativen Konsequenzen

• Schwer zu erkennen

„In punkto Qualität und Produktivität ist bei uns alles in Ordnung; Sorgen

bereitet uns nur die Einstellung der Mitarbeiter zur Arbeitssicherheit .“

Quelle: Esso – Europa



Ursachenanalyse

Latente Fehler (unsicheres Verhalten bzw. Situationen)

• Kein direkter Auslöser von Unfällen

• Keine sofortigen negativen Konsequenzen

• Schwer zu erkennen

„In punkto Qualität und Produktivität ist bei uns alles in Ordnung; Sorgen

bereitet uns nur die Einstellung der Mitarbeiter zur Arbeitssicherheit .“

„Nur wer in Sicherheit gut ist – ist in ALLEM gut!“ Quelle: Esso – Europa


Änderung von (Arbeits-) Gewohnheiten

Eine immer wieder wiederholte

Belehrung, wie im Bildbeispiel ist

wirkungslos!

Ziel ist, die Arbeitsgewohnheiten

nachhaltig in Richtung

Arbeitssicherheit zu ändern.


Arbeitsaufgabe

Unbewusstes Aussuchen der Lösung

Kein Nachdenken

Sicheres Arbeiten Unsicheres Arbeiten



Lerneffekt

Gewohnheit

Unfall Lerneffekt

Keine Belohnung

Arbeitsaufgabe nicht erfüllt

Nachdenken

Verhaltensänderung

Hoffentlich nicht zu spät!


Gewohnheit!!!



Unsicheres Arbeiten darf nicht mehr zu einer Belohnung führen!

Sicheres Arbeiten muss zu einer Belohnung führen!

So wird sicheres Arbeiten schließlich zur Gewohnheit.

• Wir müssen die Vorteile des unsicheren Arbeitens (und die Nachteile des sicheren

Arbeitens) vermindern.

• Und wir müssen die Nachteile des unsicheren Arbeitens (und die Vorteile des

sicheren Arbeitens ) verstärken/ hinzufügen.



Welche Nachteile hat sicheres Verhalten?

• Langsamer

• Sorgen Sie mit technischen Maßnahmen dafür, dass man genauso

schnell, aber sicher arbeiten kann.

• Teurer

• Rechnen sie dem Mitarbeitern nicht die Kosten des Arbeitsschutzes vor.



Welche Nachteile hat sicheres Verhalten?

• Unbequem

• „Quälen“ Sie Ihre Mitarbeiter nicht mit PSA und wenn sie doch nötig ist,

soll sie passen.

• Belächelt

• Unterbinden Sie konsequent sozialen Druck.

All das sind Führungsaufgaben!



Fügen Sie Gründe ein, die sofort spürbar werden!

Welche Nachteile hat unsicheres Verhalten?

• Gesundheitsschaden

• Kosten (Arbeitszeitausfall)

• …

• rechtliche Konsequenzen



Was können wir konkret tun?

• Sicheres Arbeiten belobigen (auch wenn es mal länger dauert)!

• Es muss „cool“ werden, sicher zu arbeiten!

• Als Führungskraft mit gutem Beispiel vorangehen!!!

• Erklärungen für unsicheres Arbeiten verlangen (es gibt aber nur Ausreden!)!

• …

• In letzter Konsequenz muss es unattraktiv werden, unsicher zu arbeiten!


„TINA“ oder „TATA“?

Bevor man „TINA“ sagt, sollte man sichergehen, dass es nicht auch „TATA“

heißen könnte.

„Es geht nicht anders, als wir das jetzt machen“ kann eine Ausrede, kann aber auch

berechtigt sein.

TINA („There Is No Alternative“)

TATA („There Are Thousands of Alternatives“)



Welche dieser verhaltensbezogenen Maßnahmen am besten wirkt, ist von Mitarbeiter

zu Mitarbeiter verschieden. Es unterliegt dem Gespür der Führungskraft, die

wirksamsten auszuwählen und anzuwenden.

Die wichtigste Maßnahme aber ist:

• Unsicheres Arbeiten sofort ansprechen und nicht dulden!

Eine Führungskraft, die unsicheres Arbeiten duldet, ist Unfallverursacher!


Es gibt viele Argumente unsicheres Verhalten nicht anzusprechen.

Aber es gibt keinen Grund dazu!




Die VISION ZERO ist die Vision einer Welt ohne Arbeitsunfälle und

arbeitsbedingte Erkrankungen.

VISION ZERO heißt aber auch „Null Toleranz“ gegenüber unsicherem Verhalten!


Unmittelbares Ziel ist es, sicheres Arbeiten zur Gewohnheit zu machen.

Unmittelbares Ziel ist es nicht, Arbeitsunfälle zu vermeiden.

Letzteres ist vielmehr die Folge des sicheren Arbeitens.

Verlangen Sie von Ihren Führungskräften nicht, dass sich keine Unfälle mehr

ereignen,

aber:

Verlangen Sie von Ihren Führungskräften, dass Sie

zu 100%

kein unsicheres Verhalten dulden!


unfallentstehung und unfalluntersuchung ein ansatz aus der ... · so entsteht die gewohnheit...

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