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Kommunikation und Umgang mit Patienten Ein Handbuch für Medizinisches Praxispersonal Brigitte Sallmann Denise Ebner Koller Lehrkraftausgabe Medizinischer Lehrmittelverlag Bieri & Weder MUSTER

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Kommunikation und Umgang mit PatientenEin Handbuch für Medizinisches Praxispersonal

Brigitte SallmannDenise Ebner Koller

Lehrkraftausgabe

Medizinischer Lehrmittelverlag Bieri & Weder

MUSTER

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Kommunikation und Umgang mit Patienten - Verlag Bieri & Weder

Brigitte Sallmann, Denise Ebner Koller 2015

Lehrkraftausgabe

2

Kommunikation und Umgang mit Patienten

Schülerausgabe: ISBN 978-3-9524361-2-7

Lehrkraftausgabe: ISBN 978-3-9524361-3-4

© Medizinischer Lehrmittelverlag Bieri & Weder

Ausgabe 2015

Printed in Switzerland

www.myMPA.ch

MUSTER

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Kommunikation und Umgang mit Patienten - Medizinischer Lehrmittelverlag Bieri & Weder

Brigitte Sallmann, Denise Ebner Koller 2015

Lehrkraftausgabe

3

Impressum

Autoren

Brigitte Sallmann ist Berufsschullehrperson an diversen Schulen im Kanton St. Gallen und

Thurgau für med. Berufe.

Denise Ebner Koller lic. phil, ist eidg. anerkannte Psychotherapeutin. Seit 2003 selbständige und

delegierte Psychotherapie in der Praxisgemeinschaft Dr. Peter Grob, Dozentin

für Entwicklungspsychologie und Persönlichkeitsentwicklung, Berufsschul-

lehrperson.

Illustrationen

Iwan Reber ist Illustrator und Cartoonist und leitet zusammen mit seiner Ehefrau die

Firma www.animus-grafik.ch.

Fotos

Gabi Frei-Spirig Fotografin, Berneck, 079 727 93 81, im-blitzlicht.ch

Layout

Daniel Ledergerber ist Marketing- und Kommunikationsspezialist für Angewandte Wissenschaft

und Bildung mit Berufsschullehrerdiplom.

Druck

Schmid Mogelsberg AG Papiere und Drucksachen für Ärzte, 9122 Mogelsberg, Tel. 071 375 60 80,

Fax 071 375 60 81, www.schmid-mogelsberg.ch

Verlag

Bieri & Weder Med. Lehrmittelverlag Bieri & Weder, 9444 Diepoldsau, www.mympa.ch

Dank

Wir danken allen Personen, die uns bei der Erarbeitung dieses Lehrmittels unterstützt haben, insbesondere Bruno Spirig und Josiane Weder, sowie

Marcel Frei für Unterstützung bei den Fotoaufnahmen – Elsbeth Hofer, Thalwil für ihrer Lektoratsarbeit.

www.mympa.ch

Auf unserer Homepage bieten wir Lernenden wie Lehrpersonen

eine zusätzliche Dienstleistung an – dies als optimale Ergänzung

zum Lehrmittel.

• Fragenkatalog inkl. Lösungsvorschläge zu allen Kapiteln im Lehrmittel

• Fragenkatalog zu fast allen Unterrichtsfächern (Röntgen, Italienisch,

Pharmakologie, Anatomie, Pathologie)

• E-Learningsystem für eine optimale Prüfungsvorbereitung resp.

Vorbereitung auf das Qualifikationsverfahren (QV, früher LAP)

Bestellung

www.mympa.ch: Hier finden Sie die Möglichkeit, Ihre Lehrmittel schnell und unkompliziert zu bestellen.

Alle Rechte vorbehalten.

Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Lehrmittel oder Teile daraus in irgendeiner Weise zu reproduzieren.

MUSTER

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Brigitte Sallmann, Denise Ebner Koller 2015

Lehrkraftausgabe

5

Vorwort

«Kommunikation bedeutet die gelungene Verständigung mittels

Wort, Schrift, Geste und Emotion unter dem Bewusstsein der

individuellen Kultur aller Beteiligten.»

© Björn Bellmann (*1967), Konzeptredakteur, Coach, Ethnologe

Kommunikation umfasst alle Fähigkeiten des Menschen, sich anderen mitzuteilen und andere

zu verstehen. Sie ist das Mittel, um Botschaften, Wünsche, Erwartungen und Gefühle auszu-

tauschen.

Im Berufsalltag werden so alltägliche und selbstverständliche Fähigkeiten wie Kommunika-

tion immer bedeutender dafür, wie gut und erfolgreich Sie den Praxisalltag, den Umgang mit

Patienten und den Alltag im Team gestalten.

Dieses Lehrmittel soll Ihnen helfen, im Berufsalltag und im privaten Leben die eigenen

Wünsche, Botschaften, Gefühle mitzuteilen, aber auch die des anderen zu lesen resp. zu

deuten und damit umzugehen.

Aber nicht nur die Einführung in die Grundlagen der Kommunikation ist unser Ziel mit diesem

Lehrmittel, zugleich versuchen wir erfolgreiche Strategien in schwierigen Situationen aufzu-

zeigen.

Med. Lehrmittelverlag Bieri & Weder

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Lehrkraftausgabe

6

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ___________________________________________________________________________ 9

2 Wahrnehmung _______________________________________________________________________ 10Wahrnehmung im Alltag ............................................................................................................. 11

Stufen der Wahrnehmung ........................................................................................................... 11

Selektive Wahrnehmung ............................................................................................................. 12

Das Umfeld .............................................................................................................................. 14

Einstellungen und Vorurteile ...................................................................................................... 15

3 Nonverbale Kommunikation – Körpersprache ______________________________________________ 19Grundlagen der Körpersprache ..................................................................................................... 19

4 Verbale Kommunikation _______________________________________________________________ 41Das Sender-Empfänger-Modell ..................................................................................................... 41

Paul Watzlawick ........................................................................................................................ 43

Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun ................................................................................ 44

Die 4 Arten des Hörens .............................................................................................................. 47

Explizite und implizite Botschaften.............................................................................................. 49

Passives und aktives Zuhören ...................................................................................................... 50

ICH – DU – Botschaften ............................................................................................................. 54

Kommunikationsmuster .............................................................................................................. 58

Was tun, wenn man sich angegriffen fühlt? ................................................................................... 62

5 Fachbezogene Kommunikation _________________________________________________________ 63Anweisungen und Anleitungen .................................................................................................... 63

Zielorientierte Gespräche führen .................................................................................................. 65

Vermitteln von Informationen ..................................................................................................... 65

Der Patient am Telefon ............................................................................................................... 71

Bedürfnispyramide nach Maslow .................................................................................................. 72

Bedürfnisse bei Krankheit ........................................................................................................... 76

6 Patientenbeziehung __________________________________________________________________ 79Haltung gegenüber dem Patienten .............................................................................................. 79

Konsultationen ......................................................................................................................... 83

Beobachtung des Patienten ........................................................................................................ 84

Die richtigen Fragen stellen ........................................................................................................ 87

7 Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation _________________________________________ 89Konzept der Gesundheit ............................................................................................................. 89

Umgang mit spezifischen Patientengruppen................................................................................... 92

Unheilbare Erkrankungen und Tod ...............................................................................................101

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Lehrkraftausgabe

7

8 Patiententypen _____________________________________________________________________ 107Der Nörgler .............................................................................................................................107

Der Besserwisser ......................................................................................................................108

Der Angsthase .........................................................................................................................109

Aufdringliche Patienten ............................................................................................................110

Schamlose Patienten ................................................................................................................110

Bekannte des Chefs ..................................................................................................................110

9 Entwicklungspsychologie _____________________________________________________________ 111Lebenszeit von Emma ...............................................................................................................111

Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung ...............................................................................119

10 Rechte der Patientinnen und Patienten, Schweigepflicht __________________________________ 133Rechte des Patienten ................................................................................................................133

Pflichten des Patienten .............................................................................................................134

Datenschutz und Schweigepflicht ................................................................................................134

11 Arbeiten im Team ___________________________________________________________________ 137Mein Team ..............................................................................................................................137

Teamarbeit und Rollenverteilung ...............................................................................................139

Die Entwicklungsphasen eines Teams ...........................................................................................140

Johari-Fenster nach Joseph Luft und Harry Ingham .......................................................................142

Feedback ................................................................................................................................145

Konflikte in der Praxis ..............................................................................................................148

Das Konfliktgespräch ................................................................................................................153

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Lehrkraftausgabe

8

Gesucht

Medizinische Praxisassistent/in (MPA) in der Orthopädie und Trau-matologie 80-100%

Voraussetzungen für diese Aufgabe sind eine abgeschlossene Ausbildung zur medizinischen Praxisassistentin (MPA) sowie mindestens 3 Jahre Berufserfahrung, von Vorteil in einer orthopädischen oder chirurgischen Praxis. EDV-Kenntnisse (MS Office sowie Vitomed), Kenntnisse in medizinischer Terminologie wie auch gute Deutschkenntnisse sind Voraussetzung. Französisch- und Englisch-kenntnisse sind von Vorteil. Hohe Flexibilität in den anfallenden Aufgaben, grosse Einsatzbereitschaft und eine exakte und effiziente sowie selbständige Arbeitsweise gehören zu Ihren Stärken. Gute kom-munikative und organisatorische Fähigkeiten sowie proaktives Denken runden Ihr Profil ab…

Offene Stelle

Medizinische Praxisassistentin (Au-genarzt) 60-80%

Der Aufgabenbereich setzt sich schwerpunktmässig wie folgt zusammen:Praxisadministration• Empfang der Patienten• Gesichtsfelduntersuchungen• je nach Ausbildung weitere optische Messungen

Wir wünschen uns einekommunikative Persönlichkeit mit guten Umgangs-formen und viel Freude am Beruf, abgeschlossener Ausbildung als MPA mit ein paar Jahren Berufser-fahrung. Organisationstalent, Flexibilität und Be-lastbarkeit, hohe Sozialkompetenz sowie Humor werden geschätzt…

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Lehrkraftausgabe

9

Einleitung

1 Einleitung

Sechs weise Männer aus Indien trafen auf ein Tier. Sie tasteten sorgfältig seine Gestalt ab,

denn sie waren blind.

Der Erste befühlte den Zahn und sagte: «Mir scheint, dass dieses Prachtstück von einem

Tier einem Speer gleicht.»

Der Zweite tastete die Flanke der Kreatur ab und meinte: «Ich weiss schon, was wir alle vor

uns haben: hoch und flach, das ist wie eine Wand.»

Der Dritte meinte, nachdem er ein Bein ergriffen hatte: «Dieses Geschöpf ist wie ein

Baum.»

Der Vierte bekam die Nase zu fassen und sprach: «Dieses Wesen ist in Wirklichkeit eine

Schlange.»

Der Fünfte bekam ein Ohr zu fassen. Er liess seine Finger darüber gleiten und rief: «Dieses

Tier ist wie ein Fächer.»

Der Sechste stiess bei seinem Suchen auf den Schwanz und tastete ihn ab: «Hört meine

Entscheidung: Dieses Tier ist wie ein Seil.»

… und so stritten die sechs Männer lange und unerbittlich über die Gestalt des Tieres.

… und obwohl jeder teilweise recht hatte, irrten sie alle.

Richtziel 1.1.1.1

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Lehrkraftausgabe

Wahrnehmung

10 Wahrnehmung

2 Wahrnehmung

Wahrnehmung bedeutet die bewusste und unbewusste Aufnahme von Informationen über die

Sinne. Wir nehmen mit Augen, Ohren, Haut, Nase, Zunge und dem Innenohr wahr – erst wenn

wir etwas mit allen Sinnen aufgenommen haben, nehmen wir vollumfänglich wahr.

Man unterscheidet folgende Sinneswahrnehmungen des Menschen:

Visuelle Wahrnehmung (Sehen)• dient der Wahrnehmung von visuellen Reizen wie Farbe, Formen, Linien, Helligkeit,

Kontrast, Bewegung und Räumlichkeit.

Das zuständige Sinnesorgan ist das Auge.

Auditive Wahrnehmung oder akustische Wahrnehmung (Hören)• dient der Wahrnehmung von Tönen, Klängen, Geräuschen und Schall (sehr laute

Schallereignisse können jedoch mit dem ganzen Körper wahrgenommen werden).

Das zuständige Sinnesorgan ist das Ohr.

Sensibilität (Tastsinn, Gefühl)• dient der Wahrnehmung von (körperlichen) Gefühlen wie Kälte, Hitze, Härte und

Berührungen.

Für diese Sinneswahrnehmung ist die Gesamtheit aller Tast-, Wärme- und Kälte-

Rezeptoren zuständig.

Olfaktorische Wahrnehmung (Geruch)• dient der Wahrnehmung von Duft- und Riechstoffen. Geruchswahrnehmungen

werden im Gedächtnis stark mit Emotionen assoziiert.

Das zuständige Sinnesorgan ist die Nase.

Gustatorische Wahrnehmung (Geschmack)• dient der Wahrnehmung des Geschmacks der Nahrung z. B. bitter, süss, sauer, salzig.

Das zuständige Sinnesorgan ist die Zunge.

Vestibuläre Wahrnehmung (Gleichgewichtssinn)• dient der Wahrung des Gleichgewichts, der Kontrolle von Bewegungen und Lagever-

änderungen.

Das zuständige Sinnesorgan ist das Gleichgewichtsorgan.

Wahrnehmung

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Brigitte Sallmann, Denise Ebner Koller 2015

Lehrkraftausgabe

Wahrnehmung im Alltag 11

Wahrnehmung

2.1 Wahrnehmung im Alltag

Unsere Sinne nehmen täglich eine Vielzahl von Informationen aus der Umwelt auf. Wir sind

ständig Sinnesreizen ausgesetzt, welche wir gar nicht alle vollumfänglich wahrnehmen

können. Wir wären überfordert und könnten uns kaum mehr auf etwas konzentrieren.

2.2 Stufen der Wahrnehmung

Es gibt insgesamt 3 Stufen der Wahrnehmung:

1. Aufnahme eines Reizes und Weiterleitung ans Gehirn.

2. Einschätzung der Grösse, der Form, der Bewegung, der Entfer-

nung und Ausrichtung eines Gegenstandes.

Dabei werden Eindrücke wahrgenommen und vor allem auch

Gefühle ausgelöst (ein warmes Gefühl ums Herz, Ekel, Freude,

Sympathie, sich abgestossen fühlen etc.)

3. Den wahrgenommenen Dingen werden bestimmte Bedeutungen

zugewiesen, indem wir interpretieren.

2.2.1 Arbeitsteil

Unsere Meinung beginnt in unseren Köpfen. Beschreiben Sie diese Personen.

Wahrnehmung im Alltag

Stufen der Wahrnehmung

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Lehrkraftausgabe

Wahrnehmung

12 Wahrnehmung

2.3 Selektive Wahrnehmung

Würden wir alle Farben, Gerüche, Geräusche, überhaupt alle Eindrücke aus unserer Umwelt

immer vollumfänglich wahrnehmen, wären wir überfordert. Die selektive Wahrnehmung

schützt uns davor, gleichzeitig birgt sie eine Gefahr, nämlich, dass wir Fehler machen.

Sinneswahrnehmung

Die Schlussfolgerung kann also nur heissen, vorsichtiger und zurückhaltender zu sein, im

Bezug auf das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen (oder nicht wahrnehmen) und

was für Schlussfolgerungen wir daraus ziehen.

Die Grenzen der sinnlichen Wahrnehmung der Wirklichkeit müssen erkannt werden, sonst

kann es zu fatalen Fehleinschätzungen kommen.

Um Sie, bezüglich Ihres Vertrauens in Ihre Sinneswahrnehmungen ein wenig nachdenklich zu

machen, hier ein paar Beispiele. Vermutlich sehen Sie manchmal etwas, was nicht ist oder

sehen etwas nicht, was ist.

2.3.1 Arbeitsteil

Sehen Sie eine junge oder eine alte Frau?

Ihr erster Eindruck könnte von Bedeutung sein.

Junge Frau:Kopf zur Seite gewandt

Alte Frau:Hakennase, hervorstehendes Kinn

Was für ein Tier ist hier zu sehen?

Zu Ostern antworteten 77% der Befragten im Zürcher Zoo, dass sie einen Hasen sehen würden. Im Herbst tippten 88% auf einen Vogel (Gans, Ente, Storch).

Selektive Wahrnehmung

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Selektive Wahrnehmung 13

Wahrnehmung

Erscheinen graue Punkte in den Gitternetzkreuzen?

Sehen, was gar nicht da ist.

An den Schnittstellen der weissen Linien zwischen den Quadraten erscheinen kleine, graue Punkte. Wenn Sie jedoch versuchen, einen dieser Punkte zu fixieren, verschwindet dieser.

Was sehen Sie hier?

Auch das ist eine mehrdeutige Darstellung.

Haben Sie beide Figuren einmal wahrgenommen, können Sie die eine

nicht mehr fixieren, ohne dass die andere von Zeit zu Zeit ins Blickfeld

rückt.

Darstellung eines Eskimos mit Iglu im Hintergrund oder einen Indianer mit Kopfschmuck.

Wie viele Dreiecke sehen Sie hier?

Hintergrundtäuschungen und wechselhafte Abbildungen.

Es sind keine vollständigen Dreiecke vorhanden. Unser Auge neigt dazu Lücken zu füllen und somit können 2, 6, 8 oder gar kein Dreieck zu sehen sein.

Können Sie Ihrer Wahrnehmung trauen?

Zumindest ist Vorsicht angesagt und vorschnelles Urteilen fehl am Platz.

Es gibt eine Reihe von Wahrnehmungsfehlern, denen jeder Mensch ausgesetzt ist – ähnlich

wie bei den optischen Täuschungen der Sinneswahrnehmung. Diese Fehler zu kennen, kann

helfen, Menschen objektiver zu beurteilen und Vorurteile zu vermeiden.

Unsere Ur-Vorfahren mussten innerhalb von Augenblicken erkennen, ob ihr Gegenüber einen

potenziellen Partner, Freund oder Feind darstellen könnte. Auch war es wichtig, ein neues

Mitglied in der Gruppe gleich auf eine mögliche Position einschätzen zu können.

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Lehrkraftausgabe

Wahrnehmung

14 Wahrnehmung

2.3.2 Arbeitsteil

In welchen Situationen müssen Sie selbst schnell entscheiden und wie reagieren Sie?

2.4 Das Umfeld

Ein Mensch fühlt sich sicherer und selbstbewusster, wenn er sich unter Menschen befindet,

die er als gleichwertig oder unterlegen empfindet. Begegnet er Menschen, die er als besser,

intelligenter, schöner (je nach Vergleichsmassstab) einschätzt, fühlt er sich minderwertig.

Wie bereits erwähnt findet zu jedem Zeitpunkt eine Auswahl der Sinneseindrücke statt.

Welche Faktoren sind es nun, die diese Auswahl beeinflussen – was bestimmt, verzerrt oder

verändert unsere Wahrnehmung?

• Frühere Erfahrungen Beispiel: Wer von einem Hund gebissen wurde, nimmt Hunde eher als gefährlich

wahr.

• Erwartungen Beispiel: Ein weit entferntes Objekt auf dem Meer wird als Schiff wahrgenommen.

Bekanntes wird eher gesehen als Fremdes. Irritierend wäre hingegen eine blaue

Zitrone.

• Vorurteile/Einstellungen

Beispiel: Wenn ein egoistischer Mensch sich einfühlsam und uneigennützig verhält,

nimmt man dieses Verhalten nicht wahr oder unterstellt ihm egoistische Motive.

• Interessen/Motive

Beispiel: Beim Autofahren nimmt der Fahrer andere Dinge wahr als der Beifahrer.

• Körperlicher Zustand Beispiel: Ablenkung der Aufmerksamkeit durch Schmerzen oder Müdigkeit –Senkung

der Wahrnehmungsschwelle.

• Gefühle/Stimmungen

Beispiel: Einem ängstlichen Menschen erscheint die Umwelt bedrohlich – einem

wütenden Menschen aggressiv – Verliebte sehen alles durch die «rosa Brille».

Das Umfeld

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Einstellungen und Vorurteile 15

Wahrnehmung

Einstellungen und Vorurteile

2.5 Einstellungen und Vorurteile

Eine persönliche Einstellung ist die Bereitschaft, bestimmte Menschen, Situationen, Gruppie-

rungen und Objekte in einer bestimmten Art und Weise wahrzunehmen und dementsprechend

zu reagieren.

Beispiel:

Sie sind misstrauisch einer neuen Kollegin gegenüber, da diese Sie an eine ehema-

lige Bekannte erinnert – die eine sehr faule Person war. Als Sie eines Morgens in die

Praxis kommen, liest die neue Kollegin Zeitung, trinkt Kaffee und hat die Füsse auf

dem Schreibtisch liegen. Was denken Sie? «Ich habs gleich gewusst!» … ohne zu

hinterfragen, was die Kollegin heute vielleicht schon geleistet hat.

Häufig genügt ein einzelnes Merkmal, um eine bestimmte Person zu beurteilen.

2.5.1 Aufgabe

Was fällt Ihnen zu folgenden Personen ein?

Hilfsarbeiter/innen

Manager/innen

Geschiedene Personen

Polizisten/innen

Behinderte

Psychologen/innen

Alte Menschen

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Lehrkraftausgabe

Wahrnehmung

16 Wahrnehmung

2.5.2 Wie entstehen Vorurteile?

Unsere Wahrnehmung ist ein subjektives Bild der Wirklichkeit. Dabei können Fehler

entstehen, weil die subjektive Wirklichkeit nicht der objektiven Welt entspricht.

Interpretationsfehler

Wir gehen davon aus, dass Personen, die bestimmte Ähnlichkeiten mit uns haben (gleiches

Hobby, in der gleichen Stadt geboren, gleiche politische Einstellung) auch in anderen

Bereichen wie wir selber denken. Aber das muss überhaupt nicht sein: Wer dasselbe Hobby

hat wie ich, kann eine vollkommen andere Weltanschauung haben.

Primacy-Effekt

Diesen ersten Eindruck bilden wir in Sekundenschnelle, wenn wir jemanden kennenlernen.

Ein neuer Patient betritt die Praxis, ich sehe ich kurz an und habe sofort ein Bild von ihm.

Ich sehe bei einem Bewerbungsgespräch zum ersten Mal meinen neuen Chef und finde ihn

sympathisch oder bin eingeschüchtert.

Halo-Effekt

Im Gegensatz zum Primacy-Effekt beruht der Halo-Effekt nicht auf dem ersten Eindruck,

sondern konzentriert sich auf eine hervorstechende Eigenschaft. Eine Person, die immer sehr

laut spricht, wirkt auf mich unsympathisch, weil sie sich in den Vordergrund stellt. Dass

dieselbe Person sehr hilfsbereit sein kann und sich gut in andere einfühlen kann, nehme ich

auf Grund der hervorstechenden Eigenschaft «sehr laute Stimme» gar nicht mehr wahr.

Soziale Stereotype

Dabei verurteilen wir Menschen alleine wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit. So existiert z. B.

das Vorurteil, dass alle jungen Menschen sowieso egoistisch sind. So wird einer Person, nur

weil sie jung ist, von vorneherein diese Eigenschaft zugeordnet: «Die Jungen denken sowieso

nur an sich.» Dieses Denken ist stereotyp, also starr und verallgemeinernd. Auf eine Einzel-

person aus einer bestimmten Gruppe angewendet, stimmt das sicher nicht.

Wie entstehen Vorurteile?

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Lehrkraftausgabe

Einstellungen und Vorurteile 17

Wahrnehmung

2.5.3 Arbeitsteil

Wahrnehmung des GegenübersSuchen Sie zu den einzelnen Wahrnehmungsfehlern ein Beispiel aus Ihrem Praxisalltag. Das

kann ein Beispiel sein, das die Patientinnen und Patienten betrifft (cave: Schweigepflicht!)

oder aber Ihre Arbeitskolleginnen oder Ihren Arbeitgeber betreffend. Stellen Sie Ihre

Beispiele einer Kollegin vor.

Interpretationsfehler

Halo-Effekt

Soziale Stereotype

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Lehrkraftausgabe

Wahrnehmung

18 Wahrnehmung

Reframing

Was tun, wenn wir einmal ein hartnäckiges Vorurteil gegenüber einer Person einfach nicht

loswerden? Hier kann das Reframing als Technik helfen, das Vorurteil aufzuweichen und eine

starke Eigenschaft einer Person neu zu sehen. Zum Beispiel die faule Kollegin vom Anfang des

Kapitels: Wir können auch wahrnehmen, dass sie das Leben zu geniessen weiss, sich nicht

stressen lässt, es ruhig angehen kann. Ein Reframing kann als positive Sichtweise einer

vorerst als negativ wahrgenommenen Eigenschaft gesehen werden. Ein Reframing kann aber

auch eine Erklärung für eine bestimmte Verhaltensweise sein. Beispiel: Eine Person ist sehr

geizig – vielleicht hat sie wenig Geld.

2.5.4 Arbeitsteil

ReframingMachen Sie bitte zu folgenden negativen Begriffen ein Reframing:

Adjektiv Reframing

aggressiv kann sich durchsetzen

kleinlich ist sorgfältig

geizig ist sparsam

verschwenderisch ist grosszügig

faul kann geniessen

ungeduldig kann schnell denken

Das Wichtigste in Kürze• Wahrnehmung passiert in Sekundenschnelle, deshalb kann es Fehler geben.

• Es kommt zu Vorurteilen.

• Vorurteile lassen sich nicht verhindern – wenn wir sie jedoch kennen, können wir

sie korrigieren.

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Lehrkraftausgabe

Grundlagen der Körpersprache 19

Nonverbale Kommunikation Körpersprache

3 Nonverbale Kommunikation Körpersprache

Die Sprache gilt als das zentrale menschliche Kommunikationsmittel. Doch oft erkennen wir

auch ohne sie, wie sich unser Gegenüber fühlt, was er denkt oder verschweigt – dank zahl-

reicher, fein nuancierter nonverbaler Signale unseres Körpers. Ein strafender Blick, ein

sanftes Streicheln der Haare reichen oft aus, um uns eine bestimmte Botschaft zu vermitteln.

Manche dieser Signale senden wir bewusst, viele jedoch, ohne es zu merken. Gemeinsam ist

allen: Sie werden blitzschnell verstanden und sind darum ein zentraler Aspekt menschlicher

Interaktion: «Ich sehe, was du fühlst».

3.1 Grundlagen der Körpersprache

Ein wesentlicher Bestandteil des zwischenmenschlichen Verhaltens ist die Körpersprache. Sie

steuert die menschlichen Beziehungen ohne Sprache, bewusst und unbewusst. Es ist sogar

so, dass nur rund 20 % der Kommunikation verbal abläuft – 80 % sind nonverbal.

Die Körpersprache ist unterteilt in verschiedene Teilbereiche nonverbaler Kommunikation:

• Mimik

• Gestik

• Körperhaltung und -bewegung

• Tonfall

• räumliches Verhalten (Nähe/Distanz)

Durch den Ausdruck der Augen, die Stellung der Mundwinkel, die Bewegung der Hände, die

Haltung von Armen und Beinen verraten Menschen eine Menge über ihre Gedanken und ihre

Ängste. Im weitesten Sinne gehören auch Eigenschaften wie Körperfülle, Kleidung, Stimme,

Frisur und sogar Details des Gesichts zu den Informationsquellen, aus denen man auf Charak-

tereigenschaften oder Stimmungen schliessen kann.

Verhalten wird nur zum Teil bewusst gesteuert. Es wird vom Unterbewusstsein und von vielen

Kleinigkeiten, die oft dem Gefühl zugeschrieben werden, angetrieben. Das Gegenüber nimmt

das nonverbale Verhalten teilweise bewusst, aber zu einem grossen Teil unbewusst wahr. Es

interpretiert und reagiert darauf.

Grundlagen der Körpersprache

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Nonverbale Kommunikation Körpersprache

20 Nonverbale Kommunikation Körpersprache

Einflüsse auf die Körpersprache

Individuelle Einflüsse Unser Denken hat ebenfalls einen Einfluss auf die Körpersprache. Welche Erfahrungen wir in

unserem Leben bereits gemacht und welche persönlichen Ansichten (Urteile, Vorurteile) wir

haben, prägen unsere Körpersprache.

Allein schon die Erwartungen, die man an einen anderen Menschen stellt, können bereits

dessen Verhalten beeinflussen.

Natürlich gibt es gewisse Gewohnheiten, die berücksichtigt werden müssen.

Berufssoldaten oder Hotelportiers haben ihre Prägungen erhalten. Der eine durch eine

funktionale, präzise Form des Auftretens und Bewegens, der andere durch ständiges

Zurschaustellen von Zuvorkommenheit und Höflichkeit. Das jahrelange Unterdrücken bzw.

Vorspielen von Körpersprache beeinflusst deren grundsätzliches Verhalten in allen Lebenssi-

tuationen, nicht nur im Beruf.

Äussere ErscheinungDie äussere Erscheinung hat eine (fast zu) grosse Bedeutung für den ersten Eindruck. Je

nachdem, welche Wertigkeit Kleidung und Aussehen haben, werden unter Umständen schon

damit die Weichen für die nonverbalen Äusserungen gestellt. Zur äusseren Erscheinung

zählen Kleidung, Schmuck, Frisur, Figur, Abzeichen usw. Alles zusammengenommen hat

tatsächlich einen gewissen Aussagewert – vielleicht möchte die Person durch ihre Kleidung

oder Frisur eine Gruppenzugehörigkeit oder ihren Status zeigen? Die aufgezählten Dinge sind

beeinflussbar und unterliegen in der Regel der persönlichen Kontrolle. Dabei können solche

Zeichen das Verhalten beeinflussen: Menschen, die eine Uniform tragen, verhalten sich

anders, wenn sie Freizeitkleidung tragen. Manche Berufe werden eben deshalb gewählt, weil

eine Uniform einen gewissen Status verleiht.

Auch körperliche Merkmale, die nicht unserer persönlichen Kontrolle unterliegen, können bei

anderen zu unmittelbaren Reaktionen führen. Vergleichbar den kulturellen Vorurteilen,

haben die meisten Menschen ein Schubladendenken in Bezug auf die äussere Erscheinung:

Dicke gelten als gemütlich, athletisch gebauten Menschen wird Selbstsicherheit und Durch-

setzungsvermögen unterstellt.

Alles an uns kommuniziertMeistens sind wir uns der Interaktion ausserhalb der Sprache gar nicht bewusst. Nonverbale

Zeichen schleichen sich automatisch in unser Verhalten ein. So denken wir gewöhnlich nicht

nach, bevor wir uns an der Nase kratzen oder mit den Schultern zucken. Zuweilen wundern

wir uns daher auch über die scheinbar plötzlichen Reaktionen anderer, die eigentlich nur eine

Antwort auf unser unbemerktes Verhalten sind. Andere verstehen diese Bewegungen jedoch

als unmissverständliche Botschaften: «Mir stinkt's!» oder «Ist mir doch egal!»

Einflüsse auf die Körpersprache

MUSTER

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Grundlagen der Körpersprache 21

Nonverbale Kommunikation Körpersprache

Es gibt aber auch Gesten und Körperbewegungen, die bewusst in die Sprache eingebaut

werden können, um beispielsweise bestimmte Wörter zu betonen oder zu ersetzen. In einer

Diskothek, in der wegen der lauten Musik Gespräche unmöglich sind, kann so die halb

geöffnete Faust mit einer Bewegung Richtung Mund das Trinken aus einem Glas simulieren.

3.1.1 Aufgabe

Kennen Sie weitere Gesten oder Körperbewegungen, die bestimmte Aussagen unterstützen?

Machen sie einige Beispiele dazu.

Manchmal setzen wir auch bewusst mit unserem Körper falsche Signale – etwa mit einem

höflichen Lächeln, auch wenn wir eigentlich genervt sind.

Aber es geht beim Verständnis der Körpersprache nicht nur um wenige Grundregeln,

sondern um das Zusammenwirken vieler Einzelheiten. Nur durch sorgfältiges Beobachten des

Umfeldes kann der Gefahr grober Missdeutungen begegnet werden.

Es mag sein, dass Körpersprache sehr eindeutig ist, aber sie ist gewiss nicht eindeutig zu

deuten. Dazu kennt man in jeder Situation einfach zu wenige Details. Verschiedene Menschen

verhalten sich nicht zwangsläufig gleich.

Sowohl im Privatleben als auch im Beruf kommt es nicht nur darauf an, was jemand sagt,

sondern auf die unbewussten Signale seines Körpers. Diese sind oft ehrlicher und man ist

auch bereit, diesen Signalen – wiederum unbewusst – viel mehr Glauben zu schenken. Es ist

wichtig, solche Signale richtig zu deuten.

MUSTER

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Nonverbale Kommunikation Körpersprache

22 Nonverbale Kommunikation Körpersprache

Für denjenigen, der Körpersprache verstehen will, gilt immer: Jemand, der sich seiner

eigenen körpersprachlichen Signale nicht bewusst werden kann, wird die Signale anderer nie

sehr exakt registrieren können. Je mehr Einfühlungsvermögen ein Mensch in die eigene

Gefühlswelt hat, desto mehr wird er auch für die anderer entwickeln können.

Das Wichtigste in Kürze• Ein grosser Teil unserer Kommunikation geschieht ohne Worte – durch Mimik,

Gestik und Körpersprache.

• Nonverbale Signale sind meist unbewusst.

• Körpersprachliche Zeichen können auch bewusst eingesetzt werden, um Wörter

beispielsweise mit Gesten zu betonen oder lautsprachliche Ausdrücke zu

ersetzen.

3.1.2 Mimik

Jeder Mensch zeigt seine Gefühle über die Mimik in seinem Gesicht, ob er will oder nicht. Das

Antlitz des Gegenübers verrät viel über dessen Seelenleben, man kann dessen Gefühle und

Gedanken teilweise ablesen. Schon Babys können Gesichtsausdrücke deuten!

Mit Mimik ist die Bewegung der Gesichtsmuskulatur gemeint, also der Gesichtsausdruck.

Auch die Gesichtsfarbe sagt uns einiges: Ist jemand bleich, kann dies Angst oder Nervosität

bedeuten – hat jemand ein gerötetes Gesicht, signalisiert dies Wut oder Aufregung.

Studien haben gezeigt, dass ein bestimmtes Mimik-Repertoire allen Menschen auf dieser Welt

gemeinsam ist, ob sie nun Japaner, Schweizer oder Inder sind. Auch Menschen, die von

Geburt an blind sind, zeigen eine identische Mimik.

Neueste Forschungen zeigen allerdings, dass es auch Unterschiede zwischen den einzelnen

Kulturen gibt.

Mimik

MUSTER

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Nonverbale Kommunikation Körpersprache

Die Basisemotionen sind: Freude, Trauer, Wut, Angst, Überraschung, Ekel und Verachtung(nach Dr. P. Ekman)

Freude Ein echtes Lachen beinhaltet immer:

• Lachfältchen, Krähenfüsse• hochgezogene Wangen• involvierte Augenmuskulatur

Trauer/Traurigkeit

• hängendes, oberes Augenlid• fokuslose Augen• Mundwinkel leicht nach unten

gezogen

Wut/Ärger

• gesenkte, zusammengezogen Augenbrauen

• starrer Blick• Lippen zusammengepresst

Angst

• hochgestellte, zusammengezogene Augenbrauen

• oberes Augenlid angehoben • unteres Augenlid angespannt• Lippen horizontal zur Seite gezogen

Überraschung

• angehobene Augenbrauen • geweitete Augen• geöffneter Mund

Ekel/Abscheu

• gerümpfte Nase • angehobene Oberlippe

Verachtung

• Mundwinkel auf einer Gesichtsseite angehoben

Die Basisemotionen

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Nonverbale Kommunikation Körpersprache

24 Nonverbale Kommunikation Körpersprache

Gefühle erkennen hilft beim ZusammenlebenDurch die Mimik zeigen wir anderen unbewusst, was wir fühlen, welche Ursache dieses Gefühl

möglicherweise hat und was wir vermutlich als Nächstes tun werden. Gerade in grossen

Gruppen ist eine solche Art der Verständigung von Vorteil: Denn auch wenn man jemanden

nicht kennt und deshalb nicht richtig einschätzen kann, reagiert man doch instinktiv auf sein

Mienenspiel. Wirkt es verärgert oder aggressiv, zieht man sich eher zurück, als das Gegenüber

noch zu provozieren.

Nachmachen, um nachzuempfindenWir ahmen Mimik instinktiv nach – und können so die Gefühle, die damit verbunden sind,

nachempfinden. Hierfür spricht, dass bestimmte Gesichtsausdrücke beim Betrachter oft die

entsprechenden Emotionen auslösen:

Wer angelächelt wird, muss selbst lächeln, wer in ein ärgerliches Gesicht blickt, wird meist

selbst wütend.

Was aus einem Gesicht spricht, ist allerdings keineswegs immer die Wahrheit. Manche

Menschen sind Meister darin, ihre Emotionen im Gesicht zu verbergen.

Auf Grund gesellschaftlicher Konventionen oder einfach nur, um unnötigen Komplikationen

aus dem Weg zu gehen, sehen wir uns im sozialen Miteinander tagtäglich gezwungen, unsere

wahren Emotionen zu verbergen, aus Höflichkeit zu lächeln oder Mitgefühl zu heucheln.

Manch einer versteht sich sogar meisterlich darauf, anderen Absichten oder Gefühle vorzu-

gaukeln, die er gar nicht empfindet.

3.1.3 Arbeitsteil

Selbsterfahrung: ÜbungenStellen Sie Ihrer Banknachbarin eine schwierige Rechnung und beobachten Sie die

Mimik. Was fällt Ihnen auf?

Oft wird entweder:

• Der Unterkiefer fallen gelassen• Der Mund geschlossen• Die Zunge leicht nach vorne geschoben

Versuchen Sie, eine aggressive Aussage bei erhobenen Augenbrauen zu machen.

Machen Sie dasselbe mit zusammengezogenen Augenbrauen. Was geht besser?

Aussage mit zusammengezogenen Augenbrauen

Sagen Sie mit leiser Stimme, eingezogenen Schultern und gesenktem Kopf, dass Sie keine

Angst haben. Wie fühlt sich das an?

Körpersprache nicht kongruent zur Aussage

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Nonverbale Kommunikation Körpersprache

3.1.4 Arbeitsteil

(die einzufügenden Wörter finden Sie auf der nächsten Seite)

MimikDrei Ebenen des mimischen Ausdruckes nach Vera F. Birkenbihl (zit.

nach Wingchen, S. 158 – 160)

1. Im StirnbereichWenn eine Person erschrocken, ängstlich, überrascht oder verwun-

dert ist, dann zeigt sich das, indem die waagrechten Stirn-falten vertieft sind. Die senkrechte Stirnfalte ist dann sichtbar, wenn jemand hochkonzentriert ist oder sehr

aufmerksam zuhört.

2. Im Mittelgesicht Viele Informationen über den emotionalen Zustand unseres Gegen-

übers erhalten wir aus der Augenpartie. Menschen, die lange Blicke senden, werden als dominant wahrgenommen, wer

hingegen nur kurze Blicke sendet, kann als arrogant,

herablassend oder verachtend wahrgenommen werden. Wenn ich

jemanden mit gesenktem Kopf anschaue und ihn von unten anblicke, signalisiere ich Unterwerfung. Aber Achtung: Ein Mensch,

der den Kopf gesenkt hält, eine gewisse Anspannung in Gesicht und

Körper aufweist, mich von untern direkt anschaut, ist auf

Angriff aus! Bemühe ich mich dann, meinen Blick abzu-wenden , reagiere ich beschwichtigend und beruhigend auf die

Bedrohung.

3. Mund- und KinnpartieWer sich intensiv anstrengt und konzentriert ist, hat den Mund oft geschlossen oder

aber die Zungenspitze schaut noch leicht hervor. Hat jemand weit aufgerissene

Augen und gleichzeitig einen offenen Mund, interpretiere ich das sofort als Angst und

Schrecken und versuche herauszufinden, was bedrohlich sein könnte. Auch sich «auf

die Zunge beissen » sendet mir eine Information aus, nämlich, dass mein Gegenüber

mir nicht unbedingt alles sagen will, was er weiss.

Die Mundwinkel sind ein aussagekräftiger Teil der Mimik: Sind sie nach oben gezogen zu einem Lächeln, wirkt der Mensch meist zugewandt. Wer jedoch die Mundwinkel

hängen lässt, kann die Leute vergraulen. Lächeln ist auch am Telefon wichtig – auch wenn

der Gesprächsteilnehmer mich nicht sehen kann, kann er heraushören, ob ich lächle oder die

Mundwinkel hängen lasse! Das Kinn ist eher entspannt , wenn jemand passiv

geniesst. Will man sich durchsetzen, ist das Kinn nach vorne geschoben.

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Das Wichtigste in Kürze• Im Gesichtsausdruck treten Gefühle zu Tage, ohne dass sich das willentlich

beeinflussen lässt. Die Basisemotionen Trauer, Wut, Ekel, Überraschung, Angst

und Freude äussern sich quer durch alle Kulturen auf die annähernd gleiche

Weise. (nach P. Ekman)

• Die Sprache der Mimik zu verstehen, ist dem Menschen in die Wiege gelegt, weil

diese Fähigkeit grosse Bedeutung für das soziale Zusammenleben hat.

• Studien zeigen, dass das Nachahmen der Mimik entscheidend dazu beiträgt,

Gesichtsausdrücke anderer zu deuten und die dahinterstehenden Emotionen

nachzuempfinden.

• Gesichtsausdrücke sind oft gespielt, um die wahren Gefühle zu verbergen. Doch

das lässt sich an verräterischen Zeichen wie den Lachfältchen um die Augen

beim echten Lächeln erkennen.

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Grundlagen der Körpersprache 27

Nonverbale Kommunikation Körpersprache

3.1.5 Gestik

3.1.6 Arbeitsteil

Deuten Sie folgende Gesten!

Toll gemacht! Zahlen bitte!

Stopp! Lass uns telefo-nieren!

Komm! Tschüss!

Beeil dich! Fertig!

Gestik

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Nonverbale Kommunikation Körpersprache

28 Nonverbale Kommunikation Körpersprache

Definition «Gestik»: Kommunikative Bewegungen, insbesondere der Hände, der Arme und des Kopfes.

Gestik wird vor allem zur Untermalung des verbalen Inhaltes benutzt. Je stärker die Gefühle

angesprochen werden, desto akzentuierter wird auch die Gestik.

Sehr deutlich wird dies beim Telefonieren: Obwohl der Gesprächspartner die Gestik nicht

wahrnehmen kann, macht man sehr häufig Hand- oder Fingerbewegungen. Genauso werden

Hände und Arme benutzt, wenn für einen Gegenstand nicht sofort die richtige Beschreibung

parat ist.

Gesten können auch unbeabsichtigt Gefühlszustände zum Ausdruck bringen.

Ein paar nützliche Zusatzinformationen:

• eine offene Handinnenfläche bedeutet, man ist jemandem zugewandt/friedlich.

• gekreuzte Finger zeigen eine Abwehrgeste an.

• Fingerspiele oder das Spielen an Gegenständen sind Ausdruck von Nervosität.

• das Umklammern von Dingen gilt als Zeichen verhaltener Wut.

• das Streicheln von fühlbar angenehmen Gegenständen ist Zeichen von Einsamkeit.

• das Ballen der Faust zeigt Aggression und Wut.

• das Pressen der Augen über der Nasenwurzel ist Signal für Müdigkeit und Erschöp-

fung.

• das Kratzen am Kopf widerspiegelt Ratlosigkeit.

• das Hochwerfen der Arme markiert Begeisterung.

Einzelne Gesten können sogar so klar definiert sein, dass sie die verbale Kommunikation

punktuell oder vollständig ersetzen. Diese Definitionen müssen natürlich – wie auch die

Sprache – gelernt werden und sind deswegen auf bestimmte Gruppen von Menschen oder

Kulturkreise beschränkt.

Beispiele dafür sind:

• die vertikal vorgestreckte Faust mit erhobenem Daumen für «alles in Ordnung».

• die Zeichensprache innerhalb militärischer Einheiten.

• die Gebärdensprache der Hörgeschädigten.

Wie unwillkürlich Gestik in den meisten Fällen ist, merkt man am besten bei dem Versuch,

sich mit einer vorgegebenen Stellung der Hände zu zwingen, eine Kommunikation über ein

bestimmtes Thema zu führen.

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Grundlagen der Körpersprache 29

Nonverbale Kommunikation Körpersprache

Das Wichtigste in Kürze• Gestik wird vor allem zur Untermalung des verbalen Inhalts benutzt.

• Gesten sind mehr als ein Kommunikationsmittel, sie unterstützen vermutlich

auch Denkprozesse.

• Gesten können sich positiv auf das Sprachvermögen auswirken. Für Kleinkinder

gilt etwa: Je mehr ihre Eltern gestikulieren, desto schneller lernen die Kinder

ihre Muttersprache.

• Gestikulieren entlastet das Arbeitsgedächtnis und kann helfen, neue Problemlö-

sungsstrategien zu entwickeln.

Andere Länder, andere Gesten!Beachten Sie, dass Gesten in verschiedenen Kulturkreisen unterschiedliche Bedeutungen

haben können.

Hier einige Beispiele:

Zeichen Land Bedeutung

Schweiz, Deutschland,

Kanada, Mexiko

Perfekt! Wunderbar!

Brasilien gilt als vulgäre Beleidigung

Schweiz, Deutschland,

Portugal, Italien, Nigeria

Wir telefonieren!

Australien, Hawaii Mir geht’s super!

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Nonverbale Kommunikation Körpersprache

30 Nonverbale Kommunikation Körpersprache

Zeichen Land Bedeutung

Schweiz, Südafrika Alles klar!

Kanada, Mexiko Nimm mich mit!

Iran, Irak gilt als Beleidigung

Schweiz, Deutschland Zwei, bitte!

USA Frieden

Irland, Neuseeland gilt als Beleidigung

Schweiz, Deutschland Stopp!

Zypern gilt als Beleidigung

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Grundlagen der Körpersprache 31

Nonverbale Kommunikation Körpersprache

3.1.7 TonfallOhne den Tonfall wären verschiedene Arten der Kommunikation nicht möglich. So wird der

Unterschied zwischen einem Befehl oder einer Frage durch die Stimmmodulation angezeigt.

Der Tonfall liegt im Grenzbereich zwischen verbaler und nonverbaler Sprache und ist eine

Interpretationshilfe für Worte und Aussagen.

Die Reaktion auf den Tonfall einer Aussage kann sehr intensiv sein, so dass es nicht selten

Auseinandersetzungen über den Inhalt gibt. Der Inhalt des Satzes kann völlig harmlos

gewesen sein, aber eine unangebrachte Betonung (oft in Verbindung mit anderen körper-

sprachlichen Signalen) kann zu ernsten Konflikten führen.

Bei einem durch einen falschen Tonfall hervorgerufenen Streit werden die Worte im Nach-

hinein sozusagen zum – tatsächlichen oder vermeintlichen – Tonfall passend gemacht: Hört

sich ein Satz vorwurfsvoll oder autoritär an, hat der Empfänger später Worte in Erinnerung,

die mit dem eigentlichen Gesagten gar nicht übereinstimmen.

Der Sprachrhythmus hat kaum Informationswert, fällt aber sofort (meist unangenehm) auf,

wenn er den Erwartungen nicht entspricht. Die Sprachmelodie beinhaltet zahlreiche Informa-

tionseinheiten, und zwar sowohl auf der Inhalts- als auch auf der Beziehungsebene.

Schliesslich können von der Lautstärke eines Gespräches Statusunterschiede abgeleitet

werden. Unsichere Menschen sprechen eher leise und erkennbar vorsichtig und signalisieren

damit, dass sie bei einem Irrtum jederzeit zum Rückzug des Gesagten bereit sind. Ranghohe

Menschen – nach Position oder sozialer Schicht – sind eher lautstark. Je sicherer jemand ist,

desto klarer wird die Aussprache einzelner Worte im Allgemeinen sein.

Tonfall

MUSTER

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Nonverbale Kommunikation Körpersprache

32 Nonverbale Kommunikation Körpersprache

3.1.8 Arbeitsteil

Mimik Welche Art von Kommunikation ist bei der Mimik gemeint?

Bewegung der Gesichtsmuskulatur

Was kann eine vertiefte senkrechte Stirnfalte bedeuten?

Konzentration

Was kann eine vertiefte waagrechte Stirnfalte bedeuten?

Schreck, Angst, Überraschung, Verwunderung

Gestik Welche Art von Kommunikation ist bei der Gestik gemeint?

Kommunikation mit Händen und Armen, allenfalls auch mit mit dem Kopf

Was kann es bedeuten, wenn sich jemand am Kopf kratzt?

gilt als Zeichen der Ratlosigkeit

Was kann es bedeuten, wenn jemand die Handinnenfläche nach oben hält?

empfangende Haltung, entspannt, vertrauensvoll

Redeweise/Tonfall

Welche Redeweise wirkt eher unsicher?

leises Sprechen

Ist sehr lautes Sprechen vor allem sympathisch? Wie kann es sonst wirken?

Nein! Wirkt dominant, überheblich

Wie können zu viele «ähs» und «hms» auf die Zuhörerinnen und Zuhörer

wirken?

als Verunsicherung, die Ärger provoziert

Worauf muss man als MPA aufpassen, wenn man sich mit einer schon 1000x

gesagten «Willkommensformel» am Telefon meldet?

Wichtig ist, dass man nicht zu schnell und undeutlich oder sogar genervt spricht

MUSTER

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Grundlagen der Körpersprache 33

Nonverbale Kommunikation Körpersprache

3.1.9 Körperhaltung und –bewegung Rund um die Körperhaltung gibt es interessanterweise sehr viele Volksweisheiten wie

beispielsweise:

«mit beiden Beinen auf der Erde stehen»

bedeutet: Realitätssinn beweisen

«einen festen Standpunkt haben» meint: klare und unverrückbare Ansichten haben

«vor jemandem kriechen» heisst:eine widerspruchslose, unterwürfige Haltung einnehmen

Das Erste, worauf man sein Augenmerk richten sollte, ist die Gewichtsverlagerung.

Steht ein Mensch gerade?

Hier besagt die Theorie dasselbe wie der Volksmund: Je aufrechter jemand steht, desto

aufrechter ist seine innere Haltung. So ein Mensch ist weder unsicher (Neigung nach vorne)

noch überheblich (Neigung nach hinten). Weiter ist bedeutungsvoll, ob ein Mensch frei steht

oder ob er irgendwo eine Stütze sucht. Es gibt Menschen, die sich immer irgendwo anlehnen

müssen.

Die Körperhaltung ist also ein Ausdruck von Gefühlen und persönlichen Befindlichkeiten. Sie

liefert Interpretationshilfen dafür, wie sicher, souverän oder überlegen sich jemand fühlt. So

spiegelt sich Fröhlichkeit in einer aufrechten, offenen Haltung oder Resignation in einer

leicht gebeugten, in sich gekehrten, also optisch eher geschlossenen Haltung wider. Ein sehr

einprägsames Kennzeichen ist die abrupte Veränderung der äusseren Haltung – sie spiegelt

immer eine plötzliche Veränderung der inneren Haltung.

Vom sozialen Rang her höhergestellte Menschen nehmen in ihrer Körper- und Sitzhaltung

mehr Raum für sich in Anspruch, sie geben sich von der Körperhaltung her offener, weil sie

sich für weniger verletzlich halten.

Mit der Analyse der Körperhaltung können sehr eindeutige Aussagen über Statusunterschiede

getroffen werden. Hinzu kommen Unterschiede zwischen Mann und Frau, Erwachsenen und

Kindern – Unterschiede, die sich aus Status und Rolle einer Person erklären. So nehmen z. B.

Männer in ihrer Sitzhaltung und ihrer gesamten Gestik mehr Raum ein als Frauen. Jugend-

Körperhaltung und -bewegung

MUSTER

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Nonverbale Kommunikation Körpersprache

34 Nonverbale Kommunikation Körpersprache

liche wollen z. B. oft signalisieren, dass sie «gutem Benehmen» keine Beachtung schenken

(wollen). Andere tun genau das Gegenteil: Sie beschränken sich auf die Sitzkante, lehnen

sich nicht gemütlich zurück und setzen ihren Körper damit einer physischen Belastung aus,

die eine psychische Anspannung zwangsläufig noch verstärkt und dem Beobachter Unsicher-

heit, mangelndes Selbstbewusstsein oder Nervosität signalisiert. Je mehr jemand dafür sorgt,

dass er bequem sitzen kann, desto souveräner gibt er sich. Meistens kommt dieses Selbstbe-

wusstsein bei Zuhörern und Beobachtern gut an. Eine angespannte Sitzhaltung kann jedoch

in Kombination mit krampfhaften Fussbewegungen auch bedeuten, dass jemand weg möchte,

weil ihn die Unterhaltung eigentlich nicht interessiert. Ein präziser Beobachter kann ein

solches Verhalten registrieren und hinterfragen.

Der Gang gehört als Ausdrucksmittel zur Körperbewegung und läuft in gewisser Weise in

Bezug auf den Ausdruck von Gefühlen synchron zur Körperhaltung. Geht ein Mensch zielsi-

cher, sind seine Bewegungen flüssig, geschmeidig beweglich oder steif und verkrampft?

Der Körpersprachenspezialist J. Navarro hat folgende Körperhaltungen analysiert:

Ihr Gegenüber ist ständig damit beschäftigt,

an sich herumzuzupfen. Das ist ein Zeichen für

mangelndes Interesse und Respekt!

Durch das Zürucknehmen des Oberkörpers wird

die Distanz zwischen den Gesprächspartnern

vergrössert. Dies kann auf eine Ablehnung

hinweisen.

Eine sitzende Person legt ihre Hände oft auf die

Oberschenkel oder streift sie am Hosenbein ab.

Dies könnte ein Anzeichen von Stress oder

Nervosität sein. Eine Person versucht ihre

Hände unter dem Tisch oder in den Hosenta-

schen zu verbergen. Diese Geste kann darauf

hindeuten, dass sie etwas zu verbergen hat

oder gerade lügt.

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Grundlagen der Körpersprache 35

Nonverbale Kommunikation Körpersprache

Gekreuzte Beine weisen darauf hin, dass alles

in Ordnung ist, wir uns in der Gegenwart der

anderen Person wohlfühlen.

Füsse gelten als die ehrlichsten Körperteile.

Die Person stellt die Ferse auf den Boden, die

Zehen zeigen nach oben.

Die betreffende Person ist aufgestellt oder hat

gerade eine positive Erfahrung gemacht.

Neigung des Körpers in Richtung der anderen

Person.

Diese Körperhaltung bedeutet, dass man sich

wohlfühlt und einer Meinung ist.

Verschränkte Arme hinter dem Kopf.

Ausdrücken von Dominanz und Selbstbewusst-

sein, getroffene Entscheidungen werden nicht

mehr revidiert.

MUSTER

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Nonverbale Kommunikation Körpersprache

36 Nonverbale Kommunikation Körpersprache

3.1.10 Arbeitsteil

Suchen Sie aus verschiedenen Tageszeitungen Bilder zu «Körperhaltungen». Kleben Sie die

Bilder ein und interpretieren Sie die Körpersprache.MUSTER

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Grundlagen der Körpersprache 37

Nonverbale Kommunikation Körpersprache

3.1.11 Distanzen

Räumliches VerhaltenDer Oberbegriff «räumliches Verhalten» beinhaltet neben der Bewegung innerhalb einer

räumlichen Anordnung das persönliche Orientierungsverhalten und das Territorialverhalten.

Bewegungen in einem Raum sind in erster Linie Interaktionssignale. Man geht auf jemanden

zu, weil man sich mit ihm unterhalten oder sich neben ihn setzen will. Man steht auf oder

geht weg und beendet so eine Interaktion.

Man schafft also mit dem persönlichen räumlichen Verhalten Rahmenbedingungen für

verschiedene Formen der Kommunikation. Hierbei die richtigen Akzente zu setzen, gehört

unbedingt zum Repertoire der sozialen Fertigkeiten. Obwohl es beispielsweise nicht unüblich

ist, beim intensiven Nachdenken oder bei der Suche nach einer möglichst kreativen Problem-

lösung in einem Zimmer auf und ab zu gehen, macht genau dieses Verhalten im Zuge einer

unmittelbaren Kommunikation den anderen eher nervös, weil dieser schlecht einschätzen

kann, was sich dahinter verbirgt.

Ähnliches gilt für den Sitzplatz, den sich jemand an einem Tisch aussucht. In einem

Restaurant wird sich zum Beispiel derjenige, der abgesehen von der Bedienung von

niemandem angesprochen zu werden wünscht, so hinsetzen, dass er keinen unmittelbaren

Blickkontakt hat; sucht er dagegen Gesellschaft, wird er – ob bewusst oder unbewusst – dafür

sorgen, dass er den grössten Teil des Raumes einschliesslich der Eingangstür im Gesichtsfeld

hat.

Ganz generell kann gesagt werden, dass zu grosse Zonen Unsicherheit schaffen, weil zu wenig

Kontakt möglich ist. Ist dagegen der Abstand zu klein, entsteht das Gefühl der Beengtheit.

Das irritiert und führt zu Nervosität und Konzentrationsschwierigkeiten im Gespräch. Auch

der Winkel, in dem die beiden oder auch mehrere Gesprächspartner zueinander stehen, spielt

eine grosse Rolle. Findet der Kontakt nicht frontal statt, wird das Überschreiten einer Zone

als nicht so gravierend wahrgenommen.

Distanzen

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Nonverbale Kommunikation Körpersprache

38 Nonverbale Kommunikation Körpersprache

Das gesamte zwischenmenschliche Leben spielt sich in vier Kreisen rund um das Individuum ab:

Intimzone: 15-50 cm

Persönliche Zone: ca. 50 – 150 cm

Gesellschaftliche Zone: ca. 150 – 350 cm

Öffentliche Zone: > 350 cm

Je besser man jemanden kennt, desto näher lässt man ihn äusserlich an sich heran. Unter-

läuft jemand in einer bestimmten Gesprächssituation die ihm zugeordnete Zone, führt das zu

Irritationen und wirkt sich damit auf die gesamte Kommunikationssituation negativ aus.

IntimzoneDie Intimzone ist die sensibelste Zone. Wer uns näher kommt als auf eine

halbe Armlänge, verletzt sie. Die Bedingung, unter der wir jemanden

freiwillig in unsere Intimzone eintreten lassen, ist Vertrauen. Diese Zone

schliesst selbstverständlich den eigenen Körper als Tabuzone ein. Diese

grosse Nähe hat die Besonderheit, dass man einen Menschen mit allen

Sinnen wahrnehmen kann. Man kann die Person berühren, im wahrsten

Sinne spüren (zum Beispiel Körperwärme) und sogar riechen. In dieser

Zone herrscht auch intensiver Blickkontakt. Man spricht in dieser Zone

eher leise. Als MPA müssen Sie immer wieder in die Intimzone fremder

Menschen eindringen, wobei dies für beide Seiten nicht immer ganz

einfach sein kann!

MUSTER

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Grundlagen der Körpersprache 39

Nonverbale Kommunikation Körpersprache

3.1.12 Arbeitsteil

Eindringen in die Intimzone des Patienten. Schildern Sie die Situationen «Blutabnahme» und «Anfertigen einer Thoraxaufnahme».

Persönliche ZoneDie persönliche Zone hat einen Radius zwischen einem halben und anderthalb Metern. In

diese Zone werden in der Regel Menschen gelassen, die man sehr gut kennt, z. B. gute

Freunde, Geschwister, Eltern. Hier ist normale Lautstärke geboten, und Sie können jemanden

auch noch berühren, beispielsweise, um Übereinstimmung zu dokumentieren. In seine

persönliche Zone lässt man freiwillig all jene Personen hinein, mit denen man nicht so intim

ist, dass sie die Intimzone betreten dürfen, die aber auch nicht so fremd sind, dass sie in der

nächst weiteren (sozialen) Zone verbleiben müssen.

Gesellschaftliche ZoneDie gesellschaftliche Zone, die zwischen anderthalb und vier Metern

liegt, dokumentiert eine unpersönliche Beziehung zueinander. Sie ist

für soziale Kontakte oberflächlicherer Art reserviert, z. B. für Kollegen,

Vorgesetzte. In der sozialen Zone kann man durch diese Entfernung

Macht und Differenzen zwischen Personen gut zum Ausdruck bringen,

indem man jemanden zwingt, eine Aussage entsprechend laut zu

machen oder eine Antwort zu wiederholen, damit sie alle verstehen

können.

Öffentliche ZoneHinter der gesellschaftlichen Zone beginnt die öffentliche Zone. Ab

einer Entfernung über acht Metern ist die verbale Kommunikation

ohne technische Unterstützung deutlich eingeschränkt. Allerdings

kann diese Zone – z. B. mit Hilfe von Kameras – bis ins Unendliche

reichen.

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Nonverbale Kommunikation Körpersprache

40 Nonverbale Kommunikation Körpersprache

3.1.13 Arbeitsteil

Welche Erfahrung haben Sie heute Morgen im Zug- oder Busabteil gemacht?

Beobachten Sie die Patienten im Wartezimmer!

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Das Sender-Empfänger-Modell 41

Verbale Kommunikation

4 Verbale Kommunikation

Einführung

Kommunikation bedeutet für uns soviel wie «in Kontakt treten mit dem Gegenüber» mit Hilfe

der Sprache, vor allem der verbalen Sprache.

Sprache ermöglicht:

den Ausdruck eigener Gefühle, Gedanken, Wünsche und Pläne, das Verstehen von Gefühlen,

Gedanken, Wünschen und Plänen anderer Menschen.

Wer sich gut mitteilen kann, verständlich kommunizieren kann, der verfügt über eine soge-

nannte kommunikative Kompetenz (Groddeck und Wulf, 1977, zit. nach Wingchen, S. 18).

Kommunikation geschieht in der Interaktion mit Menschen. Interaktion meint eigentlich

Handeln im Sinne von wechselseitigem Austausch zwischen Personen. Die Interaktionsfor-

schung setzt sich also damit auseinander, was zwischen Menschen/Personen geschieht. Dabei

steht die Kommunikation für den Austausch von Informationen, Mitteilungen und Botschaften.

4.1 Das Sender-Empfänger-Modell

Kommunikation ist ein zirkulärer (kreisförmiger) Prozess.

Darstellung mit dem Sender-Empfänger-Modell:

Sender

verschlüsselte

Nachricht

Kodierung

Nachrichtentschlüsselt

De-Kodierung

Empfänger

Der Sender ist der Kommunikator. Er überlegt sich zuerst eine Aussage und spricht sie dann

aus (verschlüsselt, nämlich durch die Sprache). Der Empfänger ist der Kommunikant und hört

zuerst die Aussage, entschlüsselt (de-kodiert) sie danach und versteht sie (je nachdem

richtig oder falsch).

Das Sender-Empfänger-Modell (in Anlehnung an Wingchen, 2009)

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Verbale Kommunikation

42 Verbale Kommunikation

BeispielWoran denken Sie, wenn ich das Wort «Hornhaut» sage? Vielleicht an die Hornhaut an den

Füssen? Gemeint könnte aber auch die Hornhaut der Augen sein. Ich als Senderin habe eine

Nachricht gesandt und Sie als Empfängerin haben sie entschlüsselt (de-kodiert). Vielleicht

haben Sie aber falsch dekodiert und Hornhaut an den Füssen entschlüsselt, ich aber habe die

Hornhaut der Augen gemeint.

Verschlüsseln Entschlüsseln

Entschlüsseln VerschlüsselnEmpfänger

Sender

Rückmeldung

Botschaft senden

Sender

Empfänger

Eine Interaktion findet dann statt, wenn der Empfänger auf den Sender reagiert und selber

zum Sender wird. Das wird dann zirkuläre Kommunikation genannt:

Sender

verschlüsselt

▷Kodierung

Nachricht

entschlüsselt

▷De-Kodierung

Empfänger

△ ▽

Empfänger ◁De-Kodierung

Nachricht ◁Kodierung

Sender

Voraussetzung: Die Kommunikationspartner müssen dieselbe Sprache sprechen und auch

dann noch sind Möglichkeiten für Missverständnisse gegeben (beim Kodieren und Deko-

dieren). Diese Missverständnisse können vor allem durch die richtige Haltung in der Kommu-

nikation vermieden werden.

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Paul Watzlawick 43

Verbale Kommunikation

4.2 Paul Watzlawick

Man kann nicht nicht kommunizieren.

1. Man kann nicht nicht kommunizieren …

Praktisches Beispiel:

Eine Frau, die im Wartezimmer eines Arztes sitzt, starrt die ganze Zeit nur auf den Boden.

Zunächst könnte man annehmen, sie würde nicht kommunizieren. Dennoch tut sie es, indem

sie den anderen Wartenden nonverbal mitteilt, dass sie keinerlei Kontakt möchte.

4.2.1 Aufgabe

Suchen Sie 2 weitere Beispiele:

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Lehrkraftausgabe

Verbale Kommunikation

44 Verbale Kommunikation

4.3 Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun

Sprechen ist immer mehr als der Austausch von Informationen zwischen einem Sender und

einem Empfänger.

Sagt ein Mensch etwas, kann diese Aussage auf vierfache Weise wirken.

So erklärt es das «Vier-Ohren-Modell» von Friedemann Schulz von Thun.

1 Sachebene 2 Selbstkundgabe 3 Appellseite 4 Beziehungsseite

Mit seinem Kommunikationsquadrat zeigt Friedemann Schulz von Thun auf, dass immer dann,

wenn wir eine Nachricht senden, diese mehrere Botschaften gleichzeitig enthalten kann.

Diese einzelnen Botschaften können ein sehr unterschiedliches Gewicht besitzen und es muss

keineswegs so sein, dass die vordergründig wichtig erscheinende Botschaft – meist die

Informationsebene – die entscheidende sein muss.

1-Worüber ich informiere.

2-Was ich von mir zu erkennen gebe.

4-Was ich von ihr halte und wie ich zu ihr stehe.

3-Was ich von ihr errei-chen möchte. Was sie tun

soll.

1-Wie ist der Sachver-halt zu verstehen?

2-Was ist das für einer?Was ist mit ihm?

3-Was soll ich tun aufgrund der Mitteilung?

4-Was hält der andere von mir?Wie redet er mit mir??

Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun

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Lehrkraftausgabe

Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun 45

Verbale Kommunikation

Die vier möglichen Ebenen einer Botschaft: Es kann passieren, dass der Empfänger den Sachinhalt für die entscheidende Botschaft hält,

während es dem Sender vielmehr um die Beziehungsseite oder den Appell geht. Es liegt auf

der Hand, dass sich daraus tiefgreifende Missverständnisse zwischen beiden entwickeln

können, obwohl die gesendete Nachricht scheinbar völlig klar und unmissverständlich ist.

• Wenn ich spreche, teile ich einen Sachverhalt mit – Information.

• Wenn ich spreche, spreche ich auch über mich – Selbstoffenbarung.

• Wenn ich spreche, sage ich meinem Gegenüber, was ich von ihm halte und wie wir

zueinander stehen – Beziehung.

• Wenn ich spreche, versuche ich, Einfluss auf meinen Gesprächspartner zu nehmen

– Appell.

Wenn also jemand mit mir spricht und ich den ganzen Gehalt dieser Nachricht erfassen

möchte, so gelingt mir das am besten, wenn ich mir 4 Fragen beantworte:

• Was ist der Sachinhalt der Nachricht?

• Was sagt sie über meinen Gesprächspartner aus?

• Was will mein Gesprächspartner mit dieser Nachricht über mich und unsere Bezie-

hung zueinander aussagen?

• Was möchte er erreichen?

Abb.: Kommunikations-psychologische Betrachtung («Lupe») der Nachricht «Ich habe immer noch starke Schmerzen» (modif. nach F. SCHULZ VON THUN)

Bei der morgendlichen Visite sagt die Patientin zum Arzt: «Herr Doktor, ich habe immer noch

starke Schmerzen.» Diese scheinbar einfache Information enthält mehrere Botschaften:

Die 1. Botschaft (= Sachinhalt oder Information) «Ich habe starke Schmerzen» ist für jeden

unmissverständlich.

Die 2. Aussage über die Sprecherin selbst (= Selbstoffenbarung) zeigt, dass die Patientin

vielleicht auch zum Ausdruck bringen will, dass sie enttäuscht ist über das bisherige Ergebnis

der Behandlung, vielleicht auch entmutigt oder sogar verzweifelt.

Die vier möglichen Ebenen einer Botschaft

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Lehrkraftausgabe

Verbale Kommunikation

46 Verbale Kommunikation

Die 3. Aussage sagt etwas über ihre Beziehung zu ihrem behandelnden Arzt aus. Etwa in dem

Sinn: «Ich sage Ihnen, dass ich starke Schmerzen habe, weil Sie derjenige sind, der etwas

dagegen unternehmen kann».

In dieser Botschaft ist aber auch etwas über das Verhältnis der Patientin zu ihrem Arzt

enthalten: «Ich wende mich mit meinen Schmerzen an Sie, weil ich Ihnen vertraue». Die

Beziehungsbotschaft enthält demnach sowohl eine Aussage darüber, was die Patientin von

ihrem Arzt hält, als auch darüber, wie sie zu ihm steht.

Die 4. Botschaft (= Appell)

Sie sollen mir (besser) helfen! – Appell ist unüberhörbar.

4.3.1 Arbeitsteil

Beschreiben Sie die 4 Kommunikationsebenen des Senders für folgende Aussagen:

«Ich gehe kurz auf die Post die Briefe einwerfen». (MPAs untereinander)

Sachinhalt: Die Briefe müssen jetzt abgeschickt werden, damit sie morgen beim Empfänger sind.

Selbstkundgabe: Ich mache etwas, bin nicht faul

Beziehungshinweis: Du hast ja nie Zeit.

Appellseite: Sag, dass du gehst!

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Lehrkraftausgabe

Die 4 Arten des Hörens 47

Verbale Kommunikation

4.4 Die 4 Arten des Hörens

Dass ein Sender das, was er mitteilen möchte, als Nachricht richtig verschlüsselt und der

Empfänger die Nachricht wiederum so entschlüsselt, wie der Sender sie gemeint hat, kurzum,

dass er also «versteht», scheint ein selbstverständlicher Vorgang zwischenmenschlicher

Kommunikation zu sein. In Wirklichkeit ist es nahezu ein Glücksfall.

Die Komplexität dieses Vorgangs wird noch deutlicher, wenn wir uns klarmachen, dass der

Empfänger bei der Entschlüsselung der Nachricht diese mit vier Ohren hört. Er hat ein

Sachohr, ein Selbstoffenbarungsohr, ein Beziehungsohr und ein Appellohr. Zudem hat jeder

Empfänger die Tendenz, ein Ohr besonders gut ausgebildet zu haben. Hören die einen

Menschen auf dem Beziehungsohr, können andere ein gut ausgebildetes Appellohr haben.

Der Empfänger muss die Fähigkeit besitzen, die Nachricht, die der Sender ihm zukommen

lässt, «vierohrig» zu empfangen. Hört er nur «einohrig», also beispielsweise nur mit dem

Sachohr oder dem Beziehungsohr, weil er bewusst oder unbewusst die anderen Ohren

verschliesst, kann es zu erheblichen Kommunikationsstörungen kommen.

Wie unterschiedlich die Nachricht «ankommt», je nachdem, auf welchem der 4 Ohren der

Empfänger sie aufnimmt, zeigt wiederum ein einfaches Alltagsbeispiel:

Am Morgen fragt die Kollegin: «Weshalb hast du heute Morgen so viele Termine einge-

schrieben?»

SachohrKollegin fragt nach einer Begründung. Antwortmöglichkeiten:

«Alle Termine sind nur kurze Konsultationen.»

«Durch die Grippewelle haben wir mehr Patienten als sonst.»

Beziehungsohr (überempfindlich!)

Mögliche Antwort: «Mach es doch besser bei diesen vielen

Anrufen!»

Selbstoffenba-rungsohr

«Ich weiss, ich kann nicht besonders gut planen.»

Appell «Ich mache es das nächste Mal besser!»

Für den Arzt ist ein gut geschultes Selbstoffenbarungsohr besonders wichtig. Es ist sozu-

sagen sein diagnostisches Ohr, weil es aus der ankommenden Nachricht jene Anteile

herausfiltert, die zu einem besseren Verständnis seines Patienten beitragen können. Auch

werden beispielsweise emotionale Ausbrüche des Patienten, wenn sie statt mit dem Bezie-

hungsohr mit dem Selbstoffenbarungsohr gehört werden, dem Arzt einen besseren Zugang

zum Patienten ermöglichen.

Natürlich bedeutet dies nicht, dass der Arzt das Beziehungsohr grundsätzlich «abschaltet»

und nur noch mit dem Sach – und dem Selbstoffenbarungsohr hört, denn dies würde

bedeuten, dass er den Patienten nur noch als diagnostisches Objekt betrachtet. Im Gespräch

zwischen Arzt und Patient kommt dem Appellohr ebenfalls grosse Bedeutung zu. Viele

Die 4 Arten des Hörens

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Lehrkraftausgabe

Verbale Kommunikation

48 Verbale Kommunikation

Anliegen, Wünsche, Hoffnungen und Absichten unserer Patienten werden nicht direkt ausge-

sprochen und können, wenn das Appellohr nicht mithört und nur eine Analyse der Sachin-

halte betrieben wird, gänzlich auf der Strecke bleiben. Ein besonders verhängnisvolles

Beispiel ist das «Überhören» von Suizidankündigungen, die – vielleicht zunächst noch – nur

als Appell an die Umgebung gedacht sind. Ein geschärftes Appellohr bewahrt uns davor,

insbesondere Appelle «auf leisen Sohlen» im Gespräch zu überhören.

So neigen beispielsweise Männer in technischen oder akademischen Berufen dazu, selektiv

mit dem Sachohr zu hören und ausser dem Sachinhalt einer Nachricht keine der anderen

Botschaften zu empfangen. Ehepaare hingegen, insbesondere, wenn sie sich in einer kriti-

schen Phase befinden, empfangen nur noch auf dem Beziehungsohr und sind zu einer sach-

lichen Aussprache nicht mehr in der Lage. Sie liegen sozusagen ständig auf der «Beziehungs-

lauer.»

4.4.1 Arbeitsteil

Was bedeuten die untenstehenden Aussagen?

Formulieren Sie den Inhalt für die angegebene Ebene.

4-Ohren-Modell – Aussagen – mögliche Lösungena) «Ah, jetzt hätte ich Lust auf ein Sandwich.» — Selbstkundgabe

Ich hätte jetzt gerne ein Sandwich (und mache mir jetzt auch eines).

b) «Ist hier eine Unordnung.» — Appell

Halte bitte besser Ordnung!

c) «Das Wartezimmer ist ja voller Patienten!» — Beziehungshinweis

Du bist nicht in der Lage das so zu organisieren, dass die Leute nicht ewig warten müssen.

d) «Au, das hat weh getan.» — Beziehungshinweis

Du bist nicht sanft genug gewesen.

e) «Diese Arbeit fällt mir aber schwer.» — Selbstkundgabe

Ich schaffe das nicht, ich bin halt nicht so gut.

f) «Ist heute nicht ein schöner Tag?» — Beziehungshinweis

Gell, du bist einer Meinung mit mir, wir sind ja Freunde!

g) «Ich möchte mit dem Arzt sprechen.» — Beziehungshinweis

Sie sind unfähig, mir die Frage beantworten zu können.

h) «Ich brauche sofort einen Termin.» — Appell

Schauen Sie, dass ich heute noch kommen kann!

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Explizite und implizite Botschaften 49

Verbale Kommunikation

4.5 Explizite und implizite Botschaften

Explizite Botschaft Etwas wird ausdrücklich formuliert.

Implizite Botschaft Es wird nur indirekt etwas ausgedrückt.

Das Nichterkennen impliziter Botschaften im Gespräch zwischen Arzt und Patient kann zu

tiefgreifenden Kommunikationsstörungen führen.

Die Angabe des Patienten «Von den roten Pillen bekomme ich so einen bitteren Geschmack

im Mund» kann als rein explizite Botschaft mit eindeutigem Sachinhalt (subjektive Medika-

mentenunverträglichkeit) aufgefasst werden. Die impliziten Botschaften, die diese Nachricht

– möglicherweise – auch oder sogar vor allem enthält, sind schwieriger zu identifizieren.

4.5.1 Arbeitsteil

Welche impliziten Botschaften könnte diese Aussage enthalten?

«Ich halte Medikamente für Gift»

«Ich werde diese Tabletten nicht mehr weiter einnehmen, weil sie mir nicht bekommen.» «Ich habe Zweifel, ob das das richtige Medikament für mich ist.» «Vielleicht schmecken die Tabletten so merkwürdig, weil die Diagnose überhaupt nicht stimmt.» «Ich habe kein rechtes Vertrauen in Ihre Behandlung.» «Ich möchte überhaupt nicht von Ihnen behandelt werden.» «Ich glaube, mir hilft überhaupt nichts mehr.»

Wie analysiere ich?Welche Hilfsmöglichkeiten gibt es, um eine Nachricht daraufhin abzuklopfen, ob sie auch

implizite Botschaften enthält?

• Eine Grundvoraussetzung ist das aktive Zuhören. (Behandlung nächstes Kapitel)

• Ein weiterer Weg besteht darin, sich systematisch beim Zuhören auf das Erfassen

impliziter Botschaften einzustellen, d. h. innerlich quasi eine «zweite Antenne» für

die vom Patienten gesendeten Nachrichten aufzustellen, die auf implizite

Botschaftsanteile einer Nachricht ausgerichtet ist. Mit anderen Worten: Es kommt

darauf an, sich bewusst darauf einzustellen, dass Nachrichten neben expliziten

Botschaften hohe Anteile impliziter Botschaften enthalten können.

• Der 3. Weg ist die sorgfältige Beobachtung nonverbaler Nachrichtenanteile, d. h.

die Analyse von Mimik, Gestik und Körpersprache.

Explizite und implizite Botschaften

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Verbale Kommunikation

50 Verbale Kommunikation

4.6 Passives und aktives Zuhören

Hören ist Informationsaufnahme mittels akustischer Reize. Das Ohr nimmt passiv Schall-

wellen als Signale auf, das Hirn hilft, diese zu deuten. Doch Zuhören oder Hinhören ist ein

aktiver Prozess, der grössere Konzentration als Lesen fordert. Denn beim Lesen ist es

möglich, eine Passage nochmals zu lesen, zurückzublättern, langsamer zu lesen. Nicht so

beim Zuhören!

Passives Zuhören:Jemand hört sichtbar einem Sprechenden zu (schaut den Sprechenden an, wendet den

Oberkörper dem Sprechenden zu, nickt eventuell da und dort). Der Zuhörer oder die Zuhörerin

nimmt aber nicht direkt am Gespräch teil.

Aktives Zuhören:Es geht über das passive Zuhören hinaus und ist mit einem intensiveren Kontakt zum

Gesprächspartner/der Gesprächspartnerin verbunden.

Merkmale des aktiven Zuhörens sind:• Der Zuhörer versucht, sich in die Lage des Sprechenden zu versetzen und signalisiert

eindeutig Interesse.

• Der Zuhörende bringt dem Sprechenden Wertschätzung entgegen und akzeptiert das

Gegenüber.

• Der Zuhörer hört konzentriert und aufmerksam zu und bekundet dies auch verbal

(siehe unten).

• Der Zuhörer unterbricht nicht.

Passives und aktives Zuhören

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Passives und aktives Zuhören 51

Verbale Kommunikation

Fünf Regeln für den Zuhörer

Aufnehmendes Zuhören

Zeigen Sie dem Sprechenden nonverbal (Gesten, zugewandte Körperhaltung),

dass Sie ihm zuhören und Interesse an seinen Äusserungen haben.

Verständnis rückmelden

Machen Sie deutlich, dass Sie den anderen verstanden haben. Fassen Sie

wichtige Aussagen zusammen.

Nachfragen

Entsteht im Verlauf des Gesprächs der Eindruck, dass der Sprechende sich nur

indirekt äussert, fragen Sie nach, was er meint.

Anerkennung

Anerkennen Sie wichtige neue Informationen. Lassen Sie wertschätzende

Bemerkungen einfliessen (Danke, dass Sie mir das so offen gesagt haben) >

Anerkennung ermutigt!

Rückmeldung des ausgelösten Gefühls

Manchmal ist es schwierig, mit Verständnis auf den Gesprächspartner zu

reagieren, weil dessen Äusserungen den Zuhörer aufgebracht haben. Vermeiden

Sie in einem solchen Moment Werturteile («aber das stimmt doch gar nicht»).

Sie könnten stattdessen die eigenen Gefühle zurückmelden («Ich bin über-

rascht, dass du das so siehst»).

Voraussetzungen für aktives Zuhören«Aktives Zuhören» ist ein wirkungsvolles Werkzeug, wenn es darum geht, einem anderen zu

helfen, seine Probleme und Verstimmungen auszudrücken und Problemlösungen zu erar-

beiten. Wird «Aktives Zuhören» jedoch missbraucht, kann dies unter Umständen Probleme

noch verstärken oder die helfende Beziehung untergraben.

Deshalb einige Richtlinien, wann «Aktives Zuhören» angemessen und hilfreich ist.

Wann aktives Zuhören angebracht ist:• wenn man echt helfen will und Ort und Zeitpunkt geeignet sind

• wenn man gegenüber dem Problem des anderen genügend Distanz hat

• wenn man in der Lage ist, sich der anderen Person voll zu widmen

• wenn man sich der anderen Person gegenüber offen fühlt (man fühlt sich durch das

Problem nicht belästigt oder ausser Fassung gebracht)

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Lehrkraftausgabe

Verbale Kommunikation

52 Verbale Kommunikation

Wann aktives Zuhören nicht angebracht ist:• wenn Sie nicht helfen wollen

• wenn Ihnen das Problem egal ist, Sie in Eile oder beschäftigt sind

• wenn Sie das Verhalten des anderen ablehnen

• wenn Sie Ihre eigenen Probleme so stark und unmittelbar beschäftigen, dass Sie

sich unmöglich aufmerksam auf die Angelegenheiten eines anderen einstellen

können

Allgemeine «Fehler» beim aktiven Zuhören Die meisten Missverständnisse entstehen, wenn es dem Zuhörer nicht gelingt, die Erfah-

rungen des andern zu verstehen oder wenn er seine eigenen Gefühle und Erlebnisse in die

Botschaft des anderen hineinprojiziert.

Was bewirkt gutes Zuhören?

• Vertieft Beziehungen

• Weckt Vertrauen

• Lässt das Selbstvertrauen wachsen

• Vermeidet Missverständnisse

• Verringert Anspannung und Stress

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Passives und aktives Zuhören 53

Verbale Kommunikation

4.6.1 Arbeitsteil

Aktives Zuhören

Entscheiden Sie, welche der folgenden Interventionen Sie jeweils als konstruktiv empfinden:

a) «Ich bin heute richtig zufrieden mit mir. Ich habe schon lange nicht mehr so viel an

einem Tag geschafft.»

τ «Pass bloss auf, dass du dich nicht überforderst!»

τ «Wenn du dich besser organisieren würdest, könntest du das jeden Tag haben.»

τ «Und jetzt freust du dich darüber, wozu du fähig bist?»

✓ «So ein Tag tut gut, nicht wahr?»

b) «Ich bin ja gar nicht grundsätzlich gegen die neue Ordnung im Medikamentenraum,

aber ich finde, ich möchte nicht allen Ideen so kritiklos folgen.»

✓ «Sie meinen, wir sollten die Neuerung auf jeden Fall gut mit der alten Ordnung im

Medikamentenraum vergleichen?»

τ «Seien Sie doch nicht so zögerlich, mit ihrer Haltung können sie ja nie etwas

erneuern.»

✓ «Es ärgert Sie, dass neue Ideen automatisch als besser angesehen werden?»

τ «Zu allem Neuen sagen Sie erst mal «Nein», das ist wirklich nicht sehr förderlich für

das Team.»

c) «Wissen Sie, ich habe mir schon gedacht, dass Janine das Labor übernehmen darf,

aber ich finde es komisch, dass ich als Teamleiterin das als Letzte erfahre.»

τ «Das ist nun mal so geschehen, es geht Sie ja nichts weiter an.»

τ «Bei Ihrer Einstellung gegenüber Janine ist es doch nur natürlich, dass Sie nicht

gefragt wurden.»

✓ «Sie finden, Sie haben als Teamleiterin ein Recht darauf, in solche Entscheidungen

eingebunden zu werden?»

τ «Jetzt sind Sie beleidigt, wie?»

d) «Kannst du mir nicht etwas helfen beim Einordnen der KGs. Ich schaffte das nicht bis

zum Abend.»

τ «Tja, also, ich habe selber zu viel zu tun, du musst dich halt beeilen.»

τ «Findest du etwa, ich helfe dir zu wenig? Das ist doch die Höhe.»

τ «Wohl gestern Abend zu spät ins Bett gegangen und magst heute nicht arbeiten?»

✓ «Ich habe selber ziemlich viel zu tun. Wenn ich soweit bin, versuche ich Dir noch

zu helfen. Sonst machen wir’s morgen früh gemeinsam.»

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Verbale Kommunikation

54 Verbale Kommunikation

4.7 ICH – DU – Botschaften

4.7.1 Arbeitsteil

Notieren Sie «schlimme Sätze», die Sie einmal zu jemandem gesagt haben. Was haben Sie

durch diese Aussagen erreicht?

Wenn wir auf das Verhalten einer anderen Person einwirken wollen, sagen wir ihr häufig, wie

sie sich verhalten soll oder was sie falsch gemacht hat. Wie wir eigentlich wissen sollten,

mag das niemand gerne. Wenn Sie dagegen von sich und ihren Gefühlen sprechen, erfährt Ihr

Gesprächspartner eher, was Sie meinen.

Die MPA kommt zu spät zur Arbeit. Ihre Ausbildnerin kann auf 2 verschiedene Arten

reagieren:

DU-BotschaftSie sagt der MPA: Ich möchte einmal erleben, dass du pünktlich bist, immer musst du dich

verspäten…

Beim Gebrauch von DU-Botschaften laufen Sie Gefahr, Ihre Beziehungen zu anderen

Menschen zu beeinträchtigen, weil Du-Botschaften…

• Schuldgefühle verursachen

• als Tadel, Herabsetzung, Kritik, Ablehnung empfunden werden

• den Eindruck erwecken, den anderen zu missachten

• häufig Vergeltungsmassnahmen provozieren

• Widerstand gegen Veränderung hervorrufen können

• häufig als bestrafend empfunden werden

ICH – DU – Botschaften

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ICH – DU – Botschaften 55

Verbale Kommunikation

Besonders in kritischen Situationen wie auch in Konfliktsituationen ist es daher wichtig, dass

Ärger, Enttäuschung, Unzufriedenheit und andere Gefühle dem Gesprächspartner in Form von

ICH-Botschaften mitgeteilt werden.

ICH-Botschaft Die Ausbildnerin: «Es ärgert mich, dass du zu spät kommst. Zwei Patienten mussten vor der

geschlossenen Türe warten.»

ICH-Botschaften dienen also dazu, anderen mitzuteilen, wie ihre Verhaltensweise auf uns

wirkt, sie damit zu konfrontieren, ohne sie jedoch zurechtzuweisen, anzugreifen oder zu

beschuldigen. Sie ermöglichen dem anderen, diese Kritik anzunehmen.

ICH-Botschaften:• beschreiben Situation, Gefühl, Befindlichkeit des Senders

• enthalten keine negative Bewertung der anderen Person

• verletzen die Beziehung nicht

• fördern die Bereitschaft, sich zu ändern

• der Empfänger muss sie nicht aufschlüsseln.

Ich formuliere mein eigenes Problem, der anderen Person wird dabei nicht die Schuld zuge-

wiesen. Die ehrlichen Gefühle dabei, (die eigentliche ICH-Botschaft) erleichtern dem Ange-

sprochenen die Akzeptanz.

ICH-Botschaften setzen sich aus 4 Elementen zusammen:

1 WahrnehmungFormulieren Sie, was Sie stört: z. B. die konkrete Situ-ation oder das Verhalten.

2 WirkungErklären Sie Ihrem Gesprächspartner, welche Gefühle und/oder Konsequenzen dies in Ihnen auslöst.

3 WichtigTeilen Sie mit, welche Interessen und Bedürfnisse Ihnen wichtig sind.

4 Wunsch Formulieren Sie einen Wunsch oder eine Bitte.

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Verbale Kommunikation

56 Verbale Kommunikation

4.7.2 Arbeitsteil

Je mehr das ICH zu spüren ist, umso weniger fühlt sich das DU angegriffen.

Beispiele von ICH – DU – Botschaften:

Du bist immer so langsam!

Ich finde, dass du immer so langsam bist.

Ich ärgere mich darüber, dass du immer so langsam bist.

Ich ärgere mich, dass ich warten muss, bis ich endlich meine KGs versorgen kann. Solange du deine versorgst, geht das nicht.

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ICH – DU – Botschaften 57

Verbale Kommunikation

4.7.3 Arbeitsteil

Formulieren Sie in ICH-Botschaften um.

DU-Botschaft ICH-Botschaft

«Musst du immer dazwischenreden?

Du solltest wirklich mal einen Kommuni-

kationskurs besuchen!»

«Es macht mich sauer, wenn ich immer unterbrochen werde. Ich denke dann, ich sage nur Uninteressantes.»

«Dir kann man wirklich nichts anver-

trauen!»

«Mir ist es peinlich, wenn du vertrau-liche Dinge weiter erzählst.»

«Ziehen Sie sich bitte ab morgen anders

an, das sieht ja aus wie in der Disco.»

«Ich schäme mich selber, wenn Sie die Patienten in dieser Kleidung begrüssen.»

«Machen Sie endlich vorwärts und lassen

Sie die Patienten nicht warten.»

«Es ist mir wichtig, dass die Patienten pünktlich behandelt werden.»

«Nie machst du was. Auch jetzt habe ich

wieder die ganze Gruppenarbeit alleine

gemacht.»

«Ich habe den Eindruck, die ganze Arbeit gemacht zu haben, ich hätte gerne mehr Unterstützung gehabt.»

«Immer nehmen Sie meinen Kugel-

schreiber. Unterlassen Sie das bitte.»

«Dieser Kugelschreiber ist ein Geschenk. Ich selber benutze ihn nicht und möchte auch nicht, dass andere das tun.»

«Nie versorgen Sie die Medikamente in der

richtigen Reihenfolge.»

«Es hilft mir, wenn ich die Medika-mente nicht suchen muss.»

«Immer muss ich alles machen.» «Ich habe total viel Arbeit und bin gestresst, könnten Sie mir etwas helfen?»

MUSTER

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Kommunikation und Umgang mit Patienten - Verlag Bieri & Weder

Brigitte Sallmann, Denise Ebner Koller 2015

Lehrkraftausgabe

Verbale Kommunikation

58 Verbale Kommunikation

4.8 Kommunikationsmuster

Virginia Satir hat vier Kategorien von Kommunikationsverhalten entdeckt, die Menschen

dann annehmen, wenn sie unter Spannung stehen (4 Satir-Typen). Jede Kategorie ist

gekennzeichnet durch eine besondere Körperhaltung und Gestik.

Anklagen (Beschuldigen) Die anklagende Haltung ist eine Widerspiegelung der gesellschaftlichen Regel, dass wir für

uns selbst eintreten und keinerlei Entschuldigungen, Unannehmlichkeiten oder Beschimp-

fungen von wem auch immer akzeptieren sollten – kurz, dass wir nicht schwach sein dürfen.

Um uns selbst zu schützen, greifen wird andere Menschen oder die Umstände an. Wenn wir

anklagen, zählen die anderen für uns nicht, sondern nur wir selbst. Somit gelten wir oft als

feindselig, tyrannisch oder nörglerisch.

• will als stark erscheinen

• stimmt nicht zu

• ist fordernd

• sucht Fehler bei den anderen

• «Wenn du nicht wärst, wäre alles in Ordnung.»

• Stimme ist hart und laut.

RationalisierenDas Kommunikationsmuster der übermässigen Rationalisierung lässt sowohl das Selbst wie

auch die andere Person unberücksichtigt. Man richtet sich beim Handeln nur nach der

Information und Logik. Wir gestehen weder uns selbst noch anderen zu, sich auf Gefühle zu

konzentrieren. Dies spiegelt die gesellschaftliche Konvention, wegzuschauen, nichts zu

berühren und keine Gefühle zu empfinden.

• Bedrohung wird verharmlost.

• Person ist korrekt und vernünftig.

• Selbstwert wird durch grosse Worte gefestigt.

• vermittelt einen ruhigen, kühlen und bezie-

hungslosen Eindruck.

• Das eigene Ideal ist: Sprich die richtigen Worte,

zeige kein Gefühl, reagiere nicht!

Kommunikationsmuster

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Kommunikationsmuster 59

Verbale Kommunikation

BeschwichtigenBeschwichtigen ist eine der vier wichtigsten Arten, wie wir reagieren, wenn wir das Gefühl

haben, unsere Akzeptanz sei bedroht. Wenn wir beschwichtigen, missachten wir unsere

eigenen Gefühle und sagen zu allem ja. Ein Mensch, der zum Beschwichtigen tendiert, nimmt

auf andere Rücksicht, seine eigenen Gefühle werden jedoch missachtet. Beschwichtigen

spielt vor, gefällig zu sein, was in den meisten Kulturen geschätzt wird. Das Selbstwertgefühl

wird missachtet und wir übermitteln dem anderen die Botschaft, dass wir nicht wichtig sind.

• niemanden verärgern

• spricht einschmeichelnd

• versucht zu gefallen

• entschuldigt sich

• muss immer jemanden finden, der ihn anerkennt

• die nonverbale Botschaft ist: «Ich bin hilflos».

Ablenken (Irrelevantes Reagieren)Die Reaktion, die oft mit Amüsantsein oder Clown-Spielen verwechselt wird. Wenn Menschen

sich irrelevant verhalten, sind sie ständig in Bewegung. Es handelt sich um einen Versuch,

die Aufmerksamkeit der anderen von den zur Diskussion stehenden Themen abzulenken. Die

Öffentlichkeit bezeichnet diese Menschen als spontan und fröhlich. Oft entwickelt sich aus

dem Verhalten eine allgemeine Sprunghaftigkeit und Ziellosigkeit. Sie sind auch nicht in der

Lage, sich auf ein bestimmtes Thema zu konzentrieren.

• Bedrohung wird ignoriert.

• Aussagen sind belanglos und ergeben keinen Sinn.

• Person geht keine echte Beziehung ein.

• Der Körper ist «eckig» und weist in verschiedene Rich-

tungen.

• Die Person reagiert nie direkt auf eine Frage.

Konstruktive KritikEine konstruktive Kritik ist eine höfliche und sachliche Bewertung mit Verbesserungsvor-

schlägen. Sie soll dem Kritisierten helfen, konkrete und situationsbezogene Fehler erkennen

und beheben zu können.

Im Gegensatz dazu steht die destruktive Kritik, die mit persönlichen Angriffen auf keine

Verbesserung der Situation abzielt. Ursachen dafür sind oft Neid, Minderwertigkeitskomplexe

oder schlechte Laune.

MUSTER

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Verbale Kommunikation

60 Verbale Kommunikation

Umgang mit Kritik gehört zu den schwierigsten Aufgaben im zwischenmenschlichen Bereich.

Wer wird schon gerne auf Fehler hingewiesen?

So gehen Sie angemessen und konstruktiv mit der Kritik um: Versuchen Sie, Ihr Gegenüber

ausreden zu lassen und wirklich zu verstehen, was man Ihnen sagen will. Dazu gehört

zunächst einmal Offenheit – wer sich angegriffen fühlt, kann nicht offen reagieren, sondern

begibt sich sofort in die Abwehrhaltung (man kann nur schwer akzeptieren, was einem der

andere sagen will).

Versuchen Sie auch nicht, sofort etwas zu erwidern und vor allem nicht, sofort zu einer

Verteidigung anzusetzen. Denn dann erfahren Sie gar nicht mehr, was Ihnen der andere

mitteilen will (wer schon seine Verteidigung in Gedanken vorbereitet, kann nicht zuhören).

Hinzu kommt: Wenn Sie sofort «zurückschlagen» und die Schuld vielleicht abstreiten, heizen

Sie die Situation nur noch weiter auf.

Wie kritisiere ich konstruktiv?

Richtige Kritik setzt meist Erfahrung voraus. Wichtig ist, dass sie nicht in den destruktiven

Bereich abrutscht und somit mehr Schaden anrichtet, als hilft.

Hier ein paar Tipps:

Den richtigen Zeitpunkt erwischen!

• Kritisieren Sie nur dann, wenn Sie mit Ihrem Gesprächspartner alleine sind. Er

sollte genügend Zeit haben, um Ihnen die volle Aufmerksamkeit schenken zu

können.

Fangen Sie mit positiven Aspekten an!

• Versuchen Sie, das Gespräch in einer angenehmen Atmosphäre zu beginnen.

Dazu gehört auch, dass Sie ruhig und freundlich bleiben.

Arbeiten Sie mit Ich-Botschaften!

• Tragen Sie ihre Kritik klar und deutlich vor, ohne dabei weit auszuschweifen.

Durch ICH-Botschaften fühlt sich Ihr Gesprächspartner nicht angegriffen.

Berufen Sie sich dabei auf konkrete Fakten, damit die Situation für den anderen

gut nachvollziehbar ist.

Stellen Sie Fragen!

• Mit Fragen regen Sie Ihr Gegenüber an, über die Situation nachzudenken.

• Suchen Sie gemeinsam nach Lösungen!

MUSTER

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Kommunikationsmuster 61

Verbale Kommunikation

3 goldene Tipps zum Annehmen von Kritik:

1. Zeigen Sie Bereitschaft für die Annahme von Kritik!Seien sie offen für jegliche Verbesserungsvorschläge und hören Sie genau zu, um schmerz-

hafte Missverständnisse zu vermeiden. Unterscheiden Sie konstruktive von destruktiver

Kritik

2. Geben Sie keine Rechenschaft für Ihre Arbeitsweise ab!Die erste Reaktion ist meistens die Verteidigung, was aber vermieden werden sollte. Der

Kritiker würde sich nicht umsonst die Mühe machen, Verbesserungen vorzuschlagen, wenn

diese seiner Meinung nach unberechtigt sind. Falls Sie doch der Meinung sind, unberech-

tigt kritisiert worden zu sein, holen Sie sich eine zweite Meinung ein.

3. Setzen Sie Kritik um!Haben Sie nach Überprüfen der eben genannten Schritte erkannt, dass die Kritik vielleicht

doch nicht so unberechtigt war, versuchen Sie, diese auch umzusetzen. Probleme können

nämlich erst gelöst werden, wenn sie erkannt worden sind. Vermeiden Sie Trotzreaktionen

oder falsche Schamgefühle, denn jeder macht Fehler!

MUSTER

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Verbale Kommunikation

62 Verbale Kommunikation

4.9 Was tun, wenn man sich angegriffen fühlt?

Manche Menschen gehen bei Kritik sofort in die Defensive und verteidigen sich – und können

fast nicht mehr damit aufhören. Das kann für den anderen ganz schön nervig sein, ist aber

irgendwie auch verständlich: Keiner macht gern Fehler, noch weniger mag man darauf

hingewiesen werden. Man versucht dann, zu erklären, weshalb man etwas gerade auf die

gewählte Weise gemacht hat, was man sich dabei gedacht hat oder warum man nicht anders

konnte.

Hilfreich kann es da sein, sich vor Augen zu halten, dass der Ursprung der Kritik etwas

Positives ist. Wenn jemand Kritik äussert, dann tut er das, weil er die Hoffnung hat, sein

Gegenüber könnte sich ändern. Hätte er die Hoffnung nicht, würde er sich die Mühe sparen

und den Kontakt abbrechen. Kritik kann man also durchaus auch als Zeichen der Wertschät-

zung auffassen.

Und noch etwas kann helfen: sich vor Augen zu halten, dass es menschlich ist, Fehler zu

machen. Nur aus Fehlern kann man wirklich etwas lernen.

Und nicht zuletzt stärkt es das eigene Selbstwertgefühl, wenn man in der Lage ist, die

Verantwortung für sein Tun zu übernehmen.

Was tun, wenn man sich angegriffen fühlt

MUSTER

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Anweisungen und Anleitungen 63

Fachbezogene Kommunikation

5 Fachbezogene Kommunikation

5.1 Anweisungen und Anleitungen

Die besondere Situation des PatientenIn den meisten Fällen kommen die Patientinnen und Patienten in einem angespannten

Zustand zum Arzt. Sie wissen nicht genau, was sie erwartet. Sie sind nervös und haben

vielleicht sogar Angst. Ihnen ist unwohl. All das kann dazu führen, dass sie entweder

Anweisungen nicht gut genug verstehen, weil sie innerlich so unruhig sind und sich nicht

konzentrieren können. Einige Patienten und Patientinnen können in angespannten Zuständen

auch aggressiv reagieren.

Funktion der MPADer Patient ist auf Sie angewiesen (in gewisser Weise auch von Ihnen abhängig). Sie besitzen

das nötige Fachwissen und die Routine in der Ausführung von bestimmten Handlungen.

Deshalb gilt es von Seiten der MPA, sich möglichst gut auf das Gegenüber einzustellen, wenn

Sie Anweisungen, Anleitungen oder sonstige Informationen weitergeben müssen.

Um die Kommunikation zufriedenstellend verlaufen zu lassen, muss eine Übereinstimmung

zwischen dem Anliegen des Patienten und Ihrem Fachwissen gefunden werden.

Unterschiedliche Kommunikationsstile können die Verständigung erschweren und zu

Störungen und sogar zu Missverständnissen führen.

Sprachschwierigkeiten können ebenfalls zur Erschwerung der Kommunikation führen.

Durch Ihre Ausbildung verfügen Sie über Kenntnisse der Terminologie. Begriffe, die für Sie

verständlich sind, sind für den Patienten Fremdwörter!

Vorurteile, Unfreundlichkeit, fehlendes Verständnis und Akzeptanz (z. B. gewissen Personen-

gruppen oder Kulturen gegenüber) können ebenfalls zu Kommunikationsschwierigkeiten

führen.

Anweisungen und Anleitungen

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Fachbezogene Kommunikation

64 Fachbezogene Kommunikation

So kommen meine Anweisungen an:

• Beginnen Sie das Gespräch ruhig, halten Sie Blickkontakt, benennen Sie das

Thema, zu welchem nun gleich eine Anweisung kommt. z. B.: «Ich erkläre

Ihnen jetzt, wie das Röntgen abläuft und was Sie tun müssen.»

• Schaffen Sie Vertrautheit. Sprechen Sie die Patienten/innen mit ihrem Namen

an. Sie dürfen auch einmal eine persönliche Bemerkung machen. z.B: «Ah, Sie

wohnen in Xx? Das kenne ich, da habe ich auch einmal zwei Jahre gewohnt.»

• Geben Sie die Anleitungen klar strukturiert weiter. Achten Sie auf kurze Sätze.

Das Wichtigste kommt zudem immer zuerst.

• Fragen Sie nach, ob alles richtig verstanden worden ist. Warten Sie kurz, damit

die Patientin genügend Zeit hat, zu überlegen, ob noch Fragen offen sind.

• Seien Sie sich bewusst, dass Schmerzen und Ängste die Informationsaufnahme

bei der Patientin stark beeinträchtigen können.

• Wenn Sie sich kurz vorher geärgert haben, im Stress sind oder die Patientin

unsympathisch finden: Atmen Sie ein paar Mal ruhig durch. Beruhigen Sie sich.

Sie möchten professionell handeln und auftreten. Oberstes Gebot ist deshalb,

immer freundlich zu sein und sich selber hintanzustellen. Entscheiden Sie sich

bewusst dafür und sagen Sie sich, dass Sie sich um Ihren Ärger, den Stress oder

Ihre mangelnde Sympathie später kümmern werden. Denn es gilt:

Der Patient/die Patientin ist Kunde/Kundin!

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Zielorientierte Gespräche führen 65

Fachbezogene Kommunikation

5.2 Zielorientierte Gespräche führen

Damit ein Gespräch mit dem Patienten zu einem kurzen Dialog mit partnerschaftlichem

Aufbau wird, können folgende Vorgehensweisen hilfreich sein:

• Ich leite durch Fragen, damit ein sachliches Gespräch entstehen kann.

• Ich nehme die Anliegen des Patienten ernst.

• Ich äussere mich direkt und konkret.

• Ich spreche Gefühle oder Unzufriedenheiten an.

• Ich nehme Kritik an.

Unterlassen Sie…

• Monologe – zu viel zusätzliche Informationen, die der Patient gar nicht braucht

• Einmischung in die privaten Angelegenheiten des Patienten

• Ausweichende Antworten

• «Nicht auf den Punkt kommen»

5.3 Vermitteln von Informationen

Informationen werden bei Menschen durch visuelle, auditive und kinästhetische Kanäle

aufgenommen. Meist wird einer dieser Kanäle bevorzugt.

Sie können beim Geben von Anweisungen, Anleitungen und Übermittlungen von Informati-

onen einen Gesprächspartner bei seinem Zugang abholen:

Empfangen Erklären

visuell • liest lieber selbst• erinnert sich schlecht an

mündliche Anweisung

• Abbildung zeigen• Vorgang vorführen• hinsehen lassen

auditiv • lernt durch Zuhören• merkt sich Dinge schrittweise

• klare Sprache benutzen• konkrete Hinweise geben• wiederholen lassen

kinästhetisch • lernt durch Berührung• lernt durch Tun und Auspro-

bieren

• in die Hand nehmen lassen• Vorgang ausprobieren

Zielorientierte Gespräche führen

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Fachbezogene Kommunikation

66 Fachbezogene Kommunikation

Wie vorhin besprochen, befinden sich Patienten in einer besonderen Situation und können

Informationen oft nicht ruhig und objektiv entgegennehmen.

Nicht genau überlegte Fragen und Äusserungen von Ihrer Seite können den Patienten verun-

sichern oder verängstigen (denken Sie daran: keine Suggestivfragen!)

Wenn Sie möchten, dass Ihre Informationen genau verstanden werden, achten Sie darauf,

dass Sie auf Ihren Gesprächspartner eingehen. Aufnahmeblockaden können sein: Schreck,

Angst, Stress etc. – versuchen Sie herauszufinden, wo Ihr Gegenüber emotional steht und

versuchen Sie flexibel darauf einzugehen.

Beim Erklären der Gebrauchsanweisung eines Medikaments, eines Gerätes oder eines Vorge-

hens achten Sie auf Folgendes:

• Ich vergewissere mich, dass der Gesprächspartner auf «Empfang» ist.

• Ich sage dem Patienten genau, worum es geht.

• Ich stelle die Information in einen grösseren Zusammenhang.

• Ich gebe nicht zu viel Information auf einmal – lasse Überflüssiges weg.

• Ich gebe Zeit zum Verstehen – mache Pausen.

• Ich mach kurze, präzise Sätze.

• Ich verwende einfache, verständliche Ausdrücke.

• Ich bringe die Information in eine sinnvolle Reihenfolge.

• Ich zeige dem Patienten etwas vor.

• Ich gebe Zeit, um Fragen zu stellen.

• Ich lasse den Patienten die Information kurz wiederholen, damit ich sicher bin,

dass er alles richtig verstanden hat.

Der Patient hat ein Anliegen• Ich versuche herauszufinden, was der Patient will.

• Ich überprüfe, ob ich die richtige Ansprechperson bin – liegt das Anliegen in

meinem Kompetenzbereich?

Wenn Ja: Ich versuche mit dem Patienten eine gute Lösung für sein Problem zu

finden.

Wenn Nein: Ich zeige dem Patienten Möglichkeiten auf, wie und wo er die entspre-

chende Stelle erreicht.

Umgang mit Anschuldigungen und VorwürfenIn einer Situation, in der es für den Patienten um sein körperliches Wohlbefinden geht,

besteht die Möglichkeit, dass er unter einer gewissen Anspannung steht – diese kann sich auf

unterschiedliche Art äussern:

• Ärger/Wut

• Aggression

• Vorwürfe

• Hilflosigkeit

• Gleichgültigkeit

• Arroganz

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Vermitteln von Informationen 67

Fachbezogene Kommunikation

Lassen Sie sich auf keine Auseinandersetzung mit dem Patienten ein!

Bleiben Sie souverän!

In Ihrer Rolle als MPA ist es wichtig, auf die Bedürfnisse und Gefühle des Patienten einzu-

gehen!

Eingehen auf BedürfnisseIch versuche durch gezieltes Fragen, den Grund für die Vorwürfe zu erfassen.

• Was stört Sie? Was ärgert Sie?

• Was müsste anders gemacht werden?

• Was möchten Sie? Was erwarten Sie?

Eingehen auf GefühleIch gebe dem Patienten zu verstehen, dass ich seine Gefühle (Verärgerung, Angst etc.) sehe

und auch verstehe!

Meistens braucht es nicht mehr, damit sich ein Patient beruhigen kann, weil er sich wahrge-

nommen und verstanden fühlt.

5.3.1 Tipps für schwierige GesprächeWas tun, wenn Ihnen ein Gespräch zu entgleiten droht? Zum Beispiel, weil ein Patient sehr

aufgebracht und wütend ist, weil etwas mit dem Rezept nicht gestimmt hat (der Arzt hat

z. B. das teure Originalmedikament notiert anstatt das billigere Generikum) oder weil er

schon lange im Wartezimmer wartet. Beachten Sie bei solchen Gesprächen folgende Punkte:

• Informieren Sie den Patienten/die Patientin umfassend, z. B. weshalb er jetzt so

lange warten muss (der Arzt hat einen Notfall etc.).

• Wenn Ihnen nicht ganz klar ist, weshalb jemand wütend ist, fragen Sie ruhig und

gezielt nach.

• Bieten Sie je nach Situation eine Wahlmöglichkeit: z. B. wenn jemand darauf

drängt, möglichst schnell einen Termin zu bekommen. Bieten Sie in diesem Fall

zwei Termine an – allein schon die Möglichkeit, auswählen zu können, kann beru-

higend auf das aufgebrachte Gegenüber wirken.

Sie erkennen an folgenden Merkmalen, ab wann eine Situation zu eskalieren droht.

Wenn Ihr Gegenüber:

• Ihnen drohend in die Augen starrt, vielleicht rot im Gesicht ist oder ganz weiss

(nonverbale Zeichen).

• Wiederholt dieselben Satzphrasen benutzt.

• Möglicherweise schwankt.

• Die Stimme verändert (meist in einer höheren Tonlage spricht) und laut wird.

• Es auf Sie wirkt, als habe sich seine Wahrnehmung verändert (das Gegenüber z. B.

äussert, es sei hier so heiss, dabei herrscht Normaltemperatur).

• Ihr Gegenüber allgemein auf Sie «geladen» wirkt.

Tipps für schwierige Gespräche

MUSTER

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Fachbezogene Kommunikation

68 Fachbezogene Kommunikation

Und hier ein paar Tipps, wie Sie sich verhalten können, wenn die Eskalation passiert ist:

• Schützen Sie sich selber.

• Holen Sie evtl. Unterstützung.

• Verhindern Sie an allererster Stelle, dass es zu einer Selbst- oder Fremdgefährdung

durch den Patienten/die Patientin kommt.

• Bleiben Sie ruhig, provozieren Sie auf keinen Fall Ihr Gegenüber.

• Sprechen Sie mir ruhiger Stimme, aber selbstbewusst und laut. Passen Sie Ihre

Stimme an, wenn sich das Gegenüber etwas beruhigt hat.

• Neigen Sie leicht den Kopf – das ist eine bewährte Deeskalations-Technik.

• Sprechen Sie Ihr Gegenüber mit dem Namen an.

• Machen Sie dem Gegenüber keine Vorwürfe und benutzen Sie keine Du- oder Sie-

Aussagen, sondern sprechen Sie von «Wir» («Ich bedaure, wie wir zwei hier

miteinander sprechen.»

• Unterbrechen Sie irgendwelche aggressionsfördernden Handlungen (z. B. Spritze

weglegen).

• Sprechen Sie den erregten Zustand Ihres Gegenübers direkt an («Ich sehe, Sie sind

wütend.»).

Gesprächskiller – das sollten Sie vermeiden:• Schlecht über andere denken

• Unfreundliche Haltung

• Sich distanziert, desinteressiert, ablehnend oder gar feindselig zeigen

• Hektisch, nervös sein

• Keinen Blickkontakt halten, nicht auf Augenhöhe sein (z. B. Patient sitzt, Sie

stehen)

• Undeutlich sprechen

• Das Gegenüber einschüchtern

• Nur Ja-Nein-Fragen (also geschlossene Fragen) stellen

• Den Patienten/die Patientin nicht ausreden lassen

• Gefühle des Patienten/der Patientin nicht ernst nehmen («Ach, so schlimm ist das

nicht.»)

• Kompliziert, umständlich reden

• Ratschläge erteilen ohne danach gefragt worden zu sein.

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Vermitteln von Informationen 69

Fachbezogene Kommunikation

5.3.2 Rollenspiele

Rollenspiel 1Frau Marty, eine aufgebrachte Mutter, stürmt unangemeldet in die Praxis, während die MPA

am Telefon ist. Sie schimpft laut und bis ins Wartezimmer deutlich hörbar. Ihre Tochter hat

vom Arzt ein Antigrippe-Mittel bekommen und nun am ganzen Körper Pusteln bekommen. Sie

beschwert sich und lässt sich einfach nicht beruhigen. Sie droht damit, den Arzt zu wechseln

und fordert auch die Patienten im Wartezimmer auf, dies zu tun.

Spielen Sie die Szene.

Welche Interventionen wirken beruhigend und welche stacheln noch mehr an?

Rollenspiel 2Herr Huber kommt aus dem Behandlungszimmer des Dermatologen. Er wirkt nervös und

angespannt. Er kommt zu Ihnen ans Pult und sagt, er müsse baldmöglichst nochmals einen

Termin haben. Sie bieten ihm einen Termin in zwei Wochen an. Der passt Herrn Huber nicht.

Sie sagen, dass sie sehr ausgebucht sind und suchen einen Termin in drei Wochen. Herrn

Huber passt auch dieser Termin nicht. Ausserdem will er schneller kommen. Er wird nervös

und beginnt, Sie zu beschimpfen, weil sie nicht schneller einen Termin frei machen können.

Er findet dies eine Riesensauerei. Er zeigt sich überhaupt nicht kompromissbereit und sieht

auch nicht ein, dass in der kommenden Woche bereits alles ausgebucht ist.

Spielen Sie die Szene.

Welche Interventionen wirken beruhigend und welche stacheln noch mehr an?

Rollenspiel 3Frau Gubser wartet nun schon seit einer halben Stunde. Ihr offizieller Termin wäre eigentlich

vor einer viertel Stunde gewesen, sie ist eine viertel Stunde zu früh gekommen. Sie stürmt

ans MPA-Pult und beschwert sich laut über diesen «Lotterbetrieb», der die Zeiteinteilung

nicht im Griff habe, sie sei schon so lange da und wolle nun SOFORT zum Arzt.

Spielen Sie die Szene.

Welche Interventionen wirken beruhigend und welche stacheln noch mehr an?

Rollenspiel 4

Frau Hermann hat schlechte Adern. Die MPA sticht nun schon zum dritten Mal und trifft schon

wieder daneben. Frau Hermann hat schon beim ersten Mal die Augen verdreht, beim zweiten

Mal hat sie eine abschätzige Bemerkung gemacht, beim dritten Mal nun verlangt sie lauthals

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Fachbezogene Kommunikation

70 Fachbezogene Kommunikation

jemand anderen – doch sie als MPA wissen, dass sie es am besten von allen anwesenden

Personen können und dass die anderen sicher auch daneben stechen würden.

Spielen Sie die Szene.

Welche Interventionen wirken beruhigend und welche stacheln noch mehr an?

Rollenspiel 5Herr Blitz kommt aus der Toilette und beschwert sich lauthals bei der MPA, dass es total

schmutzig sei, dass dies ein Sauladen sei und dass er dies dem Gesundheitsamt melden

würde. Er wirkt nervös und gleichzeitig irgendwie überängstlich. Er ist extrem angespannt.

Sie wissen, dass er heute ein wichtiges Resultat erfahren wird.

Spielen Sie die Szene.

Welche Interventionen wirken beruhigend und welche stacheln noch mehr an?

Rollenspiel 6Während der Blutentnahme schimpft Frau Kistler über alle Ärzte und KrankenpflegerInnen

und überhaupt die ganze Welt. Niemand helfe ihr, sie müsse immer alles alleine machen und

auch das Sozialamt würde sie immer im Stich lassen und die ganze Welt sei gegen sie und

nun müsse sie sich auch noch hier Blut nehmen lassen – sie hält einfach nicht still und

bewegt sich die ganze Zeit und schimpft und schimpft.

Spielen Sie die Szene.

Welche Interventionen wirken beruhigend und welche stacheln noch mehr an?

Rollenspiel 7Herr Mumar kommt ohne Anmeldung in die Praxis gestürzt und beklagt wortreich, dass seine

Tochter vom Arzt die Pille verschrieben bekommen habe und dass das eine Sauerei sei. Er

spricht gebrochen Deutsch, es ist offensichtlich, dass er ein Muslime ist. Seine Tochter, das

wissen Sie, ist bereits 22 Jahre alt und hat ohne Wissen der Familie einen Arzttermin gehabt.

Offensichtlich hat der Vater das Medikament gefunden. Er wirkt gefährlich aufgebracht,

wiederholt immer wieder dieselben Worte und schaut sie drohend an.

Spielen Sie die Szene.

Welche Interventionen wirken beruhigend und welche stacheln noch mehr an?

MUSTER

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Der Patient am Telefon 71

Fachbezogene Kommunikation

5.4 Der Patient am Telefon

Fast immer findet der erste Kontakt, den ein Patient zu einer Arztpraxis aufnimmt, über das

Telefon statt.

Der Patient entscheidet innerhalb weniger Sekunden, ob er ein gutes Gefühl bezüglich Ihrer

Arztpraxis hat. Dies gilt insbesondere bei Neupatienten, aber auch bei weiteren Kontakten

mit bekannten Patienten ist dieses positive Gefühl sehr wichtig.

Jedes Telefongespräch ist eine mündliche Visitenkarte der Arztpraxis!

Regeln am Telefon

• Sprechen Sie langsam und deutlich.

• Machen Sie kurze Sätze.

• Sprechen Sie relativ laut – aber nicht zu gleichförmig.

• Hören Sie dem Anrufer gut zu.

• Sprechen Sie so, dass der Anrufer Ihr Lächeln hört!

Die nonverbalen Kommunikationsmöglichkeiten am Telefon sind beschränkt. Wir haben

lediglich unsere Stimme zur Verfügung, um das zu untermalen, was wir sagen.

Wort + Stimme = Kompetenz + Vertrauen

Die StimmeUnsere Stimme wirkt am Telefon sehr stark auf den Gesprächspartner.

Beachten Sie daher

▷ bei Nervosität und Hektik:

• wirkt unsere Stimme schriller

• sprechen wir meistens zu schnell

• sprechen wir ohne Betonung

▷ unsere Atmung wird:

• unregelmässig

• deutlich hörbar (nervöse, unregelmässige Atemzüge werden leicht als Zeichen von

Unsicherheit wahrgenommen)

Führen Sie wenn möglich keine Telefongespräche in hektischer Atmosphäre!

Patient am Telefon

Siehe auch:

Telefonsituation Praxis-

administration, Modul 3

Betriebliche Prozesse,

(1. Abschnitt) Telekom-

munikation, Verhalten

am Telefon

MUSTER

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Fachbezogene Kommunikation

72 Fachbezogene Kommunikation

Begrüssung am Telefon:Nennen Sie den Praxisnamen sowie Ihren Vor- und Nachnamen. Achten Sie dabei auf eine

verständliche Sprache!

Freundlichkeit:Der Patient bemerkt sofort, ob er freundlich behandelt wird oder ob er stört. Bleiben Sie

immer freundlich – Ihre «Tagesform» darf keine Rolle spielen.

Eingehen auf den Anrufer:Der Patient merkt auch, ob die MPA ernsthaft auf ihn eingeht oder ihn nur abfertigt.

Entscheidend dabei sind das aktive Zuhören und die Gesprächssteuerung.

Fragen bringen mehr, als wenn die Information abgewartet wird. Fragen lenken das Gespräch,

führen es in unsere Richtung und aktivieren unseren Gesprächspartner. Wer Fragen gekonnt

einsetzt, kann die Wünsche, Einstellungen und Bedürfnisse des Patienten kennenlernen.

Offene und verdeckte Bedürfnisse müssen wir mit Feingefühl und Takt erkunden.

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Bedürfnispyramide nach Maslow 73

Fachbezogene Kommunikation

5.5 Bedürfnispyramide nach Maslow

Abraham Maslow gilt als der wichtigste Gründervater der humanistischen Psychologie, in der

eine Psychologie seelischer Gesundheit angestrebt und die menschliche Selbstverwirklichung

im Rahmen eines ganzheitlichen Konzepts untersucht wird. Sein Gesamtwerk war wesentlich

weitreichender als das hier dargestellte Modell, obwohl diese einfache Darstellung ihn sehr

bekannt gemacht hat.

Die «Maslowsche Bedürfnispyramide» ist ein Modell zur Beschreibung der Motivationen von

Menschen. Die verschiedenen Bedürfnisse bilden hierbei die Stufen der Pyramide und bauen

aufeinander auf. Zunächst müssen die grundlegenden Bedürfnisse befriedigt werden, bis die

nächsthöhere Stufe befriedigt werden kann.

SelbstverwirklichungDas Leben in Freiheit selbst gestalten können

AnerkennungLob, positive Beachtung, Ruhm

GruppenzugehörigkeitMitglied einer Gemeinschaft, Beachtung – egal ob positiv oder negativ, Bekanntheit

Schutz und SicherheitGewohnte Umgebung, sicherer Schlafplatz

Physiologische GrundbedürfnisseSauerstoff, Schmerzfreiheit, Wasser, Essen

Bedürfnispyramide

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Fachbezogene Kommunikation

74 Fachbezogene Kommunikation

Beschreibung der Bedürfnispyramide:

Physiologische Bedürfnisse (auch: Grundbedürfnis, Existenzbedürfnis)

Die wichtigsten sind Hunger, Durst und Sexualität. Wenn diese konstant befriedigt werden,

verlieren sie an Bedeutung.

SicherheitsbedürfnisseBedürfnis nach Sicherheit, Stabilität, Ordnung, Schutz, nach Bewahrung vor Angst und

Chaos, nach Struktur, Ordnung, Gesetz. Wenn die physiologischen Bedürfnisse befriedigt

sind, die Sicherheitsbedürfnisse aber nicht, bestimmen diese weitgehend unser Verhalten.

Menschen wünschen sich eine vorhersagbare Welt!

Personen, die an Zwangsstörungen (Reinlichkeitszwang, Zählzwang, Ordnungszwang usw.)

leiden, sieht Maslow als Vertreter dieser Kategorie. Sie versuchen verzweifelt, durch Rituale

und Regeln die Welt derart zu ordnen und zu stabilisieren, dass alles Unbekannte und Uner-

wartete verschwindet.

Ergebnisse soziologischer Studien bestätigen die negativen Auswirkungen von Entwurzelung

aus Bezugsgruppen (Wegzug der Familie in einen anderen Ort; Auflösung der Familie z. B.

durch Scheidung; Emigration, Aussiedler)

Soziale Bedürfnisse (Anschlussmotiv)

Zugehörigkeitsbedürfnisse: Familie/Freunde geben uns Halt, Liebe zu einem Partner sichert

die Fortpflanzung und ist für mein Wohlbefinden wichtig, die Gruppenzugehörigkeit zu einer

Klasse/zu einem Verein/zu einem Arbeitsteam ist ebenfalls wichtig und befriedigend.

IndividualbedürfnisseWertschätzung- und Geltungsbedürfnis: Das Bedürfnis umfasst zum einen den Wunsch nach

Stärke, Leistung und Kompetenz, zum anderen das Bedürfnis nach Prestige, Status, Ruhm und

Macht. Darauf gründet sich das Selbstwertgefühl eines Menschen.

Die ersten drei Stufen (teilweise auch die vierte Stufe) werden als Defizitbedürfnisse

bezeichnet, d. h. wenn diese Bedürfnisse befriedigt sind, wird man nichts mehr zur weiteren

Erfüllung unternehmen. Bei der fünften (bzw. teilweise auch bei der vierten Stufe) handelt

es sich um Wachstumsbedürfnisse.

Allerdings muss auch beachtet werden, dass bereits gestillte Bedürfnisse nicht automatisch

für immer befriedigt bleiben.

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Bedürfnispyramide nach Maslow 75

Fachbezogene Kommunikation

SelbstverwirklichungBedürfnis nach Selbstverwirklichung: Darunter verstehen wir das Streben nach der Entwick-

lung der eigenen Persönlichkeit. Die Effekte dieses Strebens sind von Person zu Person sehr

unterschiedlich. Es zeigt sich darin eine «Vorwärtstendenz» im menschlichen Wesen. Der

Mensch drängt danach, die Einheit seiner Persönlichkeit zu erleben, er ist auf der Suche nach

Wahrheit. Er drängt nach «vollem Sein»: Heiterkeit, Freundlichkeit, Mut, Ehrlichkeit, Liebe,

Güte …

Maslow sah die weitgehende Befriedigung der ersten vier Bedürfniskategorien in der Gesell-

schaft seiner Zeit eher als Ausnahme an und betrachtete den Untersuchungsgegenstand

«Selbstverwirklichung» als Herausforderung für die Forschung. Er schätzte einmal den Anteil

der Weltbevölkerung, der diese Stufe erreicht, auf etwa 2 %.

1970 hat Maslow sein Stufenmodell noch erweitert.

TranszendenzTranszendenz ist etwas, was ausserhalb der Wahrnehmung liegt, etwas, das alles erklärt oder

zusammenhält – vielleicht Gott? Transzendenz kennzeichnet das Streben, diese grossen

übergeordneten Zusammenhänge zu erkennen und zu verstehen.

Wer also alles hat, selbst in der Selbstverwirklichung nicht mehr weiter nach oben kann,

macht sich auf den Weg, das Grosse zu deuten.

Nicht selten «driften» deshalb die grossen Stars wie Madonna in das Lager der Esoteriker ab,

malen geistesabwesend im Keller Mandalas und adoptieren in der ganzen Welt Kinder.

5.5.1 Arbeitsteil

Erstellen Sie Ihre eigene Pyramide!

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Fachbezogene Kommunikation

76 Fachbezogene Kommunikation

5.6 Bedürfnisse bei Krankheit

Physiologische Bedürfnisse:Der Mensch hat das Bedürfnis, keine Schmerzen zu haben. Er möchte bei Krankheit eine

möglichst gute medizinische Behandlung erhalten und wünscht angemessen informiert zu

werden. Der kranke Mensch möchte wieder gesund werden.

Soziale Bedürfnisse/Zugehörigkeitsbedürfnis:Der Patient möchte über seine körperliche, psychische und private Situation sprechen

können. Er möchte in die Behandlung einbezogen werden und aktiv mitbestimmen, was

getan werden soll. Es ist wichtig, ihn darin ernst zu nehmen und nichts gegen den Willen des

Patienten zu unternehmen.

5.6.1 Arbeitsteil

Emotionale Bedürfnisse und die Antwort darauf:

Angst ▷ braucht Sicherheit

Scham ▷ braucht Intimsphäre

Mutlosigkeit ▷ braucht Erfolgserlebnisse

Depression ▷ braucht psychologische Betreuung

Wut ▷ braucht Ernstgenommen werden

Misstrauen ▷ braucht Kontrolle

Bedürfnisse bei Krankheit (zit. nach Hausmann, S. 37 – 40)

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Bedürfnisse bei Krankheit 77

Fachbezogene Kommunikation

5.6.2 Arbeitsteil

Wie kann ich das konkret umsetzen? Schreiben Sie konkrete Beispiele auf:

Gegen Angst ▷ Sicherheit vermitteln:

Sicheres, kompetentes und freundliches Auftreten; klare, verständliche Anweisungen und Informationen (z. B. bei Medikamentenabgabe); gute Medikation.

Gegen Scham ▷ Intimsphäre wahren:

Türen schliessen, wenn Pat. sich ausziehen müssen. Selber diskret sein. Nur das ausziehen lassen, was wirklich nötig ist. Nur solange ausgezogen lassen, wie es nötig ist.

Gegen Mutlosigkeit ▷ Erfolgserlebnisse vermitteln:

Betonen, was gut gelaufen ist. Loben, wenn jemand etwas Unangenehmes tun muss. («Das machen Sie gut, wunderbar.»)

Gegen Wut ▷ Wut ernst nehmen:

Deutlich sagen: «Ich verstehe, dass es Sie wütend macht, dass wir heute keinen Termin mehr haben. Ich kann Ihnen folgende anderen Termine (mehrere!) anbieten…» Nie sagen, dass die Wut nicht gerechtfertigt ist. Betonen, dass man alles tun will, was in der eigenen Macht steht, um zu helfen. Fragen, was am hilfreichsten wäre – wenn das nicht durchführbar ist, fragen, ob es etwas anderes gibt, das helfen kann.

Gegen Misstrauen ▷ Kontrolle geben:

Nicht auf etwas drängen. Will ein Patient Medikamente nicht einnehmen, ihm Verständnis signalisieren (niemand nimmt gerne Medikamente). Aufmuntern, das Gespräch mit dem Arzt zu suchen. Der Patient/die Patientin ist «Chef/Chefin» über den Körper und die Seele. Dies soll immer wieder vermittelt werden. Bei Drängen auf Termin: Wahlmöglichkeit geben, denn wählen ist auch eine Art Kontrolle!

MUSTER

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Patientenbeziehung

78 Patientenbeziehung

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Haltung gegenüber dem Patienten 79

Patientenbeziehung

6 Patientenbeziehung

6.1 Haltung gegenüber dem Patienten

WertschätzungWertschätzung bezeichnet die positive Bewertung eines anderen Menschen und betrifft einen

Menschen als Ganzes, sein Wesen und ist eher unabhängig von Taten oder Leistungen.

Die Wertschätzung ist verbunden mit Respekt, Wohlwollen und Anerkennung. Sie drückt sich

in Interesse, Aufmerksamkeit und Freundlichkeit aus. Wertschätzung hängt immer auch mit

Selbstwert zusammen: Menschen mit hohem Selbstwert haben öfter eine wertschätzende

Haltung anderen gegenüber.

Haltung gegenüber dem Patienten

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Patientenbeziehung

80 Patientenbeziehung

Wertschätzende Haltung gegenüber dem Patienten:• Ich bin höflich und freundlich.

• Ich achte auf die Erhaltung der Würde des Patienten.

• Ich kündige an, was ich mache.

• Ich höre mitfühlend zu.

• Ich gebe sachliche Informationen.

• Ich lasse Zeit, um Fragen zu stellen.

• Ich gebe zu verstehen, dass ich die Probleme ernst nehme.

Geringschätzung ist die Verhaltensweise, eine Person mit einer gewissen Verachtung und

Herablassung zu betrachten.

Geringschätzende Haltung gegenüber einem Patienten wäre:

• Ich behandle den anderen von oben herab.

• Ich verwende Fachausdrücke, die der andere nicht versteht.

• Ich bagatellisiere, verniedliche («Es wird schon wieder gut werden» oder «So

schlimm ist es gar nicht».)

• Ich erteile ungefragt Ratschläge.

• Ich bevormunde den Patienten .

• Ich vergleiche («Anderen geht es genauso schlecht oder schlechter».)

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Haltung gegenüber dem Patienten 81

Patientenbeziehung

EmpathieEmpathie bedeutet die Fähigkeit, Gedanken, Gefühle, Absichten und Bedürfnisse eines

anderen Menschen zu erkennen, ohne dass dieser uns das direkt sagen muss. Empathie heisst

also so viel wie «einfühlendes Verstehen». Ich versuche, die Sicht des Gegenübers wahrzu-

nehmen und drücke das in meiner Kommunikation entsprechend aus. Das tue ich, indem ich

zum Beispiel die gefühlsmässige Bedeutung einer Aussage meines Gegenübers verbalisiere.

Ich spiegle sozusagen die Gefühle des Gegenübers und signalisiere ihm so, dass ich ihn

verstanden habe.

«Wenn es ein Geheimnis des Erfolgs gibt, so ist es das, den Standpunkt des anderen zu

verstehen und die Dinge mit seinen Augen zu sehen.» Zitat von Henry Ford

Mitgefühl beruht auf dem, was die andere Person benötigt und nicht auf dem, was ich von

ihr erwarte oder denke, was sie benötigt.

Echtes Mitgefühl zeigt sich an der wirklichen Anteilnahme am Problem des anderen – ich

stelle einen Kontakt her zu dem, was die andere Person gerade bewegt. Ich kann dies mit

oder ohne Worte tun.

Ich kann mein Mitgefühl verbal ausdrücken indem ich:

mit eigenen Worten wiedergebe, welche Bedürfnisse oder Gefühle ich bei der anderen Person

höre oder vermute (ich sehe, höre, vermute, stelle mir vor…)

Gefühle oder Bedürfnisse mit einer Frage ansprechen:

• Wie fühlen Sie sich …?

• Möchten Sie……?

• Sind Sie besorgt, weil …?

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Patientenbeziehung

82 Patientenbeziehung

6.1.1 Arbeitsteil

Welche der folgenden Antworten ist empathisch?

a) Frau Meier, der Arzt hat mir gesagt, ich hätte eine starke Lungenentzündung. Ist das

gefährlich? Kann ich daran sterben?

τ «Das kann man nicht wissen, schliesslich müssen wir alle mal sterben.»

τ «Und wenn es so wäre?»

τ «Soweit ich den Arzt verstanden habe, ist es wirklich sehr gefährlich bei Ihnen.»

✓ «Die Frage des Todes beschäftigt Sie sehr.»

τ «Aufs Sterben sollte man immer vorbereitet sein.»

✓ «Sie machen sich grosse Sorge, dass Sie die Krankheit nicht überleben?»

τ «Nun machen Sie sich mal nicht so Sorgen, anderen geht es noch viel schlechter!»

b) Frau Meier erklärt: «Ich konnte wieder die ganze Nacht nicht schlafen und habe

dauernd nachgedacht.»

τ «So geht das vielen in Ihrem Alter, das ist eben so.»

τ «Ich rede mit dem Arzt, dass Sie Schlaftabletten kriegen.»

✓ «Sie machen sich viele Gedanken – was geht Ihnen denn durch den Kopf?»

τ «Sie müssen sich tagsüber halt mehr bewegen, dann können Sie schon schlafen.»

c) «Also ich würde nicht noch einmal Medizinische Praxisassistentin werden. Den

ganzen Tag diese kranken Leute, die dauernd jammern.»

τ «Ja, es ist oft so, dass einem die Patienten das Leben schwer machen.»

τ «Nun, man muss halt lernen, mit solchen Dingen umzugehen.»

✓ «Du fühlst Dich unwohl und vielleicht überfordert – kann es sein, dass es dir nicht

so gut geht und du an deine Grenzen kommst?»

d) Formulieren Sie zu den folgenden Äusserungen eine empathische Antwort:

Herr Peter: «Niemand kümmert sich um mich, mir ist eh alles egal, und dann noch

immer diese Schmerzen in den Händen!»

Haben Sie die Hoffnung aufgegeben, dass man Ihre Schmerzen behandeln kann?

Frau Simon: «Ich habe abgeschlossen mit allem, ich habe alles in Ordnung gebracht

– ich will keinem zur Last fallen.»

Sie haben vermutlich Ihr Leben lang für andere gesorgt, jetzt fällt es Ihnen schwer, selber Hilfe anzunehmen.

MUSTER

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Konsultationen 83

Patientenbeziehung

6.2 Konsultationen

Reguläre KonsultationKonsultation wird als nicht dringend eingestuft – es wird ein Termin abgemacht

NotfallkonsultationAm Telefon: Einstufung der Beschwerden nach ihrer Dringlichkeit (Patiententriage)

Nicht dringend Dringend Notfall

Konsultation

Innerhalb von 3 Tagen(Pat für Check-up, Versicherungsunter-suchungen, event. auch länger)

Noch am selben Tag Sofort – ohne Rück-sicht auf Sprech-stunde

Hausbesuch Nicht notwendigAm selben Tag (nach Sprechstunde)

Sofort – ohne Rück-sicht auf Sprech-stunde

Beispiel

• Beschwerden gering

• schon länger bestehend

• keine Angst vor akuten Verschlim-merungen

• medizinisch kein Notfall

• starke Beschwerden

• grosse Unsicher-heit des Patienten

• leichter Unfall

• alle lebensbedroh-lichen Zustände (Krankheit oder Unfall)

Patient kommt direkt in die Praxis• direkt ins Sprechzimmer führen

• Betreuung des Patienten

• Arzt holen

Weitere Informationen zum Thema finden Sie im Lehrmittel Betriebliche Prozesse,

Praxisadministration Modul 3.

Konsultationen

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Patientenbeziehung

84 Patientenbeziehung

6.3 Beobachtung des Patienten

Die Patientenbeobachtung ist eine der anspruchvollsten Aufgaben in der Tätigkeit der MPA.

Beobachtungen über das Aussehen und Verhalten des Patienten geben Auskunft über körper-

liches, geistiges und seelisches Wohlbefinden. Um diese Veränderungen zu registrieren, muss

die MPA das nötige Feingefühl einwickeln und ihre Sinne einsetzen.

Visuell (durch Sehen) nehme ich wahr:• Atmung (oberflächlich oder schnell)

• Gesichtsfarbe

• Augen

• Lippen

• Muskelspannung

• Körperhaltung und –bewegung

• Haltung von Kopf oder Extremitäten

• Blickkontakt

• Körperhaltung als Gesamteindruck

Beobachtung des Patienten

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Beobachtung des Patienten 85

Patientenbeziehung

6.3.1 Arbeitsteil

Beispiele

Augengerötet, tränend, gelbliche Verfärbung, lichtempfindlich, Austreten von Sekret, geschwollen, Augenringe, Pupillengrösse

Haut

trocken, feucht, heiss, kalt, juckend, verletzt• blass – wachsartiges Aussehen – Anämie• plötzlich auftretende Blässe mit Schweissausbruch – Schock, akute

Blutungen • gelblich – Hepatitis• Blauverfärbung (Lippen, Finger) – Zyanose• Oedeme• Bildung von Quaddeln – allergische Reaktion

Nase verstopft, blutend, geschwollen, erschwerte Atmung

Nägel brüchig, verformt, Farbveränderungen

Haare glanzlos, wirken leblos, Haarausfall

Auditiv (durch Hören) nehme ich wahr: • Sprechtempo

• Lautstärke

• Ausdrucksweise

• Atemgeräusche

• Heiserkeit

Kinästhetisch (durch Fühlen) nehme ich wahr: • Hauttemperatur

• Feuchtigkeit

• Muskelspannung

• Druck

Olfaktorisch (durch Riechen) nehme ich wahr: • Alkohol

• Schweiss

• Mundgeruch

• Körpergeruch

• Parfum

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Patientenbeziehung

86 Patientenbeziehung

Es gibt Symptome oder Verhaltensweisen, die nach einer gewissen Wartezeit im Wartezimmer

für den Arzt nicht mehr ersichtlich sind, wenn er den Patienten im Sprechzimmer sieht.

Aus einzelnen Beobachtungspunkten und Erzählungen lassen sich Schlüsse auf den Gesamt-

eindruck ziehen. Beobachtungen sind ein wertvolles Hilfsmittel. Unter Umständen verhält

sich der Patient bei der MPA anders als beim Arzt und erzählt ihr Dinge, die er dem Arzt

verschweigt. Achten Sie beim Weiterleiten des Beobachteten darauf, zwischen der Wahrneh-

mung und deren Deutung zu unterscheiden.

Quellenverzeichnis: Sprechstundenassistenz 2005/Kap. 5

6.3.2 Arbeitsteil

Was unterscheidet die «normale» Beobachtung von der sogenannten Krankenbeobachtung?

Gezielte Beobachtung unter Verwendung von festgesetzten Kriterien.

Worüber geben Beobachtungen des Patienten Auskunft?

Möglichkeit der Selbstpflege, Pflegebedürftigkeit – allfällige Planung, Erkennen von Gefahren, Therapieerfolge

Was braucht es für eine gute Beobachtung neben Fachwissen?

Einfühlungsvermögen, praktisches Können, Kombinationsgabe

Weshalb ist es für Sie als MPA wichtig, die Patienten im Wartezimmer immer zu beobachten?

Es gibt Verhaltensweisen und Symptome, die nur in der kurzen Zeit im Wartezimmer sichtbar sind.

Wie heisst die Beobachtung mit dem Fachbegriff? Machen Sie je ein Beispiel.

a) mit dem Auge

visuell – Atmung, Blickkontakt, Gesichtsfarbe etc.

b) mit der Nase?

olfaktorisch – Mundgeruch, Alkohol etc.

Was können Sie im Gesicht eines Patienten beobachten?

Farbe, Mimik (Angst, Unsicherheit, Wut), Schweiss, blaue Lippen

Was bedeutet «kinästetische Wahrnehmung» – machen Sie auch hier ein Beispiel.

durch Fühlen (Tastsinn)Hauttemperatur, Feuchtigkeit, Anspannung

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Die richtigen Fragen stellen 87

Patientenbeziehung

Nennen Sie drei Dinge, die Sie auditiv wahrnehmen können.

Sprechtempo, Lautstärke, Atemgeräusche, Heiserkeit, emotionaler Zustand

Welche Beobachtungsart setzen Sie bei einem Notfall als Erstes ein – was nachher? Wie

reagieren Sie?

1. visuell – Gesichtsfarbe, Schweiss2. kinästhetisch – Puls tastenJe nach Zustand des Patienten sofort den Arzt holen, in separaten Raum führen (hinsetzen oder hinlegen)Patient nicht alleine lassen – beruhigend zusprechen

6.4 Die richtigen Fragen stellen

Fragen können Prozesse anregen, sie können helfen, Informationslücken zu schliessen,

andere dazu bringen, ihre Argumente auf den Tisch zu legen, motivieren und vieles mehr.

Fragen können aber auch ein Gespräch blockieren. Wer jemanden zum Reden bringen möchte

und dies mit einem dafür ungeeigneten Fragetypus versucht, wird schnell scheitern. Wichtig

ist zu wissen, mit welchen Fragen Sie was bewirken, damit Sie Fragen gezielt nutzen können.

Geschlossene FragenGeschlossene Fragen sind Fragen, die die Antwortmöglichkeit sehr einschränken. Sie fragen

nach einem bestimmten Wort und sind oft lediglich mit Ja oder Nein zu beantworten.

Geschlossene Fragen können Sie einsetzen, um eine gezielte, verbindliche Information zu

erhalten.

Wenn Sie mehr über andere erfahren wollen, jemanden zum Reden animieren und ein

Gespräch in Schwung bringen möchten, sind geschlossene Fragen ein ungeeignetes Mittel.

Als Fragender fühlen Sie sich oft genötigt, gleich die nächste Frage zu stellen, um das

Gespräch am Laufen zu halten. So kann Frage auf Frage folgen und das Gespräch bekommt

eher den Charakter eines Verhörs als den einer Unterhaltung.

• «Haben Sie heute schon etwas für den Abend geplant?»

• «Sehen wir uns dann beim Empfang?»

• «Ist es Ihnen um 19 Uhr recht?»

• «Wie spät ist es?»

• «Wie viele Menschen sind in diesem Raum?»

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Patientenbeziehung

88 Patientenbeziehung

Offene FragenDer Befragte kann auswählen, was und wie viel er erzählen möchte. In der Regel bekommen

Sie bei offenen Fragestellungen mehr Informationen. Da der Befragte Inhalt und Gewichtung

der Antwort stärker steuern kann, erfahren Sie mehr von ihm als Person. Dies ist oft hilfreich,

um die Bedürfnisse und Ziele des anderen zu erfassen.

Offene Fragen beginnen mit einem der W-Frageworte, deshalb nennt man sie auch W-Fragen:

Wer, wie, was, wieso, weshalb und warum.

• Wer … hat Ihnen den Termin gegeben?

• Wie lange … nehmen Sie das Medikament bereits?

• Wie … kommen Sie mit den Krücken zurecht?

• Welche … Wünsche haben Sie?

• Was … wollen Sie erreichen?

Auch für die Unfallaufnahme sind Angaben über W-Fragen zu ermitteln!

Daher sollte jede Unfallmeldung zumindest die folgenden Fragen beantworten:

• Wo geschah es?

Als Erstes sollte immer der Ort genannt werden, damit auch dann Hilfe geschickt

werden kann, wenn das Gespräch unterbrochen werden sollte.

• Was ist passiert?

• Wie viele Verletzte gibt es?

• Welche Art von Verletzungen/Schäden liegen vor?

SuggestivfragenDurch die Formulierung der Frage drängt man den Befragten indirekt dazu, eine bestimmte

Antwort zu geben. Die Frage impliziert (beinhaltet) faktisch die Antwort, die man gern vom

Befragten hören möchte.

Suggestivfragen finden in der Vernehmungspraxis, im Verkaufsgespräch, in der Markt- und

Meinungsforschung sowie im alltäglichen Sprachgebrauch Anwendung, werden jedoch

aufgrund ihres Beeinflussungscharakters nicht geschätzt.

Suggestivfragen sind in der Psychologie und Medizin grundsätzlich als Kunstfehler zu

betrachten.

Beispiel MPA fragt Patient:

• «Nicht wahr, es hat nicht weh getan?»

• «Ist es nicht so, dass Sie sich jetzt besser fühlen?»

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Konzept der Gesundheit 89

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

7 Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

Es gibt viele Krankheiten, aber nur eine Gesundheit.

7.1 Konzept der Gesundheit

• Gesundheit als Freisein von Beschwerden und Krankheiten.

• Gesundheit als «Kapital» und «Ressource» der einzelnen Personen, als Befähigung

zur Bewältigung von Lebensaufgaben und sozialem Austausch.

• Gesundheit als Gleichgewicht, als Wohlbefinden, Gefühl der «Fitness» und der

Lebensfreude.

Wann fühle ich mich krank?Was ist Ihrer Ansicht nach die Definition

für gesund?

WHO-Definition (World Health Organization, 1947)«Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen physischen, geistig-seelischen und sozialen

Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.

Umfrage: Auf wen trifft die WHO-Definition zu 100% zu?

Konzept der Gesundheit

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

90 Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

Zitat von Friedrich Nietzsche«Wir sind nicht schon gesund, wenn wir gesund sind, sondern wenn wir auch krank sein

können und dies noch als ein Element der Gesundheit verstehen.»

Beispiel: Gesund? Krank?

Die 90-jährige Grossmutter ist geistig noch voll da, wohnt noch alleine, kann aber die täglich

anfallenden Arbeiten wegen ihrer Osteoporose kaum erledigen.

Dennoch sagt sie: «Es geht gut.»

Haben Sie ein weiteres Beispiel?

Individuelles Krankheitsverhalten ist abhängig von mehreren Faktoren. (Myrtek, 1998, in Anlehnung an Hausmann S. 86 – 89):

Symptomwahrnehmung• Verschiedene Körperwahrnehmungen z. B. Müdigkeit, Schmerzen, Herzklopfen etc.

werden individuell unterschiedlich interpretiert. Für einige Personen ist ein Arztbe-

such unerlässlich, andere ignorieren die Symptome. Wird jemand stark beansprucht

(familiäre Probleme, berufliche Überlastung, Stress), kann dies die Symptomwahr-

nehmung negativ beeinflussen.

• Die eigene Einstellung gegenüber einer Krankheit spielt ebenfalls eine wichtige

Rolle. Die Motivation, etwas gegen Risikofaktoren zu unternehmen, ist grösser,

wenn diese selbst als gefährlich eingestuft werden.

• Oft beeinflussen auch Erfahrungen in der Kindheit das Krankheitsverhalten. Wie

haben die Eltern auf körperliche Beschwerden reagiert oder wie verhielten sie sich

gegenüber der Einnahme von Medikamenten.

Individuelles Krankheitsverhalten

MUSTER

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Konzept der Gesundheit 91

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

Persönlichkeitseigenschaften• Ist eine Person emotional labil, depressiv oder ängstlich, wird sie häufiger den Arzt

aufsuchen – dadurch steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass eine organische

Krankheit festgestellt wird.

Klassische Konditionierung• Die klassische Konditionierung resultiert aus den (negativen) Erfahrungen beim

Arztbesuch.

Beispiel: Ein Kind will sich nicht impfen lassen. Um die Impfung dennoch durch-

führen zu können, wird es festgehalten, was eine Traumatisierung auslösen kann.

Dies kann zur Folge haben, dass aus Angst ein Arztbesuch zu spät erfolgt, Untersu-

chungen nicht zugelassen oder Behandlungen abgebrochen werden.

Dauer der Erkrankung• Je länger eine Krankheit dauert, desto mehr beeinflussen psychosoziale Belas-

tungen, Einstellungen und Gefühle die Beschwerden. Übersteigt der Nutzen der

Behandlung den Aufwand, sind die Patienten bereit zu kooperieren – bei langanhal-

tenden Krankheiten geht die Kooperation jedoch meist zurück.

Sozioökonomische Faktoren• Mit dem Alter nehmen körperliche Störungen und chronische Erkrankungen zu.

• Frauen sind öfter krank als Männer und nehmen häufiger Medikamente.

• Menschen mit geringerer Bildung und wenig Einkommen weisen im Schnitt mehr

chronische Erkrankungen auf, gehen häufiger zum Arzt und sind weniger an Präven-

tion interessiert als Menschen mit höherer Bildung und hohem Einkommen.

• Alleinstehende haben ebenfalls ein höheres Risiko zu erkranken als Menschen, die

im Familienverband leben.

• Unterschiedliche Kulturen zeigen verschiedene Verhaltensweisen auf: beim Äussern

von Schmerzen, bei Arztbesuchen etc.

Gesundheitssystem• Je leichter es ist, medizinische Leistung in Anspruch zu nehmen, desto häufiger

geschieht dies auch.

• Die grossen Erfolge der Medizin führen zu überzogenen Erwartungen an die Behan-

delbarkeit von Krankheiten.

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

92 Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

7.2 Umgang mit spezifischen Patientengruppen

Menschen mit psychischer BeeinträchtigungEs gibt viele Formen psychischer Erkrankung oder auch psychischer Störungen. Ebenso viel-

fältig sind die Gründe, die zu einer Erkrankung führen. Selten ist eine einzelne Ursache allein

dafür verantwortlich. Zudem lässt sich zwischen Gesundheit und psychischer Erkrankung oft

nur schwer eine klare Grenze ziehen. Der Übergang ist vielfach ein fliessender: für den einen

mag jemand bloss ein Sonderling sein, ein anderer empfindet dieselbe Person als krank.

Gemeinsam ist psychischen Erkrankungen, dass sie Gewohntes in Frage stellen. Sie verunsi-

chern Betroffene oft in ihrem Innersten, in ihrem Selbst. Ihr Verhalten ändert sich, sie

empfinden und reagieren anders als sonst. Das wiederum kann auch bei Freunden und

Angehörigen Verunsicherung hervorrufen. Sie nehmen die Veränderung wahr, können sich

aber kaum in die Situation des Betroffenen einfühlen.

Umgang mit spezifischen Patientengruppen

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Umgang mit spezifischen Patientengruppen 93

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

Eine psychische oder seelische Störung ist eine erhebliche Abweichung von der Norm im

Erleben oder Verhalten, die die Bereiche des Denkens, Fühlens und Handelns betrifft und mit

psychischem Leiden auf Seiten der Betroffenen einhergeht. Die Wissenschaften, die sich

primär mit Störungen der Psyche beschäftigen, sind die Klinische Psychologie und die

Psychiatrie.

In der Hausarztpraxis werden wir am häufigsten einerseits mit Menschen mit neurotischen

Symptomen oder aber mit depressiven Symptomen konfrontiert.

Neurotische Symptome z. B. Ängste:

• Diffuse Angst (nicht spezifisch)

• Panikattacken (mit vegetativen Symptomen wie Herzklopfen, Schweissausbruch,

Tunnelblick, Schwindel, Angst zu ersticken und meist Todesängsten)

• Verarmungsangst (oft im Zusammenhang mit Depression)

z. B. Zwänge:

• Waschzwang

• Kontrollzwang

z. B. Phobien:

• Angst vor grossen Plätzen, engen Räumen, Menschenmengen, Schlangen

Psychosomatische ErkrankungenSchmerzen, ohne dass eine medizinische Erklärung dafür gefunden wird, z. B. Magen-

schmerzen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen. Als Grund wird dann eine eigentliche psychi-

sche Belastung angenommen, die verdrängt wird und sich in Form von medizinisch unerklär-

lichen Schmerzsymptomen zeigt.

PersönlichkeitsstörungenDies sind Störungen, die ihren Ursprung häufig in den ersten Lebensjahren haben. Sie prägen

die ganze Persönlichkeit eines Menschen.

MUSTER

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Kommunikation und Umgang mit Patienten - Verlag Bieri & Weder

Brigitte Sallmann, Denise Ebner Koller 2015

Lehrkraftausgabe

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

94 Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

7.2.1 Arbeitsteil

Suchen Sie eine Definition zu den untenstehenden Begriffen. (Internet)

Es gibt folgende Störungen:

ängstliche Persönlichkeiten

Unsicherheit, Gefühl von Minderwertigkeit, Besorgtheit.Sehnsucht nach Zuneigung und Akzeptanz, Über-empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung und Kritik.

narzisstische Persönlichkeiten

Selbstverliebtheit, auffällige Selbstbewunderung, übersteigerte Eitelkeit. Mangel an Einfühlungsver-mögen, Überempfindlichkeit gegenüber Kritik.

abhängige Persönlichkeiten

Geringes Selbstbewusstsein, klammerndes Verhalten, Trennungsängste.Mangelndes Durchsetzungsvermögen und fehlende Eigeninitiative.

zwanghafte PersönlichkeitenÜbermässige Zweifel und Vorsicht, ständige Kontrollen, Perfektionismus.

aggressiv-antisoziale

Persönlichkeiten

Missachtung sozialer Verpflichtungen, niedrige Schwelle für aggressives Verhalten, unbeteiligt an Gefühlen für andere Personen.

Borderline Erkrankungen

Gekennzeichnet durch Instabilität in zwischen-menschlichen Beziehungen. Impulsivität – Stim-mungsschwankungen.

SuchterkrankungenSuchterkrankungen sind vor allem in der westlichen Welt weit verbreitet. Unter Suchtkrank-

heiten versteht man nicht ausschliesslich die Sucht nach Drogen, Alkohol und Tabak, auch

andere, nicht stoffgebundene Süchte sind bekannt. Die häufigste Suchtkrankheit ist das

Rauchen, gefolgt vom Alkohol, Medikamenten und Drogen.

Bei den nicht stoffgebundenen Suchtkrankheiten macht man die häufigsten Erfahrungen mit

Spielsucht, Ess-Störungen, Medien – hier speziell Internetsucht, Kaufsucht oder Sammel-

sucht.

MUSTER

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Brigitte Sallmann, Denise Ebner Koller 2015

Lehrkraftausgabe

Umgang mit spezifischen Patientengruppen 95

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

Suchterkrankungen sind häufig sehr schwerwiegend. Eine Vielzahl davon verursachen gesund-

heitliche Schäden, wobei die psychische Abhängigkeit hier besonders hervorzuheben wäre.

Menschen, die in ihrem Alltag mit Belastungen und psychischen sowie körperlichen Anforde-

rungen nicht gut zurechtkommen, schlittern häufig in ein Suchtverhalten.

Leider sind Suchtkrankheiten nicht nur bei Erwachsenen ein ernst zu nehmendes Problem.

Immer mehr Kinder und Jugendliche machen ihre Erfahrungen mit Suchtmitteln oder stolpern

in nicht stoffgebundene Suchtfallen (Handy, Internet, Online-Spiele etc.). Häufig haben

Kinder und Jugendliche leichten Zugang zu Drogen, Alkohol und Zigaretten. Kinder erkennen

häufig nicht die Gefahren, die diese Stoffe nach sich ziehen.

Es gibt verschiedenste Suchterkrankungen:▷ Substanzabhängigkeit

legal:

Zigaretten, Alkoholrezeptpflichtig:

Medikamente (Hustenmittel) Benzodiazepinillegal:

Cannabis, Designer-Drogen, Kokain, Partypillen

Umgang mit drogensüchtigen Patienten• Drogensüchtige nie ohne Aufsicht lassen

• keine Rezeptformulare liegen lassen

• keine Medikamente ohne ärztliche Anordnung abgeben

• Ersatzdrogen unter Aufsicht einnehmen lassen

• Mitteilungen klar ausdrücken

• möglichst immer gleiche Ansprechpartnerin

▷ Weitere Suchterkrankungen können sein:

• Magersucht (Anorexie)

• Ess-Brechsucht (Bulimie)

• Binge-Eating-Disorder (Fresssucht)

• Kaufsucht

• Spielsucht

• Arbeitssucht

Der Suchtpatient braucht unsere Stärke und Konsequenz – unterstützen Sie nicht seine

Schwäche.

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

96 Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

Depression Es gibt viele Patienten, die unter Depressionen leiden. Dies zeigt sich häufig durch Niederge-

schlagenheit, fehlender Lebensfreude, monotone Stimme, wenig Mimik und Gestik und

Verlangsamung.

Weitere Symptome können sein:

• Antriebslosigkeit

• Lust- und Motivationslosigkeit

• Appetitmangel

• Schlafmangel

• Morgentief

• Alles ist grau, Mangel an wirklichen Gefühlen, v.a. Freude

• Angst, häufig Existenzangst, aber auch allgemein grosse Angst

• Suizidgedanken

• etc.

ManieBei manchen Menschen wechseln sich depressive Episoden mit manischen Symptomen ab.

Diese Menschen leiden unter extremen Stimmungsschwankungen. Eine Manie kann sich wie

folgt zeigen:

• extreme Euphorie

• extrem angetrieben sein

• Die betroffenen Menschen schlafen kaum.

• Sie geben extrem viel Geld aus und machen oft grosse Schulden.

• «Alles ist möglich und ich bin der/die Grösste.»

Posttraumatische BelastungsstörungDie posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist nicht direkt eine psychische Erkrankung,

da ihr ein Trauma zugrunde liegt (eine oder mehrere traumatisierende Situationen wie sexu-

eller Missbrauch, ein Überfall, ein Unfall etc.) und die Störung sich auf Grund eines nicht

verarbeiteten Traumas herausbilden kann.

SchizophrenieIst eine schwere psychische Erkrankung. Viele Patienten leiden ein Leben lang darunter. Sehr

oft bedeutet eine schizophrene Erkrankung eine soziale Isolation, Leben am Existenzmi-

nimum und immer wieder schwere Symptome: z. B.

• depressive Symptome

• extreme Angst

MUSTER

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Umgang mit spezifischen Patientengruppen 97

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

Wahnvorstellungen• z. B. Verfolgungswahn

• Beziehungswahn

• Verarmungswahn

• etc.

Umgang• Einfühlsames Vorgehen

• Nehmen Sie den Patienten ernst!

BehinderungMerkmale sind fehlende oder veränderte Körperstrukturen sowie chronische körperliche und

psychische Krankheiten. Behinderung bezeichnet eine dauerhafte und gravierende Beein-

trächtigung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilnahme einer Person.

Grundsätzlich lassen sich Behinderungszusammenhänge grob in folgende Bereiche kategori-

sieren:

• körperliche Behinderung

• Sinnesbehinderung (Blindheit, Gehörlosigkeit, Taubblindheit)

• Sprachbehinderung

• geistige Behinderung

Hinsichtlich der Ursachen lässt sich unterschieden zwischen:

• erworbene Behinderung

• perinatale (während der Geburt) entstandene Schäden

• diverse Krankheiten

• körperliche Schädigungen (Gewalteinwirkung, Unfall)

• Alterungsprozesse

• angeborene Behinderungen (Vererbung)

MUSTER

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Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

98 Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

7.2.2 Arbeitsteil

Was berücksichtigen Sie beim Umgang mit:

körperlicher Behinderung:

keine Blockierung des Weges durch grössere Gegenstände event. Hilfe beim AnkleidenTüre aufhalten

geistiger Behinderung:

kurze, klare SätzeWiederholungengleichbleibende Abläufegleiche Bezugsperson (wenn möglich)

blinden Menschen:

informieren Sie (wer, was, wo) verlangsamen Sie Ihr Tempo vermeiden Sie Kollisionen mit Gegenständen

stummen Menschen:

sprechen Sie langsam und deutlich (Lippenlesen) erklären Sie mit Zeichen (Sprechtafel)

Durch Takt und Einfühlungsvermögen schaffen Sie ein Klima, in dem höchstmögliche Selb-

ständigkeit und Unabhängigkeit gewährleistet wird. Fragen Sie den Patienten, ob er Ihre

Hilfe wünscht.

MUSTER

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Umgang mit spezifischen Patientengruppen 99

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

Menschen aus anderen KulturenVersuchen Sie einmal, in einer Fremdsprache zu erklären, ob Sie hämmernde, pulsierende,

stechende, drückende, ziehende, schneidende oder bohrende Kopfschmerzen haben. Meist

reichen unsere Sprachkenntnisse auch nicht aus, einen Schmerz so detailliert zu beschreiben.

Auch wenn der Patient die Landessprache einigermassen beherrscht, kann es sein, dass

Missverständnisse entstehen.

Sprachbarrieren können mit Hilfe von nonverbalen Zeichen, Infoblättern oder Zeichnungen

überwunden werden. Auch das Auflegen einer Liste mit muttersprachlichen Behandlungs-

und Beratungseinrichtungen macht Sinn. Es ist jedoch wichtig, bei ernsthaften Erkrankungen,

Entscheidungen über weitergehende Untersuchungen und Therapien oder Beratungsgesprä-

chen Personen mit den entsprechenden Sprachkenntnissen hinzuzuziehen oder sogar einen

Dolmetscher anzufordern.

Menschen verschiedener Kulturen bringen ihre Gefühle ganz unterschiedlich zum Ausdruck.

In unserer Kultur ist es üblich, Tränen in der Öffentlichkeit zu vermeiden. Menschen aus dem

Mittelmeerraum drücken ihre Gefühle meist ungehemmter aus. Stöhnen, Weinen und

Jammern ist für sie kein Zeichen von Schwäche, sondern ein natürlicher Bestandteil der

nonverbalen Kommunikation. Türkische Patienten schauen dem Arzt meist nicht ins Gesicht,

sondern senken die Augen. Dies ist jedoch kein Zeichen von Scham, sondern ein Zeichen des

Respekts.

Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen • Überwinden Sie sprachliche Barrieren

MUSTER

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Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

100 Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

KinderDies heisst Umgang mit dem Kind und seinen Eltern – gewinnen Sie das Vertrauen des Kindes!

Behaupten Sie nicht, dass etwas nicht weh macht!

Informieren Sie das Kind, wie Sie dies bei einem Erwachsenen auch machen. Hören Sie mit

den Behandlungen auf, wenn es dem Kind unangenehm ist – ausser es liegt ein Notfall vor.

Würde jedoch durch das Abwarten eine ernsthafte Gefährdung für das Kind bestehen, erklären

Sie dies und gehen dann zügig und entschlossen vor.

Umgang mit Kindern Vermeiden Sie, das Kind als Persönlichkeit zu wenig ernst zu nehmen – die Wünsche der

Eltern sind nicht immer die Bedürfnisse des Kindes.

MUSTER

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Umgang mit spezifischen Patientengruppen 101

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

Alte Menschen

Wer ist «alt»?• Kinder, Jugendliche und Erwachsene tendieren dazu, jeden als «alt» zu bezeichnen,

der älter ist als sie selbst.

• In der Informationsgesellschaft und bei personalpolitischen Entscheidungen gilt

man oft schon in einem Alter von 40 Jahren als «alt».

• Selbst 75-Jährige, bei denen schon merkliche Kompetenzverluste auftreten, tun

sich schwer, sich als «alt» zu bezeichnen.

• Aktive und unkonventionelle ältere Menschen werden von der Gesellschaft seltener

als «alt» bezeichnet als ihre Altersgenossen.

Veränderungen im Alter:Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass mit zunehmendem Alter alle Sinnesorgane in ihrer

Leistung nachlassen:

• Verschlechterung des Sehvermögens

• Abnehmen der Hörfähigkeit (durch

undeutliche Sprache, schnelles Spre-

chen und Hintergrundgeräusche wird

die Sprachwahrnehmung zusätzlich

beeinträchtigt.)

• Veränderungen des Körpers

• abnehmende Beweglichkeit

• Verlangsamung von Bewegungen und

motorischen Reaktionen

• altersbedingte Veränderungen im

mentalen Bereich (Informationsauf-

nahme und –verarbeitung, nachlas-

sende Verarbeitungsgeschwindigkeit.)

Umgang mit älteren Patienten:Alterstypische Kommunikationsbarrieren berücksichtigen:

• Schwerhörigkeit (Informieren Sie in kurzen klaren Sätzen und sprechen Sie

etwas lauter)

• Sehbeeinträchtigung

• Immobilität (Verlangsamen Sie Ihr Tempo)

• Vermeiden Sie «Entmündigungsstrategien» wie z. B. «waren wir…» sowie

Verharmlosung und Bagatellisierung.

• Keine Belehrungen!

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

102 Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

7.3 Unheilbare Erkrankungen und Tod

Die Diagnose, schwer krank zu sein, kann – besonders wenn sie nicht einfühlsam vermittelt

wird – allein schon traumatisch sein. Die Krankheit selbst (HIV, Multiple Sklerose …) ist ein

vielfacher Belastungsfaktor: Lebenspläne werden zunichte gemacht, Krankenhausaufenthalte,

Belastungen für Angehörige/Partner vielleicht auch finanzielle Probleme sind Begleiter des

Alltags. Der Betroffene muss sich nicht nur mit der Krankheit abfinden, sondern das Bestmög-

liche daraus machen – eine schwierige Aufgabe und hohe Leistung.

Elisabeth Kübler-Ross (1926 – 2004), geboren in Zürich, zog nach ihrem Medizinstudium in

die USA, wo sie sich Zeit ihres Lebens mit der Sterbeforschung befasste.

7.3.1 Phasen der Krankheitsbewältigung und SterbephasenBei der Bewältigung einer schweren Krankheit oder wenn ein Mensch stirbt, treten nach

Elisabeth Kübler-Ross folgende Phasen auf:

Phase 1Nicht wahrhaben wollenIsolierung

Verdrängung• Ungünstige Informationen nicht zur Kenntnis nehmen

• Wert auf Äusserlichkeiten legen

• Zukunftspläne schmieden

• Wird die Situation zur Gewissheit ▷ Rückzug

▷ Nicht widersprechen – gesprächsbereit sein

Phase 2Wut und Suche nach einem Schuldigen

Aggressive Auseinandersetzung mit dem Schicksal • ungerechtfertigte Vorwürfe gegen die Umgebung

• Aggressive Handlungen und Unzufriedenheit

▷ Nicht persönlich nehmen

Phase 3Verhandeln

Kämpfen gegen das Schicksal mit allen Mitteln• Hoffnung ▷ Verschiedene Therapien ausserhalb des

medizinischen Angebotes werden ausprobiert, darunter

evtl. auch unseriöse «Wundermittel»

▷ Illusionäre Hoffnungen nicht unterstützen

Phase 4Depression

Irreale Hoffnungen• Ausflüchte und Abwehrmechanismen sind abge-

schlossen

• Niedergeschlagenheit – Loslassen des Lebens

• Patient zieht sich zurück

▷ Zeigen Sie Verständnis für die Situation

Phase 5AkzeptanzVersöhnung mit dem Schicksal

Akzeptieren der Situation• Kein Hadern mit dem Schicksal

• In dieser Situation kann der Patient viel Kraft auf die

Umgebung ausstrahlen

Unheilbare Erkrankungen und Tod

Phasen der Krankheitsbewältigung und Sterbephasen

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Unheilbare Erkrankungen und Tod 103

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

Umgang mit Sterbe- und TrauerphaseUnheilbar kranke Menschen

Der Tod ist ein Thema, über das niemand gerne redet…

Dabei begegnet der Tod den meisten Menschen ja sehr, sehr häufig – ob in Spielfilmen, den

Nachrichten oder Dokumentationen – der Tod durch Gewalt oder Katastrophen ist allgegen-

wärtig. Aber es ist immer der Tod der anderen – aus der sicheren Distanz.

Der Tod beendet alles!Wer religiös ist und daran glaubt, dass es eine andere Form von Leben nach dem Leben gibt,

der findet den Tod vielleicht gar nicht so schlimm. Im Mittelalter, als viele Menschen ein sehr

schweres Leben hatten, galt das Diesseits als «Jammertal, das nur zu durchschreiten war, um

zum Eigentlichen vorzudringen.

Die Sicht der Menschen in den Industrieländern auf das Leben ist heute wohl eher so: «Es ist

die einzige Gelegenheit, die du hast – mach was draus.» Ein 85-Jähriger, der ein langes Leben

gelebt hat, wird leichter loslassen können als ein 45-Jähriger. Das Entsetzen über einen

frühen Tod drückt ja implizit aus, dass da viel wertvolle Zeit abgeschnitten wird. Dieses

Empfinden setzt aber voraus, dass die Menschen ihr Leben überwiegend als schön empfinden.

Aber Todesangst hat doch jeder?

Was passiert eigentlich mit jemandem, der erfährt, dass er nicht mehr lange zu leben hat?

Jeder Sterbende leidet an der Gewissheit, seine Welt zu verlieren. Längst nicht jeder akzep-

tiert seinen Tod. Aber oft ist der Ablauf so, dass nach einer Phase des Schocks, der grossen

Angst und Desorientierung eine Phase der Anpassung und Bewältigung eintritt.

Elisabeth Kübler-Ross beschrieb den Prozess, den die Patienten durchlaufen, wenn sie die

Nachricht einer unheilbaren Krankheit erhalten und stellte fest, dass auch Angehörige und

enge Freunde in der Trauerphase denselben Prozess durchlaufen.

Selbst wenn Sie mit dem Tod eines Ihnen bekannten Menschen rechnen – etwa, weil er

unheilbar krank ist –, fällt es oft sehr schwer, den Hinterbliebenen sein Beileid zu zeigen und

es in Worte zu fassen. Mitgefühl, also Empathie ist in gewissem Mass gefragt. Diese zuzu-

lassen und zu formulieren, fällt vielen Menschen schwer, Hilflosigkeit macht sich breit.

Teilen Sie den Hinterbliebenen Ihre Betroffenheit mit, denn geteiltes Leid ist halbes Leid.

Auch wenn Sie den Verstorbenen nicht gut kannten, sind mitfühlende Worte gefragt.

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Lehrkraftausgabe

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

104 Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

Der italienische Philosoph und Therapeut Piero Ferucci schreibt in seinem Buch «Nur die

Freundlichen überleben»: «Leidende Menschen brauchen keine Diagnosen, Ratschläge,

Deutungen, Beeinflussungen, sondern echtes, bedingungsloses Einfühlungsvermögen. Sobald

sie wenigstens das Gefühl haben, dass jemand sich mit ihren Erfahrungen identifiziert, können

sie ihr Leiden loslassen und geheilt werden.»

Die grössten Fehler sind immer noch

• Gar nicht reagierenLassen Sie die Hinterbliebenen nicht mit ihren Emotionen allein.

• Zu spät reagierenHandeln Sie so schnell wie möglich. Die ersten Beileidsbekundungen sind die

wertvollsten, da der Trauernde sich nach Beistand und Trost sehnt. Jeder möchte

wissen, dass auch andere den geliebten Menschen vermissen und um ihn trauern.

• ÜbertreibenVerzichten Sie auf jegliche Theatralik, die den Hinterbliebenen depressiv stimmt,

statt ihn zu trösten. Ihre Anteilnahme sollte mitfühlend, doch nicht herzzer-

reissend formuliert sein.

• Standardisierte BeileidsbekundungenVerstecken Sie sich nicht hinter Floskeln. Sätze wie «Hiermit möchten wir Ihnen

zum Tod Ihrer Frau unser Beileid bekunden» klingen abgedroschen. Formulieren

Sie Ihre Gefühle mit eigenen Worten.

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Unheilbare Erkrankungen und Tod 105

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

7.3.2 Arbeitsteil

1. K O N S E Q U E N Z

2. F O R M U L A R E

3. M E T H A D O N

4. M O B I L I T A E T

5. T U E R E

6. K O G N I T I V E N

7. E M O T I O N A L

8. T A K T I L E N

9. A U G E N

10. T A F E L

11. K I N D E R

12. A U T O R I T A E T E N

13. L E B E N S

Lösungswort: Kommunikation

1 In der Praxis brauchen Süchtige Stärke, Konsequenz und nicht die Unterstützung

der Schwächen.

2 Bei Süchtigen dürfen Sie keine Rezeptformulare herumliegen lassen!

3 Eine bestimmte Ersatzdroge hat den Namen: Methadon.

4 Körperlich behinderte Menschen sind in der Bewegung, der Mobilitaet und der

Unabhängigkeit eingeschränkt (ä = ae).

5 Bei Patienten mit Gehhilfen ist es schon hilfreich, die Türe zu öffnen (ü = ue).

6 Geistig behinderte Menschen haben Einschränkungen im kognitiven,

7 sensorischen, motorischen, verbalen, psychischen und emotional-sozialen Bereich.

8 Bei geistig Behinderten sind auch Beeinträchtigungen im taktilen, olfaktorischen

und gustativen Bereich vorhanden.

9 60 Prozent aller Sinneswahrnehmungen gehen über die Augen.

10 Für gehörlose und stumme Menschen kann es zweckmässig sein, eine Sprechtafel einzusetzen, um die Kommunikation zu erleichtern.

11 Kinder haben ein feines Gespür dafür, ob das, was man ihnen mitteilt, auch

stimmt.

12 Bei Menschen aus fremden Kulturen ist nebst vielem anderen auch der Umgang mit

Hierarchien und die Akzeptanz von Autoritaeten anders als bei uns (ä = ae).

13 Alte Menschen stehen am Ende im Kontinuum des Lebens als Werdender, Seiender

und Vergehender.

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Lehrkraftausgabe

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

106 Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

7.3.3 Arbeitsteil

Ordnen Sie anhand des Textinhalts die unterschiedlichen Phasen zu.

Phase Depression

«Was bin ich noch wert?» Durch die vielfach mit der Erkrankung verbundene zunehmende

Funktionseinschränkung von Gliedmassen durch Schmerzen, Rollenverluste (z. B. als Famili-

enversorger), durch Veränderung des Körperbildes etc. kommt es zu einem Einbruch des

Selbstwertgefühls bis hin zu einer existentiellen Verzweiflung der Patienten. Ihre Verletzlich-

keit hat zugenommen. Jetzt scheinen die Patienten ständig Hilfe zu fordern, sind aber nicht

in der Lage, diese auch anzunehmen. Das frustriert – und somit besteht die Gefahr eines

«gekränkten Rückzuges» seitens der Familie. Aber gerade jetzt brauchen die Patienten eine

kontinuierlich aufrechterhaltene Beziehung, so dass sie spüren, dass sie in ihrer Depressivität

und mit ihrer Erkrankung verstanden werden.

Phase Verhandeln

In dieser Phase versuchen die Patienten durch das Erbringen von Opfern (Wallfahrten,

Spenden, Hinwendung zu unbewiesenen Behandlungsmethoden und Aufbringen grosser

Geldsummen) einen «Handel mit dem Schicksal»* zu schliessen.

Phase Aggression

«Warum gerade ich?» Die Patienten sind wütend, gekränkt und enttäuscht über den Einbruch

der Krankheit in ihr Leben, sie hadern mit Gott und der Welt. Oft wird diese Wut und Aggres-

sion nicht offen geäussert, sondern unbewusst auf die Bezugsperson (Familie, Pflegeperson)

projiziert, was sich dann durchaus in Form von Vorwürfen und Kritik – sogar beleidigend –

äussern kann. Die Patienten erscheinen häufig ungeduldig, gereizt, ungerecht und unein-

sichtig.

Wichtig – vor allem für die Angehörigen – ist jetzt, dieses Verhalten nicht persönlich zu

nehmen, denn die Aggression der Patienten gilt im Grunde der Krankheit, nicht Ihnen. Die

Patienten brauchen jetzt trotz des ablehnenden Verhaltens Geduld und ein kontinuierlich

aufrechterhaltenes Kommunikationsangebot.

Phase Akzeptanz

In dieser Phase der Krankheitsverarbeitung haben die Patienten ihre Erkrankung ange-

nommen, neue Rollendefinitionen für sich gefunden und somit auch ihren Platz im Leben

wiedergefunden. Leider ist das Erreichen dieser Phase nicht selbstverständlich, sie wird nicht

immer erlangt.

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Unheilbare Erkrankungen und Tod 107

Krankheitsbilder und spezifische Kommunikation

Phase Schock/Verleumdung

Die Konfrontation mit der Diagnose einer schweren Erkrankung, die womöglich mit körperli-

chen Funktionseinbussen und Schmerzen einher geht und einen sich verschlimmernden

Verlauf erwarten lässt, führt häufig zu einem Schock, zu Unruhe und Angst. Kognitive

(intellektuelle) Fähigkeiten zeigen sich dann oft (vorübergehend) eingeschränkt. Das Nicht-

wahr-haben-Wollen kann in so einer Situation eine Pufferwirkung haben, die es dem

Patienten ermöglicht, die Tatsache, wirklich krank zu sein, nach und nach wahrzunehmen. Es

kann aber auch zu unrealistischen Verhaltensweisen kommen wie: Glauben an Fehldiagnosen

bis zur Verzögerung der Behandlung. In dieser Phase braucht der Patient vor allem mensch-

liche Wärme und Verständnis.

Aus dem Bechterew-Brief Nr. 79 (Dez. 1999), www.bechterew.de

Von Magister Franz Wendtner, Psychologe und Psychotherapeut Österreich

MUSTER

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Patiententypen

108 Patiententypen

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Der Nörgler 109

Patiententypen

8 Patiententypen

8.1 Der Nörgler

Nörgler wollen keine Probleme lösen – sie finden immer einen Anlass zu nörgeln.

Frau X. steht bereits wieder am Empfang, obwohl sie erst seit 3 Minuten im Wartezimmer

sitzt. «Sie haben gesagt, dass es heute schneller geht! Ich muss aber schon wieder warten!»

Ihre Körpersprache verrät Distanz – vor der Brust verschränkte Arme und hoch gezogene

Augenbrauen, dazu das offensichtlich genervte Rollen der Augen. Behalten Sie ihre gute

Laune! Lassen Sie sich auf keine verbale Diskussion ein (Trennung Sachebene und emotionale

Ebene), auch wenn die Patientin sich unangemessen verhält. Falls die Wartezeiten wirklich

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Patiententypen

110 Patiententypen

sehr lang sind, entschuldigen Sie sich: «Es tut uns leid, wir hatten einen Notfall und sind

daher in unserem Programm etwas verzögert.» Vielleicht können Sie einen Termin zu einem

späteren Zeitpunkt anbieten. Versuchen Sie eine gemeinsame Lösung zu finden!

Vielleicht gelingt es, den Nörgler mit einem Gespräch abzulenken – eine meist erfolgreiche

Strategie.

8.2 Der Besserwisser

Durch die Medieninformation fühlt sich heute jede Person über Gesundheitsfragen informiert.

Patienten, die mit einem Halbwissen alles kommentieren und hinterfragen müssen, erweisen

sich als mühsam.

Besserwisser sind meistens unsichere Menschen, die sich hinter einem Pseudowissen verste-

cken. Ob ihre Information richtig ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle – sie benutzen ihr

vermeintliches Wissen als Ausdruck von Kompetenz. Im Falle einer Kritik fassen sie dies sehr

persönlich auf. Nehmen Sie den Patienten ernst! Zeigen Sie ihm jedoch unmissverständlich,

dass die medizinische Kompetenz beim Arzt bzw. dem Praxisteam liegt.

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Der Angsthase 111

Patiententypen

8.3 Der Angsthase

Patienten können Angst vor einer Diagnose, oder einer bestimmten Behandlung haben. Die

moderne Medizin mit ihrer Technik und die immer wieder vorkommenden negativen Bericht-

erstattungen in den Medien tragen das Übrige dazu bei.

Eine wichtige Aufgabe ist es, den ängstlichen Patienten zu erkennen und ihm dabei zu

helfen, seine Angst zu überwinden.

Ängstliche Patienten wirken oft unsicher, schreckhaft und vielleicht auch gehetzt. Der Blick

wirkt unruhig, die Sprache ist abgehakt, sie können sich schlecht konzentrieren, die Hände

sind feucht und vielleicht bilden sich sogar Schweissperlen auf der Stirn.

Beim Umgang mit diesen Patienten ist besonders wichtig, dass sie sich nicht von der Nervo-

sität oder der Ungeduld des Patienten anstecken lassen. Sprechen Sie seine Angst mit ruhiger

Stimme an, denn schon das Sprechen über die Angst hilft dem Patienten. Vermeiden Sie

Fachausdrücke die den Patienten noch mehr verunsichern. Vermitteln Sie die Botschaft: «In

unserer Praxis werden wir ihnen helfen.» Bedenken Sie, dass beschwichtigende Formulie-

rungen wie: «Sie müssen doch keine Angst haben!» sinnlos sind und der Patient sich unver-

standen fühlt.

MUSTER

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Kommunikation und Umgang mit Patienten - Verlag Bieri & Weder

Brigitte Sallmann, Denise Ebner Koller 2015

Lehrkraftausgabe

Patiententypen

112 Patiententypen

8.4 Aufdringliche Patienten

Aufdringlichen und schamlosen Menschen fehlt das Gespür für die Grenzen zu anderen

Menschen – gerade aufdringliche Menschen verletzen die Distanzzonen häufig. Dies kann sich

äussern durch Berührungen oder unakzeptabler Nähe. Diese Patienten merken nicht, dass dies

häufig auf andere Personen unangenehm und verletzend wirkt. Berührt Sie der Patient,

schieben Sie ihn unmissverständlich auf einen grösseren Abstand von sich weg. Sehen Sie

ihn dabei freundlich, aber streng an. Versteht er dieses Signal nicht, geben Sie ihm klar zu

verstehen, dass Sie keine Berührungen wünschen. Aufdringliche Patienten brauchen klare

Signale. Bleiben ihre Ansagen wirkungslos, besprechen Sie sich mit ihren Kolleginnen,

eventuell auch mit Ihrem Chef.

8.5 Schamlose Patienten

Versuchen Sie zuerst einzuordnen, weshalb sich der Patient so verhält. Möglicherweise kennt

er die Grenzen des guten Verhaltens nicht – oder es könnte eine krankhafte Erscheinung sein,

sich absichtlich, z. B. durch eine psychische Krankheit bedingt, über Schamgrenzen hinweg-

zusetzen und damit eine aktive Verletzung der Regeln des Zusammenlebens zu begehen.

Beachten Sie: Patienten, die sich aufgrund einer Erkrankung schamlos verhalten, sind in

besonderer Weise schutzbedürftig. Eine ablehnende Haltung dem Patienten gegenüber wäre

insofern unangebracht. Das bedeutet, Sie müssen gegen Ihren spontanen Affekt handeln und

den Patienten (anstatt ihn mit deutlichen Worten zu verweisen) aus der Öffentlichkeit (etwa

am Empfang der Praxis) in eine geschützte Umgebung (zum Beispiel ein Untersuchungs-

zimmer) bringen, um dort die akute Situation zu regulieren.  

Bei der Beurteilung, ob ein Patient sich schamlos verhält oder nicht, ist es wichtig, die

eigene Einstellung zum Thema «Scham» und die Gründe dafür kritisch zu betrachten. 

Für Menschen, die im Vollbesitz ihrer emotionalen und geistigen Fähigkeiten erheblich gegen

die Regeln der Scham und des zwischenmenschlichen Umgangs verstossen, gilt jedoch:

Machen Sie rasch und unmissverständlich, aber ohne jeden Ausdruck persönlicher Wertung

klar, dass ein solches Verhalten in einer Arztpraxis nicht erwünscht ist.   Als professioneller

Betrachter sollten Sie daher stets die krankheitsbedingten Abweichungen eines Patienten

berücksichtigen und Ihr Urteil über die jeweilige Person danach ausrichten.  

8.6 Bekannte des Chefs

Verwandte, Freunde und Bekannte des Chefs können eine besondere Herausforderung sein!

Meist glauben diese Patienten, einen Sonderstatus zu haben! Sätze wie: «Ich kenne Dr. X

persönlich…» dürften Ihnen bekannt sein. Auch denken diese Patienten, dass die Praxis-

regeln vor allem für alle andern Patienten gelten.

Hier sind klare Abmachungen mit Ihrem Chef zu treffen.

MUSTER

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Lebenszeit von Emma 113

Entwicklungspsychologie

9 Entwicklungspsychologie

9.1 Lebenszeit von Emma

9.1.1 Arbeitsteil

Auftrag: Bearbeiten Sie in 3er-Gruppen den Lebenslauf von Emma.

Lebenszeit von Emma: 0-1 Jahre

Mit wem sitzt Emma am Frühstückstisch?

Was lernt Emma in dieser Zeit vor allem für ihr Leben?

Womit beschäftigt Emma sich die meiste Zeit während dieses Lebensabschnitts?

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Entwicklungspsychologie

114 Entwicklungspsychologie

Wenn man Emma fragen würde: Was wäre das ALLERWICHTIGSTE in ihrem Leben zu dieser

Zeit?

Lebenszeit von Emma: 1-3 Jahre

Mit wem sitzt Emma am Frühstückstisch?

Was lernt Emma in dieser Zeit vor allem für ihr Leben?

Womit beschäftigt Emma sich die meiste Zeit während dieses Lebensabschnitts?

Wenn man Emma fragen würde: Was wäre das ALLERWICHTIGSTE in ihrem Leben zu dieser

Zeit?

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Lebenszeit von Emma 115

Entwicklungspsychologie

Lebenszeit von Emma: 3-6 Jahre

Mit wem sitzt Emma am Frühstückstisch?

Was lernt Emma in dieser Zeit vor allem für ihr Leben?

Womit beschäftigt Emma sich die meiste Zeit während dieses Lebensabschnitts?

Wenn man Emma fragen würde: Was wäre das ALLERWICHTIGSTE in ihrem Leben zu dieser

Zeit?

MUSTER

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Entwicklungspsychologie

116 Entwicklungspsychologie

Lebenszeit von Emma: 6-12 Jahre

Mit wem sitzt Emma am Frühstückstisch?

Was lernt Emma in dieser Zeit vor allem für ihr Leben?

Womit beschäftigt Emma sich die meiste Zeit während dieses Lebensabschnitts?

Wenn man Emma fragen würde: Was wäre das ALLERWICHTIGSTE in ihrem Leben zu dieser

Zeit?

MUSTER

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Lebenszeit von Emma 117

Entwicklungspsychologie

Lebenszeit von Emma: 12-25 Jahre

Mit wem sitzt Emma am Frühstückstisch?

Was lernt Emma in dieser Zeit vor allem für ihr Leben?

Womit beschäftigt Emma sich die meiste Zeit während dieses Lebensabschnitts?

Wenn man Emma fragen würde: Was wäre das ALLERWICHTIGSTE in ihrem Leben zu dieser

Zeit?

MUSTER

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Entwicklungspsychologie

118 Entwicklungspsychologie

Lebenszeit von Emma: 25-35 Jahre

Mit wem sitzt Emma am Frühstückstisch?

Was lernt Emma in dieser Zeit vor allem für ihr Leben?

Womit beschäftigt Emma sich die meiste Zeit während dieses Lebensabschnitts?

Wenn man Emma fragen würde: Was wäre das ALLERWICHTIGSTE in ihrem Leben zu dieser

Zeit?

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Lebenszeit von Emma 119

Entwicklungspsychologie

Lebenszeit von Emma: 35-50 Jahre

Mit wem sitzt Emma am Frühstückstisch?

Was lernt Emma in dieser Zeit vor allem für ihr Leben?

Womit beschäftigt Emma sich die meiste Zeit während dieses Lebensabschnitts?

Wenn man Emma fragen würde: Was wäre das ALLERWICHTIGSTE in ihrem Leben zu dieser

Zeit?

MUSTER

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Entwicklungspsychologie

120 Entwicklungspsychologie

Lebenszeit von Emma: ab 50 Jahren

Mit wem sitzt Emma am Frühstückstisch?

Was lernt Emma in dieser Zeit vor allem für ihr Leben?

Womit beschäftigt Emma sich die meiste Zeit während dieses Lebensabschnitts?

Wenn man Emma fragen würde: Was wäre das ALLERWICHTIGSTE in ihrem Leben zu dieser

Zeit?

MUSTER

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Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung 121

Entwicklungspsychologie

9.2 Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung

Das Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung wurde von Erik Erikson im Jahre 1950

entwickelt und beschreibt 8 Lebenskrisen.

Entwicklung

Grundlage1. Lebensjahr

+ Vertrauen

• körperliche Nähe

• Zuwendung, Liebe

• Sicherheit, Schutz

• Nahrung

Grundlegendes Gefühl der Sicherheit

- Misstrauen

• Angst vor dem «Verlassenwerden»

• Grundbedürfnisse werden nicht gestillt

Entwicklung von Unsicherheit und Angst

Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung

1. Lebensjahr

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Entwicklungspsychologie

122 Entwicklungspsychologie

2.-3. Lebensjahr Entwicklung

Grundlage2.-3. Lebensjahr

+ Autonomie

• lernt Freiheiten und Grenzen kennen

• entfaltet Neugierde

• darf «Trockenwerden» selber steuern

• lernt Gehen und Sprache

Wahrnehmung der eigenen Person

Eigene Körperkontrolle ▷ Selbstständigkeit

- Zweifel – Scham

• zu enge Grenzen

• zu viel Kontrolle über das Kind

• wird gezwungen zum «Trockenwerden»

Es entstehen Selbstzweifel ▷ Das Kind ist schnell

entmutigt.

Entwickelt wird die ansteigende Selbstständigkeit des Kindes durch die neu erworbenen

Fähigkeiten des Gehens, des Sprechens und der Stuhlkontrolle = Identität. Die Basis für diese

Selbstständigkeit beruht auf dem Vertrauen in die Bezugsperson und in sich selbst. Für das

Kind muss das Gefühl entstehen, auszuprobieren bzw. den eigenen Willen durchsetzen zu

dürfen, ohne das Vertrauen zu gefährden.

Das eigene Ausscheiden ist, was das Kleinkind selbst produzieren bzw. kontrollieren kann. Die

immer wiederkehrende Einschränkung der Art und Weise wie sich ein Kind verhalten soll,

kann zur Folge haben, dass das Kind seine Bedürfnisse als unakzeptabel bzw. als «schmutzig»

wahrnimmt. Wird das Kind von den Erziehenden zu früh zur Reinlichkeit gezwungen und

damit überfordert, entsteht das Gefühl des Versagens. Beim Kind entsteht in der Folge Scham

und der Zweifel an der Richtigkeit der individuellen Wünsche und Bedürfnisse.

In dieser Zeit entwickelt das Kind auch Vorstellungen über «Ich» und «Du». Es lernt, dass es

ein Einzelwesen mit Wünschen und Bedürfnissen ist. Es entdeckt, dass es einen eigenen

Willen besitzt und versucht, diesen mit Heftigkeit durchzusetzen – Trotzphase. Je nach

Temperament des Kindes und dem Druck, den Erziehende ausüben, wird die Trotzphase zu

einer Herausforderung.

MUSTER

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Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung 123

Entwicklungspsychologie

4.-5. LebensjahrEntwicklung

Grundlage4.-5. Lebensjahr

+ Initiative

• darf sich nützlich fühlen

• kann Verantwortung übernehmen

• verfügt über grössere Bewegungsfreiheit

• kann «Gut und Böse» unterscheiden

Vertraut auf eigene Initiative und Kreativität

- Schuldgefühl

• dem Kind wird nichts zugetraut

• das Kind wird überfordert

Es entstehen Schuldgefühle ▷ mangelndes Selbst-

wertgefühl

Das Kind differenziert sich zunehmend von der Umwelt und versucht die Realität zu erkunden,

was sich in unzähligen Fragen äussert. Es beginnt einfache Zusammenhänge und Begrün-

dungen zu begreifen. Das Kind liebt Nachahmungs- und Rollenspiele und schliesst Freund-

schaften. Es ist wichtig, dass das Kleinkind lernt, Anforderungen ohne fremde Hilfe zu erle-

digen – dies fördert die Initiative.

Zusätzlich ist in diesem Alter die Gewissensentwicklung wichtig. Hierbei geht es um die

Reifung der kindlichen Moral. Die Basis für die Entwicklung des Gewissens ist gefestigt, das

Kind fühlt sich beim «Entdecktwerden» einer Missetat unwohl und beschämt. Es empfindet

Schuld.

9.2.1 Arbeitsteil

Erinnern Sie sich?

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Entwicklungspsychologie

124 Entwicklungspsychologie

6.-12. Lebensjahr Entwicklung

Grundlage6.-12. Lebensjahr

+ Werksinn(Leistung)

• Kind will beobachten und teilnehmen

• lernt eine Arbeit abzuschliessen

• verbessert seine sozialen Fähigkeiten –

knüpft Freundschaften

Es entsteht Leistungsbereitschaft ▷ Kompetenzen

werden erworben, Interesse wird geweckt.

- Minderwertigkeit

• Mangel an Lob und Anerkennung

• häufige Kritik

• ausgeschlossen sein – keine Freund-

schaften

Gefühl des Versagens ▷ Minderwertigkeitsgefühl

Kinder in diesem Alter wollen nicht mehr «so tun als ob», sie wollen zusehen und mitmachen.

Wichtig ist auch, dass man ihnen zeigt, wie man etwas macht. Hier entwickelt sich der

Werksinn des Kindes = Leitstungsfähigkeit. Kinder müssen gefördert werden, man soll sie

dafür begeistern, etwas zu tun. Stellen Eltern zu hohe Ansprüche an die Kinder und überfor-

dern sie, scheitern sie in dieser Phase. Erfolgserlebnisse bleiben aus und somit entsteht ein

Gefühl der Minderwertigkeit und Schwäche.

Einüben der «Spielregeln» des sozialen Verhaltens:

• sich ein- und unterordnen

• Grenzen kennen und akzeptieren lernen

• sich durchsetzen

• nach Anerkennung streben

• Rolle mit Pflichten und Rechten übernehmen

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Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung 125

Entwicklungspsychologie

13.-25. LebensjahrEntwicklung

Grundlage13.-25. Lebensjahr

+ Identität

• Eintritt der sexuellen Reife

• Auseinandersetzung mit dem Leben

• Gefühle für das andere Geschlecht

• Förderung von Begabungen

Es entwickelt sich Selbstvertrauen ▷ Zuversicht.

Bewusstwerden der eigenen Position in der Gesell-

schaft

- Verschwommene Identität

• Verwirrung durch körperliche Verände-

rungen

• Ablösungsproblematik

• übermässig rebellisches Verhalten

Platz in der Gesellschaft ist nicht gefunden ▷ Rückzug (Sekten, irreale Welt)

Identität ist wichtig, man weiss wer man ist und man weiss um die eigene Position in der

Gemeinschaft. In dieser Entwicklungsstufe gestalten die Jugendlichen ihr Selbstbild, indem

sie all ihr Wissen über sich selbst und die Welt bündeln. Man sucht die soziale Rolle, z. B.

durch Auseinandersetzung und In-Frage-Stellen der Bezugspersonen, durch Auseinanderset-

zung mit dem anderen Geschlecht, die Rolle im Beruf und die Rolle in der Gruppe der

Gleichaltrigen. Diese Identitätsbildung gelingt besser, wenn man möglichst viele positive

Erfahrungen gesammelt hat und sich gesundes Selbstvertrauen entwickelt. Ist dies nicht der

Fall, kommt es zu einer Identitätsstörung. Bewältigt der Jugendliche diese nicht, so stösst

er auf Zurückweisung. Er zieht sich zurück und gelangt so möglicherweise in eine Gruppe, die

ihm eine gemeinsame Identität anbietet, allerdings oft in eine, die gegen demokratische und

gesellschaftliche Grundregeln verstösst.

Frühadoleszenz: 10. Lebensjahr – 14. LebensjahrPubertät – Veränderungen, die mit der körperlichen und sexuellen Reifung verbunden sind.

Beginn einer grossen psychischen Arbeitsphase: «Sich selbst akzeptieren» und Akzeptanz des

«neuen» Körpers (neue Empfindungen, Wünsche, Fantasien, Lustgefühle). Besonders bei

Mädchen ist diese Umbruchphase durch Rückzug, Verstimmungen, Reizbarkeit, Unlustgefühle

und Selbstzweifel charakterisiert. Abfall von Interesse an körperlicher Aktivität und schuli-

schen Leistungen – Tagträumen….

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Entwicklungspsychologie

126 Entwicklungspsychologie

25.-35. Lebensjahr

Mittlere Adoleszenz: 15. Lebensjahr – 17. LebensjahrPhase der Auflehnung gegen Eltern, Lehrpersonen und Vorgesetzte. Es wird alles in Frage

gestellt und kritisch hinterfragt. Auseinandersetzungen sind unvermeidlich – Unfähigkeit,

Kritik zu akzeptieren. Innere Unsicherheit wird durch «cooles» Auftreten überspielt. In dieser

Zeit entwickeln Jugendliche ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl zu der eigenen Clique

(Geborgenheit, Sicherheit und Verständnis). Erprobung der eigenen Gefühle, Kontakt mit dem

anderen Geschlecht. Interesse: das eigene Erscheinungsbild, Markenkleider, Mode, Idole,

Figur etc.

Spätadoleszenz: 18. Lebensjahr – 25. LebensjahrNach innen: Wer bin ich? Wozu lebe ich? Wie möchte ich sein?

Nach aussen: Wie sehen mich andere? Was denken andere über mich? Was bin ich anderen

wert? Sind diese Fragen zum grossen Teil beantwortet, ist der Prozess der Identitätsfindung

abgeschlossen. Findet jemand nicht zu sich selber und/oder vermag keine Zukunftsperspek-

tive aufzubauen, spricht man von einer verschwommenen Identität. Obwohl die Gesellschaft

nicht perfekt ist, kann man in ihr leben und seinen Beitrag leisten, sie zu verbessern (das

gleiche gilt für zwischenmenschliche Beziehungen).

9.2.2 Arbeitsteil

Ihre Erfahrungen?

Entwicklung

Grundlage25.-35. Lebensjahr

+ Intimität

• Partnerwahl – Bindungsfähigkeit

• Übernahme von Verantwortung

• Ausprägung der Identität

Bindungsfähig – Beibehaltung der eigenen Iden-

tität

- Isolation

• Fehlende Ich-Identität

• Ohne Bindungen leben

• Abgrenzung

Isolation – Gefühl von Einsamkeit

In erster Linie steht hier die Erreichung von Intimität im Vordergrund, anstatt isoliert zu

bleiben.

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Lehrkraftausgabe

Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung 127

Entwicklungspsychologie

35.-50. Lebensjahr

Die Identitäten sind gereift, es wird möglich in eine Paarbeziehung zu treten. – Wunsch nach

einer stabilen Partnerschaft. Dabei ist wichtig, die unterschiedlichen Meinungen ernst zu

nehmen und Probleme rund um den Alltag und die Lebensgestaltung zu besprechen. Wird zu

wenig Wert auf intime Beziehungen (auch Freundschaften) gelegt, so kann Isolation

entstehen. Es ist jedoch wichtig, dass die Erfahrung der Isolation oder auch der Distanzie-

rung für alle wichtig ist – Entwicklung eines sinnvollen Verhältnisses.

Entwicklung

Grundlage35.-50. Lebensjahr

+ Generativität

• Gründung einer Familie

• Soziales Engagement

• Normen und Werte werden weitergegeben

Sorge um Familie, Gesellschaft und zukünftige

Generationen

- Stagnation

• Egozentrisch

• Ablehnung gegenüber Anderen

Isolation von den Mitmenschen – Gefühl von

Einsamkeit – Fehlende Zukunftsperspektive

Die Generativität (Schaffenskraft) gilt als die wichtigste Entwicklungsstufe. Es bedeutet, die

Liebe in die Zukunft zu tragen, sich um die folgende Generation zu kümmern. Was Erikson

damit meint, bedeutet nicht ausschliesslich eigene Kinder zu bekommen, sondern bezieht

sich auch auf die Künste, die Wissenschaft etc.

Bei fehlendem Antrieb (div. Gründe) tritt das genaue Gegenteil ein = Stagnation, man ist

ausschliesslich mit sich selbst beschäftigt. Das würde Ablehnung seitens der Mitmenschen

nach sich ziehen. Wer ein Mittelmass findet, also wer sich selbst und andere nicht vernach-

lässigt, der hat diese Phase bewältigt und die Fähigkeit zur Fürsorge erreicht.

Irgendwann im Laufe dieser Zeit tritt die sog. «Midlife crisis» ein. Je nachdem, wie das

bisherige Leben verlaufen ist (Verzichte, Verluste etc.) entsteht das Bedürfnis der Kompensa-

tion. Jeder Mensch, ob Mann oder Frau erlebt diese Krise anders, mehr oder wenig heftig, mit

mehr oder weniger persönlichen Konsequenzen, die jedoch oft mit Veränderungen der

bisherigen persönlichen Lebensumstände verbunden sind.

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Lehrkraftausgabe

Entwicklungspsychologie

128 Entwicklungspsychologie

50./60. – 80. Lebensjahr

9.2.3 Arbeitsteil

Ihre Beobachtungen?

Entwicklung

Grundlage50./60. – 80. Lebensjahr

+ Integrität

• Zufriedenheit – Weisheit

• Rückblick ohne Bedauern

• Keine Angst vor dem Tod

Sinn des Lebens erkennen

- Verzweiflung

• Unzufriedenheit

• Enttäuschung – Gefühl der Sinnlosigkeit

• Todesangst

Verachtung des eigenen Daseins

Menschen, die beruflich und/oder im privaten Bereich noch etwas Neues in Angriff nehmen

und solche, die sich auf die Pensionierung vorbereiten.

Aktive Generation – bei denen jedoch altersbedingte Einschränkungen oder Krankheiten

vermehrt auftreten.

In dieser letzten Entwicklungsstufe blickt der Mensch auf sein Leben zurück. Es geht also

darum, das bisherige Leben so wie es war zu akzeptieren, mit allen positiven und negativen

Erlebnissen und Ereignissen. Er soll seine Taten annehmen und den Tod nicht fürchten.

Verzweiflung äussert sich bei all jenen, die meinen, im Leben etwas falsch gemacht zu haben

und es aus diesem Grund noch einmal «leben» zu müssen. Der Mensch muss sich mit dem

Alter und dem Tod auseinandersetzen. Wer diese letzte Phase erfolgreich abschliesst, erlangt

Erikson zufolge Weisheit. Was nichts anderes bedeutet, als dem Tod entgegenzusehen, sein

Leben anzunehmen mitsamt den Fehlern und darin dann das Glück zu finden. Setzt sich der

Mensch in dieser Phase nicht mit Alter und Tod auseinander (spürt nicht die Verzweiflung

dabei!) kann das zu Anmassung und Verachtung dem Leben gegenüber führen (dem eigenen

und dem aller).

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung 129

Entwicklungspsychologie

9.2.4 Arbeitsteil

Zusammenfassung – Entwicklungsaufgaben nach Erikson

Setzen Sie die richtigen Begriffe ein!

Erik H. Erikson (1902 – 1994)

acht Entwicklungsaufgaben gesunden

konstruktive Entwicklung des Menschen

Der deutsch-amerikanische Arzt und Psychoanalytiker Erik H. Erikson unterscheidet in der

psychosozialen Entwicklung des Menschen insgesamt acht Phasen der

ICH-Entwicklung, die über die gesamte Lebensspanne hinweg ablaufen.

In jeder dieser Phasen gilt es bestimmte Entwicklungsaufgaben zu bewältigen.

Eine konstruktive Bewältigung dieser Aufgaben ermöglich die Entwicklung

einer gesunden Persönlichkeit.

9.2.5 Arbeitsteil

Zusammenfassung – Entwicklungsaufgaben nach Erikson

Setzen Sie die richtigen Begriffe ein!

0-1 Jahr: Vertrauen vs. Misstrauen

Misstrauen vertrauen Bezugspersonen

Lebensjahr Bedürfnisse misstrauen

Beziehungen

Im ersten Lebensjahr lernt ein Säugling, entweder seiner Umwelt zu vertrauen oder zu misstrauen Diese erste Entwicklungszeit gibt ihm das Gefühl der Sättigung,

der erhaltenen Zuwendung, der Liebe und Beständigkeit der Bezugspersonen . Werden die Bedürfnisse nicht ausreichend befriedigt, so entsteht ein grundle-

gendes Misstrauen . Beziehungen können später von Angst und Hemmungen

bestimmt sein.

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Lehrkraftausgabe

Entwicklungspsychologie

130 Entwicklungspsychologie

9.2.6 Arbeitsteil

Zusammenfassung – Entwicklungsaufgaben nach Erikson

Setzen Sie die richtigen Begriffe ein!

1-3 Jahre: Autonomie vs. Scham/Zweifel

versagen früh zweifeln

Autonomie kritisiert Fähigkeiten

Scham

Das Kind entdeckt in dieser Zeit die Welt und seine Fähigkeiten sie zu erobern. Hat

es die Möglichkeit, seine Fähigkeiten auszuprobieren, so erwirbt es für die Zukunft Auto-nomie d.h. Kraft, selbständig zu handeln und zu entscheiden. Wird es zu stark kriti-siert und eingeschränkt, so lernt es, an sich selber zu zweifeln . Wird es zudem

zu früh zur Reinlichkeit gezwungen und überfordert, so entsteht durch das Gefühl

zu versagen eine grundlegende Scham haltung.

9.2.7 Arbeitsteil

Zusammenfassung – Entwicklungsaufgaben nach Erikson

Setzen Sie die richtigen Begriffe ein!

3-6 Jahre: Initiative vs. Schuldgefühle

Verbote ablösen Initiative

Schuldgefühle

Wenn das Kind in dieser Phase Aufmunterung und Lob für seine Initiative erhält,

wird es eher selbstbewusst und kann sich immer mehr ablösen Wird es für seine

Eigeninitiative getadelt und durch zu viele Verbote eingeschränkt, verzögert sich die

Ablösung und es entstehen Schuldgefühle .

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Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung 131

Entwicklungspsychologie

9.2.8 Arbeitsteil

Zusammenfassung – Entwicklungsaufgaben nach Erikson

Setzen Sie die richtigen Begriffe ein!

6-12 Jahre: Leistung vs. Minderwertigkeit

Vergleich Leistungsfähigkeit Leistungen

Minderwertigkeitsgefühle

Das Kind ist jetzt bereit für die Schule und will Leistungen erbringen. Es ist interes-

siert und will Neues kennenlernen.

Wird es dabei unterstützt, so wird seine Leistungsfähigkeit gestärkt. Erfährt das

Kind hingegen im Vergleich zu seinen Kameraden, dass es den Ansprüchen nicht

genügen kann, entwickelt es Minderwertigkeitsgefühle .

9.2.9 Arbeitsteil

Zusammenfassung – Entwicklungsaufgaben nach Erikson

Setzen Sie die richtigen Begriffe ein!

12-25 Jahre: Identität vs. verschwommene Identität

Rolle Identität Kindheit

Überganges Adoleszenz Identität

ablöst Partner/in Ablösung

verschwommenen Identität Gruppe

Die Adoleszenz ist die Zeit des Überganges von der Kindheit ins

Erwachsensein. Indem der/die Jugendliche sich von den Eltern immer mehr ablöst und seine Rolle in einer Gruppe findet, entwickelt er/sie eine eigene Iden-tität . Gegen Ende dieser Phase wird die Gruppe (im Fachjargon peer-group)

weniger wichtig und die Person sucht sich einen/eine Partner/in . Gelingt

die Ablösung vom Elternhaus nicht oder findet die Person keine klare Identität (unklare Rolle in der Gruppe, Schwierigkeiten in der Berufswahl), kann das zu

einer verschwommenen Identität führen.

MUSTER

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Entwicklungspsychologie

132 Entwicklungspsychologie

9.2.10 Arbeitsteil

Zusammenfassung – Entwicklungsaufgaben nach Erikson

Setzen Sie die richtigen Begriffe ein!

25-35 Jahre: Intimität vs. Isolation

Gesellschaft Aufgaben berufliche

Beziehung Entwicklung Isolation

In dieser Phase ist die Entwicklung stabiler sozialer Beziehungen wichtig, vor allem

aber einer stabilen Beziehung . Auch wird dann die eigene berufliche Kompe-

tenz entwickelt und so der Platz in der Gesellschaft klarer definiert. Wer

diese Aufgaben für sich nicht befriedigend lösen kann, läuft Gefahr, in eine vor allem

soziale Isolation zu geraten.

9.2.11 Arbeitsteil

Zusammenfassung – Entwicklungsaufgaben nach Erikson

Setzen Sie die richtigen Begriffe ein!

35-50 Jahre: Schaffenskraft vs. Rückzug

Gesellschaft sozialen Rückzug auf sich selber

Person

In dieser Phase richtet sich das Interesse über die eigene Person hinaus auf die

Familie, auf die Gesellschaft und die Zukunft der Welt. Man möchte etwas an andere

weitergeben und die persönlichen Fähigkeiten nutzen. Fehlt dieser Antrieb, so erfolgt

ein Rückzug auf sich selber . Das kann sich daran zeigen, dass jemand v.a. materi-

ellen Besitz in den Vordergrund stellt und die sozialen Kontakte deshalb vernachläs-

sigt.

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Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung 133

Entwicklungspsychologie

9.2.12 Arbeitsteil

Zusammenfassung – Entwicklungsaufgaben nach Erikson

Setzen Sie die richtigen Begriffe ein!

Ab 50 Jahren: Lebenserfüllt vs. Verzweiflung

Verzweiflung Tod verpasst

erfüllt Gewöhnen Kräfte

In dieser Phase muss der Mensch sich mit seiner Pensionierung auseinandersetzen und damit,

was er nachher tut. Langsam lassen die Kräfte nach und der Mensch muss sich an

diese Veränderung gewöhnen . Die grosse Aufgabe ist, Abstand zu nehmen und sich

mit dem Tod von sich und geliebten Menschen auseinanderzusetzen. Der Mensch

kann in dieser Zeit gelassener werden und sein Leben als erfüllt wahrnehmen oder

er kann das Gefühl bekommen, vieles verpasst zu haben und in eine Verzweif-lung geraten.

Text in Anlehnung an den Sprechstundenassistenzordner, Kapitel 6.1.

9.2.13 Arbeitsteil

Welche Beobachtungen machen Sie bei älteren Menschen?

MUSTER

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Kommunikation und Umgang mit Patienten - Verlag Bieri & Weder

Brigitte Sallmann, Denise Ebner Koller 2015

Lehrkraftausgabe

Entwicklungspsychologie

134 Entwicklungspsychologie

9.2.14 Arbeitsteil

Erstellen Sie eine Übersicht der psychosozialen Entwicklung (nach Erikson)

Lebensjahr Soz. UmfeldPositive Aspekte

Negative Aspekte

Vertrauen vs. Misstrauen

Autonomie vs. Selbstzweifel

Initiative vs. Schuldgefühl

Werksinn vs. Minderwertig-keitsgefühl

Identität vs. verschwommene Identität

Intimität vs. Isolierung

Generativität vs. Stagnation

Integrität vs. Verzweiflung

MUSTER

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Brigitte Sallmann, Denise Ebner Koller 2015

Lehrkraftausgabe

Rechte des Patienten 135

Rechte der Patienten Schweigepflicht

Rechte des Patienten

10 Rechte der Patienten Schweigepflicht

10.1 Rechte des Patienten

Der Patient hat immer und überall das Recht, über seinen eigenen Körper zu verfügen. Er

entscheidet, ob er sich behandeln lassen will oder nicht.

Der Patient gibt dem Arzt einen Auftrag zur Behandlung. Der Arzt kann aber die Übernahme

dieses Auftrags ablehnen, ausgenommen in lebensbedrohlichen Notfällen.

Recht auf Information

Der Patient hat das Recht, umfassend und sachlich informiert zu werden. Ohne Aufklärung

und Einwilligung des Patienten stellt jede Behandlung juristisch gesehen eine Körperverlet-

zung dar. Der Arzt ist deshalb verpflichtet, den Patienten unaufgefordert über Diagnose,

verschiedene Behandlungsmöglichkeiten und deren Vor- und Nachteile zu informieren. Nach

umfassender Information hat der urteilsfähige Patient das Recht, seine Meinung zu ändern.

Kein urteilsfähiger Patient darf zu einer Behandlung gezwungen werden (siehe Zwangsmass-

nahmen).

Zwangsmassnahmen

Im Ausnahmefall kann eine Zwangsmassnahme angeordnet werden. Voraussetzung ist dabei,

dass das Verhalten eines Patienten eine ernsthafte Gefährdung gegen sich und andere

darstellt.

Patientenverfügung

Ist ein Patient nicht mehr urteilsfähig, muss geklärt werden, ob eine Patientenverfügung

hinterlegt wurde oder eine Vertrauensperson genannt wurde.

Die Vertrauensperson muss entsprechend informiert werden und muss ihre Einwilligung für

die Behandlung geben.

Einsicht in das Patientendossier

Der Patient hat das Recht, sein Patientendossier einzusehen und sich den Inhalt erklären zu

lassen. Dies umfasst jedoch nicht die persönlichen Notizen des Arztes!

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Rechte der Patienten Schweigepflicht

136 Rechte der Patienten Schweigepflicht

Datenschutz und Schweigepflicht

Krankengeschichten gehören zu den besonders sensiblen Daten und unterstehen dem Daten-

schutz. Zudem hat der Patient das Recht, die Krankengeschichte ausgehändigt zu bekommen

oder Kopien zu erhalten. Für Kopien kann die Arztpraxis oder das Spital eine Gebühr

verlangen.

Nur der Patient kann alle zum Schweigen verpflichteten Personen durch Ausstellen einer

persönlichen Ermächtigung von der Schweigepflicht entbinden.

10.2 Pflichten des Patienten

Patienten haben auch Pflichten

Der persönliche Beitrag zum Genesungsprozess kann niemals alleinige Aufgabe des Arztes

sein.

• Der Arzt ist auf ausführliche Angaben angewiesen. Es sollte auch Unangenehmes

und Peinliches nicht verschweigen werden.

• Der Patient hält sich an Therapievereinbarungen.

• Medikamente sollten nicht einfach abgesetzt werden.

• Rechnungen (gesetzliche Pflicht) von Ärzten, Spitälern, Therapeuten etc. sind zu

bezahlen.

10.3 Datenschutz und Schweigepflicht

Die Privatsphäre soll auch im Krankheitsfall möglichst gut geschützt sein. Ärzte und alle

Personen, die berufsmässig über den Gesundheitszustand von Patienten orientiert sind oder

die Krankengeschichte einsehen können, unterstehen der Schweigepflicht gegenüber Dritten

(z. B. Arbeitgeber, Angehörigen(!), Behörden und Versicherungen. Ausnahmen gelten bei

gewissen übertragbaren Krankheiten wie Tuberkulose oder bestimmten Geschlechtskrank-

heiten. Hier ist der Arzt verpflichtet, die Behörde zu informieren.

Welche Personen unterliegen der Schweigepflicht?

Gemäss Artikel 321 StGB unterstehen bestimmte Berufsgruppen sowie deren Hilfspersonen

der Schweigepflicht.

Berufsgruppen

• Ärztinnen und Ärzte

• Zahnärztinnen und Zahnärzte

• Apothekerinnen und Apotheker

• Hebammen

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Datenschutz und Schweigepflicht 137

Rechte der Patienten Schweigepflicht

Hilfspersonen

• Das sind alle Personen, die eine der obengenannten Personen bei der Berufstätig-

keit unterstützen z. B. MPA, Pflegefachpersonen, Sekretariatsangestellte.

Das Nichtbefolgen der Schweigepflicht ist strafbar und kann mit Busse oder Gefängnis geahndet werden.

Welche Informationen werden von der Schweigepflicht erfasst?

Alle Daten, die Fachpersonen im Rahmen ihrer Tätigkeit von einem Patienten erfahren. Das

zwischen einem Patienten und der Fachperson ein Behandlungsverhältnis besteht, unterliegt

bereits der Schweigepflicht.

Meldungen ohne Befreiung von der Schweigepflicht

Grundsätzlich muss der Patient um eine Bewilligung ersucht werden, wenn Informationen aus

dem Behandlungsverhältnis an Dritte weitergegeben werden.

Melderecht:

Es gibt jedoch Fälle, bei denen Mitteilungen an bestimmte Stellen vorgenommen werden

dürfen. Dies liegt im Ermessen der Fachperson.

Von Interesse sind folgende Melderechte:

• Meldungen nach dem FU-Gesetz (Fürsorgerische Unterbringung)

• Melderecht nach Gesundheitsgesetz bei Straftaten

▷ Verbrechen gegen Leib und Leben (Körperverletzung, Tötung)

▷ öffentliche Gesundheit (Verbreitung von menschlichen Krankheiten)

• Meldung betreffend Fahrtüchtigkeit

• Melderecht nach StGB bei strafbaren Handlungen gegenüber Unmündigen

Meldepflichten:

Die Fachperson ist in aussergewöhnlichen Fällen dazu verpflichtet, eine Mitteilung an eine

bestimmte Behörde vorzunehmen.

Dies gilt bei:

• ausserordentlichen Todesfällen

• übertragbaren Krankheiten

Auskunftsrecht – Auskunftspflicht

• besteht im Rahmen von Strafverfahrenen betreffend Jugendliche

• ebenfalls im Zusammenhang mit der Unfallversicherung

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Rechte der Patienten Schweigepflicht

138 Rechte der Patienten Schweigepflicht

10.3.1 Arbeitsteil

Die Nachbarin ihrer Eltern erscheint nach einem Sturz in der Praxis. Da Sie noch nicht lange

in dieser Praxis arbeiten, wirkt die Nachbarin etwas überrascht, Sie zu treffen. Sie wechseln

einige Worte miteinander. Am Ende des Gesprächs bittet die Nachbarin Sie, Ihren Eltern

«schöne Grüsse» auszurichten.

Was machen Sie?

Zur Sicherheit müssen Sie rückfragen, ob die Nachbarin dies wirklich möchte und schildern unter welchen Umständen sie einander getroffen haben. Der Gruss darf sonst nicht ausgerichtet werden und Sie müssen verschweigen, dass Sie die Nachbarin in der Praxis gesehen haben.

10.3.2 Arbeitsteil

Sie erzählen ihrer Familie beim Nachtessen vom Patienten, der sich durch Unachtsamkeit

selbst mit dem Hammer verletzt hat. Sie nennen weder Name noch wo der Patient wohnt. Am

Abend trifft ihr Vater denselben Patienten an einer Gemeindeveranstaltung. Er erzählt ihm

von seinem «Malheur». Der Vater lacht und meint «er hätte etwas gehört von diesem Unfall».

Welche Konsequenzen könnte dies haben?

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Mein Team 139

Arbeiten im Team

Mein Team

11 Arbeiten im Team

11.1 Mein Team

11.1.1 Arbeitsteil

Wie setzt sich Ihr Team zusammen?

Umkreisen Sie die Personen, mit denen Sie ein gutes Verhältnis haben, grün, diejenigen, mit

denen Sie hin und wieder Schwierigkeiten haben, rot!

Notieren Sie stichwortartig, was Sie an der/den «roten Person/en» stört.

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Arbeiten im Team

140 Arbeiten im Team

Team: Definition

…ist eine Gruppe von Menschen, die gemeinsam einen Auftrag zu erfüllen haben und dies

nur gemeinsam tun können. Jedes Mitglied dieses Teams steuert entsprechend seiner Fähig-

keit und Funktion seinen Beitrag zum Erfolg der zu bewältigenden Arbeit bei. Jedes Team hat

seine eigene Dynamik, geprägt vom Klima, der zu bewältigenden Aufgabe und deren Organi-

sation.

Ein Team ist ein empfindliches soziales Gebilde, das erst entstehen muss und in dem die

Mitglieder Vertrauen und eine tragfähige Beziehung zueinander entwickeln müssen, damit sie

erfolgreich sein können.

Dazu bedarf es einer Reihe von Voraussetzungen:

• überschaubare Arbeitsgruppe (drei bis 12 Mitglieder)

• gemeinsame Ziele

• Zusammengehörigkeitsgefühl

• stabiles Mitarbeiterteam

Regeln für die Zusammenarbeit:

• Alle Teammitglieder erhalten die gleichen Informationen.

• geregelte Arbeitsabläufe

• klare Ziele

• wertschätzende Kommunikation

• gute Feedbackkultur

Was ist in der Zusammenarbeit hinderlich?

• zu hohe Erwartungen an sich selber und andere Teammitglieder

• Kontrollbedürfnis

• Ratschläge erteilen

• Kompetenzüberschreitung

• Machtausübung

• Manipulation/unter Druck setzen

• Vergleichen

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Teamarbeit und Rollenverteilung 141

Arbeiten im Team

Teamarbeit und Rollenverteilung (Belbin R. Meredith, 1993, Team Roles at Work. Oxford. Butterworh Heinemann)

11.2 Teamarbeit und Rollenverteilung nach Dr. Meredith Belbin

Teamrollen im Überblick

Teamrolle Rollenbeitrag Charakteristika Zulässige Schwächen

Erfinder/Neuerer hat neue Ideen kreativ verträumt

Wegbereiter/Weichensteller knüpft Kontakte kommunikativ oft zu optimistisch

Koordinator/Integrator

ist entscheidungs-freudig

selbstsicher manipulativ

Macher ist mutig, «packt an»

dynamisch ungeduldig, reizbar

Beobachterbeobachtet und kommentiert Arbeitsabläufe

nüchtern wenig kreativ

Teamarbeiter/Mitspieler

verbessert Kommu-nikation

vermittelt bei Konflikten

wenig entschei-dungsfreudig

Umsetzer setzt Pläne in die Tat um

diszipliniert, verlässlich

unflexibel

Perfektionist vermeidet Fehlergewissenhaft, pünktlich

überängstlich

Spezialist liefert Fachwissen und Information

sachbezogenverliert sich oft in Details

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Arbeiten im Team

142 Arbeiten im Team

Entwicklungsphasen eines Teams (Hotopp, 2000; zit. nach Rogall-Adam et al, S. 195)

11.3 Die Entwicklungsphasen eines Teams

Phasen Sachebene Beziehungsebene

1. Organisationsphase

Die Erwartungen der Team-mitglieder werden geklärt.Alle erhalten die wichtigsten Informationen und klare Zielvorgaben.

Die Mitglieder lernen sich kennen. Der Teamleiter gibt erste Anweisungen.

2. Positionsfindungs-phase

Die einzelnen Teammit-glieder erhalten Aufgaben – nicht alle sind mit der Aufteilung einverstanden und es kommt zu Diskussi-onen und Widerstand.

Jedes Teammitglied sucht seine Rolle und verteidigt diese. Wenn es seine bevor-zugte Arbeit nicht zugeteilt erhält, kommt es zu Konflikten.In grösseren Teams kann es zu Cliquenbildung kommen.

3. Kooperations- und Konsensphase

Die Aufgaben sind verteilt, alle wissen, was sie zu tun haben. Gemeinsam werden Lösungen bei Problemen gesucht.

Die neu gewonnene Harmonie wird in dieser Phase meist nicht gestört. Alle sind entspannt und vermeiden Konflikte.

4. Arbeitsphase

Alle sind motiviert und engagiert bei der Arbeit. Es herrscht eine grosse Kreati-vität, niemand drückt sich vor seiner Aufgabe und alle wollen, dass das Ziel des Teams gut erreicht wird.

Der Zusammenhalt unter den Teammitgliedern ist gross. In dieser Phase getraut man sich auch, einander konst-ruktiv zu kritisieren, Feed-back ist erwünscht.

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Die Entwicklungsphasen eines Teams 143

Arbeiten im Team

Arbeitsphase Organisationsphase

Kooperations- und Konsensphase

Positionsfindungs- phase

11.3.1 Arbeitsteil

In welcher Zeitphase befindet sich Ihr Team? Zeichnen Sie dies auf der obenstehenden

Abbildung ein.

Begründen Sie? Was ist bei ihrem Team typisch für diese Phase?

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Arbeiten im Team

144 Arbeiten im Team

Johari-Fenster 11.4 Johari-Fenster nach Joseph Luft und Harry Ingham

Nicht immer entspricht das Bild, das ein Mensch von sich selbst hat, dem Bild, das Aussen-

stehende von ihm haben. Basis für jedes Selbstbild bzw. Fremdbild ist die Wahrnehmung. Sie

ist geprägt durch den ersten Eindruck, das Verhalten, die Kommunikation der anderen Person.

Was uns dabei beschäftigt, ist die Frage, inwieweit das Bild, das wir uns von uns selbst

machen, mit dem übereinstimmt, das andere sich in der Kommunikation mit uns gemacht

haben.

Das vierteilige Johari-Fenster, nach den amerikanischen Sozialpsychologen Joseph Luft und

Harry Ingham, ist ein einfaches Modell, das einen Vergleich von Selbst- und Fremdwahrneh-

mung zulässt und mit Hilfe dessen man Veränderungen hinsichtlich der Wahrnehmung von

(interpersonaler) Beziehungen darstellen kann.

mir selbst bekannt mir selbst nicht bekannt

ande

ren

beka

nnt

Teil ABereich des «freien Handelns»

Dieser Bereich beschreibt die öffentliche Person. Er ist der eigenen Person und anderen bekannt. Es ist der Bereich der freien Aktivität, öffentlicher Sach-verhalte und Tatsachen.

Teil BBereich des «blinden Flecks»

Dies ist der «blinde Fleck» der Selbstwahrnehmung. Dieser Bereich beherbergt den Anteil des Verhal-tens, den man selbst wenig, andere aber sehr deutlich wahrnehmen.

ande

ren

nich

t be

kann

t Teil CBereich des «Verbergens»

Der Bereich der «privaten Person». Nur der eigenen Person bekannt. Teile des Denkens und Handelns sind hier platziert, die man ganz bewusst vor anderen verbergen möchte.

Teil DBereich des «Unbewussten»

Dieser Bereich ist weder einem selbst noch anderen Personen unmittelbar zugänglich. Verborgene Talente und Begabungen können hier schlummern.

Das Johari-Fenster zeigt, dass es Verhaltensweisen gibt, bei denen unbeabsichtigte Mittei-

lungen zur eigenen Person vorgenommen werden, aber gleichzeitig grosse Bereiche der

eigenen Wahrnehmung verborgen bleiben.

Nur ein Bruchteil des Verhaltens einer Person, welches für eine soziale Situation relevant ist,

wird eigentlich wahrgenommen. Wesentliche Aspekte sind nicht bekannt, bewusst oder

zugänglich, weder von der Person selbst noch von anderen.

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Johari-Fenster nach Joseph Luft und Harry Ingham 145

Arbeiten im Team

Anwendung des Johari-Fensters Es findet Anwendung im Feedback und in der Kommunikation innerhalb der Gruppe. In glei-

cher Weise gilt es auch für Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppen, denn auch hier

gibt es öffentliche Bereiche und blinde Flecken.

Anfangs ist Teil A, der Bereich der «freien Aktivitäten», innerhalb einer neu gefundenen

Gruppe sehr klein. Jedoch ist es für das Zusammenfinden und den gruppendynamischen

Prozess sehr wichtig, genau diesen Bereich zu vergrössern und die Bereiche B und C zu

verringern.

Zum Beispiel durch:

• Feedback geben und nehmen

• die andere Person akzeptieren

• sich selbst mitteilen und Informationen preisgeben.

Teil A

Bereich des

freien Handelns

Teil B

Blinder Fleck

Teil D

Bereich des

Unbewussten

Teil C

Bereich des

Verbergens

Wird Feedback angenommen und konstruktiv reflektiert, kann dies zu einer Veränderung der

Beziehungen innerhalb der Gruppe führen.

Bleibt man im Bild des Johari-Fensters, heisst dies unweigerlich: Verändert man einen Teil

des Johari-Fensters, verändert man auch alle anderen.

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Arbeiten im Team

146 Arbeiten im Team

11.4.1 Arbeitsteil

Wählen Sie eine Partnerin aus.

Füllen Sie die Felder A und B aus. Kratzen Sie nicht nur an der Oberfläche!

Tauschen Sie das Arbeitsblatt und ihre Partnerin füllt den Bereich C aus. Ein oder zwei

Anmerkungen genügen. Es geht vor allem darum, dem anderen nützliche Hinweise in Bezug

auf seine Person zu geben. Diskutieren Sie darüber.

Mir selbst bekannt Mir selbst unbekannt

Den

ande

ren

beka

nnt

A Öffentliche Person C Blinder Fleck

Den

ande

ren

unbe

kann

t

B Privatperson D Unbekanntes

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Feedback 147

Arbeiten im Team

Feedback11.5 Feedback

• Unter Feedback verstehen wir ist eine Rückmeldung an eine Person über ihr

Verhalten und wie dieses von anderen wahrgenommen, verstanden und erlebt wird.

• Solche Rückmeldungen finden im Kontakt mit anderen ständig statt, bewusst oder

unbewusst, spontan oder erbeten, in Worten oder körpersprachlich. Feedback ist in

beruflichen und privaten Beziehungen ein wirksames Instrument zur Verbesserung

der Kommunikation und zur Vermeidung von (kontraproduktiven) Konfrontationen.

• Prinzip und Wirkung

• Selbstbild überprüfen

• Jeder Mensch hat ein Bild über sich selbst (Selbstbild), und jeder Mensch hat Bilder

über andere (Fremdbild). Selbstbild und Fremdbild sind fast nie deckungsgleich

(Johari-Fenster).

• Wirkung von Verhaltensweisen erkennen

• Hinter jedem Verhalten steht eine (mehr oder weniger klare) Absicht. Jedes

Verhalten hat eine Wirkung und wird von anderen unterschiedlich erlebt und beur-

teilt. Durch offenes Feedback kann der Empfänger erfahren, wie er auf andere wirkt.

Er kann nun überlegen, ob er das so will und kann gegebenenfalls sein Verhalten

verändern.

• Beziehungen klären

In Beziehungen wird vieles verschwiegen. Durch offenes Feedback wird Verborgenes

erkennbar. Wünsche und Bedürfnisse, Freude und Anerkennung können ausge-

tauscht werden, aber auch Ängste und Verletzungen können angesprochen werden.

Dadurch entsteht Vertrauen und Nähe.

• Arbeitsfähigkeit verbessern

• In vielen Gruppen werden Gefühle unter den Tisch gekehrt. Dort entfalten sie oft

eine zerstörerische Wirkung. Widersprüchliche Ziele führen oft zu Konflikten. Im

offenen Feedback können Gefühle gezeigt und Beweggründe und Bedürfnisse

erklärt werden. Dadurch entsteht Klarheit und diese kann zu einer besseren

Zusammenarbeit führen.

MUSTER

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Arbeiten im Team

148 Arbeiten im Team

11.5.1 Arbeitsteil

Feedback: Rückfütterung/Rückmeldung geben im Team

Ziele:

Kommunikation klären und sichern

Verhalten überprüfen

Entwicklung der einzelnen Personen fördern

Handlungsspielraum erweitern

Feedback geben heisst:

Mitteilen der Wahrnehmung zum Verhalten einer anderen Person und

dessen Wirkung auf mich. Beim Feedbackgeben wissen wir nicht, was die Empfänger/

innen aus unserer Botschaft machen.

Wir sind für ein möglichst klares Aussenden verantwortlich, nicht aber für das

Ankommen, d. h. für die Stimmungen und Gefühle der Empfänger/innen.

Feedback empfangen heisst:

Die Wahrnehmungen zu meinem Verhalten und zu meiner Wirkung auf andere entgegennehmen.

Beim Feedbacknehmen sind wir frei, was wir hören und wie wir darauf reagieren

wollen.

Feedback beruht auf Selbst- und Fremdwahrnehmung.

Jede Wahrnehmung ist

• selektivAus dem riesigen Informationsangebot wählen wir unbewusst aus, was

uns bedeutungsvoll erscheint.

• situativJedes Verhalten hat in einer bestimmten Situation einen bestimmten Sinn. Das

heisst, dass wir aus einer einzelnen Beobachtung heraus wenig über einen

Menschen wissen können, sondern nur etwas über sein Verhalten in einer konkret

erlebten Situation.

• subjektivWas eine Person wahrnimmt und wie sie das Wahrgenommene bewertet, hängt mit

dem individuellen Wertesystem zusammen. Was die eine stört, kann dem

anderen gefallen.

Deshalb sagt ein Feedback auch immer etwas über den Sender, die Senderin aus.

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Feedback 149

Arbeiten im Team

11.5.2 Arbeitsteil

Feedback geben heisst Wahrnehmungen mitteilen – in drei Schritten:

1. Was nehme ich an deinem Verhalten wahr? ▷ möglichst konkret beschreiben

2. Wie wirkt das wahrgenommene Verhalten auf mich? ▷ wahrgenommene Wirkung

mitteilen

3. Wie reagiere ich auf diese Wirkung? ▷ eigenes Gefühl, eigenes Denken mitteilen

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Arbeiten im Team

150 Arbeiten im Team

Konflikte in der Praxis 11.6 Konflikte in der Praxis

Wo Menschen zusammenarbeiten, treten früher oder später Konflikte auf. Die Kunst ist,

richtig damit umzugehen und geeignete Wege zu finden, sie zu bearbeiten. Oft resultieren

Konflikte aus blossen Missverständnissen oder falschen Interpretationen.

Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein, damit von einem Konflikt gesprochen werden

kann:

• mindestens 2 Parteien sind beteiligt

• ein gemeinsames Konfliktfeld besteht

• unterschiedliche Handlungsabsichten sind möglich

• Gefühle spielen eine Rolle

• gegenseitige Beeinflussungsfaktoren gilt es zu beachten

Konflikte unterscheiden sich von Problemen vor allem dadurch, dass sich die Parteien in der

Bewältigung der Situation uneins sind und dabei negative Gefühle entwickeln. Da Gefühle

einen starken Handlungsantrieb verursachen, ist die Aktionsbereitschaft in Konflikten sehr

hoch. Man kann sagen: je stärker das Gefühl, desto höher die Handlungsbereitschaft. Ein

starkes Gefühl hat ausserdem die Nebenwirkung, dass es die kritische Urteilsbildung vermin-

dert oder sogar vollständig unterdrückt. Die Folge davon ist unreflektiertes Handeln, dass

man im Nachhinein oft selbst bereut.

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Konflikte in der Praxis 151

Arbeiten im Team

11.6.1 Arbeitsteil

Wenn ich wütend bin…

Fragen zum Thema Wut

▷ Woran merken Sie, dass Sie wütend sind (Gedanken, Gefühle, Körper)?

▷ Woran merkt der Patient, dass die Praxishilfe wütend ist?

▷ Was tun Sie, wenn Sie wütend sind?

▷ Was tun Sie in der Praxis, wenn Sie wütend sind?

▷ Und was tun Sie, wenn Sie RICHTIG wütend sind?

MUSTER

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Arbeiten im Team

152 Arbeiten im Team

KonfliktartenHier handelt es sich um Konflikte innerhalb von Gruppen. Diese können persönlich oder

sachlich sein.

KonflikttypenWir unterscheiden:

• Zielkonflikte:

Die Beteiligten verfolgen unterschiedliche Ziele. Aufgrund von verschiedenen

Erfahrungen und Informationen, unterschiedlichen Vorstellungen und fehlendes

Wissen kann keine Einigung erzielt werden.

• Wegekonflikte:

Es bestehen unterschiedliche Vorstellungen wie ein Ziel erreicht werden kann.

• Verteilungskonflikte:

Diese entstehen bei Aufteilung von Arbeit, Geld oder anderen Gütern ( z. B.

Nahrung).

Es führt unweigerlich zu Spannungen, wenn die Aufteilung als ungerecht gesehen

wird. Eine ungleiche Beurteilung einer Person kann schnell zu Machtkämpfen

führen.

• Beziehungskonflikte:

Durchsetzen der eigenen Vorstellungen oder Meinungen durch Einzelpersonen oder

Gruppen. Diese Konflikte werden vielfach auf emotionaler und selten auf sachlicher

Basis ausgetragen. Hierzu gehört auch das Mobbing.

Ein Konflikt verläuft meist unvernünftig, emotionsgeladen und schnell!

Konfliktsymptome Schuldzuweisungen Pers. Umgang mit Konflikten Konflikthandeln Konfliktergebnis

▷ negatives Gefühl

▷ unlogisches oder unerklärli-ches Verhalten

▷ durch andere Partei

▷ gemeinsame

Lösung suchen

▷ konkurrierend

▷ Handlung

(abhängig von der Einstellung zu einem Konflikt)

▷ Rückschau positiv oder negativ

MUSTER

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Lehrkraftausgabe

Konflikte in der Praxis 153

Arbeiten im Team

Es gibt Kommunikationsformen, die helfen, Konflikte im Konsens (Übereinstimmung) zu

klären.

«Ich-Botschaften» mit den bereits erwähnten drei «W», (Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch).

Ich-Botschaften sind ein Kommunikationsstil, der Ihrem Gegenüber hilft, Sie besser zu

verstehen und sich in Sie hineinzuversetzen. Damit tragen solche Ich-Botschaften wesentlich

zur Konfliktlösung bei, weil jeder authentisch (echt, glaubwürdig) und ausschliesslich über

sich selbst spricht. Vermeiden Sie «Du-Botschaften», mit denen Sie Ihren Konfliktpartner

anschuldigen und den Konflikt eher eskalieren lassen.

Meine Wahrnehmung:

Ich beschreibe, was ich sehe, höre oder was ich mit meinen anderen drei Sinnen wahrnehme.

Die Wirkung auf mich:

Ich beschreibe, was welche Handlung entweder in meinem Kopf (Gedanken, Vermutungen,

Unterstellungen) oder im Herzen (Freude, Angst, Trauer, Wut) auslöst.

Mein Wunsch:

Ich beschreibe, wie mir der andere helfen könnte, beispielsweise besser mit ihm zusammen-

zuarbeiten und was ich selbst dazu beitragen will.

Es hilft auch, dem anderen erst einmal zuzuhören und mit Rückfragen und Rückmeldungen

zu klären, ob man ihn auch richtig verstanden hat. Dies hilft bei der gemeinsamen Lösungs-

suche und manch scheinbarer Konflikt löst sich dann fast wie von selbst auf.

MUSTER

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Arbeiten im Team

154 Arbeiten im Team

11.6.2 Arbeitsteil

Erarbeiten Sie zusammen mit einer Kollegin die Antworten!

Häufige Ursachen von Konflikten am Arbeitsplatz:

• Zeitdruck und Stress• Informationsmangel• Unklare oder nicht erfüllbare Aufgaben• Mangelnde Anerkennung, Abwertung• Rücksichtslosigkeit und grobe Umgangsformen

Konfliktfähig sein heisst:

• Differenzen und Spannungen früh und deutlich erkennen.• Selbst wissen, was man in der Sache und vom anderen will.• Das eigene Anliegen zum Ausdruck bringen (Ich-Botschaften!), ohne die

Situation zu verschlimmern.• Standpunkte klären, Missverständnisse auflösen.

Lösungsmöglichkeiten bei Konflikten:

• Kämpfen: sich für sich einsetzen, seine Bedürfnisse klar ausdrücken und sie voll und ganz durchsetzen wollen, weil es einem so wichtig ist.

• Nachgeben: die Bedürfnisse des anderen in den Vordergrund stellen und die eigenen Bedürfnisse hintanstellen.

• Ausweichen: Manchmal ist es besser, Konflikte zu vermeiden und sich zurück-zuziehen.

• Kompromiss suchen: Es wird eine Lösung angestrebt, bei der beide Parteien ein Stück ihrer Bedürfnisse durchsetzen, aber auch ein Stück davon abweichen.

• Konsens: Es gibt Situationen, die sich derart klären, dass beide Parteien voll-umfänglich zufrieden sind – eigentlich wollten beide dasselbe.

Nicht erlaubt bei Konflikten ist:• Missglückte Wortwahl: Saustall, idiotischer Vorschlag etc.

• Persönliche Angriffe: Du nervst mich.

• Verallgemeinerungen: Auf Dich ist nie Verlass!

• Streitpunktlawine: Ausserdem hast Du noch getan: …

MUSTER

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Kommunikation und Umgang mit Patienten - Medizinischer Lehrmittelverlag Bieri & Weder

Brigitte Sallmann, Denise Ebner Koller 2015

Lehrkraftausgabe

Das Konfliktgespräch 155

Arbeiten im Team

Das Konfliktgespräch11.7 Das Konfliktgespräch

AllgemeinesKonflikte sind in Beruf und Privatleben nicht zu vermeiden. Wenn Menschen zusammen

arbeiten, zusammen wohnen, entstehen aufgrund vielfältiger Beziehungen, persönlicher

Interessen sowie gemeinsamer Aufgaben, auch durch die Anforderungen Unstimmigkeiten

und Spannungen, die zu Konflikten führen können. Konfliktgespräche braucht es deshalb

immer wieder und überall.

Oft haben wir Mühe, ein Konfliktgespräch zu führen. Treten Spannungen, Unstimmigkeiten

und Missverständnisse auf, wenden wir viel Energie dafür auf, die Anzeichen eines Konfliktes

zu ignorieren oder umzudeuten. Hinter solchen Verhaltensweisen steht häufig die Angst vor

möglichen Niederlagen. Dazu kommen frühere Erfahrungen mit Konfliktsituationen, die viel-

leicht nicht förderlich waren.

Dabei müssen Konflikte nicht von vorneherein negativ sein. Sie werden erst dann destruktiv,

wenn man mit ihnen unangemessen umgeht. Werden Konflikte nicht angesprochen, so

schwelen sie unter der Oberfläche weiter und beeinflussen das Betriebsklima oder die

Lebensqualität allgemein.

Konflikte können aber auch belebend sein und als Chance gesehen werden. Sie geben wich-

tige Impulse zur Weiterentwicklung, entweder eines Betriebes, eines Teams oder sogar von

sich selber.

Formulierung von Gruppenregeln

Ein gemeinsamer Regelkatalog, der von allen Mitgliedern der Gruppe erarbeitet bzw.

abgeschlossen wird, schafft Verbindlichkeit.

Gruppenregeln können positiv formuliert und ausgehängt werden.

Beispiel:

• Einer dem anderen hilft und Mut macht

• andere Meinungen tolerieren und akzeptieren

• zuhören und aufeinander eingehen

• persönliche Angriffe und Beleidigungen vermeiden

• niemanden «links liegen lassen»

• jeder erscheint pünktlich

• zielstrebig gearbeitet und diskutiert wird

• Probleme offen angesprochen werden

• Versprechen einhalten

• Aufgestellte Regeln werden beachtet

• Konflikte taktvoll behandelt werden

MUSTER

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Kommunikation und Umgang mit Patienten - Verlag Bieri & Weder

Brigitte Sallmann, Denise Ebner Koller 2015

Lehrkraftausgabe

156

Quellenverzeichnis

Kapitel 2 Kartenspiel «Sehen, was nicht ist, und nicht sehen, was ist», Prof. J. R. Block und Prof. H. E. Yuker, Hofstra-Universität, Hempstead, NY, USA, Hrsg. Time-Life Bücher www.springer.com/cda/content / soz. Wahrnehmung www.vwa-bwl.de/ Sozialpsychologie https://people.fh-landshut.de/ Psych-Grund2-Wahrnehmung.pdf

Kapitel 3Arnold, Eysenck, Meili [Hg.] «Lexikon der Psycho-logie», Bechtermünz Verlag, Augsburg 1997Vera F. Birkenbihl «Signale des Körpers: Körper-sprache verstehen», mvg-Verlag, Landsberg am Lech 1997 – 12. AuflageRenate Ibelgaufts «Körpersprache wahrnehmen, deuten und anwenden», Augustus Verlag, Augs-burg 1997David Krech u. a.; Hellmuth Benesch [Hg.] «Grundlagen der Psychologie», Beltz Psychologie Verlags Union, Weinheim 1992 Samy Molcho «Körpersprache als Dialog», Mosaik Verlag, München 1988Samy Molcho «Körpersprache», Mosaik Verlag, München 1983Julius Fast «Körpersprache», Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbeck bei Hamburg 1979 Wingchen Jürgen, Kommunikation und Gesprächs-führung für Pflegeberufe, Brigitte Kunz Verlag, 2. Aktualisierte AuflageRogall-Adam Renate, Josuks Hannelore, Adam Gottfried, Schleinitz Gottfried, Professionelle Kommunikation in Pflege und Management, Schlü-tersche Verlagsgesellschaft, 2011Hausmann Clemens, Psychologie und Kommunika-tion für Pflegeberufe, facultas.wuv, 2009, 2., überarbeitete und ergänzte Auflage

Kapitel 4 Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun, Friedemann Schulz von Thun, Miteinander reden 1, rororo Sachbuch, Sonderausgabe April 2001

Kapitel 5Clemens Hausmann, Psychologie für Pflegeberufe, Verlag: facultas.wuv 2. Auflage 2009

Kapitel 6Müller-Dofel, Mario: Interviews führen. Ein Hand-buch für Ausbildung und Praxis, Econ 2009, ISBN 978-3-430-20077-6, Website zum Buch; Porst, R.: Fragebogen: Ein Arbeitsbuch, 2. Aufl., Wiesbaden 2009: VS Verlag für Sozialwissenschaften. ISBN 978-3531164359

Kapitel 8Deeskalation in der Pflege, Tim Bärsch/Marian Rohde, RaBe-Deeskalation 2010, Books on Demand GmbH Norderstedt

Kapitel 10Psychologie und Kommunikation für PflegeberufeClemens Hausmann – facultas.wuv

Kapitel 11 Ausgabe 04/2009 | Seite 18 | ID 125730

Kapitel 12mediX gesundheitsdossier (Juli 2009), Schweizer Patienten-Charta Herausgegeben vom Verein pati-enten.ch (Januar 2005)

Kapitel 13Gellert/Novak, aus: Rogall-Adam, Josuks, Adam, Schleinitz: Professionelle Kommunikation in Pflege und Management, S. 197; http://www.4managers.de

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Brigitte Sallmann, Denise Ebner Koller 2015

Lehrkraftausgabe

Das Konfliktgespräch 157

Arbeiten im Team

Kommunikation und Umgang mit Patienten

Schülerausgabe: ISBN 978-3-9524361-2-7

Lehrkraftausgabe: ISBN 978-3-9524361-3-4

© Medizinischer Lehrmittelverlag Bieri & Weder

Ausgabe 2015

Printed in Switzerland

www.myMPA.ch

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